Arbeitsrecht
| Auch in einem Minijob gibt es bezahlten Urlaub. Doch in diesem Zusammenhang stellen sich viele Fragen: Wie viele freie Tage stehen einem Minijobber zu? Was gilt bei unregelmäßiger Arbeitszeit? Wie wirkt sich das Urlaubsgeld auf den Minijob aus? Diese und weitere Fragen hat die Minijob-Zentrale jüngst beantwortet. |
So erläutert die Minijob-Zentrale beispielsweise, dass der Lohn während des Urlaubs weitergezahlt werden muss (Urlaubsentgelt). Das ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt. Zusätzlich kann es Urlaubsgeld geben (als freiwillige Zahlung zum Urlaub).
Quelle | Minijob-Zentrale vom 11.6.2025 „Urlaub im Minijob: Ihre Fragen – Wir antworten!"
| Es gibt steuerliche Betriebsprüfungen, die bereits nach kurzer Zeit abgeschlossen sind. Andere Prüfungen hingegen ziehen sich über Monate oder sogar über Jahre hin. Um die Betriebsprüfung zu beschleunigen, wurden nun mehrere gesetzliche Änderungen vorgenommen. |
Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen
Verzögerungen bei einer Betriebsprüfung können mitunter auf eine unzureichende Mitwirkung des Steuerpflichtigen zurückzuführen sein. Um dem entgegenzuwirken, sieht der neue § 200 a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) das qualifizierte Mitwirkungsverlangen vor, das sich auf die Mitwirkungspflichten nach § 200 AO stützt. Danach hat der Steuerpflichtige u. a. Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben.
Ermessensentscheidung des Prüfers
Das (neue) qualifizierte Mitwirkungsverlangen stellt eine Ermessensentscheidung des Prüfers dar, die frühestens nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ergehen darf. Entscheidet sich der Prüfer für ein solches Mitwirkungsverlangen, ist es schriftlich oder elektronisch (versehen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung) zu erteilen.
Beachten Sie | Der Steuerpflichtige muss in diesem Fall schnell handeln. Denn das Mitwirkungsverlangen ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe zu erfüllen. Nur in begründeten Einzelfällen kann die Frist verlängert werden.
Neu: Mitwirkungsverzögerungsgeld
Problematisch wird das qualifizierte Mitwirkungsverlangen für den Steuerpflichtigen, wenn es nicht oder nicht hinreichend innerhalb der Frist erfüllt wird. Denn in diesen Fällen wird das neu eingeführte Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt (§ 200 a Abs. 2 AO). Ausnahme: Die Mitwirkungsverzögerung erscheint entschuldbar, beispielsweise bei einer stark beeinträchtigenden Erkrankung.
Beachten Sie | Das Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung (also für jeden vollen Tag nach Verstreichen der im Mitwirkungsverlangen gesetzten Frist) 75 Euro. Gerechnet werden die Tage bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Mitwirkungsverlangen erfüllt wird – spätestens bis zum Tag der Schlussbesprechung. Denn nach der Schlussbesprechung gibt es keinen Bedarf mehr, eine Mitwirkung sicherzustellen.
Allerdings dürfen maximal 150 Tage zugrunde gelegt werden, sodass das Mitwirkungsverzögerungsgeld maximal 11.250 Euro betragen kann (150 Tage × 75 Euro).
Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld
Nicht immer bleibt es bei dem Mitwirkungsverzögerungsgeld. Denn es steht im Ermessen des Prüfers, nach § 200 a Abs. 3 AO zusätzlich einen Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzen. Voraussetzung ist, dass
- gegen den Steuerpflichtigen in den letzten fünf Jahren ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wurde und zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt oder
- wegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt. Davon ist auszugehen, wenn die Umsatzerlöse in einem der von der Prüfung umfassten Jahre mindestens 12 Mio. Euro betragen oder sich die konsolidierten Umsatzerlöse bei Konzernen auf mindestens 120 Mio. Euro belaufen.
Entscheidet sich der Prüfer für den Zuschlag, steht auch die Höhe in seinem Ermessen. Dabei darf der Zuschlag höchstens 25.000 Euro für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung betragen – ebenfalls für maximal 150 Tage (maximal somit 3,75 Mio. Euro).
Teilabschlussbescheid und Inkrafttreten
Um die Betriebsprüfungen zu beschleunigen, wurde auch der neue Teilabschlussbescheid eingeführt. Denn oft scheitert der zeitnahe Abschluss an einem einzelnen Sachverhalt, der nur durch intensiven Arbeitseinsatz aufgeklärt werden kann. Das Problem: So entsteht keine Rechtssicherheit bezüglich weiterer geprüfter Sachverhalte.
Durch den neuen § 202 Abs. 3 AO hat der Prüfer die Möglichkeit, bereits vor Abschluss der Prüfung einen Teilprüfungsbericht zu übermitteln und im Anschluss einen Teilabschlussbescheid zu erlassen. Hierdurch lassen sich einzelne im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte und abgrenzbare Feststellungen vor dem abschließenden Prüfungsbericht gesondert feststellen. Kann der Steuerpflichtige ein erhebliches Interesse an einem Teilabschlussbescheid glaubhaft machen, soll dieser auf Antrag ergehen.
Beachten Sie | Die Neuerungen gelten erst für Steuern und Steuervergütungen, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Sie sind aber auch für Steuern und Steuervergütungen anzuwenden, die vor dem 1.1.2025 entstehen, wenn für diese Steuern und Steuervergütungen nach dem 31.12.2024 eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde.
Quelle | Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie, BGBl I 2022, S. 2730
| Verlängert sich die dem Verbraucher gesetzlich eingeräumte 14-tägige Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge, wenn der Verkäufer in seiner Widerrufsbelehrung seine Telefonnummer nicht angibt? Diese Frage hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden. |
Kauf im Online-Shop über 62.000 Euro
Der Kläger hatte am 4.5.2022 über den Onlineshop der Beklagten ein Elektrofahrzeug zum Preis von rund 62.000 Euro erworben. Die Auslieferung des Fahrzeugs erfolgte am 20.12.2022. Am 14.8.2023 erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrags. Zu spät, entschied nun auch das OLG in zweiter Instanz und wies damit die Berufung des Klägers zurück.
Rechtlicher Hintergrund
Verbrauchern steht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: §§ 312 g Abs. 1, 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, im Normalfall beginnend ab Erhalt der Ware. Wird der Verbraucher jedoch nicht korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB). Die Informationspflichten des Unternehmers ergeben sich aus dem Einführungsgesetz zum BGB (hier: Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB). Der Unternehmer kann die Informationspflichten auch durch die Verwendung einer Musterwiderrufsbelehrung erfüllen, die sich in der Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB befindet.
Fehlende Telefonnummer ohne Auswirkungen
Hier hatte die Autohändlerin in ihrer selbst formulierten Widerrufsbelehrung, die sie dem Kläger übermittelte, keine Telefonnummer angegeben. Diese war jedoch auf der Internetseite der Beklagten zu finden. Das OLG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist geführt hat.
Widerruf eines Autokaufs wahrscheinlich eher schriftlich als per Telefon
Es entschied, dass die Widerrufsbelehrung auch ohne Angabe einer Telefonnummer den gesetzlichen Anforderungen genügt und sich die Widerrufsfrist daher nicht verlängert. Die Nichtangabe der Telefonnummer begründe bei einem Autokauf, der von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sei, nicht die Gefahr, dass der Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werde.
Ein typischer Kunde würde allein aus Beweiszwecken bei den hohen Summen eines Elektroautokaufs den Widerruf vernünftigerweise auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. per E-Mail) übermitteln.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 7.11.2024, 14 U 95/24, PM 8/25
| Hat sich der Übergeber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anlässlich der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ein Wohnungsrecht an einer Wohnung des übergebenen Vermögens vorbehalten, ist ein Sonderausgabenabzug des Mietwerts nach Meinung der Finanzverwaltung ausgeschlossen. Dieser Ansicht hat aber nun das Finanzgericht (FG) Nürnberg widersprochen. |
Hintergrund: Wird ein Betrieb gegen Versorgungsleistungen auf nahe Angehörige übertragen, kann der Betriebsübernehmer die Versorgungsleistungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 a Nr. 2 EStG) als Sonderausgaben abziehen, die der Empfänger versteuern muss (nach § 22 Nr. 1a EStG).
Das war geschehen
Anlässlich einer Hofübergabe wurde dem Übergeber ein Altenteil in Form eines vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts, Taschengelds und der Mitbenutzung von Gegenständen eingeräumt. Den vom Vermögensübernehmer als Sonderausgaben geltend gemachten Nutzungswert der Altenteilerwohnung erkannte das Finanzamt allerdings nicht an, da nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2010 nur die mit der Nutzungsüberlassung tatsächlich zusammenhängenden Aufwendungen (wie Strom, Heizung, Wasser und Instandhaltungskosten), nicht jedoch der Nutzungswert der Altenteilerwohnung berücksichtigt werden können.
Finanzgericht gibt Kläger Recht, Revision ist eingelegt
Die hiergegen eingelegte Klage war vor dem FG Nürnberg erfolgreich. Nach Auffassung des FG kann der Fall, dass der Versorgungsberechtigte mit dem ihm gewährten (höheren) Barunterhalt selbst eine Wohnung mietet, für den Bereich des Sonderausgabenabzugs nicht anders behandelt werden als der Fall, in dem sich die Versorgungsleistung aus (niedrigerem) Barunterhalt und unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zusammensetzt.
Da die Revision anhängig ist, muss nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden.
Quelle | FG Nürnberg, Urteil vom 6.2.2025, 4 K 1279/23, Rev. BFH: X R 5/25, BMF-Schreiben vom 11.3.2010, IV C 3 - S 2221/09/10004, Rz. 46
| Der Bundesfinanzhof (BFHZ) hat jüngst entschieden, dass die Erteilung von Reitunterricht nicht von der Umsatzsteuer befreit ist, es sei denn, der Unterricht dient der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung. |
Das war geschehen
Im Streitfall begehrte der Kläger die Steuerbefreiung verschiedener Reitkurse für Kinder und Jugendliche auf seinem Reiterhof in den Jahren 2007 bis 2011. In der „Ponygruppe“ wurden Kinder und Jugendliche und bei „Klassenfahrten“ wurden Schulklassen im Umgang mit Pferden unterrichtet.
Zudem wurden Kurse für eine „Große Pferdegruppe“ angeboten, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen gerichtet waren. Die unterrichteten Kinder und Jugendlichen wurden darüber hinaus verpflegt und übernachteten teilweise auch auf dem Reiterhof.
Uneinigkeit der gerichtlichen Instanzen
Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, dass sämtliche Leistungen steuerpflichtig seien. Das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein sah das aber größtenteils anders. So seien die Umsätze insoweit steuerfrei, als sie auf die Beherbergung und Verpflegung sowie auf den Teil des Reitunterrichts entfielen, mit dem die formalen Voraussetzungen dafür erlangt werden können, später den Beruf des Turniersportreiters auszuüben („Große Pferdegruppe“).
Der Meinung des Finanzgerichts hat sich der BFH aber nicht vollumfänglich angeschlossen.
Der BFH stellte klar, dass es sich bei der Beherbergung und Verpflegung von Kindern und Jugendlichen um selbstständige steuerbare Leistungen neben dem Reitunterricht handelt. Er hob weiter hervor, dass Reitunterricht (als spezialisierter Unterricht) kein „Schul- und Hochschulunterricht“ ist.
Beachten Sie | Entsprechendes ist bereits für Segel-, Fahr-, Schwimm-, Jagd- und Tanzschulen entschieden worden.
Anerkennung als Ausbildung an strenge Voraussetzungen geknüft
Die Einstufung von Reitunterricht als „Ausbildung“ oder „Fortbildung“ kommt nach Auffassung des BFH nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Reitunterricht, der typischerweise der Freizeitgestaltung dient, ist in der Regel keine Ausbildung oder Fortbildung, da er nicht auf einen bestimmten Beruf vorbereitet. Die Kurse der „Ponygruppe“ und für Schulklassen im Rahmen der „Klassenfahrten“ sind daher umsatzsteuerpflichtig.
Beachten Sie | Die Ansicht des BFH dürfte insoweit strenger sein als die Auffassung der Finanzverwaltung zu Ballett-, Tanz- oder Musikunterricht.
Spätere Turniersportreiter: umsatzsteuerfreie Kurse
Bei den Kursen der „Großen Pferdegruppe“ lagen hingegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme vor, da zahlreiche Teilnehmer später Turniersportreiter wurden. Diese Kurse sind folglich umsatzsteuerfrei.
Hinsichtlich der Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für die Kinder und Jugendlichen führte der BFH aus, dass die hierfür seinerzeit geltende Steuerbefreiung nur in Betracht kommt, wenn eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter vorliegt. Bereits hieran fehlte es aber im Streitfall. Denn der Kläger konnte eine solche Anerkennung nicht vorweisen.
Beachten Sie | Seit dem 1.1.2020 können nur noch die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben insoweit umsatzsteuerbefreit sein, was der Kläger aber nicht ist.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 9/22, PM 35/25 vom 30.5.2025
| Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen und übernimmt der neue Eigentümer die auf dem Grundstück lastenden Schulden, liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund : Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Spekulationsbesteuerung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 23 EStG).
Beachten Sie | Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die
- im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
Das war geschehen
Der Vater hatte im Jahr 2014 ein Grundstück für 143.950 Euro erworben und teilweise fremdfinanziert. 2019 übertrug er das Grundstück auf seine Tochter. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Grundstück einen Wert von 210.000 Euro. Die Tochter übernahm die am Übertragungstag bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 115.000 Euro.
Finanzamt: Aufteilung in entgeltlich und unentgeltlich
Das Finanzamt teilte den Vorgang (ausgehend vom Verkehrswert im Zeitpunkt der Übertragung) in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichenTeil auf. Soweit das Grundstück unter Übernahme der Verbindlichkeiten entgeltlich übertragen worden war, besteuerte das Finanzamt den Vorgang als privates Veräußerungsgeschäft.
Hiergegen klagte der Vater vor dem Finanzgericht (FG) Niedersachsen und bekam Recht. Die Begründung: Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten sind keine Veräußerungen (im Sinne des § 23 EStG).
Höchste Instanz bestätigt Vorgehen des Finanzamts
Doch die Freude währte nicht lange, denn der BFH schloss sich der Ansicht des Finanzamts an.
- Wird ein Wirtschaftsgut übertragen und werden damit zusammenhängende Verbindlichkeiten übernommen, liegt regelmäßig ein teilentgeltlicher Vorgang vor. In diesem Fall erfolgt eine Aufteilung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichenTeil.
- Wird das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen, unterfällt der Vorgang hinsichtlich des entgeltlichen Teils als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensteuer.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.3.2025, IX R 17/24, PM 37/25 vom 30.5.2025
| Frauen muslimischen Glaubens haben keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kfz mit einem Gesichtsschleier (Niqab). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin bestätigt. |
Antrag auf Ausnahmegenehmigung
Die Klägerin hatte ihren Antrag auf Ausnahmegenehmigung damit begründet, dass sie sich gemäß ihrem Glauben außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Da sie im Auto den Blicken fremder Menschen ausgesetzt sei, müsse es ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Das VG hatte die Klage abgewiesen.
Berufung nicht zugelassen
Das OVG hat den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Mit ihren Einwendungen hat die Klägerin es nicht vermocht, ernstliche Richtigkeitszweifel an der Entscheidung des VG zu wecken oder Verfahrensfehler offenzulegen.
Keine wesentliche Einschränkung der Religionsfreiheit
Die Annahme des VG, dass das Tragen einer Gesichtsverschleierung während des Autofahrens für die Religionsausübung typischerweise keine wesentliche Einschränkung bedeutet und angesichts der zeitlich und örtlich eingeschränkten Wirkung des Verbots hinzunehmen ist, konnte sie nicht durchgreifend in Frage stellen.
Dasselbe gilt für die Annahme des VG, dass das der zuständigen Behörde bei der Frage der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt wurde, weil der Eingriff zur Sicherstellung der effektiven automatisierten Verkehrsüberwachung gerechtfertigt ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Quelle | OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.4.2025, OVG 1 N 17/25 , PM 11/25
| Wer seine SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergibt, hat keinen Anspruch auf Rückzahlung abgebuchter Kreditkartenbeträge. So entschied es das Amtsgericht (AG) München. |
Das war geschehen
Der Ehemann der Klägerin wollte am Samstag, den 6.1.2024, für seine Ehefrau und sich eine Reise im Internet buchen. Hierzu gab er auf der Website „Check24“ die Daten der Kreditkarte seiner Ehefrau ein. Kurz darauf erschien eine Mitteilung, dass ein Betrag in Höhe von 318,99 Euro vorgemerkt sei, ehe weitere Mitteilungen über vergleichbare Vormerkungen erschienen. Die Klägerin veranlasste noch am selben Abend telefonisch die Sperrung der Kreditkarte. Am Montag, den 8.1.2024 sind sechs unberechtigte Abbuchungen zu je 318,99 Euro für Giftcards vom Konto der Klägerin erfolgt, insgesamt 1.953,29 Euro.
Zur Autorisierung der Transaktionen fand das Mastercard 3D-Secure-Verfahren Anwendung. Zur Aktivierung dieses Verfahrens auf einem weiteren Gerät übersandte die beklagte Bank am 6.1.2024 eine SMS-TAN an die von der Klägerin bei der Beklagten hinterlegte Mobilfunknummer. Die an die Klägerin versandte SMS-TAN wurde dann auf dem weiteren mobilen Endgerät, auf dem auch die Banking-App freigeschaltet wurde, am 6.1.2024 eingegeben und damit das Secure-Verfahren aktiviert.
Die Klägerin behauptete, dass sie diese Abbuchungen nicht autorisiert habe. Bei der Buchung sei sie nicht nach PIN oder Passwort gefragt worden, sie habe auch nirgendwo eine SMS-Tan eingegeben. Es sei nicht erkannt worden, dass es sich möglicherweise um eine „Fake“-Website handelte.
Die beklagte Bank ging davon aus, dass die Frau die SMS-Tan an einen Dritten weitergegeben haben muss, da eine Freigabe der Buchungen anders technisch nicht möglich gewesen sei und verweigerte die Zahlung. Die Klägerin verklagte die Bank daher vor dem AG auf Rückzahlung der 1.953,29 Euro.
So sah das Amtsgericht den Sachverhalt
Das AG wies die Klage ab. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Abbuchungen nicht von der Klägerin autorisiert waren, sondern von Dritten getätigt wurden. Aufgrund der Beweisaufnahme war das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin die SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergegeben haben muss, weshalb ein Schadenersatzanspruch der Bank gegen die Klägerin in gleicher Höhe bestehe, mit dem die Bank aufgerechnet habe.
Das AG: Der Vortrag der Bank, dass diese in ihren Systemen feststellen konnte, dass das Mastercard 3D-Secure Verfahren per Banking App für die Kreditkarte der Klägerin am 6.1.2024 um 13:30 Uhr aktiviert wurde, und zur Aktivierung dieses Verfahrens auf dem neuen Gerät eine SMS-TAN an die im Vertrag hinterlegte Mobilfunknummer der Klägerin versandt wurde, wurde durch Inaugenscheinnahme des Mobiltelefons der Klägerin bestätigt. Dort befindet sich eine SMS vom 6.1.2024 13:29 Uhr mit dem Inhalt: „ … ist Ihre TAN für die Aktivierung von Mastercard Identity Check vom 6.1.2024 13:44 Uhr.“ Der Eingang der SMS um 13:29 Uhr war im eingesehenen Nachrichtenverlauf um 13:29 Uhr dokumentiert und wird auch durch das vorgelegte IT-Protokoll belegt. Der Vortrag der Klägerin, keine SMS-TAN erhalten zu haben und dass ihr Mobiltelefon nicht in die Freigabe involviert war, erwies sich damit als widerlegt.
SMS-Tan war unzweifelhaft eingegeben worden
Die Bank hat unbestritten vorgetragen, dass aufgrund der manuellen Eingabe einer an die Mobilfunknummer der Klägerin versandten SMS-Tan ein Fremdzugriff technisch ausgeschlossen ist. Es wurde ein neues Gerät im Online-Banking der Klägerin als Freigabeinstrument im Rahmen des 2-Faktor-Authentifizierungsverfahrens hinterlegt. Hierzu war – technisch zwingend – die Eingabe der SMS-Tan erforderlich. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Klägerin durch Preisgabe der SMS-Tan Dritten eine Registrierung eines Geräts ermöglicht hat, wobei die Preisgabe persönlicher Sicherheitsmerkmale an Dritte gemäß den vertraglichen Bestimmungen untersagt war.
Verhalten der Klägerin war grob fahrlässig
Das Verhalten der Klägerin bewertet das Gericht als grob fahrlässig. Es ist eine Sache, wenn man seine Kreditkartendaten offenbart. Diese werden bei jeder Verwendung offenbart und können auch von der Karte abgelesen werden.
Die Weitergabe eines im Rahmen einer Zwei-Faktor-Autorisierung erhaltenden Zugangscodes kann nicht damit gleichgesetzt werden. Mit dieser Weitergabe hilft der Nutzer, die Sicherheitsarchitektur grundlegend auszuhebeln. Es muss jedem verständigen Nutzer solcher Kreditkarten klar sein, welches Risiko er mit der Weitergabe derartiger Daten schafft. Die Klägerin mag dies nicht bewusst getan haben und es mag auch nicht erinnerlich sein. Indessen lässt sich der Vorgang plausibel nicht anders erklären.
Quelle | AG München, Urteil vom 8.1.2025, 271 C 16677/24, PM 14/25
| Nach den Vorgaben des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes (FKAustG) werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates automatisch ausgetauscht. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun die Staatenaustauschliste 2025 bekanntgegeben. Enthalten sind die Staaten, mit denen der automatische Datenaustausch zum 30.9.2025 erfolgt. Weitere Informationen zum Informationsaustausch erhalten Sie u. a. auf der Website des Bundeszentralamts für Steuern (abrufbar unter www.iww.de/s2991). |
Quelle | BMF-Schreiben vom 3.6.2025, IV D 3 - S1315/00304/070/025
| Die Vermietung von Zimmerkontingenten an eine Kommune zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter überschreitet nicht den Nutzungszweck eines zum Hotelbetrieb gepachteten Gebäudes. Dies gilt jedenfalls, solange hiermit keine übermäßige Abnutzung oder sonstige Beeinträchtigung für den Verpächter verbunden ist, die über die übliche Nutzung durch Hotelgäste hinausgeht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die auf Räumung und Herausgabe des Hotels gerichtete Klage der Verpächterin abgewiesen. |
War die Unterbringung Geflüchteter vertragswidrig?
Die Klägerin schloss 2016 mit der Beklagten einen Vertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb des „Hotel F.“ in Gießen. Die Sache durfte vertraglich nur zum vereinbarten Nutzungszweck gebraucht werden. Seit Herbst 2022 buchte das Jugendamt der Stadt Gießen regelmäßig Zimmer für in seiner Obhut stehende Jugendliche. Nach Abmahnung kündigte die Klägerin 2023 fristlos. Sie hält die Unterbringung unbegleiteter Jugendlicher für vertragswidrig. Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt.
In der Berufung wies das OLG die Klage ab. Der Vertrag zwischen den Parteien sei nicht wirksam fristlos gekündigt worden. Die Beklagte habe nicht die Rechte der Klägerin durch eine unbefugte Überlassung an Dritte in erheblichem Maße verletzt. Dem Betrieb eines Hotels sei es immanent, dass es zu Beherbungsverträgen mit Dritten komme. Davon umfasst sei auch, dass bei der Buchung von Zimmerkontingenten durch Firmen o. Ä. ein ganzes Hotel faktisch durch denselben Mieter belegt werde. Der Abschluss von zeitlich begrenzten und auf bestimmte Zimmer bezogenen Beherbungsverträgen mit der Stadt Gießen sei folglich nicht unbefugt gewesen. Die Grenze zur unzulässigen Gebrauchsüberlassung wäre nur überschritten, wenn die Stadt das gesamte Gebäude übernommen und zu einem Flüchtlingsheim umgebaut hätte.
Keine Gefährdung der Mietsache, keine Pflichtverletzung
Eine zur Kündigung berechtigende Gefährdung der Mietsache durch unbegleitete minderjährige Geflüchtete sei nicht erkennbar. Es liege keine Pflichtverletzung wegen Überschreitung des Vertragszwecks vor, die zur Kündigung berechtigte. Die zeitweilige Vermietung zum o. g. Zweck überschreite nicht den Vertragszweck. Die vertraglich vereinbarte Nutzungsart als Hotel sei durch das Angebot von individueller Unterkunft, Service, Verpflegung und Nebenleistungen gekennzeichnet. Aufenthaltsdauer, -zweck und Motive für die Anmietung der Zimmer stellten keine entscheidenden Kriterien für die Bewertung als Hotelbetrieb dar. Es bestehe kein Anspruch darauf, „dass die Vermietung nur an einen bestimmten Personenkreis erfolgen darf, solange keine Beeinträchtigungen der Räumlichkeiten vorliegen bzw. zu befürchten sind“, unterstrich das OLG und es sei auch nicht vorgetragen, dass „Geflüchtete die Zimmer intensiver und nachlässiger nutzten als dies bei einer „normalen“ Vermietung an Hotelgäste der Fall wäre“.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.2.2025, 2 U 63/24, PM 21/25
| Das Landgericht (LG) Hanau hat entschieden: Die Anforderung von Belegkopien der Betriebskostenabrechnung ist kein wirksames Einsichtnahmeersuchen, wenn die Einsicht beim Vermieter zumutbar ist. Hierfür kommt es auf die Entfernung zur Mietwohnung an und nicht auf den Ort, an den der Mieter nach Mietende verzogen ist. |
Muss Mieter Belege einsehen oder muss Vermieter sie zuschicken?
Nach Mietvertragsende verlangte der Mieter die geleistete Kaution zurück. Die dann noch erstellte Betriebskostenabrechnung wies eine Nachforderung auf, die der Vermieter mit der Kaution verrechnete. Der inzwischen über 120 km weit weggezogene Mieter widersprach der Abrechnung, forderte die Übersendung von Belegkopien, um die Abrechnung zu prüfen, und klagte auf Rückzahlung der gesamten Kaution. Er bringt vor, keine Kopien erhalten zu haben, zumal der Vermieter für eine Einsichtnahme bei diesem nun zu weit entfernt sei.
So sahen es die Gerichte
Das Amtsgericht (AG) hat die Klage in Höhe der verrechneten Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das LG entschied, dass die Einwände gegen die Abrechnung zu unkonkret waren, weil der Mieter die Belege nicht geprüft hat. Der Vermieter habe die Belegeinsicht auch nicht verweigert, weil der Mieter unzulässigerweise die Übersendung von Kopien verlangte. Da die Belegprüfung grundsätzlich beim Vermieter erfolgen muss, lag schon kein wirksames Einsichtnahmeersuchen vor.
Kein Ausnahmefall
Der Mieter könne auch nicht ausnahmsweise die Zusendung von Kopien fordern. Das sei zwar möglich, wenn der Vermieter zu weit entfernt ansässig ist. Hierfür komme es jedoch auf die Entfernung der Mietsache zu diesem an, wobei eine Anreise von Hanau nach Frankfurt zumutbar sei. Dass der Mieter nun über 120 km entfernt wohnt, liege hingegen in seinem Risikobereich und führe nicht zu einem Recht auf Übersendung von Kopien.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | LG Hanau, Beschluss vom 24.3.2025, 2 S 43/24, PM vom 8.5.2025
| Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg bestätigte die Vorinstanz: Der kulturelle und familiäre Wert einer Sammlung aus Gemälden und historischen Gegenständen ist höher zu setzen als das Interesse einzelner Familienmitglieder an der Verwertung der Gegenstände. Letzteres hatte ein Teil der Familie aufgrund interner Differenzen verlangt. |
Das war geschehen
Die Nachfahren einer Nürnberger Patrizierfamilie stritten in einem Zivilprozess um den Erhalt ihrer Familiensammlung – einer Sammlung von Gemälden und historischen Gegenständen, die über Jahrzehnte als ungeteiltes Familienvermögen innerhalb der Familie über die Erbfolge weitergegeben wurde. Ein Teil der Familie begehrte den Pfandverkauf der historischen Sammlungsgegenstände, die teils in privater Nutzung sind, teils im Germanischen Nationalmuseum verwahrt werden, um die Erben- und Bruchteilsgemeinschaft auseinanderzusetzen. Die beklagten Familienmitglieder widersetzten sich dem und beriefen sich auf ein in einem Familienvertrag aus dem Jahr 1936 festgelegtes immerwährendes Teilungsverbot für das verfahrensgegenständliche Familienvermögen. Die Kläger verwiesen auf eine spätere Aufhebung sowie Nichtigkeit dieses Familienvertrags, denn dessen Regelungen sahen unter anderem die Weitergabe der Familiensammlung nur an männliche Nachkommen vor.
So sah es die erste Instanz
Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth hatte in erster Instanz die Klage abgewiesen. Es sah die Aufhebung des Familienvertrags nicht durch die vorhandenen Protokolle der Familienversammlungen belegt und erachtete das von der Familie im Jahr 1936 in Bezug auf die Familiensammlung vereinbarte dauerhafte Teilungsverbot als wirksam und fortbestehend an. Die Klagepartei habe auch keine Umstände vorgebracht, die als wichtiger Grund eine Aufhebung der Gemeinschaft rechtfertigen könne. Die im Verfahren vorgetragenen innerfamiliären Differenzen reichten hierfür nicht aus.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Hiergegen legte ein Familienmitglied der unterlegenen Klageseite Berufung zum OLG ein. Dieses hat das Ersturteil bestätigt und die zur Begründung des Aufhebungsanspruchs vorgebrachten Gründe und Einwendungen der Berufung für nicht durchgreifend erachtet. Wie das Erstgericht bewerte der Senat die erbrechtliche Regelung im Familienvertrag zum Ausschluss der weiblichen Nachkommen als nichtig, was aber die Wirksamkeit des dauerhaften Teilungsverbots nicht berühre. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kam das OLG zu dem Ergebnis, dass das beklagtenseits eingewandte familiäre als auch öffentliche Interesse am Erhalt der Gesamtheit der Sammlung als Kulturgut dem klägerischen Interesse an einer Aufhebung der Gemeinschaft und an einer damit verbundenen Zerschlagung der Sammlung überwiege.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 28.2.2025, 1 U 2451/23 Erb, PM 12/25
| Bauarbeiter, die auf Baustellen einfache Arbeiten verrichten, einen festen Stundenlohn erhalten und am Markt nicht erkennbar unternehmerisch auftreten, sind regelmäßig abhängig Beschäftigte, für die die Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen. Dies entschied in drei Urteilen das Hessische Landessozialgericht (LSG). |
Baufirmen müssenSozialversicherungsbeiträge nachzahlen
Die Deutsche Rentenversicherung entschied in mehreren Fällen, dass Bauarbeiter abhängig beschäftigt sind. In zwei Fällen forderte sie nach entsprechenden Betriebsprüfungen von den im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge in fünfstelliger Höhe. In einem weiteren Verfahren hatte sie zunächst über den Antrag auf Statusfeststellung zu entscheiden.
Weder schriftliche Verträge noch eigene Werkzeuge
In diesen Fällen hatten angeblich selbstständige Werkunternehmer auf Baustellen der jeweils klagenden Baufirma gearbeitet. Bei diesen Bauarbeitern handelte es sich um ausländische Staatsangehörige mit allenfalls geringen Deutschkenntnissen. Sie erledigten Abbrucharbeiten, Maurertätigkeiten und Pflasterarbeiten, sanierten Bäder oder arbeiteten im Trockenbau. Schriftliche Verträge oder Auftragsbestätigungen gab es nicht. Die Abrechnungen erfolgten auf Basis der aufgeschriebenen Stunden bei einem Stundenlohn zwischen 10 und 15 Euro. Die Materialien und Werkzeuge wurden bis auf Kleinwerkzeuge von den jeweiligen Baufirmen gestellt.
Scheinselbstständige statt Werkunternehmer
Das LSG folgte der Einschätzung der Rentenversicherung. In allen drei Verfahren liege Scheinselbständigkeit vor.
Bei einfachen, typischen Arbeitnehmerverrichtungen, die der Beschäftigte im Wesentlichen ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübe, spreche die Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis. Die betroffenen Bauarbeiter seien jeweils in den Betrieb der klagenden Baufirma eingegliedert gewesen und hätten einfache Bauarbeiten getätigt, wie sie typischerweise abhängig Beschäftigte verrichteten.
Kein unternehmerisches Auftreten
Werkvertragstypische Vereinbarungen einer unternehmerischen Leistung hätten nicht festgestellt werden können. Zudem seien die angeblichen „Werkunternehmer“ schon aufgrund ihrer geringen Deutschkenntnisse zu einem unternehmerischen Auftreten am Markt nicht in der Lage gewesen.
Zwischen den Baufirmen und den Bauarbeitern getroffene Vereinbarungen über eine (angeblich) selbstständige Tätigkeit seien nicht relevant und könnten die gesetzlich angeordnete Sozialversicherungspflicht nicht ausschließen.
Quelle | Hessisches LSG, Urteil vom 3.4.2025, L 8 BA 4/22, L 8 BA 62/22 und L 8 BA 64/21, PM vom 3.4.2025
| Wandhängende WCs und Handtuchheizkörper in Standardausführung sowie Balkone in der Größe von vier qm sind in Milieuschutzgebieten genehmigungsfähig, weil sie der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dienen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden. |
Bauliche Änderungen nicht ohne Genehmigung
Die Klägerinnen sind jeweils Eigentümerinnen von Wohngebäuden in Milieuschutzgebieten in Berlin-Mitte. Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen soziale Erhaltungsverordnungen (umgangssprachlich Milieuschutzverordnungen) gelten. Sie sollen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im jeweiligen Gebiet schützen. Bauliche Änderungen bedürfen in Milieuschutzgebieten grundsätzlich einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Den Erlass von Milieuschutzverordnungen erlaubt ein Bundesgesetz, nämlich das Baugesetzbuch. In Berlin sind dafür die Bezirke zuständig. Aktuell gelten in Berlin über 40 Milieuschutzverordnungen.
Eine Klägerin möchte im Badezimmer einer Wohnung ein Stand-WC durch ein wandhängendes WC ersetzen sowie einen Handtuchheizkörper einbauen. Eine weitere Klägerin begehrt den Anbau von dreizehn Balkonen in der Größe von jeweils vier qm an die Wohnungen ihres Mehrfamilienhauses. Die Maßnahmen stellen nach Ansicht der Klägerinnen einen zeitgemäßen Ausstattungszustand ihrer Wohnungen dar. Das Bezirksamt versagte den Klägerinnen die erhaltungsrechtlichen Genehmigungen. Die Vorhaben gingen über einen zeitgemäßen Ausstattungszustand hinaus und seien als wohnwerterhöhende bauliche Änderungen im Milieuschutzgebiet nicht zulässig.
Genehmigungen sind zu erteilen
Das VG gab den dagegen erhobenen Klagen statt und verpflichtete das Bezirksamt, die Genehmigungen zu erteilen. Der Gesetzgeber habe im Baugesetzbuch geregelt, dass eine erhaltungsrechtliche Genehmigung zu erteilen sei, wenn die bauliche Maßnahme der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen diene.
Mittlerer Standard nicht wohnwerterhöhend
Der Gesetzgeber habe den Genehmigungsanspruch auch nicht auf bauliche Maßnahmen beschränkt, die der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dienten. Vielmehr habe er zugelassen, dass darüber hinaus auch in Milieuschutzgebieten eine behutsame Anhebung des Ausstattungszustands auf den Standard mittlerer Wohnverhältnisse erfolgen könne. Daran sei ein bundeseinheitlicher Maßstab anzulegen. Bei wandhängenden WCs und Handtuchheizkörpern in einer Standardausführung sowie bei vier qm großen Balkonen werde dieser Standard nicht überschritten. Dafür sprächen unter anderem die Verbreitung dieser Ausstattungsmerkmale bundesweit sowie der Umstand, dass die Mietspiegel der größeren deutschen Städte sie überwiegend nicht als wohnwerterhöhend einstuften.
Quelle | VG Berlin, Urteile vom 2.4.2025, VG 19 K 17/22 und VG 19 K 351/23, PM 24/25
| Trotz erfolgreich absolviertem ersten juristischen Staatsexamen hat ein Antragsteller, der erwiesenermaßen die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft, keinen Anspruch darauf, den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) zu durchlaufen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz. |
Fehlende Verfassungstreue
Der Antragsteller wollte nach erfolgreichem Jurastudium als Rechtsreferendar in den juristischen Vorbereitungsdienst eintreten. Dies lehnte das Oberlandesgericht (OLG) wegen fehlender Verfassungstreue des Antragstellers ab. Dieser suchte daraufhin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um gerichtlichen Rechtsschutz mit dem Ziel nach, ihn im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses einzustellen.
Eindeutige Publikationen
Der Antrag blieb ohne Erfolg. Dem Antragsteller, so das VG, fehle der notwendige sog. Anordnungsanspruch. Aus den einschlägigen Vorschriften des Landesgesetzes über die juristische Ausbildung sowie des Landesbeamtengesetzes folge, dass die juristische Ausbildung am Leitbild einer dem Rechtsstaat verpflichteten Person zu orientieren sei. Rechtsreferendare müssten sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Der Antragsteller werde dem nicht gerecht, wie von ihm verfasste und publizierte Texte belegten.
In einem von ihm geschriebenen Roman würden beispielsweise schwarze Menschen durch die Verwendung menschenverachtender Bezeichnungen pauschal herabgewürdigt. Es werde hierin behauptet, ein – namentlich genannter – österreichischer Fußballspieler, der dunkelhäutig sei, könne kein Deutscher oder Österreicher sein. In einem anderen Text attestierte er dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Demontage des Volksbegriffs. Der von dem Antragsteller vertretene Volksbegriff mit der Forderung nach einer „positiven Erneuerung Deutschlands“ könne nur als Forderung nach einer Umkehrung eines vermeintlichen „Bevölkerungsaustauschs“ verstanden werden. Zudem sei der Antragsteller Mitglied bei der „Jungen Alternative für Deutschland“ und dem Verein „Ein Prozent e. V.“ gewesen. Er habe in beiden Organisationen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Frühjahr 2023 als gesichert rechtsextremistisch einstufe, zumindest zeitweise herausgehobene Funktionen übernommen.
Die Entscheidung ist bestandskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 9.5.2025, 5 L 416/25.KO, PM 14/25
| Eine Tätowierung ist heute typischer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Während sichtbare Tattoos im Arbeitsleben immer normaler werden, stellt sich damit aber zunehmend die Frage, wer eigentlich das finanzielle Risiko trägt, wenn beim Stechen des Tattoos nicht alles glatt verläuft. Dazu liegt nun eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vor: Wer sich tätowieren lässt, erhält bei Komplikationen keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das LAG bestätigt damit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Flensburg. |
Pflegekraft ließ sich tätowieren
Die als Pflegehilfskraft beschäftigte Klägerin ließ sich am Unterarm tätowieren. In der Folge entzündete sich die tätowierte Stelle. Die Klägerin wurde daraufhin für mehrere Tage krankgeschrieben. Die beklagte Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum ab.
Die Klägerin führte vor Gericht aus, dass sie ja nicht Entgeltfortzahlung für den Tätowierungsvorgang geltend mache, sondern für eine davon zu trennende zeitlich nachfolgende Entzündung der Haut. Ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen. Es habe sich ein sehr geringes Risiko verwirklicht, das nur bei ein bis fünf Prozent der Fälle von Tätowierungen auftrete. Tätowierungen seien als Teil der privaten Lebensführung geschützt und mittlerweile weit verbreitet.
Die Arbeitgeberin entgegnete, die Klägerin habe bei der Tätowierung in eine Körperverletzung eingewilligt. Das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre deshalb nicht zum normalen Krankheitsrisiko und könne dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden.
Arbeitsunfähigkeit verschuldet
Das LAG ist der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Diese war zwar arbeitsunfähig krank. Sie hat die Arbeitsunfähigkeit aber verschuldet. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz handelt ein Arbeitnehmer immer schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt.
Die Klägerin musste bei der Tätowierung damit rechnen, dass sich ihr Unterarm entzündet. Dieses Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen ihr eigenes Gesundheitsinteresse dar. Sie hat selbst vorgetragen, in bis zu 5 % der Fälle komme es nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut. Dies ist keine völlig fernliegende Komplikation. Bei Medikamenten wird eine Nebenwirkung als „häufig“ angegeben, wenn diese in mehr als einem, aber weniger als zehn Prozent der Fälle auftritt. Zudem ist die Komplikation in der Hautverletzung durch die Tätowierung selbst angelegt.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.5.2025, 5 Sa 284 a/24, PM vom 2.7.2025
| Wenn ein Arbeitnehmer sich beim Kaffeetrinken verschluckt und infolgedessen stürzt, kann das im Einzelfall einen Arbeitsunfall darstellen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden. |
Nasenbeinbruch während morgendlicher Besprechung
Der Kläger war als Vorarbeiter auf einer Baustellebeschäftigt. Beim Kaffeetrinken während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer verschluckte er sich, ging hustend zur Tür, um sich draußen auszuhusten, verlor kurz das Bewusstsein und stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter. Dabei brach er sich das Nasenbein.
Berufsgenossenschaft und Sozialgericht: kein Arbeitsunfall
Das sei kein Arbeitsunfall, befand die zuständige Berufsgenossenschaft, denn das Kaffeetrinken habe keinen betrieblichen Zwecken gedient. Es sei vielmehr dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen. So sah es auch das Sozialgericht (SG), das in erster Instanz über den Fall entschieden hatte.
Landessozialgericht: auch Nahrungsaufnahme geschützt
Zu Unrecht, befand nun das LSG. Zwar erstrecke sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit damit ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird. Im vorliegenden Fall sei das Kaffeetrinken aber nicht auf das Grundbedürfnis des Durstlöschens gerichtet gewesen, sondern habe (auch) betrieblichen Zwecken gedient. Der gemeinsame Kaffeegenuss während der verpflichtend vorgeschriebenen Besprechung habe eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft bewirkt.
Arbeitgeber stellte den Kaffee zur Verfügung
Zudem habe der Kaffee für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesorgt. Das sei auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, der sich teilweise selbst um das Auffüllen der Kaffeevorräte gekümmert habe. Deshalb sei der Fall auch anders zu beurteilen, als wenn sich ein Arbeitnehmer z. B. in der Frühstückspause an einem Kaffee verschluckt, den er selbst in der Thermoskanne mitgebracht hat.
Quelle | LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.5.2025, L 6 U 45/23, PM 2/25
| Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Hostprovider – hier Meta – muss nach einem Hinweis auf einen rechtsverletzenden Post auf der Social-Media-Plattform Facebook auch ohne weitere Hinweise sinngleiche Inhalte sperren. Sinngleich sind etwa Beiträge mit identischem Text und Bild, aber abweichender Gestaltung (Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung), bloßer Änderung typografischer Zeichen oder Hinzufügung von Elementen, etwa sog. Captions, die den Aussagegehalt nicht verändern. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Arzt und bewarb in der Vergangenheit u. a. die sog. „Hirschhausen Diät“. Der Kläger wies die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach auf sog. Fake-Werbe-Videos hin, in denen er vermeintlich u. a. für Abnehmmittel werbe.
Gegenstand dieses Eilverfahrens sind zwei weitere solcher Deep-Fake Videos: Nutzer haben zum einen ein Video unter Verwendung eines Ausschnitts aus der Sendung von Markus Lanz hergestellt, in denen der Name, das Bildnis und die Stimme des Klägers verwendet werden und in dem dieser vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme wirbt. Dieses Video entfernte die Beklagte zeitnah nach Abmahnung durch den Kläger. In einem nachfolgend erschienenen, nahezu inhaltsgleichen weiteren Deep-Fake Video warb der Kläger ebenfalls vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme. Dieses Video entfernte die Beklagte ebenfalls – erst – nach entsprechendem Hinweis durch den Kläger. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassen der Verbreitung dieser beiden Videos in Anspruch. Das Landgericht (LG) hat den Antrag zurückgewiesen.
So sah es das Oberlandesgericht
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hatte teilweise Erfolg. Hinsichtlich des ersten Videos bestehe kein Unterlassungsanspruch, entschied das OLG. Die Beklagte sei als Hostproviderin grundsätzlich nicht verpflichtet, von den Nutzern ins Netz gestellte Beiträge vor ihrer Veröffentlichung auf etwaige Rechtsverletzungen hin zu prüfen. Ihre Haftung setze die Verletzung von Prüf- und Verhaltenspflichten voraus. Vor der Abmahnung des Klägers betreffend das erste Video sei die Beklagte nicht zur Löschung verpflichtet gewesen. Eine Löschpflicht habe sich insbesondere nicht aus den vorausgegangenen Hinweisen des Klägers auf andere, nicht sinngleiche sog. Fake-Werbungen ergeben. Grundsätzlich lösten derartige Hinweise nur Prüfpflichten hinsichtlich „sinngleicher Inhalte“ aus. Darunter fielen Inhalte, die in Bild und Text identisch, aber bei gleichbleibendem Gesamteindruck etwa abweichend gestaltet seien. Dies könne sich etwa auf die Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung mit Rahmen oder Zufügung sog. Caption beziehen. Die vorausgegangenen Hinweise des Klägers hätten sich hier jedoch auf in Bild und Text abweichende Inhalte bezogen.
Prüfplicht des Providers bestand
Hinsichtlich des zweiten Videos habe die Beklagte dagegen schon aufgrund der Abmahnung des Klägers hinsichtlich des ersten Videos eine Prüfpflicht getroffen. Es habe keiner weiteren Abmahnung bedurft. Das zweite Video unterscheide sich allenfalls marginal vom ersten. Nach dem Eindruck des OLG wirkten die Videos – bei voneinander abweichender Überschrift – nahezu identisch. Es lägen damit sinngleiche Inhalte vor. Da die Beklagte das zweite Video nicht bereits ohne weitere Abmahnung gesperrt habe, habe sie gegen ihre Prüfpflichten verstoßen. Im Ergebnis bestehe daher ein Unterlassungsanspruch.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nich tanfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.3.2025, 16 W 10/25, PM 14/25
| Zahlreiche Betriebsprüfungen zeigen, dass die Kassenführung oft beanstandet wird. Das Problem dabei: Ist die Kassenführung nicht ordnungsmäßig, drohen erhebliche Hinzuschätzungen. So war es auch in einem Fall, der vom Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein zu entscheiden war. |
Im Streitfall hatte bei einem bargeldintensiven Imbiss mit Sitzgelegenheiten eine Betriebsprüfung stattgefunden. Der Betreiberin, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte, wurden dabei zahlreiche Mängel in der Kassenführung vorgeworfen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem FG blieb erfolglos.
Beachten Sie | Allerdings ist inzwischen die Revision anhängig, in der insbesondere diese interessanten Fragen zu klären sind:
- Ist bei bestehenden Zweifeln im Hinblick auf den Programmierzustand und das Vorhandensein von Manipulationsspuren an der Registrierkasse vom FG ein Sachverständigengutachten einzuholen?
- Rechtfertigen fehlende Programmierprotokolle für die verwendete Kasse eine Schätzung dem Grunde nach?
- Ergibt sich aus einer angeblichen Abweichung von der Richtsatzsammlung eine Schätzungsbefugnis?
Quelle | FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.8.2023, 3 K 25/22, Rev. BFH, X R 27/24
| Hat eine Gesellschaft ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr, ist für die Berechnung der Steuerermäßigung gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 EStG) nicht auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums abzustellen, sondern auf das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahrs. Für die Aufteilung des Steuerermäßigungsbetrags sind der Gewerbesteuer-Messbetrag und die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des Wirtschaftsjahrs an der Gesellschaft beteiligt waren. So lautet ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Hintergrund: Unter den Voraussetzungen des § 35 EStG wirddie Gewerbesteuerbelastung kompensiert, indem die tarifliche Einkommensteuer um das Vierfache des festgesetzten Steuermessbetrags gemindert wird.
Quelle | BFH, Urteil vom 10.4.2025, IV R 21/22
| Mit Wirkung ab 1.6.2025 wurden die Gebühren für Eintragungen im Handelsregister um 50 Prozent erhöht. Demzufolge werden auch Unternehmensgründungen teurer. |
In der Begründung der Verordnung wird hierzu u. a. ausgeführt: „Die daraus insgesamt resultierenden Gebühreneinnahmen sollen dazu dienen, den Aufwand der Länder für den Betrieb der Registergerichte weitgehend zu decken, damit die Gerichte den Anforderungen an eine moderne, effiziente und sichere Registerführung auch künftig gerecht werden können.“
Quelle | Dritte Verordnung zur Änderung der Handelsregistergebührenverordnung, BGBl I 2025, Nr. 127
| Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft wird nur bereit sein, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung einer Eigentumswohnung zu (privaten) Wohnzwecken (also im privaten Interesse) eines Gesellschafters zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe erstattet werden und sie zudem einen angemessenen Gewinnaufschlag erhält. Vor diesem Hintergrund hat es das Finanzgericht (FG) Niedersachsen im Streitfall als rechtmäßig beurteilt, dass das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) angesetzt hat. |
Zum Hintergrund: Bei einer vGA handelt es sich – vereinfacht – um Vermögensvorteile, die dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gewährt werden. Eine vGA darf den Gewinn der Gesellschaft nicht mindern.
Im Anschluss an ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahr 2016 führte das FG weiter aus: Eine Vermietung zu marktüblichen, aber nicht kostendeckenden Bedingungen würde ein gewissenhafter Geschäftsführer (ausnahmsweise) in Betracht ziehen, wenn er bezogen auf den jeweils zu beurteilenden Veranlagungszeitraum bereits von der Erzielbarkeit einer angemessenen Rendite ausgehen kann.
Beachten Sie | Die danach für den Fremdvergleich maßgebliche Kostenmiete ist auch dann als Maßstab heranzuziehen, wenn der Gegenstand des Unternehmens der Kapitalgesellschaft auch neben der an die Gesellschafterin vermieteten Wohnung in der Vermietung von Immobilien besteht.
Gegen das Urteil ist die Revision anhängig. Gleichwohl sollte in vergleichbaren Fällen eine vGA bedacht werden. Es empfiehlt sich, Mietverträge zu prüfen und ggf. anzupassen.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 15.8.2024, 10 K 255/21, Rev. BFH, I R 21/24
| Ein Freiwilliger Wehrdienst kann bei einem volljährigen Kind für sich genommen keinen Kindergeldanspruch begründen. Gleichwohl kann während der Zeit des Wehrdienstes ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, wenn das Kind einen der gesetzlichen Berücksichtigungstatbestände erfüllt, also z. B. während des Wehrdienstes für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dabei ist es unschädlich, wenn das Kind nach Abschluss der Grundausbildung im Rahmen des Freiwilligen Wehrdienstes Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad ausübt. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Das war geschehen
Der Sohn absolvierte nach seinem Abitur einen zehn Monate dauernden Freiwilligen Wehrdienst. Die Familienkasse bewilligte dem Vater für die Übergangszeit zwischen Abitur und Grundausbildung sowie für die Zeit der Grundausbildung Kindergeld. Nach der Grundausbildung verrichtete der Sohn Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad, eine weitere Ausbildung bei der Bundeswehr fand nicht statt. Nach dem Ende des Wehrdienstes studierte er an einer zivilen Hochschule. Den Entschluss dazu hatte er während des Wehrdienstes gefasst.
Die Familienkasse versagte für die Zeit nach Beendigung der Grundausbildung bis zum Beginn des Studiums die Festsetzung von Kindergeld. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Vater Klage vor dem Finanzgericht (FG) Bremen. Da das FG die Revision zugelassen hatte und diese auch eingelegt wurde, musste nun der BFH entscheiden.
Beachten Sie | Der Freiwillige Wehrdienst gehört – anders als ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr – nicht zu den im Einkommensteuergesetz (hier: § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG) genannten Berücksichtigungstatbeständen, die schon für sich genommen einen Kindergeldanspruch begründen können.
Bundesfinanzhof: Kindergeldanspruch bestand
Dennoch entschied der BFH, dass auch nach dem Ende der Grundausbildung und trotz einer Erwerbstätigkeit des Kindes als Soldat mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden ein Kindergeldanspruch bestehen kann, wenn das Kind (wie im Streitfall) eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.
Beachten Sie | Die drei Monate dauernde Grundausbildung war zwar Teil einer Ausbildung zum Offizier oder Unteroffizier. Ihre Beendigung führte jedoch nicht zu einem für den weiteren Kindergeldbezug ggf. schädlichen Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung (i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG).
Es kam auf den Zeitpunkt des Entschlusses an
Für einen Monat wies der BFH die Revision jedoch zurück, weil sich der Entschluss des Sohnes, sich um einen Studienplatz zu bemühen, erst im Folgemonat objektiviert hatte. Der bloße Vortrag des Kindergeldberechtigten und des Kindes, der Entschluss zu einer Ausbildung oder zu einem Studium sei früher gefasst worden, ist für die Begründung des Anspruchs nicht ausreichend.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.2.2025, III R 43/22, PM 28/2025 vom 2.5.2025
| Ab Mai 2025 setzen vier Pilotfinanzämter (Brühl, Bielefeld-Außenstadt, Hamm und Lübbecke) des Landes Nordrhein-Westfalen erstmals ein KI-Modul zur Unterstützung der Steuerveranlagung ein. Das Ziel: Steuererklärungen sollen effizienter, schneller und treffsicherer bearbeitet werden.
Das neue KI-Modul ergänzt das bewährte Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung. Es erkennt Muster in den Steuerdaten und kann gut nachvollziehbare Fälle mit geringem Prüfbedarf gezielt identifizieren. Diese werden automatisiert verarbeitet – und damit schneller abgeschlossen.
Gestartet wird mit Arbeitnehmerfällen (also Steuererklärungen mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalerträgen, Vorsorgeaufwendungen, Sonderausgaben, haushaltsnahen Dienstleistungen und ähnlichen Bereichen). Die Ausweitung auf weitere Fallkonstellationen ist bereits in Planung.
Nordrhein-Westfalen übernimmt die Vorreiterrolle. Nach erfolgreichem Testlauf ist die landesweite Einführung geplant.
Quelle | FinMin NRW, Mitteilung vom 22.4.2025
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der auf Dienstreisen seinen privaten Pkw einsetzt, die tatsächlichen Kosten für jeden gefahrenen Kilometer auch dann ansetzen kann (im Streitfall: 2,28 Euro/km für einen Sportwagen), wenn er von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt bekommt, den er grundsätzlich für dienstliche und private Fahrten nutzen kann. |
Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall jedoch den Nachweis erbringen, dass er das Privatfahrzeug tatsächlich beruflich eingesetzt hat. Eine Angemessenheitsprüfung dem Grunde nach (hier: berufliche Nutzung eines privaten Fahrzeugs durch einen Arbeitnehmer, dem von seinem Arbeitgeber ein Geschäftsfahrzeug überlassen wurde) findet nicht statt.
Beachten Sie | Das Finanzamt will diese Entscheidung aber nicht akzeptieren und hat Revision eingelegt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.9.2024, 9 K 183/23, Rev. BFH: VI R 30/24
| Kinderbetreuungskosten sind als Sonderausgaben abzugsfähig. Bei Aufwendungen für Unterricht, für die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen ist ein Sonderausgabenabzug allerdings gesetzlich ausgeschlossen. Mit dem Abzugsverbot hat sich nun der Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt. |
Hintergrund: Kinderbetreuungskosten können nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) als Sonderausgaben steuerlich absetzbar sein. Folgende Aspekte sind hier zu beachten:
- Abzug von 80 % der Betreuungsleistungen, maximal 4.800 Euro pro Jahr.
- Der Abzug ist zulässig für haushaltszugehörige Kinder unter 14 Jahren (oder aufgrund Behinderung, Eintritt vor dem 25. Lebensjahr, Übergangsregel 27. Lebensjahr).
- Grundsätzlicherforderlich: Rechnung und Überweisung.
- Nichtabziehbar: Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen.
Betreuungscharakter muss im Vordergrund stehen
Nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen vor, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbstständigten Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichts- oder Kurszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen (sprachlichen, musischen, sportlichen) Fähigkeiten in den Hintergrund rückt.
Nicht begünstigteAufwendungen
Entsprechendes gilt für sportliche und andere Freizeitbetätigungen. Nicht begünstigte Aufwendungen für derartige Aktivitäten liegen daher vor, wenn
- die Betätigung organisatorisch, zeitlich und räumlich getrennt von einer Kindertagesstätte, einem Schulhort oder einer ähnlichen Einrichtung stattfindet und
- dabei nicht die altersbedingt erforderliche Betreuung des Kindes, sondern die Aktivität im Vordergrund steht.
Quelle | BFH, Urteil vom 23.1.2025, III R 33/24 (III R 50/17)
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen hat die Stadt Marburg dazu verpflichtet, einer Studentin einen Bewohnerparkausweis zu erteilen, die ein in Tschechien zugelassenes Fahrzeug nutzt. |
Kfz in Tschechien zugelassen
Die Klägerin wohnt in einem Bewohnerparkgebiet der Beklagten. Sie nutzt ein Kraftfahrzeug ihres Vaters, der tschechischer Staatsangehöriger ist und das Fahrzeug in Tschechien zugelassen hat. Im Frühjahr 2024 beantragte sie bei der Stadt Marburg, ihr einen Bewohnerparkausweises zu erteilen. Dies lehnte die Stadt mit der Begründung ab, dass sie Bewohnerparkausweise für Fahrzeuge mit ausländischer Zulassung nicht erteilen könne. Im Rahmen des Klageverfahrens argumentierte die Stadt weiter, dass eine ausländische Zulassung gegen eine dauerhafte Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin spreche, weil ein im Ausland zugelassenes Kraftfahrzeug nur vorübergehend am Verkehr in Deutschland teilnehmen dürfe.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG bejahte hingegen den Anspruch der Studentin auf einen Bewohnerparkausweis. Bei der Klägerin handele es sich um eine Anwohnerin, die das betroffene Fahrzeug nachweislich dauerhaft nutze.
Gegen eine dauerhafte Nutzung spreche insbesondere nicht, dass Kraftfahrzeuge mit ausländischer Zulassung nur vorübergehend am Straßenverkehr in Deutschland teilnehmen dürfen. Es sei bereits nicht klar, ob das von der Klägerin genutzte Fahrzeug diese Voraussetzungen erfülle. Die Klägerin gab nämlich an, dass sie das Fahrzeug während der Semesterferien nicht in Deutschland nutze. Diese Prüfung obliege der Zulassungsbehörde, die je nach Einzelfall eine Untersagung des Betriebs im öffentlichen Straßenverkehr ohne deutsche Zulassung aussprechen könne.
Die Versagung eines Bewohnerparkausweises für im Ausland zugelassene Fahrzeuge entspreche nicht dem Zweck der Vorschriften. Ein Bewohnerparkgebiet diene dem Anwohnerinteresse, in innerstädtischen Wohnstraßen eine Abstellmöglichkeit für ein (dauerhaft) genutztes Kraftfahrzeug zu finden.
Quelle | VG Gießen, Urteil vom 13.11.2024, 6 K 2830/24.GI, PM vom 19.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Ein zur Nichtigkeit der entsprechenden Vereinbarung führender Verstoß gegen den im Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 656 d BGB) geregelten Grundsatz der hälftigen Teilung des Maklerlohns liegt vor, wenn ein Makler allein für den Verkäufer einer Immobilie tätig geworden ist und der Käufer zur Zahlung des vollen Honorars an den Makler verpflichtet wird. |
Das war geschehen
Die Kläger erwarben ein mit einer Doppelhaushälfte bebautesGrundstück. Mit der Vermittlung des Verkaufs hatte die Verkäuferin das beklagte Maklerunternehmen beauftragt. Für die Vermittlung der Immobilie entstand zugunsten der Beklagten gegenüber der Verkäuferin ein Maklerlohnanspruch in Höhe von 25.000 Euro. Der im Exposé zunächst vorgesehene Kaufpreis wurde um einen Betrag in dieser Höhe reduziert. Zugleich verpflichteten sich die Kläger gegenüber der Beklagten zur Zahlung eines Honorars in gleicher Höhe, das sie nach notarieller Beurkundung des Kaufvertrags bezahlten. Eine Maklerlohnzahlung durch die Verkäuferin erfolgte nicht. Die Kläger verlangten die Rückzahlung des geleisteten Betrags.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: § 656 d BGB ist nicht nur auf Vereinbarungen der Parteien des Kaufvertrags über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus untereinander anwendbar, sondern erfasst jegliche Art einer vertraglichen Vereinbarung, durch die unmittelbar oder mittelbar ein Anspruch des Maklers auf Zahlung oder Erstattung von Maklerlohn gegenüber der Partei des Kaufvertrags begründet wird, die nicht Partei des Maklervertrags ist. Umfasst sind daher auch alle auf eine Verpflichtung zur Zahlung oder Erstattung des Maklerlohns gerichteten Vereinbarungen des Maklers mit der Partei des Kaufvertrags, die nicht Partei des Maklervertrags ist.
Der Anwendbarkeit des § 656 d BGB steht es deshalb auch nicht entgegen, dass die Verkäuferin der Immobilie von der Pflicht, den vereinbarten Maklerlohn zu entrichten, gegenüber der Beklagten nicht entbunden war. Da die Käufer im Innenverhältnis zur Verkäuferin verpflichtet waren, den Maklerlohn in voller Höhe zu bezahlen, blieb die Verkäuferin als die Partei, die den Maklervertrag abgeschlossen hat, nicht zur Zahlung des Maklerlohns mindestens in gleicher Höhe verpflichtet.
Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung
Der Verstoß gegen § 656 d BGB führt zur Gesamtnichtigkeit einer entsprechenden Vereinbarung. Die Kläger können von der Beklagten die Rückzahlung des Maklerlohns in voller Höhe verlangen.
Quelle | BGH, Urteil vom 6.3.2025, I ZR 138/24, PM 45/25
| Eine 77-jährige Frau, die über einer Supermarktfiliale wohnt, tätigte dort ihre Einkäufe bis zu einem Hausverbot Anfang des Jahres 2024 durch die Filialleitung. Sie behauptet, das Hausverbot sei nach einer Beschwerde ihrerseits ohne ersichtlichen Grund erteilt worden. Sie sei gesundheitlich stark eingeschränkt und nicht in der Lage, längere Strecken zurückzulegen und daher auf die Filiale angewiesen. Ohne ein Betreten des Supermarkts sei ihr eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verwehrt. Das Amtsgericht (AG) München wies ihre Klage ab. |
Wiederholtes Fehlverhalten
Die Filialleitung begründete das Hausverbot mit wiederholtem Fehlverhalten. Die Münchnerin habe Kunden beim Betreten des Markts von ihrer Wohnung aus beschimpft, habe das Geschäft regelmäßig ohne Einkaufsabsicht aufgesucht, Mitarbeiter in Gespräche verwickelt und diese von der Arbeit abgehalten. Sie habe sich zudem immer wieder an der Frischetheke des Markts Ware aufschneiden lassen und diese dann, anstatt zu kaufen, im Laden abgelegt.
Da der Supermarkt sich weigerte, das Hausverbot zurückzunehmen, verklagte sie den Betreiber vor dem AG auf Gewährung des Zutritts zum Supermarkt – ohne Erfolg.
Hausrecht deckt Hausverbot
Der Beklagte ist als Betreiber des Supermarkts aufgrund seines Hausrechts grundsätzlich berechtigt, Kunden selbst ohne sachlichen Grund ein Hausverbot zu erteilen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein Fehlverhalten der Klägerin vorlag.
Dem Betreiber einer Einrichtung, die erhebliche Bedeutung für das gesellschaftliche und kulturelle Leben hat, wird eine besondere rechtliche Verantwortung zugewiesen, die es ihm verbietet, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund auszuschließen. Entgegen der Auffassung der Klägerin entscheidet die Verweigerung des Zutritts für sie nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Ein Supermarkt dient der Daseinsvorsorge in Form von Einkäufen des täglichen Bedarfs, insbesondere an Lebensmitteln, nicht der sozialen Interaktion oder des kulturellen Austauschs.
Klägerin konnte auf konkurrierenden Supermarkt ausweichen
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Monopolstellung oder sonstige strukturelle Überlegenheit des Beklagten vorliegt, die dazu führt, dass bestimmte Personen nicht ohne sachlichen Grund ausgeschlossen werden könnten. Eine solche Monopolstellung des Markts des Beklagten für die tägliche Daseinsvorsorge ist im konkreten Fall nicht gegeben. Der Beklagte hat unbestritten ausgeführt, dass in fußläufiger Entfernung (ab 500 Metern) weitere Supermärkte vorhanden sind, die somit auch für betagtere Kunden problemlos zu erreichen sind.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 11.10.2024, 142 C 18533/24, PM 12/25
| Legt beim Gebrauchtwagenkauf der Verkäufer den Fahrzeugbrief vor, kann sich der Käufer normalerweise darauf verlassen, dass er es auch tatsächlich mit dem Eigentümer und nicht mit einem Betrüger zu tun hat. Dieses Vertrauen kann aber erschüttert sein, wenn die Umstände des Verkaufs trotzdem Verdacht erregen müssen. Dann muss der Käufer im Betrugsfall das Fahrzeug dem wahren Eigentümer zurückgeben und bleibt auf dem gezahlten Kaufpreis als Schaden sitzen. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal (Pfalz) entschieden. Es hat die Klage eines Autokäufers abgewiesen, der auf einen Betrüger hereingefallen war. |
Autokäufer war auf Betrüger hereingefallen
Der Käufer hatte den PKW von einem Betrüger für mehr als 35.000 Euro erworben. Kurze Zeit nach dem Kauf beschlagnahmte die Polizei das Fahrzeug und gab es dem ursprünglichen Eigentümer zurück. Dieser verkaufte es anschließend für knapp 49.000 Euro weiter.
Den Kaufpreis reklamierte der betrogene Käufer für sich. Er sei trotz des Betrugs Eigentümer des Fahrzeugs geworden. Er sei im Internet auf das Fahrzeug gestoßen und habe sich im Saarland zur Besichtigung verabredet. Auf dem Weg dorthin habe er die Mitteilung erhalten, dass das Kind des Verkäufers einen Treppensturz erlitten habe und in einem Krankenhaus in Frankreich liege. Dorthin sei er nun umgeleitet worden, wo der Kauf auf dem Parkplatz durch Barzahlung auch abgewickelt worden sei. Der Betrüger habe einen vermeintlich echten Fahrzeugbrief und einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt. Er habe deshalb daran glauben dürfen, dass das Fahrzeug diesem auch gehört habe.
Umstände des Kaufs waren dubios, Zweifel daher angebracht
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Der Käufer habe trotz Vorlage des scheinbar echten Fahrzeugbriefs grob fahrlässig gehandelt und das Fahrzeug daher nicht gutgläubig erworben. Denn die Umstände des Verkaufs hätten beim Käufer Zweifel erregen müssen, dass er den wahren Eigentümer vor sich hatte. So habe dieser einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt, obwohl sein im Kaufvertrag genannter Wohnsitz Frankenthal gewesen sei und das Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen zugelassen war.
Kurzfristige Verlegung der Übergabe ins Ausland
Auffällig sei ferner, dass der Verkäufer ursprünglich als Treffpunkt das vom angegebenen Wohnort abweichende Dillingen/Saar genannt habe. Typisch für unlautere Automobilgeschäfte sei auch das Bargeschäft und die kurzfristige telefonische Verlegung des Verkaufsorts an einen fremden und noch dazu im Ausland befindlichen Ort. Nach alledem könne der Käufer dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entgehen und habe den Schaden selbst zu tragen, so der Richter.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 3.4.2025, 3 O 388/24, PM vom 22.5.2025
| Das Amtsgericht (AG) Berlin-Charlottenburg hat entschieden: Hatte der frühere Vermieter die Hundehaltung erlaubt, kann der in das Mietverhältnis eingetretene Vermieter diese Gestattung nur aus wichtigem Grund widerrufen. Dies gilt, auch wenn es sich um einen Kampfhund handeln sollte. Dass sich Mitmieter aufgrund der Größe und Kraft eines solchen Hundes subjektiv bedroht fühlen, reicht für den Widerruf nicht aus. |
Vorheriger Vermieter hatte Hundehaltung gestattet, neuer Vermieter widerrief Erlaubnis
Die Parteien eines Mietvertrags über ein möbliertes Apartment stritten um die Räumung und Herausgabe einer Wohnung. Der Kläger, der aktuelle Vermieter, war nachträglich in das Mietverhältnis eingetreten. Der beklagte Mieter hält einen Hund, was ihm ausdrücklich vom früheren Vermieter erlaubt worden war.
Der Kläger hat die Erlaubnis zur Hundehaltung im Juni 2023 widerrufen und die Haltung eines Kampfhundes untersagt. Der Beklagte sollte seinen Hund bis Ende Juni 2023 entfernen. Noch im Juni mahnte der Kläger den Beklagten wegen nicht gestatteter Tierhaltung ab. Anfang August 2023 kündigte der Kläger das Mietverhältnis ordentlich zum 30.11.2023 und begründete dies mit der weiteren Haltung eines Kampfhundes sowie des Einsetzens des Hundes als Druck- und Nötigungsmittel.
Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung
Der Kläger behauptete, bei dem vom Beklagten gehaltenen Tier würde es sich um einen Kampfhund handeln. Der Beklagte würde dieses Tier gegenüber Nachbarn im Objekt als Druck- und Nötigungsmittel einsetzen, um Vorrang auf Wegen oder im Treppenhaus zu erzwingen. Mehr als ein anderer Bewohner im Objekt habe Angst vor dem Hund, die wollten aber nicht namentlich genannt werden. Er verklagte den Mieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Der Mieter behauptete hingegen, es handele sich nicht um einen „Listenhund“, sondern um eine Mischung aus Old-English-Bulldog und Weimeraner. Er reichte dazu zwei Fotos sowie eine tierärztliche Bescheinigung und weitere Unterlagen ein.
So entschied das Amtsgericht
Der Vermieter kann das Mietverhältnis nur aus berechtigtem Interesse kündigen. Das ist z. B. der Fall, wenn der Mieter vertragliche Pflichten erheblich verletzt, indem er z. B. ein Tier trotz Abmahnung weiter hält.
Im Fall des AG war es aber anders: Der ursprüngliche Vermieter hatte die Hundehaltung erlaubt. Der – große und kräftige – Hund, war– ohne Maulkorb – stets an der Leine geführt worden. Beißvorfälle oder -versuche oder Bedrohungen von Nachbarn mit dem Hund konnten nicht bewiesen werden. Ein – subjektives – Bedrohtfühlen genügt nicht, um die Erlaubnis zu widerrufen.
Quelle | AG Charlottenburg, Urteil vom 30.5.2024, 218 C 243/23
| Ein Streit um einen Erbschein hat kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Eine Erbin hatte falsche Angaben gemacht – mit unangenehmen Folgen. |
Wahrheitswidrige Angaben zum Testament
Eine Frau hatte nach dem Tod ihrer Mutter einen Erbschein beantragt, um als Alleinerbin ausgewiesen zu werden. Sie berief sich dabei auf ein Testament, machte aber falsche Angaben: Sie versicherte eidesstattlich, dass das Testament von der Verstorbenen eigenhändig verfasst worden sei. In Wirklichkeit hatte jedoch die Tochter das Testament geschrieben und die Mutter nur ihre Unterschrift darunter gesetzt.
Testament muss eigenhändig geschrieben sein
Die falschen Angaben betrafen einen entscheidenden Punkt: Ein Testament muss eigenhändig geschrieben oder von einem Notar beurkundet werden. Eigenhändig heißt, dass der Erblasser es komplett selbst und von Hand niederschreiben muss. Die bloße Unterschrift der Mutter reichte deshalb nicht aus – das Testament war unwirksam. Statt des Testaments galt die gesetzliche Erbfolge, das heißt: Die Antragstellerin musste sich das Erbe mit ihren Geschwistern teilen.
Streit um Anwaltskosten
Im Erbscheinverfahren vor dem Amtsgericht (AG) wurden die falschen Angaben aufgeklärt. Der Streit war damit aber nicht erledigt. Denn die Geschwister hatten Anwälte beauftragt, um gegen den unberechtigten Antrag vorzugehen. Zwei Schwestern verlangten die Erstattung der angefallenen Anwaltskosten. Das OLG gab ihnen nun Recht.
Mögliche strafrechtliche Konsequenzen
Für die unterlegene Schwester hat dies nicht nur finanzielle Folgen: Die Akten werden nun der Staatsanwaltschaft übergeben, denn eine falsche eidesstattliche Versicherung ist strafbar. Das OLG sah einen entsprechenden Anfangsverdacht; bis zu einer möglichen Entscheidung im Strafverfahren gilt für die Betroffene die Unschuldsvermutung.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 9.1.2025, 6 W 156/24, PM vom 20.2.2025
| Das Zerreißen eines Testaments durch den Erblasser ist eine Widerrufshandlung. Es wird gesetzlich vermutet, dass dieser Widerrufshandlung eine Widerrufsabsicht zugrunde lag. Die Aufbewahrung des zerrissenen Testaments im Schließfach widerlegt diese Vermutung nicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die Beschwerde des in dem zerrissenen Testament Begünstigten gegen einen auf Basis gesetzlicher Erbfolge erteilten Erbschein zurückgewiesen. |
Testament zerrissen, aber aufbewahrt
Der Erblasser war mit seiner Frau in letzter Ehe kinderlos verheiratet. Nach seinem Versterben beantragte die Frau einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Das Nachlassgericht erteilte den Erbschein, der die Frau neben der Mutter des Erblassers als Erben auswies. Zwei Monate später öffneten die Frau und ein Vertreter der Mutter des Erblassers das Schließfach des Erblassers. Dort befand sich ein handschriftliches Testament, das eine andere Person begünstigte. Es war längs in der Mitte durchgerissen. Das Nachlassgericht hat den Antrag des Begünstigten abgelehnt, den bereits erteilten Erbschein im Hinblick auf das nun aufgefundene, zerrissene Testament einzuziehen.
Widerruf durch schlüssige Handlung
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das Nachlassgericht habe die Einziehung des Erbscheins zu Recht abgelehnt, da dieser nicht unrichtig geworden sei. Der Begünstigte sei nichttestamentarischer Erbe geworden. Der Erblasser habe das den Begünstigten alsErben einsetzende Testament durch schlüssige Handlung widerrufen.
Durch das Zerreißen des Testaments in der Mitte habe derErblasser das Testament vernichtet. Es liege insoweit eine Widerrufshandlungvor. Das Testament sei unzweifelhaft auch „nicht durch äußere Einflüsse „anderweitig“ in zwei Teile geraten“. Dafür spreche, dass das Papier mittig, aber nicht vollständig gerade getrennt worden sei. Die Trennränder seien zudem nicht glatt. Anhaltspunkte für ein – ggf. sachverständig aufzuklärendes – anderweitiges Trennen des Schriftstücks in zwei Teile lägen nicht vor. Es sei auch davon auszugehen, dass der Erblasser selbst das Testament zerrissen habe, da nur er Zugang zum Bankschließfach gehabt habe. Nach den Angaben der bei Öffnung des Schließfachs Anwesenden bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Testament beim Öffnen oder Schließen des Schließfachs versehentlich von einer dritten Person zerrissen worden sei.
Gesetzliche Vermutung nicht widerlegt
Es werde gesetzlich vermutet, dass diese Widerrufshandlung mit Widerrufsabsicht erfolgte. Indizien, die diese Vermutung widerlegen würden, seien nicht erkennbar. Warum der Erblasser das zerstörte Testament im Schließfach aufbewahrte, sei zwar nicht nachvollziehbar. Dies allein genüge aber nicht zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung. Der Erblasser habe ausweislich der dokumentierten 31 Öffnungen des Schließfachs dieses offensichtlich nicht ausschließlich zur Aufbewahrung eines ungültigenTestaments angemietet.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.4.2025, 21 W 26/25, PM 26/25
| Das Landgericht (LG) Berlin II hat eine Energieberatungsfirma zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von rund 6.000 Euro wegen einer Falschberatung verurteilt. Aufgrund der Falschberatung habe der Kläger – ein Verbraucher – Fenster und Dachfenster mit zu hohen Wärmedurchgangskoeffizienten einbauen lassen, die daher nicht förderfähig seien. |
Förderleistungen beantragt – Bundesamt lehnt ab
Der Kläger hatte die Beklagte mit der Energieberatung für die energetische Sanierung seines Einfamilienhauses beauftragt. In Zusammenarbeit mit der Beklagten beantragte er beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Förderleistungen gemäß der Richtlinie der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG-Richtlinie) und erhielt einen entsprechenden Zuwendungsbescheid. Anschließend holte er Angebote für die Sanierungsmaßnahmen ein und schickte sie der Beklagten, die diese nicht beanstandete.
Für den Verwendungsnachweis der Fördermittel gab der Kläger in Absprache mit der Beklagten die Wärmedurchgangskoeffizienten an, die mit den verbauten Dämmmaterialien an der Gebäudehülle erreicht werden konnten – für das Dach und die Geschossdecke einen Koeffizienten von 0,2, für die Fenster von 1,1 und für die Dachflächenfenster von 1,3. Das Bundesamt teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die technischen Mindestanforderungen bei der Sanierung nicht erreicht seien und hob den Förderbescheid teilweise auf. Die BEG-Richtlinie fordert Koeffizienten an Dachgebilden von 0,14 und an Fenstern von 0,95 bzw. 1,0 bei Dachflächenfenstern.
Energieberater muss Förderleistung zahlen
Das Gericht sprach dem Kläger nun Schadenersatz in Höhe der eigentlich zu gewährenden Förderungssumme zu. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur fachlich zutreffenden Beratung verletzt. Sie hätte insbesondere die vom Kläger vorgelegten Angebote auf ihre Förderungsfähigkeit prüfen müssen.
Der Verweis der Beklagten, der Kläger hätte sich selbst über die förderungsrelevanten Wärmedurchgangskoeffizienten informieren können, führe ihr Leistungsangebot ad absurdum. Es sei gerade ihre Hauptleistungspflicht, einen Verbraucher und Laien über die Richtlinien und Richtwerte fachlich zu beraten. Darüber hinaus habe die Beklagte den Kläger falsch beraten, weil sie selbst von falschen Werten ausgegangen sei. Rechtsirrig habe sie in E-Mails an den Kläger auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und nicht auf die Werte der BEG-Richtlinie verwiesen. Die Beratung sei auch deshalb unzureichend und fehlerhaft gewesen.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23, PM 3/25
| Bei einer mehr als unerheblichen Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks scheidet die Annahme eines faktischen Kerngebiets aus, also als Gebiet, das vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Stadt versagte Nutzung eines Gebäudes als Spielhalle
Die Klägerin begehrt einen Bauvorbescheid für die Nutzung eines Geschäftsgebäudes in der Innenstadt der Beklagten als Spielhalle. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, der Widerspruch blieb erfolglos.
Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht sahen das anders
Das Verwaltungsgericht (VG) gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) zurück. Das Vorhaben sei als Vergnügungsstätte zulässig. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Kerngebiet i. S. d. Baunutzungverordnung (hier: § 7 BauNVO). Die nicht unerhebliche, aber noch untergeordnete Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks stehe dieser Einordnung nicht entgegen, obwohl sie im vorhandenen Umfang nur aufgrund von Festsetzungen in einem Bebauungsplan zulässig wäre.
Bundesverwaltungsgericht rügte mangelnde Tatsachenfeststellung
Das BVerwG hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Auffassung des OVG, dass ein faktisches Kerngebiet auch bei einer nicht unerheblichen Wohnnutzung vorliegt, steht mit der Regelungssystematik der Baunutzungsverordnung nicht in Einklang. Die Verweisung in § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB auf die §§ 2 ff. BauNVO findet dort eine Grenze, wo die Baunutzungsverordnung eine planerische Entscheidung der Gemeinde vorsieht. Der Verordnungsgeber hat die Entscheidung darüber, ob die sonstige Wohnnutzung in einem Kerngebiet über Ausnahmen hinausgehen darf, der Gemeinde überlassen. Ihr Spielraum darf bei der Einordnung als faktisches Kerngebiet nicht übergangen werden. Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen konnte das BVerwG nicht abschließend entscheiden.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 20.5.2025, 4 C 2.24, PM 37/25
| Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf der Grundlage von über 2.300 geleisteten Mehrarbeitsstunden im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer für mehrere Monate frei, muss er ihm in diesen Monaten das Entgelt nach dem Lohnausfallprinzip zahlen, also das Entgelt, das zu zahlen gewesen wäre, wenn der Arbeitnehmer in diesen Monaten gearbeitet hätte. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |
Das LAG: Nichts anderes ergibt sich, wenn die unstreitige Mehrarbeit vor 20 Jahren geleistet worden war, also in einem Zeitraum, für den die Parteien ein viel geringeres Bruttomonatsentgelt vereinbart hatten.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 23.8.2024, 6 Sa 663/23
| Ein Bewerber um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugdienst kann verlangen, nicht wegen eines genetisch bedingten erhöhten Thromboserisikos vom Bewerbungsverfahren der Bundespolizei ausgeschlossen zu werden. Bei der beim Kläger diagnostizierten sog. Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich um einen angeborenen Gendefekt, bei dem es zu Störungen der Blutgerinnung kommt und der mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergeht. Die Entscheidung der Bundespolizeiakademie, die Bewerbung des Klägers um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst im Jahr 2023 aufgrund fehlender gesundheitlicher Eignung nicht zu berücksichtigen, hatte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Aachen keinen Bestand. Über die Bewerbung des Klägers muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden werden. |
Geringe Risiken
Zur Begründung hat das VG ausgeführt, dass es bereits in erheblichem Maße zweifelhaft ist, ob hinreichende sachliche Gründe für den Ausschluss von Beamten mit einem solchen Gendefekt bestehen. Denn das durch eine solche Mutation bedingte Thromboserisiko ist verhältnismäßig gering. In der beim Kläger vorliegenden Form ist es zwar gegenüber gesunden Menschen erhöht, entspricht jedoch ungefähr dem Thromboserisiko durch die Einnahme der Antibabypille bei Frauen und damit einem Risiko, das der Dienstherr als hinnehmbar ansieht.
Ergebnisse der genetischen Untersuchung durften nicht mitgeteilt werden
Unabhängig davon durfte der Gendefekt nicht zulasten des Klägers im Einstellungsverfahren berücksichtigt werden, weil er aufgrund einer genetischen Untersuchung diagnostiziert wurde. Die Mitteilung des diesbezüglichen Ergebnisses durfte die Bundespolizei aus Rechtsgründen nicht verlangen.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 10.3.2025, 1 K 1304/23, PM vom 10.3.2025
| Die Verwendung eines abstrakt gefährlichen Gegenstands – hier eines Klappmessers – zu einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch – hier Reparaturversuch an einer Uhr – läuft den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider und steht deshalb der Anerkennung eines Unfallereignisses als Dienstunfall entgegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Mit dem Messer versucht, Klemmfeder zu richten
Der mittlerweile pensionierte Kläger war Polizeivollzugsbeamter im saarländischen Landesdienst. Im April 2019 erstattete er bei seiner Dienststelle eine Dienstunfallanzeige. Danach habe er zu Dienstbeginn festgestellt, dass die sonst über der Tür hängende Wanduhr auf der Fensterbank gelegen habe. Es sei ihm aufgefallen, dass die Batterie der Uhr unsachgemäß im Batteriefach gesteckt habe und die Klemmfeder verbogen gewesen sei. Er habe mit seinem Klappmesser die verbogene Feder wieder richten wollen. Hierbei sei das Messer zugeschnappt und er habe sich einen tiefen Schnitt am kleinen Finger der rechten Hand zugezogen.
Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls
Sein Antrag auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall ist behördlich und in den beiden gerichtlichen Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwiderlaufe, wenn ein Beamter sich ohne Not einem Verletzungsrisiko durch Hantieren mit einem privaten, abstrakt gefährlichen Gegenstand aussetze, dessen Funktionstauglichkeit der Dienstherr nicht prüfen könne.
Keine dienstliche Aufgabe
Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall. Zwar hat sich der Unfall in einem Dienstgebäude zur Dienstzeit ereignet und ist damit grundsätzlich als „in Ausübung des Dienstes eingetreten“ vom Dienstunfallschutz erfasst. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Reparatur der Uhr nicht zu den dienstlichen Aufgaben des Klägers als Polizeibeamter gehörte. Dienstunfallschutz wird jedoch nicht gewährt, wenn dieTätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft. Das ist hier der Fall.
Entgegen den Interessen des Dienstherrn
Dabei kann dahinstehen, ob es sich um ein Einhandmesser im Sinne des Waffengesetzes handelte und das Führen des Messers bereits deshalb verboten war. Jedenfalls lief die Benutzung dieses Messers zum Zweck einer Uhrreparatur den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider. Das verwendete Messer ist ein abstrakt gefährlicher Gegenstand, der für den Zweck der Reparatur ersichtlich nicht bestimmt und nicht geeignet war.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 13.3.2025, 2 C 8.24, PM 16/25
| Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellt den Arbeitnehmer trotz dessen Beschäftigungsanspruchs von der Arbeit frei, unterlässt der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig in Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 615 S. 2 BGB) anderweitigen Verdienst, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis eingeht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Das war geschehen
Der Kläger war seit November 2019 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Senior Consultant gegen eine monatliche Vergütung von 6.440 Euro brutto. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.3.2023 ordentlich zum 30.6.2023 und stellte den Kläger unter Einbringung von Resturlaub unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht (ArbG) am 29.6.2023 statt, die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) am 11.6.2024 zurückgewiesen.
Arbeitgeber schlug Stellenangebote vor
Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Kläger Anfang April 2023 arbeitssuchend und erhielt von der Agentur für Arbeit erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge. Die Beklagte übersandte ihm hingegen schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote, die nach ihrer Einschätzung für den Kläger in Betracht gekommen wären.
Arbeitnehmer bewarb sich – aber erst zum Beschäftigungsende
Auf sieben davon bewarb sich der Kläger, allerdings erst ab Ende Juni 2023. Nachdem die Beklagte dem Kläger für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, hat er diese mit einer Klage geltend gemacht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewendet, der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bei der Beklagten bezogenen Gehalts anrechnen lassen.
Arbeitgeber war durch einseitige Freistellung im Annahmeverzug
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) ihr stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Beklagte befand sich aufgrund der von ihr einseitig erklärten Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug und schuldet dem Kläger (nach § 615 S. 1 BGB iVm. § 611 a Abs. 2 BGB) die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss sich der Kläger nicht (nach § 615 S. 2 BGB) anrechnen lassen. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil ist nur gerechtfertigt, wenn dieser wider Treu und Glauben (nach § 242 BGB) untätig geblieben ist. Weil § 615 S. 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend hiervon bestand für ihn keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Beklagten ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.
Quelle | BAG, Urteil vom 12.0.2025, 5 AZR 127/24, PM 6/2
| Mit dem vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) wurden die Aufzeichnungspflichten für Verrechnungspreiszwecke in der Abgabenordnung (hier: § 90 Abs. 3 und Abs. 4 AO) angepasst. Ein neuer Bestandteil ist die Transaktionsmatrix. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat hierzu nun Stellung bezogen. |
Transaktionsmatrix: Tabelle mit vorgegebenen Elementen
Die Transaktionsmatrix ist eine tabellarische Übersicht, die relevante Informationen zu grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen des Steuerpflichtigen mit nahestehenden Personen und Betriebsstätten enthält.
Das BMF führt auf, was in der Transaktionsmatrix anzugeben ist:
- Gegenstand und Art der Geschäftsvorfälle (z. B. Warenlieferung und Dauersachverhalt),
- an den Geschäftsvorfällen Beteiligte unter Kennzeichnung von Leistungsempfänger und Leistungserbringer,
- Volumen und Entgelt (in EUR) der Geschäftsvorfälle (z. B. Darlehensvolumen und Zins oder Entgelt für eine Warenlieferung oder Dienstleistung),
- vertragliche Grundlage (Benennung der Vertragsunterlage),
- angewandte Verrechnungspreismethode (z. B. Kostenaufschlagsmethode oder Preisvergleichsmethode),
- betroffene Steuerhoheitsgebiete und
- Angabe, ob Geschäftsvorfälle nicht der Regelbesteuerung im betreffenden Steuerhoheitsgebiet unterliegen
Zudem sind dem Schreiben als Anlage zwei Beispiele für eine Transaktionsmatrix angefügt. Abweichungen durch den Steuerpflichtigen sind nur unter den im Schreiben genannten (zeitlichen) Voraussetzungen zulässig.
Vorgaben ab 2025
Bei einer Außenprüfung sind ab 2025 (ohne gesondertes Verlangen) innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen: die Stammdokumentation bei Überschreiten der Größenklassen, Aufzeichnungen über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle und die Transaktionsmatrix.
Transaktionsmatrix auch für Vorjahreszeiträume
Da eine Prüfungsanordnung, die im Jahr 2025 ergeht, i. d. R. auch Prüfungszeiträume vor 2025 umfasst, muss eine Transaktionsmatrix in diesen Fällen auch für die Vorjahre erstellt werden. Die 30-Tage-Frist gilt für ein im Jahr 2025 gestelltes Vorlageverlangen hinsichtlich der Transaktionsmatrix, auch wenn die Prüfungsanordnung vor 2025 ergangen ist.
Beachten Sie | Werden keine ertragsteuerlichen Auslandssachverhalte geprüft, sind die o. g. Unterlagen nur auf gesondertes Verlangen vorzulegen.
Quelle | BMF, Schreiben vom 2.4.2025, IV B 3 - S 0225/00019/004/009
| In einem Verfahren vor dem Landgericht (LG) Frankfurt a. M. klagte ein Hersteller u. a. von Mobilfunkgeräten mit Niederlassung in Deutschland gegen ein in der Volksrepublik China ansässiges Unternehmen. Die chinesische Beklagte ist Inhaberin von Patenten, die für mehrere Mobilfunkstandards essenziell sind. Sie hat sich dazu verpflichtet, Lizenzen für diese Patente zu fairen Bedingungen zu erteilen. Die Klägerin wollte mit ihrer Klage erreichen, dass die chinesische Beklagte ihr Mobilfunklizenzen zu bestimmten Konditionen gewährt. |
Beschleunigung des Verfahrens
Zur Durchführung des Verfahrens bedarf es zunächst der förmlichen Zustellung der Klageschrift. Grundsätzlich wäre die Zustellung im Wege der Rechtshilfe unter Beteiligung chinesischer Stellen am Sitz der Beklagten in der Volksrepublik China vorzunehmen. In Ausnahmefällen kann nach der Zivilprozessordnung (ZPO) jedoch davon abgesehen werden und das Gericht eine öffentliche Zustellung anordnen, etwa wenn die Zustellung im Ausland keinen Erfolg verspricht. Das hat das LG hier für die Zustellung in der Volksrepublik China angenommen. Es hat eine öffentliche Zustellung bewilligt.
Das LG: Das Gebot eines wirkungsvollen Rechtsschutzes erfordert, dass dieser in angemessener Zeit zu erlangen ist. Keinen Erfolg verspricht die Zustellung daher, wenn die Durchführung einen derart langen Zeitraum in Anspruch nehmen würde, dass ein Zuwarten der betreibenden Partei billigerweise nicht zugemutet werden kann. Für die Entscheidung der Frage, ob die Dauer einer Zustellung im Wege der Rechtshilfe nicht mehr zumutbar ist, bedarf es einer Abwägung der beiderseitigen Interessen.
Der übliche Weg dauert zu lange
Die Klägerin, so das LG, habe dargelegt, dass die Auslandszustellung in der Volksrepublik China nicht stets gelingt und auch dann einen Zeitraum von deutlich mehr als einem Jahr in Anspruch nimmt. Nach der Erfahrung anderer deutscher Gerichte, die sich mit der Erfahrung der Kammer deckt, nimmt die Zustellung in der Volksrepublik China einen erheblichen Zeitraum in Anspruch. Bei dieser Sachlage überwiegen die Interessen der Klägerin auf effektiven Rechtsschutz die Interessen der Beklagten im Hinblick auf die Gefährdung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Das LG hat der Klägerin allerdings aufgegeben, die Beklagte auf nicht-förmlichem Weg zu informieren, dass hier in Deutschland die öffentliche Zustellung der Klage erfolgt.
Quelle | LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 15.1.2025, 2-06 O 426/24, PM vom 7.2.2025
| Das Landgericht (LG) München I hat im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass einem Online-Apotheken-Anbieter die Bewerbung der sog. „Abnehmspritze“ gegenüber Endverbrauchern in ihrer konkreten Form untersagt ist. |
Fragebogen ausfüllen, Medikament bekommen?
Eine Apothekenkammer wendete sich in ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dagegen, dass eine in den Niederlanden ansässige Online-Apotheke gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland für Fernbehandlungen mit dem Ziel der Verschreibung von Arzneimitteln zur Gewichtsreduktion/Adipositas wirbt, wobei die Behandlung lediglich in der ärztlichen Überprüfung eines durch den Nutzer auf einer Plattform ausgefüllten Fragebogens besteht. Für die Verschreibung des Medikaments durch die beklagte Online-Apotheke ist hierbei nach der Werbung zur Bestellung lediglich das Ausfüllen eines Fragebogens erforderlich, welcher nach Vortrag der Antragsgegnerin sodann von einem (nicht in Deutschland ansässigen) Arzt vor der Verschreibung überprüft wird.
Zulässige Fernbehandlung?
Die beklagte Apotheke hatte gegen ein Verbot eingewandt, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verspätet sei. Die Antragsstellerin kenne das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin bereits aus einem anderen Verfahren, dessen Gegenstand Medikamente zur Behandlung erektiler Dysfunktion waren. Beworben und umschrieben werde außerdem lediglich eine „Gewichtsverlustbehandlung“; dies lasse keinen zwingenden Schluss auf die Abnehmspritze zu. Dies sei zulässig und verstoße nicht gegen das Heilmittelwerbegesetz. Das Ausfüllen eines Fragebogens, der dann von einem Arzt überprüft werde, sei auch eine zulässige Fernbehandlung unter Verwendung von Kommunikationsmedien, bei der ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich sei.
Landgericht: kein allgemein anerkannter fachlicher Standard
Dem folgte das LG nicht: Die Fernbehandlung von Adipositas mittels Ausfüllens eines Fragebogens entspreche nicht allgemein anerkannten fachlichen Standards. Vielmehr sei vor der Verschreibung einer Abnehmspritze ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen erforderlich. Dies ergebe sich bereits aus den „Warnhinweisen“, die die beklagte Apotheke dem Gericht selbst vorgelegt habe: In diesen werde auf zahlreiche Nebenwirkungen, wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, Hypoglykämie (bei Patienten mit Typ-2-Diabetes) und Schwindel, auf das Risiko der Unterzuckerung und darauf hingewiesen, dass die Behandlung eingestellt werden sollte, wenn man in drei Monaten nach Behandlungsbeginn nicht mindestens 5 % seines Körpergewichts verliere.
Darüber hinaus werde in den von der Beklagten selbst vorgelegten Unterlagen ausgeführt, dass eine regelmäßige Nachsorge und Überwachung während einer Gewichtsreduktion unbedingt erforderlich sei. Gerade diese, von der beklagten Apotheke selbst für erforderlich gehaltene regelmäßige Nachsorge erfordere aber zwingend einen persönlichen ärztlichen Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen, welcher weder von der beklagten Apotheke noch von den verschreibenden Ärzten – schon aufgrund der räumlichen Distanz – geleistet werden könne.
Hinzu komme, dass ausweislich der Patientenleitlinie zur Diagnose und Behandlung der Adipositas der deutschen Adipositasgesellschaft zahlreiche Untersuchungen, u. a. des Bluts und des Urins, nötig seien, um Adipositas zu diagnostizieren und zu behandeln. Dies könne daher gerade nicht im Wege der Fernbehandlung erfolgen.
Werbung für den Absatz von Medikamenten
Es handele sich bei der Werbung der Beklagten ferner nicht um die Werbung für eine Behandlung als solche, wie diese vorgetragen habe, sondern um die Werbung für den Absatz von Medikamenten. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Werbung. Um welche Gruppe von Präparaten es sich hierbei handele, wüssten die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der Kammer gehörten, bereits deshalb, weil „die Abnahmespritze“ in jüngster Zeit starke mediale Aufmerksamkeit erfahren habe.
Quelle | LG München I, Beschluss vom 3.3.2025, 4 HK O 15458/24, PM 3/25
| Wann haben Leiharbeitnehmer beim Entleiher eine erste Tätigkeitsstätte? Zu dieser Frage gibt es neue Entwicklungen bzw. ist ein Verfahren beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig: Liegt bei Leiharbeitnehmern eine dauerhafte Zuordnung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 4 S. 3 Altern. 2 EStG, Zuordnung für die Dauer des Dienstverhältnisses) zu einer ersten Tätigkeitsstätte vor, wenn ein befristetes Beschäftigungsverhältnis zum Personaldienstleister (Verleiher) wiederholt vor Ablauf der Befristung bei unverändertem Vertragsinhalt verlängert wird und jeweils eine Verlängerung der befristeten Zuordnung zu demselben Entleiher bei unverändertem Einsatzort erfolgt? |
Hintergrund: Bei einer ersten Tätigkeitsstätte ist der Arbeitnehmer beim Kostenabzug auf die Entfernungspauschale beschränkt. Handelt es sich allerdings um eine Auswärtstätigkeit, kann er seine Fahrtkosten (ggf. auch Verpflegungsmehraufwand) nach Reisekostengrundsätzen geltend machen, was steuerlich günstiger ist.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.6.2024, 12 K 38/24, Rev. BFH: VI R 2/25
| Für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Baudenkmäler und in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen belegene Gebäude können unter bestimmten Voraussetzungen Abzugsbeträge nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 f EStG) über zehn Jahre wie Sonderausgaben geltend gemacht werden. Verstirbt nun der Steuerpflichtige vor Ablauf des zehnjährigen Abzugszeitraums, kann der Erbe die Abzugsbeträge des Erblassers nicht fortsetzen. Dies entschied das Finanzgericht (FG) Sachsen-Anhalt |
Das gilt selbst dann, wenn der Erbe das Gebäude zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Gegen dieses Urteil des FG Sachsen-Anhalt ist die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig. Bis zu einer Entscheidung des BFH können geeignete Fälle mit einem Einspruch somit offengehalten werden.
Quelle | FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.7.2024, 1 K 903/21; Rev. BFH, X R 23/24
| Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten stellt sich oft die Frage, wem das Besteuerungsrecht zusteht. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei Entscheidungen die Voraussetzungen konkretisiert, die im grenzüberschreitenden Sachverhalt im Anwendungsbereich eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) zu einer ausländischen Betriebsstätte führen. Aus einer solchen Betriebsstätte erzielt der Steuerpflichtige in der Regel Einkünfte, die im Inland steuerfrei sind und nur der ausländischen Besteuerung unterliegen. |
Taxiunternehmen mit Büro in der Schweiz
Ein in Deutschland lebender Taxiunternehmer hatte wegen seiner Mitgliedschaft in einer Schweizerischen Taxifunkzentrale Zugang zu deren Büroraum in der Schweiz. Dieser Raum war mit drei Arbeitsplätzen eingerichtet und stand insgesamt drei Taxiunternehmern zur Verfügung.
Der Taxiunternehmer nutzte den Büroraum (einschließlich eines abschließbaren Standcontainers) für geschäftsleitende Tätigkeiten sowie für die Personalverwaltung seiner angestellten Taxifahrer, die Vorbereitung der laufenden Buchführung, das Rechnungswesen, die Finanzkontrolle sowie die Kontrolle der Einhaltung behördlicher Auflagen.
Der BFH bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg, die Einkünfte des Taxiunternehmers in Deutschland unter Progressionsvorbehalt steuerfrei zu stellen, da in der Schweiz die Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte erfüllt sind.
„Verwurzelung“ mit dem im Ausland belegenen Ort bei Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit
Hierfür ist die „Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem im Ausland belegenen Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit maßgebend. Diese Verwurzelung folgt aus einer Gesamtwürdigung der in Wechselwirkung zueinander stehenden Merkmale der zeitlichen und örtlichen Festigkeit der Geschäftseinrichtung sowie der dauerhaften Verfügungsmacht des Unternehmens über diese Geschäftseinrichtung.
Der persönliche Standcontainer ist insoweit ein Indiz für die dauerhafte Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung (hier: den Büroraum). Darüber hinaus wurden in dem Büroraum nicht nur Hilfstätigkeiten ausgeübt.
Die Haupttätigkeit eines Taxiunternehmers mit mehreren angestellten Taxifahrern erschöpft sich nicht allein im Fahren von Taxis zum Zwecke der Personenbeförderung. Vielmehr gehören hierzu auch die geschäftsleitenden und zentralen unternehmerisch-administrativen Tätigkeiten, die der Taxiunternehmer in dem Büroraum in der Schweiz ausgeübt hat.
Zeitliche Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte
In einem weiteren Verfahren ging es um die zeitlichen Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte. Sowohl für das Innehaben der Geschäftseinrichtung als auch für die unternehmerische Tätigkeit, die in der Geschäftseinrichtung ausgeübt wird, hat der BFH eine Mindestdauer von sechs Monaten festgelegt.
Sechs Monate Mindestdauer ohne Ausnahme
Ein Unternehmen, das nur weniger als sechs Monate existiert, rechtfertigt selbst dann keine Ausnahme, wenn die Tätigkeit dieses Unternehmens vollständig in der ausländischen Geschäftseinrichtung ausgeübt wurde.
Quelle | BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 47/21; BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 39/21; PM 26/25 vom 2.5.2025
| Die gesetzlichen Altersrenten werden im Rahmen der jährlichen Rentenanpassung zum 1.7.2025 um 3,74 % steigen. Der Bundesrat hat einer entsprechenden Verordnung zugestimmt. |
Beachten Sie | Die Rentenanpassung kann dazu führen, dass Rentner erstmals in die Steuerpflicht rutschen und eine Steuererklärung abgeben müssen. Eine Steuerpflicht tritt aber nur ein, wenn der steuerpflichtige Teil der Jahresbruttorente – zuzüglich weiterer Einkünfte (z. B. aus einer Vermietung) und unter Berücksichtigung etwaiger Freibeträge und sonstiger Abzugsbeträge – den steuerlichen Grundfreibetrag übersteigt. Für das Jahr 2024 beträgt der Grundfreibetrag 11.784 Euro pro Jahr, für 2025 sind es 12.096 Euro. Bei einer steuerlichen Zusammenveranlagung von Eheleuten gelten die doppelten Werte.
Quelle | Rentenwertbestimmungsverordnung 2025, BR-Drs.190/25
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hatte 2023 entschieden: Überträgt der Steuerpflichtige schenkweise einen Miteigentumsanteil an einem Vermietungsobjekt, ohne auch die Finanzierungsdarlehen anteilig zu übertragen, kann er die Schuldzinsen nur noch anteilig entsprechend seinem verbliebenen Miteigentumsanteil abziehen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat diese Sichtweise nun bestätigt, sodass die auf den übertragenen Miteigentumsanteil entfallenden Schuldzinsen nicht als (Sonder-)Werbungskosten zu berücksichtigen sind. |
Das war geschehen
Der Alleineigentümer (Vater) einer vermieteten Immobilie hatte einen ideellen 2/5-Miteigentumsanteil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich auf seinen Sohn übertragen. Die Grundschuld wurde von dem Sohn entsprechend seinem Miteigentumsanteil zur dinglichen Haftung übernommen. Zu einer schuldrechtlichen Schuldübernahme bzw. einem Schuldbeitritt zur Darlehensschuld gegenüber der Bank kam es jedoch nicht.
In der Feststellungserklärung für die Grundstücksgemeinschaft bzw. die Vermietungs-GbR wurden Darlehenszinsen in voller Höhe geltend gemacht. Diese berücksichtigte das Finanzamt allerdings nur zu 3/5 (= Anteil des Vaters).
Die hiergegen gerichtete Klage blieb ebenso erfolglos wie die Revision.
Von Finanzierung der Einkünfteerzielungstätigkeit zur Finanzierung der Schenkung
Durch die unentgeltliche Übertragung des Miteigentumsanteils wurde insoweit der (objektive) wirtschaftliche Zusammenhang der zur Finanzierung der Anschaffung der Immobilie aufgenommenen Darlehen zur bisherigen Einkünfteerzielungstätigkeit gelöst. Fortan dienten die Darlehen der Finanzierung der Schenkung.
Beachten Sie | Das FG Niedersachsen hatte die Revision im Hinblick auf folgende Frage zugelassen: Ist es gerechtfertigt, den Sachverhalt bei einer vermögensverwaltenden GbR (wie im Streitfall) anders zu behandeln als bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb? Und das hat der BFH eindeutig mit „ja“ beantwortet.
Die Begründung: Das Einkommensteuerrecht wird vom Dualismus der Einkunftsarten (Gewinn- und Überschusseinkünfte) bestimmt. Die unterschiedliche Erfassung von Wertsteigerungen bzw. -minderungen im Betriebs- und Privatvermögen ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar.
Quelle | BFH, Urteile vom 3.12.2024, IX R 2/24 und IX R 3/24
| Eine Frau muslimischen Glaubens ist vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin mit einer Klage gescheitert, mit der sie eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kraftfahrzeugs mit einem Gesichtsschleier erstreiten wollte. |
Nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) dürfen Personen, die ein Kraftfahrzeug führen, ihr Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken, dass sie nicht mehr erkennbar sind (Verhüllungsverbot). Die Klägerin hatte geltend gemacht, ihr muslimischer Glaube gebiete es, dass sie sich außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Auch im Auto sei sie den Blicken fremder Menschen ausgesetzt. Daher müsse ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Ihren Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Ausnahmegenehmigung hatte das Land Berlin abgelehnt. Dagegen richtete sich die Klage.
Das VG hat die Klage abgewiesen. Eine Ausnahmegenehmigung könne die Klägerin auch mit Blick auf ihre grundrechtlich geschützte Religionsfreiheit nicht beanspruchen. Diese müsse nach Abwägung aller widerstreitenden Interessen hinter anderen Verfassungsgütern zurücktreten. Das Verhüllungsverbot gewährleiste eine effektive Verfolgung von Rechtsverstößen im Straßenverkehr, indem es die Identifikation der Verkehrsteilnehmer ermögliche, etwa im Rahmen von automatisierten Verkehrskontrollen. Es diene zudem dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums Dritter, weil Kraftfahrzeugführer, die damit rechnen müssten, bei Regelverstößen herangezogen zu werden, sich eher verkehrsgerecht verhalten würden als nicht ermittelbare Autofahrer.
Demgegenüber wiege der Eingriff in die Religionsfreiheit der Klägerin weniger schwer. Ein gleich wirksames, aber mit geringeren Grundrechtseinschränkungen verbundenes Mittel zur Erreichung der mit dem Verhüllungsverbot verfolgten Zwecke stehe nicht zur Verfügung. So könne etwa eine Fahrtenbuchauflage nur dem Halter eines Fahrzeugs auferlegt werden; die Klägerin begehre jedoch eine Ausnahme in ihrer Eigenschaft als Führerin eines Fahrzeugs. Gleichermaßen ungeeignet erscheine der Vorschlag der Klägerin, einen Niqab mit einem „einzigartigen, fälschungssicheren QR-Code“ zu versehen und die Ausnahme vom Verhüllungsverbot mit einer solchen Auflage zu verbinden. Denn dadurch sei nicht sichergestellt, dass die Person, die den Niqab trage, auch tatsächlich die Person sei, für die der QR-Code kreiert wurde.
Gegen das Urteil kann der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg gestellt werden.
Quelle | VG Berlin, Urteil vom 27.1.2025, VG 11 K 61/24, PM 5/25
| Ein Motorradfahrer wollte einen Auffahrunfall vermeiden. Er bremste deshalb sehr stark. Weil die Maschine kein Antiblockiersystem (ABS) hatte, blockierte das Vorderrad und der Motorradfahrer stürzte. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in diesem Fall kompakte Ausführungen zum „Idealfahrer“ hinsichtlich der Unabwendbarkeit gemacht. Besonders wichtig: Er bezieht die Situation vor dem Unfallgeschehen mit ein. |
Es kommt nicht nur auf die konkrete Situation an, …
Ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein „Idealfahrer“ reagiert hat, ist nicht allein entscheidend. Vielmehr ist zu berücksichtigen, ob ein „Idealfahrer“ überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre. Der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr nun (zu spät) „ideal“ verhält. Der „Idealfahrer“ hat in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind,Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden.
… sondern darauf, ob der Fahrer vorausschauend gehandelt hat
Dahinstehen kann also, ob der Sturz des Klägers noch im Zeitpunkt des Abbremsens durch kontrolliertes Betätigen der Vorderradbremse vermeidbar gewesen wäre. Denn ein Idealfahrer, der weiß, dass sein Motorrad nicht über ein ABS verfügt und bei einer reflexhaften Vollbremsung ein Sturz droht, hätte von vornherein eine Fahrweise gewählt, mit der ein reflexhaftes Bremsen in der Situation des Klägers vermieden worden wäre. Er hätte den Abstand zum Vorausfahrenden und die Geschwindigkeit so bemessen, dass er selbst im Fall plötzlich scharfen Bremsens des Vorausfahrenden – das er stets einkalkulieren muss – noch hätte kontrolliert bremsen und sowohl einen Sturz als auch eine Kollision mit dem Vorausfahrenden hätte vermeiden können.
Quelle | BGH, Urteil vom 3.12.2024, VI ZR 18/24
| Besuchen Halbgeschwister, die mit dem gemeinsamen Elternteil zusammenleben, gleichzeitig im Stadtgebiet Kindertageseinrichtungen, sind bei der Festsetzung von Elternbeiträgen hierfür satzungsrechtliche Geschwisterermäßigungen oder -befreiungen zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Halbgeschwister neben dem gemeinsamen Elternteil auch mit dem anderen Elternteil des einen Kindes in häuslicher Gemeinschaft zusammenleben. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden. |
Beitragsbefreiung oder nicht?
Die gemeinsame, im Juli 2019 geborene Tochter der Kläger nahm im Schuljahr 2021/2022 das Betreuungsangebot einer Kindertageseinrichtung in der beklagten Stadt wahr. Mit ihr und ihren Eltern lebte seinerzeit ein weiteres von der Klägerin, nicht aber vom Kläger abstammendes Kind in der gemeinsamen Wohnung, das dieselbe Kindertageseinrichtung besuchte, wofür wegen Vollendung des vierten Lebensjahres aufgrund einer landesrechtlichen Bestimmung kein Elternbeitrag zu leisten war. Die Stadt setzte gegenüber den Klägern auf Basis ihres gemeinsamen Jahreseinkommens einen monatlichen Elternbeitrag in Höhe von 313 Euro fest. Hiergegen wandten sich die Kläger und beriefen sich auf eine Vorschrift der Elternbeitragssatzung (im Folgenden nur: Satzung) der beklagten Stadt. Danach entfällt bei Eingreifen einer landesrechtlich – für die letzte Zeit in Tagesbetreuung vor der Einschulung – im Kinderbildungsgesetz (KiBiz) angeordneten Beitragsbefreiung „auch der Beitrag für das zweite und jedes weitere Kind“. Diese Regelung folgt auf eine in sonstigen Fällen maßgebliche „Geschwisterregelung“ in der Satzung, wonach „nur ein Beitrag zul eisten“ ist, wenn „aus einer Familie […] mehr als ein Kind Betreuungsangebote […] in Anspruch“ nimmt.
Die auf Aufhebung der Beitragsfestsetzung gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht (VG) Arnsberg ab. Die dagegen eingelegte Berufung der Kläger hatte vor dem OVG Erfolg.
Gemeinsames Kind als weiteres Kind zu berücksichtigen
Das OVG hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen angeführt: Das gemeinsame Kind der Kläger ist als weiteres Kind der Familie im Sinne der Geschwisterregelungen in der Satzung zu berücksichtigen. Die Gemeinschaft zweier leiblicher Kinder derselben Mutter mitdieser und deren neuem Partner, der Vater nur eines der beiden Kinder ist, istbereits unter Zugrundelegung eines verfassungsrechtlichenBegriffsverständnisses als eine Familie anzusehen. Ein anderes Verständnis desFamilien- bzw. Geschwisterbegriffs lässt sich weder der städtischen Satzungnoch höherrangigem Recht entnehmen. Die auf einer Ermächtigung desLandesgesetzgebers beruhende allgemeine Geschwisterregelung in der Satzung –bei mehreren Kindern nur ein Elternbeitrag – entspricht im Kern einer früherenlandesgesetzlichen Regelung. Dieser lag allgemein eine Entlastung von Familienmit mehreren Kindern zugrunde, ohne dass etwa nach Voll- oder Halbgeschwisternunterschieden wurde. Bei dem Umstand, dass mehrere mit einem oder beidenElternteilen in einem Haushalt zusammenlebende Kinder Angebote derTagesbetreuung in Anspruch nehmen, für die jedenfalls der gemeinsame Elternteilgrundsätzlich beitragspflichtig wäre, handelt es sich um einen Gesichtspunktder sozialen Staffelung der Kostenbeiträge. Diese ist sowohl im Bundes- alsauch im Landesrecht angelegt und ermöglicht neben der – mit dem Einkommenkorrespondierenden – wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit derBeitragspflichtigen auch die Berücksichtigung anderer Aspekte, wie die Zahl derim gemeinsamen Haushalt lebenden und in Kindertageseinrichtungen zu betreuendenKinder. Vor diesem Hintergrund kommt eine Differenzierung danach, dass beideKläger für das mit ihnen zusammenlebende gemeinsame Kind beitragspflichtigsind, während das ältere Kind allein von der Klägerin abstammt und nur dieseinsoweit beitragspflichtig sein kann, nicht in Betracht.
Quelle | OVG Münster, Urteil vom 27.11.2024, 12 A 1627/22, PM vom 12.12.2024
| Die auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage einer 66-jährigen Großmutter, die mit ihrem Enkelkind an einem Straßenumzug teilgenommen hatte und gestürzt war, hatte vor dem Landgericht (LG) Frankenthal keinen Erfolg. Das LG hat festgestellt: Die zuständige Gemeinde muss eine Straße wegen einer nur einmal jährlich stattfindenden Veranstaltung nicht besonders absichern. Es gelten vielmehr die üblichen Maßstäbe der Verkehrssicherungspflicht bei Straßen und Plätzen. |
Über Gullydeckel gestolpert
Die verletzte Frau gab an, bei einem Straßenumzug über einen bis zu drei Zentimeter über das Straßenniveau ragenden Gullydeckel gestolpert und gestürzt zu sein. Durch den Sturz habe sie sich das linke Handgelenk und das rechte Schultergelenk gebrochen. Sie war der Ansicht, vor dem Umzug hätte die zuständige Verbandsgemeinde die Strecke besonders kontrollieren und absichern, Stolpergefahren beseitigen und etwa den hochstehenden Gullydeckel mit einer Gummimatte sichern müssen. Sie verlangte rund 1.700 Euro Schadenersatz und ein Schmerzensgeld in Höhe von 13.000 Euro.
Mit Unebenheiten muss man rechnen
Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit der Unebenheit von deutlich unter drei Zentimetern habe die Frau rechnen müssen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei es auch jedem Teilnehmer bekannt und spätestens bei Beginn des Umzugs ersichtlich, dass die Sicht auf die Straße wegen der Menschenansammlung eingeschränkt sei. Eine besondere Absicherung der Straße aufgrund des einmal jährlich stattfindenden Großereignisses sei daher nicht geboten gewesen. Die Abdeckung des Gullydeckels mit einer Gummimatte hätte den Höhenunterschied und die Stolpergefahr möglicherweise nur zusätzlich erhöht. Im Übrigen treffe die Frau ein überwiegendes Mitverschulden, was die geltend gemachten Ansprüche ebenfalls ausschließe.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 15.8.2024, 3 O 88/24, PM vom 27.2.2025
| Hat der Versicherer im Policenbegleitschreiben auf das Bestehen eines Widerspruchsrechts und die hierfür geltenden Anforderungen allgemein hingewiesen und diese an einer genau bezeichneten Stelle im Einzelnen näher erläutert, sind die jeweiligen Textstellen nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr ist dann eine Gesamtwürdigung beider Textstellen – als einheitliche Belehrung – geboten. So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken. |
Begründung: Angesichts des konkreten Verweises auf die einschlägige Bestimmung in der Verbraucherinformation seien auch die dortigen weiteren Informationen für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne Weiteres auffindbar. Im Fall des OLG galt dies insbesondere, da der Verbraucherinformation ein Inhaltsverzeichnis vorangestellt war. Aus dem ergab sich, dass die im Policenbegleitschreiben zitierte Textstelle „Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Vertrag noch widersprechen?“ sich unter Ziffer 6 befindet, die ihrerseits auf der betreffenden Seite mit der fettgedruckten Überschrift „6. Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Vertrag noch widersprechen?“ hervorgehoben war.
Quelle | OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.1.2024, 5 U 60/23
| Werden in einem Wohnhaus tragende Wände entfernt und durch eine Stahlträgerkonstruktion ersetzt, muss dies einem potenziellen Käufer der Immobilie ungefragt mitgeteilt werden. Verschweigt der Verkäufer diesen Umstand, stellt dies eine arglistige Täuschung dar, die den Käufer zur Anfechtung des Kaufvertrags berechtigt. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken in einer aktuellen Entscheidung festgestellt und der Klage eines Ehepaars gerichtet auf die Rückabwicklung eines Immobilienkaufvertrags stattgegeben. |
Verkäufer verheimlichten Umbau
Ein Ehepaar aus Pirmasens entschloss sich, das von ihnen etwa 10 Jahre lang selbst bewohnte Wohnhaus zu verkaufen. Was es dem kaufinteressierten Ehepaar nicht erzählte, war, dass es vor einigen Jahren ihr Wohnzimmer vergrößert, und dazu durch eine im Ausland ansässige Firma tragende Trennwände im 1. OG des Hauses hatte entfernen lassen. Nach Entfernung der Wände wurde die Decke nur noch durch zwei Eisenträger gestützt, die direkt auf das Mauerwerk aufgelegt und zusätzlich durch Baustützen gestützt wurden, die eigentlich nur für den vorübergehenden Gebrauch gedacht sind. Diese Trägerkonstruktion wurde anschließend durch Verblendungen verdeckt und war nicht mehr ohne Weiteres sichtbar. Um einen Nachweis über die Statik hatten sich die Eigentümer im Nachgang nicht bemüht.
Käufer fochten Kaufvertrag erfolgreich an
Als die neuen Eigentümer dann selbst einige bauliche Veränderungen an dem Haus durchführen wollten, beauftragten sie u. a. einen Statiker. Dieser stellte fest, dass die Trägerkonstruktion im 1. OG unzulässig und nicht dauerhaft tragfähig sei. Das Ehepaar hat den Kaufvertrag über das Hausgrundstück daraufhin angefochten und das Verkäuferehepaar auf Rückabwicklung verklagt. Mit Erfolg.
Das OLG gab dem Käuferehepaar Recht und verurteilte die Verkäufer zur Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückübereignung des Hausgrundstücks. Die Verkäufer seien in der Pflicht gewesen, auch ungefragt darüber zu informieren, dass tragende Wände entfernt, und damit in die Statik des Wohnhauses eingegriffen wurde. Erst recht hätten sie darüber aufklären müssen, dass kein Nachweis hinsichtlich der statischen Tragfähigkeit der Stahlträgerkonstruktion vorliege. Auch sei darüber zu informieren gewesen, dass die Arbeiten durch eine den Verkäufern kaum bekannte ausländische Firma durchgeführt wurden und zu den genauen Maßnahmen keinerlei Unterlagen vorlägen. Dies alles gälte auch, obwohl die Verkäufer wohl selbst von der ausreichenden Tragfähigkeit der Konstruktion ausgingen und auch obwohl die Käufer das Haus vor dem Kauf zusammen mit einer Bausachverständigen besichtigt hatten. Die Statik eines Wohnhauses sei im Hinblick auf mögliche Gefahren für die Gebäudesubstanz und auch für Leib und Leben der Bewohner von so wesentlichem Interesse, dass eine Veränderung an ihr einem Grundstückserwerber in jedem Fall ungefragt zu offenbaren sei.
Quelle | OLG Zweibrücken, Urteil vom 27.9.2024, 7 U 45/23, PM vom 25.2.2025
| Das Amtsgericht (AG) Flensburg hat entschieden: Der Mieter muss gesundheitliche Beeinträchtigungen für sich oder die seine Mitbewohner und die nachteiligen Auswirkungen eines Umzugs durch Vorlage fachärztlicher Atteste ausführlich darstellen. Sein Vortrag muss so konkret sein, dass das Gericht den Eintritt von relevanten Nachteilen als hinreichend wahrscheinlich annehmen kann. Dann ist das Gericht gehalten, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Der bloße unstreitige Umstand, dass die Kinder des Mieters einen Behindertenausweis und einen Pflegegrad zugesprochen bekommen haben, genügt nicht. Ohne Erläuterungen, welche Krankheiten oder Behinderungen die Kinder haben, kann das Gericht keinen Härtegrund annehmen. |
Der Vermieter kündigte den unbefristeten Wohnraummietvertrag wegen Eigenbedarf. Er begründete dies damit, er benötige das Objekt für sich und seine Lebensgefährtin als neuen Lebensmittelpunkt. Die Mieter widersprachen der Kündigung und beriefen sich insbesondere auf gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Mieterin leide an einer Angststörung und posttraumatischen Belastungsstörung und die beiden Kinder seien schwerbehindert und pflegebedürftig. Ein Umzug sei für die Familie unzumutbar.
Damit hatten sie vor dem AG keinen Erfolg. Das AG war nach der Zeugenvernehmung davon überzeugt, dass der Vermieter die Räume wegen der geplanten Familiensituation ernsthaft benötigte. Dass die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist, erkannte das AG nicht an. Denn die Mieter seien ihrer Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Härtegründe nicht nachgekommen.
Ein Härtegrund liege nur vor, wenn eine erhebliche Verschlechterung einer ernsten Erkrankung oder Lebensgefahr, die durch einen Sachverständigen zu klären ist, angenommen werden könne. Das Gericht hatte keine Anhaltspunkte, eine solche Verschlechterung des Gesundheitszustands der Kinder der Mieter anzunehmen. Der vorgelegte Behindertenausweis, das Pflegegutachten und das allgemeinärztliche Attest sprächen nur unkonkret von einer „gesundheitlichen Situation“ des Kindes. Das war dem Gericht zu unkonkret. Es fehle insbesondere vertiefter Vortrag dazu, wie sich die Erkrankung im Alltag auswirke und inwieweit mit einer Verschlechterung der Situation durch einen Umzug zu rechnen sei.
Quelle | AG Flensburg, Urteil vom 4.12.2024, 61 C 55/24
| Ein rechtlich beachtlicher Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses liegt nur vor, wenn sich der Anfechtende in einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses befunden hat, dagegen nicht, wenn lediglich falsche Vorstellungen von dem Wert der einzelnen Nachlassgegenstände vorgelegen haben. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschieden. |
Erblasserin wurde 106 Jahre alt
Die Erblasserin ist im Alter von 106 Jahren ohne Testament verstorben. Zuvor lebte sie seit längeren Jahren in einem Seniorenheim. Die Heim- und Pflegekostenkosten wurden aus Mitteln der Kriegsopferfürsorgestelle bestritten. Diese Leistungen wurden als Darlehen gewährt und durch eine Grundschuld an einem Haus der Erblasserin abgesichert. Der Ehemann der Erblasserin, ihre beiden Kinder und auch bereits ein Enkelkind waren vorverstorben. Gesetzliche Erben waren die Enkel und Urenkel der Erblasserin.
Enkelin schlug Erbschaft aus, Urenkel nicht
Nach dem Tod der Erblasserin hat u. a. die in gesetzlicher Erbfolge zur Erbin berufene Enkelin das Erbe ausgeschlagen und dabei angegeben, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Zwei Urenkel der Erblasserinnen haben das Erbe dagegen nicht ausgeschlagen. In der Folge wurde das Haus der Erblasserin unter Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Nachlasspflegerin an Dritte verkauft. Nach dem Verkauf des Hauses hat die Enkelin ihre Erklärung zur Erbausschlagung sodann wegen Irrtums angefochten. Danach hat sie die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der u. a. sie als Erbinzu 1/4 Anteil ausweisen sollte.
Das Nachlassgericht hat entschieden, dass der Erbschein wegen der angefochtenen Erbausschlagungserklärung der Enkelin, wie von ihr beantragt, erteilt werden müsse. Gegen diesen Beschluss wendete sich einer der Urenkel, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte, mit seiner Beschwerde.
Oberlandesgericht widersprach Nachlassgericht
Das OLG hat entschieden, dass der Erbscheinsantrag der Enkelin zurückzuweisen sei, da der von ihr beantragte Erbschein die eingetretene Erbfolge unzutreffend wiedergebe. Die Enkelin sei keine Erbin geworden, da sie die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und sie die Ausschlagungserklärung wegen Irrtums auch nicht wirksam anfechten könne.
Enkelin wusste nichts vom Bankkonto…
Soweit sie ihren Irrtum damit begründet habe, dass ihr erst im Nachhinein bekannt geworden sei, dass zum Nachlass ein Bankkonto bei der Kreissparkasse Köln mit einem vierstelligen Guthaben gehöre, läge zwar ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses vor. Dieser Irrtum hätte aber nicht ihre Ausschlagung der Erbschaft veranlasst. Denn selbst, wenn ihr das Konto bei der Kreissparkasse Köln bekannt gewesen wäre, hätte dies mangels wirtschaftlichem Gewicht des dortigen Guthabenbetrags gegenüber den restlichen Nachlasspositionen nichts an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses geändert.
… und unterschätzte den Verkaufserlös des Hauses
Soweit sich die Enkelin darauf berufe, sie habe sich geirrt, dass der Erlös aus dem Verkauf des Hauses der Erblasserin die Verbindlichkeiten aus dem mit der Grundschuld abgesicherten Darlehen für die Heim- undPflegekosten der Kriegsopferfürsorgestelle übersteige, liege kein Irrtum vor, der zur Anfechtung berechtige. Dieser Irrtum beruhe lediglich auf der unzutreffenden Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht über dessen Zusammensetzung.
Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14.8.2024, 8 W 102/23, PM vom 10.12.2024
| Beschränkt ein Bebauungsplan über ein Wochenendhausgebiet mittels sog. Baufenster die Bebaubarkeit von Flächen, kann für ein Grundstück, das außerhalb eines Baufensters gelegen ist, kein Bauvorbescheid erteilt werden. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Mainz. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist Pächterin eines Grundstücks, das im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, der ein Wochenendhausgebiet und hierfür überbaubare Flächen (sog. Baufenster) festsetzt. Das Pachtgrundstück ist danach nicht mit einem Wochenendhaus bebaubar, sondern nur mit Nebengebäuden, etwa zum Unterstellen von Gegenständen zur Freizeitnutzung.
Die Klägerin stellte einen Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheids zur Klärung der Frage, ob ihr Grundstück mit einem Wochenendhaus bebaubar sei, und beantragte hilfsweise eine Befreiung von der Festsetzung über die überbaubaren Flächen. Sie machte zur Begründung ihres Antrags geltend: Für jedes andere Grundstück in der Straße sehe der Bebauungsplan ein Baufenster vor, nicht aber für ihres – an vielen Stellen des Plangebiets seien nicht überbaubare Flächen zwischenzeitlich mit Gebäuden bebaut worden. Für ihr Grundstück sei sogar eine Hausnummer vergeben worden. Die Baugenehmigungsbehörde lehnte das Begehren ab. Das Widerspruchsverfahren blieb ohne Erfolg.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG wies die Klage ab. Die Errichtung eines Wochenendhauses auf dem Pachtgrundstück sei nicht genehmigungsfähig, denn für dieses sehe der Bebauungsplan keine Fläche vor, die mit einem solchen Gebäude bebaut werden dürfe.
Keine verdichtetete Bebauung im Erholungsgebiet gewünscht
Die Beschränkung der Bebaubarkeit der Flächen über das gesamte Plangebiet hinweg diene nach dem Willen der Gemeinde als Plangeberin der Verhinderung einer verdichteten Bebauung in dem Erholungsgebiet und dem Erhalt von Waldflächen. Damit liege eine städtebaulich legitimierte Planung vor, die auch das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) der von der Beschränkung betroffenen Eigentümer nicht verletze. Ohne den Bebauungsplan wären im Außenbereich Gebäude zur privaten Freizeitnutzung generell bauplanungsrechtlich unzulässig. Die Festsetzung über die beschränkte Bebaubarkeit, an deren Geltung die Gemeinde ausdrücklich weiter festhalte, sei auch nicht funktionslos geworden, sie könne die bauliche Entwicklung in dem Plangebiet auch künftig noch beeinflussen. Denn es gebe noch unbebaute Grundstücke, für die ebenfalls ein Baufenster festgesetzt sei. Der überwiegende Teil der Bebauung sei auch innerhalb der Baufenster verwirklicht worden.
Großer Teil hielt Regeln nicht ein: Bebauungsplan gilt trotzdem
Unerheblich sei hingegen, dass in einer Vielzahl von Fällen Grundstücke entgegen der Festsetzung zu den Baufenstern bebaut worden seien. Der Geltungsanspruch einer Norm, wie der eines Bebauungsplans, gehe nicht bereits dadurch unter, dass sich ein großer Teil der Betroffenen nicht an die Regelung halte. Die Vergabe einer Hausnummer diene allein ordnungsrechtlichen Belangen und begründe keine Baurechte für ein Grundstück. Eine Befreiung von der Festsetzung des Bebauungsplans über die beschränkte Bebaubarkeit der Grundstücke scheide aus, weil diese angesichts der Gesamtkonzeption einen Grundzug der Planung betreffe, über den die Baugenehmigungsbehörde – auch zur Vermeidung eines Präzedenzfalls – nicht hinweggehen könne. Allein die Gemeinde könne eine Umplanung des Bebauungsplans vornehmen.
Quelle | VG Mainz, Urteil vom 25.9.2024, 3 K 746/23.MZ, PM8/24
| Ein Energieberater schuldet zwar keinen Erfolg seiner Beratung in Form der tatsächlichen Förderung. Er muss aber korrekt beraten, sodass hieraus energetische Maßnahmen hervorgehen, die die Voraussetzungen der gesetzlichen Förderungsgrundlage erfüllen. Stellt er jedoch für die einzuhaltenden Wärmedurchgangskoeffizienten irrtümlicherweise auf die Werte des GEG ab, obwohl für die Förderung die Werte des BEG EM maßgeblich sind, sieht das Landgericht (LG) Berlin darin eine Verletzung seiner Beratungspflicht. Und das LG sieht den Berater sogar in der Pflicht, Schadenersatz zu leisten. |
Dienstvertragsrecht einschlägig
Das LG: Ein Energieberatungsvertrag ist als entgeltliche Geschäftsbesorgung einzuordnen, auf die Dienstvertragsrecht anzuwenden ist. Zwar wird angenommen, dass ein Energieberater in der Regel grundsätzlich keinen Erfolg in Form der tatsächlichen Förderung schulde oder dafür gar eine Garantie übernehme. Der Energieberater schuldet aber eine fachlich zutreffende Beratung, aus der energetische Maßnahmen hervorgehen, die die Voraussetzungen der gesetzlichen Förderungsgrundlage erfüllen.
Beratung zur Förderfähigkeit Hauptleistungspflicht
Diese Beratung im Hinblick auf förderfähige Maßnahmen stellt für den Verbraucher, der auf eine Förderung angewiesen ist, bei lebensnaher Betrachtung sogar eine Hauptleistungspflicht dar. Aufgabe einer Energie-Effizienz-Expertin im Rahmen der KfW-Förderung ist es regelmäßig, den Antragsteller über die passenden und aufeinander abgestimmten Sanierungsmaßnahmen für sein Gebäude zu beraten und gerade zu prüfen, ob diese technisch förderfähig sind, die Bestätigung zum Antrag und den späteren Verwendungsnachweis zu erstellen.
Konsequenzen
Gegenstand der Vertragsleistung war im Fall des LG die Beratung der energetischen Sanierung des Hauses in fachlicher Hinsicht und die Begleitung der Antragstellung beim Zuschussgeber mit dem Ziel der Förderungsfähigkeit der Baumaßnahmen. Der Energieberater hätte mithin geradezu treffend und vollständig dazu beraten und darauf hinwirken müssen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen auch wirklich förderungsfähig sind. Nicht umsonst hatte er ihr Honorar von einem Förderzuschuss abhängig gemacht und sogar unter die Bedingung einer Förderungsgewährung gestellt.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23
| Sichtbare Tätowierungen auf beiden Handrücken hindern die Zulassung zum Vorbereitungsdienst der Polizei nicht, wenn sie inhaltlich unbedenklich sind. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren entschieden. |
Tätowierungen auf den Handrücken
Die Antragstellerin begehrt die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst bei der Berliner Kriminalpolizei. Sie trägt unter anderem auf beiden Handrücken Tätowierungen. Bei den Motiven handelt es sich um Rosenblüten mit den Namen ihrer Kinder. Die Tattoos bedecken jeweils einen Großteil ihrer Handrücken. Die Berliner Polizei lehnte ihre Bewerbung deshalb ab. Hiergegen hat die Antragstellerin einen Eilantrag eingereicht.
Das VG hat dem Eilantrag teilweise stattgegeben und das Land Berlin verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Bewerbung der Antragstellerin zu entscheiden. Zur Begründung führt sie aus, das Tragen von Tätowierungen im sichtbaren Bereich könne einer Einstellung nur entgegenstehen, wenn die Tattoos über das übliche Maß hinausgingen und wegen ihrer besonders individualisierenden Art geeignet seien, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen.
Rosenblüten und Namen der Kinder: unkritischer Inhalt
Dies sei hier nicht der Fall. Es sei bereits zweifelhaft, ob die Tattoos der Antragstellerin über das übliche Maß hinausgingen. Vielfältige Tätowierungen, insbesondere von Blumen bzw. Pflanzen und persönlichen Daten, seien heutzutage weit verbreitet. Jedenfalls seien die Tattoos der Antragstellerin trotz ihrer Sichtbarkeit nicht geeignet, ihre amtliche Funktion in den Hintergrund zu drängen. Die klare Erkennbarkeit der Motive und deren unkritischer Inhalt böten Bürgerinnen und Bürgern keinen Anlass, über die persönlichen Überzeugungen der Antragstellerin als Privatperson zu spekulieren.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 27.2.2025, VG 26 L 288/24, PM 14/25
| Der professionelle Einsatz eines vollautomatischen Wanddruckers stellt kein zulassungspflichtiges Maler- und Lackiererhandwerk dar. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren entschieden. |
Laut Handwerkskammer bestand Meisterzwang
Die Antragstellerin stellt sog. Wanddrucker her, mit denen sich individuell vom Verwender programmierte Motive großflächig auf eine in der Regel vertikale Fläche auftragen lassen. Einer Käuferin des Wanddruckers wurde auf Nachfrage von der Handwerkskammer Berlin mitgeteilt, dass die gewerbliche Nutzung des Geräts zulassungspflichtig im Maler- und Lackierer-Handwerk sei und daher nur mit Fachkundenachweis und Eintrag in der Handwerksrolle gewerblich ausgeführt werden dürfe. Die Käuferin veröffentlichte die Auskunft auf ihrer Internetseite und erklärte, wegen des „Meisterzwangs“ keine Aufträge mehr für den Wanddrucker annehmen zu können.
Die Antragstellerin verlangte daraufhin von der Handwerkskammer insbesondere, diese – aus ihrer Sicht falsche – Auskunft zu widerrufen und zukünftig zu unterlassen. Die Veröffentlichung der Auskunft im Internet verursache ihr einen immensen wirtschaftlichen Schaden, weil die meisten ihrer Kunden über keinen entsprechenden Fähigkeitsnachweis verfügten. Nachdem die Handwerkskammer eine gesetzte Frist verstreichen ließ, hat die Antragstellerin bei Gericht einen Eilantrag und Klage eingereicht.
Verwaltungsgericht widersprach
Das VG hat dem Eilantrag stattgegeben. Begründung: Die Nutzung eines (vollautomatischen) Wanddruckers stelle für sich genommen regelmäßig keinen handwerklichen Betrieb eines Maler- und Lackierer-Handwerks dar. Sie sei vielmehr ohne Nachweis eines Fachkundenachweises oder einer Eintragung in die Handwerksrolle zulässig.
Weder Fachkundenachweis noch Eintragung in die Handwerksrolle notwendig
Die händischen Arbeitsschritte beim Bedienen des Wanddruckers beschränkten sich auf die Vorbereitung des Druckers und des Motivs sowie das Farbmanagement. Das Verbringen der Farbe auf die Oberfläche – als Kernbereich des Malerhandwerks – erfolge indes automatisiert. Angesichts der überschaubaren Komplexität und Schwierigkeit der Bedienung des Druckers genüge nach unbestrittener Darstellung der Antragstellerin eine zweitägige Schulung in aller Regel, um zufriedenstellende Ergebnisse mit dem Wanddrucker zu erzeugen. Die nötigen Vorbereitungshandlungen und das Mischen von Farben seien keine wesentlichen Tätigkeiten bei der Benutzung des Druckers, weil sie jedenfalls in unter drei Monaten erlernt werden könnten.
Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 19.2.2025, VG 4 L 847/24, PM vom 24.2.2025
| Verstößt der Arbeitgeber schuldhaft gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, dem Arbeitnehmer rechtzeitig für eine Zielperiode Ziele vorzugeben, an deren Erreichen die Zahlung einer variablen Vergütung geknüpft ist (Zielvorgabe), löst dies grundsätzlich einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadenersatz statt der Leistung aus. Voraussetzung: Eine nachträgliche Zielvorgabe kann ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen. So hat es das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Keine Vorgabe individueller Ziele
Der Kläger war bei der Beklagten bis zum 30.11.2019 als Mitarbeiter mit Führungsverantwortung beschäftigt. Arbeitsvertraglich war ein Anspruch auf eine variable Vergütung vereinbart. Eine ausgestaltende Betriebsvereinbarung bestimmt, dass bis zum 1.3. des Kalenderjahres eine Zielvorgabe zu erfolgen hat, die sich zu 70 % aus Unternehmenszielen und 30 % aus individuellen Zielen zusammensetzt, und sich die Höhe des variablen Gehaltsbestandteils nach der Zielerreichung des Mitarbeiters richtet. Am 26.9.2019 teilte der Geschäftsführer der Beklagten den Mitarbeitern mit Führungsverantwortung mit, für das Jahr 2019 werde, bezogen auf die individuellen Ziele, entsprechend der durchschnittlichen Zielerreichung aller Führungskräfte in den vergangenen drei Jahren von einem Zielerreichungsgrad von 142 % ausgegangen. Erstmals am 15.10.2019 wurden dem Kläger konkrete Zahlen zu den Unternehmenszielen einschließlich deren Gewichtung und des Zielkorridors genannt. Eine Vorgabe individueller Ziele für den Kläger erfolgte nicht. Die Beklagte zahlte an den Kläger für 2019 eine variable Vergütung von rund 15.600 Euro brutto.
Der Standpunkt der Parteien
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei ihm zum Schadenersatz verpflichtet, weil sie für das Jahr 2019 keine individuellen Ziele und die Unternehmensziele verspätet vorgegeben habe. Es sei davon auszugehen, dass er rechtzeitig vorgegebene, billigem Ermessen entsprechende Unternehmensziele zu 100 % und individuelle Ziele entsprechend dem Durchschnittswert von 142 % erreicht hätte. Deshalb stünden ihm unter Berücksichtigung der von der Beklagten geleisteten Zahlung weitere rund 16.000 Euro brutto als Schadenersatz zu. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Zielvorgabe sei rechtzeitig erfolgt und habe den Grundsätzen der Billigkeit entsprochen, weshalb ein Schadenersatzanspruch wegen verspäteter Zielvorgabe ausgeschlossen sei. Unabhängig davon könne der Kläger allenfalls eine Leistungsbestimmung durch Urteil nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 315 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 BGB) verlangen. Die Möglichkeit einer gerichtlichen Ersatzleistungsbestimmung schließe Schadenersatzansprüche wegen verspäteter Zielvorgabe aus. Im Übrigen sei die Höhe eines möglichen Schadens falsch berechnet.
Arbeitgeber verstieß gegen Pflicht aus Betriebsvereinbarung
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht (LAG) hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagte, wie vom LAG zu Recht erkannt, einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von rund 16.000 Euro brutto. Die Beklagte hat ihre Verpflichtung zu einer den Regelungen der Betriebsvereinbarung entsprechenden Zielvorgabe für das Jahr 2019 schuldhaft verletzt, indem sie dem Kläger keine individuellen Ziele vorgegeben und ihm die Unternehmensziele erst verbindlich mitgeteilt hat, nachdem bereits etwa ¾ der Zielperiode abgelaufen waren.
Arbeitnehmer siegt: kein Mitverschulden, keine Anrechnung
Eine ihrer Motivations- und Anreizfunktion gerecht werdende Zielvorgabe war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Deshalb kommt hinsichtlich der Ziele auch keine nachträgliche gerichtliche Leistungsbestimmung in Betracht. Bei der im Wege der Schätzung zu ermittelnden Höhe des zu ersetzenden Schadens war von der für den Fall der Zielerreichung zugesagten variablen Vergütung auszugehen und anzunehmen, dass der Kläger bei einer billigem Ermessen entsprechenden Zielvorgabe die Unternehmensziele zu 100 % und die individuellen Ziele entsprechend dem Durchschnittswert von 142 % erreicht hätte.
Besondere Umstände, die diese Annahme ausschließen, hat die Beklagte nicht dargetan. Der Kläger musste sich kein anspruchsminderndes Mitverschulden anrechnen lassen. Bei einer unterlassenen oder verspäteten Zielvorgabe des Arbeitgebers scheidet ein Mitverschulden des Arbeitnehmers wegen fehlender Mitwirkung regelmäßig aus, weil allein der Arbeitgeber die Initiativlast für die Vorgabe der Ziele trägt.
Quelle | BAG, Urteil vom 19.2.2025, 10 AZR 57/24, PM 7/25
| Säumniszuschläge werden festgesetzt, wenn die Zahlung nicht pünktlich erfolgt. Nach der Abgabenordnung (hier: § 240 AO) ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen Steuerbetrags zu entrichten, umgerechnet auf das Jahr also 12 %. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass wegen des deutlichen und nachhaltigen Anstiegs der Marktzinsen, der seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 zu verzeichnen ist, jedenfalls seit März 2022 keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Zuschläge bestehen. |
Darüber hinaus hat der BFH in diesem Verfahren Folgendes entschieden: Wenn das Finanzamt zwar Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt, deren Wirkung aber von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig macht, bewirkt die spätere Leistung der Sicherheit im Regelfall, dass die AdV mit (Rück-)Wirkung ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung eintritt und zuvor etwaig entstandene Säumniszuschläge entfallen.
Beachten Sie | Das Finanzamt kann allerdings ausdrücklich anordnen, dass die Wirkung der AdV erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung der Sicherheit beginnt.
Quelle | BFH, Beschluss vom 21.3.2025, X B 21/25 (AdV)
| Eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft steht der Anerkennung einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft grundsätzlich nicht entgegen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Eine Organschaft führt bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dazu, dass nicht mehr die Organgesellschaft ihren Gewinn zu versteuern hat, sondern der Organträger.
Beachten Sie | Die gemäß Körperschaftsteuergesetz (hier: §§ 14 ff. KStG) enthaltenen Regelungen für die Organschaft führen im Ergebnis dazu, dass z. B. in Konzernen die Konzernspitze (als Organträger) die Gewinne sämtlicher Tochtergesellschaften (als Organgesellschaften) zu versteuern hat, aber Verluste und Gewinne der verschiedenen Tochtergesellschaften dabei auch unmittelbar miteinander verrechnet werden können. Insbesondere dieser steuerliche Vorteil hat zu einer weiten Verbreitung der Organschaft in Deutschland geführt.
Das war geschehen
Im Streitfall hatte eine Kommanditgesellschaft (KG) mit einer GmbH einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, um eine Organschaft zu begründen. Danach war die „abhängige“ GmbH als Organgesellschaft verpflichtet, den ganzen von ihr erwirtschafteten Gewinn an die KG als Organträger abzuführen.
Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass an der GmbH als Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung bestand.
Bundesfinanzhof widerspricht Vorinstanzen
Da dem atypisch still Beteiligten ein Anteil von 10 % des Gewinns der GmbH zustand, vertraten das Finanzamt und nachfolgend auch das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern die Auffassung, dass lediglich 90 % des Gewinns an die KG als Organträger abgeführt worden sei, das Gesetz aber die Abführung des ganzen Gewinns fordere. Die Organschaft sei daher insgesamt nicht anzuerkennen. Dem ist der BFH aber nun entgegengetreten.
§ 14 Abs. 1 KStG setzt einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 des Aktiengesetzes (AktG) und die strikte Erfüllung der zivilrechtlichen Vertragspflichten voraus. Was als ganzer Gewinn abzuführen ist, bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Gewinnbeteiligungen, die einem stillen Gesellschafter zustehen, sind im Zivilrecht aber als Geschäftsunkosten vom Gewinn der GmbH abzusetzen. Dies betrifft sowohl die typische als auch die atypisch stille Gesellschaft.
Folglich ist der hiernach verbleibende „Rest-Gewinn“ (im Streitfall also die 90 %) der ganze Gewinn, der an den Organträger abgeführt werden muss. Dass eine (typische oder atypische) stille Beteiligung zivilrechtlich als Teilgewinnabführungsvertrag qualifiziert wird, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.12.2024, I R 33/22, PM 21/25 vom 3.4.2025
| Wenn eine per E-Mail versandte Werklohnrechnung gehackt und unbefugt verändert wird und der Kunde deshalb an einen unbekannten Dritten zahlt, muss er nicht noch einmal an den Werkunternehmer zahlen, wenn dieser die Rechnung ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung versandt hat und deshalb gegen ihn ein Schadenersatzanspruch gemäß Datenschutz-Grundverordnung (hier: Art. 82 DS-GVO) besteht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, erneut ihre Werklohnforderung zu zahlen, nachdem der Betrag wegen einer Manipulation der per E-Mail versandten Rechnung durch kriminell handelnde Dritte dem Konto eines Unbekannten gutgeschrieben wurde.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für die Installation von Haustechnik. Sie führte für die Beklagte Installationsarbeiten durch und rechnete die erbrachten Leistungen ihr gegenüber in drei Abschlagsrechnungen ab. Diese wurden jeweils als Anlage zu einer E-Mail im PDF-Format übersandt. Die ersten zwei Abschlagsrechnungen beglich die Beklagte per Überweisung an die auf den Rechnungen angegebenen Bankverbindungen der Klägerin.
Die dritte Abschlagsrechnung über rund 15.000 Euro, die zugleich die Schlussrechnung war, versandte die Klägerin ebenfalls als Anlage im PDF-Format per E-Mail. Diese Rechnung war jedoch auf ungeklärte Weise durch einen Dritten manipuliert worden, so dass die Beklagte den Rechnungsbetrag auf das Konto des unbekannten Dritten überwies. Auf dem Konto der Klägerin ging deshalb auf die Schlussrechnung keine Zahlung ein.
Keine Erfüllung durch Zahlung an unbekannten Dritten
Das Landgericht (LG) hat die Beklagte deshalb zur erneuten Zahlung verurteilt, weil eine Erfüllung durch die Zahlung an den unbekannten Dritten nicht eingetreten ist. Es hat ausgeführt, dass die Klägerin auch keine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat, sodass die Beklagte keinen Schadenersatzanspruch hat, den sie der Klageforderung gemäß § 242 BGB entgegenhalten kann. Die Klägerin hat nach Auffassung des LG keine Pflichtverletzung begangen, weil die von ihr vorgetragenen Schutzvorkehrungen in Form einer Transportverschlüsselung per SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) über TLS (Transport Layer Security) beim E-Mail-Verkehr mit Vertragspartnern ausreichend sind.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG hat in zweiter Instanz das Urteil des LG geändert und die Klage abgewiesen. Es hat entschieden, dass die Zahlung der Beklagten an einen Dritten zwar keine Erfüllung der Forderung bei der Klägerin bewirkt. Im Gegensatz zum Landgericht hat es jedoch einen Schadenersatzanspruch der Beklagten bejaht, den diese der Werklohnforderung der Klägerin nach § 242 BGB entgegenhalten kann, so dass sie die Forderung nicht noch einmal bezahlen muss.
Dieser Schadenersatzanspruch ergibt sich nach der Entscheidung des OLG aus Art. 82 Abs. 2 DS-GVO, weil die Klägerin im Zuge der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Beklagten bei Versand der streitgegenständlichen E-Mail mit Anhang gegen die Grundsätze der Art. 5, 24 und 32 DS-GVO verstoßen hat. Das OLG hält die Transportverschlüsselung, die beim Versand der streitgegenständlichen E-Mail in Form von SMTP über TLS verwendet worden sein soll, nicht für ausreichend und damit auch nicht als zum Schutz der Daten „geeignet“ im Sinne der DS-GVO.
Das OLG hob hervor, dass heute jedem Unternehmen, das personenbezogene Daten seiner Kunden computertechnisch verarbeitet, bewusst sein muss, dass der Schutz dieser Daten hohe Priorität – auch beim Versenden von E-Mails – genießt. Unternehmen müssen diesen Schutz durch entsprechende Maßnahmen so weit wie möglich gewährleisten.
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unabdingbar
Gerade bei sensiblen oder persönlichen Inhalten ist nach der Entscheidung des OLG nur eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Schutz im Sinne der DS-GVO geeignet, wenn ein hohes finanzielles Risiko durch Verfälschung der angehängten Rechnung für den Kunden besteht. Dass Kunden von Unternehmen bei einem Datenhacking Vermögenseinbußen drohen, ist ein Risiko, das dem Versand von Rechnungen per E-Mail immanent ist und deshalb eine entsprechende Voraussicht und ein proaktives Handeln erfordert. Der dafür erforderliche technische und finanzielle Aufwand kann auch von einem mittelständischen Handwerksbetrieb erwartet werden, wenn es seine Rechnungen nicht per Post versendet.
Quelle | OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.12.2024, 12 U 9/24, PM 1/25
| Wer im Zusammenhang mit seiner kommunalpolitischen Tätigkeit Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder erhält (im Streitfall ein ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats), erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Diese sind im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung zu verbeitragen. Dies hat jedenfalls das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen entschieden. |
Das LSG Nordrhein-Westfalen stellte heraus: Für die Zuordnung von Einnahmen zum Arbeitseinkommen ist die steuerliche Abgrenzung der Einkunftsarten maßgebend. Bei Anlegung dieser Maßstäbe handelt es sich auch bei den Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer kommunalpolitischen Tätigkeit in Gestalt von Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern erzielt werden, um Arbeitseinkommen nach dem Sozialgesetzbuch IV (hier: § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV).
Gegen dieses Urteil ist die Revision beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig.
Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.3.2024, L 5 KR 551/21, Rev. BSG: B 6 a/12 KR 12/24 R
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Die Verwendung von geschlechtsspezifischen Sterbetafeln bei der Bewertung lebenslänglicherNutzungen und Leistungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot. |
Hintergrund: Die Heranziehung geschlechterdifferenzierender Sterbetafeln dient dem Ziel, die Kapitalwerte lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen mit zutreffenden Werten zu erfassen und eine Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.
Da die statistische Lebenserwartung von Männern und Frauen unterschiedlich hoch ist, ermöglichen die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Vervielfältiger genauere und realitätsgerechtere Bewertungsergebnisse als geschlechtsneutrale Vervielfältiger.
Beachten Sie | Die Anwendung der geschlechtsspezifischen Sterbetafeln kann sich für den Steuerpflichtigen je nach Fallkonstellation günstiger oder ungünstiger auswirken und führt nicht per se zu einer Benachteiligung aufgrund des eigenen Geschlechts.
Der BFH musste nicht entscheiden, welche Auswirkungen sich aus dem am 1.11.2024 in Kraft getretenen Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) für die Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen ergeben.
Quelle | BFH, Urteile vom 20.11.2024, II R 38/22, II R 41/22, II R 42/22; PM 23/25 vom 10.4.2025
| Aufwendungen des Steuerpflichtigen für einen Umzug in eine andere Wohnung, um dort (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs(BFH) auch, wenn der Steuerpflichtige – wie in Zeiten der Corona-Pandemie – zwangsweise zum Arbeiten im häuslichen Bereich angehalten ist oder durch die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren sucht. |
Das war geschehen
Eheleute lebten mit ihrer Tochter in einer 3-Zimmer-Wohnung und arbeiteten nur in Ausnahmefällen im Homeoffice. Ab März des Streitjahrs 2020 (zunächst bedingt durch die Corona-Pandemie) arbeiteten sie überwiegend im Homeoffice, dort im Wesentlichen im Wohn-/Esszimmer. Ab Mai 2020 zogen sie in eine 5-Zimmer-Wohnung, in der sie zwei Zimmer als häusliches Arbeitszimmer einrichteten und nutzten.
Den Aufwand für die Nutzung der Arbeitszimmer und die Kosten für den Umzug in die neue Wohnung machten die Eheleute als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte zwar die Aufwendungen für die Arbeitszimmer an, mangels beruflicher Veranlassung lehnte es den Abzug der Kosten für den Umzug jedoch ab.
Demgegenüber bejahte das Finanzgericht (FG) Hamburg den Werbungskostenabzug auch für die Umzugskosten. Der Umzug in die größere Wohnung sei beruflich veranlasst gewesen, da er zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen geführt habe.
Dem folgte der BFH aber (aus Steuerzahlersicht „leider“) nicht und bestätigte die ablehnende Entscheidung des Finanzamts.
Wohnung: privater Lebensbereich
Die Wohnung ist grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Daher zählen die Kosten für einen Wohnungswechsel regelmäßig zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung. Etwas anderes gilt nur, wenn die berufliche Tätigkeit den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel dargestellt hat und private Umstände allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben.
Beachten Sie | Dies ist aber nur aufgrund außerhalb der Wohnung liegender Umstände zu bejahen, etwa wenn
- der Umzug Folge eines Arbeitsplatzwechsels gewesen ist oder
- sich die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit durch den Umzug um mindestens eine Stunde täglich vermindert
Die Möglichkeit, in der neuen Wohnung (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, genügt nicht zur Begründung einer beruflichen Veranlassung des Umzugs. Es fehlt insoweit an einem objektiven Kriterium, das nicht auch durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist.
Die Entscheidung, in der neuen, größeren Wohnung (erstmals) ein Zimmer als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer „Arbeitsecke“ auszuüben, beruht auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatz verfügt oder durch die Arbeit im Homeoffice versucht, das Berufs- und Familienleben zu vereinbaren.
Quelle | BFH, Urteil vom 5.2.2025, VI R 3/23, PM 24/25 vom 17.4.2025
| Ein mit einem Preisgeld dotierter Wissenschaftspreis kann nur dann Arbeitslohn darstellen, wenn er dem Arbeitnehmer für Leistungen verliehen wird, die er gegenüber seinem Dienstherrn erbracht hat. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Fall eines Professors entschieden. |
Der Professor hatte die Habilitationsschriften überwiegend vor der Berufung in das Professorendienstverhältnis verfasst. Der preisbewehrten Habilitation lag zwar eine wissenschaftliche Forschungsleistung zugrunde. Diese gründete aber nicht auf der Forschungstätigkeit als Hochschullehrer. Wissenschaftspreis und Preisgeld stellten sich daher nicht als „Frucht“ dieser Tätigkeit dar.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 12/22
| Kann in Deutschland steuerpflichtigen Personen eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen inder Schweiz gewährt werden? Das Finanzgericht (FG) Köln hält das für möglich und hat sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar mit deutscher und schweizerischer Staatsbürgerschaft wohnte in der Schweiz. Der Ehemann war als Arbeitnehmer in Deutschland tätig und unterhielt hierfür eine Wohnung in Deutschland. Für das gemeinsame Haus in der Schweiz beauftragten die Eheleute verschiedene Handwerks- und Gartenbauarbeiten i. S des Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 a EStG) und begehrten eine Ermäßigung ihrer Einkommensteuer.
Das Finanzamt lehnte dies jedoch ab, weil die Dienstleistungen in der Schweiz ausgeführt wurden (vgl. § 35 a Abs. 4 S. 1 EStG). Hiergegen erhoben die Eheleute erfolgreich Klage.
Freizügigkeitsabkommen
Das FG Köln bezweifelt, ob es mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist, dass die Steuerermäßigung nur für Dienstleistungen beansprucht werden kann, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt ausgeübt oder erbracht werden.
Beachten Sie | Bis zur Entscheidung des EuGH ist das Verfahren ausgesetzt.
Quelle | FG Köln, Beschluss vom 20.2.2025, 7 K 1204/22; PM vom 25.3.2025; EuGH: C-223/25
| Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen, z. B. Sachverständigengutachten, sind in der Regel nicht notwendig und werden daher nicht erstattet. Das ist der Grundsatz, von dem die Rechtsprechung ausgeht. Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme – wie eine Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Senftenberg anschaulich zeigt. |
Schwierige technische Fragestellungen
Ausnahmsweise werden nach dieser Entscheidung die Kosten z. B. für das Einholen eines privaten Sachverständigengutachtens unter anderem als notwendige Kosten anerkannt, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind. Gleiches gilt, wenn aus Sicht des Betroffenen aus einer Anfangsbetrachtung ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre.
Amtsgericht hält Kosten ausnahmsweise für erstattungsfähig
Diese Grundsätze hat das AG in seiner Entscheidung bestätigt. Es hat die Kosten für ein Sachverständigengutachten, mit dem die Messdaten einer Geschwindigkeitsmessung überprüft worden sind, daher als erstattungsfähig angesehen.
Quelle | AG Senftenberg, Urteil vom 28.2.2024, 50 OWi 1617 Js 22408/22
| Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h liegenden Tempo fährt, muss seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten. Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des Navigationssystems kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entschieden. |
Konzentrieren und Gerätebedienen ist gefährlich
Geklagt hatte eine Autovermieterin gegen den Fahrer eines vermieteten Pkw. Der Fahrer war auf der Autobahn verunfallt und hatte den Wagen beschädigt. Während er auf der linken Spur fuhr, bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs bei Tempo 200, um dort Informationen abzurufen. Dabei geriet das Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke.
Mietvertrag sah Kürzung der Haftungsfreistellung vor
Das Gericht verwies auf die Vereinbarung im Mietvertrag. Danach könne die Haftungsfreistellung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt werden. Der Fahrer habe hier grob fahrlässig gehandelt. Die Autovermieterin könne daher die Hälfte des Schadens – ca. 12.000 Euro – bei ihm geltend machen.
Für das Gericht war es dabei unerheblich, dass der Pkw einen sog. Spurhalteassistenten hatte. Zumindest bei derart hohen Geschwindigkeiten reduziere dieser den Schuldvorwurf nicht.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 2.5.2019, 13 U 1296/17
| Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie beschäftigt immer noch die Gerichte. Aktuell hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden: Die Mitglieder einer Fahrgemeinschaft waren auch in der Corona-Hochphase für gegenseitige Ansteckungen nicht verantwortlich zu machen. Eine auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage eines Mitfahrers hat das LG deshalb abgewiesen. |
Im Frühjahr 2022 stieg der Mitfahrer ohne Maske zu seinem Kollegen ins Auto, um gemeinsam zur Arbeit zu fahren. Am Abend desselben Tages schrieb er in die WhatsApp-Gruppe der Fahrgemeinschaft, dass er positiv getestet sei und sich in Quarantäne befinde.
Fahrer behauptete Ansteckung und verlangte Schmerzensgeld
Der schon zuvor an Asthma erkrankte Fahrer behauptete im Prozess, er habe sich während der gemeinsamen Fahrt mit dem Coronavirus infiziert und sei nun dauerhaft arbeitsunfähig („Post-Covid-Syndrom“). Der Mitfahrer schulde ihm daher Schmerzensgeld in Höhe von nicht unter 20.000 Euro, weitere 4.000 Euro Schadenersatz und müsse darüber hinaus für zukünftig auftretende Schäden einstehen.
Landgericht: Reine Gefälligkeit – keine Haftung
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Im Rahmen der wechselseitigen Gefälligkeit einer Fahrgemeinschaft sei bereits unter den Gesichtspunkten eines stillschweigenden Haftungsverzichts und des Handelns auf eigene Gefahr eine gegenseitige Haftung ausgeschlossen. Es sei zudem aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie allgemein bekannt gewesen, dass enger persönlicher Kontakt die Hauptinfektionsquelle darstellte. Obwohl der unter Asthma leidende Fahrer bemerkt habe, dass sein Kollege beim Einsteigen keine Maske trug, habe er ihn nicht gebeten, eine solche aufzusetzen. Er habe sich daher erkennbar trotz seiner Vorerkrankung dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Dass er sich keine Gedanken über einen ungünstigen Verlauf einer Infektion mit möglichen Dauer- und Folgeschäden gemacht habe, rechtfertige keine andere Beurteilung.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 16.12.2024, 7 O 110/24, PM vom 31.1.2025
| Mit der Frage, ob ein 13-jähriges Kind für einen Glasschaden an einem Schaufenster verantwortlich ist, hat sich das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. |
Glasbruch nach Nutzung eines Spielgeräts
Das Kind hatte in der Fußgängerzone von Frankenthal ein festmontiertes Spielgerät in Gestalt einer Drehscheibe genutzt und war beim Absteigen gegen ein daneben befindliches Schaufenster getaumelt. Für den dadurch entstandenen Glasbruch muss das Kind nicht haften, entschied das LG und hat die Klage der Ladenbesitzer abgewiesen.
Der Junge gab an, dass er auf dem Schulweg an dem Spielgerät vorbeigekommen sei. Er habe sich auf das Karussell gestellt, das ein Freund gedreht habe, zunächst langsam, dann immer schneller. Nachdem der Freund die Drehung gestoppt habe, sei er rückwärts gegen die keine drei Meter entfernte Fensterscheibe getaumelt, die daraufhin zerbrochen sei.
Schaden schuldhaft verursacht?
Die Ladenbesitzer warfen dem Jungen vor, den Schaden schuldhaft verursacht zu haben. Er sei bereits zu alt gewesen für das Karussell, zudem habe er sich damit zu schnell gedreht. Die Sturzgefahr und der mögliche Glasbruch seien für ihn erkennbar gewesen.
Landgericht: kein Verschulden des Kindes!
Das LG ging zwar davon aus, dass sich der 13-Jährige der grundsätzlichen Stolpergefahr durchaus bewusst und auch hinreichend einsichtsfähig war. Beides ist erforderlich, damit Minderjährige in diesem Alter überhaupt selbstständig haften. Gleichwohl konnte das LG das für einen Schadenersatzanspruch erforderliche Verschulden des Kindes nicht feststellen. Denn der Junge habe die Drehscheibe bestimmungsgemäß genutzt. Es sei gerade Sinn und Zweck des Karussells, trotz der Drehbewegung die Balance zu halten und der Gefahr des Herunterfallens zu trotzen. Das Kind sei weder zu alt noch zu groß für das Spielgerät gewesen.
Das Gericht hat nicht verkannt, dass die Ladenbesitzer nun auf ihrem Glasschaden sitzen bleiben. Dies resultiert gemäß LG jedoch daraus, dass unsere Rechtsordnung – von einigen hier nicht vorliegenden Sonderfällen abgesehen – dem Prinzip der Verschuldenshaftung folgt.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 29.11.2024, 9 O 27/24, PM vom 19.12.2024
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Bürgergeldempfänger gelten nicht als hilfebedürftig, wenn sie ein (zu) großes Einfamilienhaus gebaut haben und dessen Wert zur Sicherung des Lebensunterhalts nutzen können. |
Familie hatte während Bürgergeldbezug größeres Haus gebaut
Dem Verfahren lag ein Eilantrag einer Familie aus dem Emsland zugrunde. Diese hatte ihr selbstbewohntes Hausgrundstück für 514.000 Euro verkauft, nachdem sie während des Bürgergeldbezugs ein neues Haus gebaut hatte. Aufgrund des erzielten Verkaufserlöses hob der Grundsicherungsträger die Leistungsbewilligung auf.
Demgegenüber vertrat die Familie die Auffassung, das neue Haus sei geschütztes Vermögen und dürfe nicht zur Deckung des Lebensunterhalts herangezogen werden. Zudem berief sie sich auf die gesetzliche Karenzzeit von 12 Monaten, während der auch großzügige Wohnverhältnisse voll finanziert werden müssten.
Landessozialgericht: Familie nicht bedürftig
Das LSG bestätigte die Auffassung der Behörde. Die Familie sei nicht bedürftig, da das neue Hausgrundstück mit 254 m² Wohnfläche und sieben Bewohnern kein geschütztes Vermögen darstelle. Eine Verwertung des Vermögens zur Sicherung des Lebensunterhalts sei durch Beleihung möglich. Bei einem Verkehrswert von 590.000 Euro und einer Grundschuld von 150.000 Euro stehe ein unbelasteter Wert von 440.000 Euro zur Verfügung.
Die Berufung auf die gesetzliche Karenzzeit lehnte das Gericht ebenfalls ab. Die Regelung diene dem Zweck, dass Leistungsempfänger nicht sofort ihr angespartes Vermögen, etwa für die Altersvorsorge, aufbrauchen müssen, wenn sie nur vorübergehend auf Bürgergeld angewiesen sind. Die Karenzzeit solle dabei helfen, plötzliche Härten abzufedern.
Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um eine unerwartete Notlage, sondern um langjährige Leistungsbezieher, die ihre Wohnsituation und ihr Immobilienvermögen optimieren wollten. So habe die Familie als Verkaufsgrund des alten Hauses angegeben, die Entfernung zur Innenstadt sei ihnen zu weit gewesen.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.1.2025, L 11 AS 372/24 B ER, PM vom 20.1.2025
| Der gezahlte Reisepreis kann um 30 Prozent gemindert werden, wenn das Gepäck des Pauschalreisenden beim Hinflug zu spät ausgeliefert wird und deshalb während einer Kreuzfahrt in die Arktis nicht zur Verfügung steht. So entschied es das Landgericht (LG) München II zugunsten der Reisenden. |
Es ging um eine Expeditionsreise
Der Kläger und seine Mutter hatten im Jahr 2023 bei der Beklagten eine elftägige Pauschalreise nach Norwegen mit anschließender Kreuzfahrt „Auf den Spuren der Eisbären“ gebucht. Während des Hinflugs kam es zu einer verspäteten Auslieferung aller Gepäckstücke der Reisenden. Der Kläger und seine Mutter meldeten ihr Gepäck als verloren und erstatteten unverzüglich Schadensanzeige. Vor der Abfahrt des Schiffs kauften sie in Outdoor-Läden in Norwegen das Notwendigste ein. An Bord gab es eine Boutique und einen Wäscheservice. Schuhe und Parka für die Expeditionen an Land wurden gestellt. Die Beklagte erstattete den Reisenden außergerichtlich 25 Prozent vom gezahlten Reisepreis und 1.500 Euro (von 2.306,07 Euro) für die Ersatzbeschaffungen. Vor Gericht machte der Kläger den Restbetrag für die Ersatzbeschaffungen, weitere 15 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und einen „Schadenersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreuden“ geltend.
Landgericht sprach Minderung zu
Das LG sprach dem Kläger eine Minderung in Gesamthöhe von 30 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und für die Ersatzbeschaffungen weitere 516,20 Euro zu; einen Anspruch auf Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wies das LG jedoch ab.
Das LG begründete seine Entscheidung damit, dass das Fehlen von Gepäck mit persönlichen Gegenständen des Reisenden einen Reisemangel darstellt. Weil der Veranstalter jedoch keine besondere Kleiderordnung bei den Mahlzeiten und die Ausrüstung für die Expeditionen zur Verfügung gestellt hatte und es einen Wäscheservice an Bord gab, erachtete das Gericht eine Minderung von 30 Prozent des gezahlten Reisepreises als ausreichend und angemessen.
Bei den Ersatzbeschaffungen (Verbrauchsartikel, Grund- und Funktionsbekleidung) hatte der Reiseveranstalter unter anderem einen Abschlag für Vermögensvorteile vorgenommen, weil die Reisenden die Sachen nach der Rückkehr weiterhin nutzen können. Das Gericht folgte dem Argument der Beklagten nicht, soweit es sich um „Funktionskleidung“ handelte, denn der Kläger und seine Mutter hatten das Gericht davon überzeugt, dass sie die eigens für eine Expedition in die Arktis gekaufte Funktionsbekleidung nicht mehr benötigten. Anders sah es das Gericht bei den Verbrauchsartikeln (Waschmittel, Zahnpasta, etc.) – die Reisenden erhielten ihre Koffer bei der Rückkehr von der Reise zurück und konnten die darin enthaltenen Verbrauchsartikel (weiter) nutzen.
Schadenersatzanspruch abgelehnt
Einen Schadenersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit lehnte das Gericht ab, weil der Kläger und seine Mutter aufgrund der Möglichkeit von Ersatzbeschaffungen in Longyearbyen und an Bord sowie wegen der ihnen zur Verfügung gestellten Ausrüstungsgegenstände (Schuhe, Parka) an der Kreuzfahrt und den Expeditionen an Land teilnehmen konnten, was Sinn undZweck der gebuchten Expeditionsreise war.
Quelle | Landgericht München II, Endurteil vom 10.1.2025, 14 O 2061/24, PM 1/25
| Ein Ehemann kann nach der Trennung von seiner Frau verlangen, die Nutzungsverhältnisse an einem gemeinsamen Haus neu zu ordnen. Das stellte das Oberlandesgericht (OLG) Celle fest. |
Ärzteehepaar trennte sich
Nachdem sich ein Ärzteehepaar getrennt hatte, wollte der Mann in ein gemeinsames Haus des Paares ziehen. Doch dort wohnte seine Schwiegermutter. In der ihr allein gehörenden Ehewohnung lebte die Frau mit den gemeinsamen Kindern. Der Mann schlief zunächst in seiner Praxis, dann bei Bekannten. Schließlich wohnte er zur Untermiete.
Den Eheleuten gehörte aber hälftig noch das von der Schwiegermutter bewohnte Einfamilienhaus mit Garten. Dieser wollte der Mann wegen Eigenbedarf kündigen. Dazu war die Mitwirkung seiner Ehefrau erforderlich. Das lehnte sie ab. Sie meinte, der Mann wolle sie nur zwingen, ihrer Mutter zu kündigen. Auch habe er noch ein weiteres Haus. Der Mann klagte.
Amtsgericht: Eigenbedarf nicht genügend dargelegt
Das Amtsgericht (AG) wies seine Klage ab. Der Mann habe den Eigenbedarf nicht hinreichend dargelegt. Da die Schwiegermutter eine nahe Angehörige sei, könne ihre Tochter selbst Eigenbedarf anmelden. So zog der Mann vor das OLG.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG gab dem Mann Recht. Ihm sei seit der Trennung ein Festhalten am Mietverhältnis nicht länger zuzumuten. Auch habe er seinen Eigenbedarf ausreichend dargelegt. Er hatte vorgetragen, dass sein jetziges Mietverhältnis nur befristet war. Ein ständiges Wohnen in der Praxis sei ihm nicht zuzumuten. Ein Umzug in das andere Haus sei ihm ebenfalls nicht zuzumuten, da dieses noch ein Rohbau sei und er auch kein Geld für einen Umzug habe. Nach all dem sah das OLG den geltend gemachten Eigenbedarf nicht als „offensichtlich aussichtslos“ an. Vor allem sei die Frau in der Lage, ihre Mutter in der Ehewohnung und einer nicht genutzten Einliegerwohnung aufzunehmen.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 19.2.2025, 21 UF 237/24
| Wer einen überschuldeten Nachlass erbt, kann innerhalb einer Frist von sechs Wochen das Erbe ausschlagen. Sonst gilt die Erbschaft als angenommen und er haftet für die dem Nachlass zuzuordnenden Schulden. War dem Erben nicht bekannt, dass der Nachlass überschuldet ist, kann noch die Anfechtung wegen Irrtums helfen. Mit den Voraussetzungen dafür hat sich jetzt das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. Es hat entschieden, dass der als Erbe eingesetzte Sohn eines Verstorbenen nicht für die Beerdigungskosten aufkommen muss, weil er die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten hat. |
Witwe verlangte Bestattungskosten von Sohn des Verstorbenen
Der Verstorbene hatte seinen Sohn aus erster Ehe testamentarisch zu seinem Erben bestimmt. Die beiden pflegten zuletzt keinen Kontakt mehr zueinander. Nach dem Tod übernahm zunächst die Witwe die Bestattungskosten von rund 7.500 Euro und wollte diese vom Sohn erstattet haben, da dieser die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte. Daraufhin erklärte der Sohn die Anfechtung der Erbschaftsannahme. Er habe nicht gewusst, dass die Bestattungskosten zu den Nachlassverbindlichkeiten gehörten und der Nachlass damit überschuldet sei.
Irrtum über die Beerdigungskosten
Dieser Argumentation hat sich das LG angeschlossen. Der Sohn habe die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten und müsse daher nicht für die Beerdigungskosten aufkommen. Die Anfechtung wegen unerkannter Überschuldung eines Nachlasses sei ein in der Rechtsprechung anerkannter Anfechtungsgrund. Sie setze voraus, dass der Anfechtende eine wesentliche Forderung gegen den Nachlass irrtümlich übersieht. Hier seien die Bestattungskosten eine wesentliche Forderung, da der Nachlass überschuldet sei, wenn man sie berücksichtige. Es sei auch glaubhaft, dass sich der Sohn über die Beerdigungskosten geirrt habe. Denn die Witwe habe ihm noch zu Lebzeiten des Vaters mitgeteilt, für die Beerdigung könne der Erlös aus dem Verkauf eines Pkw verwendet werden. Daher durfte der Sohn davon ausgehen, als Erbe seines Vaters nicht für die Bestattung aufkommen zu müssen, so die Kammer. Wenn kein Erbe in Anspruch genommen werden kann, muss die Witwe als Ehefrau nach den Vorschriften des Landesrechts selbst für die Beerdigungskosten aufkommen, so das LG.
Quelle | Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 27.2.2025, 8 O 189/24, PM vom 31.3.2025
| Die Kosten eines Vaterschaftsanerkennungsverfahrens können zwischen dem im Verfahren ermittelten biologischen Vater und der Mutter hälftig geteilt werden. Weder der Umstand, dass der Vater nicht bereits auf Basis eines Privatgutachtens zur Anerkennung der Vaterschaft bereit war, noch, dass er nach Angaben der Mutter der einzige Verkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit war, rechtfertigen eine alleinige Kostenlast des Vaters. So entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |
Streit um Kosten
Die Beteiligten streiten über die Kosten eines Abstammungsverfahrens. Die Mutter des Kindes hatte angegeben, mit dem sog. Putativvater (also dem, der als möglicher Vater in Betracht kommt) in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehrs gehabt zu haben. Ein außergerichtlicher Vaterschaftstest hatte diesen als Vater festgestellt. Das Kind begehrte daraufhin, die Vaterschaft des Putativvaters gerichtlich festzustellen. Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens stellte das Amtsgericht (AG) die biologische Vaterschaft des Putativvaters fest und legte die Verfahrenskosten hälftig der Mutter und dem nun festgestellten Vater auf.
So sah es das Oberlandesgericht
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Mutter gegen die Auferlegung der Hälfte der Kosten. Dies hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das AG habe im Ergebnis zutreffend die Kosten nach billigem Ermessen zwischen der Kindesmutter und dem Kindesvater hälftig geteilt, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Bei einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren handele es sich nicht um ein echtes Streitverfahren. Neben dem Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens könnten deshalb weitere Umstände von Bedeutung sein. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten sei allerdings regelmäßig unbillig, da es selbst nicht zur Unsicherheit an der Vaterschaft beigetragen habe.
Hier sei es nicht angemessen, dem Vater die alleinigen Kosten aufzuerlegen. Er habe insbesondere nicht „grob schuldhaft“ das Verfahren veranlasst. Ihm sei es vielmehr nicht zumutbar gewesen, die Vaterschaft bereits außergerichtlich ohne gutachterliche Klärung der biologischen Abstammung durch Sachverständigengutachten anzuerkennen. Allein die Angabe der Mutter, sie habe in der Empfängniszeit nur mit dem Vater verkehrt, genüge zur Begründung eines groben Verschuldens nicht. Vielmehr habe der Vater berechtigte Zweifel ans einer Vaterschaft haben dürfen. Unwidersprochen habe er mit der Kindesmutter in der Empfängniszeit keine Beziehung geführt und auch nicht mit ihr zusammengelebt. Damit hätten ihm konkrete Einblicke in die Lebensverhältnisse der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit gefehlt. Für ihn habe damit auch keine Möglichkeit bestanden, abzuschätzen oder zu beurteilen, ob die Mutter des Kindes zu weiteren Männern eine intime Beziehung unterhalten habe.
Außergerichtlicher Vaterschaftstest schließt gerichtliche Überprüfung nicht aus
Auf den bereits außergerichtlich durchgeführten Vaterschaftstest habe er sich nicht verlassen müssen. Er könne vielmehr geltend machen, dass er angesichts der hohen rechtlichen Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Abstammungsgutachtens eine gerichtliche Überprüfung wünsche. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass „beide Eltern das Verfahren über eine Entscheidung über die Abstammung dadurch gleichermaßen veranlasst haben, dass sie innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben. Damit erscheint es in der Regel auch gerechtfertigt, die Kosten eines solchen Verfahrens gleichmäßig auf beide Eltern zu verteilen“, unterstrich das OLG.
Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 13.1.2025, 6 WF 155/24, PM 4/25
| Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung ist so zu verstehen, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, sofern diese nicht bereits von Dritten erbracht und dem Architekten zur Verfügung gestellt wurden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden. |
Ein Architekt war mündlich damit beauftragt worden, die Baugenehmigung für die Erweiterung eines Gasthofs einzuholen. Damit war klar, dass er die Leistungsphase 4 im Leistungsbild Gebäude und Innenräume sowie Tragwerksplanung erbringen musste. Da er vom Auftraggeber nur Bestandszeichnungen erhalten hatte, die nicht an eine Vor- oder Entwurfsplanung heranreichten, verlangte er auch das Honorar für diese notwendigen Leistungen. Der Auftraggeber weigerte sich. Er meinte, er habe nur die Genehmigungsplanung beauftragt.
Das OLG gab dem Architekten Recht und sprach ihm das Honorar für die Leistungsphasen 1 bis 4 zu. Es komme nicht auf die Regelungen der HOAI, sondern auf den Inhalt des konkreten Auftrags an. Nicht entscheidend sei, ob die Parteien einen schriftlichen oder mündlichen Vertrag geschlossen, sondern was sie tatsächlich vereinbart haben. Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung müsse dann so verstanden werden, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, da diese notwendige Voraussetzung für die Erstellung der Genehmigungsplanung ist. Etwas anderes gelte nur, wenn die vorangehenden Planungsleistungen bereits von Dritten erbracht wurden und dem Architekten zur Verfügung gestellt werden.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2022, 4 U 142/20
| Beauftragt ein Bauträger einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt vom Architekten nur die Überprüfung einzelner Maße, übernimmt der Bauträger das mit der begrenzten Überprüfung verbundene Risiko selbst. Er kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin als Bauträgerin machte gegen den beklagten Architekten im Wege einer Schadenersatzklage i. H. v. 100.000 Euro wegen mangelhafter Architektenleistungen bei der Planung einer Wohnungseigentumsanlage geltend. Die Klägerin ist der Auffassung, die die Pläne des Vermessungsingenieurs überarbeitende Wohnflächenberechnung des Beklagten für bestimmte Bestandsgebäude habe eine zu geringe Wohnfläche ausgewiesen. Der Beklagte habe zugesichert, dass die Abweichungen der Wohnflächen von den Bestandsplänen des Vermessers unter einem Prozent lägen, tatsächlich gebe es Abweichungen bis zu 8%. Zahlreiche Wohnungen seien daher mit zu geringer Flächenangabe verkauft worden und deshalb sei ein Mindererlös entstanden.
Der Beklagte bestreitet eine fehlerhafte Flächenermittlung, die sich ohnehin nur auf die örtliche Überprüfung der Maße aus den Bestandsplänen des Vermessers hinsichtlich der für die Werkplanung entscheidenden Stellen bezogen habe. Ein Auftrag zu einer kompletten Neuvermessung des Bestands sei gerade nicht erteilt worden.
Zudem meint die Klägerin, der Beklagte habe bei der Grundlagenermittlung übersehen, dass die Geschossdecken in einem Bestandsgebäude Betonhohlkörperdecken waren, die einen unerwartet hohen Sanierungsaufwand erforderten, und es versäumt, vor Baubeginn die Fundamente an der Seite zu einem anderen Grundstück zu überprüfen. Infolge dieser Planungsfehler hätten sich die Baukosten für das Bestandsgebäude deutlich erhöht. Die Umbaukosten beliefen sich somit auf mindestens 950.000 Euro. Ein vollständiger Abriss und Neubau hätte dagegen (nur) 752.499 Euro gekostet und wäre im Vergleich zu den tatsächlich entstandenen Kosten günstiger gewesen. Bei erzielbaren Verkaufserlösen abzüglich der Kosten für Abriss/Neubau hätte sich bei einem Neubau ein hoher sechsstelliger Überschuss ergeben. Der tatsächliche Überschuss durch den Umbau habe lediglich 107.000 Euro betragen.
Der Beklagte trägt hierzu vor, ihm sei vom Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt worden, dass es sich bei sämtlichen Bestandsdecken um Stahlbetonrippendecken handele. Eine Pflicht zur Überprüfung dieser Tatsache habe es nicht gegeben. Zudem habe sich die Klägerin in Kenntnis der Mehrkosten für eine Sanierung und gegen einen Abriss entschieden. Hinsichtlich des Fundaments sei die Klägerin bereits vor Beauftragung des Beklagten in Kenntnis gesetzt worden, dass dessen Tragfähigkeit ein Risiko darstelle. Sie habe dennoch entschieden, das Fundament erst im Zuge der Aushubarbeiten zu untersuchen, um Kosten einzusparen.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG stellte klar: Wie bei einem Bauvertrag kann auch zwischen einem Architekten und seinem Auftraggeber eine von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichende Ausführung vereinbart werden, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen.
Beauftragt eine Bauträgerin einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt sie vom Architekten, einzelne Maße zu überprüfen, übernimmt die Bauträgerin sehenden Auges das mit der begrenzten Überprüfung der Maße verbundene Risiko und kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Weist der Architekt seinen Auftraggeber darauf hin, dass die zu planende Wohnung ohne Sonnenschutz nicht funktioniert, muss der Auftraggeber erkennen, dass bei Umsetzung der Planung eine im Hinblick auf den Wärmeschutz nicht ausreichend funktionstüchtige Wohnung errichtet wird, und es bedarf keines weiteren Hinweises, dass dann (auch) die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten sind.
Macht der Auftraggeber eines Architekten geltend, dass er im Fall einer mangelfreien Beratung von der Sanierung eines Gebäudes abgesehen und einen profitableren Neubau errichtet hätte, schafft der Auftraggeber für eine Schadensschätzung bzw. Begutachtung nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn er nachvollziehbar darlegt, welches Gebäude mit welchen Eigenschaften er statt der Sanierung errichtet hätte.
Macht ein Auftraggeber geltend, bei einem mangelfreien Architektenwerk hätte er die zu errichtenden Wohnungen teurer verkaufen können, ist ein Schaden nur schlüssig dargelegt, wenn die Kalkulationsgrundlagen für den erzielten und den geltend gemachten Kaufpreis offengelegt werden und nachvollziehbar vorgetragen wird, dass ein höherer Kaufpreis am Markt hätte durchgesetzt werden können.
Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 17.12.2024, 10 U 38/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Aachen hat die Klage eines Realschullehrers auf Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Festsetzung von Erfahrungsstufen und mithin auf eine höhere Besoldung abgewiesen. |
Eine Tätigkeit als Anbieter von Cocktailkursen ist für die Tätigkeit als verbeamteter Lehrer nicht förderlich im besoldungsrechtlichen Sinne. Eine Tätigkeit ist allgemein förderlich, wenn sie für die Dienstausübung des Beamten nützlich bzw. von konkretem Interesse ist, d. h. wenn diese entweder erst aufgrund der früher gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht oder wenn sie jedenfalls erleichtert und verbessert wird.
Ausgehend hiervon kann die Tätigkeit als Betreiber einer Gesellschaft, die Cocktailkurse und Barcatering anbietet – auch wenn diese Tätigkeit über mehrere Jahre ausgeübt wurde – nicht als förderlich angesehen werden. Das Halten von Cocktailkursen ist weder qualitativ noch quantitativ mit der Tätigkeit eines Realschullehrers vergleichbar. So hat der Kläger im Rahmen seiner Cocktailschule insbesondere nicht mit Minderjährigen gearbeitet, sondern deren Angebot zielte auf die Schulung von Mitarbeitern aus dem Hotel-, Restaurant- und Cateringgewerbe. Auch sind die Anforderungen an die Erstellung eines Cocktailkurses nicht mit der Erstellung eines differenzierten Lehrplans für Schulunterricht in den Schulklassen 5 bis 10 vergleichbar.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 20.1.2025, 1 K 2377/23, PM vom 3.2.2025
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Ein Beschäftigungsverhältnis wird erst ab dem Beginn der Entgeltfortzahlung und nicht schon mit Abschluss des Arbeitsvertrags begründet. |
Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankgemeldet
Geklagt hatte ein 36-jähriger Arbeitsloser, dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld Ende Oktober 2023 auslief. Anfang Oktober unterschrieb der Mann einen Arbeitsvertrag als Lagerist bei einem Reinigungsunternehmen zu einem Monatslohn von 3.000 Euro brutto. Er trat die Arbeit jedoch nie an, da er sich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankmeldete. Zwei Wochen später kündigte die Firma innerhalb der Probezeit.
Krankenkasse zahlte kein Krankengeld
Die Krankenkasse des Mannes lehnte daraufhin die Zahlung von Krankengeld ab. Begründung: Es habe kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, da der Mann kein Einkommen erzielt habe.
Der Mann verklagte das Unternehmen und verlangte die Anmeldung zur Sozialversicherung ab dem Beginn des Arbeitsvertrags. Er vertrat dazu die Auffassung, dass bereits durch einen rechtsgültigen Vertrag, der eine Entgeltzahlung vorsehe, ein Beschäftigungsverhältnis zustande komme. Dies müsse auch gelten, wenn ihm der Arbeitsantritt krankheitsbedingt nicht möglich sei. Andernfalls würde er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit leer ausgehen.
Landessozialgericht gab Krankenkasse Recht
Das LSG vermochte sich der Rechtsauffassung des Klägers nicht anzuschließen. Der Arbeitgeber müsse ihn nicht zur Sozialversicherung anmelden, da ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht schon mit dem Beginn des Arbeitsvertrags entstanden sei. Erforderlich sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe. Dieser Anspruch entstehe jedoch bei neuen Arbeitsverhältnissen generell erst nach einer vierwöchigen Wartezeit.
Wartezeit war ohnehin nicht erfüllt
Diese gesetzliche Regelung solle verhindern, dass Arbeitgeber die Kosten der Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer tragen müssen, die direkt nach der Einstellung erkrankten. Der Gesetzgeber habe eine solche Konsequenz als unbillig angesehen.
Unabhängig davon müsse der Mann sich erst an seine Krankenkasse wenden, bevor er seinen Arbeitgeber verklage.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.1.2025, L16 KR 61/24
Baurecht
| Auch in einem Minijob gibt es bezahlten Urlaub. Doch in diesem Zusammenhang stellen sich viele Fragen: Wie viele freie Tage stehen einem Minijobber zu? Was gilt bei unregelmäßiger Arbeitszeit? Wie wirkt sich das Urlaubsgeld auf den Minijob aus? Diese und weitere Fragen hat die Minijob-Zentrale jüngst beantwortet. |
So erläutert die Minijob-Zentrale beispielsweise, dass der Lohn während des Urlaubs weitergezahlt werden muss (Urlaubsentgelt). Das ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt. Zusätzlich kann es Urlaubsgeld geben (als freiwillige Zahlung zum Urlaub).
Quelle | Minijob-Zentrale vom 11.6.2025 „Urlaub im Minijob: Ihre Fragen – Wir antworten!"
| Es gibt steuerliche Betriebsprüfungen, die bereits nach kurzer Zeit abgeschlossen sind. Andere Prüfungen hingegen ziehen sich über Monate oder sogar über Jahre hin. Um die Betriebsprüfung zu beschleunigen, wurden nun mehrere gesetzliche Änderungen vorgenommen. |
Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen
Verzögerungen bei einer Betriebsprüfung können mitunter auf eine unzureichende Mitwirkung des Steuerpflichtigen zurückzuführen sein. Um dem entgegenzuwirken, sieht der neue § 200 a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) das qualifizierte Mitwirkungsverlangen vor, das sich auf die Mitwirkungspflichten nach § 200 AO stützt. Danach hat der Steuerpflichtige u. a. Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben.
Ermessensentscheidung des Prüfers
Das (neue) qualifizierte Mitwirkungsverlangen stellt eine Ermessensentscheidung des Prüfers dar, die frühestens nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ergehen darf. Entscheidet sich der Prüfer für ein solches Mitwirkungsverlangen, ist es schriftlich oder elektronisch (versehen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung) zu erteilen.
Beachten Sie | Der Steuerpflichtige muss in diesem Fall schnell handeln. Denn das Mitwirkungsverlangen ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe zu erfüllen. Nur in begründeten Einzelfällen kann die Frist verlängert werden.
Neu: Mitwirkungsverzögerungsgeld
Problematisch wird das qualifizierte Mitwirkungsverlangen für den Steuerpflichtigen, wenn es nicht oder nicht hinreichend innerhalb der Frist erfüllt wird. Denn in diesen Fällen wird das neu eingeführte Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt (§ 200 a Abs. 2 AO). Ausnahme: Die Mitwirkungsverzögerung erscheint entschuldbar, beispielsweise bei einer stark beeinträchtigenden Erkrankung.
Beachten Sie | Das Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung (also für jeden vollen Tag nach Verstreichen der im Mitwirkungsverlangen gesetzten Frist) 75 Euro. Gerechnet werden die Tage bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Mitwirkungsverlangen erfüllt wird – spätestens bis zum Tag der Schlussbesprechung. Denn nach der Schlussbesprechung gibt es keinen Bedarf mehr, eine Mitwirkung sicherzustellen.
Allerdings dürfen maximal 150 Tage zugrunde gelegt werden, sodass das Mitwirkungsverzögerungsgeld maximal 11.250 Euro betragen kann (150 Tage × 75 Euro).
Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld
Nicht immer bleibt es bei dem Mitwirkungsverzögerungsgeld. Denn es steht im Ermessen des Prüfers, nach § 200 a Abs. 3 AO zusätzlich einen Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzen. Voraussetzung ist, dass
- gegen den Steuerpflichtigen in den letzten fünf Jahren ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wurde und zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt oder
- wegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt. Davon ist auszugehen, wenn die Umsatzerlöse in einem der von der Prüfung umfassten Jahre mindestens 12 Mio. Euro betragen oder sich die konsolidierten Umsatzerlöse bei Konzernen auf mindestens 120 Mio. Euro belaufen.
Entscheidet sich der Prüfer für den Zuschlag, steht auch die Höhe in seinem Ermessen. Dabei darf der Zuschlag höchstens 25.000 Euro für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung betragen – ebenfalls für maximal 150 Tage (maximal somit 3,75 Mio. Euro).
Teilabschlussbescheid und Inkrafttreten
Um die Betriebsprüfungen zu beschleunigen, wurde auch der neue Teilabschlussbescheid eingeführt. Denn oft scheitert der zeitnahe Abschluss an einem einzelnen Sachverhalt, der nur durch intensiven Arbeitseinsatz aufgeklärt werden kann. Das Problem: So entsteht keine Rechtssicherheit bezüglich weiterer geprüfter Sachverhalte.
Durch den neuen § 202 Abs. 3 AO hat der Prüfer die Möglichkeit, bereits vor Abschluss der Prüfung einen Teilprüfungsbericht zu übermitteln und im Anschluss einen Teilabschlussbescheid zu erlassen. Hierdurch lassen sich einzelne im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte und abgrenzbare Feststellungen vor dem abschließenden Prüfungsbericht gesondert feststellen. Kann der Steuerpflichtige ein erhebliches Interesse an einem Teilabschlussbescheid glaubhaft machen, soll dieser auf Antrag ergehen.
Beachten Sie | Die Neuerungen gelten erst für Steuern und Steuervergütungen, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Sie sind aber auch für Steuern und Steuervergütungen anzuwenden, die vor dem 1.1.2025 entstehen, wenn für diese Steuern und Steuervergütungen nach dem 31.12.2024 eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde.
Quelle | Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie, BGBl I 2022, S. 2730
| Verlängert sich die dem Verbraucher gesetzlich eingeräumte 14-tägige Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge, wenn der Verkäufer in seiner Widerrufsbelehrung seine Telefonnummer nicht angibt? Diese Frage hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden. |
Kauf im Online-Shop über 62.000 Euro
Der Kläger hatte am 4.5.2022 über den Onlineshop der Beklagten ein Elektrofahrzeug zum Preis von rund 62.000 Euro erworben. Die Auslieferung des Fahrzeugs erfolgte am 20.12.2022. Am 14.8.2023 erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrags. Zu spät, entschied nun auch das OLG in zweiter Instanz und wies damit die Berufung des Klägers zurück.
Rechtlicher Hintergrund
Verbrauchern steht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: §§ 312 g Abs. 1, 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, im Normalfall beginnend ab Erhalt der Ware. Wird der Verbraucher jedoch nicht korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB). Die Informationspflichten des Unternehmers ergeben sich aus dem Einführungsgesetz zum BGB (hier: Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB). Der Unternehmer kann die Informationspflichten auch durch die Verwendung einer Musterwiderrufsbelehrung erfüllen, die sich in der Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB befindet.
Fehlende Telefonnummer ohne Auswirkungen
Hier hatte die Autohändlerin in ihrer selbst formulierten Widerrufsbelehrung, die sie dem Kläger übermittelte, keine Telefonnummer angegeben. Diese war jedoch auf der Internetseite der Beklagten zu finden. Das OLG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist geführt hat.
Widerruf eines Autokaufs wahrscheinlich eher schriftlich als per Telefon
Es entschied, dass die Widerrufsbelehrung auch ohne Angabe einer Telefonnummer den gesetzlichen Anforderungen genügt und sich die Widerrufsfrist daher nicht verlängert. Die Nichtangabe der Telefonnummer begründe bei einem Autokauf, der von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sei, nicht die Gefahr, dass der Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werde.
Ein typischer Kunde würde allein aus Beweiszwecken bei den hohen Summen eines Elektroautokaufs den Widerruf vernünftigerweise auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. per E-Mail) übermitteln.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 7.11.2024, 14 U 95/24, PM 8/25
| Hat sich der Übergeber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anlässlich der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ein Wohnungsrecht an einer Wohnung des übergebenen Vermögens vorbehalten, ist ein Sonderausgabenabzug des Mietwerts nach Meinung der Finanzverwaltung ausgeschlossen. Dieser Ansicht hat aber nun das Finanzgericht (FG) Nürnberg widersprochen. |
Hintergrund: Wird ein Betrieb gegen Versorgungsleistungen auf nahe Angehörige übertragen, kann der Betriebsübernehmer die Versorgungsleistungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 a Nr. 2 EStG) als Sonderausgaben abziehen, die der Empfänger versteuern muss (nach § 22 Nr. 1a EStG).
Das war geschehen
Anlässlich einer Hofübergabe wurde dem Übergeber ein Altenteil in Form eines vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts, Taschengelds und der Mitbenutzung von Gegenständen eingeräumt. Den vom Vermögensübernehmer als Sonderausgaben geltend gemachten Nutzungswert der Altenteilerwohnung erkannte das Finanzamt allerdings nicht an, da nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2010 nur die mit der Nutzungsüberlassung tatsächlich zusammenhängenden Aufwendungen (wie Strom, Heizung, Wasser und Instandhaltungskosten), nicht jedoch der Nutzungswert der Altenteilerwohnung berücksichtigt werden können.
Finanzgericht gibt Kläger Recht, Revision ist eingelegt
Die hiergegen eingelegte Klage war vor dem FG Nürnberg erfolgreich. Nach Auffassung des FG kann der Fall, dass der Versorgungsberechtigte mit dem ihm gewährten (höheren) Barunterhalt selbst eine Wohnung mietet, für den Bereich des Sonderausgabenabzugs nicht anders behandelt werden als der Fall, in dem sich die Versorgungsleistung aus (niedrigerem) Barunterhalt und unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zusammensetzt.
Da die Revision anhängig ist, muss nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden.
Quelle | FG Nürnberg, Urteil vom 6.2.2025, 4 K 1279/23, Rev. BFH: X R 5/25, BMF-Schreiben vom 11.3.2010, IV C 3 - S 2221/09/10004, Rz. 46
| Der Bundesfinanzhof (BFHZ) hat jüngst entschieden, dass die Erteilung von Reitunterricht nicht von der Umsatzsteuer befreit ist, es sei denn, der Unterricht dient der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung. |
Das war geschehen
Im Streitfall begehrte der Kläger die Steuerbefreiung verschiedener Reitkurse für Kinder und Jugendliche auf seinem Reiterhof in den Jahren 2007 bis 2011. In der „Ponygruppe“ wurden Kinder und Jugendliche und bei „Klassenfahrten“ wurden Schulklassen im Umgang mit Pferden unterrichtet.
Zudem wurden Kurse für eine „Große Pferdegruppe“ angeboten, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen gerichtet waren. Die unterrichteten Kinder und Jugendlichen wurden darüber hinaus verpflegt und übernachteten teilweise auch auf dem Reiterhof.
Uneinigkeit der gerichtlichen Instanzen
Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, dass sämtliche Leistungen steuerpflichtig seien. Das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein sah das aber größtenteils anders. So seien die Umsätze insoweit steuerfrei, als sie auf die Beherbergung und Verpflegung sowie auf den Teil des Reitunterrichts entfielen, mit dem die formalen Voraussetzungen dafür erlangt werden können, später den Beruf des Turniersportreiters auszuüben („Große Pferdegruppe“).
Der Meinung des Finanzgerichts hat sich der BFH aber nicht vollumfänglich angeschlossen.
Der BFH stellte klar, dass es sich bei der Beherbergung und Verpflegung von Kindern und Jugendlichen um selbstständige steuerbare Leistungen neben dem Reitunterricht handelt. Er hob weiter hervor, dass Reitunterricht (als spezialisierter Unterricht) kein „Schul- und Hochschulunterricht“ ist.
Beachten Sie | Entsprechendes ist bereits für Segel-, Fahr-, Schwimm-, Jagd- und Tanzschulen entschieden worden.
Anerkennung als Ausbildung an strenge Voraussetzungen geknüft
Die Einstufung von Reitunterricht als „Ausbildung“ oder „Fortbildung“ kommt nach Auffassung des BFH nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Reitunterricht, der typischerweise der Freizeitgestaltung dient, ist in der Regel keine Ausbildung oder Fortbildung, da er nicht auf einen bestimmten Beruf vorbereitet. Die Kurse der „Ponygruppe“ und für Schulklassen im Rahmen der „Klassenfahrten“ sind daher umsatzsteuerpflichtig.
Beachten Sie | Die Ansicht des BFH dürfte insoweit strenger sein als die Auffassung der Finanzverwaltung zu Ballett-, Tanz- oder Musikunterricht.
Spätere Turniersportreiter: umsatzsteuerfreie Kurse
Bei den Kursen der „Großen Pferdegruppe“ lagen hingegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme vor, da zahlreiche Teilnehmer später Turniersportreiter wurden. Diese Kurse sind folglich umsatzsteuerfrei.
Hinsichtlich der Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für die Kinder und Jugendlichen führte der BFH aus, dass die hierfür seinerzeit geltende Steuerbefreiung nur in Betracht kommt, wenn eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter vorliegt. Bereits hieran fehlte es aber im Streitfall. Denn der Kläger konnte eine solche Anerkennung nicht vorweisen.
Beachten Sie | Seit dem 1.1.2020 können nur noch die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben insoweit umsatzsteuerbefreit sein, was der Kläger aber nicht ist.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 9/22, PM 35/25 vom 30.5.2025
| Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen und übernimmt der neue Eigentümer die auf dem Grundstück lastenden Schulden, liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund : Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Spekulationsbesteuerung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 23 EStG).
Beachten Sie | Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die
- im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
Das war geschehen
Der Vater hatte im Jahr 2014 ein Grundstück für 143.950 Euro erworben und teilweise fremdfinanziert. 2019 übertrug er das Grundstück auf seine Tochter. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Grundstück einen Wert von 210.000 Euro. Die Tochter übernahm die am Übertragungstag bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 115.000 Euro.
Finanzamt: Aufteilung in entgeltlich und unentgeltlich
Das Finanzamt teilte den Vorgang (ausgehend vom Verkehrswert im Zeitpunkt der Übertragung) in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichenTeil auf. Soweit das Grundstück unter Übernahme der Verbindlichkeiten entgeltlich übertragen worden war, besteuerte das Finanzamt den Vorgang als privates Veräußerungsgeschäft.
Hiergegen klagte der Vater vor dem Finanzgericht (FG) Niedersachsen und bekam Recht. Die Begründung: Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten sind keine Veräußerungen (im Sinne des § 23 EStG).
Höchste Instanz bestätigt Vorgehen des Finanzamts
Doch die Freude währte nicht lange, denn der BFH schloss sich der Ansicht des Finanzamts an.
- Wird ein Wirtschaftsgut übertragen und werden damit zusammenhängende Verbindlichkeiten übernommen, liegt regelmäßig ein teilentgeltlicher Vorgang vor. In diesem Fall erfolgt eine Aufteilung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichenTeil.
- Wird das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen, unterfällt der Vorgang hinsichtlich des entgeltlichen Teils als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensteuer.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.3.2025, IX R 17/24, PM 37/25 vom 30.5.2025
| Frauen muslimischen Glaubens haben keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kfz mit einem Gesichtsschleier (Niqab). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin bestätigt. |
Antrag auf Ausnahmegenehmigung
Die Klägerin hatte ihren Antrag auf Ausnahmegenehmigung damit begründet, dass sie sich gemäß ihrem Glauben außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Da sie im Auto den Blicken fremder Menschen ausgesetzt sei, müsse es ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Das VG hatte die Klage abgewiesen.
Berufung nicht zugelassen
Das OVG hat den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Mit ihren Einwendungen hat die Klägerin es nicht vermocht, ernstliche Richtigkeitszweifel an der Entscheidung des VG zu wecken oder Verfahrensfehler offenzulegen.
Keine wesentliche Einschränkung der Religionsfreiheit
Die Annahme des VG, dass das Tragen einer Gesichtsverschleierung während des Autofahrens für die Religionsausübung typischerweise keine wesentliche Einschränkung bedeutet und angesichts der zeitlich und örtlich eingeschränkten Wirkung des Verbots hinzunehmen ist, konnte sie nicht durchgreifend in Frage stellen.
Dasselbe gilt für die Annahme des VG, dass das der zuständigen Behörde bei der Frage der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt wurde, weil der Eingriff zur Sicherstellung der effektiven automatisierten Verkehrsüberwachung gerechtfertigt ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Quelle | OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.4.2025, OVG 1 N 17/25 , PM 11/25
| Wer seine SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergibt, hat keinen Anspruch auf Rückzahlung abgebuchter Kreditkartenbeträge. So entschied es das Amtsgericht (AG) München. |
Das war geschehen
Der Ehemann der Klägerin wollte am Samstag, den 6.1.2024, für seine Ehefrau und sich eine Reise im Internet buchen. Hierzu gab er auf der Website „Check24“ die Daten der Kreditkarte seiner Ehefrau ein. Kurz darauf erschien eine Mitteilung, dass ein Betrag in Höhe von 318,99 Euro vorgemerkt sei, ehe weitere Mitteilungen über vergleichbare Vormerkungen erschienen. Die Klägerin veranlasste noch am selben Abend telefonisch die Sperrung der Kreditkarte. Am Montag, den 8.1.2024 sind sechs unberechtigte Abbuchungen zu je 318,99 Euro für Giftcards vom Konto der Klägerin erfolgt, insgesamt 1.953,29 Euro.
Zur Autorisierung der Transaktionen fand das Mastercard 3D-Secure-Verfahren Anwendung. Zur Aktivierung dieses Verfahrens auf einem weiteren Gerät übersandte die beklagte Bank am 6.1.2024 eine SMS-TAN an die von der Klägerin bei der Beklagten hinterlegte Mobilfunknummer. Die an die Klägerin versandte SMS-TAN wurde dann auf dem weiteren mobilen Endgerät, auf dem auch die Banking-App freigeschaltet wurde, am 6.1.2024 eingegeben und damit das Secure-Verfahren aktiviert.
Die Klägerin behauptete, dass sie diese Abbuchungen nicht autorisiert habe. Bei der Buchung sei sie nicht nach PIN oder Passwort gefragt worden, sie habe auch nirgendwo eine SMS-Tan eingegeben. Es sei nicht erkannt worden, dass es sich möglicherweise um eine „Fake“-Website handelte.
Die beklagte Bank ging davon aus, dass die Frau die SMS-Tan an einen Dritten weitergegeben haben muss, da eine Freigabe der Buchungen anders technisch nicht möglich gewesen sei und verweigerte die Zahlung. Die Klägerin verklagte die Bank daher vor dem AG auf Rückzahlung der 1.953,29 Euro.
So sah das Amtsgericht den Sachverhalt
Das AG wies die Klage ab. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Abbuchungen nicht von der Klägerin autorisiert waren, sondern von Dritten getätigt wurden. Aufgrund der Beweisaufnahme war das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin die SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergegeben haben muss, weshalb ein Schadenersatzanspruch der Bank gegen die Klägerin in gleicher Höhe bestehe, mit dem die Bank aufgerechnet habe.
Das AG: Der Vortrag der Bank, dass diese in ihren Systemen feststellen konnte, dass das Mastercard 3D-Secure Verfahren per Banking App für die Kreditkarte der Klägerin am 6.1.2024 um 13:30 Uhr aktiviert wurde, und zur Aktivierung dieses Verfahrens auf dem neuen Gerät eine SMS-TAN an die im Vertrag hinterlegte Mobilfunknummer der Klägerin versandt wurde, wurde durch Inaugenscheinnahme des Mobiltelefons der Klägerin bestätigt. Dort befindet sich eine SMS vom 6.1.2024 13:29 Uhr mit dem Inhalt: „ … ist Ihre TAN für die Aktivierung von Mastercard Identity Check vom 6.1.2024 13:44 Uhr.“ Der Eingang der SMS um 13:29 Uhr war im eingesehenen Nachrichtenverlauf um 13:29 Uhr dokumentiert und wird auch durch das vorgelegte IT-Protokoll belegt. Der Vortrag der Klägerin, keine SMS-TAN erhalten zu haben und dass ihr Mobiltelefon nicht in die Freigabe involviert war, erwies sich damit als widerlegt.
SMS-Tan war unzweifelhaft eingegeben worden
Die Bank hat unbestritten vorgetragen, dass aufgrund der manuellen Eingabe einer an die Mobilfunknummer der Klägerin versandten SMS-Tan ein Fremdzugriff technisch ausgeschlossen ist. Es wurde ein neues Gerät im Online-Banking der Klägerin als Freigabeinstrument im Rahmen des 2-Faktor-Authentifizierungsverfahrens hinterlegt. Hierzu war – technisch zwingend – die Eingabe der SMS-Tan erforderlich. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Klägerin durch Preisgabe der SMS-Tan Dritten eine Registrierung eines Geräts ermöglicht hat, wobei die Preisgabe persönlicher Sicherheitsmerkmale an Dritte gemäß den vertraglichen Bestimmungen untersagt war.
Verhalten der Klägerin war grob fahrlässig
Das Verhalten der Klägerin bewertet das Gericht als grob fahrlässig. Es ist eine Sache, wenn man seine Kreditkartendaten offenbart. Diese werden bei jeder Verwendung offenbart und können auch von der Karte abgelesen werden.
Die Weitergabe eines im Rahmen einer Zwei-Faktor-Autorisierung erhaltenden Zugangscodes kann nicht damit gleichgesetzt werden. Mit dieser Weitergabe hilft der Nutzer, die Sicherheitsarchitektur grundlegend auszuhebeln. Es muss jedem verständigen Nutzer solcher Kreditkarten klar sein, welches Risiko er mit der Weitergabe derartiger Daten schafft. Die Klägerin mag dies nicht bewusst getan haben und es mag auch nicht erinnerlich sein. Indessen lässt sich der Vorgang plausibel nicht anders erklären.
Quelle | AG München, Urteil vom 8.1.2025, 271 C 16677/24, PM 14/25
| Nach den Vorgaben des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes (FKAustG) werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates automatisch ausgetauscht. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun die Staatenaustauschliste 2025 bekanntgegeben. Enthalten sind die Staaten, mit denen der automatische Datenaustausch zum 30.9.2025 erfolgt. Weitere Informationen zum Informationsaustausch erhalten Sie u. a. auf der Website des Bundeszentralamts für Steuern (abrufbar unter www.iww.de/s2991). |
Quelle | BMF-Schreiben vom 3.6.2025, IV D 3 - S1315/00304/070/025
| Die Vermietung von Zimmerkontingenten an eine Kommune zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter überschreitet nicht den Nutzungszweck eines zum Hotelbetrieb gepachteten Gebäudes. Dies gilt jedenfalls, solange hiermit keine übermäßige Abnutzung oder sonstige Beeinträchtigung für den Verpächter verbunden ist, die über die übliche Nutzung durch Hotelgäste hinausgeht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die auf Räumung und Herausgabe des Hotels gerichtete Klage der Verpächterin abgewiesen. |
War die Unterbringung Geflüchteter vertragswidrig?
Die Klägerin schloss 2016 mit der Beklagten einen Vertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb des „Hotel F.“ in Gießen. Die Sache durfte vertraglich nur zum vereinbarten Nutzungszweck gebraucht werden. Seit Herbst 2022 buchte das Jugendamt der Stadt Gießen regelmäßig Zimmer für in seiner Obhut stehende Jugendliche. Nach Abmahnung kündigte die Klägerin 2023 fristlos. Sie hält die Unterbringung unbegleiteter Jugendlicher für vertragswidrig. Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt.
In der Berufung wies das OLG die Klage ab. Der Vertrag zwischen den Parteien sei nicht wirksam fristlos gekündigt worden. Die Beklagte habe nicht die Rechte der Klägerin durch eine unbefugte Überlassung an Dritte in erheblichem Maße verletzt. Dem Betrieb eines Hotels sei es immanent, dass es zu Beherbungsverträgen mit Dritten komme. Davon umfasst sei auch, dass bei der Buchung von Zimmerkontingenten durch Firmen o. Ä. ein ganzes Hotel faktisch durch denselben Mieter belegt werde. Der Abschluss von zeitlich begrenzten und auf bestimmte Zimmer bezogenen Beherbungsverträgen mit der Stadt Gießen sei folglich nicht unbefugt gewesen. Die Grenze zur unzulässigen Gebrauchsüberlassung wäre nur überschritten, wenn die Stadt das gesamte Gebäude übernommen und zu einem Flüchtlingsheim umgebaut hätte.
Keine Gefährdung der Mietsache, keine Pflichtverletzung
Eine zur Kündigung berechtigende Gefährdung der Mietsache durch unbegleitete minderjährige Geflüchtete sei nicht erkennbar. Es liege keine Pflichtverletzung wegen Überschreitung des Vertragszwecks vor, die zur Kündigung berechtigte. Die zeitweilige Vermietung zum o. g. Zweck überschreite nicht den Vertragszweck. Die vertraglich vereinbarte Nutzungsart als Hotel sei durch das Angebot von individueller Unterkunft, Service, Verpflegung und Nebenleistungen gekennzeichnet. Aufenthaltsdauer, -zweck und Motive für die Anmietung der Zimmer stellten keine entscheidenden Kriterien für die Bewertung als Hotelbetrieb dar. Es bestehe kein Anspruch darauf, „dass die Vermietung nur an einen bestimmten Personenkreis erfolgen darf, solange keine Beeinträchtigungen der Räumlichkeiten vorliegen bzw. zu befürchten sind“, unterstrich das OLG und es sei auch nicht vorgetragen, dass „Geflüchtete die Zimmer intensiver und nachlässiger nutzten als dies bei einer „normalen“ Vermietung an Hotelgäste der Fall wäre“.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.2.2025, 2 U 63/24, PM 21/25
| Das Landgericht (LG) Hanau hat entschieden: Die Anforderung von Belegkopien der Betriebskostenabrechnung ist kein wirksames Einsichtnahmeersuchen, wenn die Einsicht beim Vermieter zumutbar ist. Hierfür kommt es auf die Entfernung zur Mietwohnung an und nicht auf den Ort, an den der Mieter nach Mietende verzogen ist. |
Muss Mieter Belege einsehen oder muss Vermieter sie zuschicken?
Nach Mietvertragsende verlangte der Mieter die geleistete Kaution zurück. Die dann noch erstellte Betriebskostenabrechnung wies eine Nachforderung auf, die der Vermieter mit der Kaution verrechnete. Der inzwischen über 120 km weit weggezogene Mieter widersprach der Abrechnung, forderte die Übersendung von Belegkopien, um die Abrechnung zu prüfen, und klagte auf Rückzahlung der gesamten Kaution. Er bringt vor, keine Kopien erhalten zu haben, zumal der Vermieter für eine Einsichtnahme bei diesem nun zu weit entfernt sei.
So sahen es die Gerichte
Das Amtsgericht (AG) hat die Klage in Höhe der verrechneten Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das LG entschied, dass die Einwände gegen die Abrechnung zu unkonkret waren, weil der Mieter die Belege nicht geprüft hat. Der Vermieter habe die Belegeinsicht auch nicht verweigert, weil der Mieter unzulässigerweise die Übersendung von Kopien verlangte. Da die Belegprüfung grundsätzlich beim Vermieter erfolgen muss, lag schon kein wirksames Einsichtnahmeersuchen vor.
Kein Ausnahmefall
Der Mieter könne auch nicht ausnahmsweise die Zusendung von Kopien fordern. Das sei zwar möglich, wenn der Vermieter zu weit entfernt ansässig ist. Hierfür komme es jedoch auf die Entfernung der Mietsache zu diesem an, wobei eine Anreise von Hanau nach Frankfurt zumutbar sei. Dass der Mieter nun über 120 km entfernt wohnt, liege hingegen in seinem Risikobereich und führe nicht zu einem Recht auf Übersendung von Kopien.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | LG Hanau, Beschluss vom 24.3.2025, 2 S 43/24, PM vom 8.5.2025
| Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg bestätigte die Vorinstanz: Der kulturelle und familiäre Wert einer Sammlung aus Gemälden und historischen Gegenständen ist höher zu setzen als das Interesse einzelner Familienmitglieder an der Verwertung der Gegenstände. Letzteres hatte ein Teil der Familie aufgrund interner Differenzen verlangt. |
Das war geschehen
Die Nachfahren einer Nürnberger Patrizierfamilie stritten in einem Zivilprozess um den Erhalt ihrer Familiensammlung – einer Sammlung von Gemälden und historischen Gegenständen, die über Jahrzehnte als ungeteiltes Familienvermögen innerhalb der Familie über die Erbfolge weitergegeben wurde. Ein Teil der Familie begehrte den Pfandverkauf der historischen Sammlungsgegenstände, die teils in privater Nutzung sind, teils im Germanischen Nationalmuseum verwahrt werden, um die Erben- und Bruchteilsgemeinschaft auseinanderzusetzen. Die beklagten Familienmitglieder widersetzten sich dem und beriefen sich auf ein in einem Familienvertrag aus dem Jahr 1936 festgelegtes immerwährendes Teilungsverbot für das verfahrensgegenständliche Familienvermögen. Die Kläger verwiesen auf eine spätere Aufhebung sowie Nichtigkeit dieses Familienvertrags, denn dessen Regelungen sahen unter anderem die Weitergabe der Familiensammlung nur an männliche Nachkommen vor.
So sah es die erste Instanz
Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth hatte in erster Instanz die Klage abgewiesen. Es sah die Aufhebung des Familienvertrags nicht durch die vorhandenen Protokolle der Familienversammlungen belegt und erachtete das von der Familie im Jahr 1936 in Bezug auf die Familiensammlung vereinbarte dauerhafte Teilungsverbot als wirksam und fortbestehend an. Die Klagepartei habe auch keine Umstände vorgebracht, die als wichtiger Grund eine Aufhebung der Gemeinschaft rechtfertigen könne. Die im Verfahren vorgetragenen innerfamiliären Differenzen reichten hierfür nicht aus.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Hiergegen legte ein Familienmitglied der unterlegenen Klageseite Berufung zum OLG ein. Dieses hat das Ersturteil bestätigt und die zur Begründung des Aufhebungsanspruchs vorgebrachten Gründe und Einwendungen der Berufung für nicht durchgreifend erachtet. Wie das Erstgericht bewerte der Senat die erbrechtliche Regelung im Familienvertrag zum Ausschluss der weiblichen Nachkommen als nichtig, was aber die Wirksamkeit des dauerhaften Teilungsverbots nicht berühre. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kam das OLG zu dem Ergebnis, dass das beklagtenseits eingewandte familiäre als auch öffentliche Interesse am Erhalt der Gesamtheit der Sammlung als Kulturgut dem klägerischen Interesse an einer Aufhebung der Gemeinschaft und an einer damit verbundenen Zerschlagung der Sammlung überwiege.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 28.2.2025, 1 U 2451/23 Erb, PM 12/25
| Bauarbeiter, die auf Baustellen einfache Arbeiten verrichten, einen festen Stundenlohn erhalten und am Markt nicht erkennbar unternehmerisch auftreten, sind regelmäßig abhängig Beschäftigte, für die die Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen. Dies entschied in drei Urteilen das Hessische Landessozialgericht (LSG). |
Baufirmen müssenSozialversicherungsbeiträge nachzahlen
Die Deutsche Rentenversicherung entschied in mehreren Fällen, dass Bauarbeiter abhängig beschäftigt sind. In zwei Fällen forderte sie nach entsprechenden Betriebsprüfungen von den im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge in fünfstelliger Höhe. In einem weiteren Verfahren hatte sie zunächst über den Antrag auf Statusfeststellung zu entscheiden.
Weder schriftliche Verträge noch eigene Werkzeuge
In diesen Fällen hatten angeblich selbstständige Werkunternehmer auf Baustellen der jeweils klagenden Baufirma gearbeitet. Bei diesen Bauarbeitern handelte es sich um ausländische Staatsangehörige mit allenfalls geringen Deutschkenntnissen. Sie erledigten Abbrucharbeiten, Maurertätigkeiten und Pflasterarbeiten, sanierten Bäder oder arbeiteten im Trockenbau. Schriftliche Verträge oder Auftragsbestätigungen gab es nicht. Die Abrechnungen erfolgten auf Basis der aufgeschriebenen Stunden bei einem Stundenlohn zwischen 10 und 15 Euro. Die Materialien und Werkzeuge wurden bis auf Kleinwerkzeuge von den jeweiligen Baufirmen gestellt.
Scheinselbstständige statt Werkunternehmer
Das LSG folgte der Einschätzung der Rentenversicherung. In allen drei Verfahren liege Scheinselbständigkeit vor.
Bei einfachen, typischen Arbeitnehmerverrichtungen, die der Beschäftigte im Wesentlichen ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübe, spreche die Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis. Die betroffenen Bauarbeiter seien jeweils in den Betrieb der klagenden Baufirma eingegliedert gewesen und hätten einfache Bauarbeiten getätigt, wie sie typischerweise abhängig Beschäftigte verrichteten.
Kein unternehmerisches Auftreten
Werkvertragstypische Vereinbarungen einer unternehmerischen Leistung hätten nicht festgestellt werden können. Zudem seien die angeblichen „Werkunternehmer“ schon aufgrund ihrer geringen Deutschkenntnisse zu einem unternehmerischen Auftreten am Markt nicht in der Lage gewesen.
Zwischen den Baufirmen und den Bauarbeitern getroffene Vereinbarungen über eine (angeblich) selbstständige Tätigkeit seien nicht relevant und könnten die gesetzlich angeordnete Sozialversicherungspflicht nicht ausschließen.
Quelle | Hessisches LSG, Urteil vom 3.4.2025, L 8 BA 4/22, L 8 BA 62/22 und L 8 BA 64/21, PM vom 3.4.2025
| Wandhängende WCs und Handtuchheizkörper in Standardausführung sowie Balkone in der Größe von vier qm sind in Milieuschutzgebieten genehmigungsfähig, weil sie der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dienen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden. |
Bauliche Änderungen nicht ohne Genehmigung
Die Klägerinnen sind jeweils Eigentümerinnen von Wohngebäuden in Milieuschutzgebieten in Berlin-Mitte. Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen soziale Erhaltungsverordnungen (umgangssprachlich Milieuschutzverordnungen) gelten. Sie sollen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im jeweiligen Gebiet schützen. Bauliche Änderungen bedürfen in Milieuschutzgebieten grundsätzlich einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Den Erlass von Milieuschutzverordnungen erlaubt ein Bundesgesetz, nämlich das Baugesetzbuch. In Berlin sind dafür die Bezirke zuständig. Aktuell gelten in Berlin über 40 Milieuschutzverordnungen.
Eine Klägerin möchte im Badezimmer einer Wohnung ein Stand-WC durch ein wandhängendes WC ersetzen sowie einen Handtuchheizkörper einbauen. Eine weitere Klägerin begehrt den Anbau von dreizehn Balkonen in der Größe von jeweils vier qm an die Wohnungen ihres Mehrfamilienhauses. Die Maßnahmen stellen nach Ansicht der Klägerinnen einen zeitgemäßen Ausstattungszustand ihrer Wohnungen dar. Das Bezirksamt versagte den Klägerinnen die erhaltungsrechtlichen Genehmigungen. Die Vorhaben gingen über einen zeitgemäßen Ausstattungszustand hinaus und seien als wohnwerterhöhende bauliche Änderungen im Milieuschutzgebiet nicht zulässig.
Genehmigungen sind zu erteilen
Das VG gab den dagegen erhobenen Klagen statt und verpflichtete das Bezirksamt, die Genehmigungen zu erteilen. Der Gesetzgeber habe im Baugesetzbuch geregelt, dass eine erhaltungsrechtliche Genehmigung zu erteilen sei, wenn die bauliche Maßnahme der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen diene.
Mittlerer Standard nicht wohnwerterhöhend
Der Gesetzgeber habe den Genehmigungsanspruch auch nicht auf bauliche Maßnahmen beschränkt, die der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dienten. Vielmehr habe er zugelassen, dass darüber hinaus auch in Milieuschutzgebieten eine behutsame Anhebung des Ausstattungszustands auf den Standard mittlerer Wohnverhältnisse erfolgen könne. Daran sei ein bundeseinheitlicher Maßstab anzulegen. Bei wandhängenden WCs und Handtuchheizkörpern in einer Standardausführung sowie bei vier qm großen Balkonen werde dieser Standard nicht überschritten. Dafür sprächen unter anderem die Verbreitung dieser Ausstattungsmerkmale bundesweit sowie der Umstand, dass die Mietspiegel der größeren deutschen Städte sie überwiegend nicht als wohnwerterhöhend einstuften.
Quelle | VG Berlin, Urteile vom 2.4.2025, VG 19 K 17/22 und VG 19 K 351/23, PM 24/25
| Trotz erfolgreich absolviertem ersten juristischen Staatsexamen hat ein Antragsteller, der erwiesenermaßen die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft, keinen Anspruch darauf, den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) zu durchlaufen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz. |
Fehlende Verfassungstreue
Der Antragsteller wollte nach erfolgreichem Jurastudium als Rechtsreferendar in den juristischen Vorbereitungsdienst eintreten. Dies lehnte das Oberlandesgericht (OLG) wegen fehlender Verfassungstreue des Antragstellers ab. Dieser suchte daraufhin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um gerichtlichen Rechtsschutz mit dem Ziel nach, ihn im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses einzustellen.
Eindeutige Publikationen
Der Antrag blieb ohne Erfolg. Dem Antragsteller, so das VG, fehle der notwendige sog. Anordnungsanspruch. Aus den einschlägigen Vorschriften des Landesgesetzes über die juristische Ausbildung sowie des Landesbeamtengesetzes folge, dass die juristische Ausbildung am Leitbild einer dem Rechtsstaat verpflichteten Person zu orientieren sei. Rechtsreferendare müssten sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Der Antragsteller werde dem nicht gerecht, wie von ihm verfasste und publizierte Texte belegten.
In einem von ihm geschriebenen Roman würden beispielsweise schwarze Menschen durch die Verwendung menschenverachtender Bezeichnungen pauschal herabgewürdigt. Es werde hierin behauptet, ein – namentlich genannter – österreichischer Fußballspieler, der dunkelhäutig sei, könne kein Deutscher oder Österreicher sein. In einem anderen Text attestierte er dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Demontage des Volksbegriffs. Der von dem Antragsteller vertretene Volksbegriff mit der Forderung nach einer „positiven Erneuerung Deutschlands“ könne nur als Forderung nach einer Umkehrung eines vermeintlichen „Bevölkerungsaustauschs“ verstanden werden. Zudem sei der Antragsteller Mitglied bei der „Jungen Alternative für Deutschland“ und dem Verein „Ein Prozent e. V.“ gewesen. Er habe in beiden Organisationen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Frühjahr 2023 als gesichert rechtsextremistisch einstufe, zumindest zeitweise herausgehobene Funktionen übernommen.
Die Entscheidung ist bestandskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 9.5.2025, 5 L 416/25.KO, PM 14/25
| Eine Tätowierung ist heute typischer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Während sichtbare Tattoos im Arbeitsleben immer normaler werden, stellt sich damit aber zunehmend die Frage, wer eigentlich das finanzielle Risiko trägt, wenn beim Stechen des Tattoos nicht alles glatt verläuft. Dazu liegt nun eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vor: Wer sich tätowieren lässt, erhält bei Komplikationen keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das LAG bestätigt damit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Flensburg. |
Pflegekraft ließ sich tätowieren
Die als Pflegehilfskraft beschäftigte Klägerin ließ sich am Unterarm tätowieren. In der Folge entzündete sich die tätowierte Stelle. Die Klägerin wurde daraufhin für mehrere Tage krankgeschrieben. Die beklagte Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum ab.
Die Klägerin führte vor Gericht aus, dass sie ja nicht Entgeltfortzahlung für den Tätowierungsvorgang geltend mache, sondern für eine davon zu trennende zeitlich nachfolgende Entzündung der Haut. Ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen. Es habe sich ein sehr geringes Risiko verwirklicht, das nur bei ein bis fünf Prozent der Fälle von Tätowierungen auftrete. Tätowierungen seien als Teil der privaten Lebensführung geschützt und mittlerweile weit verbreitet.
Die Arbeitgeberin entgegnete, die Klägerin habe bei der Tätowierung in eine Körperverletzung eingewilligt. Das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre deshalb nicht zum normalen Krankheitsrisiko und könne dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden.
Arbeitsunfähigkeit verschuldet
Das LAG ist der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Diese war zwar arbeitsunfähig krank. Sie hat die Arbeitsunfähigkeit aber verschuldet. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz handelt ein Arbeitnehmer immer schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt.
Die Klägerin musste bei der Tätowierung damit rechnen, dass sich ihr Unterarm entzündet. Dieses Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen ihr eigenes Gesundheitsinteresse dar. Sie hat selbst vorgetragen, in bis zu 5 % der Fälle komme es nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut. Dies ist keine völlig fernliegende Komplikation. Bei Medikamenten wird eine Nebenwirkung als „häufig“ angegeben, wenn diese in mehr als einem, aber weniger als zehn Prozent der Fälle auftritt. Zudem ist die Komplikation in der Hautverletzung durch die Tätowierung selbst angelegt.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.5.2025, 5 Sa 284 a/24, PM vom 2.7.2025
| Wenn ein Arbeitnehmer sich beim Kaffeetrinken verschluckt und infolgedessen stürzt, kann das im Einzelfall einen Arbeitsunfall darstellen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden. |
Nasenbeinbruch während morgendlicher Besprechung
Der Kläger war als Vorarbeiter auf einer Baustellebeschäftigt. Beim Kaffeetrinken während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer verschluckte er sich, ging hustend zur Tür, um sich draußen auszuhusten, verlor kurz das Bewusstsein und stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter. Dabei brach er sich das Nasenbein.
Berufsgenossenschaft und Sozialgericht: kein Arbeitsunfall
Das sei kein Arbeitsunfall, befand die zuständige Berufsgenossenschaft, denn das Kaffeetrinken habe keinen betrieblichen Zwecken gedient. Es sei vielmehr dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen. So sah es auch das Sozialgericht (SG), das in erster Instanz über den Fall entschieden hatte.
Landessozialgericht: auch Nahrungsaufnahme geschützt
Zu Unrecht, befand nun das LSG. Zwar erstrecke sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit damit ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird. Im vorliegenden Fall sei das Kaffeetrinken aber nicht auf das Grundbedürfnis des Durstlöschens gerichtet gewesen, sondern habe (auch) betrieblichen Zwecken gedient. Der gemeinsame Kaffeegenuss während der verpflichtend vorgeschriebenen Besprechung habe eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft bewirkt.
Arbeitgeber stellte den Kaffee zur Verfügung
Zudem habe der Kaffee für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesorgt. Das sei auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, der sich teilweise selbst um das Auffüllen der Kaffeevorräte gekümmert habe. Deshalb sei der Fall auch anders zu beurteilen, als wenn sich ein Arbeitnehmer z. B. in der Frühstückspause an einem Kaffee verschluckt, den er selbst in der Thermoskanne mitgebracht hat.
Quelle | LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.5.2025, L 6 U 45/23, PM 2/25
| Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Hostprovider – hier Meta – muss nach einem Hinweis auf einen rechtsverletzenden Post auf der Social-Media-Plattform Facebook auch ohne weitere Hinweise sinngleiche Inhalte sperren. Sinngleich sind etwa Beiträge mit identischem Text und Bild, aber abweichender Gestaltung (Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung), bloßer Änderung typografischer Zeichen oder Hinzufügung von Elementen, etwa sog. Captions, die den Aussagegehalt nicht verändern. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Arzt und bewarb in der Vergangenheit u. a. die sog. „Hirschhausen Diät“. Der Kläger wies die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach auf sog. Fake-Werbe-Videos hin, in denen er vermeintlich u. a. für Abnehmmittel werbe.
Gegenstand dieses Eilverfahrens sind zwei weitere solcher Deep-Fake Videos: Nutzer haben zum einen ein Video unter Verwendung eines Ausschnitts aus der Sendung von Markus Lanz hergestellt, in denen der Name, das Bildnis und die Stimme des Klägers verwendet werden und in dem dieser vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme wirbt. Dieses Video entfernte die Beklagte zeitnah nach Abmahnung durch den Kläger. In einem nachfolgend erschienenen, nahezu inhaltsgleichen weiteren Deep-Fake Video warb der Kläger ebenfalls vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme. Dieses Video entfernte die Beklagte ebenfalls – erst – nach entsprechendem Hinweis durch den Kläger. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassen der Verbreitung dieser beiden Videos in Anspruch. Das Landgericht (LG) hat den Antrag zurückgewiesen.
So sah es das Oberlandesgericht
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hatte teilweise Erfolg. Hinsichtlich des ersten Videos bestehe kein Unterlassungsanspruch, entschied das OLG. Die Beklagte sei als Hostproviderin grundsätzlich nicht verpflichtet, von den Nutzern ins Netz gestellte Beiträge vor ihrer Veröffentlichung auf etwaige Rechtsverletzungen hin zu prüfen. Ihre Haftung setze die Verletzung von Prüf- und Verhaltenspflichten voraus. Vor der Abmahnung des Klägers betreffend das erste Video sei die Beklagte nicht zur Löschung verpflichtet gewesen. Eine Löschpflicht habe sich insbesondere nicht aus den vorausgegangenen Hinweisen des Klägers auf andere, nicht sinngleiche sog. Fake-Werbungen ergeben. Grundsätzlich lösten derartige Hinweise nur Prüfpflichten hinsichtlich „sinngleicher Inhalte“ aus. Darunter fielen Inhalte, die in Bild und Text identisch, aber bei gleichbleibendem Gesamteindruck etwa abweichend gestaltet seien. Dies könne sich etwa auf die Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung mit Rahmen oder Zufügung sog. Caption beziehen. Die vorausgegangenen Hinweise des Klägers hätten sich hier jedoch auf in Bild und Text abweichende Inhalte bezogen.
Prüfplicht des Providers bestand
Hinsichtlich des zweiten Videos habe die Beklagte dagegen schon aufgrund der Abmahnung des Klägers hinsichtlich des ersten Videos eine Prüfpflicht getroffen. Es habe keiner weiteren Abmahnung bedurft. Das zweite Video unterscheide sich allenfalls marginal vom ersten. Nach dem Eindruck des OLG wirkten die Videos – bei voneinander abweichender Überschrift – nahezu identisch. Es lägen damit sinngleiche Inhalte vor. Da die Beklagte das zweite Video nicht bereits ohne weitere Abmahnung gesperrt habe, habe sie gegen ihre Prüfpflichten verstoßen. Im Ergebnis bestehe daher ein Unterlassungsanspruch.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nich tanfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.3.2025, 16 W 10/25, PM 14/25
| Zahlreiche Betriebsprüfungen zeigen, dass die Kassenführung oft beanstandet wird. Das Problem dabei: Ist die Kassenführung nicht ordnungsmäßig, drohen erhebliche Hinzuschätzungen. So war es auch in einem Fall, der vom Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein zu entscheiden war. |
Im Streitfall hatte bei einem bargeldintensiven Imbiss mit Sitzgelegenheiten eine Betriebsprüfung stattgefunden. Der Betreiberin, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte, wurden dabei zahlreiche Mängel in der Kassenführung vorgeworfen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem FG blieb erfolglos.
Beachten Sie | Allerdings ist inzwischen die Revision anhängig, in der insbesondere diese interessanten Fragen zu klären sind:
- Ist bei bestehenden Zweifeln im Hinblick auf den Programmierzustand und das Vorhandensein von Manipulationsspuren an der Registrierkasse vom FG ein Sachverständigengutachten einzuholen?
- Rechtfertigen fehlende Programmierprotokolle für die verwendete Kasse eine Schätzung dem Grunde nach?
- Ergibt sich aus einer angeblichen Abweichung von der Richtsatzsammlung eine Schätzungsbefugnis?
Quelle | FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.8.2023, 3 K 25/22, Rev. BFH, X R 27/24
| Hat eine Gesellschaft ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr, ist für die Berechnung der Steuerermäßigung gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 EStG) nicht auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums abzustellen, sondern auf das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahrs. Für die Aufteilung des Steuerermäßigungsbetrags sind der Gewerbesteuer-Messbetrag und die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des Wirtschaftsjahrs an der Gesellschaft beteiligt waren. So lautet ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Hintergrund: Unter den Voraussetzungen des § 35 EStG wirddie Gewerbesteuerbelastung kompensiert, indem die tarifliche Einkommensteuer um das Vierfache des festgesetzten Steuermessbetrags gemindert wird.
Quelle | BFH, Urteil vom 10.4.2025, IV R 21/22
| Mit Wirkung ab 1.6.2025 wurden die Gebühren für Eintragungen im Handelsregister um 50 Prozent erhöht. Demzufolge werden auch Unternehmensgründungen teurer. |
In der Begründung der Verordnung wird hierzu u. a. ausgeführt: „Die daraus insgesamt resultierenden Gebühreneinnahmen sollen dazu dienen, den Aufwand der Länder für den Betrieb der Registergerichte weitgehend zu decken, damit die Gerichte den Anforderungen an eine moderne, effiziente und sichere Registerführung auch künftig gerecht werden können.“
Quelle | Dritte Verordnung zur Änderung der Handelsregistergebührenverordnung, BGBl I 2025, Nr. 127
| Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft wird nur bereit sein, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung einer Eigentumswohnung zu (privaten) Wohnzwecken (also im privaten Interesse) eines Gesellschafters zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe erstattet werden und sie zudem einen angemessenen Gewinnaufschlag erhält. Vor diesem Hintergrund hat es das Finanzgericht (FG) Niedersachsen im Streitfall als rechtmäßig beurteilt, dass das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) angesetzt hat. |
Zum Hintergrund: Bei einer vGA handelt es sich – vereinfacht – um Vermögensvorteile, die dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gewährt werden. Eine vGA darf den Gewinn der Gesellschaft nicht mindern.
Im Anschluss an ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahr 2016 führte das FG weiter aus: Eine Vermietung zu marktüblichen, aber nicht kostendeckenden Bedingungen würde ein gewissenhafter Geschäftsführer (ausnahmsweise) in Betracht ziehen, wenn er bezogen auf den jeweils zu beurteilenden Veranlagungszeitraum bereits von der Erzielbarkeit einer angemessenen Rendite ausgehen kann.
Beachten Sie | Die danach für den Fremdvergleich maßgebliche Kostenmiete ist auch dann als Maßstab heranzuziehen, wenn der Gegenstand des Unternehmens der Kapitalgesellschaft auch neben der an die Gesellschafterin vermieteten Wohnung in der Vermietung von Immobilien besteht.
Gegen das Urteil ist die Revision anhängig. Gleichwohl sollte in vergleichbaren Fällen eine vGA bedacht werden. Es empfiehlt sich, Mietverträge zu prüfen und ggf. anzupassen.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 15.8.2024, 10 K 255/21, Rev. BFH, I R 21/24
| Ein Freiwilliger Wehrdienst kann bei einem volljährigen Kind für sich genommen keinen Kindergeldanspruch begründen. Gleichwohl kann während der Zeit des Wehrdienstes ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, wenn das Kind einen der gesetzlichen Berücksichtigungstatbestände erfüllt, also z. B. während des Wehrdienstes für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dabei ist es unschädlich, wenn das Kind nach Abschluss der Grundausbildung im Rahmen des Freiwilligen Wehrdienstes Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad ausübt. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Das war geschehen
Der Sohn absolvierte nach seinem Abitur einen zehn Monate dauernden Freiwilligen Wehrdienst. Die Familienkasse bewilligte dem Vater für die Übergangszeit zwischen Abitur und Grundausbildung sowie für die Zeit der Grundausbildung Kindergeld. Nach der Grundausbildung verrichtete der Sohn Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad, eine weitere Ausbildung bei der Bundeswehr fand nicht statt. Nach dem Ende des Wehrdienstes studierte er an einer zivilen Hochschule. Den Entschluss dazu hatte er während des Wehrdienstes gefasst.
Die Familienkasse versagte für die Zeit nach Beendigung der Grundausbildung bis zum Beginn des Studiums die Festsetzung von Kindergeld. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Vater Klage vor dem Finanzgericht (FG) Bremen. Da das FG die Revision zugelassen hatte und diese auch eingelegt wurde, musste nun der BFH entscheiden.
Beachten Sie | Der Freiwillige Wehrdienst gehört – anders als ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr – nicht zu den im Einkommensteuergesetz (hier: § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG) genannten Berücksichtigungstatbeständen, die schon für sich genommen einen Kindergeldanspruch begründen können.
Bundesfinanzhof: Kindergeldanspruch bestand
Dennoch entschied der BFH, dass auch nach dem Ende der Grundausbildung und trotz einer Erwerbstätigkeit des Kindes als Soldat mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden ein Kindergeldanspruch bestehen kann, wenn das Kind (wie im Streitfall) eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.
Beachten Sie | Die drei Monate dauernde Grundausbildung war zwar Teil einer Ausbildung zum Offizier oder Unteroffizier. Ihre Beendigung führte jedoch nicht zu einem für den weiteren Kindergeldbezug ggf. schädlichen Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung (i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG).
Es kam auf den Zeitpunkt des Entschlusses an
Für einen Monat wies der BFH die Revision jedoch zurück, weil sich der Entschluss des Sohnes, sich um einen Studienplatz zu bemühen, erst im Folgemonat objektiviert hatte. Der bloße Vortrag des Kindergeldberechtigten und des Kindes, der Entschluss zu einer Ausbildung oder zu einem Studium sei früher gefasst worden, ist für die Begründung des Anspruchs nicht ausreichend.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.2.2025, III R 43/22, PM 28/2025 vom 2.5.2025
| Ab Mai 2025 setzen vier Pilotfinanzämter (Brühl, Bielefeld-Außenstadt, Hamm und Lübbecke) des Landes Nordrhein-Westfalen erstmals ein KI-Modul zur Unterstützung der Steuerveranlagung ein. Das Ziel: Steuererklärungen sollen effizienter, schneller und treffsicherer bearbeitet werden.
Das neue KI-Modul ergänzt das bewährte Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung. Es erkennt Muster in den Steuerdaten und kann gut nachvollziehbare Fälle mit geringem Prüfbedarf gezielt identifizieren. Diese werden automatisiert verarbeitet – und damit schneller abgeschlossen.
Gestartet wird mit Arbeitnehmerfällen (also Steuererklärungen mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalerträgen, Vorsorgeaufwendungen, Sonderausgaben, haushaltsnahen Dienstleistungen und ähnlichen Bereichen). Die Ausweitung auf weitere Fallkonstellationen ist bereits in Planung.
Nordrhein-Westfalen übernimmt die Vorreiterrolle. Nach erfolgreichem Testlauf ist die landesweite Einführung geplant.
Quelle | FinMin NRW, Mitteilung vom 22.4.2025
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der auf Dienstreisen seinen privaten Pkw einsetzt, die tatsächlichen Kosten für jeden gefahrenen Kilometer auch dann ansetzen kann (im Streitfall: 2,28 Euro/km für einen Sportwagen), wenn er von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt bekommt, den er grundsätzlich für dienstliche und private Fahrten nutzen kann. |
Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall jedoch den Nachweis erbringen, dass er das Privatfahrzeug tatsächlich beruflich eingesetzt hat. Eine Angemessenheitsprüfung dem Grunde nach (hier: berufliche Nutzung eines privaten Fahrzeugs durch einen Arbeitnehmer, dem von seinem Arbeitgeber ein Geschäftsfahrzeug überlassen wurde) findet nicht statt.
Beachten Sie | Das Finanzamt will diese Entscheidung aber nicht akzeptieren und hat Revision eingelegt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.9.2024, 9 K 183/23, Rev. BFH: VI R 30/24
| Kinderbetreuungskosten sind als Sonderausgaben abzugsfähig. Bei Aufwendungen für Unterricht, für die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen ist ein Sonderausgabenabzug allerdings gesetzlich ausgeschlossen. Mit dem Abzugsverbot hat sich nun der Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt. |
Hintergrund: Kinderbetreuungskosten können nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) als Sonderausgaben steuerlich absetzbar sein. Folgende Aspekte sind hier zu beachten:
- Abzug von 80 % der Betreuungsleistungen, maximal 4.800 Euro pro Jahr.
- Der Abzug ist zulässig für haushaltszugehörige Kinder unter 14 Jahren (oder aufgrund Behinderung, Eintritt vor dem 25. Lebensjahr, Übergangsregel 27. Lebensjahr).
- Grundsätzlicherforderlich: Rechnung und Überweisung.
- Nichtabziehbar: Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen.
Betreuungscharakter muss im Vordergrund stehen
Nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen vor, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbstständigten Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichts- oder Kurszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen (sprachlichen, musischen, sportlichen) Fähigkeiten in den Hintergrund rückt.
Nicht begünstigteAufwendungen
Entsprechendes gilt für sportliche und andere Freizeitbetätigungen. Nicht begünstigte Aufwendungen für derartige Aktivitäten liegen daher vor, wenn
- die Betätigung organisatorisch, zeitlich und räumlich getrennt von einer Kindertagesstätte, einem Schulhort oder einer ähnlichen Einrichtung stattfindet und
- dabei nicht die altersbedingt erforderliche Betreuung des Kindes, sondern die Aktivität im Vordergrund steht.
Quelle | BFH, Urteil vom 23.1.2025, III R 33/24 (III R 50/17)
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen hat die Stadt Marburg dazu verpflichtet, einer Studentin einen Bewohnerparkausweis zu erteilen, die ein in Tschechien zugelassenes Fahrzeug nutzt. |
Kfz in Tschechien zugelassen
Die Klägerin wohnt in einem Bewohnerparkgebiet der Beklagten. Sie nutzt ein Kraftfahrzeug ihres Vaters, der tschechischer Staatsangehöriger ist und das Fahrzeug in Tschechien zugelassen hat. Im Frühjahr 2024 beantragte sie bei der Stadt Marburg, ihr einen Bewohnerparkausweises zu erteilen. Dies lehnte die Stadt mit der Begründung ab, dass sie Bewohnerparkausweise für Fahrzeuge mit ausländischer Zulassung nicht erteilen könne. Im Rahmen des Klageverfahrens argumentierte die Stadt weiter, dass eine ausländische Zulassung gegen eine dauerhafte Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin spreche, weil ein im Ausland zugelassenes Kraftfahrzeug nur vorübergehend am Verkehr in Deutschland teilnehmen dürfe.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG bejahte hingegen den Anspruch der Studentin auf einen Bewohnerparkausweis. Bei der Klägerin handele es sich um eine Anwohnerin, die das betroffene Fahrzeug nachweislich dauerhaft nutze.
Gegen eine dauerhafte Nutzung spreche insbesondere nicht, dass Kraftfahrzeuge mit ausländischer Zulassung nur vorübergehend am Straßenverkehr in Deutschland teilnehmen dürfen. Es sei bereits nicht klar, ob das von der Klägerin genutzte Fahrzeug diese Voraussetzungen erfülle. Die Klägerin gab nämlich an, dass sie das Fahrzeug während der Semesterferien nicht in Deutschland nutze. Diese Prüfung obliege der Zulassungsbehörde, die je nach Einzelfall eine Untersagung des Betriebs im öffentlichen Straßenverkehr ohne deutsche Zulassung aussprechen könne.
Die Versagung eines Bewohnerparkausweises für im Ausland zugelassene Fahrzeuge entspreche nicht dem Zweck der Vorschriften. Ein Bewohnerparkgebiet diene dem Anwohnerinteresse, in innerstädtischen Wohnstraßen eine Abstellmöglichkeit für ein (dauerhaft) genutztes Kraftfahrzeug zu finden.
Quelle | VG Gießen, Urteil vom 13.11.2024, 6 K 2830/24.GI, PM vom 19.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Ein zur Nichtigkeit der entsprechenden Vereinbarung führender Verstoß gegen den im Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 656 d BGB) geregelten Grundsatz der hälftigen Teilung des Maklerlohns liegt vor, wenn ein Makler allein für den Verkäufer einer Immobilie tätig geworden ist und der Käufer zur Zahlung des vollen Honorars an den Makler verpflichtet wird. |
Das war geschehen
Die Kläger erwarben ein mit einer Doppelhaushälfte bebautesGrundstück. Mit der Vermittlung des Verkaufs hatte die Verkäuferin das beklagte Maklerunternehmen beauftragt. Für die Vermittlung der Immobilie entstand zugunsten der Beklagten gegenüber der Verkäuferin ein Maklerlohnanspruch in Höhe von 25.000 Euro. Der im Exposé zunächst vorgesehene Kaufpreis wurde um einen Betrag in dieser Höhe reduziert. Zugleich verpflichteten sich die Kläger gegenüber der Beklagten zur Zahlung eines Honorars in gleicher Höhe, das sie nach notarieller Beurkundung des Kaufvertrags bezahlten. Eine Maklerlohnzahlung durch die Verkäuferin erfolgte nicht. Die Kläger verlangten die Rückzahlung des geleisteten Betrags.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: § 656 d BGB ist nicht nur auf Vereinbarungen der Parteien des Kaufvertrags über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus untereinander anwendbar, sondern erfasst jegliche Art einer vertraglichen Vereinbarung, durch die unmittelbar oder mittelbar ein Anspruch des Maklers auf Zahlung oder Erstattung von Maklerlohn gegenüber der Partei des Kaufvertrags begründet wird, die nicht Partei des Maklervertrags ist. Umfasst sind daher auch alle auf eine Verpflichtung zur Zahlung oder Erstattung des Maklerlohns gerichteten Vereinbarungen des Maklers mit der Partei des Kaufvertrags, die nicht Partei des Maklervertrags ist.
Der Anwendbarkeit des § 656 d BGB steht es deshalb auch nicht entgegen, dass die Verkäuferin der Immobilie von der Pflicht, den vereinbarten Maklerlohn zu entrichten, gegenüber der Beklagten nicht entbunden war. Da die Käufer im Innenverhältnis zur Verkäuferin verpflichtet waren, den Maklerlohn in voller Höhe zu bezahlen, blieb die Verkäuferin als die Partei, die den Maklervertrag abgeschlossen hat, nicht zur Zahlung des Maklerlohns mindestens in gleicher Höhe verpflichtet.
Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung
Der Verstoß gegen § 656 d BGB führt zur Gesamtnichtigkeit einer entsprechenden Vereinbarung. Die Kläger können von der Beklagten die Rückzahlung des Maklerlohns in voller Höhe verlangen.
Quelle | BGH, Urteil vom 6.3.2025, I ZR 138/24, PM 45/25
| Eine 77-jährige Frau, die über einer Supermarktfiliale wohnt, tätigte dort ihre Einkäufe bis zu einem Hausverbot Anfang des Jahres 2024 durch die Filialleitung. Sie behauptet, das Hausverbot sei nach einer Beschwerde ihrerseits ohne ersichtlichen Grund erteilt worden. Sie sei gesundheitlich stark eingeschränkt und nicht in der Lage, längere Strecken zurückzulegen und daher auf die Filiale angewiesen. Ohne ein Betreten des Supermarkts sei ihr eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verwehrt. Das Amtsgericht (AG) München wies ihre Klage ab. |
Wiederholtes Fehlverhalten
Die Filialleitung begründete das Hausverbot mit wiederholtem Fehlverhalten. Die Münchnerin habe Kunden beim Betreten des Markts von ihrer Wohnung aus beschimpft, habe das Geschäft regelmäßig ohne Einkaufsabsicht aufgesucht, Mitarbeiter in Gespräche verwickelt und diese von der Arbeit abgehalten. Sie habe sich zudem immer wieder an der Frischetheke des Markts Ware aufschneiden lassen und diese dann, anstatt zu kaufen, im Laden abgelegt.
Da der Supermarkt sich weigerte, das Hausverbot zurückzunehmen, verklagte sie den Betreiber vor dem AG auf Gewährung des Zutritts zum Supermarkt – ohne Erfolg.
Hausrecht deckt Hausverbot
Der Beklagte ist als Betreiber des Supermarkts aufgrund seines Hausrechts grundsätzlich berechtigt, Kunden selbst ohne sachlichen Grund ein Hausverbot zu erteilen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein Fehlverhalten der Klägerin vorlag.
Dem Betreiber einer Einrichtung, die erhebliche Bedeutung für das gesellschaftliche und kulturelle Leben hat, wird eine besondere rechtliche Verantwortung zugewiesen, die es ihm verbietet, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund auszuschließen. Entgegen der Auffassung der Klägerin entscheidet die Verweigerung des Zutritts für sie nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Ein Supermarkt dient der Daseinsvorsorge in Form von Einkäufen des täglichen Bedarfs, insbesondere an Lebensmitteln, nicht der sozialen Interaktion oder des kulturellen Austauschs.
Klägerin konnte auf konkurrierenden Supermarkt ausweichen
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Monopolstellung oder sonstige strukturelle Überlegenheit des Beklagten vorliegt, die dazu führt, dass bestimmte Personen nicht ohne sachlichen Grund ausgeschlossen werden könnten. Eine solche Monopolstellung des Markts des Beklagten für die tägliche Daseinsvorsorge ist im konkreten Fall nicht gegeben. Der Beklagte hat unbestritten ausgeführt, dass in fußläufiger Entfernung (ab 500 Metern) weitere Supermärkte vorhanden sind, die somit auch für betagtere Kunden problemlos zu erreichen sind.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 11.10.2024, 142 C 18533/24, PM 12/25
| Legt beim Gebrauchtwagenkauf der Verkäufer den Fahrzeugbrief vor, kann sich der Käufer normalerweise darauf verlassen, dass er es auch tatsächlich mit dem Eigentümer und nicht mit einem Betrüger zu tun hat. Dieses Vertrauen kann aber erschüttert sein, wenn die Umstände des Verkaufs trotzdem Verdacht erregen müssen. Dann muss der Käufer im Betrugsfall das Fahrzeug dem wahren Eigentümer zurückgeben und bleibt auf dem gezahlten Kaufpreis als Schaden sitzen. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal (Pfalz) entschieden. Es hat die Klage eines Autokäufers abgewiesen, der auf einen Betrüger hereingefallen war. |
Autokäufer war auf Betrüger hereingefallen
Der Käufer hatte den PKW von einem Betrüger für mehr als 35.000 Euro erworben. Kurze Zeit nach dem Kauf beschlagnahmte die Polizei das Fahrzeug und gab es dem ursprünglichen Eigentümer zurück. Dieser verkaufte es anschließend für knapp 49.000 Euro weiter.
Den Kaufpreis reklamierte der betrogene Käufer für sich. Er sei trotz des Betrugs Eigentümer des Fahrzeugs geworden. Er sei im Internet auf das Fahrzeug gestoßen und habe sich im Saarland zur Besichtigung verabredet. Auf dem Weg dorthin habe er die Mitteilung erhalten, dass das Kind des Verkäufers einen Treppensturz erlitten habe und in einem Krankenhaus in Frankreich liege. Dorthin sei er nun umgeleitet worden, wo der Kauf auf dem Parkplatz durch Barzahlung auch abgewickelt worden sei. Der Betrüger habe einen vermeintlich echten Fahrzeugbrief und einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt. Er habe deshalb daran glauben dürfen, dass das Fahrzeug diesem auch gehört habe.
Umstände des Kaufs waren dubios, Zweifel daher angebracht
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Der Käufer habe trotz Vorlage des scheinbar echten Fahrzeugbriefs grob fahrlässig gehandelt und das Fahrzeug daher nicht gutgläubig erworben. Denn die Umstände des Verkaufs hätten beim Käufer Zweifel erregen müssen, dass er den wahren Eigentümer vor sich hatte. So habe dieser einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt, obwohl sein im Kaufvertrag genannter Wohnsitz Frankenthal gewesen sei und das Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen zugelassen war.
Kurzfristige Verlegung der Übergabe ins Ausland
Auffällig sei ferner, dass der Verkäufer ursprünglich als Treffpunkt das vom angegebenen Wohnort abweichende Dillingen/Saar genannt habe. Typisch für unlautere Automobilgeschäfte sei auch das Bargeschäft und die kurzfristige telefonische Verlegung des Verkaufsorts an einen fremden und noch dazu im Ausland befindlichen Ort. Nach alledem könne der Käufer dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entgehen und habe den Schaden selbst zu tragen, so der Richter.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 3.4.2025, 3 O 388/24, PM vom 22.5.2025
| Das Amtsgericht (AG) Berlin-Charlottenburg hat entschieden: Hatte der frühere Vermieter die Hundehaltung erlaubt, kann der in das Mietverhältnis eingetretene Vermieter diese Gestattung nur aus wichtigem Grund widerrufen. Dies gilt, auch wenn es sich um einen Kampfhund handeln sollte. Dass sich Mitmieter aufgrund der Größe und Kraft eines solchen Hundes subjektiv bedroht fühlen, reicht für den Widerruf nicht aus. |
Vorheriger Vermieter hatte Hundehaltung gestattet, neuer Vermieter widerrief Erlaubnis
Die Parteien eines Mietvertrags über ein möbliertes Apartment stritten um die Räumung und Herausgabe einer Wohnung. Der Kläger, der aktuelle Vermieter, war nachträglich in das Mietverhältnis eingetreten. Der beklagte Mieter hält einen Hund, was ihm ausdrücklich vom früheren Vermieter erlaubt worden war.
Der Kläger hat die Erlaubnis zur Hundehaltung im Juni 2023 widerrufen und die Haltung eines Kampfhundes untersagt. Der Beklagte sollte seinen Hund bis Ende Juni 2023 entfernen. Noch im Juni mahnte der Kläger den Beklagten wegen nicht gestatteter Tierhaltung ab. Anfang August 2023 kündigte der Kläger das Mietverhältnis ordentlich zum 30.11.2023 und begründete dies mit der weiteren Haltung eines Kampfhundes sowie des Einsetzens des Hundes als Druck- und Nötigungsmittel.
Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung
Der Kläger behauptete, bei dem vom Beklagten gehaltenen Tier würde es sich um einen Kampfhund handeln. Der Beklagte würde dieses Tier gegenüber Nachbarn im Objekt als Druck- und Nötigungsmittel einsetzen, um Vorrang auf Wegen oder im Treppenhaus zu erzwingen. Mehr als ein anderer Bewohner im Objekt habe Angst vor dem Hund, die wollten aber nicht namentlich genannt werden. Er verklagte den Mieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Der Mieter behauptete hingegen, es handele sich nicht um einen „Listenhund“, sondern um eine Mischung aus Old-English-Bulldog und Weimeraner. Er reichte dazu zwei Fotos sowie eine tierärztliche Bescheinigung und weitere Unterlagen ein.
So entschied das Amtsgericht
Der Vermieter kann das Mietverhältnis nur aus berechtigtem Interesse kündigen. Das ist z. B. der Fall, wenn der Mieter vertragliche Pflichten erheblich verletzt, indem er z. B. ein Tier trotz Abmahnung weiter hält.
Im Fall des AG war es aber anders: Der ursprüngliche Vermieter hatte die Hundehaltung erlaubt. Der – große und kräftige – Hund, war– ohne Maulkorb – stets an der Leine geführt worden. Beißvorfälle oder -versuche oder Bedrohungen von Nachbarn mit dem Hund konnten nicht bewiesen werden. Ein – subjektives – Bedrohtfühlen genügt nicht, um die Erlaubnis zu widerrufen.
Quelle | AG Charlottenburg, Urteil vom 30.5.2024, 218 C 243/23
| Ein Streit um einen Erbschein hat kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Eine Erbin hatte falsche Angaben gemacht – mit unangenehmen Folgen. |
Wahrheitswidrige Angaben zum Testament
Eine Frau hatte nach dem Tod ihrer Mutter einen Erbschein beantragt, um als Alleinerbin ausgewiesen zu werden. Sie berief sich dabei auf ein Testament, machte aber falsche Angaben: Sie versicherte eidesstattlich, dass das Testament von der Verstorbenen eigenhändig verfasst worden sei. In Wirklichkeit hatte jedoch die Tochter das Testament geschrieben und die Mutter nur ihre Unterschrift darunter gesetzt.
Testament muss eigenhändig geschrieben sein
Die falschen Angaben betrafen einen entscheidenden Punkt: Ein Testament muss eigenhändig geschrieben oder von einem Notar beurkundet werden. Eigenhändig heißt, dass der Erblasser es komplett selbst und von Hand niederschreiben muss. Die bloße Unterschrift der Mutter reichte deshalb nicht aus – das Testament war unwirksam. Statt des Testaments galt die gesetzliche Erbfolge, das heißt: Die Antragstellerin musste sich das Erbe mit ihren Geschwistern teilen.
Streit um Anwaltskosten
Im Erbscheinverfahren vor dem Amtsgericht (AG) wurden die falschen Angaben aufgeklärt. Der Streit war damit aber nicht erledigt. Denn die Geschwister hatten Anwälte beauftragt, um gegen den unberechtigten Antrag vorzugehen. Zwei Schwestern verlangten die Erstattung der angefallenen Anwaltskosten. Das OLG gab ihnen nun Recht.
Mögliche strafrechtliche Konsequenzen
Für die unterlegene Schwester hat dies nicht nur finanzielle Folgen: Die Akten werden nun der Staatsanwaltschaft übergeben, denn eine falsche eidesstattliche Versicherung ist strafbar. Das OLG sah einen entsprechenden Anfangsverdacht; bis zu einer möglichen Entscheidung im Strafverfahren gilt für die Betroffene die Unschuldsvermutung.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 9.1.2025, 6 W 156/24, PM vom 20.2.2025
| Das Zerreißen eines Testaments durch den Erblasser ist eine Widerrufshandlung. Es wird gesetzlich vermutet, dass dieser Widerrufshandlung eine Widerrufsabsicht zugrunde lag. Die Aufbewahrung des zerrissenen Testaments im Schließfach widerlegt diese Vermutung nicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die Beschwerde des in dem zerrissenen Testament Begünstigten gegen einen auf Basis gesetzlicher Erbfolge erteilten Erbschein zurückgewiesen. |
Testament zerrissen, aber aufbewahrt
Der Erblasser war mit seiner Frau in letzter Ehe kinderlos verheiratet. Nach seinem Versterben beantragte die Frau einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Das Nachlassgericht erteilte den Erbschein, der die Frau neben der Mutter des Erblassers als Erben auswies. Zwei Monate später öffneten die Frau und ein Vertreter der Mutter des Erblassers das Schließfach des Erblassers. Dort befand sich ein handschriftliches Testament, das eine andere Person begünstigte. Es war längs in der Mitte durchgerissen. Das Nachlassgericht hat den Antrag des Begünstigten abgelehnt, den bereits erteilten Erbschein im Hinblick auf das nun aufgefundene, zerrissene Testament einzuziehen.
Widerruf durch schlüssige Handlung
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das Nachlassgericht habe die Einziehung des Erbscheins zu Recht abgelehnt, da dieser nicht unrichtig geworden sei. Der Begünstigte sei nichttestamentarischer Erbe geworden. Der Erblasser habe das den Begünstigten alsErben einsetzende Testament durch schlüssige Handlung widerrufen.
Durch das Zerreißen des Testaments in der Mitte habe derErblasser das Testament vernichtet. Es liege insoweit eine Widerrufshandlungvor. Das Testament sei unzweifelhaft auch „nicht durch äußere Einflüsse „anderweitig“ in zwei Teile geraten“. Dafür spreche, dass das Papier mittig, aber nicht vollständig gerade getrennt worden sei. Die Trennränder seien zudem nicht glatt. Anhaltspunkte für ein – ggf. sachverständig aufzuklärendes – anderweitiges Trennen des Schriftstücks in zwei Teile lägen nicht vor. Es sei auch davon auszugehen, dass der Erblasser selbst das Testament zerrissen habe, da nur er Zugang zum Bankschließfach gehabt habe. Nach den Angaben der bei Öffnung des Schließfachs Anwesenden bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Testament beim Öffnen oder Schließen des Schließfachs versehentlich von einer dritten Person zerrissen worden sei.
Gesetzliche Vermutung nicht widerlegt
Es werde gesetzlich vermutet, dass diese Widerrufshandlung mit Widerrufsabsicht erfolgte. Indizien, die diese Vermutung widerlegen würden, seien nicht erkennbar. Warum der Erblasser das zerstörte Testament im Schließfach aufbewahrte, sei zwar nicht nachvollziehbar. Dies allein genüge aber nicht zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung. Der Erblasser habe ausweislich der dokumentierten 31 Öffnungen des Schließfachs dieses offensichtlich nicht ausschließlich zur Aufbewahrung eines ungültigenTestaments angemietet.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.4.2025, 21 W 26/25, PM 26/25
| Das Landgericht (LG) Berlin II hat eine Energieberatungsfirma zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von rund 6.000 Euro wegen einer Falschberatung verurteilt. Aufgrund der Falschberatung habe der Kläger – ein Verbraucher – Fenster und Dachfenster mit zu hohen Wärmedurchgangskoeffizienten einbauen lassen, die daher nicht förderfähig seien. |
Förderleistungen beantragt – Bundesamt lehnt ab
Der Kläger hatte die Beklagte mit der Energieberatung für die energetische Sanierung seines Einfamilienhauses beauftragt. In Zusammenarbeit mit der Beklagten beantragte er beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Förderleistungen gemäß der Richtlinie der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG-Richtlinie) und erhielt einen entsprechenden Zuwendungsbescheid. Anschließend holte er Angebote für die Sanierungsmaßnahmen ein und schickte sie der Beklagten, die diese nicht beanstandete.
Für den Verwendungsnachweis der Fördermittel gab der Kläger in Absprache mit der Beklagten die Wärmedurchgangskoeffizienten an, die mit den verbauten Dämmmaterialien an der Gebäudehülle erreicht werden konnten – für das Dach und die Geschossdecke einen Koeffizienten von 0,2, für die Fenster von 1,1 und für die Dachflächenfenster von 1,3. Das Bundesamt teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die technischen Mindestanforderungen bei der Sanierung nicht erreicht seien und hob den Förderbescheid teilweise auf. Die BEG-Richtlinie fordert Koeffizienten an Dachgebilden von 0,14 und an Fenstern von 0,95 bzw. 1,0 bei Dachflächenfenstern.
Energieberater muss Förderleistung zahlen
Das Gericht sprach dem Kläger nun Schadenersatz in Höhe der eigentlich zu gewährenden Förderungssumme zu. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur fachlich zutreffenden Beratung verletzt. Sie hätte insbesondere die vom Kläger vorgelegten Angebote auf ihre Förderungsfähigkeit prüfen müssen.
Der Verweis der Beklagten, der Kläger hätte sich selbst über die förderungsrelevanten Wärmedurchgangskoeffizienten informieren können, führe ihr Leistungsangebot ad absurdum. Es sei gerade ihre Hauptleistungspflicht, einen Verbraucher und Laien über die Richtlinien und Richtwerte fachlich zu beraten. Darüber hinaus habe die Beklagte den Kläger falsch beraten, weil sie selbst von falschen Werten ausgegangen sei. Rechtsirrig habe sie in E-Mails an den Kläger auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und nicht auf die Werte der BEG-Richtlinie verwiesen. Die Beratung sei auch deshalb unzureichend und fehlerhaft gewesen.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23, PM 3/25
| Bei einer mehr als unerheblichen Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks scheidet die Annahme eines faktischen Kerngebiets aus, also als Gebiet, das vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Stadt versagte Nutzung eines Gebäudes als Spielhalle
Die Klägerin begehrt einen Bauvorbescheid für die Nutzung eines Geschäftsgebäudes in der Innenstadt der Beklagten als Spielhalle. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, der Widerspruch blieb erfolglos.
Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht sahen das anders
Das Verwaltungsgericht (VG) gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) zurück. Das Vorhaben sei als Vergnügungsstätte zulässig. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Kerngebiet i. S. d. Baunutzungverordnung (hier: § 7 BauNVO). Die nicht unerhebliche, aber noch untergeordnete Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks stehe dieser Einordnung nicht entgegen, obwohl sie im vorhandenen Umfang nur aufgrund von Festsetzungen in einem Bebauungsplan zulässig wäre.
Bundesverwaltungsgericht rügte mangelnde Tatsachenfeststellung
Das BVerwG hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Auffassung des OVG, dass ein faktisches Kerngebiet auch bei einer nicht unerheblichen Wohnnutzung vorliegt, steht mit der Regelungssystematik der Baunutzungsverordnung nicht in Einklang. Die Verweisung in § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB auf die §§ 2 ff. BauNVO findet dort eine Grenze, wo die Baunutzungsverordnung eine planerische Entscheidung der Gemeinde vorsieht. Der Verordnungsgeber hat die Entscheidung darüber, ob die sonstige Wohnnutzung in einem Kerngebiet über Ausnahmen hinausgehen darf, der Gemeinde überlassen. Ihr Spielraum darf bei der Einordnung als faktisches Kerngebiet nicht übergangen werden. Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen konnte das BVerwG nicht abschließend entscheiden.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 20.5.2025, 4 C 2.24, PM 37/25
| Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf der Grundlage von über 2.300 geleisteten Mehrarbeitsstunden im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer für mehrere Monate frei, muss er ihm in diesen Monaten das Entgelt nach dem Lohnausfallprinzip zahlen, also das Entgelt, das zu zahlen gewesen wäre, wenn der Arbeitnehmer in diesen Monaten gearbeitet hätte. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |
Das LAG: Nichts anderes ergibt sich, wenn die unstreitige Mehrarbeit vor 20 Jahren geleistet worden war, also in einem Zeitraum, für den die Parteien ein viel geringeres Bruttomonatsentgelt vereinbart hatten.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 23.8.2024, 6 Sa 663/23
| Ein Bewerber um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugdienst kann verlangen, nicht wegen eines genetisch bedingten erhöhten Thromboserisikos vom Bewerbungsverfahren der Bundespolizei ausgeschlossen zu werden. Bei der beim Kläger diagnostizierten sog. Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich um einen angeborenen Gendefekt, bei dem es zu Störungen der Blutgerinnung kommt und der mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergeht. Die Entscheidung der Bundespolizeiakademie, die Bewerbung des Klägers um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst im Jahr 2023 aufgrund fehlender gesundheitlicher Eignung nicht zu berücksichtigen, hatte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Aachen keinen Bestand. Über die Bewerbung des Klägers muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden werden. |
Geringe Risiken
Zur Begründung hat das VG ausgeführt, dass es bereits in erheblichem Maße zweifelhaft ist, ob hinreichende sachliche Gründe für den Ausschluss von Beamten mit einem solchen Gendefekt bestehen. Denn das durch eine solche Mutation bedingte Thromboserisiko ist verhältnismäßig gering. In der beim Kläger vorliegenden Form ist es zwar gegenüber gesunden Menschen erhöht, entspricht jedoch ungefähr dem Thromboserisiko durch die Einnahme der Antibabypille bei Frauen und damit einem Risiko, das der Dienstherr als hinnehmbar ansieht.
Ergebnisse der genetischen Untersuchung durften nicht mitgeteilt werden
Unabhängig davon durfte der Gendefekt nicht zulasten des Klägers im Einstellungsverfahren berücksichtigt werden, weil er aufgrund einer genetischen Untersuchung diagnostiziert wurde. Die Mitteilung des diesbezüglichen Ergebnisses durfte die Bundespolizei aus Rechtsgründen nicht verlangen.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 10.3.2025, 1 K 1304/23, PM vom 10.3.2025
| Die Verwendung eines abstrakt gefährlichen Gegenstands – hier eines Klappmessers – zu einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch – hier Reparaturversuch an einer Uhr – läuft den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider und steht deshalb der Anerkennung eines Unfallereignisses als Dienstunfall entgegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Mit dem Messer versucht, Klemmfeder zu richten
Der mittlerweile pensionierte Kläger war Polizeivollzugsbeamter im saarländischen Landesdienst. Im April 2019 erstattete er bei seiner Dienststelle eine Dienstunfallanzeige. Danach habe er zu Dienstbeginn festgestellt, dass die sonst über der Tür hängende Wanduhr auf der Fensterbank gelegen habe. Es sei ihm aufgefallen, dass die Batterie der Uhr unsachgemäß im Batteriefach gesteckt habe und die Klemmfeder verbogen gewesen sei. Er habe mit seinem Klappmesser die verbogene Feder wieder richten wollen. Hierbei sei das Messer zugeschnappt und er habe sich einen tiefen Schnitt am kleinen Finger der rechten Hand zugezogen.
Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls
Sein Antrag auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall ist behördlich und in den beiden gerichtlichen Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwiderlaufe, wenn ein Beamter sich ohne Not einem Verletzungsrisiko durch Hantieren mit einem privaten, abstrakt gefährlichen Gegenstand aussetze, dessen Funktionstauglichkeit der Dienstherr nicht prüfen könne.
Keine dienstliche Aufgabe
Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall. Zwar hat sich der Unfall in einem Dienstgebäude zur Dienstzeit ereignet und ist damit grundsätzlich als „in Ausübung des Dienstes eingetreten“ vom Dienstunfallschutz erfasst. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Reparatur der Uhr nicht zu den dienstlichen Aufgaben des Klägers als Polizeibeamter gehörte. Dienstunfallschutz wird jedoch nicht gewährt, wenn dieTätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft. Das ist hier der Fall.
Entgegen den Interessen des Dienstherrn
Dabei kann dahinstehen, ob es sich um ein Einhandmesser im Sinne des Waffengesetzes handelte und das Führen des Messers bereits deshalb verboten war. Jedenfalls lief die Benutzung dieses Messers zum Zweck einer Uhrreparatur den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider. Das verwendete Messer ist ein abstrakt gefährlicher Gegenstand, der für den Zweck der Reparatur ersichtlich nicht bestimmt und nicht geeignet war.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 13.3.2025, 2 C 8.24, PM 16/25
| Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellt den Arbeitnehmer trotz dessen Beschäftigungsanspruchs von der Arbeit frei, unterlässt der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig in Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 615 S. 2 BGB) anderweitigen Verdienst, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis eingeht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Das war geschehen
Der Kläger war seit November 2019 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Senior Consultant gegen eine monatliche Vergütung von 6.440 Euro brutto. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.3.2023 ordentlich zum 30.6.2023 und stellte den Kläger unter Einbringung von Resturlaub unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht (ArbG) am 29.6.2023 statt, die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) am 11.6.2024 zurückgewiesen.
Arbeitgeber schlug Stellenangebote vor
Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Kläger Anfang April 2023 arbeitssuchend und erhielt von der Agentur für Arbeit erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge. Die Beklagte übersandte ihm hingegen schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote, die nach ihrer Einschätzung für den Kläger in Betracht gekommen wären.
Arbeitnehmer bewarb sich – aber erst zum Beschäftigungsende
Auf sieben davon bewarb sich der Kläger, allerdings erst ab Ende Juni 2023. Nachdem die Beklagte dem Kläger für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, hat er diese mit einer Klage geltend gemacht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewendet, der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bei der Beklagten bezogenen Gehalts anrechnen lassen.
Arbeitgeber war durch einseitige Freistellung im Annahmeverzug
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) ihr stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Beklagte befand sich aufgrund der von ihr einseitig erklärten Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug und schuldet dem Kläger (nach § 615 S. 1 BGB iVm. § 611 a Abs. 2 BGB) die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss sich der Kläger nicht (nach § 615 S. 2 BGB) anrechnen lassen. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil ist nur gerechtfertigt, wenn dieser wider Treu und Glauben (nach § 242 BGB) untätig geblieben ist. Weil § 615 S. 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend hiervon bestand für ihn keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Beklagten ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.
Quelle | BAG, Urteil vom 12.0.2025, 5 AZR 127/24, PM 6/2
| Mit dem vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) wurden die Aufzeichnungspflichten für Verrechnungspreiszwecke in der Abgabenordnung (hier: § 90 Abs. 3 und Abs. 4 AO) angepasst. Ein neuer Bestandteil ist die Transaktionsmatrix. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat hierzu nun Stellung bezogen. |
Transaktionsmatrix: Tabelle mit vorgegebenen Elementen
Die Transaktionsmatrix ist eine tabellarische Übersicht, die relevante Informationen zu grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen des Steuerpflichtigen mit nahestehenden Personen und Betriebsstätten enthält.
Das BMF führt auf, was in der Transaktionsmatrix anzugeben ist:
- Gegenstand und Art der Geschäftsvorfälle (z. B. Warenlieferung und Dauersachverhalt),
- an den Geschäftsvorfällen Beteiligte unter Kennzeichnung von Leistungsempfänger und Leistungserbringer,
- Volumen und Entgelt (in EUR) der Geschäftsvorfälle (z. B. Darlehensvolumen und Zins oder Entgelt für eine Warenlieferung oder Dienstleistung),
- vertragliche Grundlage (Benennung der Vertragsunterlage),
- angewandte Verrechnungspreismethode (z. B. Kostenaufschlagsmethode oder Preisvergleichsmethode),
- betroffene Steuerhoheitsgebiete und
- Angabe, ob Geschäftsvorfälle nicht der Regelbesteuerung im betreffenden Steuerhoheitsgebiet unterliegen
Zudem sind dem Schreiben als Anlage zwei Beispiele für eine Transaktionsmatrix angefügt. Abweichungen durch den Steuerpflichtigen sind nur unter den im Schreiben genannten (zeitlichen) Voraussetzungen zulässig.
Vorgaben ab 2025
Bei einer Außenprüfung sind ab 2025 (ohne gesondertes Verlangen) innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen: die Stammdokumentation bei Überschreiten der Größenklassen, Aufzeichnungen über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle und die Transaktionsmatrix.
Transaktionsmatrix auch für Vorjahreszeiträume
Da eine Prüfungsanordnung, die im Jahr 2025 ergeht, i. d. R. auch Prüfungszeiträume vor 2025 umfasst, muss eine Transaktionsmatrix in diesen Fällen auch für die Vorjahre erstellt werden. Die 30-Tage-Frist gilt für ein im Jahr 2025 gestelltes Vorlageverlangen hinsichtlich der Transaktionsmatrix, auch wenn die Prüfungsanordnung vor 2025 ergangen ist.
Beachten Sie | Werden keine ertragsteuerlichen Auslandssachverhalte geprüft, sind die o. g. Unterlagen nur auf gesondertes Verlangen vorzulegen.
Quelle | BMF, Schreiben vom 2.4.2025, IV B 3 - S 0225/00019/004/009
| In einem Verfahren vor dem Landgericht (LG) Frankfurt a. M. klagte ein Hersteller u. a. von Mobilfunkgeräten mit Niederlassung in Deutschland gegen ein in der Volksrepublik China ansässiges Unternehmen. Die chinesische Beklagte ist Inhaberin von Patenten, die für mehrere Mobilfunkstandards essenziell sind. Sie hat sich dazu verpflichtet, Lizenzen für diese Patente zu fairen Bedingungen zu erteilen. Die Klägerin wollte mit ihrer Klage erreichen, dass die chinesische Beklagte ihr Mobilfunklizenzen zu bestimmten Konditionen gewährt. |
Beschleunigung des Verfahrens
Zur Durchführung des Verfahrens bedarf es zunächst der förmlichen Zustellung der Klageschrift. Grundsätzlich wäre die Zustellung im Wege der Rechtshilfe unter Beteiligung chinesischer Stellen am Sitz der Beklagten in der Volksrepublik China vorzunehmen. In Ausnahmefällen kann nach der Zivilprozessordnung (ZPO) jedoch davon abgesehen werden und das Gericht eine öffentliche Zustellung anordnen, etwa wenn die Zustellung im Ausland keinen Erfolg verspricht. Das hat das LG hier für die Zustellung in der Volksrepublik China angenommen. Es hat eine öffentliche Zustellung bewilligt.
Das LG: Das Gebot eines wirkungsvollen Rechtsschutzes erfordert, dass dieser in angemessener Zeit zu erlangen ist. Keinen Erfolg verspricht die Zustellung daher, wenn die Durchführung einen derart langen Zeitraum in Anspruch nehmen würde, dass ein Zuwarten der betreibenden Partei billigerweise nicht zugemutet werden kann. Für die Entscheidung der Frage, ob die Dauer einer Zustellung im Wege der Rechtshilfe nicht mehr zumutbar ist, bedarf es einer Abwägung der beiderseitigen Interessen.
Der übliche Weg dauert zu lange
Die Klägerin, so das LG, habe dargelegt, dass die Auslandszustellung in der Volksrepublik China nicht stets gelingt und auch dann einen Zeitraum von deutlich mehr als einem Jahr in Anspruch nimmt. Nach der Erfahrung anderer deutscher Gerichte, die sich mit der Erfahrung der Kammer deckt, nimmt die Zustellung in der Volksrepublik China einen erheblichen Zeitraum in Anspruch. Bei dieser Sachlage überwiegen die Interessen der Klägerin auf effektiven Rechtsschutz die Interessen der Beklagten im Hinblick auf die Gefährdung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Das LG hat der Klägerin allerdings aufgegeben, die Beklagte auf nicht-förmlichem Weg zu informieren, dass hier in Deutschland die öffentliche Zustellung der Klage erfolgt.
Quelle | LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 15.1.2025, 2-06 O 426/24, PM vom 7.2.2025
| Das Landgericht (LG) München I hat im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass einem Online-Apotheken-Anbieter die Bewerbung der sog. „Abnehmspritze“ gegenüber Endverbrauchern in ihrer konkreten Form untersagt ist. |
Fragebogen ausfüllen, Medikament bekommen?
Eine Apothekenkammer wendete sich in ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dagegen, dass eine in den Niederlanden ansässige Online-Apotheke gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland für Fernbehandlungen mit dem Ziel der Verschreibung von Arzneimitteln zur Gewichtsreduktion/Adipositas wirbt, wobei die Behandlung lediglich in der ärztlichen Überprüfung eines durch den Nutzer auf einer Plattform ausgefüllten Fragebogens besteht. Für die Verschreibung des Medikaments durch die beklagte Online-Apotheke ist hierbei nach der Werbung zur Bestellung lediglich das Ausfüllen eines Fragebogens erforderlich, welcher nach Vortrag der Antragsgegnerin sodann von einem (nicht in Deutschland ansässigen) Arzt vor der Verschreibung überprüft wird.
Zulässige Fernbehandlung?
Die beklagte Apotheke hatte gegen ein Verbot eingewandt, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verspätet sei. Die Antragsstellerin kenne das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin bereits aus einem anderen Verfahren, dessen Gegenstand Medikamente zur Behandlung erektiler Dysfunktion waren. Beworben und umschrieben werde außerdem lediglich eine „Gewichtsverlustbehandlung“; dies lasse keinen zwingenden Schluss auf die Abnehmspritze zu. Dies sei zulässig und verstoße nicht gegen das Heilmittelwerbegesetz. Das Ausfüllen eines Fragebogens, der dann von einem Arzt überprüft werde, sei auch eine zulässige Fernbehandlung unter Verwendung von Kommunikationsmedien, bei der ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich sei.
Landgericht: kein allgemein anerkannter fachlicher Standard
Dem folgte das LG nicht: Die Fernbehandlung von Adipositas mittels Ausfüllens eines Fragebogens entspreche nicht allgemein anerkannten fachlichen Standards. Vielmehr sei vor der Verschreibung einer Abnehmspritze ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen erforderlich. Dies ergebe sich bereits aus den „Warnhinweisen“, die die beklagte Apotheke dem Gericht selbst vorgelegt habe: In diesen werde auf zahlreiche Nebenwirkungen, wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, Hypoglykämie (bei Patienten mit Typ-2-Diabetes) und Schwindel, auf das Risiko der Unterzuckerung und darauf hingewiesen, dass die Behandlung eingestellt werden sollte, wenn man in drei Monaten nach Behandlungsbeginn nicht mindestens 5 % seines Körpergewichts verliere.
Darüber hinaus werde in den von der Beklagten selbst vorgelegten Unterlagen ausgeführt, dass eine regelmäßige Nachsorge und Überwachung während einer Gewichtsreduktion unbedingt erforderlich sei. Gerade diese, von der beklagten Apotheke selbst für erforderlich gehaltene regelmäßige Nachsorge erfordere aber zwingend einen persönlichen ärztlichen Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen, welcher weder von der beklagten Apotheke noch von den verschreibenden Ärzten – schon aufgrund der räumlichen Distanz – geleistet werden könne.
Hinzu komme, dass ausweislich der Patientenleitlinie zur Diagnose und Behandlung der Adipositas der deutschen Adipositasgesellschaft zahlreiche Untersuchungen, u. a. des Bluts und des Urins, nötig seien, um Adipositas zu diagnostizieren und zu behandeln. Dies könne daher gerade nicht im Wege der Fernbehandlung erfolgen.
Werbung für den Absatz von Medikamenten
Es handele sich bei der Werbung der Beklagten ferner nicht um die Werbung für eine Behandlung als solche, wie diese vorgetragen habe, sondern um die Werbung für den Absatz von Medikamenten. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Werbung. Um welche Gruppe von Präparaten es sich hierbei handele, wüssten die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der Kammer gehörten, bereits deshalb, weil „die Abnahmespritze“ in jüngster Zeit starke mediale Aufmerksamkeit erfahren habe.
Quelle | LG München I, Beschluss vom 3.3.2025, 4 HK O 15458/24, PM 3/25
| Wann haben Leiharbeitnehmer beim Entleiher eine erste Tätigkeitsstätte? Zu dieser Frage gibt es neue Entwicklungen bzw. ist ein Verfahren beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig: Liegt bei Leiharbeitnehmern eine dauerhafte Zuordnung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 4 S. 3 Altern. 2 EStG, Zuordnung für die Dauer des Dienstverhältnisses) zu einer ersten Tätigkeitsstätte vor, wenn ein befristetes Beschäftigungsverhältnis zum Personaldienstleister (Verleiher) wiederholt vor Ablauf der Befristung bei unverändertem Vertragsinhalt verlängert wird und jeweils eine Verlängerung der befristeten Zuordnung zu demselben Entleiher bei unverändertem Einsatzort erfolgt? |
Hintergrund: Bei einer ersten Tätigkeitsstätte ist der Arbeitnehmer beim Kostenabzug auf die Entfernungspauschale beschränkt. Handelt es sich allerdings um eine Auswärtstätigkeit, kann er seine Fahrtkosten (ggf. auch Verpflegungsmehraufwand) nach Reisekostengrundsätzen geltend machen, was steuerlich günstiger ist.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.6.2024, 12 K 38/24, Rev. BFH: VI R 2/25
| Für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Baudenkmäler und in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen belegene Gebäude können unter bestimmten Voraussetzungen Abzugsbeträge nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 f EStG) über zehn Jahre wie Sonderausgaben geltend gemacht werden. Verstirbt nun der Steuerpflichtige vor Ablauf des zehnjährigen Abzugszeitraums, kann der Erbe die Abzugsbeträge des Erblassers nicht fortsetzen. Dies entschied das Finanzgericht (FG) Sachsen-Anhalt |
Das gilt selbst dann, wenn der Erbe das Gebäude zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Gegen dieses Urteil des FG Sachsen-Anhalt ist die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig. Bis zu einer Entscheidung des BFH können geeignete Fälle mit einem Einspruch somit offengehalten werden.
Quelle | FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.7.2024, 1 K 903/21; Rev. BFH, X R 23/24
| Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten stellt sich oft die Frage, wem das Besteuerungsrecht zusteht. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei Entscheidungen die Voraussetzungen konkretisiert, die im grenzüberschreitenden Sachverhalt im Anwendungsbereich eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) zu einer ausländischen Betriebsstätte führen. Aus einer solchen Betriebsstätte erzielt der Steuerpflichtige in der Regel Einkünfte, die im Inland steuerfrei sind und nur der ausländischen Besteuerung unterliegen. |
Taxiunternehmen mit Büro in der Schweiz
Ein in Deutschland lebender Taxiunternehmer hatte wegen seiner Mitgliedschaft in einer Schweizerischen Taxifunkzentrale Zugang zu deren Büroraum in der Schweiz. Dieser Raum war mit drei Arbeitsplätzen eingerichtet und stand insgesamt drei Taxiunternehmern zur Verfügung.
Der Taxiunternehmer nutzte den Büroraum (einschließlich eines abschließbaren Standcontainers) für geschäftsleitende Tätigkeiten sowie für die Personalverwaltung seiner angestellten Taxifahrer, die Vorbereitung der laufenden Buchführung, das Rechnungswesen, die Finanzkontrolle sowie die Kontrolle der Einhaltung behördlicher Auflagen.
Der BFH bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg, die Einkünfte des Taxiunternehmers in Deutschland unter Progressionsvorbehalt steuerfrei zu stellen, da in der Schweiz die Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte erfüllt sind.
„Verwurzelung“ mit dem im Ausland belegenen Ort bei Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit
Hierfür ist die „Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem im Ausland belegenen Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit maßgebend. Diese Verwurzelung folgt aus einer Gesamtwürdigung der in Wechselwirkung zueinander stehenden Merkmale der zeitlichen und örtlichen Festigkeit der Geschäftseinrichtung sowie der dauerhaften Verfügungsmacht des Unternehmens über diese Geschäftseinrichtung.
Der persönliche Standcontainer ist insoweit ein Indiz für die dauerhafte Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung (hier: den Büroraum). Darüber hinaus wurden in dem Büroraum nicht nur Hilfstätigkeiten ausgeübt.
Die Haupttätigkeit eines Taxiunternehmers mit mehreren angestellten Taxifahrern erschöpft sich nicht allein im Fahren von Taxis zum Zwecke der Personenbeförderung. Vielmehr gehören hierzu auch die geschäftsleitenden und zentralen unternehmerisch-administrativen Tätigkeiten, die der Taxiunternehmer in dem Büroraum in der Schweiz ausgeübt hat.
Zeitliche Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte
In einem weiteren Verfahren ging es um die zeitlichen Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte. Sowohl für das Innehaben der Geschäftseinrichtung als auch für die unternehmerische Tätigkeit, die in der Geschäftseinrichtung ausgeübt wird, hat der BFH eine Mindestdauer von sechs Monaten festgelegt.
Sechs Monate Mindestdauer ohne Ausnahme
Ein Unternehmen, das nur weniger als sechs Monate existiert, rechtfertigt selbst dann keine Ausnahme, wenn die Tätigkeit dieses Unternehmens vollständig in der ausländischen Geschäftseinrichtung ausgeübt wurde.
Quelle | BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 47/21; BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 39/21; PM 26/25 vom 2.5.2025
| Die gesetzlichen Altersrenten werden im Rahmen der jährlichen Rentenanpassung zum 1.7.2025 um 3,74 % steigen. Der Bundesrat hat einer entsprechenden Verordnung zugestimmt. |
Beachten Sie | Die Rentenanpassung kann dazu führen, dass Rentner erstmals in die Steuerpflicht rutschen und eine Steuererklärung abgeben müssen. Eine Steuerpflicht tritt aber nur ein, wenn der steuerpflichtige Teil der Jahresbruttorente – zuzüglich weiterer Einkünfte (z. B. aus einer Vermietung) und unter Berücksichtigung etwaiger Freibeträge und sonstiger Abzugsbeträge – den steuerlichen Grundfreibetrag übersteigt. Für das Jahr 2024 beträgt der Grundfreibetrag 11.784 Euro pro Jahr, für 2025 sind es 12.096 Euro. Bei einer steuerlichen Zusammenveranlagung von Eheleuten gelten die doppelten Werte.
Quelle | Rentenwertbestimmungsverordnung 2025, BR-Drs.190/25
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hatte 2023 entschieden: Überträgt der Steuerpflichtige schenkweise einen Miteigentumsanteil an einem Vermietungsobjekt, ohne auch die Finanzierungsdarlehen anteilig zu übertragen, kann er die Schuldzinsen nur noch anteilig entsprechend seinem verbliebenen Miteigentumsanteil abziehen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat diese Sichtweise nun bestätigt, sodass die auf den übertragenen Miteigentumsanteil entfallenden Schuldzinsen nicht als (Sonder-)Werbungskosten zu berücksichtigen sind. |
Das war geschehen
Der Alleineigentümer (Vater) einer vermieteten Immobilie hatte einen ideellen 2/5-Miteigentumsanteil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich auf seinen Sohn übertragen. Die Grundschuld wurde von dem Sohn entsprechend seinem Miteigentumsanteil zur dinglichen Haftung übernommen. Zu einer schuldrechtlichen Schuldübernahme bzw. einem Schuldbeitritt zur Darlehensschuld gegenüber der Bank kam es jedoch nicht.
In der Feststellungserklärung für die Grundstücksgemeinschaft bzw. die Vermietungs-GbR wurden Darlehenszinsen in voller Höhe geltend gemacht. Diese berücksichtigte das Finanzamt allerdings nur zu 3/5 (= Anteil des Vaters).
Die hiergegen gerichtete Klage blieb ebenso erfolglos wie die Revision.
Von Finanzierung der Einkünfteerzielungstätigkeit zur Finanzierung der Schenkung
Durch die unentgeltliche Übertragung des Miteigentumsanteils wurde insoweit der (objektive) wirtschaftliche Zusammenhang der zur Finanzierung der Anschaffung der Immobilie aufgenommenen Darlehen zur bisherigen Einkünfteerzielungstätigkeit gelöst. Fortan dienten die Darlehen der Finanzierung der Schenkung.
Beachten Sie | Das FG Niedersachsen hatte die Revision im Hinblick auf folgende Frage zugelassen: Ist es gerechtfertigt, den Sachverhalt bei einer vermögensverwaltenden GbR (wie im Streitfall) anders zu behandeln als bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb? Und das hat der BFH eindeutig mit „ja“ beantwortet.
Die Begründung: Das Einkommensteuerrecht wird vom Dualismus der Einkunftsarten (Gewinn- und Überschusseinkünfte) bestimmt. Die unterschiedliche Erfassung von Wertsteigerungen bzw. -minderungen im Betriebs- und Privatvermögen ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar.
Quelle | BFH, Urteile vom 3.12.2024, IX R 2/24 und IX R 3/24
| Eine Frau muslimischen Glaubens ist vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin mit einer Klage gescheitert, mit der sie eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kraftfahrzeugs mit einem Gesichtsschleier erstreiten wollte. |
Nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) dürfen Personen, die ein Kraftfahrzeug führen, ihr Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken, dass sie nicht mehr erkennbar sind (Verhüllungsverbot). Die Klägerin hatte geltend gemacht, ihr muslimischer Glaube gebiete es, dass sie sich außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Auch im Auto sei sie den Blicken fremder Menschen ausgesetzt. Daher müsse ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Ihren Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Ausnahmegenehmigung hatte das Land Berlin abgelehnt. Dagegen richtete sich die Klage.
Das VG hat die Klage abgewiesen. Eine Ausnahmegenehmigung könne die Klägerin auch mit Blick auf ihre grundrechtlich geschützte Religionsfreiheit nicht beanspruchen. Diese müsse nach Abwägung aller widerstreitenden Interessen hinter anderen Verfassungsgütern zurücktreten. Das Verhüllungsverbot gewährleiste eine effektive Verfolgung von Rechtsverstößen im Straßenverkehr, indem es die Identifikation der Verkehrsteilnehmer ermögliche, etwa im Rahmen von automatisierten Verkehrskontrollen. Es diene zudem dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums Dritter, weil Kraftfahrzeugführer, die damit rechnen müssten, bei Regelverstößen herangezogen zu werden, sich eher verkehrsgerecht verhalten würden als nicht ermittelbare Autofahrer.
Demgegenüber wiege der Eingriff in die Religionsfreiheit der Klägerin weniger schwer. Ein gleich wirksames, aber mit geringeren Grundrechtseinschränkungen verbundenes Mittel zur Erreichung der mit dem Verhüllungsverbot verfolgten Zwecke stehe nicht zur Verfügung. So könne etwa eine Fahrtenbuchauflage nur dem Halter eines Fahrzeugs auferlegt werden; die Klägerin begehre jedoch eine Ausnahme in ihrer Eigenschaft als Führerin eines Fahrzeugs. Gleichermaßen ungeeignet erscheine der Vorschlag der Klägerin, einen Niqab mit einem „einzigartigen, fälschungssicheren QR-Code“ zu versehen und die Ausnahme vom Verhüllungsverbot mit einer solchen Auflage zu verbinden. Denn dadurch sei nicht sichergestellt, dass die Person, die den Niqab trage, auch tatsächlich die Person sei, für die der QR-Code kreiert wurde.
Gegen das Urteil kann der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg gestellt werden.
Quelle | VG Berlin, Urteil vom 27.1.2025, VG 11 K 61/24, PM 5/25
| Ein Motorradfahrer wollte einen Auffahrunfall vermeiden. Er bremste deshalb sehr stark. Weil die Maschine kein Antiblockiersystem (ABS) hatte, blockierte das Vorderrad und der Motorradfahrer stürzte. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in diesem Fall kompakte Ausführungen zum „Idealfahrer“ hinsichtlich der Unabwendbarkeit gemacht. Besonders wichtig: Er bezieht die Situation vor dem Unfallgeschehen mit ein. |
Es kommt nicht nur auf die konkrete Situation an, …
Ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein „Idealfahrer“ reagiert hat, ist nicht allein entscheidend. Vielmehr ist zu berücksichtigen, ob ein „Idealfahrer“ überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre. Der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr nun (zu spät) „ideal“ verhält. Der „Idealfahrer“ hat in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind,Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden.
… sondern darauf, ob der Fahrer vorausschauend gehandelt hat
Dahinstehen kann also, ob der Sturz des Klägers noch im Zeitpunkt des Abbremsens durch kontrolliertes Betätigen der Vorderradbremse vermeidbar gewesen wäre. Denn ein Idealfahrer, der weiß, dass sein Motorrad nicht über ein ABS verfügt und bei einer reflexhaften Vollbremsung ein Sturz droht, hätte von vornherein eine Fahrweise gewählt, mit der ein reflexhaftes Bremsen in der Situation des Klägers vermieden worden wäre. Er hätte den Abstand zum Vorausfahrenden und die Geschwindigkeit so bemessen, dass er selbst im Fall plötzlich scharfen Bremsens des Vorausfahrenden – das er stets einkalkulieren muss – noch hätte kontrolliert bremsen und sowohl einen Sturz als auch eine Kollision mit dem Vorausfahrenden hätte vermeiden können.
Quelle | BGH, Urteil vom 3.12.2024, VI ZR 18/24
| Besuchen Halbgeschwister, die mit dem gemeinsamen Elternteil zusammenleben, gleichzeitig im Stadtgebiet Kindertageseinrichtungen, sind bei der Festsetzung von Elternbeiträgen hierfür satzungsrechtliche Geschwisterermäßigungen oder -befreiungen zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Halbgeschwister neben dem gemeinsamen Elternteil auch mit dem anderen Elternteil des einen Kindes in häuslicher Gemeinschaft zusammenleben. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden. |
Beitragsbefreiung oder nicht?
Die gemeinsame, im Juli 2019 geborene Tochter der Kläger nahm im Schuljahr 2021/2022 das Betreuungsangebot einer Kindertageseinrichtung in der beklagten Stadt wahr. Mit ihr und ihren Eltern lebte seinerzeit ein weiteres von der Klägerin, nicht aber vom Kläger abstammendes Kind in der gemeinsamen Wohnung, das dieselbe Kindertageseinrichtung besuchte, wofür wegen Vollendung des vierten Lebensjahres aufgrund einer landesrechtlichen Bestimmung kein Elternbeitrag zu leisten war. Die Stadt setzte gegenüber den Klägern auf Basis ihres gemeinsamen Jahreseinkommens einen monatlichen Elternbeitrag in Höhe von 313 Euro fest. Hiergegen wandten sich die Kläger und beriefen sich auf eine Vorschrift der Elternbeitragssatzung (im Folgenden nur: Satzung) der beklagten Stadt. Danach entfällt bei Eingreifen einer landesrechtlich – für die letzte Zeit in Tagesbetreuung vor der Einschulung – im Kinderbildungsgesetz (KiBiz) angeordneten Beitragsbefreiung „auch der Beitrag für das zweite und jedes weitere Kind“. Diese Regelung folgt auf eine in sonstigen Fällen maßgebliche „Geschwisterregelung“ in der Satzung, wonach „nur ein Beitrag zul eisten“ ist, wenn „aus einer Familie […] mehr als ein Kind Betreuungsangebote […] in Anspruch“ nimmt.
Die auf Aufhebung der Beitragsfestsetzung gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht (VG) Arnsberg ab. Die dagegen eingelegte Berufung der Kläger hatte vor dem OVG Erfolg.
Gemeinsames Kind als weiteres Kind zu berücksichtigen
Das OVG hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen angeführt: Das gemeinsame Kind der Kläger ist als weiteres Kind der Familie im Sinne der Geschwisterregelungen in der Satzung zu berücksichtigen. Die Gemeinschaft zweier leiblicher Kinder derselben Mutter mitdieser und deren neuem Partner, der Vater nur eines der beiden Kinder ist, istbereits unter Zugrundelegung eines verfassungsrechtlichenBegriffsverständnisses als eine Familie anzusehen. Ein anderes Verständnis desFamilien- bzw. Geschwisterbegriffs lässt sich weder der städtischen Satzungnoch höherrangigem Recht entnehmen. Die auf einer Ermächtigung desLandesgesetzgebers beruhende allgemeine Geschwisterregelung in der Satzung –bei mehreren Kindern nur ein Elternbeitrag – entspricht im Kern einer früherenlandesgesetzlichen Regelung. Dieser lag allgemein eine Entlastung von Familienmit mehreren Kindern zugrunde, ohne dass etwa nach Voll- oder Halbgeschwisternunterschieden wurde. Bei dem Umstand, dass mehrere mit einem oder beidenElternteilen in einem Haushalt zusammenlebende Kinder Angebote derTagesbetreuung in Anspruch nehmen, für die jedenfalls der gemeinsame Elternteilgrundsätzlich beitragspflichtig wäre, handelt es sich um einen Gesichtspunktder sozialen Staffelung der Kostenbeiträge. Diese ist sowohl im Bundes- alsauch im Landesrecht angelegt und ermöglicht neben der – mit dem Einkommenkorrespondierenden – wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit derBeitragspflichtigen auch die Berücksichtigung anderer Aspekte, wie die Zahl derim gemeinsamen Haushalt lebenden und in Kindertageseinrichtungen zu betreuendenKinder. Vor diesem Hintergrund kommt eine Differenzierung danach, dass beideKläger für das mit ihnen zusammenlebende gemeinsame Kind beitragspflichtigsind, während das ältere Kind allein von der Klägerin abstammt und nur dieseinsoweit beitragspflichtig sein kann, nicht in Betracht.
Quelle | OVG Münster, Urteil vom 27.11.2024, 12 A 1627/22, PM vom 12.12.2024
| Die auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage einer 66-jährigen Großmutter, die mit ihrem Enkelkind an einem Straßenumzug teilgenommen hatte und gestürzt war, hatte vor dem Landgericht (LG) Frankenthal keinen Erfolg. Das LG hat festgestellt: Die zuständige Gemeinde muss eine Straße wegen einer nur einmal jährlich stattfindenden Veranstaltung nicht besonders absichern. Es gelten vielmehr die üblichen Maßstäbe der Verkehrssicherungspflicht bei Straßen und Plätzen. |
Über Gullydeckel gestolpert
Die verletzte Frau gab an, bei einem Straßenumzug über einen bis zu drei Zentimeter über das Straßenniveau ragenden Gullydeckel gestolpert und gestürzt zu sein. Durch den Sturz habe sie sich das linke Handgelenk und das rechte Schultergelenk gebrochen. Sie war der Ansicht, vor dem Umzug hätte die zuständige Verbandsgemeinde die Strecke besonders kontrollieren und absichern, Stolpergefahren beseitigen und etwa den hochstehenden Gullydeckel mit einer Gummimatte sichern müssen. Sie verlangte rund 1.700 Euro Schadenersatz und ein Schmerzensgeld in Höhe von 13.000 Euro.
Mit Unebenheiten muss man rechnen
Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit der Unebenheit von deutlich unter drei Zentimetern habe die Frau rechnen müssen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei es auch jedem Teilnehmer bekannt und spätestens bei Beginn des Umzugs ersichtlich, dass die Sicht auf die Straße wegen der Menschenansammlung eingeschränkt sei. Eine besondere Absicherung der Straße aufgrund des einmal jährlich stattfindenden Großereignisses sei daher nicht geboten gewesen. Die Abdeckung des Gullydeckels mit einer Gummimatte hätte den Höhenunterschied und die Stolpergefahr möglicherweise nur zusätzlich erhöht. Im Übrigen treffe die Frau ein überwiegendes Mitverschulden, was die geltend gemachten Ansprüche ebenfalls ausschließe.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 15.8.2024, 3 O 88/24, PM vom 27.2.2025
| Hat der Versicherer im Policenbegleitschreiben auf das Bestehen eines Widerspruchsrechts und die hierfür geltenden Anforderungen allgemein hingewiesen und diese an einer genau bezeichneten Stelle im Einzelnen näher erläutert, sind die jeweiligen Textstellen nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr ist dann eine Gesamtwürdigung beider Textstellen – als einheitliche Belehrung – geboten. So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken. |
Begründung: Angesichts des konkreten Verweises auf die einschlägige Bestimmung in der Verbraucherinformation seien auch die dortigen weiteren Informationen für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne Weiteres auffindbar. Im Fall des OLG galt dies insbesondere, da der Verbraucherinformation ein Inhaltsverzeichnis vorangestellt war. Aus dem ergab sich, dass die im Policenbegleitschreiben zitierte Textstelle „Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Vertrag noch widersprechen?“ sich unter Ziffer 6 befindet, die ihrerseits auf der betreffenden Seite mit der fettgedruckten Überschrift „6. Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Vertrag noch widersprechen?“ hervorgehoben war.
Quelle | OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.1.2024, 5 U 60/23
| Werden in einem Wohnhaus tragende Wände entfernt und durch eine Stahlträgerkonstruktion ersetzt, muss dies einem potenziellen Käufer der Immobilie ungefragt mitgeteilt werden. Verschweigt der Verkäufer diesen Umstand, stellt dies eine arglistige Täuschung dar, die den Käufer zur Anfechtung des Kaufvertrags berechtigt. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken in einer aktuellen Entscheidung festgestellt und der Klage eines Ehepaars gerichtet auf die Rückabwicklung eines Immobilienkaufvertrags stattgegeben. |
Verkäufer verheimlichten Umbau
Ein Ehepaar aus Pirmasens entschloss sich, das von ihnen etwa 10 Jahre lang selbst bewohnte Wohnhaus zu verkaufen. Was es dem kaufinteressierten Ehepaar nicht erzählte, war, dass es vor einigen Jahren ihr Wohnzimmer vergrößert, und dazu durch eine im Ausland ansässige Firma tragende Trennwände im 1. OG des Hauses hatte entfernen lassen. Nach Entfernung der Wände wurde die Decke nur noch durch zwei Eisenträger gestützt, die direkt auf das Mauerwerk aufgelegt und zusätzlich durch Baustützen gestützt wurden, die eigentlich nur für den vorübergehenden Gebrauch gedacht sind. Diese Trägerkonstruktion wurde anschließend durch Verblendungen verdeckt und war nicht mehr ohne Weiteres sichtbar. Um einen Nachweis über die Statik hatten sich die Eigentümer im Nachgang nicht bemüht.
Käufer fochten Kaufvertrag erfolgreich an
Als die neuen Eigentümer dann selbst einige bauliche Veränderungen an dem Haus durchführen wollten, beauftragten sie u. a. einen Statiker. Dieser stellte fest, dass die Trägerkonstruktion im 1. OG unzulässig und nicht dauerhaft tragfähig sei. Das Ehepaar hat den Kaufvertrag über das Hausgrundstück daraufhin angefochten und das Verkäuferehepaar auf Rückabwicklung verklagt. Mit Erfolg.
Das OLG gab dem Käuferehepaar Recht und verurteilte die Verkäufer zur Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückübereignung des Hausgrundstücks. Die Verkäufer seien in der Pflicht gewesen, auch ungefragt darüber zu informieren, dass tragende Wände entfernt, und damit in die Statik des Wohnhauses eingegriffen wurde. Erst recht hätten sie darüber aufklären müssen, dass kein Nachweis hinsichtlich der statischen Tragfähigkeit der Stahlträgerkonstruktion vorliege. Auch sei darüber zu informieren gewesen, dass die Arbeiten durch eine den Verkäufern kaum bekannte ausländische Firma durchgeführt wurden und zu den genauen Maßnahmen keinerlei Unterlagen vorlägen. Dies alles gälte auch, obwohl die Verkäufer wohl selbst von der ausreichenden Tragfähigkeit der Konstruktion ausgingen und auch obwohl die Käufer das Haus vor dem Kauf zusammen mit einer Bausachverständigen besichtigt hatten. Die Statik eines Wohnhauses sei im Hinblick auf mögliche Gefahren für die Gebäudesubstanz und auch für Leib und Leben der Bewohner von so wesentlichem Interesse, dass eine Veränderung an ihr einem Grundstückserwerber in jedem Fall ungefragt zu offenbaren sei.
Quelle | OLG Zweibrücken, Urteil vom 27.9.2024, 7 U 45/23, PM vom 25.2.2025
| Das Amtsgericht (AG) Flensburg hat entschieden: Der Mieter muss gesundheitliche Beeinträchtigungen für sich oder die seine Mitbewohner und die nachteiligen Auswirkungen eines Umzugs durch Vorlage fachärztlicher Atteste ausführlich darstellen. Sein Vortrag muss so konkret sein, dass das Gericht den Eintritt von relevanten Nachteilen als hinreichend wahrscheinlich annehmen kann. Dann ist das Gericht gehalten, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Der bloße unstreitige Umstand, dass die Kinder des Mieters einen Behindertenausweis und einen Pflegegrad zugesprochen bekommen haben, genügt nicht. Ohne Erläuterungen, welche Krankheiten oder Behinderungen die Kinder haben, kann das Gericht keinen Härtegrund annehmen. |
Der Vermieter kündigte den unbefristeten Wohnraummietvertrag wegen Eigenbedarf. Er begründete dies damit, er benötige das Objekt für sich und seine Lebensgefährtin als neuen Lebensmittelpunkt. Die Mieter widersprachen der Kündigung und beriefen sich insbesondere auf gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Mieterin leide an einer Angststörung und posttraumatischen Belastungsstörung und die beiden Kinder seien schwerbehindert und pflegebedürftig. Ein Umzug sei für die Familie unzumutbar.
Damit hatten sie vor dem AG keinen Erfolg. Das AG war nach der Zeugenvernehmung davon überzeugt, dass der Vermieter die Räume wegen der geplanten Familiensituation ernsthaft benötigte. Dass die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist, erkannte das AG nicht an. Denn die Mieter seien ihrer Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Härtegründe nicht nachgekommen.
Ein Härtegrund liege nur vor, wenn eine erhebliche Verschlechterung einer ernsten Erkrankung oder Lebensgefahr, die durch einen Sachverständigen zu klären ist, angenommen werden könne. Das Gericht hatte keine Anhaltspunkte, eine solche Verschlechterung des Gesundheitszustands der Kinder der Mieter anzunehmen. Der vorgelegte Behindertenausweis, das Pflegegutachten und das allgemeinärztliche Attest sprächen nur unkonkret von einer „gesundheitlichen Situation“ des Kindes. Das war dem Gericht zu unkonkret. Es fehle insbesondere vertiefter Vortrag dazu, wie sich die Erkrankung im Alltag auswirke und inwieweit mit einer Verschlechterung der Situation durch einen Umzug zu rechnen sei.
Quelle | AG Flensburg, Urteil vom 4.12.2024, 61 C 55/24
| Ein rechtlich beachtlicher Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses liegt nur vor, wenn sich der Anfechtende in einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses befunden hat, dagegen nicht, wenn lediglich falsche Vorstellungen von dem Wert der einzelnen Nachlassgegenstände vorgelegen haben. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschieden. |
Erblasserin wurde 106 Jahre alt
Die Erblasserin ist im Alter von 106 Jahren ohne Testament verstorben. Zuvor lebte sie seit längeren Jahren in einem Seniorenheim. Die Heim- und Pflegekostenkosten wurden aus Mitteln der Kriegsopferfürsorgestelle bestritten. Diese Leistungen wurden als Darlehen gewährt und durch eine Grundschuld an einem Haus der Erblasserin abgesichert. Der Ehemann der Erblasserin, ihre beiden Kinder und auch bereits ein Enkelkind waren vorverstorben. Gesetzliche Erben waren die Enkel und Urenkel der Erblasserin.
Enkelin schlug Erbschaft aus, Urenkel nicht
Nach dem Tod der Erblasserin hat u. a. die in gesetzlicher Erbfolge zur Erbin berufene Enkelin das Erbe ausgeschlagen und dabei angegeben, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Zwei Urenkel der Erblasserinnen haben das Erbe dagegen nicht ausgeschlagen. In der Folge wurde das Haus der Erblasserin unter Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Nachlasspflegerin an Dritte verkauft. Nach dem Verkauf des Hauses hat die Enkelin ihre Erklärung zur Erbausschlagung sodann wegen Irrtums angefochten. Danach hat sie die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der u. a. sie als Erbinzu 1/4 Anteil ausweisen sollte.
Das Nachlassgericht hat entschieden, dass der Erbschein wegen der angefochtenen Erbausschlagungserklärung der Enkelin, wie von ihr beantragt, erteilt werden müsse. Gegen diesen Beschluss wendete sich einer der Urenkel, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte, mit seiner Beschwerde.
Oberlandesgericht widersprach Nachlassgericht
Das OLG hat entschieden, dass der Erbscheinsantrag der Enkelin zurückzuweisen sei, da der von ihr beantragte Erbschein die eingetretene Erbfolge unzutreffend wiedergebe. Die Enkelin sei keine Erbin geworden, da sie die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und sie die Ausschlagungserklärung wegen Irrtums auch nicht wirksam anfechten könne.
Enkelin wusste nichts vom Bankkonto…
Soweit sie ihren Irrtum damit begründet habe, dass ihr erst im Nachhinein bekannt geworden sei, dass zum Nachlass ein Bankkonto bei der Kreissparkasse Köln mit einem vierstelligen Guthaben gehöre, läge zwar ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses vor. Dieser Irrtum hätte aber nicht ihre Ausschlagung der Erbschaft veranlasst. Denn selbst, wenn ihr das Konto bei der Kreissparkasse Köln bekannt gewesen wäre, hätte dies mangels wirtschaftlichem Gewicht des dortigen Guthabenbetrags gegenüber den restlichen Nachlasspositionen nichts an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses geändert.
… und unterschätzte den Verkaufserlös des Hauses
Soweit sich die Enkelin darauf berufe, sie habe sich geirrt, dass der Erlös aus dem Verkauf des Hauses der Erblasserin die Verbindlichkeiten aus dem mit der Grundschuld abgesicherten Darlehen für die Heim- undPflegekosten der Kriegsopferfürsorgestelle übersteige, liege kein Irrtum vor, der zur Anfechtung berechtige. Dieser Irrtum beruhe lediglich auf der unzutreffenden Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht über dessen Zusammensetzung.
Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14.8.2024, 8 W 102/23, PM vom 10.12.2024
| Beschränkt ein Bebauungsplan über ein Wochenendhausgebiet mittels sog. Baufenster die Bebaubarkeit von Flächen, kann für ein Grundstück, das außerhalb eines Baufensters gelegen ist, kein Bauvorbescheid erteilt werden. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Mainz. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist Pächterin eines Grundstücks, das im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, der ein Wochenendhausgebiet und hierfür überbaubare Flächen (sog. Baufenster) festsetzt. Das Pachtgrundstück ist danach nicht mit einem Wochenendhaus bebaubar, sondern nur mit Nebengebäuden, etwa zum Unterstellen von Gegenständen zur Freizeitnutzung.
Die Klägerin stellte einen Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheids zur Klärung der Frage, ob ihr Grundstück mit einem Wochenendhaus bebaubar sei, und beantragte hilfsweise eine Befreiung von der Festsetzung über die überbaubaren Flächen. Sie machte zur Begründung ihres Antrags geltend: Für jedes andere Grundstück in der Straße sehe der Bebauungsplan ein Baufenster vor, nicht aber für ihres – an vielen Stellen des Plangebiets seien nicht überbaubare Flächen zwischenzeitlich mit Gebäuden bebaut worden. Für ihr Grundstück sei sogar eine Hausnummer vergeben worden. Die Baugenehmigungsbehörde lehnte das Begehren ab. Das Widerspruchsverfahren blieb ohne Erfolg.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG wies die Klage ab. Die Errichtung eines Wochenendhauses auf dem Pachtgrundstück sei nicht genehmigungsfähig, denn für dieses sehe der Bebauungsplan keine Fläche vor, die mit einem solchen Gebäude bebaut werden dürfe.
Keine verdichtetete Bebauung im Erholungsgebiet gewünscht
Die Beschränkung der Bebaubarkeit der Flächen über das gesamte Plangebiet hinweg diene nach dem Willen der Gemeinde als Plangeberin der Verhinderung einer verdichteten Bebauung in dem Erholungsgebiet und dem Erhalt von Waldflächen. Damit liege eine städtebaulich legitimierte Planung vor, die auch das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) der von der Beschränkung betroffenen Eigentümer nicht verletze. Ohne den Bebauungsplan wären im Außenbereich Gebäude zur privaten Freizeitnutzung generell bauplanungsrechtlich unzulässig. Die Festsetzung über die beschränkte Bebaubarkeit, an deren Geltung die Gemeinde ausdrücklich weiter festhalte, sei auch nicht funktionslos geworden, sie könne die bauliche Entwicklung in dem Plangebiet auch künftig noch beeinflussen. Denn es gebe noch unbebaute Grundstücke, für die ebenfalls ein Baufenster festgesetzt sei. Der überwiegende Teil der Bebauung sei auch innerhalb der Baufenster verwirklicht worden.
Großer Teil hielt Regeln nicht ein: Bebauungsplan gilt trotzdem
Unerheblich sei hingegen, dass in einer Vielzahl von Fällen Grundstücke entgegen der Festsetzung zu den Baufenstern bebaut worden seien. Der Geltungsanspruch einer Norm, wie der eines Bebauungsplans, gehe nicht bereits dadurch unter, dass sich ein großer Teil der Betroffenen nicht an die Regelung halte. Die Vergabe einer Hausnummer diene allein ordnungsrechtlichen Belangen und begründe keine Baurechte für ein Grundstück. Eine Befreiung von der Festsetzung des Bebauungsplans über die beschränkte Bebaubarkeit der Grundstücke scheide aus, weil diese angesichts der Gesamtkonzeption einen Grundzug der Planung betreffe, über den die Baugenehmigungsbehörde – auch zur Vermeidung eines Präzedenzfalls – nicht hinweggehen könne. Allein die Gemeinde könne eine Umplanung des Bebauungsplans vornehmen.
Quelle | VG Mainz, Urteil vom 25.9.2024, 3 K 746/23.MZ, PM8/24
| Ein Energieberater schuldet zwar keinen Erfolg seiner Beratung in Form der tatsächlichen Förderung. Er muss aber korrekt beraten, sodass hieraus energetische Maßnahmen hervorgehen, die die Voraussetzungen der gesetzlichen Förderungsgrundlage erfüllen. Stellt er jedoch für die einzuhaltenden Wärmedurchgangskoeffizienten irrtümlicherweise auf die Werte des GEG ab, obwohl für die Förderung die Werte des BEG EM maßgeblich sind, sieht das Landgericht (LG) Berlin darin eine Verletzung seiner Beratungspflicht. Und das LG sieht den Berater sogar in der Pflicht, Schadenersatz zu leisten. |
Dienstvertragsrecht einschlägig
Das LG: Ein Energieberatungsvertrag ist als entgeltliche Geschäftsbesorgung einzuordnen, auf die Dienstvertragsrecht anzuwenden ist. Zwar wird angenommen, dass ein Energieberater in der Regel grundsätzlich keinen Erfolg in Form der tatsächlichen Förderung schulde oder dafür gar eine Garantie übernehme. Der Energieberater schuldet aber eine fachlich zutreffende Beratung, aus der energetische Maßnahmen hervorgehen, die die Voraussetzungen der gesetzlichen Förderungsgrundlage erfüllen.
Beratung zur Förderfähigkeit Hauptleistungspflicht
Diese Beratung im Hinblick auf förderfähige Maßnahmen stellt für den Verbraucher, der auf eine Förderung angewiesen ist, bei lebensnaher Betrachtung sogar eine Hauptleistungspflicht dar. Aufgabe einer Energie-Effizienz-Expertin im Rahmen der KfW-Förderung ist es regelmäßig, den Antragsteller über die passenden und aufeinander abgestimmten Sanierungsmaßnahmen für sein Gebäude zu beraten und gerade zu prüfen, ob diese technisch förderfähig sind, die Bestätigung zum Antrag und den späteren Verwendungsnachweis zu erstellen.
Konsequenzen
Gegenstand der Vertragsleistung war im Fall des LG die Beratung der energetischen Sanierung des Hauses in fachlicher Hinsicht und die Begleitung der Antragstellung beim Zuschussgeber mit dem Ziel der Förderungsfähigkeit der Baumaßnahmen. Der Energieberater hätte mithin geradezu treffend und vollständig dazu beraten und darauf hinwirken müssen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen auch wirklich förderungsfähig sind. Nicht umsonst hatte er ihr Honorar von einem Förderzuschuss abhängig gemacht und sogar unter die Bedingung einer Förderungsgewährung gestellt.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23
| Sichtbare Tätowierungen auf beiden Handrücken hindern die Zulassung zum Vorbereitungsdienst der Polizei nicht, wenn sie inhaltlich unbedenklich sind. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren entschieden. |
Tätowierungen auf den Handrücken
Die Antragstellerin begehrt die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst bei der Berliner Kriminalpolizei. Sie trägt unter anderem auf beiden Handrücken Tätowierungen. Bei den Motiven handelt es sich um Rosenblüten mit den Namen ihrer Kinder. Die Tattoos bedecken jeweils einen Großteil ihrer Handrücken. Die Berliner Polizei lehnte ihre Bewerbung deshalb ab. Hiergegen hat die Antragstellerin einen Eilantrag eingereicht.
Das VG hat dem Eilantrag teilweise stattgegeben und das Land Berlin verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Bewerbung der Antragstellerin zu entscheiden. Zur Begründung führt sie aus, das Tragen von Tätowierungen im sichtbaren Bereich könne einer Einstellung nur entgegenstehen, wenn die Tattoos über das übliche Maß hinausgingen und wegen ihrer besonders individualisierenden Art geeignet seien, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen.
Rosenblüten und Namen der Kinder: unkritischer Inhalt
Dies sei hier nicht der Fall. Es sei bereits zweifelhaft, ob die Tattoos der Antragstellerin über das übliche Maß hinausgingen. Vielfältige Tätowierungen, insbesondere von Blumen bzw. Pflanzen und persönlichen Daten, seien heutzutage weit verbreitet. Jedenfalls seien die Tattoos der Antragstellerin trotz ihrer Sichtbarkeit nicht geeignet, ihre amtliche Funktion in den Hintergrund zu drängen. Die klare Erkennbarkeit der Motive und deren unkritischer Inhalt böten Bürgerinnen und Bürgern keinen Anlass, über die persönlichen Überzeugungen der Antragstellerin als Privatperson zu spekulieren.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 27.2.2025, VG 26 L 288/24, PM 14/25
| Der professionelle Einsatz eines vollautomatischen Wanddruckers stellt kein zulassungspflichtiges Maler- und Lackiererhandwerk dar. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren entschieden. |
Laut Handwerkskammer bestand Meisterzwang
Die Antragstellerin stellt sog. Wanddrucker her, mit denen sich individuell vom Verwender programmierte Motive großflächig auf eine in der Regel vertikale Fläche auftragen lassen. Einer Käuferin des Wanddruckers wurde auf Nachfrage von der Handwerkskammer Berlin mitgeteilt, dass die gewerbliche Nutzung des Geräts zulassungspflichtig im Maler- und Lackierer-Handwerk sei und daher nur mit Fachkundenachweis und Eintrag in der Handwerksrolle gewerblich ausgeführt werden dürfe. Die Käuferin veröffentlichte die Auskunft auf ihrer Internetseite und erklärte, wegen des „Meisterzwangs“ keine Aufträge mehr für den Wanddrucker annehmen zu können.
Die Antragstellerin verlangte daraufhin von der Handwerkskammer insbesondere, diese – aus ihrer Sicht falsche – Auskunft zu widerrufen und zukünftig zu unterlassen. Die Veröffentlichung der Auskunft im Internet verursache ihr einen immensen wirtschaftlichen Schaden, weil die meisten ihrer Kunden über keinen entsprechenden Fähigkeitsnachweis verfügten. Nachdem die Handwerkskammer eine gesetzte Frist verstreichen ließ, hat die Antragstellerin bei Gericht einen Eilantrag und Klage eingereicht.
Verwaltungsgericht widersprach
Das VG hat dem Eilantrag stattgegeben. Begründung: Die Nutzung eines (vollautomatischen) Wanddruckers stelle für sich genommen regelmäßig keinen handwerklichen Betrieb eines Maler- und Lackierer-Handwerks dar. Sie sei vielmehr ohne Nachweis eines Fachkundenachweises oder einer Eintragung in die Handwerksrolle zulässig.
Weder Fachkundenachweis noch Eintragung in die Handwerksrolle notwendig
Die händischen Arbeitsschritte beim Bedienen des Wanddruckers beschränkten sich auf die Vorbereitung des Druckers und des Motivs sowie das Farbmanagement. Das Verbringen der Farbe auf die Oberfläche – als Kernbereich des Malerhandwerks – erfolge indes automatisiert. Angesichts der überschaubaren Komplexität und Schwierigkeit der Bedienung des Druckers genüge nach unbestrittener Darstellung der Antragstellerin eine zweitägige Schulung in aller Regel, um zufriedenstellende Ergebnisse mit dem Wanddrucker zu erzeugen. Die nötigen Vorbereitungshandlungen und das Mischen von Farben seien keine wesentlichen Tätigkeiten bei der Benutzung des Druckers, weil sie jedenfalls in unter drei Monaten erlernt werden könnten.
Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 19.2.2025, VG 4 L 847/24, PM vom 24.2.2025
| Verstößt der Arbeitgeber schuldhaft gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, dem Arbeitnehmer rechtzeitig für eine Zielperiode Ziele vorzugeben, an deren Erreichen die Zahlung einer variablen Vergütung geknüpft ist (Zielvorgabe), löst dies grundsätzlich einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadenersatz statt der Leistung aus. Voraussetzung: Eine nachträgliche Zielvorgabe kann ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen. So hat es das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Keine Vorgabe individueller Ziele
Der Kläger war bei der Beklagten bis zum 30.11.2019 als Mitarbeiter mit Führungsverantwortung beschäftigt. Arbeitsvertraglich war ein Anspruch auf eine variable Vergütung vereinbart. Eine ausgestaltende Betriebsvereinbarung bestimmt, dass bis zum 1.3. des Kalenderjahres eine Zielvorgabe zu erfolgen hat, die sich zu 70 % aus Unternehmenszielen und 30 % aus individuellen Zielen zusammensetzt, und sich die Höhe des variablen Gehaltsbestandteils nach der Zielerreichung des Mitarbeiters richtet. Am 26.9.2019 teilte der Geschäftsführer der Beklagten den Mitarbeitern mit Führungsverantwortung mit, für das Jahr 2019 werde, bezogen auf die individuellen Ziele, entsprechend der durchschnittlichen Zielerreichung aller Führungskräfte in den vergangenen drei Jahren von einem Zielerreichungsgrad von 142 % ausgegangen. Erstmals am 15.10.2019 wurden dem Kläger konkrete Zahlen zu den Unternehmenszielen einschließlich deren Gewichtung und des Zielkorridors genannt. Eine Vorgabe individueller Ziele für den Kläger erfolgte nicht. Die Beklagte zahlte an den Kläger für 2019 eine variable Vergütung von rund 15.600 Euro brutto.
Der Standpunkt der Parteien
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei ihm zum Schadenersatz verpflichtet, weil sie für das Jahr 2019 keine individuellen Ziele und die Unternehmensziele verspätet vorgegeben habe. Es sei davon auszugehen, dass er rechtzeitig vorgegebene, billigem Ermessen entsprechende Unternehmensziele zu 100 % und individuelle Ziele entsprechend dem Durchschnittswert von 142 % erreicht hätte. Deshalb stünden ihm unter Berücksichtigung der von der Beklagten geleisteten Zahlung weitere rund 16.000 Euro brutto als Schadenersatz zu. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Zielvorgabe sei rechtzeitig erfolgt und habe den Grundsätzen der Billigkeit entsprochen, weshalb ein Schadenersatzanspruch wegen verspäteter Zielvorgabe ausgeschlossen sei. Unabhängig davon könne der Kläger allenfalls eine Leistungsbestimmung durch Urteil nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 315 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 BGB) verlangen. Die Möglichkeit einer gerichtlichen Ersatzleistungsbestimmung schließe Schadenersatzansprüche wegen verspäteter Zielvorgabe aus. Im Übrigen sei die Höhe eines möglichen Schadens falsch berechnet.
Arbeitgeber verstieß gegen Pflicht aus Betriebsvereinbarung
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht (LAG) hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagte, wie vom LAG zu Recht erkannt, einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von rund 16.000 Euro brutto. Die Beklagte hat ihre Verpflichtung zu einer den Regelungen der Betriebsvereinbarung entsprechenden Zielvorgabe für das Jahr 2019 schuldhaft verletzt, indem sie dem Kläger keine individuellen Ziele vorgegeben und ihm die Unternehmensziele erst verbindlich mitgeteilt hat, nachdem bereits etwa ¾ der Zielperiode abgelaufen waren.
Arbeitnehmer siegt: kein Mitverschulden, keine Anrechnung
Eine ihrer Motivations- und Anreizfunktion gerecht werdende Zielvorgabe war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Deshalb kommt hinsichtlich der Ziele auch keine nachträgliche gerichtliche Leistungsbestimmung in Betracht. Bei der im Wege der Schätzung zu ermittelnden Höhe des zu ersetzenden Schadens war von der für den Fall der Zielerreichung zugesagten variablen Vergütung auszugehen und anzunehmen, dass der Kläger bei einer billigem Ermessen entsprechenden Zielvorgabe die Unternehmensziele zu 100 % und die individuellen Ziele entsprechend dem Durchschnittswert von 142 % erreicht hätte.
Besondere Umstände, die diese Annahme ausschließen, hat die Beklagte nicht dargetan. Der Kläger musste sich kein anspruchsminderndes Mitverschulden anrechnen lassen. Bei einer unterlassenen oder verspäteten Zielvorgabe des Arbeitgebers scheidet ein Mitverschulden des Arbeitnehmers wegen fehlender Mitwirkung regelmäßig aus, weil allein der Arbeitgeber die Initiativlast für die Vorgabe der Ziele trägt.
Quelle | BAG, Urteil vom 19.2.2025, 10 AZR 57/24, PM 7/25
| Säumniszuschläge werden festgesetzt, wenn die Zahlung nicht pünktlich erfolgt. Nach der Abgabenordnung (hier: § 240 AO) ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen Steuerbetrags zu entrichten, umgerechnet auf das Jahr also 12 %. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass wegen des deutlichen und nachhaltigen Anstiegs der Marktzinsen, der seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 zu verzeichnen ist, jedenfalls seit März 2022 keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Zuschläge bestehen. |
Darüber hinaus hat der BFH in diesem Verfahren Folgendes entschieden: Wenn das Finanzamt zwar Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt, deren Wirkung aber von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig macht, bewirkt die spätere Leistung der Sicherheit im Regelfall, dass die AdV mit (Rück-)Wirkung ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung eintritt und zuvor etwaig entstandene Säumniszuschläge entfallen.
Beachten Sie | Das Finanzamt kann allerdings ausdrücklich anordnen, dass die Wirkung der AdV erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung der Sicherheit beginnt.
Quelle | BFH, Beschluss vom 21.3.2025, X B 21/25 (AdV)
| Eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft steht der Anerkennung einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft grundsätzlich nicht entgegen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Eine Organschaft führt bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dazu, dass nicht mehr die Organgesellschaft ihren Gewinn zu versteuern hat, sondern der Organträger.
Beachten Sie | Die gemäß Körperschaftsteuergesetz (hier: §§ 14 ff. KStG) enthaltenen Regelungen für die Organschaft führen im Ergebnis dazu, dass z. B. in Konzernen die Konzernspitze (als Organträger) die Gewinne sämtlicher Tochtergesellschaften (als Organgesellschaften) zu versteuern hat, aber Verluste und Gewinne der verschiedenen Tochtergesellschaften dabei auch unmittelbar miteinander verrechnet werden können. Insbesondere dieser steuerliche Vorteil hat zu einer weiten Verbreitung der Organschaft in Deutschland geführt.
Das war geschehen
Im Streitfall hatte eine Kommanditgesellschaft (KG) mit einer GmbH einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, um eine Organschaft zu begründen. Danach war die „abhängige“ GmbH als Organgesellschaft verpflichtet, den ganzen von ihr erwirtschafteten Gewinn an die KG als Organträger abzuführen.
Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass an der GmbH als Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung bestand.
Bundesfinanzhof widerspricht Vorinstanzen
Da dem atypisch still Beteiligten ein Anteil von 10 % des Gewinns der GmbH zustand, vertraten das Finanzamt und nachfolgend auch das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern die Auffassung, dass lediglich 90 % des Gewinns an die KG als Organträger abgeführt worden sei, das Gesetz aber die Abführung des ganzen Gewinns fordere. Die Organschaft sei daher insgesamt nicht anzuerkennen. Dem ist der BFH aber nun entgegengetreten.
§ 14 Abs. 1 KStG setzt einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 des Aktiengesetzes (AktG) und die strikte Erfüllung der zivilrechtlichen Vertragspflichten voraus. Was als ganzer Gewinn abzuführen ist, bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Gewinnbeteiligungen, die einem stillen Gesellschafter zustehen, sind im Zivilrecht aber als Geschäftsunkosten vom Gewinn der GmbH abzusetzen. Dies betrifft sowohl die typische als auch die atypisch stille Gesellschaft.
Folglich ist der hiernach verbleibende „Rest-Gewinn“ (im Streitfall also die 90 %) der ganze Gewinn, der an den Organträger abgeführt werden muss. Dass eine (typische oder atypische) stille Beteiligung zivilrechtlich als Teilgewinnabführungsvertrag qualifiziert wird, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.12.2024, I R 33/22, PM 21/25 vom 3.4.2025
| Wenn eine per E-Mail versandte Werklohnrechnung gehackt und unbefugt verändert wird und der Kunde deshalb an einen unbekannten Dritten zahlt, muss er nicht noch einmal an den Werkunternehmer zahlen, wenn dieser die Rechnung ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung versandt hat und deshalb gegen ihn ein Schadenersatzanspruch gemäß Datenschutz-Grundverordnung (hier: Art. 82 DS-GVO) besteht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, erneut ihre Werklohnforderung zu zahlen, nachdem der Betrag wegen einer Manipulation der per E-Mail versandten Rechnung durch kriminell handelnde Dritte dem Konto eines Unbekannten gutgeschrieben wurde.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für die Installation von Haustechnik. Sie führte für die Beklagte Installationsarbeiten durch und rechnete die erbrachten Leistungen ihr gegenüber in drei Abschlagsrechnungen ab. Diese wurden jeweils als Anlage zu einer E-Mail im PDF-Format übersandt. Die ersten zwei Abschlagsrechnungen beglich die Beklagte per Überweisung an die auf den Rechnungen angegebenen Bankverbindungen der Klägerin.
Die dritte Abschlagsrechnung über rund 15.000 Euro, die zugleich die Schlussrechnung war, versandte die Klägerin ebenfalls als Anlage im PDF-Format per E-Mail. Diese Rechnung war jedoch auf ungeklärte Weise durch einen Dritten manipuliert worden, so dass die Beklagte den Rechnungsbetrag auf das Konto des unbekannten Dritten überwies. Auf dem Konto der Klägerin ging deshalb auf die Schlussrechnung keine Zahlung ein.
Keine Erfüllung durch Zahlung an unbekannten Dritten
Das Landgericht (LG) hat die Beklagte deshalb zur erneuten Zahlung verurteilt, weil eine Erfüllung durch die Zahlung an den unbekannten Dritten nicht eingetreten ist. Es hat ausgeführt, dass die Klägerin auch keine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat, sodass die Beklagte keinen Schadenersatzanspruch hat, den sie der Klageforderung gemäß § 242 BGB entgegenhalten kann. Die Klägerin hat nach Auffassung des LG keine Pflichtverletzung begangen, weil die von ihr vorgetragenen Schutzvorkehrungen in Form einer Transportverschlüsselung per SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) über TLS (Transport Layer Security) beim E-Mail-Verkehr mit Vertragspartnern ausreichend sind.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG hat in zweiter Instanz das Urteil des LG geändert und die Klage abgewiesen. Es hat entschieden, dass die Zahlung der Beklagten an einen Dritten zwar keine Erfüllung der Forderung bei der Klägerin bewirkt. Im Gegensatz zum Landgericht hat es jedoch einen Schadenersatzanspruch der Beklagten bejaht, den diese der Werklohnforderung der Klägerin nach § 242 BGB entgegenhalten kann, so dass sie die Forderung nicht noch einmal bezahlen muss.
Dieser Schadenersatzanspruch ergibt sich nach der Entscheidung des OLG aus Art. 82 Abs. 2 DS-GVO, weil die Klägerin im Zuge der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Beklagten bei Versand der streitgegenständlichen E-Mail mit Anhang gegen die Grundsätze der Art. 5, 24 und 32 DS-GVO verstoßen hat. Das OLG hält die Transportverschlüsselung, die beim Versand der streitgegenständlichen E-Mail in Form von SMTP über TLS verwendet worden sein soll, nicht für ausreichend und damit auch nicht als zum Schutz der Daten „geeignet“ im Sinne der DS-GVO.
Das OLG hob hervor, dass heute jedem Unternehmen, das personenbezogene Daten seiner Kunden computertechnisch verarbeitet, bewusst sein muss, dass der Schutz dieser Daten hohe Priorität – auch beim Versenden von E-Mails – genießt. Unternehmen müssen diesen Schutz durch entsprechende Maßnahmen so weit wie möglich gewährleisten.
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unabdingbar
Gerade bei sensiblen oder persönlichen Inhalten ist nach der Entscheidung des OLG nur eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Schutz im Sinne der DS-GVO geeignet, wenn ein hohes finanzielles Risiko durch Verfälschung der angehängten Rechnung für den Kunden besteht. Dass Kunden von Unternehmen bei einem Datenhacking Vermögenseinbußen drohen, ist ein Risiko, das dem Versand von Rechnungen per E-Mail immanent ist und deshalb eine entsprechende Voraussicht und ein proaktives Handeln erfordert. Der dafür erforderliche technische und finanzielle Aufwand kann auch von einem mittelständischen Handwerksbetrieb erwartet werden, wenn es seine Rechnungen nicht per Post versendet.
Quelle | OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.12.2024, 12 U 9/24, PM 1/25
| Wer im Zusammenhang mit seiner kommunalpolitischen Tätigkeit Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder erhält (im Streitfall ein ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats), erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Diese sind im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung zu verbeitragen. Dies hat jedenfalls das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen entschieden. |
Das LSG Nordrhein-Westfalen stellte heraus: Für die Zuordnung von Einnahmen zum Arbeitseinkommen ist die steuerliche Abgrenzung der Einkunftsarten maßgebend. Bei Anlegung dieser Maßstäbe handelt es sich auch bei den Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer kommunalpolitischen Tätigkeit in Gestalt von Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern erzielt werden, um Arbeitseinkommen nach dem Sozialgesetzbuch IV (hier: § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV).
Gegen dieses Urteil ist die Revision beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig.
Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.3.2024, L 5 KR 551/21, Rev. BSG: B 6 a/12 KR 12/24 R
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Die Verwendung von geschlechtsspezifischen Sterbetafeln bei der Bewertung lebenslänglicherNutzungen und Leistungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot. |
Hintergrund: Die Heranziehung geschlechterdifferenzierender Sterbetafeln dient dem Ziel, die Kapitalwerte lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen mit zutreffenden Werten zu erfassen und eine Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.
Da die statistische Lebenserwartung von Männern und Frauen unterschiedlich hoch ist, ermöglichen die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Vervielfältiger genauere und realitätsgerechtere Bewertungsergebnisse als geschlechtsneutrale Vervielfältiger.
Beachten Sie | Die Anwendung der geschlechtsspezifischen Sterbetafeln kann sich für den Steuerpflichtigen je nach Fallkonstellation günstiger oder ungünstiger auswirken und führt nicht per se zu einer Benachteiligung aufgrund des eigenen Geschlechts.
Der BFH musste nicht entscheiden, welche Auswirkungen sich aus dem am 1.11.2024 in Kraft getretenen Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) für die Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen ergeben.
Quelle | BFH, Urteile vom 20.11.2024, II R 38/22, II R 41/22, II R 42/22; PM 23/25 vom 10.4.2025
| Aufwendungen des Steuerpflichtigen für einen Umzug in eine andere Wohnung, um dort (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs(BFH) auch, wenn der Steuerpflichtige – wie in Zeiten der Corona-Pandemie – zwangsweise zum Arbeiten im häuslichen Bereich angehalten ist oder durch die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren sucht. |
Das war geschehen
Eheleute lebten mit ihrer Tochter in einer 3-Zimmer-Wohnung und arbeiteten nur in Ausnahmefällen im Homeoffice. Ab März des Streitjahrs 2020 (zunächst bedingt durch die Corona-Pandemie) arbeiteten sie überwiegend im Homeoffice, dort im Wesentlichen im Wohn-/Esszimmer. Ab Mai 2020 zogen sie in eine 5-Zimmer-Wohnung, in der sie zwei Zimmer als häusliches Arbeitszimmer einrichteten und nutzten.
Den Aufwand für die Nutzung der Arbeitszimmer und die Kosten für den Umzug in die neue Wohnung machten die Eheleute als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte zwar die Aufwendungen für die Arbeitszimmer an, mangels beruflicher Veranlassung lehnte es den Abzug der Kosten für den Umzug jedoch ab.
Demgegenüber bejahte das Finanzgericht (FG) Hamburg den Werbungskostenabzug auch für die Umzugskosten. Der Umzug in die größere Wohnung sei beruflich veranlasst gewesen, da er zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen geführt habe.
Dem folgte der BFH aber (aus Steuerzahlersicht „leider“) nicht und bestätigte die ablehnende Entscheidung des Finanzamts.
Wohnung: privater Lebensbereich
Die Wohnung ist grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Daher zählen die Kosten für einen Wohnungswechsel regelmäßig zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung. Etwas anderes gilt nur, wenn die berufliche Tätigkeit den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel dargestellt hat und private Umstände allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben.
Beachten Sie | Dies ist aber nur aufgrund außerhalb der Wohnung liegender Umstände zu bejahen, etwa wenn
- der Umzug Folge eines Arbeitsplatzwechsels gewesen ist oder
- sich die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit durch den Umzug um mindestens eine Stunde täglich vermindert
Die Möglichkeit, in der neuen Wohnung (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, genügt nicht zur Begründung einer beruflichen Veranlassung des Umzugs. Es fehlt insoweit an einem objektiven Kriterium, das nicht auch durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist.
Die Entscheidung, in der neuen, größeren Wohnung (erstmals) ein Zimmer als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer „Arbeitsecke“ auszuüben, beruht auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatz verfügt oder durch die Arbeit im Homeoffice versucht, das Berufs- und Familienleben zu vereinbaren.
Quelle | BFH, Urteil vom 5.2.2025, VI R 3/23, PM 24/25 vom 17.4.2025
| Ein mit einem Preisgeld dotierter Wissenschaftspreis kann nur dann Arbeitslohn darstellen, wenn er dem Arbeitnehmer für Leistungen verliehen wird, die er gegenüber seinem Dienstherrn erbracht hat. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Fall eines Professors entschieden. |
Der Professor hatte die Habilitationsschriften überwiegend vor der Berufung in das Professorendienstverhältnis verfasst. Der preisbewehrten Habilitation lag zwar eine wissenschaftliche Forschungsleistung zugrunde. Diese gründete aber nicht auf der Forschungstätigkeit als Hochschullehrer. Wissenschaftspreis und Preisgeld stellten sich daher nicht als „Frucht“ dieser Tätigkeit dar.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 12/22
| Kann in Deutschland steuerpflichtigen Personen eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen inder Schweiz gewährt werden? Das Finanzgericht (FG) Köln hält das für möglich und hat sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar mit deutscher und schweizerischer Staatsbürgerschaft wohnte in der Schweiz. Der Ehemann war als Arbeitnehmer in Deutschland tätig und unterhielt hierfür eine Wohnung in Deutschland. Für das gemeinsame Haus in der Schweiz beauftragten die Eheleute verschiedene Handwerks- und Gartenbauarbeiten i. S des Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 a EStG) und begehrten eine Ermäßigung ihrer Einkommensteuer.
Das Finanzamt lehnte dies jedoch ab, weil die Dienstleistungen in der Schweiz ausgeführt wurden (vgl. § 35 a Abs. 4 S. 1 EStG). Hiergegen erhoben die Eheleute erfolgreich Klage.
Freizügigkeitsabkommen
Das FG Köln bezweifelt, ob es mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist, dass die Steuerermäßigung nur für Dienstleistungen beansprucht werden kann, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt ausgeübt oder erbracht werden.
Beachten Sie | Bis zur Entscheidung des EuGH ist das Verfahren ausgesetzt.
Quelle | FG Köln, Beschluss vom 20.2.2025, 7 K 1204/22; PM vom 25.3.2025; EuGH: C-223/25
| Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen, z. B. Sachverständigengutachten, sind in der Regel nicht notwendig und werden daher nicht erstattet. Das ist der Grundsatz, von dem die Rechtsprechung ausgeht. Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme – wie eine Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Senftenberg anschaulich zeigt. |
Schwierige technische Fragestellungen
Ausnahmsweise werden nach dieser Entscheidung die Kosten z. B. für das Einholen eines privaten Sachverständigengutachtens unter anderem als notwendige Kosten anerkannt, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind. Gleiches gilt, wenn aus Sicht des Betroffenen aus einer Anfangsbetrachtung ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre.
Amtsgericht hält Kosten ausnahmsweise für erstattungsfähig
Diese Grundsätze hat das AG in seiner Entscheidung bestätigt. Es hat die Kosten für ein Sachverständigengutachten, mit dem die Messdaten einer Geschwindigkeitsmessung überprüft worden sind, daher als erstattungsfähig angesehen.
Quelle | AG Senftenberg, Urteil vom 28.2.2024, 50 OWi 1617 Js 22408/22
| Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h liegenden Tempo fährt, muss seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten. Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des Navigationssystems kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entschieden. |
Konzentrieren und Gerätebedienen ist gefährlich
Geklagt hatte eine Autovermieterin gegen den Fahrer eines vermieteten Pkw. Der Fahrer war auf der Autobahn verunfallt und hatte den Wagen beschädigt. Während er auf der linken Spur fuhr, bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs bei Tempo 200, um dort Informationen abzurufen. Dabei geriet das Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke.
Mietvertrag sah Kürzung der Haftungsfreistellung vor
Das Gericht verwies auf die Vereinbarung im Mietvertrag. Danach könne die Haftungsfreistellung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt werden. Der Fahrer habe hier grob fahrlässig gehandelt. Die Autovermieterin könne daher die Hälfte des Schadens – ca. 12.000 Euro – bei ihm geltend machen.
Für das Gericht war es dabei unerheblich, dass der Pkw einen sog. Spurhalteassistenten hatte. Zumindest bei derart hohen Geschwindigkeiten reduziere dieser den Schuldvorwurf nicht.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 2.5.2019, 13 U 1296/17
| Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie beschäftigt immer noch die Gerichte. Aktuell hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden: Die Mitglieder einer Fahrgemeinschaft waren auch in der Corona-Hochphase für gegenseitige Ansteckungen nicht verantwortlich zu machen. Eine auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage eines Mitfahrers hat das LG deshalb abgewiesen. |
Im Frühjahr 2022 stieg der Mitfahrer ohne Maske zu seinem Kollegen ins Auto, um gemeinsam zur Arbeit zu fahren. Am Abend desselben Tages schrieb er in die WhatsApp-Gruppe der Fahrgemeinschaft, dass er positiv getestet sei und sich in Quarantäne befinde.
Fahrer behauptete Ansteckung und verlangte Schmerzensgeld
Der schon zuvor an Asthma erkrankte Fahrer behauptete im Prozess, er habe sich während der gemeinsamen Fahrt mit dem Coronavirus infiziert und sei nun dauerhaft arbeitsunfähig („Post-Covid-Syndrom“). Der Mitfahrer schulde ihm daher Schmerzensgeld in Höhe von nicht unter 20.000 Euro, weitere 4.000 Euro Schadenersatz und müsse darüber hinaus für zukünftig auftretende Schäden einstehen.
Landgericht: Reine Gefälligkeit – keine Haftung
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Im Rahmen der wechselseitigen Gefälligkeit einer Fahrgemeinschaft sei bereits unter den Gesichtspunkten eines stillschweigenden Haftungsverzichts und des Handelns auf eigene Gefahr eine gegenseitige Haftung ausgeschlossen. Es sei zudem aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie allgemein bekannt gewesen, dass enger persönlicher Kontakt die Hauptinfektionsquelle darstellte. Obwohl der unter Asthma leidende Fahrer bemerkt habe, dass sein Kollege beim Einsteigen keine Maske trug, habe er ihn nicht gebeten, eine solche aufzusetzen. Er habe sich daher erkennbar trotz seiner Vorerkrankung dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Dass er sich keine Gedanken über einen ungünstigen Verlauf einer Infektion mit möglichen Dauer- und Folgeschäden gemacht habe, rechtfertige keine andere Beurteilung.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 16.12.2024, 7 O 110/24, PM vom 31.1.2025
| Mit der Frage, ob ein 13-jähriges Kind für einen Glasschaden an einem Schaufenster verantwortlich ist, hat sich das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. |
Glasbruch nach Nutzung eines Spielgeräts
Das Kind hatte in der Fußgängerzone von Frankenthal ein festmontiertes Spielgerät in Gestalt einer Drehscheibe genutzt und war beim Absteigen gegen ein daneben befindliches Schaufenster getaumelt. Für den dadurch entstandenen Glasbruch muss das Kind nicht haften, entschied das LG und hat die Klage der Ladenbesitzer abgewiesen.
Der Junge gab an, dass er auf dem Schulweg an dem Spielgerät vorbeigekommen sei. Er habe sich auf das Karussell gestellt, das ein Freund gedreht habe, zunächst langsam, dann immer schneller. Nachdem der Freund die Drehung gestoppt habe, sei er rückwärts gegen die keine drei Meter entfernte Fensterscheibe getaumelt, die daraufhin zerbrochen sei.
Schaden schuldhaft verursacht?
Die Ladenbesitzer warfen dem Jungen vor, den Schaden schuldhaft verursacht zu haben. Er sei bereits zu alt gewesen für das Karussell, zudem habe er sich damit zu schnell gedreht. Die Sturzgefahr und der mögliche Glasbruch seien für ihn erkennbar gewesen.
Landgericht: kein Verschulden des Kindes!
Das LG ging zwar davon aus, dass sich der 13-Jährige der grundsätzlichen Stolpergefahr durchaus bewusst und auch hinreichend einsichtsfähig war. Beides ist erforderlich, damit Minderjährige in diesem Alter überhaupt selbstständig haften. Gleichwohl konnte das LG das für einen Schadenersatzanspruch erforderliche Verschulden des Kindes nicht feststellen. Denn der Junge habe die Drehscheibe bestimmungsgemäß genutzt. Es sei gerade Sinn und Zweck des Karussells, trotz der Drehbewegung die Balance zu halten und der Gefahr des Herunterfallens zu trotzen. Das Kind sei weder zu alt noch zu groß für das Spielgerät gewesen.
Das Gericht hat nicht verkannt, dass die Ladenbesitzer nun auf ihrem Glasschaden sitzen bleiben. Dies resultiert gemäß LG jedoch daraus, dass unsere Rechtsordnung – von einigen hier nicht vorliegenden Sonderfällen abgesehen – dem Prinzip der Verschuldenshaftung folgt.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 29.11.2024, 9 O 27/24, PM vom 19.12.2024
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Bürgergeldempfänger gelten nicht als hilfebedürftig, wenn sie ein (zu) großes Einfamilienhaus gebaut haben und dessen Wert zur Sicherung des Lebensunterhalts nutzen können. |
Familie hatte während Bürgergeldbezug größeres Haus gebaut
Dem Verfahren lag ein Eilantrag einer Familie aus dem Emsland zugrunde. Diese hatte ihr selbstbewohntes Hausgrundstück für 514.000 Euro verkauft, nachdem sie während des Bürgergeldbezugs ein neues Haus gebaut hatte. Aufgrund des erzielten Verkaufserlöses hob der Grundsicherungsträger die Leistungsbewilligung auf.
Demgegenüber vertrat die Familie die Auffassung, das neue Haus sei geschütztes Vermögen und dürfe nicht zur Deckung des Lebensunterhalts herangezogen werden. Zudem berief sie sich auf die gesetzliche Karenzzeit von 12 Monaten, während der auch großzügige Wohnverhältnisse voll finanziert werden müssten.
Landessozialgericht: Familie nicht bedürftig
Das LSG bestätigte die Auffassung der Behörde. Die Familie sei nicht bedürftig, da das neue Hausgrundstück mit 254 m² Wohnfläche und sieben Bewohnern kein geschütztes Vermögen darstelle. Eine Verwertung des Vermögens zur Sicherung des Lebensunterhalts sei durch Beleihung möglich. Bei einem Verkehrswert von 590.000 Euro und einer Grundschuld von 150.000 Euro stehe ein unbelasteter Wert von 440.000 Euro zur Verfügung.
Die Berufung auf die gesetzliche Karenzzeit lehnte das Gericht ebenfalls ab. Die Regelung diene dem Zweck, dass Leistungsempfänger nicht sofort ihr angespartes Vermögen, etwa für die Altersvorsorge, aufbrauchen müssen, wenn sie nur vorübergehend auf Bürgergeld angewiesen sind. Die Karenzzeit solle dabei helfen, plötzliche Härten abzufedern.
Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um eine unerwartete Notlage, sondern um langjährige Leistungsbezieher, die ihre Wohnsituation und ihr Immobilienvermögen optimieren wollten. So habe die Familie als Verkaufsgrund des alten Hauses angegeben, die Entfernung zur Innenstadt sei ihnen zu weit gewesen.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.1.2025, L 11 AS 372/24 B ER, PM vom 20.1.2025
| Der gezahlte Reisepreis kann um 30 Prozent gemindert werden, wenn das Gepäck des Pauschalreisenden beim Hinflug zu spät ausgeliefert wird und deshalb während einer Kreuzfahrt in die Arktis nicht zur Verfügung steht. So entschied es das Landgericht (LG) München II zugunsten der Reisenden. |
Es ging um eine Expeditionsreise
Der Kläger und seine Mutter hatten im Jahr 2023 bei der Beklagten eine elftägige Pauschalreise nach Norwegen mit anschließender Kreuzfahrt „Auf den Spuren der Eisbären“ gebucht. Während des Hinflugs kam es zu einer verspäteten Auslieferung aller Gepäckstücke der Reisenden. Der Kläger und seine Mutter meldeten ihr Gepäck als verloren und erstatteten unverzüglich Schadensanzeige. Vor der Abfahrt des Schiffs kauften sie in Outdoor-Läden in Norwegen das Notwendigste ein. An Bord gab es eine Boutique und einen Wäscheservice. Schuhe und Parka für die Expeditionen an Land wurden gestellt. Die Beklagte erstattete den Reisenden außergerichtlich 25 Prozent vom gezahlten Reisepreis und 1.500 Euro (von 2.306,07 Euro) für die Ersatzbeschaffungen. Vor Gericht machte der Kläger den Restbetrag für die Ersatzbeschaffungen, weitere 15 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und einen „Schadenersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreuden“ geltend.
Landgericht sprach Minderung zu
Das LG sprach dem Kläger eine Minderung in Gesamthöhe von 30 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und für die Ersatzbeschaffungen weitere 516,20 Euro zu; einen Anspruch auf Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wies das LG jedoch ab.
Das LG begründete seine Entscheidung damit, dass das Fehlen von Gepäck mit persönlichen Gegenständen des Reisenden einen Reisemangel darstellt. Weil der Veranstalter jedoch keine besondere Kleiderordnung bei den Mahlzeiten und die Ausrüstung für die Expeditionen zur Verfügung gestellt hatte und es einen Wäscheservice an Bord gab, erachtete das Gericht eine Minderung von 30 Prozent des gezahlten Reisepreises als ausreichend und angemessen.
Bei den Ersatzbeschaffungen (Verbrauchsartikel, Grund- und Funktionsbekleidung) hatte der Reiseveranstalter unter anderem einen Abschlag für Vermögensvorteile vorgenommen, weil die Reisenden die Sachen nach der Rückkehr weiterhin nutzen können. Das Gericht folgte dem Argument der Beklagten nicht, soweit es sich um „Funktionskleidung“ handelte, denn der Kläger und seine Mutter hatten das Gericht davon überzeugt, dass sie die eigens für eine Expedition in die Arktis gekaufte Funktionsbekleidung nicht mehr benötigten. Anders sah es das Gericht bei den Verbrauchsartikeln (Waschmittel, Zahnpasta, etc.) – die Reisenden erhielten ihre Koffer bei der Rückkehr von der Reise zurück und konnten die darin enthaltenen Verbrauchsartikel (weiter) nutzen.
Schadenersatzanspruch abgelehnt
Einen Schadenersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit lehnte das Gericht ab, weil der Kläger und seine Mutter aufgrund der Möglichkeit von Ersatzbeschaffungen in Longyearbyen und an Bord sowie wegen der ihnen zur Verfügung gestellten Ausrüstungsgegenstände (Schuhe, Parka) an der Kreuzfahrt und den Expeditionen an Land teilnehmen konnten, was Sinn undZweck der gebuchten Expeditionsreise war.
Quelle | Landgericht München II, Endurteil vom 10.1.2025, 14 O 2061/24, PM 1/25
| Ein Ehemann kann nach der Trennung von seiner Frau verlangen, die Nutzungsverhältnisse an einem gemeinsamen Haus neu zu ordnen. Das stellte das Oberlandesgericht (OLG) Celle fest. |
Ärzteehepaar trennte sich
Nachdem sich ein Ärzteehepaar getrennt hatte, wollte der Mann in ein gemeinsames Haus des Paares ziehen. Doch dort wohnte seine Schwiegermutter. In der ihr allein gehörenden Ehewohnung lebte die Frau mit den gemeinsamen Kindern. Der Mann schlief zunächst in seiner Praxis, dann bei Bekannten. Schließlich wohnte er zur Untermiete.
Den Eheleuten gehörte aber hälftig noch das von der Schwiegermutter bewohnte Einfamilienhaus mit Garten. Dieser wollte der Mann wegen Eigenbedarf kündigen. Dazu war die Mitwirkung seiner Ehefrau erforderlich. Das lehnte sie ab. Sie meinte, der Mann wolle sie nur zwingen, ihrer Mutter zu kündigen. Auch habe er noch ein weiteres Haus. Der Mann klagte.
Amtsgericht: Eigenbedarf nicht genügend dargelegt
Das Amtsgericht (AG) wies seine Klage ab. Der Mann habe den Eigenbedarf nicht hinreichend dargelegt. Da die Schwiegermutter eine nahe Angehörige sei, könne ihre Tochter selbst Eigenbedarf anmelden. So zog der Mann vor das OLG.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG gab dem Mann Recht. Ihm sei seit der Trennung ein Festhalten am Mietverhältnis nicht länger zuzumuten. Auch habe er seinen Eigenbedarf ausreichend dargelegt. Er hatte vorgetragen, dass sein jetziges Mietverhältnis nur befristet war. Ein ständiges Wohnen in der Praxis sei ihm nicht zuzumuten. Ein Umzug in das andere Haus sei ihm ebenfalls nicht zuzumuten, da dieses noch ein Rohbau sei und er auch kein Geld für einen Umzug habe. Nach all dem sah das OLG den geltend gemachten Eigenbedarf nicht als „offensichtlich aussichtslos“ an. Vor allem sei die Frau in der Lage, ihre Mutter in der Ehewohnung und einer nicht genutzten Einliegerwohnung aufzunehmen.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 19.2.2025, 21 UF 237/24
| Wer einen überschuldeten Nachlass erbt, kann innerhalb einer Frist von sechs Wochen das Erbe ausschlagen. Sonst gilt die Erbschaft als angenommen und er haftet für die dem Nachlass zuzuordnenden Schulden. War dem Erben nicht bekannt, dass der Nachlass überschuldet ist, kann noch die Anfechtung wegen Irrtums helfen. Mit den Voraussetzungen dafür hat sich jetzt das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. Es hat entschieden, dass der als Erbe eingesetzte Sohn eines Verstorbenen nicht für die Beerdigungskosten aufkommen muss, weil er die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten hat. |
Witwe verlangte Bestattungskosten von Sohn des Verstorbenen
Der Verstorbene hatte seinen Sohn aus erster Ehe testamentarisch zu seinem Erben bestimmt. Die beiden pflegten zuletzt keinen Kontakt mehr zueinander. Nach dem Tod übernahm zunächst die Witwe die Bestattungskosten von rund 7.500 Euro und wollte diese vom Sohn erstattet haben, da dieser die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte. Daraufhin erklärte der Sohn die Anfechtung der Erbschaftsannahme. Er habe nicht gewusst, dass die Bestattungskosten zu den Nachlassverbindlichkeiten gehörten und der Nachlass damit überschuldet sei.
Irrtum über die Beerdigungskosten
Dieser Argumentation hat sich das LG angeschlossen. Der Sohn habe die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten und müsse daher nicht für die Beerdigungskosten aufkommen. Die Anfechtung wegen unerkannter Überschuldung eines Nachlasses sei ein in der Rechtsprechung anerkannter Anfechtungsgrund. Sie setze voraus, dass der Anfechtende eine wesentliche Forderung gegen den Nachlass irrtümlich übersieht. Hier seien die Bestattungskosten eine wesentliche Forderung, da der Nachlass überschuldet sei, wenn man sie berücksichtige. Es sei auch glaubhaft, dass sich der Sohn über die Beerdigungskosten geirrt habe. Denn die Witwe habe ihm noch zu Lebzeiten des Vaters mitgeteilt, für die Beerdigung könne der Erlös aus dem Verkauf eines Pkw verwendet werden. Daher durfte der Sohn davon ausgehen, als Erbe seines Vaters nicht für die Bestattung aufkommen zu müssen, so die Kammer. Wenn kein Erbe in Anspruch genommen werden kann, muss die Witwe als Ehefrau nach den Vorschriften des Landesrechts selbst für die Beerdigungskosten aufkommen, so das LG.
Quelle | Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 27.2.2025, 8 O 189/24, PM vom 31.3.2025
| Die Kosten eines Vaterschaftsanerkennungsverfahrens können zwischen dem im Verfahren ermittelten biologischen Vater und der Mutter hälftig geteilt werden. Weder der Umstand, dass der Vater nicht bereits auf Basis eines Privatgutachtens zur Anerkennung der Vaterschaft bereit war, noch, dass er nach Angaben der Mutter der einzige Verkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit war, rechtfertigen eine alleinige Kostenlast des Vaters. So entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |
Streit um Kosten
Die Beteiligten streiten über die Kosten eines Abstammungsverfahrens. Die Mutter des Kindes hatte angegeben, mit dem sog. Putativvater (also dem, der als möglicher Vater in Betracht kommt) in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehrs gehabt zu haben. Ein außergerichtlicher Vaterschaftstest hatte diesen als Vater festgestellt. Das Kind begehrte daraufhin, die Vaterschaft des Putativvaters gerichtlich festzustellen. Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens stellte das Amtsgericht (AG) die biologische Vaterschaft des Putativvaters fest und legte die Verfahrenskosten hälftig der Mutter und dem nun festgestellten Vater auf.
So sah es das Oberlandesgericht
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Mutter gegen die Auferlegung der Hälfte der Kosten. Dies hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das AG habe im Ergebnis zutreffend die Kosten nach billigem Ermessen zwischen der Kindesmutter und dem Kindesvater hälftig geteilt, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Bei einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren handele es sich nicht um ein echtes Streitverfahren. Neben dem Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens könnten deshalb weitere Umstände von Bedeutung sein. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten sei allerdings regelmäßig unbillig, da es selbst nicht zur Unsicherheit an der Vaterschaft beigetragen habe.
Hier sei es nicht angemessen, dem Vater die alleinigen Kosten aufzuerlegen. Er habe insbesondere nicht „grob schuldhaft“ das Verfahren veranlasst. Ihm sei es vielmehr nicht zumutbar gewesen, die Vaterschaft bereits außergerichtlich ohne gutachterliche Klärung der biologischen Abstammung durch Sachverständigengutachten anzuerkennen. Allein die Angabe der Mutter, sie habe in der Empfängniszeit nur mit dem Vater verkehrt, genüge zur Begründung eines groben Verschuldens nicht. Vielmehr habe der Vater berechtigte Zweifel ans einer Vaterschaft haben dürfen. Unwidersprochen habe er mit der Kindesmutter in der Empfängniszeit keine Beziehung geführt und auch nicht mit ihr zusammengelebt. Damit hätten ihm konkrete Einblicke in die Lebensverhältnisse der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit gefehlt. Für ihn habe damit auch keine Möglichkeit bestanden, abzuschätzen oder zu beurteilen, ob die Mutter des Kindes zu weiteren Männern eine intime Beziehung unterhalten habe.
Außergerichtlicher Vaterschaftstest schließt gerichtliche Überprüfung nicht aus
Auf den bereits außergerichtlich durchgeführten Vaterschaftstest habe er sich nicht verlassen müssen. Er könne vielmehr geltend machen, dass er angesichts der hohen rechtlichen Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Abstammungsgutachtens eine gerichtliche Überprüfung wünsche. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass „beide Eltern das Verfahren über eine Entscheidung über die Abstammung dadurch gleichermaßen veranlasst haben, dass sie innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben. Damit erscheint es in der Regel auch gerechtfertigt, die Kosten eines solchen Verfahrens gleichmäßig auf beide Eltern zu verteilen“, unterstrich das OLG.
Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 13.1.2025, 6 WF 155/24, PM 4/25
| Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung ist so zu verstehen, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, sofern diese nicht bereits von Dritten erbracht und dem Architekten zur Verfügung gestellt wurden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden. |
Ein Architekt war mündlich damit beauftragt worden, die Baugenehmigung für die Erweiterung eines Gasthofs einzuholen. Damit war klar, dass er die Leistungsphase 4 im Leistungsbild Gebäude und Innenräume sowie Tragwerksplanung erbringen musste. Da er vom Auftraggeber nur Bestandszeichnungen erhalten hatte, die nicht an eine Vor- oder Entwurfsplanung heranreichten, verlangte er auch das Honorar für diese notwendigen Leistungen. Der Auftraggeber weigerte sich. Er meinte, er habe nur die Genehmigungsplanung beauftragt.
Das OLG gab dem Architekten Recht und sprach ihm das Honorar für die Leistungsphasen 1 bis 4 zu. Es komme nicht auf die Regelungen der HOAI, sondern auf den Inhalt des konkreten Auftrags an. Nicht entscheidend sei, ob die Parteien einen schriftlichen oder mündlichen Vertrag geschlossen, sondern was sie tatsächlich vereinbart haben. Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung müsse dann so verstanden werden, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, da diese notwendige Voraussetzung für die Erstellung der Genehmigungsplanung ist. Etwas anderes gelte nur, wenn die vorangehenden Planungsleistungen bereits von Dritten erbracht wurden und dem Architekten zur Verfügung gestellt werden.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2022, 4 U 142/20
| Beauftragt ein Bauträger einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt vom Architekten nur die Überprüfung einzelner Maße, übernimmt der Bauträger das mit der begrenzten Überprüfung verbundene Risiko selbst. Er kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin als Bauträgerin machte gegen den beklagten Architekten im Wege einer Schadenersatzklage i. H. v. 100.000 Euro wegen mangelhafter Architektenleistungen bei der Planung einer Wohnungseigentumsanlage geltend. Die Klägerin ist der Auffassung, die die Pläne des Vermessungsingenieurs überarbeitende Wohnflächenberechnung des Beklagten für bestimmte Bestandsgebäude habe eine zu geringe Wohnfläche ausgewiesen. Der Beklagte habe zugesichert, dass die Abweichungen der Wohnflächen von den Bestandsplänen des Vermessers unter einem Prozent lägen, tatsächlich gebe es Abweichungen bis zu 8%. Zahlreiche Wohnungen seien daher mit zu geringer Flächenangabe verkauft worden und deshalb sei ein Mindererlös entstanden.
Der Beklagte bestreitet eine fehlerhafte Flächenermittlung, die sich ohnehin nur auf die örtliche Überprüfung der Maße aus den Bestandsplänen des Vermessers hinsichtlich der für die Werkplanung entscheidenden Stellen bezogen habe. Ein Auftrag zu einer kompletten Neuvermessung des Bestands sei gerade nicht erteilt worden.
Zudem meint die Klägerin, der Beklagte habe bei der Grundlagenermittlung übersehen, dass die Geschossdecken in einem Bestandsgebäude Betonhohlkörperdecken waren, die einen unerwartet hohen Sanierungsaufwand erforderten, und es versäumt, vor Baubeginn die Fundamente an der Seite zu einem anderen Grundstück zu überprüfen. Infolge dieser Planungsfehler hätten sich die Baukosten für das Bestandsgebäude deutlich erhöht. Die Umbaukosten beliefen sich somit auf mindestens 950.000 Euro. Ein vollständiger Abriss und Neubau hätte dagegen (nur) 752.499 Euro gekostet und wäre im Vergleich zu den tatsächlich entstandenen Kosten günstiger gewesen. Bei erzielbaren Verkaufserlösen abzüglich der Kosten für Abriss/Neubau hätte sich bei einem Neubau ein hoher sechsstelliger Überschuss ergeben. Der tatsächliche Überschuss durch den Umbau habe lediglich 107.000 Euro betragen.
Der Beklagte trägt hierzu vor, ihm sei vom Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt worden, dass es sich bei sämtlichen Bestandsdecken um Stahlbetonrippendecken handele. Eine Pflicht zur Überprüfung dieser Tatsache habe es nicht gegeben. Zudem habe sich die Klägerin in Kenntnis der Mehrkosten für eine Sanierung und gegen einen Abriss entschieden. Hinsichtlich des Fundaments sei die Klägerin bereits vor Beauftragung des Beklagten in Kenntnis gesetzt worden, dass dessen Tragfähigkeit ein Risiko darstelle. Sie habe dennoch entschieden, das Fundament erst im Zuge der Aushubarbeiten zu untersuchen, um Kosten einzusparen.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG stellte klar: Wie bei einem Bauvertrag kann auch zwischen einem Architekten und seinem Auftraggeber eine von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichende Ausführung vereinbart werden, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen.
Beauftragt eine Bauträgerin einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt sie vom Architekten, einzelne Maße zu überprüfen, übernimmt die Bauträgerin sehenden Auges das mit der begrenzten Überprüfung der Maße verbundene Risiko und kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Weist der Architekt seinen Auftraggeber darauf hin, dass die zu planende Wohnung ohne Sonnenschutz nicht funktioniert, muss der Auftraggeber erkennen, dass bei Umsetzung der Planung eine im Hinblick auf den Wärmeschutz nicht ausreichend funktionstüchtige Wohnung errichtet wird, und es bedarf keines weiteren Hinweises, dass dann (auch) die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten sind.
Macht der Auftraggeber eines Architekten geltend, dass er im Fall einer mangelfreien Beratung von der Sanierung eines Gebäudes abgesehen und einen profitableren Neubau errichtet hätte, schafft der Auftraggeber für eine Schadensschätzung bzw. Begutachtung nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn er nachvollziehbar darlegt, welches Gebäude mit welchen Eigenschaften er statt der Sanierung errichtet hätte.
Macht ein Auftraggeber geltend, bei einem mangelfreien Architektenwerk hätte er die zu errichtenden Wohnungen teurer verkaufen können, ist ein Schaden nur schlüssig dargelegt, wenn die Kalkulationsgrundlagen für den erzielten und den geltend gemachten Kaufpreis offengelegt werden und nachvollziehbar vorgetragen wird, dass ein höherer Kaufpreis am Markt hätte durchgesetzt werden können.
Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 17.12.2024, 10 U 38/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Aachen hat die Klage eines Realschullehrers auf Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Festsetzung von Erfahrungsstufen und mithin auf eine höhere Besoldung abgewiesen. |
Eine Tätigkeit als Anbieter von Cocktailkursen ist für die Tätigkeit als verbeamteter Lehrer nicht förderlich im besoldungsrechtlichen Sinne. Eine Tätigkeit ist allgemein förderlich, wenn sie für die Dienstausübung des Beamten nützlich bzw. von konkretem Interesse ist, d. h. wenn diese entweder erst aufgrund der früher gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht oder wenn sie jedenfalls erleichtert und verbessert wird.
Ausgehend hiervon kann die Tätigkeit als Betreiber einer Gesellschaft, die Cocktailkurse und Barcatering anbietet – auch wenn diese Tätigkeit über mehrere Jahre ausgeübt wurde – nicht als förderlich angesehen werden. Das Halten von Cocktailkursen ist weder qualitativ noch quantitativ mit der Tätigkeit eines Realschullehrers vergleichbar. So hat der Kläger im Rahmen seiner Cocktailschule insbesondere nicht mit Minderjährigen gearbeitet, sondern deren Angebot zielte auf die Schulung von Mitarbeitern aus dem Hotel-, Restaurant- und Cateringgewerbe. Auch sind die Anforderungen an die Erstellung eines Cocktailkurses nicht mit der Erstellung eines differenzierten Lehrplans für Schulunterricht in den Schulklassen 5 bis 10 vergleichbar.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 20.1.2025, 1 K 2377/23, PM vom 3.2.2025
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Ein Beschäftigungsverhältnis wird erst ab dem Beginn der Entgeltfortzahlung und nicht schon mit Abschluss des Arbeitsvertrags begründet. |
Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankgemeldet
Geklagt hatte ein 36-jähriger Arbeitsloser, dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld Ende Oktober 2023 auslief. Anfang Oktober unterschrieb der Mann einen Arbeitsvertrag als Lagerist bei einem Reinigungsunternehmen zu einem Monatslohn von 3.000 Euro brutto. Er trat die Arbeit jedoch nie an, da er sich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankmeldete. Zwei Wochen später kündigte die Firma innerhalb der Probezeit.
Krankenkasse zahlte kein Krankengeld
Die Krankenkasse des Mannes lehnte daraufhin die Zahlung von Krankengeld ab. Begründung: Es habe kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, da der Mann kein Einkommen erzielt habe.
Der Mann verklagte das Unternehmen und verlangte die Anmeldung zur Sozialversicherung ab dem Beginn des Arbeitsvertrags. Er vertrat dazu die Auffassung, dass bereits durch einen rechtsgültigen Vertrag, der eine Entgeltzahlung vorsehe, ein Beschäftigungsverhältnis zustande komme. Dies müsse auch gelten, wenn ihm der Arbeitsantritt krankheitsbedingt nicht möglich sei. Andernfalls würde er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit leer ausgehen.
Landessozialgericht gab Krankenkasse Recht
Das LSG vermochte sich der Rechtsauffassung des Klägers nicht anzuschließen. Der Arbeitgeber müsse ihn nicht zur Sozialversicherung anmelden, da ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht schon mit dem Beginn des Arbeitsvertrags entstanden sei. Erforderlich sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe. Dieser Anspruch entstehe jedoch bei neuen Arbeitsverhältnissen generell erst nach einer vierwöchigen Wartezeit.
Wartezeit war ohnehin nicht erfüllt
Diese gesetzliche Regelung solle verhindern, dass Arbeitgeber die Kosten der Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer tragen müssen, die direkt nach der Einstellung erkrankten. Der Gesetzgeber habe eine solche Konsequenz als unbillig angesehen.
Unabhängig davon müsse der Mann sich erst an seine Krankenkasse wenden, bevor er seinen Arbeitgeber verklage.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.1.2025, L16 KR 61/24
Erbrecht
| Auch in einem Minijob gibt es bezahlten Urlaub. Doch in diesem Zusammenhang stellen sich viele Fragen: Wie viele freie Tage stehen einem Minijobber zu? Was gilt bei unregelmäßiger Arbeitszeit? Wie wirkt sich das Urlaubsgeld auf den Minijob aus? Diese und weitere Fragen hat die Minijob-Zentrale jüngst beantwortet. |
So erläutert die Minijob-Zentrale beispielsweise, dass der Lohn während des Urlaubs weitergezahlt werden muss (Urlaubsentgelt). Das ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt. Zusätzlich kann es Urlaubsgeld geben (als freiwillige Zahlung zum Urlaub).
Quelle | Minijob-Zentrale vom 11.6.2025 „Urlaub im Minijob: Ihre Fragen – Wir antworten!"
| Es gibt steuerliche Betriebsprüfungen, die bereits nach kurzer Zeit abgeschlossen sind. Andere Prüfungen hingegen ziehen sich über Monate oder sogar über Jahre hin. Um die Betriebsprüfung zu beschleunigen, wurden nun mehrere gesetzliche Änderungen vorgenommen. |
Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen
Verzögerungen bei einer Betriebsprüfung können mitunter auf eine unzureichende Mitwirkung des Steuerpflichtigen zurückzuführen sein. Um dem entgegenzuwirken, sieht der neue § 200 a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) das qualifizierte Mitwirkungsverlangen vor, das sich auf die Mitwirkungspflichten nach § 200 AO stützt. Danach hat der Steuerpflichtige u. a. Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben.
Ermessensentscheidung des Prüfers
Das (neue) qualifizierte Mitwirkungsverlangen stellt eine Ermessensentscheidung des Prüfers dar, die frühestens nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ergehen darf. Entscheidet sich der Prüfer für ein solches Mitwirkungsverlangen, ist es schriftlich oder elektronisch (versehen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung) zu erteilen.
Beachten Sie | Der Steuerpflichtige muss in diesem Fall schnell handeln. Denn das Mitwirkungsverlangen ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe zu erfüllen. Nur in begründeten Einzelfällen kann die Frist verlängert werden.
Neu: Mitwirkungsverzögerungsgeld
Problematisch wird das qualifizierte Mitwirkungsverlangen für den Steuerpflichtigen, wenn es nicht oder nicht hinreichend innerhalb der Frist erfüllt wird. Denn in diesen Fällen wird das neu eingeführte Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt (§ 200 a Abs. 2 AO). Ausnahme: Die Mitwirkungsverzögerung erscheint entschuldbar, beispielsweise bei einer stark beeinträchtigenden Erkrankung.
Beachten Sie | Das Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung (also für jeden vollen Tag nach Verstreichen der im Mitwirkungsverlangen gesetzten Frist) 75 Euro. Gerechnet werden die Tage bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Mitwirkungsverlangen erfüllt wird – spätestens bis zum Tag der Schlussbesprechung. Denn nach der Schlussbesprechung gibt es keinen Bedarf mehr, eine Mitwirkung sicherzustellen.
Allerdings dürfen maximal 150 Tage zugrunde gelegt werden, sodass das Mitwirkungsverzögerungsgeld maximal 11.250 Euro betragen kann (150 Tage × 75 Euro).
Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld
Nicht immer bleibt es bei dem Mitwirkungsverzögerungsgeld. Denn es steht im Ermessen des Prüfers, nach § 200 a Abs. 3 AO zusätzlich einen Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzen. Voraussetzung ist, dass
- gegen den Steuerpflichtigen in den letzten fünf Jahren ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wurde und zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt oder
- wegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt. Davon ist auszugehen, wenn die Umsatzerlöse in einem der von der Prüfung umfassten Jahre mindestens 12 Mio. Euro betragen oder sich die konsolidierten Umsatzerlöse bei Konzernen auf mindestens 120 Mio. Euro belaufen.
Entscheidet sich der Prüfer für den Zuschlag, steht auch die Höhe in seinem Ermessen. Dabei darf der Zuschlag höchstens 25.000 Euro für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung betragen – ebenfalls für maximal 150 Tage (maximal somit 3,75 Mio. Euro).
Teilabschlussbescheid und Inkrafttreten
Um die Betriebsprüfungen zu beschleunigen, wurde auch der neue Teilabschlussbescheid eingeführt. Denn oft scheitert der zeitnahe Abschluss an einem einzelnen Sachverhalt, der nur durch intensiven Arbeitseinsatz aufgeklärt werden kann. Das Problem: So entsteht keine Rechtssicherheit bezüglich weiterer geprüfter Sachverhalte.
Durch den neuen § 202 Abs. 3 AO hat der Prüfer die Möglichkeit, bereits vor Abschluss der Prüfung einen Teilprüfungsbericht zu übermitteln und im Anschluss einen Teilabschlussbescheid zu erlassen. Hierdurch lassen sich einzelne im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte und abgrenzbare Feststellungen vor dem abschließenden Prüfungsbericht gesondert feststellen. Kann der Steuerpflichtige ein erhebliches Interesse an einem Teilabschlussbescheid glaubhaft machen, soll dieser auf Antrag ergehen.
Beachten Sie | Die Neuerungen gelten erst für Steuern und Steuervergütungen, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Sie sind aber auch für Steuern und Steuervergütungen anzuwenden, die vor dem 1.1.2025 entstehen, wenn für diese Steuern und Steuervergütungen nach dem 31.12.2024 eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde.
Quelle | Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie, BGBl I 2022, S. 2730
| Verlängert sich die dem Verbraucher gesetzlich eingeräumte 14-tägige Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge, wenn der Verkäufer in seiner Widerrufsbelehrung seine Telefonnummer nicht angibt? Diese Frage hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden. |
Kauf im Online-Shop über 62.000 Euro
Der Kläger hatte am 4.5.2022 über den Onlineshop der Beklagten ein Elektrofahrzeug zum Preis von rund 62.000 Euro erworben. Die Auslieferung des Fahrzeugs erfolgte am 20.12.2022. Am 14.8.2023 erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrags. Zu spät, entschied nun auch das OLG in zweiter Instanz und wies damit die Berufung des Klägers zurück.
Rechtlicher Hintergrund
Verbrauchern steht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: §§ 312 g Abs. 1, 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, im Normalfall beginnend ab Erhalt der Ware. Wird der Verbraucher jedoch nicht korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB). Die Informationspflichten des Unternehmers ergeben sich aus dem Einführungsgesetz zum BGB (hier: Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB). Der Unternehmer kann die Informationspflichten auch durch die Verwendung einer Musterwiderrufsbelehrung erfüllen, die sich in der Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB befindet.
Fehlende Telefonnummer ohne Auswirkungen
Hier hatte die Autohändlerin in ihrer selbst formulierten Widerrufsbelehrung, die sie dem Kläger übermittelte, keine Telefonnummer angegeben. Diese war jedoch auf der Internetseite der Beklagten zu finden. Das OLG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist geführt hat.
Widerruf eines Autokaufs wahrscheinlich eher schriftlich als per Telefon
Es entschied, dass die Widerrufsbelehrung auch ohne Angabe einer Telefonnummer den gesetzlichen Anforderungen genügt und sich die Widerrufsfrist daher nicht verlängert. Die Nichtangabe der Telefonnummer begründe bei einem Autokauf, der von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sei, nicht die Gefahr, dass der Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werde.
Ein typischer Kunde würde allein aus Beweiszwecken bei den hohen Summen eines Elektroautokaufs den Widerruf vernünftigerweise auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. per E-Mail) übermitteln.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 7.11.2024, 14 U 95/24, PM 8/25
| Hat sich der Übergeber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anlässlich der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ein Wohnungsrecht an einer Wohnung des übergebenen Vermögens vorbehalten, ist ein Sonderausgabenabzug des Mietwerts nach Meinung der Finanzverwaltung ausgeschlossen. Dieser Ansicht hat aber nun das Finanzgericht (FG) Nürnberg widersprochen. |
Hintergrund: Wird ein Betrieb gegen Versorgungsleistungen auf nahe Angehörige übertragen, kann der Betriebsübernehmer die Versorgungsleistungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 a Nr. 2 EStG) als Sonderausgaben abziehen, die der Empfänger versteuern muss (nach § 22 Nr. 1a EStG).
Das war geschehen
Anlässlich einer Hofübergabe wurde dem Übergeber ein Altenteil in Form eines vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts, Taschengelds und der Mitbenutzung von Gegenständen eingeräumt. Den vom Vermögensübernehmer als Sonderausgaben geltend gemachten Nutzungswert der Altenteilerwohnung erkannte das Finanzamt allerdings nicht an, da nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2010 nur die mit der Nutzungsüberlassung tatsächlich zusammenhängenden Aufwendungen (wie Strom, Heizung, Wasser und Instandhaltungskosten), nicht jedoch der Nutzungswert der Altenteilerwohnung berücksichtigt werden können.
Finanzgericht gibt Kläger Recht, Revision ist eingelegt
Die hiergegen eingelegte Klage war vor dem FG Nürnberg erfolgreich. Nach Auffassung des FG kann der Fall, dass der Versorgungsberechtigte mit dem ihm gewährten (höheren) Barunterhalt selbst eine Wohnung mietet, für den Bereich des Sonderausgabenabzugs nicht anders behandelt werden als der Fall, in dem sich die Versorgungsleistung aus (niedrigerem) Barunterhalt und unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zusammensetzt.
Da die Revision anhängig ist, muss nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden.
Quelle | FG Nürnberg, Urteil vom 6.2.2025, 4 K 1279/23, Rev. BFH: X R 5/25, BMF-Schreiben vom 11.3.2010, IV C 3 - S 2221/09/10004, Rz. 46
| Der Bundesfinanzhof (BFHZ) hat jüngst entschieden, dass die Erteilung von Reitunterricht nicht von der Umsatzsteuer befreit ist, es sei denn, der Unterricht dient der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung. |
Das war geschehen
Im Streitfall begehrte der Kläger die Steuerbefreiung verschiedener Reitkurse für Kinder und Jugendliche auf seinem Reiterhof in den Jahren 2007 bis 2011. In der „Ponygruppe“ wurden Kinder und Jugendliche und bei „Klassenfahrten“ wurden Schulklassen im Umgang mit Pferden unterrichtet.
Zudem wurden Kurse für eine „Große Pferdegruppe“ angeboten, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen gerichtet waren. Die unterrichteten Kinder und Jugendlichen wurden darüber hinaus verpflegt und übernachteten teilweise auch auf dem Reiterhof.
Uneinigkeit der gerichtlichen Instanzen
Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, dass sämtliche Leistungen steuerpflichtig seien. Das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein sah das aber größtenteils anders. So seien die Umsätze insoweit steuerfrei, als sie auf die Beherbergung und Verpflegung sowie auf den Teil des Reitunterrichts entfielen, mit dem die formalen Voraussetzungen dafür erlangt werden können, später den Beruf des Turniersportreiters auszuüben („Große Pferdegruppe“).
Der Meinung des Finanzgerichts hat sich der BFH aber nicht vollumfänglich angeschlossen.
Der BFH stellte klar, dass es sich bei der Beherbergung und Verpflegung von Kindern und Jugendlichen um selbstständige steuerbare Leistungen neben dem Reitunterricht handelt. Er hob weiter hervor, dass Reitunterricht (als spezialisierter Unterricht) kein „Schul- und Hochschulunterricht“ ist.
Beachten Sie | Entsprechendes ist bereits für Segel-, Fahr-, Schwimm-, Jagd- und Tanzschulen entschieden worden.
Anerkennung als Ausbildung an strenge Voraussetzungen geknüft
Die Einstufung von Reitunterricht als „Ausbildung“ oder „Fortbildung“ kommt nach Auffassung des BFH nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Reitunterricht, der typischerweise der Freizeitgestaltung dient, ist in der Regel keine Ausbildung oder Fortbildung, da er nicht auf einen bestimmten Beruf vorbereitet. Die Kurse der „Ponygruppe“ und für Schulklassen im Rahmen der „Klassenfahrten“ sind daher umsatzsteuerpflichtig.
Beachten Sie | Die Ansicht des BFH dürfte insoweit strenger sein als die Auffassung der Finanzverwaltung zu Ballett-, Tanz- oder Musikunterricht.
Spätere Turniersportreiter: umsatzsteuerfreie Kurse
Bei den Kursen der „Großen Pferdegruppe“ lagen hingegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme vor, da zahlreiche Teilnehmer später Turniersportreiter wurden. Diese Kurse sind folglich umsatzsteuerfrei.
Hinsichtlich der Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für die Kinder und Jugendlichen führte der BFH aus, dass die hierfür seinerzeit geltende Steuerbefreiung nur in Betracht kommt, wenn eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter vorliegt. Bereits hieran fehlte es aber im Streitfall. Denn der Kläger konnte eine solche Anerkennung nicht vorweisen.
Beachten Sie | Seit dem 1.1.2020 können nur noch die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben insoweit umsatzsteuerbefreit sein, was der Kläger aber nicht ist.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 9/22, PM 35/25 vom 30.5.2025
| Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen und übernimmt der neue Eigentümer die auf dem Grundstück lastenden Schulden, liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund : Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Spekulationsbesteuerung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 23 EStG).
Beachten Sie | Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die
- im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
Das war geschehen
Der Vater hatte im Jahr 2014 ein Grundstück für 143.950 Euro erworben und teilweise fremdfinanziert. 2019 übertrug er das Grundstück auf seine Tochter. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Grundstück einen Wert von 210.000 Euro. Die Tochter übernahm die am Übertragungstag bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 115.000 Euro.
Finanzamt: Aufteilung in entgeltlich und unentgeltlich
Das Finanzamt teilte den Vorgang (ausgehend vom Verkehrswert im Zeitpunkt der Übertragung) in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichenTeil auf. Soweit das Grundstück unter Übernahme der Verbindlichkeiten entgeltlich übertragen worden war, besteuerte das Finanzamt den Vorgang als privates Veräußerungsgeschäft.
Hiergegen klagte der Vater vor dem Finanzgericht (FG) Niedersachsen und bekam Recht. Die Begründung: Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten sind keine Veräußerungen (im Sinne des § 23 EStG).
Höchste Instanz bestätigt Vorgehen des Finanzamts
Doch die Freude währte nicht lange, denn der BFH schloss sich der Ansicht des Finanzamts an.
- Wird ein Wirtschaftsgut übertragen und werden damit zusammenhängende Verbindlichkeiten übernommen, liegt regelmäßig ein teilentgeltlicher Vorgang vor. In diesem Fall erfolgt eine Aufteilung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichenTeil.
- Wird das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen, unterfällt der Vorgang hinsichtlich des entgeltlichen Teils als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensteuer.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.3.2025, IX R 17/24, PM 37/25 vom 30.5.2025
| Frauen muslimischen Glaubens haben keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kfz mit einem Gesichtsschleier (Niqab). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin bestätigt. |
Antrag auf Ausnahmegenehmigung
Die Klägerin hatte ihren Antrag auf Ausnahmegenehmigung damit begründet, dass sie sich gemäß ihrem Glauben außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Da sie im Auto den Blicken fremder Menschen ausgesetzt sei, müsse es ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Das VG hatte die Klage abgewiesen.
Berufung nicht zugelassen
Das OVG hat den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Mit ihren Einwendungen hat die Klägerin es nicht vermocht, ernstliche Richtigkeitszweifel an der Entscheidung des VG zu wecken oder Verfahrensfehler offenzulegen.
Keine wesentliche Einschränkung der Religionsfreiheit
Die Annahme des VG, dass das Tragen einer Gesichtsverschleierung während des Autofahrens für die Religionsausübung typischerweise keine wesentliche Einschränkung bedeutet und angesichts der zeitlich und örtlich eingeschränkten Wirkung des Verbots hinzunehmen ist, konnte sie nicht durchgreifend in Frage stellen.
Dasselbe gilt für die Annahme des VG, dass das der zuständigen Behörde bei der Frage der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt wurde, weil der Eingriff zur Sicherstellung der effektiven automatisierten Verkehrsüberwachung gerechtfertigt ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Quelle | OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.4.2025, OVG 1 N 17/25 , PM 11/25
| Wer seine SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergibt, hat keinen Anspruch auf Rückzahlung abgebuchter Kreditkartenbeträge. So entschied es das Amtsgericht (AG) München. |
Das war geschehen
Der Ehemann der Klägerin wollte am Samstag, den 6.1.2024, für seine Ehefrau und sich eine Reise im Internet buchen. Hierzu gab er auf der Website „Check24“ die Daten der Kreditkarte seiner Ehefrau ein. Kurz darauf erschien eine Mitteilung, dass ein Betrag in Höhe von 318,99 Euro vorgemerkt sei, ehe weitere Mitteilungen über vergleichbare Vormerkungen erschienen. Die Klägerin veranlasste noch am selben Abend telefonisch die Sperrung der Kreditkarte. Am Montag, den 8.1.2024 sind sechs unberechtigte Abbuchungen zu je 318,99 Euro für Giftcards vom Konto der Klägerin erfolgt, insgesamt 1.953,29 Euro.
Zur Autorisierung der Transaktionen fand das Mastercard 3D-Secure-Verfahren Anwendung. Zur Aktivierung dieses Verfahrens auf einem weiteren Gerät übersandte die beklagte Bank am 6.1.2024 eine SMS-TAN an die von der Klägerin bei der Beklagten hinterlegte Mobilfunknummer. Die an die Klägerin versandte SMS-TAN wurde dann auf dem weiteren mobilen Endgerät, auf dem auch die Banking-App freigeschaltet wurde, am 6.1.2024 eingegeben und damit das Secure-Verfahren aktiviert.
Die Klägerin behauptete, dass sie diese Abbuchungen nicht autorisiert habe. Bei der Buchung sei sie nicht nach PIN oder Passwort gefragt worden, sie habe auch nirgendwo eine SMS-Tan eingegeben. Es sei nicht erkannt worden, dass es sich möglicherweise um eine „Fake“-Website handelte.
Die beklagte Bank ging davon aus, dass die Frau die SMS-Tan an einen Dritten weitergegeben haben muss, da eine Freigabe der Buchungen anders technisch nicht möglich gewesen sei und verweigerte die Zahlung. Die Klägerin verklagte die Bank daher vor dem AG auf Rückzahlung der 1.953,29 Euro.
So sah das Amtsgericht den Sachverhalt
Das AG wies die Klage ab. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Abbuchungen nicht von der Klägerin autorisiert waren, sondern von Dritten getätigt wurden. Aufgrund der Beweisaufnahme war das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin die SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergegeben haben muss, weshalb ein Schadenersatzanspruch der Bank gegen die Klägerin in gleicher Höhe bestehe, mit dem die Bank aufgerechnet habe.
Das AG: Der Vortrag der Bank, dass diese in ihren Systemen feststellen konnte, dass das Mastercard 3D-Secure Verfahren per Banking App für die Kreditkarte der Klägerin am 6.1.2024 um 13:30 Uhr aktiviert wurde, und zur Aktivierung dieses Verfahrens auf dem neuen Gerät eine SMS-TAN an die im Vertrag hinterlegte Mobilfunknummer der Klägerin versandt wurde, wurde durch Inaugenscheinnahme des Mobiltelefons der Klägerin bestätigt. Dort befindet sich eine SMS vom 6.1.2024 13:29 Uhr mit dem Inhalt: „ … ist Ihre TAN für die Aktivierung von Mastercard Identity Check vom 6.1.2024 13:44 Uhr.“ Der Eingang der SMS um 13:29 Uhr war im eingesehenen Nachrichtenverlauf um 13:29 Uhr dokumentiert und wird auch durch das vorgelegte IT-Protokoll belegt. Der Vortrag der Klägerin, keine SMS-TAN erhalten zu haben und dass ihr Mobiltelefon nicht in die Freigabe involviert war, erwies sich damit als widerlegt.
SMS-Tan war unzweifelhaft eingegeben worden
Die Bank hat unbestritten vorgetragen, dass aufgrund der manuellen Eingabe einer an die Mobilfunknummer der Klägerin versandten SMS-Tan ein Fremdzugriff technisch ausgeschlossen ist. Es wurde ein neues Gerät im Online-Banking der Klägerin als Freigabeinstrument im Rahmen des 2-Faktor-Authentifizierungsverfahrens hinterlegt. Hierzu war – technisch zwingend – die Eingabe der SMS-Tan erforderlich. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Klägerin durch Preisgabe der SMS-Tan Dritten eine Registrierung eines Geräts ermöglicht hat, wobei die Preisgabe persönlicher Sicherheitsmerkmale an Dritte gemäß den vertraglichen Bestimmungen untersagt war.
Verhalten der Klägerin war grob fahrlässig
Das Verhalten der Klägerin bewertet das Gericht als grob fahrlässig. Es ist eine Sache, wenn man seine Kreditkartendaten offenbart. Diese werden bei jeder Verwendung offenbart und können auch von der Karte abgelesen werden.
Die Weitergabe eines im Rahmen einer Zwei-Faktor-Autorisierung erhaltenden Zugangscodes kann nicht damit gleichgesetzt werden. Mit dieser Weitergabe hilft der Nutzer, die Sicherheitsarchitektur grundlegend auszuhebeln. Es muss jedem verständigen Nutzer solcher Kreditkarten klar sein, welches Risiko er mit der Weitergabe derartiger Daten schafft. Die Klägerin mag dies nicht bewusst getan haben und es mag auch nicht erinnerlich sein. Indessen lässt sich der Vorgang plausibel nicht anders erklären.
Quelle | AG München, Urteil vom 8.1.2025, 271 C 16677/24, PM 14/25
| Nach den Vorgaben des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes (FKAustG) werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates automatisch ausgetauscht. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun die Staatenaustauschliste 2025 bekanntgegeben. Enthalten sind die Staaten, mit denen der automatische Datenaustausch zum 30.9.2025 erfolgt. Weitere Informationen zum Informationsaustausch erhalten Sie u. a. auf der Website des Bundeszentralamts für Steuern (abrufbar unter www.iww.de/s2991). |
Quelle | BMF-Schreiben vom 3.6.2025, IV D 3 - S1315/00304/070/025
| Die Vermietung von Zimmerkontingenten an eine Kommune zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter überschreitet nicht den Nutzungszweck eines zum Hotelbetrieb gepachteten Gebäudes. Dies gilt jedenfalls, solange hiermit keine übermäßige Abnutzung oder sonstige Beeinträchtigung für den Verpächter verbunden ist, die über die übliche Nutzung durch Hotelgäste hinausgeht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die auf Räumung und Herausgabe des Hotels gerichtete Klage der Verpächterin abgewiesen. |
War die Unterbringung Geflüchteter vertragswidrig?
Die Klägerin schloss 2016 mit der Beklagten einen Vertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb des „Hotel F.“ in Gießen. Die Sache durfte vertraglich nur zum vereinbarten Nutzungszweck gebraucht werden. Seit Herbst 2022 buchte das Jugendamt der Stadt Gießen regelmäßig Zimmer für in seiner Obhut stehende Jugendliche. Nach Abmahnung kündigte die Klägerin 2023 fristlos. Sie hält die Unterbringung unbegleiteter Jugendlicher für vertragswidrig. Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt.
In der Berufung wies das OLG die Klage ab. Der Vertrag zwischen den Parteien sei nicht wirksam fristlos gekündigt worden. Die Beklagte habe nicht die Rechte der Klägerin durch eine unbefugte Überlassung an Dritte in erheblichem Maße verletzt. Dem Betrieb eines Hotels sei es immanent, dass es zu Beherbungsverträgen mit Dritten komme. Davon umfasst sei auch, dass bei der Buchung von Zimmerkontingenten durch Firmen o. Ä. ein ganzes Hotel faktisch durch denselben Mieter belegt werde. Der Abschluss von zeitlich begrenzten und auf bestimmte Zimmer bezogenen Beherbungsverträgen mit der Stadt Gießen sei folglich nicht unbefugt gewesen. Die Grenze zur unzulässigen Gebrauchsüberlassung wäre nur überschritten, wenn die Stadt das gesamte Gebäude übernommen und zu einem Flüchtlingsheim umgebaut hätte.
Keine Gefährdung der Mietsache, keine Pflichtverletzung
Eine zur Kündigung berechtigende Gefährdung der Mietsache durch unbegleitete minderjährige Geflüchtete sei nicht erkennbar. Es liege keine Pflichtverletzung wegen Überschreitung des Vertragszwecks vor, die zur Kündigung berechtigte. Die zeitweilige Vermietung zum o. g. Zweck überschreite nicht den Vertragszweck. Die vertraglich vereinbarte Nutzungsart als Hotel sei durch das Angebot von individueller Unterkunft, Service, Verpflegung und Nebenleistungen gekennzeichnet. Aufenthaltsdauer, -zweck und Motive für die Anmietung der Zimmer stellten keine entscheidenden Kriterien für die Bewertung als Hotelbetrieb dar. Es bestehe kein Anspruch darauf, „dass die Vermietung nur an einen bestimmten Personenkreis erfolgen darf, solange keine Beeinträchtigungen der Räumlichkeiten vorliegen bzw. zu befürchten sind“, unterstrich das OLG und es sei auch nicht vorgetragen, dass „Geflüchtete die Zimmer intensiver und nachlässiger nutzten als dies bei einer „normalen“ Vermietung an Hotelgäste der Fall wäre“.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.2.2025, 2 U 63/24, PM 21/25
| Das Landgericht (LG) Hanau hat entschieden: Die Anforderung von Belegkopien der Betriebskostenabrechnung ist kein wirksames Einsichtnahmeersuchen, wenn die Einsicht beim Vermieter zumutbar ist. Hierfür kommt es auf die Entfernung zur Mietwohnung an und nicht auf den Ort, an den der Mieter nach Mietende verzogen ist. |
Muss Mieter Belege einsehen oder muss Vermieter sie zuschicken?
Nach Mietvertragsende verlangte der Mieter die geleistete Kaution zurück. Die dann noch erstellte Betriebskostenabrechnung wies eine Nachforderung auf, die der Vermieter mit der Kaution verrechnete. Der inzwischen über 120 km weit weggezogene Mieter widersprach der Abrechnung, forderte die Übersendung von Belegkopien, um die Abrechnung zu prüfen, und klagte auf Rückzahlung der gesamten Kaution. Er bringt vor, keine Kopien erhalten zu haben, zumal der Vermieter für eine Einsichtnahme bei diesem nun zu weit entfernt sei.
So sahen es die Gerichte
Das Amtsgericht (AG) hat die Klage in Höhe der verrechneten Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das LG entschied, dass die Einwände gegen die Abrechnung zu unkonkret waren, weil der Mieter die Belege nicht geprüft hat. Der Vermieter habe die Belegeinsicht auch nicht verweigert, weil der Mieter unzulässigerweise die Übersendung von Kopien verlangte. Da die Belegprüfung grundsätzlich beim Vermieter erfolgen muss, lag schon kein wirksames Einsichtnahmeersuchen vor.
Kein Ausnahmefall
Der Mieter könne auch nicht ausnahmsweise die Zusendung von Kopien fordern. Das sei zwar möglich, wenn der Vermieter zu weit entfernt ansässig ist. Hierfür komme es jedoch auf die Entfernung der Mietsache zu diesem an, wobei eine Anreise von Hanau nach Frankfurt zumutbar sei. Dass der Mieter nun über 120 km entfernt wohnt, liege hingegen in seinem Risikobereich und führe nicht zu einem Recht auf Übersendung von Kopien.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | LG Hanau, Beschluss vom 24.3.2025, 2 S 43/24, PM vom 8.5.2025
| Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg bestätigte die Vorinstanz: Der kulturelle und familiäre Wert einer Sammlung aus Gemälden und historischen Gegenständen ist höher zu setzen als das Interesse einzelner Familienmitglieder an der Verwertung der Gegenstände. Letzteres hatte ein Teil der Familie aufgrund interner Differenzen verlangt. |
Das war geschehen
Die Nachfahren einer Nürnberger Patrizierfamilie stritten in einem Zivilprozess um den Erhalt ihrer Familiensammlung – einer Sammlung von Gemälden und historischen Gegenständen, die über Jahrzehnte als ungeteiltes Familienvermögen innerhalb der Familie über die Erbfolge weitergegeben wurde. Ein Teil der Familie begehrte den Pfandverkauf der historischen Sammlungsgegenstände, die teils in privater Nutzung sind, teils im Germanischen Nationalmuseum verwahrt werden, um die Erben- und Bruchteilsgemeinschaft auseinanderzusetzen. Die beklagten Familienmitglieder widersetzten sich dem und beriefen sich auf ein in einem Familienvertrag aus dem Jahr 1936 festgelegtes immerwährendes Teilungsverbot für das verfahrensgegenständliche Familienvermögen. Die Kläger verwiesen auf eine spätere Aufhebung sowie Nichtigkeit dieses Familienvertrags, denn dessen Regelungen sahen unter anderem die Weitergabe der Familiensammlung nur an männliche Nachkommen vor.
So sah es die erste Instanz
Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth hatte in erster Instanz die Klage abgewiesen. Es sah die Aufhebung des Familienvertrags nicht durch die vorhandenen Protokolle der Familienversammlungen belegt und erachtete das von der Familie im Jahr 1936 in Bezug auf die Familiensammlung vereinbarte dauerhafte Teilungsverbot als wirksam und fortbestehend an. Die Klagepartei habe auch keine Umstände vorgebracht, die als wichtiger Grund eine Aufhebung der Gemeinschaft rechtfertigen könne. Die im Verfahren vorgetragenen innerfamiliären Differenzen reichten hierfür nicht aus.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Hiergegen legte ein Familienmitglied der unterlegenen Klageseite Berufung zum OLG ein. Dieses hat das Ersturteil bestätigt und die zur Begründung des Aufhebungsanspruchs vorgebrachten Gründe und Einwendungen der Berufung für nicht durchgreifend erachtet. Wie das Erstgericht bewerte der Senat die erbrechtliche Regelung im Familienvertrag zum Ausschluss der weiblichen Nachkommen als nichtig, was aber die Wirksamkeit des dauerhaften Teilungsverbots nicht berühre. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kam das OLG zu dem Ergebnis, dass das beklagtenseits eingewandte familiäre als auch öffentliche Interesse am Erhalt der Gesamtheit der Sammlung als Kulturgut dem klägerischen Interesse an einer Aufhebung der Gemeinschaft und an einer damit verbundenen Zerschlagung der Sammlung überwiege.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 28.2.2025, 1 U 2451/23 Erb, PM 12/25
| Bauarbeiter, die auf Baustellen einfache Arbeiten verrichten, einen festen Stundenlohn erhalten und am Markt nicht erkennbar unternehmerisch auftreten, sind regelmäßig abhängig Beschäftigte, für die die Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen. Dies entschied in drei Urteilen das Hessische Landessozialgericht (LSG). |
Baufirmen müssenSozialversicherungsbeiträge nachzahlen
Die Deutsche Rentenversicherung entschied in mehreren Fällen, dass Bauarbeiter abhängig beschäftigt sind. In zwei Fällen forderte sie nach entsprechenden Betriebsprüfungen von den im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge in fünfstelliger Höhe. In einem weiteren Verfahren hatte sie zunächst über den Antrag auf Statusfeststellung zu entscheiden.
Weder schriftliche Verträge noch eigene Werkzeuge
In diesen Fällen hatten angeblich selbstständige Werkunternehmer auf Baustellen der jeweils klagenden Baufirma gearbeitet. Bei diesen Bauarbeitern handelte es sich um ausländische Staatsangehörige mit allenfalls geringen Deutschkenntnissen. Sie erledigten Abbrucharbeiten, Maurertätigkeiten und Pflasterarbeiten, sanierten Bäder oder arbeiteten im Trockenbau. Schriftliche Verträge oder Auftragsbestätigungen gab es nicht. Die Abrechnungen erfolgten auf Basis der aufgeschriebenen Stunden bei einem Stundenlohn zwischen 10 und 15 Euro. Die Materialien und Werkzeuge wurden bis auf Kleinwerkzeuge von den jeweiligen Baufirmen gestellt.
Scheinselbstständige statt Werkunternehmer
Das LSG folgte der Einschätzung der Rentenversicherung. In allen drei Verfahren liege Scheinselbständigkeit vor.
Bei einfachen, typischen Arbeitnehmerverrichtungen, die der Beschäftigte im Wesentlichen ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübe, spreche die Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis. Die betroffenen Bauarbeiter seien jeweils in den Betrieb der klagenden Baufirma eingegliedert gewesen und hätten einfache Bauarbeiten getätigt, wie sie typischerweise abhängig Beschäftigte verrichteten.
Kein unternehmerisches Auftreten
Werkvertragstypische Vereinbarungen einer unternehmerischen Leistung hätten nicht festgestellt werden können. Zudem seien die angeblichen „Werkunternehmer“ schon aufgrund ihrer geringen Deutschkenntnisse zu einem unternehmerischen Auftreten am Markt nicht in der Lage gewesen.
Zwischen den Baufirmen und den Bauarbeitern getroffene Vereinbarungen über eine (angeblich) selbstständige Tätigkeit seien nicht relevant und könnten die gesetzlich angeordnete Sozialversicherungspflicht nicht ausschließen.
Quelle | Hessisches LSG, Urteil vom 3.4.2025, L 8 BA 4/22, L 8 BA 62/22 und L 8 BA 64/21, PM vom 3.4.2025
| Wandhängende WCs und Handtuchheizkörper in Standardausführung sowie Balkone in der Größe von vier qm sind in Milieuschutzgebieten genehmigungsfähig, weil sie der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dienen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden. |
Bauliche Änderungen nicht ohne Genehmigung
Die Klägerinnen sind jeweils Eigentümerinnen von Wohngebäuden in Milieuschutzgebieten in Berlin-Mitte. Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen soziale Erhaltungsverordnungen (umgangssprachlich Milieuschutzverordnungen) gelten. Sie sollen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im jeweiligen Gebiet schützen. Bauliche Änderungen bedürfen in Milieuschutzgebieten grundsätzlich einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Den Erlass von Milieuschutzverordnungen erlaubt ein Bundesgesetz, nämlich das Baugesetzbuch. In Berlin sind dafür die Bezirke zuständig. Aktuell gelten in Berlin über 40 Milieuschutzverordnungen.
Eine Klägerin möchte im Badezimmer einer Wohnung ein Stand-WC durch ein wandhängendes WC ersetzen sowie einen Handtuchheizkörper einbauen. Eine weitere Klägerin begehrt den Anbau von dreizehn Balkonen in der Größe von jeweils vier qm an die Wohnungen ihres Mehrfamilienhauses. Die Maßnahmen stellen nach Ansicht der Klägerinnen einen zeitgemäßen Ausstattungszustand ihrer Wohnungen dar. Das Bezirksamt versagte den Klägerinnen die erhaltungsrechtlichen Genehmigungen. Die Vorhaben gingen über einen zeitgemäßen Ausstattungszustand hinaus und seien als wohnwerterhöhende bauliche Änderungen im Milieuschutzgebiet nicht zulässig.
Genehmigungen sind zu erteilen
Das VG gab den dagegen erhobenen Klagen statt und verpflichtete das Bezirksamt, die Genehmigungen zu erteilen. Der Gesetzgeber habe im Baugesetzbuch geregelt, dass eine erhaltungsrechtliche Genehmigung zu erteilen sei, wenn die bauliche Maßnahme der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen diene.
Mittlerer Standard nicht wohnwerterhöhend
Der Gesetzgeber habe den Genehmigungsanspruch auch nicht auf bauliche Maßnahmen beschränkt, die der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dienten. Vielmehr habe er zugelassen, dass darüber hinaus auch in Milieuschutzgebieten eine behutsame Anhebung des Ausstattungszustands auf den Standard mittlerer Wohnverhältnisse erfolgen könne. Daran sei ein bundeseinheitlicher Maßstab anzulegen. Bei wandhängenden WCs und Handtuchheizkörpern in einer Standardausführung sowie bei vier qm großen Balkonen werde dieser Standard nicht überschritten. Dafür sprächen unter anderem die Verbreitung dieser Ausstattungsmerkmale bundesweit sowie der Umstand, dass die Mietspiegel der größeren deutschen Städte sie überwiegend nicht als wohnwerterhöhend einstuften.
Quelle | VG Berlin, Urteile vom 2.4.2025, VG 19 K 17/22 und VG 19 K 351/23, PM 24/25
| Trotz erfolgreich absolviertem ersten juristischen Staatsexamen hat ein Antragsteller, der erwiesenermaßen die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft, keinen Anspruch darauf, den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) zu durchlaufen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz. |
Fehlende Verfassungstreue
Der Antragsteller wollte nach erfolgreichem Jurastudium als Rechtsreferendar in den juristischen Vorbereitungsdienst eintreten. Dies lehnte das Oberlandesgericht (OLG) wegen fehlender Verfassungstreue des Antragstellers ab. Dieser suchte daraufhin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um gerichtlichen Rechtsschutz mit dem Ziel nach, ihn im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses einzustellen.
Eindeutige Publikationen
Der Antrag blieb ohne Erfolg. Dem Antragsteller, so das VG, fehle der notwendige sog. Anordnungsanspruch. Aus den einschlägigen Vorschriften des Landesgesetzes über die juristische Ausbildung sowie des Landesbeamtengesetzes folge, dass die juristische Ausbildung am Leitbild einer dem Rechtsstaat verpflichteten Person zu orientieren sei. Rechtsreferendare müssten sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Der Antragsteller werde dem nicht gerecht, wie von ihm verfasste und publizierte Texte belegten.
In einem von ihm geschriebenen Roman würden beispielsweise schwarze Menschen durch die Verwendung menschenverachtender Bezeichnungen pauschal herabgewürdigt. Es werde hierin behauptet, ein – namentlich genannter – österreichischer Fußballspieler, der dunkelhäutig sei, könne kein Deutscher oder Österreicher sein. In einem anderen Text attestierte er dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Demontage des Volksbegriffs. Der von dem Antragsteller vertretene Volksbegriff mit der Forderung nach einer „positiven Erneuerung Deutschlands“ könne nur als Forderung nach einer Umkehrung eines vermeintlichen „Bevölkerungsaustauschs“ verstanden werden. Zudem sei der Antragsteller Mitglied bei der „Jungen Alternative für Deutschland“ und dem Verein „Ein Prozent e. V.“ gewesen. Er habe in beiden Organisationen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Frühjahr 2023 als gesichert rechtsextremistisch einstufe, zumindest zeitweise herausgehobene Funktionen übernommen.
Die Entscheidung ist bestandskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 9.5.2025, 5 L 416/25.KO, PM 14/25
| Eine Tätowierung ist heute typischer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Während sichtbare Tattoos im Arbeitsleben immer normaler werden, stellt sich damit aber zunehmend die Frage, wer eigentlich das finanzielle Risiko trägt, wenn beim Stechen des Tattoos nicht alles glatt verläuft. Dazu liegt nun eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vor: Wer sich tätowieren lässt, erhält bei Komplikationen keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das LAG bestätigt damit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Flensburg. |
Pflegekraft ließ sich tätowieren
Die als Pflegehilfskraft beschäftigte Klägerin ließ sich am Unterarm tätowieren. In der Folge entzündete sich die tätowierte Stelle. Die Klägerin wurde daraufhin für mehrere Tage krankgeschrieben. Die beklagte Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum ab.
Die Klägerin führte vor Gericht aus, dass sie ja nicht Entgeltfortzahlung für den Tätowierungsvorgang geltend mache, sondern für eine davon zu trennende zeitlich nachfolgende Entzündung der Haut. Ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen. Es habe sich ein sehr geringes Risiko verwirklicht, das nur bei ein bis fünf Prozent der Fälle von Tätowierungen auftrete. Tätowierungen seien als Teil der privaten Lebensführung geschützt und mittlerweile weit verbreitet.
Die Arbeitgeberin entgegnete, die Klägerin habe bei der Tätowierung in eine Körperverletzung eingewilligt. Das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre deshalb nicht zum normalen Krankheitsrisiko und könne dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden.
Arbeitsunfähigkeit verschuldet
Das LAG ist der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Diese war zwar arbeitsunfähig krank. Sie hat die Arbeitsunfähigkeit aber verschuldet. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz handelt ein Arbeitnehmer immer schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt.
Die Klägerin musste bei der Tätowierung damit rechnen, dass sich ihr Unterarm entzündet. Dieses Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen ihr eigenes Gesundheitsinteresse dar. Sie hat selbst vorgetragen, in bis zu 5 % der Fälle komme es nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut. Dies ist keine völlig fernliegende Komplikation. Bei Medikamenten wird eine Nebenwirkung als „häufig“ angegeben, wenn diese in mehr als einem, aber weniger als zehn Prozent der Fälle auftritt. Zudem ist die Komplikation in der Hautverletzung durch die Tätowierung selbst angelegt.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.5.2025, 5 Sa 284 a/24, PM vom 2.7.2025
| Wenn ein Arbeitnehmer sich beim Kaffeetrinken verschluckt und infolgedessen stürzt, kann das im Einzelfall einen Arbeitsunfall darstellen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden. |
Nasenbeinbruch während morgendlicher Besprechung
Der Kläger war als Vorarbeiter auf einer Baustellebeschäftigt. Beim Kaffeetrinken während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer verschluckte er sich, ging hustend zur Tür, um sich draußen auszuhusten, verlor kurz das Bewusstsein und stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter. Dabei brach er sich das Nasenbein.
Berufsgenossenschaft und Sozialgericht: kein Arbeitsunfall
Das sei kein Arbeitsunfall, befand die zuständige Berufsgenossenschaft, denn das Kaffeetrinken habe keinen betrieblichen Zwecken gedient. Es sei vielmehr dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen. So sah es auch das Sozialgericht (SG), das in erster Instanz über den Fall entschieden hatte.
Landessozialgericht: auch Nahrungsaufnahme geschützt
Zu Unrecht, befand nun das LSG. Zwar erstrecke sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit damit ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird. Im vorliegenden Fall sei das Kaffeetrinken aber nicht auf das Grundbedürfnis des Durstlöschens gerichtet gewesen, sondern habe (auch) betrieblichen Zwecken gedient. Der gemeinsame Kaffeegenuss während der verpflichtend vorgeschriebenen Besprechung habe eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft bewirkt.
Arbeitgeber stellte den Kaffee zur Verfügung
Zudem habe der Kaffee für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesorgt. Das sei auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, der sich teilweise selbst um das Auffüllen der Kaffeevorräte gekümmert habe. Deshalb sei der Fall auch anders zu beurteilen, als wenn sich ein Arbeitnehmer z. B. in der Frühstückspause an einem Kaffee verschluckt, den er selbst in der Thermoskanne mitgebracht hat.
Quelle | LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.5.2025, L 6 U 45/23, PM 2/25
| Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Hostprovider – hier Meta – muss nach einem Hinweis auf einen rechtsverletzenden Post auf der Social-Media-Plattform Facebook auch ohne weitere Hinweise sinngleiche Inhalte sperren. Sinngleich sind etwa Beiträge mit identischem Text und Bild, aber abweichender Gestaltung (Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung), bloßer Änderung typografischer Zeichen oder Hinzufügung von Elementen, etwa sog. Captions, die den Aussagegehalt nicht verändern. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Arzt und bewarb in der Vergangenheit u. a. die sog. „Hirschhausen Diät“. Der Kläger wies die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach auf sog. Fake-Werbe-Videos hin, in denen er vermeintlich u. a. für Abnehmmittel werbe.
Gegenstand dieses Eilverfahrens sind zwei weitere solcher Deep-Fake Videos: Nutzer haben zum einen ein Video unter Verwendung eines Ausschnitts aus der Sendung von Markus Lanz hergestellt, in denen der Name, das Bildnis und die Stimme des Klägers verwendet werden und in dem dieser vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme wirbt. Dieses Video entfernte die Beklagte zeitnah nach Abmahnung durch den Kläger. In einem nachfolgend erschienenen, nahezu inhaltsgleichen weiteren Deep-Fake Video warb der Kläger ebenfalls vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme. Dieses Video entfernte die Beklagte ebenfalls – erst – nach entsprechendem Hinweis durch den Kläger. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassen der Verbreitung dieser beiden Videos in Anspruch. Das Landgericht (LG) hat den Antrag zurückgewiesen.
So sah es das Oberlandesgericht
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hatte teilweise Erfolg. Hinsichtlich des ersten Videos bestehe kein Unterlassungsanspruch, entschied das OLG. Die Beklagte sei als Hostproviderin grundsätzlich nicht verpflichtet, von den Nutzern ins Netz gestellte Beiträge vor ihrer Veröffentlichung auf etwaige Rechtsverletzungen hin zu prüfen. Ihre Haftung setze die Verletzung von Prüf- und Verhaltenspflichten voraus. Vor der Abmahnung des Klägers betreffend das erste Video sei die Beklagte nicht zur Löschung verpflichtet gewesen. Eine Löschpflicht habe sich insbesondere nicht aus den vorausgegangenen Hinweisen des Klägers auf andere, nicht sinngleiche sog. Fake-Werbungen ergeben. Grundsätzlich lösten derartige Hinweise nur Prüfpflichten hinsichtlich „sinngleicher Inhalte“ aus. Darunter fielen Inhalte, die in Bild und Text identisch, aber bei gleichbleibendem Gesamteindruck etwa abweichend gestaltet seien. Dies könne sich etwa auf die Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung mit Rahmen oder Zufügung sog. Caption beziehen. Die vorausgegangenen Hinweise des Klägers hätten sich hier jedoch auf in Bild und Text abweichende Inhalte bezogen.
Prüfplicht des Providers bestand
Hinsichtlich des zweiten Videos habe die Beklagte dagegen schon aufgrund der Abmahnung des Klägers hinsichtlich des ersten Videos eine Prüfpflicht getroffen. Es habe keiner weiteren Abmahnung bedurft. Das zweite Video unterscheide sich allenfalls marginal vom ersten. Nach dem Eindruck des OLG wirkten die Videos – bei voneinander abweichender Überschrift – nahezu identisch. Es lägen damit sinngleiche Inhalte vor. Da die Beklagte das zweite Video nicht bereits ohne weitere Abmahnung gesperrt habe, habe sie gegen ihre Prüfpflichten verstoßen. Im Ergebnis bestehe daher ein Unterlassungsanspruch.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nich tanfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.3.2025, 16 W 10/25, PM 14/25
| Zahlreiche Betriebsprüfungen zeigen, dass die Kassenführung oft beanstandet wird. Das Problem dabei: Ist die Kassenführung nicht ordnungsmäßig, drohen erhebliche Hinzuschätzungen. So war es auch in einem Fall, der vom Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein zu entscheiden war. |
Im Streitfall hatte bei einem bargeldintensiven Imbiss mit Sitzgelegenheiten eine Betriebsprüfung stattgefunden. Der Betreiberin, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte, wurden dabei zahlreiche Mängel in der Kassenführung vorgeworfen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem FG blieb erfolglos.
Beachten Sie | Allerdings ist inzwischen die Revision anhängig, in der insbesondere diese interessanten Fragen zu klären sind:
- Ist bei bestehenden Zweifeln im Hinblick auf den Programmierzustand und das Vorhandensein von Manipulationsspuren an der Registrierkasse vom FG ein Sachverständigengutachten einzuholen?
- Rechtfertigen fehlende Programmierprotokolle für die verwendete Kasse eine Schätzung dem Grunde nach?
- Ergibt sich aus einer angeblichen Abweichung von der Richtsatzsammlung eine Schätzungsbefugnis?
Quelle | FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.8.2023, 3 K 25/22, Rev. BFH, X R 27/24
| Hat eine Gesellschaft ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr, ist für die Berechnung der Steuerermäßigung gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 EStG) nicht auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums abzustellen, sondern auf das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahrs. Für die Aufteilung des Steuerermäßigungsbetrags sind der Gewerbesteuer-Messbetrag und die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des Wirtschaftsjahrs an der Gesellschaft beteiligt waren. So lautet ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Hintergrund: Unter den Voraussetzungen des § 35 EStG wirddie Gewerbesteuerbelastung kompensiert, indem die tarifliche Einkommensteuer um das Vierfache des festgesetzten Steuermessbetrags gemindert wird.
Quelle | BFH, Urteil vom 10.4.2025, IV R 21/22
| Mit Wirkung ab 1.6.2025 wurden die Gebühren für Eintragungen im Handelsregister um 50 Prozent erhöht. Demzufolge werden auch Unternehmensgründungen teurer. |
In der Begründung der Verordnung wird hierzu u. a. ausgeführt: „Die daraus insgesamt resultierenden Gebühreneinnahmen sollen dazu dienen, den Aufwand der Länder für den Betrieb der Registergerichte weitgehend zu decken, damit die Gerichte den Anforderungen an eine moderne, effiziente und sichere Registerführung auch künftig gerecht werden können.“
Quelle | Dritte Verordnung zur Änderung der Handelsregistergebührenverordnung, BGBl I 2025, Nr. 127
| Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft wird nur bereit sein, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung einer Eigentumswohnung zu (privaten) Wohnzwecken (also im privaten Interesse) eines Gesellschafters zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe erstattet werden und sie zudem einen angemessenen Gewinnaufschlag erhält. Vor diesem Hintergrund hat es das Finanzgericht (FG) Niedersachsen im Streitfall als rechtmäßig beurteilt, dass das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) angesetzt hat. |
Zum Hintergrund: Bei einer vGA handelt es sich – vereinfacht – um Vermögensvorteile, die dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gewährt werden. Eine vGA darf den Gewinn der Gesellschaft nicht mindern.
Im Anschluss an ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahr 2016 führte das FG weiter aus: Eine Vermietung zu marktüblichen, aber nicht kostendeckenden Bedingungen würde ein gewissenhafter Geschäftsführer (ausnahmsweise) in Betracht ziehen, wenn er bezogen auf den jeweils zu beurteilenden Veranlagungszeitraum bereits von der Erzielbarkeit einer angemessenen Rendite ausgehen kann.
Beachten Sie | Die danach für den Fremdvergleich maßgebliche Kostenmiete ist auch dann als Maßstab heranzuziehen, wenn der Gegenstand des Unternehmens der Kapitalgesellschaft auch neben der an die Gesellschafterin vermieteten Wohnung in der Vermietung von Immobilien besteht.
Gegen das Urteil ist die Revision anhängig. Gleichwohl sollte in vergleichbaren Fällen eine vGA bedacht werden. Es empfiehlt sich, Mietverträge zu prüfen und ggf. anzupassen.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 15.8.2024, 10 K 255/21, Rev. BFH, I R 21/24
| Ein Freiwilliger Wehrdienst kann bei einem volljährigen Kind für sich genommen keinen Kindergeldanspruch begründen. Gleichwohl kann während der Zeit des Wehrdienstes ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, wenn das Kind einen der gesetzlichen Berücksichtigungstatbestände erfüllt, also z. B. während des Wehrdienstes für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dabei ist es unschädlich, wenn das Kind nach Abschluss der Grundausbildung im Rahmen des Freiwilligen Wehrdienstes Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad ausübt. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Das war geschehen
Der Sohn absolvierte nach seinem Abitur einen zehn Monate dauernden Freiwilligen Wehrdienst. Die Familienkasse bewilligte dem Vater für die Übergangszeit zwischen Abitur und Grundausbildung sowie für die Zeit der Grundausbildung Kindergeld. Nach der Grundausbildung verrichtete der Sohn Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad, eine weitere Ausbildung bei der Bundeswehr fand nicht statt. Nach dem Ende des Wehrdienstes studierte er an einer zivilen Hochschule. Den Entschluss dazu hatte er während des Wehrdienstes gefasst.
Die Familienkasse versagte für die Zeit nach Beendigung der Grundausbildung bis zum Beginn des Studiums die Festsetzung von Kindergeld. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Vater Klage vor dem Finanzgericht (FG) Bremen. Da das FG die Revision zugelassen hatte und diese auch eingelegt wurde, musste nun der BFH entscheiden.
Beachten Sie | Der Freiwillige Wehrdienst gehört – anders als ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr – nicht zu den im Einkommensteuergesetz (hier: § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG) genannten Berücksichtigungstatbeständen, die schon für sich genommen einen Kindergeldanspruch begründen können.
Bundesfinanzhof: Kindergeldanspruch bestand
Dennoch entschied der BFH, dass auch nach dem Ende der Grundausbildung und trotz einer Erwerbstätigkeit des Kindes als Soldat mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden ein Kindergeldanspruch bestehen kann, wenn das Kind (wie im Streitfall) eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.
Beachten Sie | Die drei Monate dauernde Grundausbildung war zwar Teil einer Ausbildung zum Offizier oder Unteroffizier. Ihre Beendigung führte jedoch nicht zu einem für den weiteren Kindergeldbezug ggf. schädlichen Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung (i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG).
Es kam auf den Zeitpunkt des Entschlusses an
Für einen Monat wies der BFH die Revision jedoch zurück, weil sich der Entschluss des Sohnes, sich um einen Studienplatz zu bemühen, erst im Folgemonat objektiviert hatte. Der bloße Vortrag des Kindergeldberechtigten und des Kindes, der Entschluss zu einer Ausbildung oder zu einem Studium sei früher gefasst worden, ist für die Begründung des Anspruchs nicht ausreichend.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.2.2025, III R 43/22, PM 28/2025 vom 2.5.2025
| Ab Mai 2025 setzen vier Pilotfinanzämter (Brühl, Bielefeld-Außenstadt, Hamm und Lübbecke) des Landes Nordrhein-Westfalen erstmals ein KI-Modul zur Unterstützung der Steuerveranlagung ein. Das Ziel: Steuererklärungen sollen effizienter, schneller und treffsicherer bearbeitet werden.
Das neue KI-Modul ergänzt das bewährte Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung. Es erkennt Muster in den Steuerdaten und kann gut nachvollziehbare Fälle mit geringem Prüfbedarf gezielt identifizieren. Diese werden automatisiert verarbeitet – und damit schneller abgeschlossen.
Gestartet wird mit Arbeitnehmerfällen (also Steuererklärungen mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalerträgen, Vorsorgeaufwendungen, Sonderausgaben, haushaltsnahen Dienstleistungen und ähnlichen Bereichen). Die Ausweitung auf weitere Fallkonstellationen ist bereits in Planung.
Nordrhein-Westfalen übernimmt die Vorreiterrolle. Nach erfolgreichem Testlauf ist die landesweite Einführung geplant.
Quelle | FinMin NRW, Mitteilung vom 22.4.2025
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der auf Dienstreisen seinen privaten Pkw einsetzt, die tatsächlichen Kosten für jeden gefahrenen Kilometer auch dann ansetzen kann (im Streitfall: 2,28 Euro/km für einen Sportwagen), wenn er von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt bekommt, den er grundsätzlich für dienstliche und private Fahrten nutzen kann. |
Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall jedoch den Nachweis erbringen, dass er das Privatfahrzeug tatsächlich beruflich eingesetzt hat. Eine Angemessenheitsprüfung dem Grunde nach (hier: berufliche Nutzung eines privaten Fahrzeugs durch einen Arbeitnehmer, dem von seinem Arbeitgeber ein Geschäftsfahrzeug überlassen wurde) findet nicht statt.
Beachten Sie | Das Finanzamt will diese Entscheidung aber nicht akzeptieren und hat Revision eingelegt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.9.2024, 9 K 183/23, Rev. BFH: VI R 30/24
| Kinderbetreuungskosten sind als Sonderausgaben abzugsfähig. Bei Aufwendungen für Unterricht, für die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen ist ein Sonderausgabenabzug allerdings gesetzlich ausgeschlossen. Mit dem Abzugsverbot hat sich nun der Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt. |
Hintergrund: Kinderbetreuungskosten können nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) als Sonderausgaben steuerlich absetzbar sein. Folgende Aspekte sind hier zu beachten:
- Abzug von 80 % der Betreuungsleistungen, maximal 4.800 Euro pro Jahr.
- Der Abzug ist zulässig für haushaltszugehörige Kinder unter 14 Jahren (oder aufgrund Behinderung, Eintritt vor dem 25. Lebensjahr, Übergangsregel 27. Lebensjahr).
- Grundsätzlicherforderlich: Rechnung und Überweisung.
- Nichtabziehbar: Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen.
Betreuungscharakter muss im Vordergrund stehen
Nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen vor, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbstständigten Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichts- oder Kurszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen (sprachlichen, musischen, sportlichen) Fähigkeiten in den Hintergrund rückt.
Nicht begünstigteAufwendungen
Entsprechendes gilt für sportliche und andere Freizeitbetätigungen. Nicht begünstigte Aufwendungen für derartige Aktivitäten liegen daher vor, wenn
- die Betätigung organisatorisch, zeitlich und räumlich getrennt von einer Kindertagesstätte, einem Schulhort oder einer ähnlichen Einrichtung stattfindet und
- dabei nicht die altersbedingt erforderliche Betreuung des Kindes, sondern die Aktivität im Vordergrund steht.
Quelle | BFH, Urteil vom 23.1.2025, III R 33/24 (III R 50/17)
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen hat die Stadt Marburg dazu verpflichtet, einer Studentin einen Bewohnerparkausweis zu erteilen, die ein in Tschechien zugelassenes Fahrzeug nutzt. |
Kfz in Tschechien zugelassen
Die Klägerin wohnt in einem Bewohnerparkgebiet der Beklagten. Sie nutzt ein Kraftfahrzeug ihres Vaters, der tschechischer Staatsangehöriger ist und das Fahrzeug in Tschechien zugelassen hat. Im Frühjahr 2024 beantragte sie bei der Stadt Marburg, ihr einen Bewohnerparkausweises zu erteilen. Dies lehnte die Stadt mit der Begründung ab, dass sie Bewohnerparkausweise für Fahrzeuge mit ausländischer Zulassung nicht erteilen könne. Im Rahmen des Klageverfahrens argumentierte die Stadt weiter, dass eine ausländische Zulassung gegen eine dauerhafte Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin spreche, weil ein im Ausland zugelassenes Kraftfahrzeug nur vorübergehend am Verkehr in Deutschland teilnehmen dürfe.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG bejahte hingegen den Anspruch der Studentin auf einen Bewohnerparkausweis. Bei der Klägerin handele es sich um eine Anwohnerin, die das betroffene Fahrzeug nachweislich dauerhaft nutze.
Gegen eine dauerhafte Nutzung spreche insbesondere nicht, dass Kraftfahrzeuge mit ausländischer Zulassung nur vorübergehend am Straßenverkehr in Deutschland teilnehmen dürfen. Es sei bereits nicht klar, ob das von der Klägerin genutzte Fahrzeug diese Voraussetzungen erfülle. Die Klägerin gab nämlich an, dass sie das Fahrzeug während der Semesterferien nicht in Deutschland nutze. Diese Prüfung obliege der Zulassungsbehörde, die je nach Einzelfall eine Untersagung des Betriebs im öffentlichen Straßenverkehr ohne deutsche Zulassung aussprechen könne.
Die Versagung eines Bewohnerparkausweises für im Ausland zugelassene Fahrzeuge entspreche nicht dem Zweck der Vorschriften. Ein Bewohnerparkgebiet diene dem Anwohnerinteresse, in innerstädtischen Wohnstraßen eine Abstellmöglichkeit für ein (dauerhaft) genutztes Kraftfahrzeug zu finden.
Quelle | VG Gießen, Urteil vom 13.11.2024, 6 K 2830/24.GI, PM vom 19.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Ein zur Nichtigkeit der entsprechenden Vereinbarung führender Verstoß gegen den im Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 656 d BGB) geregelten Grundsatz der hälftigen Teilung des Maklerlohns liegt vor, wenn ein Makler allein für den Verkäufer einer Immobilie tätig geworden ist und der Käufer zur Zahlung des vollen Honorars an den Makler verpflichtet wird. |
Das war geschehen
Die Kläger erwarben ein mit einer Doppelhaushälfte bebautesGrundstück. Mit der Vermittlung des Verkaufs hatte die Verkäuferin das beklagte Maklerunternehmen beauftragt. Für die Vermittlung der Immobilie entstand zugunsten der Beklagten gegenüber der Verkäuferin ein Maklerlohnanspruch in Höhe von 25.000 Euro. Der im Exposé zunächst vorgesehene Kaufpreis wurde um einen Betrag in dieser Höhe reduziert. Zugleich verpflichteten sich die Kläger gegenüber der Beklagten zur Zahlung eines Honorars in gleicher Höhe, das sie nach notarieller Beurkundung des Kaufvertrags bezahlten. Eine Maklerlohnzahlung durch die Verkäuferin erfolgte nicht. Die Kläger verlangten die Rückzahlung des geleisteten Betrags.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: § 656 d BGB ist nicht nur auf Vereinbarungen der Parteien des Kaufvertrags über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus untereinander anwendbar, sondern erfasst jegliche Art einer vertraglichen Vereinbarung, durch die unmittelbar oder mittelbar ein Anspruch des Maklers auf Zahlung oder Erstattung von Maklerlohn gegenüber der Partei des Kaufvertrags begründet wird, die nicht Partei des Maklervertrags ist. Umfasst sind daher auch alle auf eine Verpflichtung zur Zahlung oder Erstattung des Maklerlohns gerichteten Vereinbarungen des Maklers mit der Partei des Kaufvertrags, die nicht Partei des Maklervertrags ist.
Der Anwendbarkeit des § 656 d BGB steht es deshalb auch nicht entgegen, dass die Verkäuferin der Immobilie von der Pflicht, den vereinbarten Maklerlohn zu entrichten, gegenüber der Beklagten nicht entbunden war. Da die Käufer im Innenverhältnis zur Verkäuferin verpflichtet waren, den Maklerlohn in voller Höhe zu bezahlen, blieb die Verkäuferin als die Partei, die den Maklervertrag abgeschlossen hat, nicht zur Zahlung des Maklerlohns mindestens in gleicher Höhe verpflichtet.
Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung
Der Verstoß gegen § 656 d BGB führt zur Gesamtnichtigkeit einer entsprechenden Vereinbarung. Die Kläger können von der Beklagten die Rückzahlung des Maklerlohns in voller Höhe verlangen.
Quelle | BGH, Urteil vom 6.3.2025, I ZR 138/24, PM 45/25
| Eine 77-jährige Frau, die über einer Supermarktfiliale wohnt, tätigte dort ihre Einkäufe bis zu einem Hausverbot Anfang des Jahres 2024 durch die Filialleitung. Sie behauptet, das Hausverbot sei nach einer Beschwerde ihrerseits ohne ersichtlichen Grund erteilt worden. Sie sei gesundheitlich stark eingeschränkt und nicht in der Lage, längere Strecken zurückzulegen und daher auf die Filiale angewiesen. Ohne ein Betreten des Supermarkts sei ihr eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verwehrt. Das Amtsgericht (AG) München wies ihre Klage ab. |
Wiederholtes Fehlverhalten
Die Filialleitung begründete das Hausverbot mit wiederholtem Fehlverhalten. Die Münchnerin habe Kunden beim Betreten des Markts von ihrer Wohnung aus beschimpft, habe das Geschäft regelmäßig ohne Einkaufsabsicht aufgesucht, Mitarbeiter in Gespräche verwickelt und diese von der Arbeit abgehalten. Sie habe sich zudem immer wieder an der Frischetheke des Markts Ware aufschneiden lassen und diese dann, anstatt zu kaufen, im Laden abgelegt.
Da der Supermarkt sich weigerte, das Hausverbot zurückzunehmen, verklagte sie den Betreiber vor dem AG auf Gewährung des Zutritts zum Supermarkt – ohne Erfolg.
Hausrecht deckt Hausverbot
Der Beklagte ist als Betreiber des Supermarkts aufgrund seines Hausrechts grundsätzlich berechtigt, Kunden selbst ohne sachlichen Grund ein Hausverbot zu erteilen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein Fehlverhalten der Klägerin vorlag.
Dem Betreiber einer Einrichtung, die erhebliche Bedeutung für das gesellschaftliche und kulturelle Leben hat, wird eine besondere rechtliche Verantwortung zugewiesen, die es ihm verbietet, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund auszuschließen. Entgegen der Auffassung der Klägerin entscheidet die Verweigerung des Zutritts für sie nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Ein Supermarkt dient der Daseinsvorsorge in Form von Einkäufen des täglichen Bedarfs, insbesondere an Lebensmitteln, nicht der sozialen Interaktion oder des kulturellen Austauschs.
Klägerin konnte auf konkurrierenden Supermarkt ausweichen
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Monopolstellung oder sonstige strukturelle Überlegenheit des Beklagten vorliegt, die dazu führt, dass bestimmte Personen nicht ohne sachlichen Grund ausgeschlossen werden könnten. Eine solche Monopolstellung des Markts des Beklagten für die tägliche Daseinsvorsorge ist im konkreten Fall nicht gegeben. Der Beklagte hat unbestritten ausgeführt, dass in fußläufiger Entfernung (ab 500 Metern) weitere Supermärkte vorhanden sind, die somit auch für betagtere Kunden problemlos zu erreichen sind.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 11.10.2024, 142 C 18533/24, PM 12/25
| Legt beim Gebrauchtwagenkauf der Verkäufer den Fahrzeugbrief vor, kann sich der Käufer normalerweise darauf verlassen, dass er es auch tatsächlich mit dem Eigentümer und nicht mit einem Betrüger zu tun hat. Dieses Vertrauen kann aber erschüttert sein, wenn die Umstände des Verkaufs trotzdem Verdacht erregen müssen. Dann muss der Käufer im Betrugsfall das Fahrzeug dem wahren Eigentümer zurückgeben und bleibt auf dem gezahlten Kaufpreis als Schaden sitzen. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal (Pfalz) entschieden. Es hat die Klage eines Autokäufers abgewiesen, der auf einen Betrüger hereingefallen war. |
Autokäufer war auf Betrüger hereingefallen
Der Käufer hatte den PKW von einem Betrüger für mehr als 35.000 Euro erworben. Kurze Zeit nach dem Kauf beschlagnahmte die Polizei das Fahrzeug und gab es dem ursprünglichen Eigentümer zurück. Dieser verkaufte es anschließend für knapp 49.000 Euro weiter.
Den Kaufpreis reklamierte der betrogene Käufer für sich. Er sei trotz des Betrugs Eigentümer des Fahrzeugs geworden. Er sei im Internet auf das Fahrzeug gestoßen und habe sich im Saarland zur Besichtigung verabredet. Auf dem Weg dorthin habe er die Mitteilung erhalten, dass das Kind des Verkäufers einen Treppensturz erlitten habe und in einem Krankenhaus in Frankreich liege. Dorthin sei er nun umgeleitet worden, wo der Kauf auf dem Parkplatz durch Barzahlung auch abgewickelt worden sei. Der Betrüger habe einen vermeintlich echten Fahrzeugbrief und einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt. Er habe deshalb daran glauben dürfen, dass das Fahrzeug diesem auch gehört habe.
Umstände des Kaufs waren dubios, Zweifel daher angebracht
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Der Käufer habe trotz Vorlage des scheinbar echten Fahrzeugbriefs grob fahrlässig gehandelt und das Fahrzeug daher nicht gutgläubig erworben. Denn die Umstände des Verkaufs hätten beim Käufer Zweifel erregen müssen, dass er den wahren Eigentümer vor sich hatte. So habe dieser einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt, obwohl sein im Kaufvertrag genannter Wohnsitz Frankenthal gewesen sei und das Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen zugelassen war.
Kurzfristige Verlegung der Übergabe ins Ausland
Auffällig sei ferner, dass der Verkäufer ursprünglich als Treffpunkt das vom angegebenen Wohnort abweichende Dillingen/Saar genannt habe. Typisch für unlautere Automobilgeschäfte sei auch das Bargeschäft und die kurzfristige telefonische Verlegung des Verkaufsorts an einen fremden und noch dazu im Ausland befindlichen Ort. Nach alledem könne der Käufer dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entgehen und habe den Schaden selbst zu tragen, so der Richter.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 3.4.2025, 3 O 388/24, PM vom 22.5.2025
| Das Amtsgericht (AG) Berlin-Charlottenburg hat entschieden: Hatte der frühere Vermieter die Hundehaltung erlaubt, kann der in das Mietverhältnis eingetretene Vermieter diese Gestattung nur aus wichtigem Grund widerrufen. Dies gilt, auch wenn es sich um einen Kampfhund handeln sollte. Dass sich Mitmieter aufgrund der Größe und Kraft eines solchen Hundes subjektiv bedroht fühlen, reicht für den Widerruf nicht aus. |
Vorheriger Vermieter hatte Hundehaltung gestattet, neuer Vermieter widerrief Erlaubnis
Die Parteien eines Mietvertrags über ein möbliertes Apartment stritten um die Räumung und Herausgabe einer Wohnung. Der Kläger, der aktuelle Vermieter, war nachträglich in das Mietverhältnis eingetreten. Der beklagte Mieter hält einen Hund, was ihm ausdrücklich vom früheren Vermieter erlaubt worden war.
Der Kläger hat die Erlaubnis zur Hundehaltung im Juni 2023 widerrufen und die Haltung eines Kampfhundes untersagt. Der Beklagte sollte seinen Hund bis Ende Juni 2023 entfernen. Noch im Juni mahnte der Kläger den Beklagten wegen nicht gestatteter Tierhaltung ab. Anfang August 2023 kündigte der Kläger das Mietverhältnis ordentlich zum 30.11.2023 und begründete dies mit der weiteren Haltung eines Kampfhundes sowie des Einsetzens des Hundes als Druck- und Nötigungsmittel.
Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung
Der Kläger behauptete, bei dem vom Beklagten gehaltenen Tier würde es sich um einen Kampfhund handeln. Der Beklagte würde dieses Tier gegenüber Nachbarn im Objekt als Druck- und Nötigungsmittel einsetzen, um Vorrang auf Wegen oder im Treppenhaus zu erzwingen. Mehr als ein anderer Bewohner im Objekt habe Angst vor dem Hund, die wollten aber nicht namentlich genannt werden. Er verklagte den Mieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Der Mieter behauptete hingegen, es handele sich nicht um einen „Listenhund“, sondern um eine Mischung aus Old-English-Bulldog und Weimeraner. Er reichte dazu zwei Fotos sowie eine tierärztliche Bescheinigung und weitere Unterlagen ein.
So entschied das Amtsgericht
Der Vermieter kann das Mietverhältnis nur aus berechtigtem Interesse kündigen. Das ist z. B. der Fall, wenn der Mieter vertragliche Pflichten erheblich verletzt, indem er z. B. ein Tier trotz Abmahnung weiter hält.
Im Fall des AG war es aber anders: Der ursprüngliche Vermieter hatte die Hundehaltung erlaubt. Der – große und kräftige – Hund, war– ohne Maulkorb – stets an der Leine geführt worden. Beißvorfälle oder -versuche oder Bedrohungen von Nachbarn mit dem Hund konnten nicht bewiesen werden. Ein – subjektives – Bedrohtfühlen genügt nicht, um die Erlaubnis zu widerrufen.
Quelle | AG Charlottenburg, Urteil vom 30.5.2024, 218 C 243/23
| Ein Streit um einen Erbschein hat kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Eine Erbin hatte falsche Angaben gemacht – mit unangenehmen Folgen. |
Wahrheitswidrige Angaben zum Testament
Eine Frau hatte nach dem Tod ihrer Mutter einen Erbschein beantragt, um als Alleinerbin ausgewiesen zu werden. Sie berief sich dabei auf ein Testament, machte aber falsche Angaben: Sie versicherte eidesstattlich, dass das Testament von der Verstorbenen eigenhändig verfasst worden sei. In Wirklichkeit hatte jedoch die Tochter das Testament geschrieben und die Mutter nur ihre Unterschrift darunter gesetzt.
Testament muss eigenhändig geschrieben sein
Die falschen Angaben betrafen einen entscheidenden Punkt: Ein Testament muss eigenhändig geschrieben oder von einem Notar beurkundet werden. Eigenhändig heißt, dass der Erblasser es komplett selbst und von Hand niederschreiben muss. Die bloße Unterschrift der Mutter reichte deshalb nicht aus – das Testament war unwirksam. Statt des Testaments galt die gesetzliche Erbfolge, das heißt: Die Antragstellerin musste sich das Erbe mit ihren Geschwistern teilen.
Streit um Anwaltskosten
Im Erbscheinverfahren vor dem Amtsgericht (AG) wurden die falschen Angaben aufgeklärt. Der Streit war damit aber nicht erledigt. Denn die Geschwister hatten Anwälte beauftragt, um gegen den unberechtigten Antrag vorzugehen. Zwei Schwestern verlangten die Erstattung der angefallenen Anwaltskosten. Das OLG gab ihnen nun Recht.
Mögliche strafrechtliche Konsequenzen
Für die unterlegene Schwester hat dies nicht nur finanzielle Folgen: Die Akten werden nun der Staatsanwaltschaft übergeben, denn eine falsche eidesstattliche Versicherung ist strafbar. Das OLG sah einen entsprechenden Anfangsverdacht; bis zu einer möglichen Entscheidung im Strafverfahren gilt für die Betroffene die Unschuldsvermutung.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 9.1.2025, 6 W 156/24, PM vom 20.2.2025
| Das Zerreißen eines Testaments durch den Erblasser ist eine Widerrufshandlung. Es wird gesetzlich vermutet, dass dieser Widerrufshandlung eine Widerrufsabsicht zugrunde lag. Die Aufbewahrung des zerrissenen Testaments im Schließfach widerlegt diese Vermutung nicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die Beschwerde des in dem zerrissenen Testament Begünstigten gegen einen auf Basis gesetzlicher Erbfolge erteilten Erbschein zurückgewiesen. |
Testament zerrissen, aber aufbewahrt
Der Erblasser war mit seiner Frau in letzter Ehe kinderlos verheiratet. Nach seinem Versterben beantragte die Frau einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Das Nachlassgericht erteilte den Erbschein, der die Frau neben der Mutter des Erblassers als Erben auswies. Zwei Monate später öffneten die Frau und ein Vertreter der Mutter des Erblassers das Schließfach des Erblassers. Dort befand sich ein handschriftliches Testament, das eine andere Person begünstigte. Es war längs in der Mitte durchgerissen. Das Nachlassgericht hat den Antrag des Begünstigten abgelehnt, den bereits erteilten Erbschein im Hinblick auf das nun aufgefundene, zerrissene Testament einzuziehen.
Widerruf durch schlüssige Handlung
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das Nachlassgericht habe die Einziehung des Erbscheins zu Recht abgelehnt, da dieser nicht unrichtig geworden sei. Der Begünstigte sei nichttestamentarischer Erbe geworden. Der Erblasser habe das den Begünstigten alsErben einsetzende Testament durch schlüssige Handlung widerrufen.
Durch das Zerreißen des Testaments in der Mitte habe derErblasser das Testament vernichtet. Es liege insoweit eine Widerrufshandlungvor. Das Testament sei unzweifelhaft auch „nicht durch äußere Einflüsse „anderweitig“ in zwei Teile geraten“. Dafür spreche, dass das Papier mittig, aber nicht vollständig gerade getrennt worden sei. Die Trennränder seien zudem nicht glatt. Anhaltspunkte für ein – ggf. sachverständig aufzuklärendes – anderweitiges Trennen des Schriftstücks in zwei Teile lägen nicht vor. Es sei auch davon auszugehen, dass der Erblasser selbst das Testament zerrissen habe, da nur er Zugang zum Bankschließfach gehabt habe. Nach den Angaben der bei Öffnung des Schließfachs Anwesenden bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Testament beim Öffnen oder Schließen des Schließfachs versehentlich von einer dritten Person zerrissen worden sei.
Gesetzliche Vermutung nicht widerlegt
Es werde gesetzlich vermutet, dass diese Widerrufshandlung mit Widerrufsabsicht erfolgte. Indizien, die diese Vermutung widerlegen würden, seien nicht erkennbar. Warum der Erblasser das zerstörte Testament im Schließfach aufbewahrte, sei zwar nicht nachvollziehbar. Dies allein genüge aber nicht zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung. Der Erblasser habe ausweislich der dokumentierten 31 Öffnungen des Schließfachs dieses offensichtlich nicht ausschließlich zur Aufbewahrung eines ungültigenTestaments angemietet.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.4.2025, 21 W 26/25, PM 26/25
| Das Landgericht (LG) Berlin II hat eine Energieberatungsfirma zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von rund 6.000 Euro wegen einer Falschberatung verurteilt. Aufgrund der Falschberatung habe der Kläger – ein Verbraucher – Fenster und Dachfenster mit zu hohen Wärmedurchgangskoeffizienten einbauen lassen, die daher nicht förderfähig seien. |
Förderleistungen beantragt – Bundesamt lehnt ab
Der Kläger hatte die Beklagte mit der Energieberatung für die energetische Sanierung seines Einfamilienhauses beauftragt. In Zusammenarbeit mit der Beklagten beantragte er beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Förderleistungen gemäß der Richtlinie der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG-Richtlinie) und erhielt einen entsprechenden Zuwendungsbescheid. Anschließend holte er Angebote für die Sanierungsmaßnahmen ein und schickte sie der Beklagten, die diese nicht beanstandete.
Für den Verwendungsnachweis der Fördermittel gab der Kläger in Absprache mit der Beklagten die Wärmedurchgangskoeffizienten an, die mit den verbauten Dämmmaterialien an der Gebäudehülle erreicht werden konnten – für das Dach und die Geschossdecke einen Koeffizienten von 0,2, für die Fenster von 1,1 und für die Dachflächenfenster von 1,3. Das Bundesamt teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die technischen Mindestanforderungen bei der Sanierung nicht erreicht seien und hob den Förderbescheid teilweise auf. Die BEG-Richtlinie fordert Koeffizienten an Dachgebilden von 0,14 und an Fenstern von 0,95 bzw. 1,0 bei Dachflächenfenstern.
Energieberater muss Förderleistung zahlen
Das Gericht sprach dem Kläger nun Schadenersatz in Höhe der eigentlich zu gewährenden Förderungssumme zu. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur fachlich zutreffenden Beratung verletzt. Sie hätte insbesondere die vom Kläger vorgelegten Angebote auf ihre Förderungsfähigkeit prüfen müssen.
Der Verweis der Beklagten, der Kläger hätte sich selbst über die förderungsrelevanten Wärmedurchgangskoeffizienten informieren können, führe ihr Leistungsangebot ad absurdum. Es sei gerade ihre Hauptleistungspflicht, einen Verbraucher und Laien über die Richtlinien und Richtwerte fachlich zu beraten. Darüber hinaus habe die Beklagte den Kläger falsch beraten, weil sie selbst von falschen Werten ausgegangen sei. Rechtsirrig habe sie in E-Mails an den Kläger auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und nicht auf die Werte der BEG-Richtlinie verwiesen. Die Beratung sei auch deshalb unzureichend und fehlerhaft gewesen.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23, PM 3/25
| Bei einer mehr als unerheblichen Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks scheidet die Annahme eines faktischen Kerngebiets aus, also als Gebiet, das vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Stadt versagte Nutzung eines Gebäudes als Spielhalle
Die Klägerin begehrt einen Bauvorbescheid für die Nutzung eines Geschäftsgebäudes in der Innenstadt der Beklagten als Spielhalle. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, der Widerspruch blieb erfolglos.
Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht sahen das anders
Das Verwaltungsgericht (VG) gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) zurück. Das Vorhaben sei als Vergnügungsstätte zulässig. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Kerngebiet i. S. d. Baunutzungverordnung (hier: § 7 BauNVO). Die nicht unerhebliche, aber noch untergeordnete Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks stehe dieser Einordnung nicht entgegen, obwohl sie im vorhandenen Umfang nur aufgrund von Festsetzungen in einem Bebauungsplan zulässig wäre.
Bundesverwaltungsgericht rügte mangelnde Tatsachenfeststellung
Das BVerwG hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Auffassung des OVG, dass ein faktisches Kerngebiet auch bei einer nicht unerheblichen Wohnnutzung vorliegt, steht mit der Regelungssystematik der Baunutzungsverordnung nicht in Einklang. Die Verweisung in § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB auf die §§ 2 ff. BauNVO findet dort eine Grenze, wo die Baunutzungsverordnung eine planerische Entscheidung der Gemeinde vorsieht. Der Verordnungsgeber hat die Entscheidung darüber, ob die sonstige Wohnnutzung in einem Kerngebiet über Ausnahmen hinausgehen darf, der Gemeinde überlassen. Ihr Spielraum darf bei der Einordnung als faktisches Kerngebiet nicht übergangen werden. Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen konnte das BVerwG nicht abschließend entscheiden.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 20.5.2025, 4 C 2.24, PM 37/25
| Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf der Grundlage von über 2.300 geleisteten Mehrarbeitsstunden im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer für mehrere Monate frei, muss er ihm in diesen Monaten das Entgelt nach dem Lohnausfallprinzip zahlen, also das Entgelt, das zu zahlen gewesen wäre, wenn der Arbeitnehmer in diesen Monaten gearbeitet hätte. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |
Das LAG: Nichts anderes ergibt sich, wenn die unstreitige Mehrarbeit vor 20 Jahren geleistet worden war, also in einem Zeitraum, für den die Parteien ein viel geringeres Bruttomonatsentgelt vereinbart hatten.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 23.8.2024, 6 Sa 663/23
| Ein Bewerber um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugdienst kann verlangen, nicht wegen eines genetisch bedingten erhöhten Thromboserisikos vom Bewerbungsverfahren der Bundespolizei ausgeschlossen zu werden. Bei der beim Kläger diagnostizierten sog. Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich um einen angeborenen Gendefekt, bei dem es zu Störungen der Blutgerinnung kommt und der mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergeht. Die Entscheidung der Bundespolizeiakademie, die Bewerbung des Klägers um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst im Jahr 2023 aufgrund fehlender gesundheitlicher Eignung nicht zu berücksichtigen, hatte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Aachen keinen Bestand. Über die Bewerbung des Klägers muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden werden. |
Geringe Risiken
Zur Begründung hat das VG ausgeführt, dass es bereits in erheblichem Maße zweifelhaft ist, ob hinreichende sachliche Gründe für den Ausschluss von Beamten mit einem solchen Gendefekt bestehen. Denn das durch eine solche Mutation bedingte Thromboserisiko ist verhältnismäßig gering. In der beim Kläger vorliegenden Form ist es zwar gegenüber gesunden Menschen erhöht, entspricht jedoch ungefähr dem Thromboserisiko durch die Einnahme der Antibabypille bei Frauen und damit einem Risiko, das der Dienstherr als hinnehmbar ansieht.
Ergebnisse der genetischen Untersuchung durften nicht mitgeteilt werden
Unabhängig davon durfte der Gendefekt nicht zulasten des Klägers im Einstellungsverfahren berücksichtigt werden, weil er aufgrund einer genetischen Untersuchung diagnostiziert wurde. Die Mitteilung des diesbezüglichen Ergebnisses durfte die Bundespolizei aus Rechtsgründen nicht verlangen.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 10.3.2025, 1 K 1304/23, PM vom 10.3.2025
| Die Verwendung eines abstrakt gefährlichen Gegenstands – hier eines Klappmessers – zu einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch – hier Reparaturversuch an einer Uhr – läuft den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider und steht deshalb der Anerkennung eines Unfallereignisses als Dienstunfall entgegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Mit dem Messer versucht, Klemmfeder zu richten
Der mittlerweile pensionierte Kläger war Polizeivollzugsbeamter im saarländischen Landesdienst. Im April 2019 erstattete er bei seiner Dienststelle eine Dienstunfallanzeige. Danach habe er zu Dienstbeginn festgestellt, dass die sonst über der Tür hängende Wanduhr auf der Fensterbank gelegen habe. Es sei ihm aufgefallen, dass die Batterie der Uhr unsachgemäß im Batteriefach gesteckt habe und die Klemmfeder verbogen gewesen sei. Er habe mit seinem Klappmesser die verbogene Feder wieder richten wollen. Hierbei sei das Messer zugeschnappt und er habe sich einen tiefen Schnitt am kleinen Finger der rechten Hand zugezogen.
Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls
Sein Antrag auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall ist behördlich und in den beiden gerichtlichen Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwiderlaufe, wenn ein Beamter sich ohne Not einem Verletzungsrisiko durch Hantieren mit einem privaten, abstrakt gefährlichen Gegenstand aussetze, dessen Funktionstauglichkeit der Dienstherr nicht prüfen könne.
Keine dienstliche Aufgabe
Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall. Zwar hat sich der Unfall in einem Dienstgebäude zur Dienstzeit ereignet und ist damit grundsätzlich als „in Ausübung des Dienstes eingetreten“ vom Dienstunfallschutz erfasst. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Reparatur der Uhr nicht zu den dienstlichen Aufgaben des Klägers als Polizeibeamter gehörte. Dienstunfallschutz wird jedoch nicht gewährt, wenn dieTätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft. Das ist hier der Fall.
Entgegen den Interessen des Dienstherrn
Dabei kann dahinstehen, ob es sich um ein Einhandmesser im Sinne des Waffengesetzes handelte und das Führen des Messers bereits deshalb verboten war. Jedenfalls lief die Benutzung dieses Messers zum Zweck einer Uhrreparatur den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider. Das verwendete Messer ist ein abstrakt gefährlicher Gegenstand, der für den Zweck der Reparatur ersichtlich nicht bestimmt und nicht geeignet war.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 13.3.2025, 2 C 8.24, PM 16/25
| Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellt den Arbeitnehmer trotz dessen Beschäftigungsanspruchs von der Arbeit frei, unterlässt der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig in Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 615 S. 2 BGB) anderweitigen Verdienst, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis eingeht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Das war geschehen
Der Kläger war seit November 2019 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Senior Consultant gegen eine monatliche Vergütung von 6.440 Euro brutto. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.3.2023 ordentlich zum 30.6.2023 und stellte den Kläger unter Einbringung von Resturlaub unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht (ArbG) am 29.6.2023 statt, die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) am 11.6.2024 zurückgewiesen.
Arbeitgeber schlug Stellenangebote vor
Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Kläger Anfang April 2023 arbeitssuchend und erhielt von der Agentur für Arbeit erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge. Die Beklagte übersandte ihm hingegen schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote, die nach ihrer Einschätzung für den Kläger in Betracht gekommen wären.
Arbeitnehmer bewarb sich – aber erst zum Beschäftigungsende
Auf sieben davon bewarb sich der Kläger, allerdings erst ab Ende Juni 2023. Nachdem die Beklagte dem Kläger für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, hat er diese mit einer Klage geltend gemacht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewendet, der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bei der Beklagten bezogenen Gehalts anrechnen lassen.
Arbeitgeber war durch einseitige Freistellung im Annahmeverzug
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) ihr stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Beklagte befand sich aufgrund der von ihr einseitig erklärten Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug und schuldet dem Kläger (nach § 615 S. 1 BGB iVm. § 611 a Abs. 2 BGB) die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss sich der Kläger nicht (nach § 615 S. 2 BGB) anrechnen lassen. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil ist nur gerechtfertigt, wenn dieser wider Treu und Glauben (nach § 242 BGB) untätig geblieben ist. Weil § 615 S. 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend hiervon bestand für ihn keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Beklagten ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.
Quelle | BAG, Urteil vom 12.0.2025, 5 AZR 127/24, PM 6/2
| Mit dem vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) wurden die Aufzeichnungspflichten für Verrechnungspreiszwecke in der Abgabenordnung (hier: § 90 Abs. 3 und Abs. 4 AO) angepasst. Ein neuer Bestandteil ist die Transaktionsmatrix. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat hierzu nun Stellung bezogen. |
Transaktionsmatrix: Tabelle mit vorgegebenen Elementen
Die Transaktionsmatrix ist eine tabellarische Übersicht, die relevante Informationen zu grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen des Steuerpflichtigen mit nahestehenden Personen und Betriebsstätten enthält.
Das BMF führt auf, was in der Transaktionsmatrix anzugeben ist:
- Gegenstand und Art der Geschäftsvorfälle (z. B. Warenlieferung und Dauersachverhalt),
- an den Geschäftsvorfällen Beteiligte unter Kennzeichnung von Leistungsempfänger und Leistungserbringer,
- Volumen und Entgelt (in EUR) der Geschäftsvorfälle (z. B. Darlehensvolumen und Zins oder Entgelt für eine Warenlieferung oder Dienstleistung),
- vertragliche Grundlage (Benennung der Vertragsunterlage),
- angewandte Verrechnungspreismethode (z. B. Kostenaufschlagsmethode oder Preisvergleichsmethode),
- betroffene Steuerhoheitsgebiete und
- Angabe, ob Geschäftsvorfälle nicht der Regelbesteuerung im betreffenden Steuerhoheitsgebiet unterliegen
Zudem sind dem Schreiben als Anlage zwei Beispiele für eine Transaktionsmatrix angefügt. Abweichungen durch den Steuerpflichtigen sind nur unter den im Schreiben genannten (zeitlichen) Voraussetzungen zulässig.
Vorgaben ab 2025
Bei einer Außenprüfung sind ab 2025 (ohne gesondertes Verlangen) innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen: die Stammdokumentation bei Überschreiten der Größenklassen, Aufzeichnungen über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle und die Transaktionsmatrix.
Transaktionsmatrix auch für Vorjahreszeiträume
Da eine Prüfungsanordnung, die im Jahr 2025 ergeht, i. d. R. auch Prüfungszeiträume vor 2025 umfasst, muss eine Transaktionsmatrix in diesen Fällen auch für die Vorjahre erstellt werden. Die 30-Tage-Frist gilt für ein im Jahr 2025 gestelltes Vorlageverlangen hinsichtlich der Transaktionsmatrix, auch wenn die Prüfungsanordnung vor 2025 ergangen ist.
Beachten Sie | Werden keine ertragsteuerlichen Auslandssachverhalte geprüft, sind die o. g. Unterlagen nur auf gesondertes Verlangen vorzulegen.
Quelle | BMF, Schreiben vom 2.4.2025, IV B 3 - S 0225/00019/004/009
| In einem Verfahren vor dem Landgericht (LG) Frankfurt a. M. klagte ein Hersteller u. a. von Mobilfunkgeräten mit Niederlassung in Deutschland gegen ein in der Volksrepublik China ansässiges Unternehmen. Die chinesische Beklagte ist Inhaberin von Patenten, die für mehrere Mobilfunkstandards essenziell sind. Sie hat sich dazu verpflichtet, Lizenzen für diese Patente zu fairen Bedingungen zu erteilen. Die Klägerin wollte mit ihrer Klage erreichen, dass die chinesische Beklagte ihr Mobilfunklizenzen zu bestimmten Konditionen gewährt. |
Beschleunigung des Verfahrens
Zur Durchführung des Verfahrens bedarf es zunächst der förmlichen Zustellung der Klageschrift. Grundsätzlich wäre die Zustellung im Wege der Rechtshilfe unter Beteiligung chinesischer Stellen am Sitz der Beklagten in der Volksrepublik China vorzunehmen. In Ausnahmefällen kann nach der Zivilprozessordnung (ZPO) jedoch davon abgesehen werden und das Gericht eine öffentliche Zustellung anordnen, etwa wenn die Zustellung im Ausland keinen Erfolg verspricht. Das hat das LG hier für die Zustellung in der Volksrepublik China angenommen. Es hat eine öffentliche Zustellung bewilligt.
Das LG: Das Gebot eines wirkungsvollen Rechtsschutzes erfordert, dass dieser in angemessener Zeit zu erlangen ist. Keinen Erfolg verspricht die Zustellung daher, wenn die Durchführung einen derart langen Zeitraum in Anspruch nehmen würde, dass ein Zuwarten der betreibenden Partei billigerweise nicht zugemutet werden kann. Für die Entscheidung der Frage, ob die Dauer einer Zustellung im Wege der Rechtshilfe nicht mehr zumutbar ist, bedarf es einer Abwägung der beiderseitigen Interessen.
Der übliche Weg dauert zu lange
Die Klägerin, so das LG, habe dargelegt, dass die Auslandszustellung in der Volksrepublik China nicht stets gelingt und auch dann einen Zeitraum von deutlich mehr als einem Jahr in Anspruch nimmt. Nach der Erfahrung anderer deutscher Gerichte, die sich mit der Erfahrung der Kammer deckt, nimmt die Zustellung in der Volksrepublik China einen erheblichen Zeitraum in Anspruch. Bei dieser Sachlage überwiegen die Interessen der Klägerin auf effektiven Rechtsschutz die Interessen der Beklagten im Hinblick auf die Gefährdung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Das LG hat der Klägerin allerdings aufgegeben, die Beklagte auf nicht-förmlichem Weg zu informieren, dass hier in Deutschland die öffentliche Zustellung der Klage erfolgt.
Quelle | LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 15.1.2025, 2-06 O 426/24, PM vom 7.2.2025
| Das Landgericht (LG) München I hat im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass einem Online-Apotheken-Anbieter die Bewerbung der sog. „Abnehmspritze“ gegenüber Endverbrauchern in ihrer konkreten Form untersagt ist. |
Fragebogen ausfüllen, Medikament bekommen?
Eine Apothekenkammer wendete sich in ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dagegen, dass eine in den Niederlanden ansässige Online-Apotheke gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland für Fernbehandlungen mit dem Ziel der Verschreibung von Arzneimitteln zur Gewichtsreduktion/Adipositas wirbt, wobei die Behandlung lediglich in der ärztlichen Überprüfung eines durch den Nutzer auf einer Plattform ausgefüllten Fragebogens besteht. Für die Verschreibung des Medikaments durch die beklagte Online-Apotheke ist hierbei nach der Werbung zur Bestellung lediglich das Ausfüllen eines Fragebogens erforderlich, welcher nach Vortrag der Antragsgegnerin sodann von einem (nicht in Deutschland ansässigen) Arzt vor der Verschreibung überprüft wird.
Zulässige Fernbehandlung?
Die beklagte Apotheke hatte gegen ein Verbot eingewandt, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verspätet sei. Die Antragsstellerin kenne das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin bereits aus einem anderen Verfahren, dessen Gegenstand Medikamente zur Behandlung erektiler Dysfunktion waren. Beworben und umschrieben werde außerdem lediglich eine „Gewichtsverlustbehandlung“; dies lasse keinen zwingenden Schluss auf die Abnehmspritze zu. Dies sei zulässig und verstoße nicht gegen das Heilmittelwerbegesetz. Das Ausfüllen eines Fragebogens, der dann von einem Arzt überprüft werde, sei auch eine zulässige Fernbehandlung unter Verwendung von Kommunikationsmedien, bei der ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich sei.
Landgericht: kein allgemein anerkannter fachlicher Standard
Dem folgte das LG nicht: Die Fernbehandlung von Adipositas mittels Ausfüllens eines Fragebogens entspreche nicht allgemein anerkannten fachlichen Standards. Vielmehr sei vor der Verschreibung einer Abnehmspritze ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen erforderlich. Dies ergebe sich bereits aus den „Warnhinweisen“, die die beklagte Apotheke dem Gericht selbst vorgelegt habe: In diesen werde auf zahlreiche Nebenwirkungen, wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, Hypoglykämie (bei Patienten mit Typ-2-Diabetes) und Schwindel, auf das Risiko der Unterzuckerung und darauf hingewiesen, dass die Behandlung eingestellt werden sollte, wenn man in drei Monaten nach Behandlungsbeginn nicht mindestens 5 % seines Körpergewichts verliere.
Darüber hinaus werde in den von der Beklagten selbst vorgelegten Unterlagen ausgeführt, dass eine regelmäßige Nachsorge und Überwachung während einer Gewichtsreduktion unbedingt erforderlich sei. Gerade diese, von der beklagten Apotheke selbst für erforderlich gehaltene regelmäßige Nachsorge erfordere aber zwingend einen persönlichen ärztlichen Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen, welcher weder von der beklagten Apotheke noch von den verschreibenden Ärzten – schon aufgrund der räumlichen Distanz – geleistet werden könne.
Hinzu komme, dass ausweislich der Patientenleitlinie zur Diagnose und Behandlung der Adipositas der deutschen Adipositasgesellschaft zahlreiche Untersuchungen, u. a. des Bluts und des Urins, nötig seien, um Adipositas zu diagnostizieren und zu behandeln. Dies könne daher gerade nicht im Wege der Fernbehandlung erfolgen.
Werbung für den Absatz von Medikamenten
Es handele sich bei der Werbung der Beklagten ferner nicht um die Werbung für eine Behandlung als solche, wie diese vorgetragen habe, sondern um die Werbung für den Absatz von Medikamenten. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Werbung. Um welche Gruppe von Präparaten es sich hierbei handele, wüssten die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der Kammer gehörten, bereits deshalb, weil „die Abnahmespritze“ in jüngster Zeit starke mediale Aufmerksamkeit erfahren habe.
Quelle | LG München I, Beschluss vom 3.3.2025, 4 HK O 15458/24, PM 3/25
| Wann haben Leiharbeitnehmer beim Entleiher eine erste Tätigkeitsstätte? Zu dieser Frage gibt es neue Entwicklungen bzw. ist ein Verfahren beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig: Liegt bei Leiharbeitnehmern eine dauerhafte Zuordnung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 4 S. 3 Altern. 2 EStG, Zuordnung für die Dauer des Dienstverhältnisses) zu einer ersten Tätigkeitsstätte vor, wenn ein befristetes Beschäftigungsverhältnis zum Personaldienstleister (Verleiher) wiederholt vor Ablauf der Befristung bei unverändertem Vertragsinhalt verlängert wird und jeweils eine Verlängerung der befristeten Zuordnung zu demselben Entleiher bei unverändertem Einsatzort erfolgt? |
Hintergrund: Bei einer ersten Tätigkeitsstätte ist der Arbeitnehmer beim Kostenabzug auf die Entfernungspauschale beschränkt. Handelt es sich allerdings um eine Auswärtstätigkeit, kann er seine Fahrtkosten (ggf. auch Verpflegungsmehraufwand) nach Reisekostengrundsätzen geltend machen, was steuerlich günstiger ist.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.6.2024, 12 K 38/24, Rev. BFH: VI R 2/25
| Für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Baudenkmäler und in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen belegene Gebäude können unter bestimmten Voraussetzungen Abzugsbeträge nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 f EStG) über zehn Jahre wie Sonderausgaben geltend gemacht werden. Verstirbt nun der Steuerpflichtige vor Ablauf des zehnjährigen Abzugszeitraums, kann der Erbe die Abzugsbeträge des Erblassers nicht fortsetzen. Dies entschied das Finanzgericht (FG) Sachsen-Anhalt |
Das gilt selbst dann, wenn der Erbe das Gebäude zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Gegen dieses Urteil des FG Sachsen-Anhalt ist die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig. Bis zu einer Entscheidung des BFH können geeignete Fälle mit einem Einspruch somit offengehalten werden.
Quelle | FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.7.2024, 1 K 903/21; Rev. BFH, X R 23/24
| Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten stellt sich oft die Frage, wem das Besteuerungsrecht zusteht. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei Entscheidungen die Voraussetzungen konkretisiert, die im grenzüberschreitenden Sachverhalt im Anwendungsbereich eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) zu einer ausländischen Betriebsstätte führen. Aus einer solchen Betriebsstätte erzielt der Steuerpflichtige in der Regel Einkünfte, die im Inland steuerfrei sind und nur der ausländischen Besteuerung unterliegen. |
Taxiunternehmen mit Büro in der Schweiz
Ein in Deutschland lebender Taxiunternehmer hatte wegen seiner Mitgliedschaft in einer Schweizerischen Taxifunkzentrale Zugang zu deren Büroraum in der Schweiz. Dieser Raum war mit drei Arbeitsplätzen eingerichtet und stand insgesamt drei Taxiunternehmern zur Verfügung.
Der Taxiunternehmer nutzte den Büroraum (einschließlich eines abschließbaren Standcontainers) für geschäftsleitende Tätigkeiten sowie für die Personalverwaltung seiner angestellten Taxifahrer, die Vorbereitung der laufenden Buchführung, das Rechnungswesen, die Finanzkontrolle sowie die Kontrolle der Einhaltung behördlicher Auflagen.
Der BFH bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg, die Einkünfte des Taxiunternehmers in Deutschland unter Progressionsvorbehalt steuerfrei zu stellen, da in der Schweiz die Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte erfüllt sind.
„Verwurzelung“ mit dem im Ausland belegenen Ort bei Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit
Hierfür ist die „Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem im Ausland belegenen Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit maßgebend. Diese Verwurzelung folgt aus einer Gesamtwürdigung der in Wechselwirkung zueinander stehenden Merkmale der zeitlichen und örtlichen Festigkeit der Geschäftseinrichtung sowie der dauerhaften Verfügungsmacht des Unternehmens über diese Geschäftseinrichtung.
Der persönliche Standcontainer ist insoweit ein Indiz für die dauerhafte Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung (hier: den Büroraum). Darüber hinaus wurden in dem Büroraum nicht nur Hilfstätigkeiten ausgeübt.
Die Haupttätigkeit eines Taxiunternehmers mit mehreren angestellten Taxifahrern erschöpft sich nicht allein im Fahren von Taxis zum Zwecke der Personenbeförderung. Vielmehr gehören hierzu auch die geschäftsleitenden und zentralen unternehmerisch-administrativen Tätigkeiten, die der Taxiunternehmer in dem Büroraum in der Schweiz ausgeübt hat.
Zeitliche Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte
In einem weiteren Verfahren ging es um die zeitlichen Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte. Sowohl für das Innehaben der Geschäftseinrichtung als auch für die unternehmerische Tätigkeit, die in der Geschäftseinrichtung ausgeübt wird, hat der BFH eine Mindestdauer von sechs Monaten festgelegt.
Sechs Monate Mindestdauer ohne Ausnahme
Ein Unternehmen, das nur weniger als sechs Monate existiert, rechtfertigt selbst dann keine Ausnahme, wenn die Tätigkeit dieses Unternehmens vollständig in der ausländischen Geschäftseinrichtung ausgeübt wurde.
Quelle | BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 47/21; BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 39/21; PM 26/25 vom 2.5.2025
| Die gesetzlichen Altersrenten werden im Rahmen der jährlichen Rentenanpassung zum 1.7.2025 um 3,74 % steigen. Der Bundesrat hat einer entsprechenden Verordnung zugestimmt. |
Beachten Sie | Die Rentenanpassung kann dazu führen, dass Rentner erstmals in die Steuerpflicht rutschen und eine Steuererklärung abgeben müssen. Eine Steuerpflicht tritt aber nur ein, wenn der steuerpflichtige Teil der Jahresbruttorente – zuzüglich weiterer Einkünfte (z. B. aus einer Vermietung) und unter Berücksichtigung etwaiger Freibeträge und sonstiger Abzugsbeträge – den steuerlichen Grundfreibetrag übersteigt. Für das Jahr 2024 beträgt der Grundfreibetrag 11.784 Euro pro Jahr, für 2025 sind es 12.096 Euro. Bei einer steuerlichen Zusammenveranlagung von Eheleuten gelten die doppelten Werte.
Quelle | Rentenwertbestimmungsverordnung 2025, BR-Drs.190/25
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hatte 2023 entschieden: Überträgt der Steuerpflichtige schenkweise einen Miteigentumsanteil an einem Vermietungsobjekt, ohne auch die Finanzierungsdarlehen anteilig zu übertragen, kann er die Schuldzinsen nur noch anteilig entsprechend seinem verbliebenen Miteigentumsanteil abziehen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat diese Sichtweise nun bestätigt, sodass die auf den übertragenen Miteigentumsanteil entfallenden Schuldzinsen nicht als (Sonder-)Werbungskosten zu berücksichtigen sind. |
Das war geschehen
Der Alleineigentümer (Vater) einer vermieteten Immobilie hatte einen ideellen 2/5-Miteigentumsanteil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich auf seinen Sohn übertragen. Die Grundschuld wurde von dem Sohn entsprechend seinem Miteigentumsanteil zur dinglichen Haftung übernommen. Zu einer schuldrechtlichen Schuldübernahme bzw. einem Schuldbeitritt zur Darlehensschuld gegenüber der Bank kam es jedoch nicht.
In der Feststellungserklärung für die Grundstücksgemeinschaft bzw. die Vermietungs-GbR wurden Darlehenszinsen in voller Höhe geltend gemacht. Diese berücksichtigte das Finanzamt allerdings nur zu 3/5 (= Anteil des Vaters).
Die hiergegen gerichtete Klage blieb ebenso erfolglos wie die Revision.
Von Finanzierung der Einkünfteerzielungstätigkeit zur Finanzierung der Schenkung
Durch die unentgeltliche Übertragung des Miteigentumsanteils wurde insoweit der (objektive) wirtschaftliche Zusammenhang der zur Finanzierung der Anschaffung der Immobilie aufgenommenen Darlehen zur bisherigen Einkünfteerzielungstätigkeit gelöst. Fortan dienten die Darlehen der Finanzierung der Schenkung.
Beachten Sie | Das FG Niedersachsen hatte die Revision im Hinblick auf folgende Frage zugelassen: Ist es gerechtfertigt, den Sachverhalt bei einer vermögensverwaltenden GbR (wie im Streitfall) anders zu behandeln als bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb? Und das hat der BFH eindeutig mit „ja“ beantwortet.
Die Begründung: Das Einkommensteuerrecht wird vom Dualismus der Einkunftsarten (Gewinn- und Überschusseinkünfte) bestimmt. Die unterschiedliche Erfassung von Wertsteigerungen bzw. -minderungen im Betriebs- und Privatvermögen ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar.
Quelle | BFH, Urteile vom 3.12.2024, IX R 2/24 und IX R 3/24
| Eine Frau muslimischen Glaubens ist vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin mit einer Klage gescheitert, mit der sie eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kraftfahrzeugs mit einem Gesichtsschleier erstreiten wollte. |
Nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) dürfen Personen, die ein Kraftfahrzeug führen, ihr Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken, dass sie nicht mehr erkennbar sind (Verhüllungsverbot). Die Klägerin hatte geltend gemacht, ihr muslimischer Glaube gebiete es, dass sie sich außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Auch im Auto sei sie den Blicken fremder Menschen ausgesetzt. Daher müsse ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Ihren Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Ausnahmegenehmigung hatte das Land Berlin abgelehnt. Dagegen richtete sich die Klage.
Das VG hat die Klage abgewiesen. Eine Ausnahmegenehmigung könne die Klägerin auch mit Blick auf ihre grundrechtlich geschützte Religionsfreiheit nicht beanspruchen. Diese müsse nach Abwägung aller widerstreitenden Interessen hinter anderen Verfassungsgütern zurücktreten. Das Verhüllungsverbot gewährleiste eine effektive Verfolgung von Rechtsverstößen im Straßenverkehr, indem es die Identifikation der Verkehrsteilnehmer ermögliche, etwa im Rahmen von automatisierten Verkehrskontrollen. Es diene zudem dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums Dritter, weil Kraftfahrzeugführer, die damit rechnen müssten, bei Regelverstößen herangezogen zu werden, sich eher verkehrsgerecht verhalten würden als nicht ermittelbare Autofahrer.
Demgegenüber wiege der Eingriff in die Religionsfreiheit der Klägerin weniger schwer. Ein gleich wirksames, aber mit geringeren Grundrechtseinschränkungen verbundenes Mittel zur Erreichung der mit dem Verhüllungsverbot verfolgten Zwecke stehe nicht zur Verfügung. So könne etwa eine Fahrtenbuchauflage nur dem Halter eines Fahrzeugs auferlegt werden; die Klägerin begehre jedoch eine Ausnahme in ihrer Eigenschaft als Führerin eines Fahrzeugs. Gleichermaßen ungeeignet erscheine der Vorschlag der Klägerin, einen Niqab mit einem „einzigartigen, fälschungssicheren QR-Code“ zu versehen und die Ausnahme vom Verhüllungsverbot mit einer solchen Auflage zu verbinden. Denn dadurch sei nicht sichergestellt, dass die Person, die den Niqab trage, auch tatsächlich die Person sei, für die der QR-Code kreiert wurde.
Gegen das Urteil kann der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg gestellt werden.
Quelle | VG Berlin, Urteil vom 27.1.2025, VG 11 K 61/24, PM 5/25
| Ein Motorradfahrer wollte einen Auffahrunfall vermeiden. Er bremste deshalb sehr stark. Weil die Maschine kein Antiblockiersystem (ABS) hatte, blockierte das Vorderrad und der Motorradfahrer stürzte. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in diesem Fall kompakte Ausführungen zum „Idealfahrer“ hinsichtlich der Unabwendbarkeit gemacht. Besonders wichtig: Er bezieht die Situation vor dem Unfallgeschehen mit ein. |
Es kommt nicht nur auf die konkrete Situation an, …
Ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein „Idealfahrer“ reagiert hat, ist nicht allein entscheidend. Vielmehr ist zu berücksichtigen, ob ein „Idealfahrer“ überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre. Der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr nun (zu spät) „ideal“ verhält. Der „Idealfahrer“ hat in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind,Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden.
… sondern darauf, ob der Fahrer vorausschauend gehandelt hat
Dahinstehen kann also, ob der Sturz des Klägers noch im Zeitpunkt des Abbremsens durch kontrolliertes Betätigen der Vorderradbremse vermeidbar gewesen wäre. Denn ein Idealfahrer, der weiß, dass sein Motorrad nicht über ein ABS verfügt und bei einer reflexhaften Vollbremsung ein Sturz droht, hätte von vornherein eine Fahrweise gewählt, mit der ein reflexhaftes Bremsen in der Situation des Klägers vermieden worden wäre. Er hätte den Abstand zum Vorausfahrenden und die Geschwindigkeit so bemessen, dass er selbst im Fall plötzlich scharfen Bremsens des Vorausfahrenden – das er stets einkalkulieren muss – noch hätte kontrolliert bremsen und sowohl einen Sturz als auch eine Kollision mit dem Vorausfahrenden hätte vermeiden können.
Quelle | BGH, Urteil vom 3.12.2024, VI ZR 18/24
| Besuchen Halbgeschwister, die mit dem gemeinsamen Elternteil zusammenleben, gleichzeitig im Stadtgebiet Kindertageseinrichtungen, sind bei der Festsetzung von Elternbeiträgen hierfür satzungsrechtliche Geschwisterermäßigungen oder -befreiungen zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Halbgeschwister neben dem gemeinsamen Elternteil auch mit dem anderen Elternteil des einen Kindes in häuslicher Gemeinschaft zusammenleben. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden. |
Beitragsbefreiung oder nicht?
Die gemeinsame, im Juli 2019 geborene Tochter der Kläger nahm im Schuljahr 2021/2022 das Betreuungsangebot einer Kindertageseinrichtung in der beklagten Stadt wahr. Mit ihr und ihren Eltern lebte seinerzeit ein weiteres von der Klägerin, nicht aber vom Kläger abstammendes Kind in der gemeinsamen Wohnung, das dieselbe Kindertageseinrichtung besuchte, wofür wegen Vollendung des vierten Lebensjahres aufgrund einer landesrechtlichen Bestimmung kein Elternbeitrag zu leisten war. Die Stadt setzte gegenüber den Klägern auf Basis ihres gemeinsamen Jahreseinkommens einen monatlichen Elternbeitrag in Höhe von 313 Euro fest. Hiergegen wandten sich die Kläger und beriefen sich auf eine Vorschrift der Elternbeitragssatzung (im Folgenden nur: Satzung) der beklagten Stadt. Danach entfällt bei Eingreifen einer landesrechtlich – für die letzte Zeit in Tagesbetreuung vor der Einschulung – im Kinderbildungsgesetz (KiBiz) angeordneten Beitragsbefreiung „auch der Beitrag für das zweite und jedes weitere Kind“. Diese Regelung folgt auf eine in sonstigen Fällen maßgebliche „Geschwisterregelung“ in der Satzung, wonach „nur ein Beitrag zul eisten“ ist, wenn „aus einer Familie […] mehr als ein Kind Betreuungsangebote […] in Anspruch“ nimmt.
Die auf Aufhebung der Beitragsfestsetzung gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht (VG) Arnsberg ab. Die dagegen eingelegte Berufung der Kläger hatte vor dem OVG Erfolg.
Gemeinsames Kind als weiteres Kind zu berücksichtigen
Das OVG hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen angeführt: Das gemeinsame Kind der Kläger ist als weiteres Kind der Familie im Sinne der Geschwisterregelungen in der Satzung zu berücksichtigen. Die Gemeinschaft zweier leiblicher Kinder derselben Mutter mitdieser und deren neuem Partner, der Vater nur eines der beiden Kinder ist, istbereits unter Zugrundelegung eines verfassungsrechtlichenBegriffsverständnisses als eine Familie anzusehen. Ein anderes Verständnis desFamilien- bzw. Geschwisterbegriffs lässt sich weder der städtischen Satzungnoch höherrangigem Recht entnehmen. Die auf einer Ermächtigung desLandesgesetzgebers beruhende allgemeine Geschwisterregelung in der Satzung –bei mehreren Kindern nur ein Elternbeitrag – entspricht im Kern einer früherenlandesgesetzlichen Regelung. Dieser lag allgemein eine Entlastung von Familienmit mehreren Kindern zugrunde, ohne dass etwa nach Voll- oder Halbgeschwisternunterschieden wurde. Bei dem Umstand, dass mehrere mit einem oder beidenElternteilen in einem Haushalt zusammenlebende Kinder Angebote derTagesbetreuung in Anspruch nehmen, für die jedenfalls der gemeinsame Elternteilgrundsätzlich beitragspflichtig wäre, handelt es sich um einen Gesichtspunktder sozialen Staffelung der Kostenbeiträge. Diese ist sowohl im Bundes- alsauch im Landesrecht angelegt und ermöglicht neben der – mit dem Einkommenkorrespondierenden – wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit derBeitragspflichtigen auch die Berücksichtigung anderer Aspekte, wie die Zahl derim gemeinsamen Haushalt lebenden und in Kindertageseinrichtungen zu betreuendenKinder. Vor diesem Hintergrund kommt eine Differenzierung danach, dass beideKläger für das mit ihnen zusammenlebende gemeinsame Kind beitragspflichtigsind, während das ältere Kind allein von der Klägerin abstammt und nur dieseinsoweit beitragspflichtig sein kann, nicht in Betracht.
Quelle | OVG Münster, Urteil vom 27.11.2024, 12 A 1627/22, PM vom 12.12.2024
| Die auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage einer 66-jährigen Großmutter, die mit ihrem Enkelkind an einem Straßenumzug teilgenommen hatte und gestürzt war, hatte vor dem Landgericht (LG) Frankenthal keinen Erfolg. Das LG hat festgestellt: Die zuständige Gemeinde muss eine Straße wegen einer nur einmal jährlich stattfindenden Veranstaltung nicht besonders absichern. Es gelten vielmehr die üblichen Maßstäbe der Verkehrssicherungspflicht bei Straßen und Plätzen. |
Über Gullydeckel gestolpert
Die verletzte Frau gab an, bei einem Straßenumzug über einen bis zu drei Zentimeter über das Straßenniveau ragenden Gullydeckel gestolpert und gestürzt zu sein. Durch den Sturz habe sie sich das linke Handgelenk und das rechte Schultergelenk gebrochen. Sie war der Ansicht, vor dem Umzug hätte die zuständige Verbandsgemeinde die Strecke besonders kontrollieren und absichern, Stolpergefahren beseitigen und etwa den hochstehenden Gullydeckel mit einer Gummimatte sichern müssen. Sie verlangte rund 1.700 Euro Schadenersatz und ein Schmerzensgeld in Höhe von 13.000 Euro.
Mit Unebenheiten muss man rechnen
Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit der Unebenheit von deutlich unter drei Zentimetern habe die Frau rechnen müssen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei es auch jedem Teilnehmer bekannt und spätestens bei Beginn des Umzugs ersichtlich, dass die Sicht auf die Straße wegen der Menschenansammlung eingeschränkt sei. Eine besondere Absicherung der Straße aufgrund des einmal jährlich stattfindenden Großereignisses sei daher nicht geboten gewesen. Die Abdeckung des Gullydeckels mit einer Gummimatte hätte den Höhenunterschied und die Stolpergefahr möglicherweise nur zusätzlich erhöht. Im Übrigen treffe die Frau ein überwiegendes Mitverschulden, was die geltend gemachten Ansprüche ebenfalls ausschließe.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 15.8.2024, 3 O 88/24, PM vom 27.2.2025
| Hat der Versicherer im Policenbegleitschreiben auf das Bestehen eines Widerspruchsrechts und die hierfür geltenden Anforderungen allgemein hingewiesen und diese an einer genau bezeichneten Stelle im Einzelnen näher erläutert, sind die jeweiligen Textstellen nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr ist dann eine Gesamtwürdigung beider Textstellen – als einheitliche Belehrung – geboten. So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken. |
Begründung: Angesichts des konkreten Verweises auf die einschlägige Bestimmung in der Verbraucherinformation seien auch die dortigen weiteren Informationen für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne Weiteres auffindbar. Im Fall des OLG galt dies insbesondere, da der Verbraucherinformation ein Inhaltsverzeichnis vorangestellt war. Aus dem ergab sich, dass die im Policenbegleitschreiben zitierte Textstelle „Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Vertrag noch widersprechen?“ sich unter Ziffer 6 befindet, die ihrerseits auf der betreffenden Seite mit der fettgedruckten Überschrift „6. Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Vertrag noch widersprechen?“ hervorgehoben war.
Quelle | OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.1.2024, 5 U 60/23
| Werden in einem Wohnhaus tragende Wände entfernt und durch eine Stahlträgerkonstruktion ersetzt, muss dies einem potenziellen Käufer der Immobilie ungefragt mitgeteilt werden. Verschweigt der Verkäufer diesen Umstand, stellt dies eine arglistige Täuschung dar, die den Käufer zur Anfechtung des Kaufvertrags berechtigt. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken in einer aktuellen Entscheidung festgestellt und der Klage eines Ehepaars gerichtet auf die Rückabwicklung eines Immobilienkaufvertrags stattgegeben. |
Verkäufer verheimlichten Umbau
Ein Ehepaar aus Pirmasens entschloss sich, das von ihnen etwa 10 Jahre lang selbst bewohnte Wohnhaus zu verkaufen. Was es dem kaufinteressierten Ehepaar nicht erzählte, war, dass es vor einigen Jahren ihr Wohnzimmer vergrößert, und dazu durch eine im Ausland ansässige Firma tragende Trennwände im 1. OG des Hauses hatte entfernen lassen. Nach Entfernung der Wände wurde die Decke nur noch durch zwei Eisenträger gestützt, die direkt auf das Mauerwerk aufgelegt und zusätzlich durch Baustützen gestützt wurden, die eigentlich nur für den vorübergehenden Gebrauch gedacht sind. Diese Trägerkonstruktion wurde anschließend durch Verblendungen verdeckt und war nicht mehr ohne Weiteres sichtbar. Um einen Nachweis über die Statik hatten sich die Eigentümer im Nachgang nicht bemüht.
Käufer fochten Kaufvertrag erfolgreich an
Als die neuen Eigentümer dann selbst einige bauliche Veränderungen an dem Haus durchführen wollten, beauftragten sie u. a. einen Statiker. Dieser stellte fest, dass die Trägerkonstruktion im 1. OG unzulässig und nicht dauerhaft tragfähig sei. Das Ehepaar hat den Kaufvertrag über das Hausgrundstück daraufhin angefochten und das Verkäuferehepaar auf Rückabwicklung verklagt. Mit Erfolg.
Das OLG gab dem Käuferehepaar Recht und verurteilte die Verkäufer zur Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückübereignung des Hausgrundstücks. Die Verkäufer seien in der Pflicht gewesen, auch ungefragt darüber zu informieren, dass tragende Wände entfernt, und damit in die Statik des Wohnhauses eingegriffen wurde. Erst recht hätten sie darüber aufklären müssen, dass kein Nachweis hinsichtlich der statischen Tragfähigkeit der Stahlträgerkonstruktion vorliege. Auch sei darüber zu informieren gewesen, dass die Arbeiten durch eine den Verkäufern kaum bekannte ausländische Firma durchgeführt wurden und zu den genauen Maßnahmen keinerlei Unterlagen vorlägen. Dies alles gälte auch, obwohl die Verkäufer wohl selbst von der ausreichenden Tragfähigkeit der Konstruktion ausgingen und auch obwohl die Käufer das Haus vor dem Kauf zusammen mit einer Bausachverständigen besichtigt hatten. Die Statik eines Wohnhauses sei im Hinblick auf mögliche Gefahren für die Gebäudesubstanz und auch für Leib und Leben der Bewohner von so wesentlichem Interesse, dass eine Veränderung an ihr einem Grundstückserwerber in jedem Fall ungefragt zu offenbaren sei.
Quelle | OLG Zweibrücken, Urteil vom 27.9.2024, 7 U 45/23, PM vom 25.2.2025
| Das Amtsgericht (AG) Flensburg hat entschieden: Der Mieter muss gesundheitliche Beeinträchtigungen für sich oder die seine Mitbewohner und die nachteiligen Auswirkungen eines Umzugs durch Vorlage fachärztlicher Atteste ausführlich darstellen. Sein Vortrag muss so konkret sein, dass das Gericht den Eintritt von relevanten Nachteilen als hinreichend wahrscheinlich annehmen kann. Dann ist das Gericht gehalten, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Der bloße unstreitige Umstand, dass die Kinder des Mieters einen Behindertenausweis und einen Pflegegrad zugesprochen bekommen haben, genügt nicht. Ohne Erläuterungen, welche Krankheiten oder Behinderungen die Kinder haben, kann das Gericht keinen Härtegrund annehmen. |
Der Vermieter kündigte den unbefristeten Wohnraummietvertrag wegen Eigenbedarf. Er begründete dies damit, er benötige das Objekt für sich und seine Lebensgefährtin als neuen Lebensmittelpunkt. Die Mieter widersprachen der Kündigung und beriefen sich insbesondere auf gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Mieterin leide an einer Angststörung und posttraumatischen Belastungsstörung und die beiden Kinder seien schwerbehindert und pflegebedürftig. Ein Umzug sei für die Familie unzumutbar.
Damit hatten sie vor dem AG keinen Erfolg. Das AG war nach der Zeugenvernehmung davon überzeugt, dass der Vermieter die Räume wegen der geplanten Familiensituation ernsthaft benötigte. Dass die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist, erkannte das AG nicht an. Denn die Mieter seien ihrer Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Härtegründe nicht nachgekommen.
Ein Härtegrund liege nur vor, wenn eine erhebliche Verschlechterung einer ernsten Erkrankung oder Lebensgefahr, die durch einen Sachverständigen zu klären ist, angenommen werden könne. Das Gericht hatte keine Anhaltspunkte, eine solche Verschlechterung des Gesundheitszustands der Kinder der Mieter anzunehmen. Der vorgelegte Behindertenausweis, das Pflegegutachten und das allgemeinärztliche Attest sprächen nur unkonkret von einer „gesundheitlichen Situation“ des Kindes. Das war dem Gericht zu unkonkret. Es fehle insbesondere vertiefter Vortrag dazu, wie sich die Erkrankung im Alltag auswirke und inwieweit mit einer Verschlechterung der Situation durch einen Umzug zu rechnen sei.
Quelle | AG Flensburg, Urteil vom 4.12.2024, 61 C 55/24
| Ein rechtlich beachtlicher Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses liegt nur vor, wenn sich der Anfechtende in einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses befunden hat, dagegen nicht, wenn lediglich falsche Vorstellungen von dem Wert der einzelnen Nachlassgegenstände vorgelegen haben. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschieden. |
Erblasserin wurde 106 Jahre alt
Die Erblasserin ist im Alter von 106 Jahren ohne Testament verstorben. Zuvor lebte sie seit längeren Jahren in einem Seniorenheim. Die Heim- und Pflegekostenkosten wurden aus Mitteln der Kriegsopferfürsorgestelle bestritten. Diese Leistungen wurden als Darlehen gewährt und durch eine Grundschuld an einem Haus der Erblasserin abgesichert. Der Ehemann der Erblasserin, ihre beiden Kinder und auch bereits ein Enkelkind waren vorverstorben. Gesetzliche Erben waren die Enkel und Urenkel der Erblasserin.
Enkelin schlug Erbschaft aus, Urenkel nicht
Nach dem Tod der Erblasserin hat u. a. die in gesetzlicher Erbfolge zur Erbin berufene Enkelin das Erbe ausgeschlagen und dabei angegeben, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Zwei Urenkel der Erblasserinnen haben das Erbe dagegen nicht ausgeschlagen. In der Folge wurde das Haus der Erblasserin unter Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Nachlasspflegerin an Dritte verkauft. Nach dem Verkauf des Hauses hat die Enkelin ihre Erklärung zur Erbausschlagung sodann wegen Irrtums angefochten. Danach hat sie die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der u. a. sie als Erbinzu 1/4 Anteil ausweisen sollte.
Das Nachlassgericht hat entschieden, dass der Erbschein wegen der angefochtenen Erbausschlagungserklärung der Enkelin, wie von ihr beantragt, erteilt werden müsse. Gegen diesen Beschluss wendete sich einer der Urenkel, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte, mit seiner Beschwerde.
Oberlandesgericht widersprach Nachlassgericht
Das OLG hat entschieden, dass der Erbscheinsantrag der Enkelin zurückzuweisen sei, da der von ihr beantragte Erbschein die eingetretene Erbfolge unzutreffend wiedergebe. Die Enkelin sei keine Erbin geworden, da sie die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und sie die Ausschlagungserklärung wegen Irrtums auch nicht wirksam anfechten könne.
Enkelin wusste nichts vom Bankkonto…
Soweit sie ihren Irrtum damit begründet habe, dass ihr erst im Nachhinein bekannt geworden sei, dass zum Nachlass ein Bankkonto bei der Kreissparkasse Köln mit einem vierstelligen Guthaben gehöre, läge zwar ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses vor. Dieser Irrtum hätte aber nicht ihre Ausschlagung der Erbschaft veranlasst. Denn selbst, wenn ihr das Konto bei der Kreissparkasse Köln bekannt gewesen wäre, hätte dies mangels wirtschaftlichem Gewicht des dortigen Guthabenbetrags gegenüber den restlichen Nachlasspositionen nichts an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses geändert.
… und unterschätzte den Verkaufserlös des Hauses
Soweit sich die Enkelin darauf berufe, sie habe sich geirrt, dass der Erlös aus dem Verkauf des Hauses der Erblasserin die Verbindlichkeiten aus dem mit der Grundschuld abgesicherten Darlehen für die Heim- undPflegekosten der Kriegsopferfürsorgestelle übersteige, liege kein Irrtum vor, der zur Anfechtung berechtige. Dieser Irrtum beruhe lediglich auf der unzutreffenden Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht über dessen Zusammensetzung.
Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14.8.2024, 8 W 102/23, PM vom 10.12.2024
| Beschränkt ein Bebauungsplan über ein Wochenendhausgebiet mittels sog. Baufenster die Bebaubarkeit von Flächen, kann für ein Grundstück, das außerhalb eines Baufensters gelegen ist, kein Bauvorbescheid erteilt werden. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Mainz. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist Pächterin eines Grundstücks, das im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, der ein Wochenendhausgebiet und hierfür überbaubare Flächen (sog. Baufenster) festsetzt. Das Pachtgrundstück ist danach nicht mit einem Wochenendhaus bebaubar, sondern nur mit Nebengebäuden, etwa zum Unterstellen von Gegenständen zur Freizeitnutzung.
Die Klägerin stellte einen Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheids zur Klärung der Frage, ob ihr Grundstück mit einem Wochenendhaus bebaubar sei, und beantragte hilfsweise eine Befreiung von der Festsetzung über die überbaubaren Flächen. Sie machte zur Begründung ihres Antrags geltend: Für jedes andere Grundstück in der Straße sehe der Bebauungsplan ein Baufenster vor, nicht aber für ihres – an vielen Stellen des Plangebiets seien nicht überbaubare Flächen zwischenzeitlich mit Gebäuden bebaut worden. Für ihr Grundstück sei sogar eine Hausnummer vergeben worden. Die Baugenehmigungsbehörde lehnte das Begehren ab. Das Widerspruchsverfahren blieb ohne Erfolg.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG wies die Klage ab. Die Errichtung eines Wochenendhauses auf dem Pachtgrundstück sei nicht genehmigungsfähig, denn für dieses sehe der Bebauungsplan keine Fläche vor, die mit einem solchen Gebäude bebaut werden dürfe.
Keine verdichtetete Bebauung im Erholungsgebiet gewünscht
Die Beschränkung der Bebaubarkeit der Flächen über das gesamte Plangebiet hinweg diene nach dem Willen der Gemeinde als Plangeberin der Verhinderung einer verdichteten Bebauung in dem Erholungsgebiet und dem Erhalt von Waldflächen. Damit liege eine städtebaulich legitimierte Planung vor, die auch das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) der von der Beschränkung betroffenen Eigentümer nicht verletze. Ohne den Bebauungsplan wären im Außenbereich Gebäude zur privaten Freizeitnutzung generell bauplanungsrechtlich unzulässig. Die Festsetzung über die beschränkte Bebaubarkeit, an deren Geltung die Gemeinde ausdrücklich weiter festhalte, sei auch nicht funktionslos geworden, sie könne die bauliche Entwicklung in dem Plangebiet auch künftig noch beeinflussen. Denn es gebe noch unbebaute Grundstücke, für die ebenfalls ein Baufenster festgesetzt sei. Der überwiegende Teil der Bebauung sei auch innerhalb der Baufenster verwirklicht worden.
Großer Teil hielt Regeln nicht ein: Bebauungsplan gilt trotzdem
Unerheblich sei hingegen, dass in einer Vielzahl von Fällen Grundstücke entgegen der Festsetzung zu den Baufenstern bebaut worden seien. Der Geltungsanspruch einer Norm, wie der eines Bebauungsplans, gehe nicht bereits dadurch unter, dass sich ein großer Teil der Betroffenen nicht an die Regelung halte. Die Vergabe einer Hausnummer diene allein ordnungsrechtlichen Belangen und begründe keine Baurechte für ein Grundstück. Eine Befreiung von der Festsetzung des Bebauungsplans über die beschränkte Bebaubarkeit der Grundstücke scheide aus, weil diese angesichts der Gesamtkonzeption einen Grundzug der Planung betreffe, über den die Baugenehmigungsbehörde – auch zur Vermeidung eines Präzedenzfalls – nicht hinweggehen könne. Allein die Gemeinde könne eine Umplanung des Bebauungsplans vornehmen.
Quelle | VG Mainz, Urteil vom 25.9.2024, 3 K 746/23.MZ, PM8/24
| Ein Energieberater schuldet zwar keinen Erfolg seiner Beratung in Form der tatsächlichen Förderung. Er muss aber korrekt beraten, sodass hieraus energetische Maßnahmen hervorgehen, die die Voraussetzungen der gesetzlichen Förderungsgrundlage erfüllen. Stellt er jedoch für die einzuhaltenden Wärmedurchgangskoeffizienten irrtümlicherweise auf die Werte des GEG ab, obwohl für die Förderung die Werte des BEG EM maßgeblich sind, sieht das Landgericht (LG) Berlin darin eine Verletzung seiner Beratungspflicht. Und das LG sieht den Berater sogar in der Pflicht, Schadenersatz zu leisten. |
Dienstvertragsrecht einschlägig
Das LG: Ein Energieberatungsvertrag ist als entgeltliche Geschäftsbesorgung einzuordnen, auf die Dienstvertragsrecht anzuwenden ist. Zwar wird angenommen, dass ein Energieberater in der Regel grundsätzlich keinen Erfolg in Form der tatsächlichen Förderung schulde oder dafür gar eine Garantie übernehme. Der Energieberater schuldet aber eine fachlich zutreffende Beratung, aus der energetische Maßnahmen hervorgehen, die die Voraussetzungen der gesetzlichen Förderungsgrundlage erfüllen.
Beratung zur Förderfähigkeit Hauptleistungspflicht
Diese Beratung im Hinblick auf förderfähige Maßnahmen stellt für den Verbraucher, der auf eine Förderung angewiesen ist, bei lebensnaher Betrachtung sogar eine Hauptleistungspflicht dar. Aufgabe einer Energie-Effizienz-Expertin im Rahmen der KfW-Förderung ist es regelmäßig, den Antragsteller über die passenden und aufeinander abgestimmten Sanierungsmaßnahmen für sein Gebäude zu beraten und gerade zu prüfen, ob diese technisch förderfähig sind, die Bestätigung zum Antrag und den späteren Verwendungsnachweis zu erstellen.
Konsequenzen
Gegenstand der Vertragsleistung war im Fall des LG die Beratung der energetischen Sanierung des Hauses in fachlicher Hinsicht und die Begleitung der Antragstellung beim Zuschussgeber mit dem Ziel der Förderungsfähigkeit der Baumaßnahmen. Der Energieberater hätte mithin geradezu treffend und vollständig dazu beraten und darauf hinwirken müssen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen auch wirklich förderungsfähig sind. Nicht umsonst hatte er ihr Honorar von einem Förderzuschuss abhängig gemacht und sogar unter die Bedingung einer Förderungsgewährung gestellt.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23
| Sichtbare Tätowierungen auf beiden Handrücken hindern die Zulassung zum Vorbereitungsdienst der Polizei nicht, wenn sie inhaltlich unbedenklich sind. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren entschieden. |
Tätowierungen auf den Handrücken
Die Antragstellerin begehrt die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst bei der Berliner Kriminalpolizei. Sie trägt unter anderem auf beiden Handrücken Tätowierungen. Bei den Motiven handelt es sich um Rosenblüten mit den Namen ihrer Kinder. Die Tattoos bedecken jeweils einen Großteil ihrer Handrücken. Die Berliner Polizei lehnte ihre Bewerbung deshalb ab. Hiergegen hat die Antragstellerin einen Eilantrag eingereicht.
Das VG hat dem Eilantrag teilweise stattgegeben und das Land Berlin verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Bewerbung der Antragstellerin zu entscheiden. Zur Begründung führt sie aus, das Tragen von Tätowierungen im sichtbaren Bereich könne einer Einstellung nur entgegenstehen, wenn die Tattoos über das übliche Maß hinausgingen und wegen ihrer besonders individualisierenden Art geeignet seien, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen.
Rosenblüten und Namen der Kinder: unkritischer Inhalt
Dies sei hier nicht der Fall. Es sei bereits zweifelhaft, ob die Tattoos der Antragstellerin über das übliche Maß hinausgingen. Vielfältige Tätowierungen, insbesondere von Blumen bzw. Pflanzen und persönlichen Daten, seien heutzutage weit verbreitet. Jedenfalls seien die Tattoos der Antragstellerin trotz ihrer Sichtbarkeit nicht geeignet, ihre amtliche Funktion in den Hintergrund zu drängen. Die klare Erkennbarkeit der Motive und deren unkritischer Inhalt böten Bürgerinnen und Bürgern keinen Anlass, über die persönlichen Überzeugungen der Antragstellerin als Privatperson zu spekulieren.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 27.2.2025, VG 26 L 288/24, PM 14/25
| Der professionelle Einsatz eines vollautomatischen Wanddruckers stellt kein zulassungspflichtiges Maler- und Lackiererhandwerk dar. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren entschieden. |
Laut Handwerkskammer bestand Meisterzwang
Die Antragstellerin stellt sog. Wanddrucker her, mit denen sich individuell vom Verwender programmierte Motive großflächig auf eine in der Regel vertikale Fläche auftragen lassen. Einer Käuferin des Wanddruckers wurde auf Nachfrage von der Handwerkskammer Berlin mitgeteilt, dass die gewerbliche Nutzung des Geräts zulassungspflichtig im Maler- und Lackierer-Handwerk sei und daher nur mit Fachkundenachweis und Eintrag in der Handwerksrolle gewerblich ausgeführt werden dürfe. Die Käuferin veröffentlichte die Auskunft auf ihrer Internetseite und erklärte, wegen des „Meisterzwangs“ keine Aufträge mehr für den Wanddrucker annehmen zu können.
Die Antragstellerin verlangte daraufhin von der Handwerkskammer insbesondere, diese – aus ihrer Sicht falsche – Auskunft zu widerrufen und zukünftig zu unterlassen. Die Veröffentlichung der Auskunft im Internet verursache ihr einen immensen wirtschaftlichen Schaden, weil die meisten ihrer Kunden über keinen entsprechenden Fähigkeitsnachweis verfügten. Nachdem die Handwerkskammer eine gesetzte Frist verstreichen ließ, hat die Antragstellerin bei Gericht einen Eilantrag und Klage eingereicht.
Verwaltungsgericht widersprach
Das VG hat dem Eilantrag stattgegeben. Begründung: Die Nutzung eines (vollautomatischen) Wanddruckers stelle für sich genommen regelmäßig keinen handwerklichen Betrieb eines Maler- und Lackierer-Handwerks dar. Sie sei vielmehr ohne Nachweis eines Fachkundenachweises oder einer Eintragung in die Handwerksrolle zulässig.
Weder Fachkundenachweis noch Eintragung in die Handwerksrolle notwendig
Die händischen Arbeitsschritte beim Bedienen des Wanddruckers beschränkten sich auf die Vorbereitung des Druckers und des Motivs sowie das Farbmanagement. Das Verbringen der Farbe auf die Oberfläche – als Kernbereich des Malerhandwerks – erfolge indes automatisiert. Angesichts der überschaubaren Komplexität und Schwierigkeit der Bedienung des Druckers genüge nach unbestrittener Darstellung der Antragstellerin eine zweitägige Schulung in aller Regel, um zufriedenstellende Ergebnisse mit dem Wanddrucker zu erzeugen. Die nötigen Vorbereitungshandlungen und das Mischen von Farben seien keine wesentlichen Tätigkeiten bei der Benutzung des Druckers, weil sie jedenfalls in unter drei Monaten erlernt werden könnten.
Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 19.2.2025, VG 4 L 847/24, PM vom 24.2.2025
| Verstößt der Arbeitgeber schuldhaft gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, dem Arbeitnehmer rechtzeitig für eine Zielperiode Ziele vorzugeben, an deren Erreichen die Zahlung einer variablen Vergütung geknüpft ist (Zielvorgabe), löst dies grundsätzlich einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadenersatz statt der Leistung aus. Voraussetzung: Eine nachträgliche Zielvorgabe kann ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen. So hat es das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Keine Vorgabe individueller Ziele
Der Kläger war bei der Beklagten bis zum 30.11.2019 als Mitarbeiter mit Führungsverantwortung beschäftigt. Arbeitsvertraglich war ein Anspruch auf eine variable Vergütung vereinbart. Eine ausgestaltende Betriebsvereinbarung bestimmt, dass bis zum 1.3. des Kalenderjahres eine Zielvorgabe zu erfolgen hat, die sich zu 70 % aus Unternehmenszielen und 30 % aus individuellen Zielen zusammensetzt, und sich die Höhe des variablen Gehaltsbestandteils nach der Zielerreichung des Mitarbeiters richtet. Am 26.9.2019 teilte der Geschäftsführer der Beklagten den Mitarbeitern mit Führungsverantwortung mit, für das Jahr 2019 werde, bezogen auf die individuellen Ziele, entsprechend der durchschnittlichen Zielerreichung aller Führungskräfte in den vergangenen drei Jahren von einem Zielerreichungsgrad von 142 % ausgegangen. Erstmals am 15.10.2019 wurden dem Kläger konkrete Zahlen zu den Unternehmenszielen einschließlich deren Gewichtung und des Zielkorridors genannt. Eine Vorgabe individueller Ziele für den Kläger erfolgte nicht. Die Beklagte zahlte an den Kläger für 2019 eine variable Vergütung von rund 15.600 Euro brutto.
Der Standpunkt der Parteien
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei ihm zum Schadenersatz verpflichtet, weil sie für das Jahr 2019 keine individuellen Ziele und die Unternehmensziele verspätet vorgegeben habe. Es sei davon auszugehen, dass er rechtzeitig vorgegebene, billigem Ermessen entsprechende Unternehmensziele zu 100 % und individuelle Ziele entsprechend dem Durchschnittswert von 142 % erreicht hätte. Deshalb stünden ihm unter Berücksichtigung der von der Beklagten geleisteten Zahlung weitere rund 16.000 Euro brutto als Schadenersatz zu. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Zielvorgabe sei rechtzeitig erfolgt und habe den Grundsätzen der Billigkeit entsprochen, weshalb ein Schadenersatzanspruch wegen verspäteter Zielvorgabe ausgeschlossen sei. Unabhängig davon könne der Kläger allenfalls eine Leistungsbestimmung durch Urteil nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 315 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 BGB) verlangen. Die Möglichkeit einer gerichtlichen Ersatzleistungsbestimmung schließe Schadenersatzansprüche wegen verspäteter Zielvorgabe aus. Im Übrigen sei die Höhe eines möglichen Schadens falsch berechnet.
Arbeitgeber verstieß gegen Pflicht aus Betriebsvereinbarung
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht (LAG) hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagte, wie vom LAG zu Recht erkannt, einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von rund 16.000 Euro brutto. Die Beklagte hat ihre Verpflichtung zu einer den Regelungen der Betriebsvereinbarung entsprechenden Zielvorgabe für das Jahr 2019 schuldhaft verletzt, indem sie dem Kläger keine individuellen Ziele vorgegeben und ihm die Unternehmensziele erst verbindlich mitgeteilt hat, nachdem bereits etwa ¾ der Zielperiode abgelaufen waren.
Arbeitnehmer siegt: kein Mitverschulden, keine Anrechnung
Eine ihrer Motivations- und Anreizfunktion gerecht werdende Zielvorgabe war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Deshalb kommt hinsichtlich der Ziele auch keine nachträgliche gerichtliche Leistungsbestimmung in Betracht. Bei der im Wege der Schätzung zu ermittelnden Höhe des zu ersetzenden Schadens war von der für den Fall der Zielerreichung zugesagten variablen Vergütung auszugehen und anzunehmen, dass der Kläger bei einer billigem Ermessen entsprechenden Zielvorgabe die Unternehmensziele zu 100 % und die individuellen Ziele entsprechend dem Durchschnittswert von 142 % erreicht hätte.
Besondere Umstände, die diese Annahme ausschließen, hat die Beklagte nicht dargetan. Der Kläger musste sich kein anspruchsminderndes Mitverschulden anrechnen lassen. Bei einer unterlassenen oder verspäteten Zielvorgabe des Arbeitgebers scheidet ein Mitverschulden des Arbeitnehmers wegen fehlender Mitwirkung regelmäßig aus, weil allein der Arbeitgeber die Initiativlast für die Vorgabe der Ziele trägt.
Quelle | BAG, Urteil vom 19.2.2025, 10 AZR 57/24, PM 7/25
| Säumniszuschläge werden festgesetzt, wenn die Zahlung nicht pünktlich erfolgt. Nach der Abgabenordnung (hier: § 240 AO) ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen Steuerbetrags zu entrichten, umgerechnet auf das Jahr also 12 %. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass wegen des deutlichen und nachhaltigen Anstiegs der Marktzinsen, der seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 zu verzeichnen ist, jedenfalls seit März 2022 keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Zuschläge bestehen. |
Darüber hinaus hat der BFH in diesem Verfahren Folgendes entschieden: Wenn das Finanzamt zwar Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt, deren Wirkung aber von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig macht, bewirkt die spätere Leistung der Sicherheit im Regelfall, dass die AdV mit (Rück-)Wirkung ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung eintritt und zuvor etwaig entstandene Säumniszuschläge entfallen.
Beachten Sie | Das Finanzamt kann allerdings ausdrücklich anordnen, dass die Wirkung der AdV erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung der Sicherheit beginnt.
Quelle | BFH, Beschluss vom 21.3.2025, X B 21/25 (AdV)
| Eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft steht der Anerkennung einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft grundsätzlich nicht entgegen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Eine Organschaft führt bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dazu, dass nicht mehr die Organgesellschaft ihren Gewinn zu versteuern hat, sondern der Organträger.
Beachten Sie | Die gemäß Körperschaftsteuergesetz (hier: §§ 14 ff. KStG) enthaltenen Regelungen für die Organschaft führen im Ergebnis dazu, dass z. B. in Konzernen die Konzernspitze (als Organträger) die Gewinne sämtlicher Tochtergesellschaften (als Organgesellschaften) zu versteuern hat, aber Verluste und Gewinne der verschiedenen Tochtergesellschaften dabei auch unmittelbar miteinander verrechnet werden können. Insbesondere dieser steuerliche Vorteil hat zu einer weiten Verbreitung der Organschaft in Deutschland geführt.
Das war geschehen
Im Streitfall hatte eine Kommanditgesellschaft (KG) mit einer GmbH einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, um eine Organschaft zu begründen. Danach war die „abhängige“ GmbH als Organgesellschaft verpflichtet, den ganzen von ihr erwirtschafteten Gewinn an die KG als Organträger abzuführen.
Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass an der GmbH als Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung bestand.
Bundesfinanzhof widerspricht Vorinstanzen
Da dem atypisch still Beteiligten ein Anteil von 10 % des Gewinns der GmbH zustand, vertraten das Finanzamt und nachfolgend auch das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern die Auffassung, dass lediglich 90 % des Gewinns an die KG als Organträger abgeführt worden sei, das Gesetz aber die Abführung des ganzen Gewinns fordere. Die Organschaft sei daher insgesamt nicht anzuerkennen. Dem ist der BFH aber nun entgegengetreten.
§ 14 Abs. 1 KStG setzt einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 des Aktiengesetzes (AktG) und die strikte Erfüllung der zivilrechtlichen Vertragspflichten voraus. Was als ganzer Gewinn abzuführen ist, bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Gewinnbeteiligungen, die einem stillen Gesellschafter zustehen, sind im Zivilrecht aber als Geschäftsunkosten vom Gewinn der GmbH abzusetzen. Dies betrifft sowohl die typische als auch die atypisch stille Gesellschaft.
Folglich ist der hiernach verbleibende „Rest-Gewinn“ (im Streitfall also die 90 %) der ganze Gewinn, der an den Organträger abgeführt werden muss. Dass eine (typische oder atypische) stille Beteiligung zivilrechtlich als Teilgewinnabführungsvertrag qualifiziert wird, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.12.2024, I R 33/22, PM 21/25 vom 3.4.2025
| Wenn eine per E-Mail versandte Werklohnrechnung gehackt und unbefugt verändert wird und der Kunde deshalb an einen unbekannten Dritten zahlt, muss er nicht noch einmal an den Werkunternehmer zahlen, wenn dieser die Rechnung ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung versandt hat und deshalb gegen ihn ein Schadenersatzanspruch gemäß Datenschutz-Grundverordnung (hier: Art. 82 DS-GVO) besteht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, erneut ihre Werklohnforderung zu zahlen, nachdem der Betrag wegen einer Manipulation der per E-Mail versandten Rechnung durch kriminell handelnde Dritte dem Konto eines Unbekannten gutgeschrieben wurde.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für die Installation von Haustechnik. Sie führte für die Beklagte Installationsarbeiten durch und rechnete die erbrachten Leistungen ihr gegenüber in drei Abschlagsrechnungen ab. Diese wurden jeweils als Anlage zu einer E-Mail im PDF-Format übersandt. Die ersten zwei Abschlagsrechnungen beglich die Beklagte per Überweisung an die auf den Rechnungen angegebenen Bankverbindungen der Klägerin.
Die dritte Abschlagsrechnung über rund 15.000 Euro, die zugleich die Schlussrechnung war, versandte die Klägerin ebenfalls als Anlage im PDF-Format per E-Mail. Diese Rechnung war jedoch auf ungeklärte Weise durch einen Dritten manipuliert worden, so dass die Beklagte den Rechnungsbetrag auf das Konto des unbekannten Dritten überwies. Auf dem Konto der Klägerin ging deshalb auf die Schlussrechnung keine Zahlung ein.
Keine Erfüllung durch Zahlung an unbekannten Dritten
Das Landgericht (LG) hat die Beklagte deshalb zur erneuten Zahlung verurteilt, weil eine Erfüllung durch die Zahlung an den unbekannten Dritten nicht eingetreten ist. Es hat ausgeführt, dass die Klägerin auch keine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat, sodass die Beklagte keinen Schadenersatzanspruch hat, den sie der Klageforderung gemäß § 242 BGB entgegenhalten kann. Die Klägerin hat nach Auffassung des LG keine Pflichtverletzung begangen, weil die von ihr vorgetragenen Schutzvorkehrungen in Form einer Transportverschlüsselung per SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) über TLS (Transport Layer Security) beim E-Mail-Verkehr mit Vertragspartnern ausreichend sind.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG hat in zweiter Instanz das Urteil des LG geändert und die Klage abgewiesen. Es hat entschieden, dass die Zahlung der Beklagten an einen Dritten zwar keine Erfüllung der Forderung bei der Klägerin bewirkt. Im Gegensatz zum Landgericht hat es jedoch einen Schadenersatzanspruch der Beklagten bejaht, den diese der Werklohnforderung der Klägerin nach § 242 BGB entgegenhalten kann, so dass sie die Forderung nicht noch einmal bezahlen muss.
Dieser Schadenersatzanspruch ergibt sich nach der Entscheidung des OLG aus Art. 82 Abs. 2 DS-GVO, weil die Klägerin im Zuge der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Beklagten bei Versand der streitgegenständlichen E-Mail mit Anhang gegen die Grundsätze der Art. 5, 24 und 32 DS-GVO verstoßen hat. Das OLG hält die Transportverschlüsselung, die beim Versand der streitgegenständlichen E-Mail in Form von SMTP über TLS verwendet worden sein soll, nicht für ausreichend und damit auch nicht als zum Schutz der Daten „geeignet“ im Sinne der DS-GVO.
Das OLG hob hervor, dass heute jedem Unternehmen, das personenbezogene Daten seiner Kunden computertechnisch verarbeitet, bewusst sein muss, dass der Schutz dieser Daten hohe Priorität – auch beim Versenden von E-Mails – genießt. Unternehmen müssen diesen Schutz durch entsprechende Maßnahmen so weit wie möglich gewährleisten.
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unabdingbar
Gerade bei sensiblen oder persönlichen Inhalten ist nach der Entscheidung des OLG nur eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Schutz im Sinne der DS-GVO geeignet, wenn ein hohes finanzielles Risiko durch Verfälschung der angehängten Rechnung für den Kunden besteht. Dass Kunden von Unternehmen bei einem Datenhacking Vermögenseinbußen drohen, ist ein Risiko, das dem Versand von Rechnungen per E-Mail immanent ist und deshalb eine entsprechende Voraussicht und ein proaktives Handeln erfordert. Der dafür erforderliche technische und finanzielle Aufwand kann auch von einem mittelständischen Handwerksbetrieb erwartet werden, wenn es seine Rechnungen nicht per Post versendet.
Quelle | OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.12.2024, 12 U 9/24, PM 1/25
| Wer im Zusammenhang mit seiner kommunalpolitischen Tätigkeit Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder erhält (im Streitfall ein ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats), erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Diese sind im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung zu verbeitragen. Dies hat jedenfalls das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen entschieden. |
Das LSG Nordrhein-Westfalen stellte heraus: Für die Zuordnung von Einnahmen zum Arbeitseinkommen ist die steuerliche Abgrenzung der Einkunftsarten maßgebend. Bei Anlegung dieser Maßstäbe handelt es sich auch bei den Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer kommunalpolitischen Tätigkeit in Gestalt von Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern erzielt werden, um Arbeitseinkommen nach dem Sozialgesetzbuch IV (hier: § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV).
Gegen dieses Urteil ist die Revision beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig.
Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.3.2024, L 5 KR 551/21, Rev. BSG: B 6 a/12 KR 12/24 R
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Die Verwendung von geschlechtsspezifischen Sterbetafeln bei der Bewertung lebenslänglicherNutzungen und Leistungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot. |
Hintergrund: Die Heranziehung geschlechterdifferenzierender Sterbetafeln dient dem Ziel, die Kapitalwerte lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen mit zutreffenden Werten zu erfassen und eine Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.
Da die statistische Lebenserwartung von Männern und Frauen unterschiedlich hoch ist, ermöglichen die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Vervielfältiger genauere und realitätsgerechtere Bewertungsergebnisse als geschlechtsneutrale Vervielfältiger.
Beachten Sie | Die Anwendung der geschlechtsspezifischen Sterbetafeln kann sich für den Steuerpflichtigen je nach Fallkonstellation günstiger oder ungünstiger auswirken und führt nicht per se zu einer Benachteiligung aufgrund des eigenen Geschlechts.
Der BFH musste nicht entscheiden, welche Auswirkungen sich aus dem am 1.11.2024 in Kraft getretenen Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) für die Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen ergeben.
Quelle | BFH, Urteile vom 20.11.2024, II R 38/22, II R 41/22, II R 42/22; PM 23/25 vom 10.4.2025
| Aufwendungen des Steuerpflichtigen für einen Umzug in eine andere Wohnung, um dort (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs(BFH) auch, wenn der Steuerpflichtige – wie in Zeiten der Corona-Pandemie – zwangsweise zum Arbeiten im häuslichen Bereich angehalten ist oder durch die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren sucht. |
Das war geschehen
Eheleute lebten mit ihrer Tochter in einer 3-Zimmer-Wohnung und arbeiteten nur in Ausnahmefällen im Homeoffice. Ab März des Streitjahrs 2020 (zunächst bedingt durch die Corona-Pandemie) arbeiteten sie überwiegend im Homeoffice, dort im Wesentlichen im Wohn-/Esszimmer. Ab Mai 2020 zogen sie in eine 5-Zimmer-Wohnung, in der sie zwei Zimmer als häusliches Arbeitszimmer einrichteten und nutzten.
Den Aufwand für die Nutzung der Arbeitszimmer und die Kosten für den Umzug in die neue Wohnung machten die Eheleute als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte zwar die Aufwendungen für die Arbeitszimmer an, mangels beruflicher Veranlassung lehnte es den Abzug der Kosten für den Umzug jedoch ab.
Demgegenüber bejahte das Finanzgericht (FG) Hamburg den Werbungskostenabzug auch für die Umzugskosten. Der Umzug in die größere Wohnung sei beruflich veranlasst gewesen, da er zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen geführt habe.
Dem folgte der BFH aber (aus Steuerzahlersicht „leider“) nicht und bestätigte die ablehnende Entscheidung des Finanzamts.
Wohnung: privater Lebensbereich
Die Wohnung ist grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Daher zählen die Kosten für einen Wohnungswechsel regelmäßig zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung. Etwas anderes gilt nur, wenn die berufliche Tätigkeit den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel dargestellt hat und private Umstände allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben.
Beachten Sie | Dies ist aber nur aufgrund außerhalb der Wohnung liegender Umstände zu bejahen, etwa wenn
- der Umzug Folge eines Arbeitsplatzwechsels gewesen ist oder
- sich die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit durch den Umzug um mindestens eine Stunde täglich vermindert
Die Möglichkeit, in der neuen Wohnung (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, genügt nicht zur Begründung einer beruflichen Veranlassung des Umzugs. Es fehlt insoweit an einem objektiven Kriterium, das nicht auch durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist.
Die Entscheidung, in der neuen, größeren Wohnung (erstmals) ein Zimmer als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer „Arbeitsecke“ auszuüben, beruht auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatz verfügt oder durch die Arbeit im Homeoffice versucht, das Berufs- und Familienleben zu vereinbaren.
Quelle | BFH, Urteil vom 5.2.2025, VI R 3/23, PM 24/25 vom 17.4.2025
| Ein mit einem Preisgeld dotierter Wissenschaftspreis kann nur dann Arbeitslohn darstellen, wenn er dem Arbeitnehmer für Leistungen verliehen wird, die er gegenüber seinem Dienstherrn erbracht hat. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Fall eines Professors entschieden. |
Der Professor hatte die Habilitationsschriften überwiegend vor der Berufung in das Professorendienstverhältnis verfasst. Der preisbewehrten Habilitation lag zwar eine wissenschaftliche Forschungsleistung zugrunde. Diese gründete aber nicht auf der Forschungstätigkeit als Hochschullehrer. Wissenschaftspreis und Preisgeld stellten sich daher nicht als „Frucht“ dieser Tätigkeit dar.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 12/22
| Kann in Deutschland steuerpflichtigen Personen eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen inder Schweiz gewährt werden? Das Finanzgericht (FG) Köln hält das für möglich und hat sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar mit deutscher und schweizerischer Staatsbürgerschaft wohnte in der Schweiz. Der Ehemann war als Arbeitnehmer in Deutschland tätig und unterhielt hierfür eine Wohnung in Deutschland. Für das gemeinsame Haus in der Schweiz beauftragten die Eheleute verschiedene Handwerks- und Gartenbauarbeiten i. S des Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 a EStG) und begehrten eine Ermäßigung ihrer Einkommensteuer.
Das Finanzamt lehnte dies jedoch ab, weil die Dienstleistungen in der Schweiz ausgeführt wurden (vgl. § 35 a Abs. 4 S. 1 EStG). Hiergegen erhoben die Eheleute erfolgreich Klage.
Freizügigkeitsabkommen
Das FG Köln bezweifelt, ob es mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist, dass die Steuerermäßigung nur für Dienstleistungen beansprucht werden kann, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt ausgeübt oder erbracht werden.
Beachten Sie | Bis zur Entscheidung des EuGH ist das Verfahren ausgesetzt.
Quelle | FG Köln, Beschluss vom 20.2.2025, 7 K 1204/22; PM vom 25.3.2025; EuGH: C-223/25
| Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen, z. B. Sachverständigengutachten, sind in der Regel nicht notwendig und werden daher nicht erstattet. Das ist der Grundsatz, von dem die Rechtsprechung ausgeht. Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme – wie eine Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Senftenberg anschaulich zeigt. |
Schwierige technische Fragestellungen
Ausnahmsweise werden nach dieser Entscheidung die Kosten z. B. für das Einholen eines privaten Sachverständigengutachtens unter anderem als notwendige Kosten anerkannt, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind. Gleiches gilt, wenn aus Sicht des Betroffenen aus einer Anfangsbetrachtung ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre.
Amtsgericht hält Kosten ausnahmsweise für erstattungsfähig
Diese Grundsätze hat das AG in seiner Entscheidung bestätigt. Es hat die Kosten für ein Sachverständigengutachten, mit dem die Messdaten einer Geschwindigkeitsmessung überprüft worden sind, daher als erstattungsfähig angesehen.
Quelle | AG Senftenberg, Urteil vom 28.2.2024, 50 OWi 1617 Js 22408/22
| Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h liegenden Tempo fährt, muss seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten. Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des Navigationssystems kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entschieden. |
Konzentrieren und Gerätebedienen ist gefährlich
Geklagt hatte eine Autovermieterin gegen den Fahrer eines vermieteten Pkw. Der Fahrer war auf der Autobahn verunfallt und hatte den Wagen beschädigt. Während er auf der linken Spur fuhr, bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs bei Tempo 200, um dort Informationen abzurufen. Dabei geriet das Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke.
Mietvertrag sah Kürzung der Haftungsfreistellung vor
Das Gericht verwies auf die Vereinbarung im Mietvertrag. Danach könne die Haftungsfreistellung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt werden. Der Fahrer habe hier grob fahrlässig gehandelt. Die Autovermieterin könne daher die Hälfte des Schadens – ca. 12.000 Euro – bei ihm geltend machen.
Für das Gericht war es dabei unerheblich, dass der Pkw einen sog. Spurhalteassistenten hatte. Zumindest bei derart hohen Geschwindigkeiten reduziere dieser den Schuldvorwurf nicht.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 2.5.2019, 13 U 1296/17
| Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie beschäftigt immer noch die Gerichte. Aktuell hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden: Die Mitglieder einer Fahrgemeinschaft waren auch in der Corona-Hochphase für gegenseitige Ansteckungen nicht verantwortlich zu machen. Eine auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage eines Mitfahrers hat das LG deshalb abgewiesen. |
Im Frühjahr 2022 stieg der Mitfahrer ohne Maske zu seinem Kollegen ins Auto, um gemeinsam zur Arbeit zu fahren. Am Abend desselben Tages schrieb er in die WhatsApp-Gruppe der Fahrgemeinschaft, dass er positiv getestet sei und sich in Quarantäne befinde.
Fahrer behauptete Ansteckung und verlangte Schmerzensgeld
Der schon zuvor an Asthma erkrankte Fahrer behauptete im Prozess, er habe sich während der gemeinsamen Fahrt mit dem Coronavirus infiziert und sei nun dauerhaft arbeitsunfähig („Post-Covid-Syndrom“). Der Mitfahrer schulde ihm daher Schmerzensgeld in Höhe von nicht unter 20.000 Euro, weitere 4.000 Euro Schadenersatz und müsse darüber hinaus für zukünftig auftretende Schäden einstehen.
Landgericht: Reine Gefälligkeit – keine Haftung
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Im Rahmen der wechselseitigen Gefälligkeit einer Fahrgemeinschaft sei bereits unter den Gesichtspunkten eines stillschweigenden Haftungsverzichts und des Handelns auf eigene Gefahr eine gegenseitige Haftung ausgeschlossen. Es sei zudem aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie allgemein bekannt gewesen, dass enger persönlicher Kontakt die Hauptinfektionsquelle darstellte. Obwohl der unter Asthma leidende Fahrer bemerkt habe, dass sein Kollege beim Einsteigen keine Maske trug, habe er ihn nicht gebeten, eine solche aufzusetzen. Er habe sich daher erkennbar trotz seiner Vorerkrankung dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Dass er sich keine Gedanken über einen ungünstigen Verlauf einer Infektion mit möglichen Dauer- und Folgeschäden gemacht habe, rechtfertige keine andere Beurteilung.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 16.12.2024, 7 O 110/24, PM vom 31.1.2025
| Mit der Frage, ob ein 13-jähriges Kind für einen Glasschaden an einem Schaufenster verantwortlich ist, hat sich das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. |
Glasbruch nach Nutzung eines Spielgeräts
Das Kind hatte in der Fußgängerzone von Frankenthal ein festmontiertes Spielgerät in Gestalt einer Drehscheibe genutzt und war beim Absteigen gegen ein daneben befindliches Schaufenster getaumelt. Für den dadurch entstandenen Glasbruch muss das Kind nicht haften, entschied das LG und hat die Klage der Ladenbesitzer abgewiesen.
Der Junge gab an, dass er auf dem Schulweg an dem Spielgerät vorbeigekommen sei. Er habe sich auf das Karussell gestellt, das ein Freund gedreht habe, zunächst langsam, dann immer schneller. Nachdem der Freund die Drehung gestoppt habe, sei er rückwärts gegen die keine drei Meter entfernte Fensterscheibe getaumelt, die daraufhin zerbrochen sei.
Schaden schuldhaft verursacht?
Die Ladenbesitzer warfen dem Jungen vor, den Schaden schuldhaft verursacht zu haben. Er sei bereits zu alt gewesen für das Karussell, zudem habe er sich damit zu schnell gedreht. Die Sturzgefahr und der mögliche Glasbruch seien für ihn erkennbar gewesen.
Landgericht: kein Verschulden des Kindes!
Das LG ging zwar davon aus, dass sich der 13-Jährige der grundsätzlichen Stolpergefahr durchaus bewusst und auch hinreichend einsichtsfähig war. Beides ist erforderlich, damit Minderjährige in diesem Alter überhaupt selbstständig haften. Gleichwohl konnte das LG das für einen Schadenersatzanspruch erforderliche Verschulden des Kindes nicht feststellen. Denn der Junge habe die Drehscheibe bestimmungsgemäß genutzt. Es sei gerade Sinn und Zweck des Karussells, trotz der Drehbewegung die Balance zu halten und der Gefahr des Herunterfallens zu trotzen. Das Kind sei weder zu alt noch zu groß für das Spielgerät gewesen.
Das Gericht hat nicht verkannt, dass die Ladenbesitzer nun auf ihrem Glasschaden sitzen bleiben. Dies resultiert gemäß LG jedoch daraus, dass unsere Rechtsordnung – von einigen hier nicht vorliegenden Sonderfällen abgesehen – dem Prinzip der Verschuldenshaftung folgt.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 29.11.2024, 9 O 27/24, PM vom 19.12.2024
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Bürgergeldempfänger gelten nicht als hilfebedürftig, wenn sie ein (zu) großes Einfamilienhaus gebaut haben und dessen Wert zur Sicherung des Lebensunterhalts nutzen können. |
Familie hatte während Bürgergeldbezug größeres Haus gebaut
Dem Verfahren lag ein Eilantrag einer Familie aus dem Emsland zugrunde. Diese hatte ihr selbstbewohntes Hausgrundstück für 514.000 Euro verkauft, nachdem sie während des Bürgergeldbezugs ein neues Haus gebaut hatte. Aufgrund des erzielten Verkaufserlöses hob der Grundsicherungsträger die Leistungsbewilligung auf.
Demgegenüber vertrat die Familie die Auffassung, das neue Haus sei geschütztes Vermögen und dürfe nicht zur Deckung des Lebensunterhalts herangezogen werden. Zudem berief sie sich auf die gesetzliche Karenzzeit von 12 Monaten, während der auch großzügige Wohnverhältnisse voll finanziert werden müssten.
Landessozialgericht: Familie nicht bedürftig
Das LSG bestätigte die Auffassung der Behörde. Die Familie sei nicht bedürftig, da das neue Hausgrundstück mit 254 m² Wohnfläche und sieben Bewohnern kein geschütztes Vermögen darstelle. Eine Verwertung des Vermögens zur Sicherung des Lebensunterhalts sei durch Beleihung möglich. Bei einem Verkehrswert von 590.000 Euro und einer Grundschuld von 150.000 Euro stehe ein unbelasteter Wert von 440.000 Euro zur Verfügung.
Die Berufung auf die gesetzliche Karenzzeit lehnte das Gericht ebenfalls ab. Die Regelung diene dem Zweck, dass Leistungsempfänger nicht sofort ihr angespartes Vermögen, etwa für die Altersvorsorge, aufbrauchen müssen, wenn sie nur vorübergehend auf Bürgergeld angewiesen sind. Die Karenzzeit solle dabei helfen, plötzliche Härten abzufedern.
Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um eine unerwartete Notlage, sondern um langjährige Leistungsbezieher, die ihre Wohnsituation und ihr Immobilienvermögen optimieren wollten. So habe die Familie als Verkaufsgrund des alten Hauses angegeben, die Entfernung zur Innenstadt sei ihnen zu weit gewesen.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.1.2025, L 11 AS 372/24 B ER, PM vom 20.1.2025
| Der gezahlte Reisepreis kann um 30 Prozent gemindert werden, wenn das Gepäck des Pauschalreisenden beim Hinflug zu spät ausgeliefert wird und deshalb während einer Kreuzfahrt in die Arktis nicht zur Verfügung steht. So entschied es das Landgericht (LG) München II zugunsten der Reisenden. |
Es ging um eine Expeditionsreise
Der Kläger und seine Mutter hatten im Jahr 2023 bei der Beklagten eine elftägige Pauschalreise nach Norwegen mit anschließender Kreuzfahrt „Auf den Spuren der Eisbären“ gebucht. Während des Hinflugs kam es zu einer verspäteten Auslieferung aller Gepäckstücke der Reisenden. Der Kläger und seine Mutter meldeten ihr Gepäck als verloren und erstatteten unverzüglich Schadensanzeige. Vor der Abfahrt des Schiffs kauften sie in Outdoor-Läden in Norwegen das Notwendigste ein. An Bord gab es eine Boutique und einen Wäscheservice. Schuhe und Parka für die Expeditionen an Land wurden gestellt. Die Beklagte erstattete den Reisenden außergerichtlich 25 Prozent vom gezahlten Reisepreis und 1.500 Euro (von 2.306,07 Euro) für die Ersatzbeschaffungen. Vor Gericht machte der Kläger den Restbetrag für die Ersatzbeschaffungen, weitere 15 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und einen „Schadenersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreuden“ geltend.
Landgericht sprach Minderung zu
Das LG sprach dem Kläger eine Minderung in Gesamthöhe von 30 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und für die Ersatzbeschaffungen weitere 516,20 Euro zu; einen Anspruch auf Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wies das LG jedoch ab.
Das LG begründete seine Entscheidung damit, dass das Fehlen von Gepäck mit persönlichen Gegenständen des Reisenden einen Reisemangel darstellt. Weil der Veranstalter jedoch keine besondere Kleiderordnung bei den Mahlzeiten und die Ausrüstung für die Expeditionen zur Verfügung gestellt hatte und es einen Wäscheservice an Bord gab, erachtete das Gericht eine Minderung von 30 Prozent des gezahlten Reisepreises als ausreichend und angemessen.
Bei den Ersatzbeschaffungen (Verbrauchsartikel, Grund- und Funktionsbekleidung) hatte der Reiseveranstalter unter anderem einen Abschlag für Vermögensvorteile vorgenommen, weil die Reisenden die Sachen nach der Rückkehr weiterhin nutzen können. Das Gericht folgte dem Argument der Beklagten nicht, soweit es sich um „Funktionskleidung“ handelte, denn der Kläger und seine Mutter hatten das Gericht davon überzeugt, dass sie die eigens für eine Expedition in die Arktis gekaufte Funktionsbekleidung nicht mehr benötigten. Anders sah es das Gericht bei den Verbrauchsartikeln (Waschmittel, Zahnpasta, etc.) – die Reisenden erhielten ihre Koffer bei der Rückkehr von der Reise zurück und konnten die darin enthaltenen Verbrauchsartikel (weiter) nutzen.
Schadenersatzanspruch abgelehnt
Einen Schadenersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit lehnte das Gericht ab, weil der Kläger und seine Mutter aufgrund der Möglichkeit von Ersatzbeschaffungen in Longyearbyen und an Bord sowie wegen der ihnen zur Verfügung gestellten Ausrüstungsgegenstände (Schuhe, Parka) an der Kreuzfahrt und den Expeditionen an Land teilnehmen konnten, was Sinn undZweck der gebuchten Expeditionsreise war.
Quelle | Landgericht München II, Endurteil vom 10.1.2025, 14 O 2061/24, PM 1/25
| Ein Ehemann kann nach der Trennung von seiner Frau verlangen, die Nutzungsverhältnisse an einem gemeinsamen Haus neu zu ordnen. Das stellte das Oberlandesgericht (OLG) Celle fest. |
Ärzteehepaar trennte sich
Nachdem sich ein Ärzteehepaar getrennt hatte, wollte der Mann in ein gemeinsames Haus des Paares ziehen. Doch dort wohnte seine Schwiegermutter. In der ihr allein gehörenden Ehewohnung lebte die Frau mit den gemeinsamen Kindern. Der Mann schlief zunächst in seiner Praxis, dann bei Bekannten. Schließlich wohnte er zur Untermiete.
Den Eheleuten gehörte aber hälftig noch das von der Schwiegermutter bewohnte Einfamilienhaus mit Garten. Dieser wollte der Mann wegen Eigenbedarf kündigen. Dazu war die Mitwirkung seiner Ehefrau erforderlich. Das lehnte sie ab. Sie meinte, der Mann wolle sie nur zwingen, ihrer Mutter zu kündigen. Auch habe er noch ein weiteres Haus. Der Mann klagte.
Amtsgericht: Eigenbedarf nicht genügend dargelegt
Das Amtsgericht (AG) wies seine Klage ab. Der Mann habe den Eigenbedarf nicht hinreichend dargelegt. Da die Schwiegermutter eine nahe Angehörige sei, könne ihre Tochter selbst Eigenbedarf anmelden. So zog der Mann vor das OLG.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG gab dem Mann Recht. Ihm sei seit der Trennung ein Festhalten am Mietverhältnis nicht länger zuzumuten. Auch habe er seinen Eigenbedarf ausreichend dargelegt. Er hatte vorgetragen, dass sein jetziges Mietverhältnis nur befristet war. Ein ständiges Wohnen in der Praxis sei ihm nicht zuzumuten. Ein Umzug in das andere Haus sei ihm ebenfalls nicht zuzumuten, da dieses noch ein Rohbau sei und er auch kein Geld für einen Umzug habe. Nach all dem sah das OLG den geltend gemachten Eigenbedarf nicht als „offensichtlich aussichtslos“ an. Vor allem sei die Frau in der Lage, ihre Mutter in der Ehewohnung und einer nicht genutzten Einliegerwohnung aufzunehmen.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 19.2.2025, 21 UF 237/24
| Wer einen überschuldeten Nachlass erbt, kann innerhalb einer Frist von sechs Wochen das Erbe ausschlagen. Sonst gilt die Erbschaft als angenommen und er haftet für die dem Nachlass zuzuordnenden Schulden. War dem Erben nicht bekannt, dass der Nachlass überschuldet ist, kann noch die Anfechtung wegen Irrtums helfen. Mit den Voraussetzungen dafür hat sich jetzt das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. Es hat entschieden, dass der als Erbe eingesetzte Sohn eines Verstorbenen nicht für die Beerdigungskosten aufkommen muss, weil er die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten hat. |
Witwe verlangte Bestattungskosten von Sohn des Verstorbenen
Der Verstorbene hatte seinen Sohn aus erster Ehe testamentarisch zu seinem Erben bestimmt. Die beiden pflegten zuletzt keinen Kontakt mehr zueinander. Nach dem Tod übernahm zunächst die Witwe die Bestattungskosten von rund 7.500 Euro und wollte diese vom Sohn erstattet haben, da dieser die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte. Daraufhin erklärte der Sohn die Anfechtung der Erbschaftsannahme. Er habe nicht gewusst, dass die Bestattungskosten zu den Nachlassverbindlichkeiten gehörten und der Nachlass damit überschuldet sei.
Irrtum über die Beerdigungskosten
Dieser Argumentation hat sich das LG angeschlossen. Der Sohn habe die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten und müsse daher nicht für die Beerdigungskosten aufkommen. Die Anfechtung wegen unerkannter Überschuldung eines Nachlasses sei ein in der Rechtsprechung anerkannter Anfechtungsgrund. Sie setze voraus, dass der Anfechtende eine wesentliche Forderung gegen den Nachlass irrtümlich übersieht. Hier seien die Bestattungskosten eine wesentliche Forderung, da der Nachlass überschuldet sei, wenn man sie berücksichtige. Es sei auch glaubhaft, dass sich der Sohn über die Beerdigungskosten geirrt habe. Denn die Witwe habe ihm noch zu Lebzeiten des Vaters mitgeteilt, für die Beerdigung könne der Erlös aus dem Verkauf eines Pkw verwendet werden. Daher durfte der Sohn davon ausgehen, als Erbe seines Vaters nicht für die Bestattung aufkommen zu müssen, so die Kammer. Wenn kein Erbe in Anspruch genommen werden kann, muss die Witwe als Ehefrau nach den Vorschriften des Landesrechts selbst für die Beerdigungskosten aufkommen, so das LG.
Quelle | Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 27.2.2025, 8 O 189/24, PM vom 31.3.2025
| Die Kosten eines Vaterschaftsanerkennungsverfahrens können zwischen dem im Verfahren ermittelten biologischen Vater und der Mutter hälftig geteilt werden. Weder der Umstand, dass der Vater nicht bereits auf Basis eines Privatgutachtens zur Anerkennung der Vaterschaft bereit war, noch, dass er nach Angaben der Mutter der einzige Verkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit war, rechtfertigen eine alleinige Kostenlast des Vaters. So entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |
Streit um Kosten
Die Beteiligten streiten über die Kosten eines Abstammungsverfahrens. Die Mutter des Kindes hatte angegeben, mit dem sog. Putativvater (also dem, der als möglicher Vater in Betracht kommt) in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehrs gehabt zu haben. Ein außergerichtlicher Vaterschaftstest hatte diesen als Vater festgestellt. Das Kind begehrte daraufhin, die Vaterschaft des Putativvaters gerichtlich festzustellen. Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens stellte das Amtsgericht (AG) die biologische Vaterschaft des Putativvaters fest und legte die Verfahrenskosten hälftig der Mutter und dem nun festgestellten Vater auf.
So sah es das Oberlandesgericht
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Mutter gegen die Auferlegung der Hälfte der Kosten. Dies hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das AG habe im Ergebnis zutreffend die Kosten nach billigem Ermessen zwischen der Kindesmutter und dem Kindesvater hälftig geteilt, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Bei einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren handele es sich nicht um ein echtes Streitverfahren. Neben dem Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens könnten deshalb weitere Umstände von Bedeutung sein. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten sei allerdings regelmäßig unbillig, da es selbst nicht zur Unsicherheit an der Vaterschaft beigetragen habe.
Hier sei es nicht angemessen, dem Vater die alleinigen Kosten aufzuerlegen. Er habe insbesondere nicht „grob schuldhaft“ das Verfahren veranlasst. Ihm sei es vielmehr nicht zumutbar gewesen, die Vaterschaft bereits außergerichtlich ohne gutachterliche Klärung der biologischen Abstammung durch Sachverständigengutachten anzuerkennen. Allein die Angabe der Mutter, sie habe in der Empfängniszeit nur mit dem Vater verkehrt, genüge zur Begründung eines groben Verschuldens nicht. Vielmehr habe der Vater berechtigte Zweifel ans einer Vaterschaft haben dürfen. Unwidersprochen habe er mit der Kindesmutter in der Empfängniszeit keine Beziehung geführt und auch nicht mit ihr zusammengelebt. Damit hätten ihm konkrete Einblicke in die Lebensverhältnisse der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit gefehlt. Für ihn habe damit auch keine Möglichkeit bestanden, abzuschätzen oder zu beurteilen, ob die Mutter des Kindes zu weiteren Männern eine intime Beziehung unterhalten habe.
Außergerichtlicher Vaterschaftstest schließt gerichtliche Überprüfung nicht aus
Auf den bereits außergerichtlich durchgeführten Vaterschaftstest habe er sich nicht verlassen müssen. Er könne vielmehr geltend machen, dass er angesichts der hohen rechtlichen Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Abstammungsgutachtens eine gerichtliche Überprüfung wünsche. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass „beide Eltern das Verfahren über eine Entscheidung über die Abstammung dadurch gleichermaßen veranlasst haben, dass sie innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben. Damit erscheint es in der Regel auch gerechtfertigt, die Kosten eines solchen Verfahrens gleichmäßig auf beide Eltern zu verteilen“, unterstrich das OLG.
Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 13.1.2025, 6 WF 155/24, PM 4/25
| Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung ist so zu verstehen, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, sofern diese nicht bereits von Dritten erbracht und dem Architekten zur Verfügung gestellt wurden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden. |
Ein Architekt war mündlich damit beauftragt worden, die Baugenehmigung für die Erweiterung eines Gasthofs einzuholen. Damit war klar, dass er die Leistungsphase 4 im Leistungsbild Gebäude und Innenräume sowie Tragwerksplanung erbringen musste. Da er vom Auftraggeber nur Bestandszeichnungen erhalten hatte, die nicht an eine Vor- oder Entwurfsplanung heranreichten, verlangte er auch das Honorar für diese notwendigen Leistungen. Der Auftraggeber weigerte sich. Er meinte, er habe nur die Genehmigungsplanung beauftragt.
Das OLG gab dem Architekten Recht und sprach ihm das Honorar für die Leistungsphasen 1 bis 4 zu. Es komme nicht auf die Regelungen der HOAI, sondern auf den Inhalt des konkreten Auftrags an. Nicht entscheidend sei, ob die Parteien einen schriftlichen oder mündlichen Vertrag geschlossen, sondern was sie tatsächlich vereinbart haben. Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung müsse dann so verstanden werden, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, da diese notwendige Voraussetzung für die Erstellung der Genehmigungsplanung ist. Etwas anderes gelte nur, wenn die vorangehenden Planungsleistungen bereits von Dritten erbracht wurden und dem Architekten zur Verfügung gestellt werden.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2022, 4 U 142/20
| Beauftragt ein Bauträger einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt vom Architekten nur die Überprüfung einzelner Maße, übernimmt der Bauträger das mit der begrenzten Überprüfung verbundene Risiko selbst. Er kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin als Bauträgerin machte gegen den beklagten Architekten im Wege einer Schadenersatzklage i. H. v. 100.000 Euro wegen mangelhafter Architektenleistungen bei der Planung einer Wohnungseigentumsanlage geltend. Die Klägerin ist der Auffassung, die die Pläne des Vermessungsingenieurs überarbeitende Wohnflächenberechnung des Beklagten für bestimmte Bestandsgebäude habe eine zu geringe Wohnfläche ausgewiesen. Der Beklagte habe zugesichert, dass die Abweichungen der Wohnflächen von den Bestandsplänen des Vermessers unter einem Prozent lägen, tatsächlich gebe es Abweichungen bis zu 8%. Zahlreiche Wohnungen seien daher mit zu geringer Flächenangabe verkauft worden und deshalb sei ein Mindererlös entstanden.
Der Beklagte bestreitet eine fehlerhafte Flächenermittlung, die sich ohnehin nur auf die örtliche Überprüfung der Maße aus den Bestandsplänen des Vermessers hinsichtlich der für die Werkplanung entscheidenden Stellen bezogen habe. Ein Auftrag zu einer kompletten Neuvermessung des Bestands sei gerade nicht erteilt worden.
Zudem meint die Klägerin, der Beklagte habe bei der Grundlagenermittlung übersehen, dass die Geschossdecken in einem Bestandsgebäude Betonhohlkörperdecken waren, die einen unerwartet hohen Sanierungsaufwand erforderten, und es versäumt, vor Baubeginn die Fundamente an der Seite zu einem anderen Grundstück zu überprüfen. Infolge dieser Planungsfehler hätten sich die Baukosten für das Bestandsgebäude deutlich erhöht. Die Umbaukosten beliefen sich somit auf mindestens 950.000 Euro. Ein vollständiger Abriss und Neubau hätte dagegen (nur) 752.499 Euro gekostet und wäre im Vergleich zu den tatsächlich entstandenen Kosten günstiger gewesen. Bei erzielbaren Verkaufserlösen abzüglich der Kosten für Abriss/Neubau hätte sich bei einem Neubau ein hoher sechsstelliger Überschuss ergeben. Der tatsächliche Überschuss durch den Umbau habe lediglich 107.000 Euro betragen.
Der Beklagte trägt hierzu vor, ihm sei vom Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt worden, dass es sich bei sämtlichen Bestandsdecken um Stahlbetonrippendecken handele. Eine Pflicht zur Überprüfung dieser Tatsache habe es nicht gegeben. Zudem habe sich die Klägerin in Kenntnis der Mehrkosten für eine Sanierung und gegen einen Abriss entschieden. Hinsichtlich des Fundaments sei die Klägerin bereits vor Beauftragung des Beklagten in Kenntnis gesetzt worden, dass dessen Tragfähigkeit ein Risiko darstelle. Sie habe dennoch entschieden, das Fundament erst im Zuge der Aushubarbeiten zu untersuchen, um Kosten einzusparen.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG stellte klar: Wie bei einem Bauvertrag kann auch zwischen einem Architekten und seinem Auftraggeber eine von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichende Ausführung vereinbart werden, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen.
Beauftragt eine Bauträgerin einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt sie vom Architekten, einzelne Maße zu überprüfen, übernimmt die Bauträgerin sehenden Auges das mit der begrenzten Überprüfung der Maße verbundene Risiko und kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Weist der Architekt seinen Auftraggeber darauf hin, dass die zu planende Wohnung ohne Sonnenschutz nicht funktioniert, muss der Auftraggeber erkennen, dass bei Umsetzung der Planung eine im Hinblick auf den Wärmeschutz nicht ausreichend funktionstüchtige Wohnung errichtet wird, und es bedarf keines weiteren Hinweises, dass dann (auch) die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten sind.
Macht der Auftraggeber eines Architekten geltend, dass er im Fall einer mangelfreien Beratung von der Sanierung eines Gebäudes abgesehen und einen profitableren Neubau errichtet hätte, schafft der Auftraggeber für eine Schadensschätzung bzw. Begutachtung nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn er nachvollziehbar darlegt, welches Gebäude mit welchen Eigenschaften er statt der Sanierung errichtet hätte.
Macht ein Auftraggeber geltend, bei einem mangelfreien Architektenwerk hätte er die zu errichtenden Wohnungen teurer verkaufen können, ist ein Schaden nur schlüssig dargelegt, wenn die Kalkulationsgrundlagen für den erzielten und den geltend gemachten Kaufpreis offengelegt werden und nachvollziehbar vorgetragen wird, dass ein höherer Kaufpreis am Markt hätte durchgesetzt werden können.
Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 17.12.2024, 10 U 38/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Aachen hat die Klage eines Realschullehrers auf Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Festsetzung von Erfahrungsstufen und mithin auf eine höhere Besoldung abgewiesen. |
Eine Tätigkeit als Anbieter von Cocktailkursen ist für die Tätigkeit als verbeamteter Lehrer nicht förderlich im besoldungsrechtlichen Sinne. Eine Tätigkeit ist allgemein förderlich, wenn sie für die Dienstausübung des Beamten nützlich bzw. von konkretem Interesse ist, d. h. wenn diese entweder erst aufgrund der früher gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht oder wenn sie jedenfalls erleichtert und verbessert wird.
Ausgehend hiervon kann die Tätigkeit als Betreiber einer Gesellschaft, die Cocktailkurse und Barcatering anbietet – auch wenn diese Tätigkeit über mehrere Jahre ausgeübt wurde – nicht als förderlich angesehen werden. Das Halten von Cocktailkursen ist weder qualitativ noch quantitativ mit der Tätigkeit eines Realschullehrers vergleichbar. So hat der Kläger im Rahmen seiner Cocktailschule insbesondere nicht mit Minderjährigen gearbeitet, sondern deren Angebot zielte auf die Schulung von Mitarbeitern aus dem Hotel-, Restaurant- und Cateringgewerbe. Auch sind die Anforderungen an die Erstellung eines Cocktailkurses nicht mit der Erstellung eines differenzierten Lehrplans für Schulunterricht in den Schulklassen 5 bis 10 vergleichbar.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 20.1.2025, 1 K 2377/23, PM vom 3.2.2025
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Ein Beschäftigungsverhältnis wird erst ab dem Beginn der Entgeltfortzahlung und nicht schon mit Abschluss des Arbeitsvertrags begründet. |
Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankgemeldet
Geklagt hatte ein 36-jähriger Arbeitsloser, dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld Ende Oktober 2023 auslief. Anfang Oktober unterschrieb der Mann einen Arbeitsvertrag als Lagerist bei einem Reinigungsunternehmen zu einem Monatslohn von 3.000 Euro brutto. Er trat die Arbeit jedoch nie an, da er sich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankmeldete. Zwei Wochen später kündigte die Firma innerhalb der Probezeit.
Krankenkasse zahlte kein Krankengeld
Die Krankenkasse des Mannes lehnte daraufhin die Zahlung von Krankengeld ab. Begründung: Es habe kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, da der Mann kein Einkommen erzielt habe.
Der Mann verklagte das Unternehmen und verlangte die Anmeldung zur Sozialversicherung ab dem Beginn des Arbeitsvertrags. Er vertrat dazu die Auffassung, dass bereits durch einen rechtsgültigen Vertrag, der eine Entgeltzahlung vorsehe, ein Beschäftigungsverhältnis zustande komme. Dies müsse auch gelten, wenn ihm der Arbeitsantritt krankheitsbedingt nicht möglich sei. Andernfalls würde er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit leer ausgehen.
Landessozialgericht gab Krankenkasse Recht
Das LSG vermochte sich der Rechtsauffassung des Klägers nicht anzuschließen. Der Arbeitgeber müsse ihn nicht zur Sozialversicherung anmelden, da ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht schon mit dem Beginn des Arbeitsvertrags entstanden sei. Erforderlich sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe. Dieser Anspruch entstehe jedoch bei neuen Arbeitsverhältnissen generell erst nach einer vierwöchigen Wartezeit.
Wartezeit war ohnehin nicht erfüllt
Diese gesetzliche Regelung solle verhindern, dass Arbeitgeber die Kosten der Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer tragen müssen, die direkt nach der Einstellung erkrankten. Der Gesetzgeber habe eine solche Konsequenz als unbillig angesehen.
Unabhängig davon müsse der Mann sich erst an seine Krankenkasse wenden, bevor er seinen Arbeitgeber verklage.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.1.2025, L16 KR 61/24
Mietrecht
| Auch in einem Minijob gibt es bezahlten Urlaub. Doch in diesem Zusammenhang stellen sich viele Fragen: Wie viele freie Tage stehen einem Minijobber zu? Was gilt bei unregelmäßiger Arbeitszeit? Wie wirkt sich das Urlaubsgeld auf den Minijob aus? Diese und weitere Fragen hat die Minijob-Zentrale jüngst beantwortet. |
So erläutert die Minijob-Zentrale beispielsweise, dass der Lohn während des Urlaubs weitergezahlt werden muss (Urlaubsentgelt). Das ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt. Zusätzlich kann es Urlaubsgeld geben (als freiwillige Zahlung zum Urlaub).
Quelle | Minijob-Zentrale vom 11.6.2025 „Urlaub im Minijob: Ihre Fragen – Wir antworten!"
| Es gibt steuerliche Betriebsprüfungen, die bereits nach kurzer Zeit abgeschlossen sind. Andere Prüfungen hingegen ziehen sich über Monate oder sogar über Jahre hin. Um die Betriebsprüfung zu beschleunigen, wurden nun mehrere gesetzliche Änderungen vorgenommen. |
Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen
Verzögerungen bei einer Betriebsprüfung können mitunter auf eine unzureichende Mitwirkung des Steuerpflichtigen zurückzuführen sein. Um dem entgegenzuwirken, sieht der neue § 200 a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) das qualifizierte Mitwirkungsverlangen vor, das sich auf die Mitwirkungspflichten nach § 200 AO stützt. Danach hat der Steuerpflichtige u. a. Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben.
Ermessensentscheidung des Prüfers
Das (neue) qualifizierte Mitwirkungsverlangen stellt eine Ermessensentscheidung des Prüfers dar, die frühestens nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ergehen darf. Entscheidet sich der Prüfer für ein solches Mitwirkungsverlangen, ist es schriftlich oder elektronisch (versehen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung) zu erteilen.
Beachten Sie | Der Steuerpflichtige muss in diesem Fall schnell handeln. Denn das Mitwirkungsverlangen ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe zu erfüllen. Nur in begründeten Einzelfällen kann die Frist verlängert werden.
Neu: Mitwirkungsverzögerungsgeld
Problematisch wird das qualifizierte Mitwirkungsverlangen für den Steuerpflichtigen, wenn es nicht oder nicht hinreichend innerhalb der Frist erfüllt wird. Denn in diesen Fällen wird das neu eingeführte Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt (§ 200 a Abs. 2 AO). Ausnahme: Die Mitwirkungsverzögerung erscheint entschuldbar, beispielsweise bei einer stark beeinträchtigenden Erkrankung.
Beachten Sie | Das Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung (also für jeden vollen Tag nach Verstreichen der im Mitwirkungsverlangen gesetzten Frist) 75 Euro. Gerechnet werden die Tage bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Mitwirkungsverlangen erfüllt wird – spätestens bis zum Tag der Schlussbesprechung. Denn nach der Schlussbesprechung gibt es keinen Bedarf mehr, eine Mitwirkung sicherzustellen.
Allerdings dürfen maximal 150 Tage zugrunde gelegt werden, sodass das Mitwirkungsverzögerungsgeld maximal 11.250 Euro betragen kann (150 Tage × 75 Euro).
Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld
Nicht immer bleibt es bei dem Mitwirkungsverzögerungsgeld. Denn es steht im Ermessen des Prüfers, nach § 200 a Abs. 3 AO zusätzlich einen Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzen. Voraussetzung ist, dass
- gegen den Steuerpflichtigen in den letzten fünf Jahren ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wurde und zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt oder
- wegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt. Davon ist auszugehen, wenn die Umsatzerlöse in einem der von der Prüfung umfassten Jahre mindestens 12 Mio. Euro betragen oder sich die konsolidierten Umsatzerlöse bei Konzernen auf mindestens 120 Mio. Euro belaufen.
Entscheidet sich der Prüfer für den Zuschlag, steht auch die Höhe in seinem Ermessen. Dabei darf der Zuschlag höchstens 25.000 Euro für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung betragen – ebenfalls für maximal 150 Tage (maximal somit 3,75 Mio. Euro).
Teilabschlussbescheid und Inkrafttreten
Um die Betriebsprüfungen zu beschleunigen, wurde auch der neue Teilabschlussbescheid eingeführt. Denn oft scheitert der zeitnahe Abschluss an einem einzelnen Sachverhalt, der nur durch intensiven Arbeitseinsatz aufgeklärt werden kann. Das Problem: So entsteht keine Rechtssicherheit bezüglich weiterer geprüfter Sachverhalte.
Durch den neuen § 202 Abs. 3 AO hat der Prüfer die Möglichkeit, bereits vor Abschluss der Prüfung einen Teilprüfungsbericht zu übermitteln und im Anschluss einen Teilabschlussbescheid zu erlassen. Hierdurch lassen sich einzelne im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte und abgrenzbare Feststellungen vor dem abschließenden Prüfungsbericht gesondert feststellen. Kann der Steuerpflichtige ein erhebliches Interesse an einem Teilabschlussbescheid glaubhaft machen, soll dieser auf Antrag ergehen.
Beachten Sie | Die Neuerungen gelten erst für Steuern und Steuervergütungen, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Sie sind aber auch für Steuern und Steuervergütungen anzuwenden, die vor dem 1.1.2025 entstehen, wenn für diese Steuern und Steuervergütungen nach dem 31.12.2024 eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde.
Quelle | Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie, BGBl I 2022, S. 2730
| Verlängert sich die dem Verbraucher gesetzlich eingeräumte 14-tägige Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge, wenn der Verkäufer in seiner Widerrufsbelehrung seine Telefonnummer nicht angibt? Diese Frage hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden. |
Kauf im Online-Shop über 62.000 Euro
Der Kläger hatte am 4.5.2022 über den Onlineshop der Beklagten ein Elektrofahrzeug zum Preis von rund 62.000 Euro erworben. Die Auslieferung des Fahrzeugs erfolgte am 20.12.2022. Am 14.8.2023 erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrags. Zu spät, entschied nun auch das OLG in zweiter Instanz und wies damit die Berufung des Klägers zurück.
Rechtlicher Hintergrund
Verbrauchern steht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: §§ 312 g Abs. 1, 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, im Normalfall beginnend ab Erhalt der Ware. Wird der Verbraucher jedoch nicht korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB). Die Informationspflichten des Unternehmers ergeben sich aus dem Einführungsgesetz zum BGB (hier: Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB). Der Unternehmer kann die Informationspflichten auch durch die Verwendung einer Musterwiderrufsbelehrung erfüllen, die sich in der Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB befindet.
Fehlende Telefonnummer ohne Auswirkungen
Hier hatte die Autohändlerin in ihrer selbst formulierten Widerrufsbelehrung, die sie dem Kläger übermittelte, keine Telefonnummer angegeben. Diese war jedoch auf der Internetseite der Beklagten zu finden. Das OLG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist geführt hat.
Widerruf eines Autokaufs wahrscheinlich eher schriftlich als per Telefon
Es entschied, dass die Widerrufsbelehrung auch ohne Angabe einer Telefonnummer den gesetzlichen Anforderungen genügt und sich die Widerrufsfrist daher nicht verlängert. Die Nichtangabe der Telefonnummer begründe bei einem Autokauf, der von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sei, nicht die Gefahr, dass der Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werde.
Ein typischer Kunde würde allein aus Beweiszwecken bei den hohen Summen eines Elektroautokaufs den Widerruf vernünftigerweise auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. per E-Mail) übermitteln.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 7.11.2024, 14 U 95/24, PM 8/25
| Hat sich der Übergeber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anlässlich der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ein Wohnungsrecht an einer Wohnung des übergebenen Vermögens vorbehalten, ist ein Sonderausgabenabzug des Mietwerts nach Meinung der Finanzverwaltung ausgeschlossen. Dieser Ansicht hat aber nun das Finanzgericht (FG) Nürnberg widersprochen. |
Hintergrund: Wird ein Betrieb gegen Versorgungsleistungen auf nahe Angehörige übertragen, kann der Betriebsübernehmer die Versorgungsleistungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 a Nr. 2 EStG) als Sonderausgaben abziehen, die der Empfänger versteuern muss (nach § 22 Nr. 1a EStG).
Das war geschehen
Anlässlich einer Hofübergabe wurde dem Übergeber ein Altenteil in Form eines vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts, Taschengelds und der Mitbenutzung von Gegenständen eingeräumt. Den vom Vermögensübernehmer als Sonderausgaben geltend gemachten Nutzungswert der Altenteilerwohnung erkannte das Finanzamt allerdings nicht an, da nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2010 nur die mit der Nutzungsüberlassung tatsächlich zusammenhängenden Aufwendungen (wie Strom, Heizung, Wasser und Instandhaltungskosten), nicht jedoch der Nutzungswert der Altenteilerwohnung berücksichtigt werden können.
Finanzgericht gibt Kläger Recht, Revision ist eingelegt
Die hiergegen eingelegte Klage war vor dem FG Nürnberg erfolgreich. Nach Auffassung des FG kann der Fall, dass der Versorgungsberechtigte mit dem ihm gewährten (höheren) Barunterhalt selbst eine Wohnung mietet, für den Bereich des Sonderausgabenabzugs nicht anders behandelt werden als der Fall, in dem sich die Versorgungsleistung aus (niedrigerem) Barunterhalt und unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zusammensetzt.
Da die Revision anhängig ist, muss nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden.
Quelle | FG Nürnberg, Urteil vom 6.2.2025, 4 K 1279/23, Rev. BFH: X R 5/25, BMF-Schreiben vom 11.3.2010, IV C 3 - S 2221/09/10004, Rz. 46
| Der Bundesfinanzhof (BFHZ) hat jüngst entschieden, dass die Erteilung von Reitunterricht nicht von der Umsatzsteuer befreit ist, es sei denn, der Unterricht dient der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung. |
Das war geschehen
Im Streitfall begehrte der Kläger die Steuerbefreiung verschiedener Reitkurse für Kinder und Jugendliche auf seinem Reiterhof in den Jahren 2007 bis 2011. In der „Ponygruppe“ wurden Kinder und Jugendliche und bei „Klassenfahrten“ wurden Schulklassen im Umgang mit Pferden unterrichtet.
Zudem wurden Kurse für eine „Große Pferdegruppe“ angeboten, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen gerichtet waren. Die unterrichteten Kinder und Jugendlichen wurden darüber hinaus verpflegt und übernachteten teilweise auch auf dem Reiterhof.
Uneinigkeit der gerichtlichen Instanzen
Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, dass sämtliche Leistungen steuerpflichtig seien. Das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein sah das aber größtenteils anders. So seien die Umsätze insoweit steuerfrei, als sie auf die Beherbergung und Verpflegung sowie auf den Teil des Reitunterrichts entfielen, mit dem die formalen Voraussetzungen dafür erlangt werden können, später den Beruf des Turniersportreiters auszuüben („Große Pferdegruppe“).
Der Meinung des Finanzgerichts hat sich der BFH aber nicht vollumfänglich angeschlossen.
Der BFH stellte klar, dass es sich bei der Beherbergung und Verpflegung von Kindern und Jugendlichen um selbstständige steuerbare Leistungen neben dem Reitunterricht handelt. Er hob weiter hervor, dass Reitunterricht (als spezialisierter Unterricht) kein „Schul- und Hochschulunterricht“ ist.
Beachten Sie | Entsprechendes ist bereits für Segel-, Fahr-, Schwimm-, Jagd- und Tanzschulen entschieden worden.
Anerkennung als Ausbildung an strenge Voraussetzungen geknüft
Die Einstufung von Reitunterricht als „Ausbildung“ oder „Fortbildung“ kommt nach Auffassung des BFH nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Reitunterricht, der typischerweise der Freizeitgestaltung dient, ist in der Regel keine Ausbildung oder Fortbildung, da er nicht auf einen bestimmten Beruf vorbereitet. Die Kurse der „Ponygruppe“ und für Schulklassen im Rahmen der „Klassenfahrten“ sind daher umsatzsteuerpflichtig.
Beachten Sie | Die Ansicht des BFH dürfte insoweit strenger sein als die Auffassung der Finanzverwaltung zu Ballett-, Tanz- oder Musikunterricht.
Spätere Turniersportreiter: umsatzsteuerfreie Kurse
Bei den Kursen der „Großen Pferdegruppe“ lagen hingegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme vor, da zahlreiche Teilnehmer später Turniersportreiter wurden. Diese Kurse sind folglich umsatzsteuerfrei.
Hinsichtlich der Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für die Kinder und Jugendlichen führte der BFH aus, dass die hierfür seinerzeit geltende Steuerbefreiung nur in Betracht kommt, wenn eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter vorliegt. Bereits hieran fehlte es aber im Streitfall. Denn der Kläger konnte eine solche Anerkennung nicht vorweisen.
Beachten Sie | Seit dem 1.1.2020 können nur noch die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben insoweit umsatzsteuerbefreit sein, was der Kläger aber nicht ist.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 9/22, PM 35/25 vom 30.5.2025
| Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen und übernimmt der neue Eigentümer die auf dem Grundstück lastenden Schulden, liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund : Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Spekulationsbesteuerung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 23 EStG).
Beachten Sie | Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die
- im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
Das war geschehen
Der Vater hatte im Jahr 2014 ein Grundstück für 143.950 Euro erworben und teilweise fremdfinanziert. 2019 übertrug er das Grundstück auf seine Tochter. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Grundstück einen Wert von 210.000 Euro. Die Tochter übernahm die am Übertragungstag bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 115.000 Euro.
Finanzamt: Aufteilung in entgeltlich und unentgeltlich
Das Finanzamt teilte den Vorgang (ausgehend vom Verkehrswert im Zeitpunkt der Übertragung) in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichenTeil auf. Soweit das Grundstück unter Übernahme der Verbindlichkeiten entgeltlich übertragen worden war, besteuerte das Finanzamt den Vorgang als privates Veräußerungsgeschäft.
Hiergegen klagte der Vater vor dem Finanzgericht (FG) Niedersachsen und bekam Recht. Die Begründung: Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten sind keine Veräußerungen (im Sinne des § 23 EStG).
Höchste Instanz bestätigt Vorgehen des Finanzamts
Doch die Freude währte nicht lange, denn der BFH schloss sich der Ansicht des Finanzamts an.
- Wird ein Wirtschaftsgut übertragen und werden damit zusammenhängende Verbindlichkeiten übernommen, liegt regelmäßig ein teilentgeltlicher Vorgang vor. In diesem Fall erfolgt eine Aufteilung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichenTeil.
- Wird das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen, unterfällt der Vorgang hinsichtlich des entgeltlichen Teils als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensteuer.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.3.2025, IX R 17/24, PM 37/25 vom 30.5.2025
| Frauen muslimischen Glaubens haben keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kfz mit einem Gesichtsschleier (Niqab). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin bestätigt. |
Antrag auf Ausnahmegenehmigung
Die Klägerin hatte ihren Antrag auf Ausnahmegenehmigung damit begründet, dass sie sich gemäß ihrem Glauben außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Da sie im Auto den Blicken fremder Menschen ausgesetzt sei, müsse es ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Das VG hatte die Klage abgewiesen.
Berufung nicht zugelassen
Das OVG hat den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Mit ihren Einwendungen hat die Klägerin es nicht vermocht, ernstliche Richtigkeitszweifel an der Entscheidung des VG zu wecken oder Verfahrensfehler offenzulegen.
Keine wesentliche Einschränkung der Religionsfreiheit
Die Annahme des VG, dass das Tragen einer Gesichtsverschleierung während des Autofahrens für die Religionsausübung typischerweise keine wesentliche Einschränkung bedeutet und angesichts der zeitlich und örtlich eingeschränkten Wirkung des Verbots hinzunehmen ist, konnte sie nicht durchgreifend in Frage stellen.
Dasselbe gilt für die Annahme des VG, dass das der zuständigen Behörde bei der Frage der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt wurde, weil der Eingriff zur Sicherstellung der effektiven automatisierten Verkehrsüberwachung gerechtfertigt ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Quelle | OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.4.2025, OVG 1 N 17/25 , PM 11/25
| Wer seine SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergibt, hat keinen Anspruch auf Rückzahlung abgebuchter Kreditkartenbeträge. So entschied es das Amtsgericht (AG) München. |
Das war geschehen
Der Ehemann der Klägerin wollte am Samstag, den 6.1.2024, für seine Ehefrau und sich eine Reise im Internet buchen. Hierzu gab er auf der Website „Check24“ die Daten der Kreditkarte seiner Ehefrau ein. Kurz darauf erschien eine Mitteilung, dass ein Betrag in Höhe von 318,99 Euro vorgemerkt sei, ehe weitere Mitteilungen über vergleichbare Vormerkungen erschienen. Die Klägerin veranlasste noch am selben Abend telefonisch die Sperrung der Kreditkarte. Am Montag, den 8.1.2024 sind sechs unberechtigte Abbuchungen zu je 318,99 Euro für Giftcards vom Konto der Klägerin erfolgt, insgesamt 1.953,29 Euro.
Zur Autorisierung der Transaktionen fand das Mastercard 3D-Secure-Verfahren Anwendung. Zur Aktivierung dieses Verfahrens auf einem weiteren Gerät übersandte die beklagte Bank am 6.1.2024 eine SMS-TAN an die von der Klägerin bei der Beklagten hinterlegte Mobilfunknummer. Die an die Klägerin versandte SMS-TAN wurde dann auf dem weiteren mobilen Endgerät, auf dem auch die Banking-App freigeschaltet wurde, am 6.1.2024 eingegeben und damit das Secure-Verfahren aktiviert.
Die Klägerin behauptete, dass sie diese Abbuchungen nicht autorisiert habe. Bei der Buchung sei sie nicht nach PIN oder Passwort gefragt worden, sie habe auch nirgendwo eine SMS-Tan eingegeben. Es sei nicht erkannt worden, dass es sich möglicherweise um eine „Fake“-Website handelte.
Die beklagte Bank ging davon aus, dass die Frau die SMS-Tan an einen Dritten weitergegeben haben muss, da eine Freigabe der Buchungen anders technisch nicht möglich gewesen sei und verweigerte die Zahlung. Die Klägerin verklagte die Bank daher vor dem AG auf Rückzahlung der 1.953,29 Euro.
So sah das Amtsgericht den Sachverhalt
Das AG wies die Klage ab. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Abbuchungen nicht von der Klägerin autorisiert waren, sondern von Dritten getätigt wurden. Aufgrund der Beweisaufnahme war das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin die SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergegeben haben muss, weshalb ein Schadenersatzanspruch der Bank gegen die Klägerin in gleicher Höhe bestehe, mit dem die Bank aufgerechnet habe.
Das AG: Der Vortrag der Bank, dass diese in ihren Systemen feststellen konnte, dass das Mastercard 3D-Secure Verfahren per Banking App für die Kreditkarte der Klägerin am 6.1.2024 um 13:30 Uhr aktiviert wurde, und zur Aktivierung dieses Verfahrens auf dem neuen Gerät eine SMS-TAN an die im Vertrag hinterlegte Mobilfunknummer der Klägerin versandt wurde, wurde durch Inaugenscheinnahme des Mobiltelefons der Klägerin bestätigt. Dort befindet sich eine SMS vom 6.1.2024 13:29 Uhr mit dem Inhalt: „ … ist Ihre TAN für die Aktivierung von Mastercard Identity Check vom 6.1.2024 13:44 Uhr.“ Der Eingang der SMS um 13:29 Uhr war im eingesehenen Nachrichtenverlauf um 13:29 Uhr dokumentiert und wird auch durch das vorgelegte IT-Protokoll belegt. Der Vortrag der Klägerin, keine SMS-TAN erhalten zu haben und dass ihr Mobiltelefon nicht in die Freigabe involviert war, erwies sich damit als widerlegt.
SMS-Tan war unzweifelhaft eingegeben worden
Die Bank hat unbestritten vorgetragen, dass aufgrund der manuellen Eingabe einer an die Mobilfunknummer der Klägerin versandten SMS-Tan ein Fremdzugriff technisch ausgeschlossen ist. Es wurde ein neues Gerät im Online-Banking der Klägerin als Freigabeinstrument im Rahmen des 2-Faktor-Authentifizierungsverfahrens hinterlegt. Hierzu war – technisch zwingend – die Eingabe der SMS-Tan erforderlich. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Klägerin durch Preisgabe der SMS-Tan Dritten eine Registrierung eines Geräts ermöglicht hat, wobei die Preisgabe persönlicher Sicherheitsmerkmale an Dritte gemäß den vertraglichen Bestimmungen untersagt war.
Verhalten der Klägerin war grob fahrlässig
Das Verhalten der Klägerin bewertet das Gericht als grob fahrlässig. Es ist eine Sache, wenn man seine Kreditkartendaten offenbart. Diese werden bei jeder Verwendung offenbart und können auch von der Karte abgelesen werden.
Die Weitergabe eines im Rahmen einer Zwei-Faktor-Autorisierung erhaltenden Zugangscodes kann nicht damit gleichgesetzt werden. Mit dieser Weitergabe hilft der Nutzer, die Sicherheitsarchitektur grundlegend auszuhebeln. Es muss jedem verständigen Nutzer solcher Kreditkarten klar sein, welches Risiko er mit der Weitergabe derartiger Daten schafft. Die Klägerin mag dies nicht bewusst getan haben und es mag auch nicht erinnerlich sein. Indessen lässt sich der Vorgang plausibel nicht anders erklären.
Quelle | AG München, Urteil vom 8.1.2025, 271 C 16677/24, PM 14/25
| Nach den Vorgaben des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes (FKAustG) werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates automatisch ausgetauscht. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun die Staatenaustauschliste 2025 bekanntgegeben. Enthalten sind die Staaten, mit denen der automatische Datenaustausch zum 30.9.2025 erfolgt. Weitere Informationen zum Informationsaustausch erhalten Sie u. a. auf der Website des Bundeszentralamts für Steuern (abrufbar unter www.iww.de/s2991). |
Quelle | BMF-Schreiben vom 3.6.2025, IV D 3 - S1315/00304/070/025
| Die Vermietung von Zimmerkontingenten an eine Kommune zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter überschreitet nicht den Nutzungszweck eines zum Hotelbetrieb gepachteten Gebäudes. Dies gilt jedenfalls, solange hiermit keine übermäßige Abnutzung oder sonstige Beeinträchtigung für den Verpächter verbunden ist, die über die übliche Nutzung durch Hotelgäste hinausgeht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die auf Räumung und Herausgabe des Hotels gerichtete Klage der Verpächterin abgewiesen. |
War die Unterbringung Geflüchteter vertragswidrig?
Die Klägerin schloss 2016 mit der Beklagten einen Vertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb des „Hotel F.“ in Gießen. Die Sache durfte vertraglich nur zum vereinbarten Nutzungszweck gebraucht werden. Seit Herbst 2022 buchte das Jugendamt der Stadt Gießen regelmäßig Zimmer für in seiner Obhut stehende Jugendliche. Nach Abmahnung kündigte die Klägerin 2023 fristlos. Sie hält die Unterbringung unbegleiteter Jugendlicher für vertragswidrig. Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt.
In der Berufung wies das OLG die Klage ab. Der Vertrag zwischen den Parteien sei nicht wirksam fristlos gekündigt worden. Die Beklagte habe nicht die Rechte der Klägerin durch eine unbefugte Überlassung an Dritte in erheblichem Maße verletzt. Dem Betrieb eines Hotels sei es immanent, dass es zu Beherbungsverträgen mit Dritten komme. Davon umfasst sei auch, dass bei der Buchung von Zimmerkontingenten durch Firmen o. Ä. ein ganzes Hotel faktisch durch denselben Mieter belegt werde. Der Abschluss von zeitlich begrenzten und auf bestimmte Zimmer bezogenen Beherbungsverträgen mit der Stadt Gießen sei folglich nicht unbefugt gewesen. Die Grenze zur unzulässigen Gebrauchsüberlassung wäre nur überschritten, wenn die Stadt das gesamte Gebäude übernommen und zu einem Flüchtlingsheim umgebaut hätte.
Keine Gefährdung der Mietsache, keine Pflichtverletzung
Eine zur Kündigung berechtigende Gefährdung der Mietsache durch unbegleitete minderjährige Geflüchtete sei nicht erkennbar. Es liege keine Pflichtverletzung wegen Überschreitung des Vertragszwecks vor, die zur Kündigung berechtigte. Die zeitweilige Vermietung zum o. g. Zweck überschreite nicht den Vertragszweck. Die vertraglich vereinbarte Nutzungsart als Hotel sei durch das Angebot von individueller Unterkunft, Service, Verpflegung und Nebenleistungen gekennzeichnet. Aufenthaltsdauer, -zweck und Motive für die Anmietung der Zimmer stellten keine entscheidenden Kriterien für die Bewertung als Hotelbetrieb dar. Es bestehe kein Anspruch darauf, „dass die Vermietung nur an einen bestimmten Personenkreis erfolgen darf, solange keine Beeinträchtigungen der Räumlichkeiten vorliegen bzw. zu befürchten sind“, unterstrich das OLG und es sei auch nicht vorgetragen, dass „Geflüchtete die Zimmer intensiver und nachlässiger nutzten als dies bei einer „normalen“ Vermietung an Hotelgäste der Fall wäre“.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.2.2025, 2 U 63/24, PM 21/25
| Das Landgericht (LG) Hanau hat entschieden: Die Anforderung von Belegkopien der Betriebskostenabrechnung ist kein wirksames Einsichtnahmeersuchen, wenn die Einsicht beim Vermieter zumutbar ist. Hierfür kommt es auf die Entfernung zur Mietwohnung an und nicht auf den Ort, an den der Mieter nach Mietende verzogen ist. |
Muss Mieter Belege einsehen oder muss Vermieter sie zuschicken?
Nach Mietvertragsende verlangte der Mieter die geleistete Kaution zurück. Die dann noch erstellte Betriebskostenabrechnung wies eine Nachforderung auf, die der Vermieter mit der Kaution verrechnete. Der inzwischen über 120 km weit weggezogene Mieter widersprach der Abrechnung, forderte die Übersendung von Belegkopien, um die Abrechnung zu prüfen, und klagte auf Rückzahlung der gesamten Kaution. Er bringt vor, keine Kopien erhalten zu haben, zumal der Vermieter für eine Einsichtnahme bei diesem nun zu weit entfernt sei.
So sahen es die Gerichte
Das Amtsgericht (AG) hat die Klage in Höhe der verrechneten Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das LG entschied, dass die Einwände gegen die Abrechnung zu unkonkret waren, weil der Mieter die Belege nicht geprüft hat. Der Vermieter habe die Belegeinsicht auch nicht verweigert, weil der Mieter unzulässigerweise die Übersendung von Kopien verlangte. Da die Belegprüfung grundsätzlich beim Vermieter erfolgen muss, lag schon kein wirksames Einsichtnahmeersuchen vor.
Kein Ausnahmefall
Der Mieter könne auch nicht ausnahmsweise die Zusendung von Kopien fordern. Das sei zwar möglich, wenn der Vermieter zu weit entfernt ansässig ist. Hierfür komme es jedoch auf die Entfernung der Mietsache zu diesem an, wobei eine Anreise von Hanau nach Frankfurt zumutbar sei. Dass der Mieter nun über 120 km entfernt wohnt, liege hingegen in seinem Risikobereich und führe nicht zu einem Recht auf Übersendung von Kopien.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | LG Hanau, Beschluss vom 24.3.2025, 2 S 43/24, PM vom 8.5.2025
| Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg bestätigte die Vorinstanz: Der kulturelle und familiäre Wert einer Sammlung aus Gemälden und historischen Gegenständen ist höher zu setzen als das Interesse einzelner Familienmitglieder an der Verwertung der Gegenstände. Letzteres hatte ein Teil der Familie aufgrund interner Differenzen verlangt. |
Das war geschehen
Die Nachfahren einer Nürnberger Patrizierfamilie stritten in einem Zivilprozess um den Erhalt ihrer Familiensammlung – einer Sammlung von Gemälden und historischen Gegenständen, die über Jahrzehnte als ungeteiltes Familienvermögen innerhalb der Familie über die Erbfolge weitergegeben wurde. Ein Teil der Familie begehrte den Pfandverkauf der historischen Sammlungsgegenstände, die teils in privater Nutzung sind, teils im Germanischen Nationalmuseum verwahrt werden, um die Erben- und Bruchteilsgemeinschaft auseinanderzusetzen. Die beklagten Familienmitglieder widersetzten sich dem und beriefen sich auf ein in einem Familienvertrag aus dem Jahr 1936 festgelegtes immerwährendes Teilungsverbot für das verfahrensgegenständliche Familienvermögen. Die Kläger verwiesen auf eine spätere Aufhebung sowie Nichtigkeit dieses Familienvertrags, denn dessen Regelungen sahen unter anderem die Weitergabe der Familiensammlung nur an männliche Nachkommen vor.
So sah es die erste Instanz
Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth hatte in erster Instanz die Klage abgewiesen. Es sah die Aufhebung des Familienvertrags nicht durch die vorhandenen Protokolle der Familienversammlungen belegt und erachtete das von der Familie im Jahr 1936 in Bezug auf die Familiensammlung vereinbarte dauerhafte Teilungsverbot als wirksam und fortbestehend an. Die Klagepartei habe auch keine Umstände vorgebracht, die als wichtiger Grund eine Aufhebung der Gemeinschaft rechtfertigen könne. Die im Verfahren vorgetragenen innerfamiliären Differenzen reichten hierfür nicht aus.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Hiergegen legte ein Familienmitglied der unterlegenen Klageseite Berufung zum OLG ein. Dieses hat das Ersturteil bestätigt und die zur Begründung des Aufhebungsanspruchs vorgebrachten Gründe und Einwendungen der Berufung für nicht durchgreifend erachtet. Wie das Erstgericht bewerte der Senat die erbrechtliche Regelung im Familienvertrag zum Ausschluss der weiblichen Nachkommen als nichtig, was aber die Wirksamkeit des dauerhaften Teilungsverbots nicht berühre. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kam das OLG zu dem Ergebnis, dass das beklagtenseits eingewandte familiäre als auch öffentliche Interesse am Erhalt der Gesamtheit der Sammlung als Kulturgut dem klägerischen Interesse an einer Aufhebung der Gemeinschaft und an einer damit verbundenen Zerschlagung der Sammlung überwiege.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 28.2.2025, 1 U 2451/23 Erb, PM 12/25
| Bauarbeiter, die auf Baustellen einfache Arbeiten verrichten, einen festen Stundenlohn erhalten und am Markt nicht erkennbar unternehmerisch auftreten, sind regelmäßig abhängig Beschäftigte, für die die Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen. Dies entschied in drei Urteilen das Hessische Landessozialgericht (LSG). |
Baufirmen müssenSozialversicherungsbeiträge nachzahlen
Die Deutsche Rentenversicherung entschied in mehreren Fällen, dass Bauarbeiter abhängig beschäftigt sind. In zwei Fällen forderte sie nach entsprechenden Betriebsprüfungen von den im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge in fünfstelliger Höhe. In einem weiteren Verfahren hatte sie zunächst über den Antrag auf Statusfeststellung zu entscheiden.
Weder schriftliche Verträge noch eigene Werkzeuge
In diesen Fällen hatten angeblich selbstständige Werkunternehmer auf Baustellen der jeweils klagenden Baufirma gearbeitet. Bei diesen Bauarbeitern handelte es sich um ausländische Staatsangehörige mit allenfalls geringen Deutschkenntnissen. Sie erledigten Abbrucharbeiten, Maurertätigkeiten und Pflasterarbeiten, sanierten Bäder oder arbeiteten im Trockenbau. Schriftliche Verträge oder Auftragsbestätigungen gab es nicht. Die Abrechnungen erfolgten auf Basis der aufgeschriebenen Stunden bei einem Stundenlohn zwischen 10 und 15 Euro. Die Materialien und Werkzeuge wurden bis auf Kleinwerkzeuge von den jeweiligen Baufirmen gestellt.
Scheinselbstständige statt Werkunternehmer
Das LSG folgte der Einschätzung der Rentenversicherung. In allen drei Verfahren liege Scheinselbständigkeit vor.
Bei einfachen, typischen Arbeitnehmerverrichtungen, die der Beschäftigte im Wesentlichen ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübe, spreche die Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis. Die betroffenen Bauarbeiter seien jeweils in den Betrieb der klagenden Baufirma eingegliedert gewesen und hätten einfache Bauarbeiten getätigt, wie sie typischerweise abhängig Beschäftigte verrichteten.
Kein unternehmerisches Auftreten
Werkvertragstypische Vereinbarungen einer unternehmerischen Leistung hätten nicht festgestellt werden können. Zudem seien die angeblichen „Werkunternehmer“ schon aufgrund ihrer geringen Deutschkenntnisse zu einem unternehmerischen Auftreten am Markt nicht in der Lage gewesen.
Zwischen den Baufirmen und den Bauarbeitern getroffene Vereinbarungen über eine (angeblich) selbstständige Tätigkeit seien nicht relevant und könnten die gesetzlich angeordnete Sozialversicherungspflicht nicht ausschließen.
Quelle | Hessisches LSG, Urteil vom 3.4.2025, L 8 BA 4/22, L 8 BA 62/22 und L 8 BA 64/21, PM vom 3.4.2025
| Wandhängende WCs und Handtuchheizkörper in Standardausführung sowie Balkone in der Größe von vier qm sind in Milieuschutzgebieten genehmigungsfähig, weil sie der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dienen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden. |
Bauliche Änderungen nicht ohne Genehmigung
Die Klägerinnen sind jeweils Eigentümerinnen von Wohngebäuden in Milieuschutzgebieten in Berlin-Mitte. Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen soziale Erhaltungsverordnungen (umgangssprachlich Milieuschutzverordnungen) gelten. Sie sollen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im jeweiligen Gebiet schützen. Bauliche Änderungen bedürfen in Milieuschutzgebieten grundsätzlich einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Den Erlass von Milieuschutzverordnungen erlaubt ein Bundesgesetz, nämlich das Baugesetzbuch. In Berlin sind dafür die Bezirke zuständig. Aktuell gelten in Berlin über 40 Milieuschutzverordnungen.
Eine Klägerin möchte im Badezimmer einer Wohnung ein Stand-WC durch ein wandhängendes WC ersetzen sowie einen Handtuchheizkörper einbauen. Eine weitere Klägerin begehrt den Anbau von dreizehn Balkonen in der Größe von jeweils vier qm an die Wohnungen ihres Mehrfamilienhauses. Die Maßnahmen stellen nach Ansicht der Klägerinnen einen zeitgemäßen Ausstattungszustand ihrer Wohnungen dar. Das Bezirksamt versagte den Klägerinnen die erhaltungsrechtlichen Genehmigungen. Die Vorhaben gingen über einen zeitgemäßen Ausstattungszustand hinaus und seien als wohnwerterhöhende bauliche Änderungen im Milieuschutzgebiet nicht zulässig.
Genehmigungen sind zu erteilen
Das VG gab den dagegen erhobenen Klagen statt und verpflichtete das Bezirksamt, die Genehmigungen zu erteilen. Der Gesetzgeber habe im Baugesetzbuch geregelt, dass eine erhaltungsrechtliche Genehmigung zu erteilen sei, wenn die bauliche Maßnahme der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen diene.
Mittlerer Standard nicht wohnwerterhöhend
Der Gesetzgeber habe den Genehmigungsanspruch auch nicht auf bauliche Maßnahmen beschränkt, die der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dienten. Vielmehr habe er zugelassen, dass darüber hinaus auch in Milieuschutzgebieten eine behutsame Anhebung des Ausstattungszustands auf den Standard mittlerer Wohnverhältnisse erfolgen könne. Daran sei ein bundeseinheitlicher Maßstab anzulegen. Bei wandhängenden WCs und Handtuchheizkörpern in einer Standardausführung sowie bei vier qm großen Balkonen werde dieser Standard nicht überschritten. Dafür sprächen unter anderem die Verbreitung dieser Ausstattungsmerkmale bundesweit sowie der Umstand, dass die Mietspiegel der größeren deutschen Städte sie überwiegend nicht als wohnwerterhöhend einstuften.
Quelle | VG Berlin, Urteile vom 2.4.2025, VG 19 K 17/22 und VG 19 K 351/23, PM 24/25
| Trotz erfolgreich absolviertem ersten juristischen Staatsexamen hat ein Antragsteller, der erwiesenermaßen die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft, keinen Anspruch darauf, den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) zu durchlaufen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz. |
Fehlende Verfassungstreue
Der Antragsteller wollte nach erfolgreichem Jurastudium als Rechtsreferendar in den juristischen Vorbereitungsdienst eintreten. Dies lehnte das Oberlandesgericht (OLG) wegen fehlender Verfassungstreue des Antragstellers ab. Dieser suchte daraufhin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um gerichtlichen Rechtsschutz mit dem Ziel nach, ihn im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses einzustellen.
Eindeutige Publikationen
Der Antrag blieb ohne Erfolg. Dem Antragsteller, so das VG, fehle der notwendige sog. Anordnungsanspruch. Aus den einschlägigen Vorschriften des Landesgesetzes über die juristische Ausbildung sowie des Landesbeamtengesetzes folge, dass die juristische Ausbildung am Leitbild einer dem Rechtsstaat verpflichteten Person zu orientieren sei. Rechtsreferendare müssten sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Der Antragsteller werde dem nicht gerecht, wie von ihm verfasste und publizierte Texte belegten.
In einem von ihm geschriebenen Roman würden beispielsweise schwarze Menschen durch die Verwendung menschenverachtender Bezeichnungen pauschal herabgewürdigt. Es werde hierin behauptet, ein – namentlich genannter – österreichischer Fußballspieler, der dunkelhäutig sei, könne kein Deutscher oder Österreicher sein. In einem anderen Text attestierte er dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Demontage des Volksbegriffs. Der von dem Antragsteller vertretene Volksbegriff mit der Forderung nach einer „positiven Erneuerung Deutschlands“ könne nur als Forderung nach einer Umkehrung eines vermeintlichen „Bevölkerungsaustauschs“ verstanden werden. Zudem sei der Antragsteller Mitglied bei der „Jungen Alternative für Deutschland“ und dem Verein „Ein Prozent e. V.“ gewesen. Er habe in beiden Organisationen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Frühjahr 2023 als gesichert rechtsextremistisch einstufe, zumindest zeitweise herausgehobene Funktionen übernommen.
Die Entscheidung ist bestandskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 9.5.2025, 5 L 416/25.KO, PM 14/25
| Eine Tätowierung ist heute typischer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Während sichtbare Tattoos im Arbeitsleben immer normaler werden, stellt sich damit aber zunehmend die Frage, wer eigentlich das finanzielle Risiko trägt, wenn beim Stechen des Tattoos nicht alles glatt verläuft. Dazu liegt nun eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vor: Wer sich tätowieren lässt, erhält bei Komplikationen keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das LAG bestätigt damit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Flensburg. |
Pflegekraft ließ sich tätowieren
Die als Pflegehilfskraft beschäftigte Klägerin ließ sich am Unterarm tätowieren. In der Folge entzündete sich die tätowierte Stelle. Die Klägerin wurde daraufhin für mehrere Tage krankgeschrieben. Die beklagte Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum ab.
Die Klägerin führte vor Gericht aus, dass sie ja nicht Entgeltfortzahlung für den Tätowierungsvorgang geltend mache, sondern für eine davon zu trennende zeitlich nachfolgende Entzündung der Haut. Ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen. Es habe sich ein sehr geringes Risiko verwirklicht, das nur bei ein bis fünf Prozent der Fälle von Tätowierungen auftrete. Tätowierungen seien als Teil der privaten Lebensführung geschützt und mittlerweile weit verbreitet.
Die Arbeitgeberin entgegnete, die Klägerin habe bei der Tätowierung in eine Körperverletzung eingewilligt. Das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre deshalb nicht zum normalen Krankheitsrisiko und könne dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden.
Arbeitsunfähigkeit verschuldet
Das LAG ist der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Diese war zwar arbeitsunfähig krank. Sie hat die Arbeitsunfähigkeit aber verschuldet. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz handelt ein Arbeitnehmer immer schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt.
Die Klägerin musste bei der Tätowierung damit rechnen, dass sich ihr Unterarm entzündet. Dieses Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen ihr eigenes Gesundheitsinteresse dar. Sie hat selbst vorgetragen, in bis zu 5 % der Fälle komme es nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut. Dies ist keine völlig fernliegende Komplikation. Bei Medikamenten wird eine Nebenwirkung als „häufig“ angegeben, wenn diese in mehr als einem, aber weniger als zehn Prozent der Fälle auftritt. Zudem ist die Komplikation in der Hautverletzung durch die Tätowierung selbst angelegt.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.5.2025, 5 Sa 284 a/24, PM vom 2.7.2025
| Wenn ein Arbeitnehmer sich beim Kaffeetrinken verschluckt und infolgedessen stürzt, kann das im Einzelfall einen Arbeitsunfall darstellen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden. |
Nasenbeinbruch während morgendlicher Besprechung
Der Kläger war als Vorarbeiter auf einer Baustellebeschäftigt. Beim Kaffeetrinken während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer verschluckte er sich, ging hustend zur Tür, um sich draußen auszuhusten, verlor kurz das Bewusstsein und stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter. Dabei brach er sich das Nasenbein.
Berufsgenossenschaft und Sozialgericht: kein Arbeitsunfall
Das sei kein Arbeitsunfall, befand die zuständige Berufsgenossenschaft, denn das Kaffeetrinken habe keinen betrieblichen Zwecken gedient. Es sei vielmehr dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen. So sah es auch das Sozialgericht (SG), das in erster Instanz über den Fall entschieden hatte.
Landessozialgericht: auch Nahrungsaufnahme geschützt
Zu Unrecht, befand nun das LSG. Zwar erstrecke sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit damit ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird. Im vorliegenden Fall sei das Kaffeetrinken aber nicht auf das Grundbedürfnis des Durstlöschens gerichtet gewesen, sondern habe (auch) betrieblichen Zwecken gedient. Der gemeinsame Kaffeegenuss während der verpflichtend vorgeschriebenen Besprechung habe eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft bewirkt.
Arbeitgeber stellte den Kaffee zur Verfügung
Zudem habe der Kaffee für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesorgt. Das sei auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, der sich teilweise selbst um das Auffüllen der Kaffeevorräte gekümmert habe. Deshalb sei der Fall auch anders zu beurteilen, als wenn sich ein Arbeitnehmer z. B. in der Frühstückspause an einem Kaffee verschluckt, den er selbst in der Thermoskanne mitgebracht hat.
Quelle | LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.5.2025, L 6 U 45/23, PM 2/25
| Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Hostprovider – hier Meta – muss nach einem Hinweis auf einen rechtsverletzenden Post auf der Social-Media-Plattform Facebook auch ohne weitere Hinweise sinngleiche Inhalte sperren. Sinngleich sind etwa Beiträge mit identischem Text und Bild, aber abweichender Gestaltung (Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung), bloßer Änderung typografischer Zeichen oder Hinzufügung von Elementen, etwa sog. Captions, die den Aussagegehalt nicht verändern. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Arzt und bewarb in der Vergangenheit u. a. die sog. „Hirschhausen Diät“. Der Kläger wies die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach auf sog. Fake-Werbe-Videos hin, in denen er vermeintlich u. a. für Abnehmmittel werbe.
Gegenstand dieses Eilverfahrens sind zwei weitere solcher Deep-Fake Videos: Nutzer haben zum einen ein Video unter Verwendung eines Ausschnitts aus der Sendung von Markus Lanz hergestellt, in denen der Name, das Bildnis und die Stimme des Klägers verwendet werden und in dem dieser vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme wirbt. Dieses Video entfernte die Beklagte zeitnah nach Abmahnung durch den Kläger. In einem nachfolgend erschienenen, nahezu inhaltsgleichen weiteren Deep-Fake Video warb der Kläger ebenfalls vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme. Dieses Video entfernte die Beklagte ebenfalls – erst – nach entsprechendem Hinweis durch den Kläger. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassen der Verbreitung dieser beiden Videos in Anspruch. Das Landgericht (LG) hat den Antrag zurückgewiesen.
So sah es das Oberlandesgericht
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hatte teilweise Erfolg. Hinsichtlich des ersten Videos bestehe kein Unterlassungsanspruch, entschied das OLG. Die Beklagte sei als Hostproviderin grundsätzlich nicht verpflichtet, von den Nutzern ins Netz gestellte Beiträge vor ihrer Veröffentlichung auf etwaige Rechtsverletzungen hin zu prüfen. Ihre Haftung setze die Verletzung von Prüf- und Verhaltenspflichten voraus. Vor der Abmahnung des Klägers betreffend das erste Video sei die Beklagte nicht zur Löschung verpflichtet gewesen. Eine Löschpflicht habe sich insbesondere nicht aus den vorausgegangenen Hinweisen des Klägers auf andere, nicht sinngleiche sog. Fake-Werbungen ergeben. Grundsätzlich lösten derartige Hinweise nur Prüfpflichten hinsichtlich „sinngleicher Inhalte“ aus. Darunter fielen Inhalte, die in Bild und Text identisch, aber bei gleichbleibendem Gesamteindruck etwa abweichend gestaltet seien. Dies könne sich etwa auf die Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung mit Rahmen oder Zufügung sog. Caption beziehen. Die vorausgegangenen Hinweise des Klägers hätten sich hier jedoch auf in Bild und Text abweichende Inhalte bezogen.
Prüfplicht des Providers bestand
Hinsichtlich des zweiten Videos habe die Beklagte dagegen schon aufgrund der Abmahnung des Klägers hinsichtlich des ersten Videos eine Prüfpflicht getroffen. Es habe keiner weiteren Abmahnung bedurft. Das zweite Video unterscheide sich allenfalls marginal vom ersten. Nach dem Eindruck des OLG wirkten die Videos – bei voneinander abweichender Überschrift – nahezu identisch. Es lägen damit sinngleiche Inhalte vor. Da die Beklagte das zweite Video nicht bereits ohne weitere Abmahnung gesperrt habe, habe sie gegen ihre Prüfpflichten verstoßen. Im Ergebnis bestehe daher ein Unterlassungsanspruch.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nich tanfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.3.2025, 16 W 10/25, PM 14/25
| Zahlreiche Betriebsprüfungen zeigen, dass die Kassenführung oft beanstandet wird. Das Problem dabei: Ist die Kassenführung nicht ordnungsmäßig, drohen erhebliche Hinzuschätzungen. So war es auch in einem Fall, der vom Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein zu entscheiden war. |
Im Streitfall hatte bei einem bargeldintensiven Imbiss mit Sitzgelegenheiten eine Betriebsprüfung stattgefunden. Der Betreiberin, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte, wurden dabei zahlreiche Mängel in der Kassenführung vorgeworfen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem FG blieb erfolglos.
Beachten Sie | Allerdings ist inzwischen die Revision anhängig, in der insbesondere diese interessanten Fragen zu klären sind:
- Ist bei bestehenden Zweifeln im Hinblick auf den Programmierzustand und das Vorhandensein von Manipulationsspuren an der Registrierkasse vom FG ein Sachverständigengutachten einzuholen?
- Rechtfertigen fehlende Programmierprotokolle für die verwendete Kasse eine Schätzung dem Grunde nach?
- Ergibt sich aus einer angeblichen Abweichung von der Richtsatzsammlung eine Schätzungsbefugnis?
Quelle | FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.8.2023, 3 K 25/22, Rev. BFH, X R 27/24
| Hat eine Gesellschaft ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr, ist für die Berechnung der Steuerermäßigung gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 EStG) nicht auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums abzustellen, sondern auf das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahrs. Für die Aufteilung des Steuerermäßigungsbetrags sind der Gewerbesteuer-Messbetrag und die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des Wirtschaftsjahrs an der Gesellschaft beteiligt waren. So lautet ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Hintergrund: Unter den Voraussetzungen des § 35 EStG wirddie Gewerbesteuerbelastung kompensiert, indem die tarifliche Einkommensteuer um das Vierfache des festgesetzten Steuermessbetrags gemindert wird.
Quelle | BFH, Urteil vom 10.4.2025, IV R 21/22
| Mit Wirkung ab 1.6.2025 wurden die Gebühren für Eintragungen im Handelsregister um 50 Prozent erhöht. Demzufolge werden auch Unternehmensgründungen teurer. |
In der Begründung der Verordnung wird hierzu u. a. ausgeführt: „Die daraus insgesamt resultierenden Gebühreneinnahmen sollen dazu dienen, den Aufwand der Länder für den Betrieb der Registergerichte weitgehend zu decken, damit die Gerichte den Anforderungen an eine moderne, effiziente und sichere Registerführung auch künftig gerecht werden können.“
Quelle | Dritte Verordnung zur Änderung der Handelsregistergebührenverordnung, BGBl I 2025, Nr. 127
| Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft wird nur bereit sein, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung einer Eigentumswohnung zu (privaten) Wohnzwecken (also im privaten Interesse) eines Gesellschafters zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe erstattet werden und sie zudem einen angemessenen Gewinnaufschlag erhält. Vor diesem Hintergrund hat es das Finanzgericht (FG) Niedersachsen im Streitfall als rechtmäßig beurteilt, dass das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) angesetzt hat. |
Zum Hintergrund: Bei einer vGA handelt es sich – vereinfacht – um Vermögensvorteile, die dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gewährt werden. Eine vGA darf den Gewinn der Gesellschaft nicht mindern.
Im Anschluss an ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahr 2016 führte das FG weiter aus: Eine Vermietung zu marktüblichen, aber nicht kostendeckenden Bedingungen würde ein gewissenhafter Geschäftsführer (ausnahmsweise) in Betracht ziehen, wenn er bezogen auf den jeweils zu beurteilenden Veranlagungszeitraum bereits von der Erzielbarkeit einer angemessenen Rendite ausgehen kann.
Beachten Sie | Die danach für den Fremdvergleich maßgebliche Kostenmiete ist auch dann als Maßstab heranzuziehen, wenn der Gegenstand des Unternehmens der Kapitalgesellschaft auch neben der an die Gesellschafterin vermieteten Wohnung in der Vermietung von Immobilien besteht.
Gegen das Urteil ist die Revision anhängig. Gleichwohl sollte in vergleichbaren Fällen eine vGA bedacht werden. Es empfiehlt sich, Mietverträge zu prüfen und ggf. anzupassen.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 15.8.2024, 10 K 255/21, Rev. BFH, I R 21/24
| Ein Freiwilliger Wehrdienst kann bei einem volljährigen Kind für sich genommen keinen Kindergeldanspruch begründen. Gleichwohl kann während der Zeit des Wehrdienstes ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, wenn das Kind einen der gesetzlichen Berücksichtigungstatbestände erfüllt, also z. B. während des Wehrdienstes für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dabei ist es unschädlich, wenn das Kind nach Abschluss der Grundausbildung im Rahmen des Freiwilligen Wehrdienstes Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad ausübt. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Das war geschehen
Der Sohn absolvierte nach seinem Abitur einen zehn Monate dauernden Freiwilligen Wehrdienst. Die Familienkasse bewilligte dem Vater für die Übergangszeit zwischen Abitur und Grundausbildung sowie für die Zeit der Grundausbildung Kindergeld. Nach der Grundausbildung verrichtete der Sohn Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad, eine weitere Ausbildung bei der Bundeswehr fand nicht statt. Nach dem Ende des Wehrdienstes studierte er an einer zivilen Hochschule. Den Entschluss dazu hatte er während des Wehrdienstes gefasst.
Die Familienkasse versagte für die Zeit nach Beendigung der Grundausbildung bis zum Beginn des Studiums die Festsetzung von Kindergeld. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Vater Klage vor dem Finanzgericht (FG) Bremen. Da das FG die Revision zugelassen hatte und diese auch eingelegt wurde, musste nun der BFH entscheiden.
Beachten Sie | Der Freiwillige Wehrdienst gehört – anders als ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr – nicht zu den im Einkommensteuergesetz (hier: § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG) genannten Berücksichtigungstatbeständen, die schon für sich genommen einen Kindergeldanspruch begründen können.
Bundesfinanzhof: Kindergeldanspruch bestand
Dennoch entschied der BFH, dass auch nach dem Ende der Grundausbildung und trotz einer Erwerbstätigkeit des Kindes als Soldat mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden ein Kindergeldanspruch bestehen kann, wenn das Kind (wie im Streitfall) eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.
Beachten Sie | Die drei Monate dauernde Grundausbildung war zwar Teil einer Ausbildung zum Offizier oder Unteroffizier. Ihre Beendigung führte jedoch nicht zu einem für den weiteren Kindergeldbezug ggf. schädlichen Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung (i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG).
Es kam auf den Zeitpunkt des Entschlusses an
Für einen Monat wies der BFH die Revision jedoch zurück, weil sich der Entschluss des Sohnes, sich um einen Studienplatz zu bemühen, erst im Folgemonat objektiviert hatte. Der bloße Vortrag des Kindergeldberechtigten und des Kindes, der Entschluss zu einer Ausbildung oder zu einem Studium sei früher gefasst worden, ist für die Begründung des Anspruchs nicht ausreichend.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.2.2025, III R 43/22, PM 28/2025 vom 2.5.2025
| Ab Mai 2025 setzen vier Pilotfinanzämter (Brühl, Bielefeld-Außenstadt, Hamm und Lübbecke) des Landes Nordrhein-Westfalen erstmals ein KI-Modul zur Unterstützung der Steuerveranlagung ein. Das Ziel: Steuererklärungen sollen effizienter, schneller und treffsicherer bearbeitet werden.
Das neue KI-Modul ergänzt das bewährte Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung. Es erkennt Muster in den Steuerdaten und kann gut nachvollziehbare Fälle mit geringem Prüfbedarf gezielt identifizieren. Diese werden automatisiert verarbeitet – und damit schneller abgeschlossen.
Gestartet wird mit Arbeitnehmerfällen (also Steuererklärungen mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalerträgen, Vorsorgeaufwendungen, Sonderausgaben, haushaltsnahen Dienstleistungen und ähnlichen Bereichen). Die Ausweitung auf weitere Fallkonstellationen ist bereits in Planung.
Nordrhein-Westfalen übernimmt die Vorreiterrolle. Nach erfolgreichem Testlauf ist die landesweite Einführung geplant.
Quelle | FinMin NRW, Mitteilung vom 22.4.2025
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der auf Dienstreisen seinen privaten Pkw einsetzt, die tatsächlichen Kosten für jeden gefahrenen Kilometer auch dann ansetzen kann (im Streitfall: 2,28 Euro/km für einen Sportwagen), wenn er von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt bekommt, den er grundsätzlich für dienstliche und private Fahrten nutzen kann. |
Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall jedoch den Nachweis erbringen, dass er das Privatfahrzeug tatsächlich beruflich eingesetzt hat. Eine Angemessenheitsprüfung dem Grunde nach (hier: berufliche Nutzung eines privaten Fahrzeugs durch einen Arbeitnehmer, dem von seinem Arbeitgeber ein Geschäftsfahrzeug überlassen wurde) findet nicht statt.
Beachten Sie | Das Finanzamt will diese Entscheidung aber nicht akzeptieren und hat Revision eingelegt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.9.2024, 9 K 183/23, Rev. BFH: VI R 30/24
| Kinderbetreuungskosten sind als Sonderausgaben abzugsfähig. Bei Aufwendungen für Unterricht, für die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen ist ein Sonderausgabenabzug allerdings gesetzlich ausgeschlossen. Mit dem Abzugsverbot hat sich nun der Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt. |
Hintergrund: Kinderbetreuungskosten können nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) als Sonderausgaben steuerlich absetzbar sein. Folgende Aspekte sind hier zu beachten:
- Abzug von 80 % der Betreuungsleistungen, maximal 4.800 Euro pro Jahr.
- Der Abzug ist zulässig für haushaltszugehörige Kinder unter 14 Jahren (oder aufgrund Behinderung, Eintritt vor dem 25. Lebensjahr, Übergangsregel 27. Lebensjahr).
- Grundsätzlicherforderlich: Rechnung und Überweisung.
- Nichtabziehbar: Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen.
Betreuungscharakter muss im Vordergrund stehen
Nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen vor, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbstständigten Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichts- oder Kurszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen (sprachlichen, musischen, sportlichen) Fähigkeiten in den Hintergrund rückt.
Nicht begünstigteAufwendungen
Entsprechendes gilt für sportliche und andere Freizeitbetätigungen. Nicht begünstigte Aufwendungen für derartige Aktivitäten liegen daher vor, wenn
- die Betätigung organisatorisch, zeitlich und räumlich getrennt von einer Kindertagesstätte, einem Schulhort oder einer ähnlichen Einrichtung stattfindet und
- dabei nicht die altersbedingt erforderliche Betreuung des Kindes, sondern die Aktivität im Vordergrund steht.
Quelle | BFH, Urteil vom 23.1.2025, III R 33/24 (III R 50/17)
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen hat die Stadt Marburg dazu verpflichtet, einer Studentin einen Bewohnerparkausweis zu erteilen, die ein in Tschechien zugelassenes Fahrzeug nutzt. |
Kfz in Tschechien zugelassen
Die Klägerin wohnt in einem Bewohnerparkgebiet der Beklagten. Sie nutzt ein Kraftfahrzeug ihres Vaters, der tschechischer Staatsangehöriger ist und das Fahrzeug in Tschechien zugelassen hat. Im Frühjahr 2024 beantragte sie bei der Stadt Marburg, ihr einen Bewohnerparkausweises zu erteilen. Dies lehnte die Stadt mit der Begründung ab, dass sie Bewohnerparkausweise für Fahrzeuge mit ausländischer Zulassung nicht erteilen könne. Im Rahmen des Klageverfahrens argumentierte die Stadt weiter, dass eine ausländische Zulassung gegen eine dauerhafte Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin spreche, weil ein im Ausland zugelassenes Kraftfahrzeug nur vorübergehend am Verkehr in Deutschland teilnehmen dürfe.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG bejahte hingegen den Anspruch der Studentin auf einen Bewohnerparkausweis. Bei der Klägerin handele es sich um eine Anwohnerin, die das betroffene Fahrzeug nachweislich dauerhaft nutze.
Gegen eine dauerhafte Nutzung spreche insbesondere nicht, dass Kraftfahrzeuge mit ausländischer Zulassung nur vorübergehend am Straßenverkehr in Deutschland teilnehmen dürfen. Es sei bereits nicht klar, ob das von der Klägerin genutzte Fahrzeug diese Voraussetzungen erfülle. Die Klägerin gab nämlich an, dass sie das Fahrzeug während der Semesterferien nicht in Deutschland nutze. Diese Prüfung obliege der Zulassungsbehörde, die je nach Einzelfall eine Untersagung des Betriebs im öffentlichen Straßenverkehr ohne deutsche Zulassung aussprechen könne.
Die Versagung eines Bewohnerparkausweises für im Ausland zugelassene Fahrzeuge entspreche nicht dem Zweck der Vorschriften. Ein Bewohnerparkgebiet diene dem Anwohnerinteresse, in innerstädtischen Wohnstraßen eine Abstellmöglichkeit für ein (dauerhaft) genutztes Kraftfahrzeug zu finden.
Quelle | VG Gießen, Urteil vom 13.11.2024, 6 K 2830/24.GI, PM vom 19.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Ein zur Nichtigkeit der entsprechenden Vereinbarung führender Verstoß gegen den im Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 656 d BGB) geregelten Grundsatz der hälftigen Teilung des Maklerlohns liegt vor, wenn ein Makler allein für den Verkäufer einer Immobilie tätig geworden ist und der Käufer zur Zahlung des vollen Honorars an den Makler verpflichtet wird. |
Das war geschehen
Die Kläger erwarben ein mit einer Doppelhaushälfte bebautesGrundstück. Mit der Vermittlung des Verkaufs hatte die Verkäuferin das beklagte Maklerunternehmen beauftragt. Für die Vermittlung der Immobilie entstand zugunsten der Beklagten gegenüber der Verkäuferin ein Maklerlohnanspruch in Höhe von 25.000 Euro. Der im Exposé zunächst vorgesehene Kaufpreis wurde um einen Betrag in dieser Höhe reduziert. Zugleich verpflichteten sich die Kläger gegenüber der Beklagten zur Zahlung eines Honorars in gleicher Höhe, das sie nach notarieller Beurkundung des Kaufvertrags bezahlten. Eine Maklerlohnzahlung durch die Verkäuferin erfolgte nicht. Die Kläger verlangten die Rückzahlung des geleisteten Betrags.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: § 656 d BGB ist nicht nur auf Vereinbarungen der Parteien des Kaufvertrags über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus untereinander anwendbar, sondern erfasst jegliche Art einer vertraglichen Vereinbarung, durch die unmittelbar oder mittelbar ein Anspruch des Maklers auf Zahlung oder Erstattung von Maklerlohn gegenüber der Partei des Kaufvertrags begründet wird, die nicht Partei des Maklervertrags ist. Umfasst sind daher auch alle auf eine Verpflichtung zur Zahlung oder Erstattung des Maklerlohns gerichteten Vereinbarungen des Maklers mit der Partei des Kaufvertrags, die nicht Partei des Maklervertrags ist.
Der Anwendbarkeit des § 656 d BGB steht es deshalb auch nicht entgegen, dass die Verkäuferin der Immobilie von der Pflicht, den vereinbarten Maklerlohn zu entrichten, gegenüber der Beklagten nicht entbunden war. Da die Käufer im Innenverhältnis zur Verkäuferin verpflichtet waren, den Maklerlohn in voller Höhe zu bezahlen, blieb die Verkäuferin als die Partei, die den Maklervertrag abgeschlossen hat, nicht zur Zahlung des Maklerlohns mindestens in gleicher Höhe verpflichtet.
Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung
Der Verstoß gegen § 656 d BGB führt zur Gesamtnichtigkeit einer entsprechenden Vereinbarung. Die Kläger können von der Beklagten die Rückzahlung des Maklerlohns in voller Höhe verlangen.
Quelle | BGH, Urteil vom 6.3.2025, I ZR 138/24, PM 45/25
| Eine 77-jährige Frau, die über einer Supermarktfiliale wohnt, tätigte dort ihre Einkäufe bis zu einem Hausverbot Anfang des Jahres 2024 durch die Filialleitung. Sie behauptet, das Hausverbot sei nach einer Beschwerde ihrerseits ohne ersichtlichen Grund erteilt worden. Sie sei gesundheitlich stark eingeschränkt und nicht in der Lage, längere Strecken zurückzulegen und daher auf die Filiale angewiesen. Ohne ein Betreten des Supermarkts sei ihr eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verwehrt. Das Amtsgericht (AG) München wies ihre Klage ab. |
Wiederholtes Fehlverhalten
Die Filialleitung begründete das Hausverbot mit wiederholtem Fehlverhalten. Die Münchnerin habe Kunden beim Betreten des Markts von ihrer Wohnung aus beschimpft, habe das Geschäft regelmäßig ohne Einkaufsabsicht aufgesucht, Mitarbeiter in Gespräche verwickelt und diese von der Arbeit abgehalten. Sie habe sich zudem immer wieder an der Frischetheke des Markts Ware aufschneiden lassen und diese dann, anstatt zu kaufen, im Laden abgelegt.
Da der Supermarkt sich weigerte, das Hausverbot zurückzunehmen, verklagte sie den Betreiber vor dem AG auf Gewährung des Zutritts zum Supermarkt – ohne Erfolg.
Hausrecht deckt Hausverbot
Der Beklagte ist als Betreiber des Supermarkts aufgrund seines Hausrechts grundsätzlich berechtigt, Kunden selbst ohne sachlichen Grund ein Hausverbot zu erteilen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein Fehlverhalten der Klägerin vorlag.
Dem Betreiber einer Einrichtung, die erhebliche Bedeutung für das gesellschaftliche und kulturelle Leben hat, wird eine besondere rechtliche Verantwortung zugewiesen, die es ihm verbietet, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund auszuschließen. Entgegen der Auffassung der Klägerin entscheidet die Verweigerung des Zutritts für sie nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Ein Supermarkt dient der Daseinsvorsorge in Form von Einkäufen des täglichen Bedarfs, insbesondere an Lebensmitteln, nicht der sozialen Interaktion oder des kulturellen Austauschs.
Klägerin konnte auf konkurrierenden Supermarkt ausweichen
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Monopolstellung oder sonstige strukturelle Überlegenheit des Beklagten vorliegt, die dazu führt, dass bestimmte Personen nicht ohne sachlichen Grund ausgeschlossen werden könnten. Eine solche Monopolstellung des Markts des Beklagten für die tägliche Daseinsvorsorge ist im konkreten Fall nicht gegeben. Der Beklagte hat unbestritten ausgeführt, dass in fußläufiger Entfernung (ab 500 Metern) weitere Supermärkte vorhanden sind, die somit auch für betagtere Kunden problemlos zu erreichen sind.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 11.10.2024, 142 C 18533/24, PM 12/25
| Legt beim Gebrauchtwagenkauf der Verkäufer den Fahrzeugbrief vor, kann sich der Käufer normalerweise darauf verlassen, dass er es auch tatsächlich mit dem Eigentümer und nicht mit einem Betrüger zu tun hat. Dieses Vertrauen kann aber erschüttert sein, wenn die Umstände des Verkaufs trotzdem Verdacht erregen müssen. Dann muss der Käufer im Betrugsfall das Fahrzeug dem wahren Eigentümer zurückgeben und bleibt auf dem gezahlten Kaufpreis als Schaden sitzen. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal (Pfalz) entschieden. Es hat die Klage eines Autokäufers abgewiesen, der auf einen Betrüger hereingefallen war. |
Autokäufer war auf Betrüger hereingefallen
Der Käufer hatte den PKW von einem Betrüger für mehr als 35.000 Euro erworben. Kurze Zeit nach dem Kauf beschlagnahmte die Polizei das Fahrzeug und gab es dem ursprünglichen Eigentümer zurück. Dieser verkaufte es anschließend für knapp 49.000 Euro weiter.
Den Kaufpreis reklamierte der betrogene Käufer für sich. Er sei trotz des Betrugs Eigentümer des Fahrzeugs geworden. Er sei im Internet auf das Fahrzeug gestoßen und habe sich im Saarland zur Besichtigung verabredet. Auf dem Weg dorthin habe er die Mitteilung erhalten, dass das Kind des Verkäufers einen Treppensturz erlitten habe und in einem Krankenhaus in Frankreich liege. Dorthin sei er nun umgeleitet worden, wo der Kauf auf dem Parkplatz durch Barzahlung auch abgewickelt worden sei. Der Betrüger habe einen vermeintlich echten Fahrzeugbrief und einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt. Er habe deshalb daran glauben dürfen, dass das Fahrzeug diesem auch gehört habe.
Umstände des Kaufs waren dubios, Zweifel daher angebracht
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Der Käufer habe trotz Vorlage des scheinbar echten Fahrzeugbriefs grob fahrlässig gehandelt und das Fahrzeug daher nicht gutgläubig erworben. Denn die Umstände des Verkaufs hätten beim Käufer Zweifel erregen müssen, dass er den wahren Eigentümer vor sich hatte. So habe dieser einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt, obwohl sein im Kaufvertrag genannter Wohnsitz Frankenthal gewesen sei und das Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen zugelassen war.
Kurzfristige Verlegung der Übergabe ins Ausland
Auffällig sei ferner, dass der Verkäufer ursprünglich als Treffpunkt das vom angegebenen Wohnort abweichende Dillingen/Saar genannt habe. Typisch für unlautere Automobilgeschäfte sei auch das Bargeschäft und die kurzfristige telefonische Verlegung des Verkaufsorts an einen fremden und noch dazu im Ausland befindlichen Ort. Nach alledem könne der Käufer dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entgehen und habe den Schaden selbst zu tragen, so der Richter.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 3.4.2025, 3 O 388/24, PM vom 22.5.2025
| Das Amtsgericht (AG) Berlin-Charlottenburg hat entschieden: Hatte der frühere Vermieter die Hundehaltung erlaubt, kann der in das Mietverhältnis eingetretene Vermieter diese Gestattung nur aus wichtigem Grund widerrufen. Dies gilt, auch wenn es sich um einen Kampfhund handeln sollte. Dass sich Mitmieter aufgrund der Größe und Kraft eines solchen Hundes subjektiv bedroht fühlen, reicht für den Widerruf nicht aus. |
Vorheriger Vermieter hatte Hundehaltung gestattet, neuer Vermieter widerrief Erlaubnis
Die Parteien eines Mietvertrags über ein möbliertes Apartment stritten um die Räumung und Herausgabe einer Wohnung. Der Kläger, der aktuelle Vermieter, war nachträglich in das Mietverhältnis eingetreten. Der beklagte Mieter hält einen Hund, was ihm ausdrücklich vom früheren Vermieter erlaubt worden war.
Der Kläger hat die Erlaubnis zur Hundehaltung im Juni 2023 widerrufen und die Haltung eines Kampfhundes untersagt. Der Beklagte sollte seinen Hund bis Ende Juni 2023 entfernen. Noch im Juni mahnte der Kläger den Beklagten wegen nicht gestatteter Tierhaltung ab. Anfang August 2023 kündigte der Kläger das Mietverhältnis ordentlich zum 30.11.2023 und begründete dies mit der weiteren Haltung eines Kampfhundes sowie des Einsetzens des Hundes als Druck- und Nötigungsmittel.
Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung
Der Kläger behauptete, bei dem vom Beklagten gehaltenen Tier würde es sich um einen Kampfhund handeln. Der Beklagte würde dieses Tier gegenüber Nachbarn im Objekt als Druck- und Nötigungsmittel einsetzen, um Vorrang auf Wegen oder im Treppenhaus zu erzwingen. Mehr als ein anderer Bewohner im Objekt habe Angst vor dem Hund, die wollten aber nicht namentlich genannt werden. Er verklagte den Mieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Der Mieter behauptete hingegen, es handele sich nicht um einen „Listenhund“, sondern um eine Mischung aus Old-English-Bulldog und Weimeraner. Er reichte dazu zwei Fotos sowie eine tierärztliche Bescheinigung und weitere Unterlagen ein.
So entschied das Amtsgericht
Der Vermieter kann das Mietverhältnis nur aus berechtigtem Interesse kündigen. Das ist z. B. der Fall, wenn der Mieter vertragliche Pflichten erheblich verletzt, indem er z. B. ein Tier trotz Abmahnung weiter hält.
Im Fall des AG war es aber anders: Der ursprüngliche Vermieter hatte die Hundehaltung erlaubt. Der – große und kräftige – Hund, war– ohne Maulkorb – stets an der Leine geführt worden. Beißvorfälle oder -versuche oder Bedrohungen von Nachbarn mit dem Hund konnten nicht bewiesen werden. Ein – subjektives – Bedrohtfühlen genügt nicht, um die Erlaubnis zu widerrufen.
Quelle | AG Charlottenburg, Urteil vom 30.5.2024, 218 C 243/23
| Ein Streit um einen Erbschein hat kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Eine Erbin hatte falsche Angaben gemacht – mit unangenehmen Folgen. |
Wahrheitswidrige Angaben zum Testament
Eine Frau hatte nach dem Tod ihrer Mutter einen Erbschein beantragt, um als Alleinerbin ausgewiesen zu werden. Sie berief sich dabei auf ein Testament, machte aber falsche Angaben: Sie versicherte eidesstattlich, dass das Testament von der Verstorbenen eigenhändig verfasst worden sei. In Wirklichkeit hatte jedoch die Tochter das Testament geschrieben und die Mutter nur ihre Unterschrift darunter gesetzt.
Testament muss eigenhändig geschrieben sein
Die falschen Angaben betrafen einen entscheidenden Punkt: Ein Testament muss eigenhändig geschrieben oder von einem Notar beurkundet werden. Eigenhändig heißt, dass der Erblasser es komplett selbst und von Hand niederschreiben muss. Die bloße Unterschrift der Mutter reichte deshalb nicht aus – das Testament war unwirksam. Statt des Testaments galt die gesetzliche Erbfolge, das heißt: Die Antragstellerin musste sich das Erbe mit ihren Geschwistern teilen.
Streit um Anwaltskosten
Im Erbscheinverfahren vor dem Amtsgericht (AG) wurden die falschen Angaben aufgeklärt. Der Streit war damit aber nicht erledigt. Denn die Geschwister hatten Anwälte beauftragt, um gegen den unberechtigten Antrag vorzugehen. Zwei Schwestern verlangten die Erstattung der angefallenen Anwaltskosten. Das OLG gab ihnen nun Recht.
Mögliche strafrechtliche Konsequenzen
Für die unterlegene Schwester hat dies nicht nur finanzielle Folgen: Die Akten werden nun der Staatsanwaltschaft übergeben, denn eine falsche eidesstattliche Versicherung ist strafbar. Das OLG sah einen entsprechenden Anfangsverdacht; bis zu einer möglichen Entscheidung im Strafverfahren gilt für die Betroffene die Unschuldsvermutung.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 9.1.2025, 6 W 156/24, PM vom 20.2.2025
| Das Zerreißen eines Testaments durch den Erblasser ist eine Widerrufshandlung. Es wird gesetzlich vermutet, dass dieser Widerrufshandlung eine Widerrufsabsicht zugrunde lag. Die Aufbewahrung des zerrissenen Testaments im Schließfach widerlegt diese Vermutung nicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die Beschwerde des in dem zerrissenen Testament Begünstigten gegen einen auf Basis gesetzlicher Erbfolge erteilten Erbschein zurückgewiesen. |
Testament zerrissen, aber aufbewahrt
Der Erblasser war mit seiner Frau in letzter Ehe kinderlos verheiratet. Nach seinem Versterben beantragte die Frau einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Das Nachlassgericht erteilte den Erbschein, der die Frau neben der Mutter des Erblassers als Erben auswies. Zwei Monate später öffneten die Frau und ein Vertreter der Mutter des Erblassers das Schließfach des Erblassers. Dort befand sich ein handschriftliches Testament, das eine andere Person begünstigte. Es war längs in der Mitte durchgerissen. Das Nachlassgericht hat den Antrag des Begünstigten abgelehnt, den bereits erteilten Erbschein im Hinblick auf das nun aufgefundene, zerrissene Testament einzuziehen.
Widerruf durch schlüssige Handlung
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das Nachlassgericht habe die Einziehung des Erbscheins zu Recht abgelehnt, da dieser nicht unrichtig geworden sei. Der Begünstigte sei nichttestamentarischer Erbe geworden. Der Erblasser habe das den Begünstigten alsErben einsetzende Testament durch schlüssige Handlung widerrufen.
Durch das Zerreißen des Testaments in der Mitte habe derErblasser das Testament vernichtet. Es liege insoweit eine Widerrufshandlungvor. Das Testament sei unzweifelhaft auch „nicht durch äußere Einflüsse „anderweitig“ in zwei Teile geraten“. Dafür spreche, dass das Papier mittig, aber nicht vollständig gerade getrennt worden sei. Die Trennränder seien zudem nicht glatt. Anhaltspunkte für ein – ggf. sachverständig aufzuklärendes – anderweitiges Trennen des Schriftstücks in zwei Teile lägen nicht vor. Es sei auch davon auszugehen, dass der Erblasser selbst das Testament zerrissen habe, da nur er Zugang zum Bankschließfach gehabt habe. Nach den Angaben der bei Öffnung des Schließfachs Anwesenden bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Testament beim Öffnen oder Schließen des Schließfachs versehentlich von einer dritten Person zerrissen worden sei.
Gesetzliche Vermutung nicht widerlegt
Es werde gesetzlich vermutet, dass diese Widerrufshandlung mit Widerrufsabsicht erfolgte. Indizien, die diese Vermutung widerlegen würden, seien nicht erkennbar. Warum der Erblasser das zerstörte Testament im Schließfach aufbewahrte, sei zwar nicht nachvollziehbar. Dies allein genüge aber nicht zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung. Der Erblasser habe ausweislich der dokumentierten 31 Öffnungen des Schließfachs dieses offensichtlich nicht ausschließlich zur Aufbewahrung eines ungültigenTestaments angemietet.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.4.2025, 21 W 26/25, PM 26/25
| Das Landgericht (LG) Berlin II hat eine Energieberatungsfirma zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von rund 6.000 Euro wegen einer Falschberatung verurteilt. Aufgrund der Falschberatung habe der Kläger – ein Verbraucher – Fenster und Dachfenster mit zu hohen Wärmedurchgangskoeffizienten einbauen lassen, die daher nicht förderfähig seien. |
Förderleistungen beantragt – Bundesamt lehnt ab
Der Kläger hatte die Beklagte mit der Energieberatung für die energetische Sanierung seines Einfamilienhauses beauftragt. In Zusammenarbeit mit der Beklagten beantragte er beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Förderleistungen gemäß der Richtlinie der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG-Richtlinie) und erhielt einen entsprechenden Zuwendungsbescheid. Anschließend holte er Angebote für die Sanierungsmaßnahmen ein und schickte sie der Beklagten, die diese nicht beanstandete.
Für den Verwendungsnachweis der Fördermittel gab der Kläger in Absprache mit der Beklagten die Wärmedurchgangskoeffizienten an, die mit den verbauten Dämmmaterialien an der Gebäudehülle erreicht werden konnten – für das Dach und die Geschossdecke einen Koeffizienten von 0,2, für die Fenster von 1,1 und für die Dachflächenfenster von 1,3. Das Bundesamt teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die technischen Mindestanforderungen bei der Sanierung nicht erreicht seien und hob den Förderbescheid teilweise auf. Die BEG-Richtlinie fordert Koeffizienten an Dachgebilden von 0,14 und an Fenstern von 0,95 bzw. 1,0 bei Dachflächenfenstern.
Energieberater muss Förderleistung zahlen
Das Gericht sprach dem Kläger nun Schadenersatz in Höhe der eigentlich zu gewährenden Förderungssumme zu. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur fachlich zutreffenden Beratung verletzt. Sie hätte insbesondere die vom Kläger vorgelegten Angebote auf ihre Förderungsfähigkeit prüfen müssen.
Der Verweis der Beklagten, der Kläger hätte sich selbst über die förderungsrelevanten Wärmedurchgangskoeffizienten informieren können, führe ihr Leistungsangebot ad absurdum. Es sei gerade ihre Hauptleistungspflicht, einen Verbraucher und Laien über die Richtlinien und Richtwerte fachlich zu beraten. Darüber hinaus habe die Beklagte den Kläger falsch beraten, weil sie selbst von falschen Werten ausgegangen sei. Rechtsirrig habe sie in E-Mails an den Kläger auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und nicht auf die Werte der BEG-Richtlinie verwiesen. Die Beratung sei auch deshalb unzureichend und fehlerhaft gewesen.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23, PM 3/25
| Bei einer mehr als unerheblichen Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks scheidet die Annahme eines faktischen Kerngebiets aus, also als Gebiet, das vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Stadt versagte Nutzung eines Gebäudes als Spielhalle
Die Klägerin begehrt einen Bauvorbescheid für die Nutzung eines Geschäftsgebäudes in der Innenstadt der Beklagten als Spielhalle. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, der Widerspruch blieb erfolglos.
Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht sahen das anders
Das Verwaltungsgericht (VG) gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) zurück. Das Vorhaben sei als Vergnügungsstätte zulässig. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Kerngebiet i. S. d. Baunutzungverordnung (hier: § 7 BauNVO). Die nicht unerhebliche, aber noch untergeordnete Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks stehe dieser Einordnung nicht entgegen, obwohl sie im vorhandenen Umfang nur aufgrund von Festsetzungen in einem Bebauungsplan zulässig wäre.
Bundesverwaltungsgericht rügte mangelnde Tatsachenfeststellung
Das BVerwG hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Auffassung des OVG, dass ein faktisches Kerngebiet auch bei einer nicht unerheblichen Wohnnutzung vorliegt, steht mit der Regelungssystematik der Baunutzungsverordnung nicht in Einklang. Die Verweisung in § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB auf die §§ 2 ff. BauNVO findet dort eine Grenze, wo die Baunutzungsverordnung eine planerische Entscheidung der Gemeinde vorsieht. Der Verordnungsgeber hat die Entscheidung darüber, ob die sonstige Wohnnutzung in einem Kerngebiet über Ausnahmen hinausgehen darf, der Gemeinde überlassen. Ihr Spielraum darf bei der Einordnung als faktisches Kerngebiet nicht übergangen werden. Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen konnte das BVerwG nicht abschließend entscheiden.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 20.5.2025, 4 C 2.24, PM 37/25
| Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf der Grundlage von über 2.300 geleisteten Mehrarbeitsstunden im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer für mehrere Monate frei, muss er ihm in diesen Monaten das Entgelt nach dem Lohnausfallprinzip zahlen, also das Entgelt, das zu zahlen gewesen wäre, wenn der Arbeitnehmer in diesen Monaten gearbeitet hätte. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |
Das LAG: Nichts anderes ergibt sich, wenn die unstreitige Mehrarbeit vor 20 Jahren geleistet worden war, also in einem Zeitraum, für den die Parteien ein viel geringeres Bruttomonatsentgelt vereinbart hatten.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 23.8.2024, 6 Sa 663/23
| Ein Bewerber um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugdienst kann verlangen, nicht wegen eines genetisch bedingten erhöhten Thromboserisikos vom Bewerbungsverfahren der Bundespolizei ausgeschlossen zu werden. Bei der beim Kläger diagnostizierten sog. Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich um einen angeborenen Gendefekt, bei dem es zu Störungen der Blutgerinnung kommt und der mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergeht. Die Entscheidung der Bundespolizeiakademie, die Bewerbung des Klägers um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst im Jahr 2023 aufgrund fehlender gesundheitlicher Eignung nicht zu berücksichtigen, hatte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Aachen keinen Bestand. Über die Bewerbung des Klägers muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden werden. |
Geringe Risiken
Zur Begründung hat das VG ausgeführt, dass es bereits in erheblichem Maße zweifelhaft ist, ob hinreichende sachliche Gründe für den Ausschluss von Beamten mit einem solchen Gendefekt bestehen. Denn das durch eine solche Mutation bedingte Thromboserisiko ist verhältnismäßig gering. In der beim Kläger vorliegenden Form ist es zwar gegenüber gesunden Menschen erhöht, entspricht jedoch ungefähr dem Thromboserisiko durch die Einnahme der Antibabypille bei Frauen und damit einem Risiko, das der Dienstherr als hinnehmbar ansieht.
Ergebnisse der genetischen Untersuchung durften nicht mitgeteilt werden
Unabhängig davon durfte der Gendefekt nicht zulasten des Klägers im Einstellungsverfahren berücksichtigt werden, weil er aufgrund einer genetischen Untersuchung diagnostiziert wurde. Die Mitteilung des diesbezüglichen Ergebnisses durfte die Bundespolizei aus Rechtsgründen nicht verlangen.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 10.3.2025, 1 K 1304/23, PM vom 10.3.2025
| Die Verwendung eines abstrakt gefährlichen Gegenstands – hier eines Klappmessers – zu einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch – hier Reparaturversuch an einer Uhr – läuft den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider und steht deshalb der Anerkennung eines Unfallereignisses als Dienstunfall entgegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Mit dem Messer versucht, Klemmfeder zu richten
Der mittlerweile pensionierte Kläger war Polizeivollzugsbeamter im saarländischen Landesdienst. Im April 2019 erstattete er bei seiner Dienststelle eine Dienstunfallanzeige. Danach habe er zu Dienstbeginn festgestellt, dass die sonst über der Tür hängende Wanduhr auf der Fensterbank gelegen habe. Es sei ihm aufgefallen, dass die Batterie der Uhr unsachgemäß im Batteriefach gesteckt habe und die Klemmfeder verbogen gewesen sei. Er habe mit seinem Klappmesser die verbogene Feder wieder richten wollen. Hierbei sei das Messer zugeschnappt und er habe sich einen tiefen Schnitt am kleinen Finger der rechten Hand zugezogen.
Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls
Sein Antrag auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall ist behördlich und in den beiden gerichtlichen Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwiderlaufe, wenn ein Beamter sich ohne Not einem Verletzungsrisiko durch Hantieren mit einem privaten, abstrakt gefährlichen Gegenstand aussetze, dessen Funktionstauglichkeit der Dienstherr nicht prüfen könne.
Keine dienstliche Aufgabe
Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall. Zwar hat sich der Unfall in einem Dienstgebäude zur Dienstzeit ereignet und ist damit grundsätzlich als „in Ausübung des Dienstes eingetreten“ vom Dienstunfallschutz erfasst. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Reparatur der Uhr nicht zu den dienstlichen Aufgaben des Klägers als Polizeibeamter gehörte. Dienstunfallschutz wird jedoch nicht gewährt, wenn dieTätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft. Das ist hier der Fall.
Entgegen den Interessen des Dienstherrn
Dabei kann dahinstehen, ob es sich um ein Einhandmesser im Sinne des Waffengesetzes handelte und das Führen des Messers bereits deshalb verboten war. Jedenfalls lief die Benutzung dieses Messers zum Zweck einer Uhrreparatur den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider. Das verwendete Messer ist ein abstrakt gefährlicher Gegenstand, der für den Zweck der Reparatur ersichtlich nicht bestimmt und nicht geeignet war.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 13.3.2025, 2 C 8.24, PM 16/25
| Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellt den Arbeitnehmer trotz dessen Beschäftigungsanspruchs von der Arbeit frei, unterlässt der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig in Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 615 S. 2 BGB) anderweitigen Verdienst, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis eingeht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Das war geschehen
Der Kläger war seit November 2019 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Senior Consultant gegen eine monatliche Vergütung von 6.440 Euro brutto. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.3.2023 ordentlich zum 30.6.2023 und stellte den Kläger unter Einbringung von Resturlaub unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht (ArbG) am 29.6.2023 statt, die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) am 11.6.2024 zurückgewiesen.
Arbeitgeber schlug Stellenangebote vor
Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Kläger Anfang April 2023 arbeitssuchend und erhielt von der Agentur für Arbeit erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge. Die Beklagte übersandte ihm hingegen schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote, die nach ihrer Einschätzung für den Kläger in Betracht gekommen wären.
Arbeitnehmer bewarb sich – aber erst zum Beschäftigungsende
Auf sieben davon bewarb sich der Kläger, allerdings erst ab Ende Juni 2023. Nachdem die Beklagte dem Kläger für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, hat er diese mit einer Klage geltend gemacht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewendet, der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bei der Beklagten bezogenen Gehalts anrechnen lassen.
Arbeitgeber war durch einseitige Freistellung im Annahmeverzug
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) ihr stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Beklagte befand sich aufgrund der von ihr einseitig erklärten Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug und schuldet dem Kläger (nach § 615 S. 1 BGB iVm. § 611 a Abs. 2 BGB) die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss sich der Kläger nicht (nach § 615 S. 2 BGB) anrechnen lassen. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil ist nur gerechtfertigt, wenn dieser wider Treu und Glauben (nach § 242 BGB) untätig geblieben ist. Weil § 615 S. 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend hiervon bestand für ihn keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Beklagten ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.
Quelle | BAG, Urteil vom 12.0.2025, 5 AZR 127/24, PM 6/2
| Mit dem vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) wurden die Aufzeichnungspflichten für Verrechnungspreiszwecke in der Abgabenordnung (hier: § 90 Abs. 3 und Abs. 4 AO) angepasst. Ein neuer Bestandteil ist die Transaktionsmatrix. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat hierzu nun Stellung bezogen. |
Transaktionsmatrix: Tabelle mit vorgegebenen Elementen
Die Transaktionsmatrix ist eine tabellarische Übersicht, die relevante Informationen zu grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen des Steuerpflichtigen mit nahestehenden Personen und Betriebsstätten enthält.
Das BMF führt auf, was in der Transaktionsmatrix anzugeben ist:
- Gegenstand und Art der Geschäftsvorfälle (z. B. Warenlieferung und Dauersachverhalt),
- an den Geschäftsvorfällen Beteiligte unter Kennzeichnung von Leistungsempfänger und Leistungserbringer,
- Volumen und Entgelt (in EUR) der Geschäftsvorfälle (z. B. Darlehensvolumen und Zins oder Entgelt für eine Warenlieferung oder Dienstleistung),
- vertragliche Grundlage (Benennung der Vertragsunterlage),
- angewandte Verrechnungspreismethode (z. B. Kostenaufschlagsmethode oder Preisvergleichsmethode),
- betroffene Steuerhoheitsgebiete und
- Angabe, ob Geschäftsvorfälle nicht der Regelbesteuerung im betreffenden Steuerhoheitsgebiet unterliegen
Zudem sind dem Schreiben als Anlage zwei Beispiele für eine Transaktionsmatrix angefügt. Abweichungen durch den Steuerpflichtigen sind nur unter den im Schreiben genannten (zeitlichen) Voraussetzungen zulässig.
Vorgaben ab 2025
Bei einer Außenprüfung sind ab 2025 (ohne gesondertes Verlangen) innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen: die Stammdokumentation bei Überschreiten der Größenklassen, Aufzeichnungen über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle und die Transaktionsmatrix.
Transaktionsmatrix auch für Vorjahreszeiträume
Da eine Prüfungsanordnung, die im Jahr 2025 ergeht, i. d. R. auch Prüfungszeiträume vor 2025 umfasst, muss eine Transaktionsmatrix in diesen Fällen auch für die Vorjahre erstellt werden. Die 30-Tage-Frist gilt für ein im Jahr 2025 gestelltes Vorlageverlangen hinsichtlich der Transaktionsmatrix, auch wenn die Prüfungsanordnung vor 2025 ergangen ist.
Beachten Sie | Werden keine ertragsteuerlichen Auslandssachverhalte geprüft, sind die o. g. Unterlagen nur auf gesondertes Verlangen vorzulegen.
Quelle | BMF, Schreiben vom 2.4.2025, IV B 3 - S 0225/00019/004/009
| In einem Verfahren vor dem Landgericht (LG) Frankfurt a. M. klagte ein Hersteller u. a. von Mobilfunkgeräten mit Niederlassung in Deutschland gegen ein in der Volksrepublik China ansässiges Unternehmen. Die chinesische Beklagte ist Inhaberin von Patenten, die für mehrere Mobilfunkstandards essenziell sind. Sie hat sich dazu verpflichtet, Lizenzen für diese Patente zu fairen Bedingungen zu erteilen. Die Klägerin wollte mit ihrer Klage erreichen, dass die chinesische Beklagte ihr Mobilfunklizenzen zu bestimmten Konditionen gewährt. |
Beschleunigung des Verfahrens
Zur Durchführung des Verfahrens bedarf es zunächst der förmlichen Zustellung der Klageschrift. Grundsätzlich wäre die Zustellung im Wege der Rechtshilfe unter Beteiligung chinesischer Stellen am Sitz der Beklagten in der Volksrepublik China vorzunehmen. In Ausnahmefällen kann nach der Zivilprozessordnung (ZPO) jedoch davon abgesehen werden und das Gericht eine öffentliche Zustellung anordnen, etwa wenn die Zustellung im Ausland keinen Erfolg verspricht. Das hat das LG hier für die Zustellung in der Volksrepublik China angenommen. Es hat eine öffentliche Zustellung bewilligt.
Das LG: Das Gebot eines wirkungsvollen Rechtsschutzes erfordert, dass dieser in angemessener Zeit zu erlangen ist. Keinen Erfolg verspricht die Zustellung daher, wenn die Durchführung einen derart langen Zeitraum in Anspruch nehmen würde, dass ein Zuwarten der betreibenden Partei billigerweise nicht zugemutet werden kann. Für die Entscheidung der Frage, ob die Dauer einer Zustellung im Wege der Rechtshilfe nicht mehr zumutbar ist, bedarf es einer Abwägung der beiderseitigen Interessen.
Der übliche Weg dauert zu lange
Die Klägerin, so das LG, habe dargelegt, dass die Auslandszustellung in der Volksrepublik China nicht stets gelingt und auch dann einen Zeitraum von deutlich mehr als einem Jahr in Anspruch nimmt. Nach der Erfahrung anderer deutscher Gerichte, die sich mit der Erfahrung der Kammer deckt, nimmt die Zustellung in der Volksrepublik China einen erheblichen Zeitraum in Anspruch. Bei dieser Sachlage überwiegen die Interessen der Klägerin auf effektiven Rechtsschutz die Interessen der Beklagten im Hinblick auf die Gefährdung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Das LG hat der Klägerin allerdings aufgegeben, die Beklagte auf nicht-förmlichem Weg zu informieren, dass hier in Deutschland die öffentliche Zustellung der Klage erfolgt.
Quelle | LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 15.1.2025, 2-06 O 426/24, PM vom 7.2.2025
| Das Landgericht (LG) München I hat im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass einem Online-Apotheken-Anbieter die Bewerbung der sog. „Abnehmspritze“ gegenüber Endverbrauchern in ihrer konkreten Form untersagt ist. |
Fragebogen ausfüllen, Medikament bekommen?
Eine Apothekenkammer wendete sich in ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dagegen, dass eine in den Niederlanden ansässige Online-Apotheke gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland für Fernbehandlungen mit dem Ziel der Verschreibung von Arzneimitteln zur Gewichtsreduktion/Adipositas wirbt, wobei die Behandlung lediglich in der ärztlichen Überprüfung eines durch den Nutzer auf einer Plattform ausgefüllten Fragebogens besteht. Für die Verschreibung des Medikaments durch die beklagte Online-Apotheke ist hierbei nach der Werbung zur Bestellung lediglich das Ausfüllen eines Fragebogens erforderlich, welcher nach Vortrag der Antragsgegnerin sodann von einem (nicht in Deutschland ansässigen) Arzt vor der Verschreibung überprüft wird.
Zulässige Fernbehandlung?
Die beklagte Apotheke hatte gegen ein Verbot eingewandt, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verspätet sei. Die Antragsstellerin kenne das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin bereits aus einem anderen Verfahren, dessen Gegenstand Medikamente zur Behandlung erektiler Dysfunktion waren. Beworben und umschrieben werde außerdem lediglich eine „Gewichtsverlustbehandlung“; dies lasse keinen zwingenden Schluss auf die Abnehmspritze zu. Dies sei zulässig und verstoße nicht gegen das Heilmittelwerbegesetz. Das Ausfüllen eines Fragebogens, der dann von einem Arzt überprüft werde, sei auch eine zulässige Fernbehandlung unter Verwendung von Kommunikationsmedien, bei der ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich sei.
Landgericht: kein allgemein anerkannter fachlicher Standard
Dem folgte das LG nicht: Die Fernbehandlung von Adipositas mittels Ausfüllens eines Fragebogens entspreche nicht allgemein anerkannten fachlichen Standards. Vielmehr sei vor der Verschreibung einer Abnehmspritze ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen erforderlich. Dies ergebe sich bereits aus den „Warnhinweisen“, die die beklagte Apotheke dem Gericht selbst vorgelegt habe: In diesen werde auf zahlreiche Nebenwirkungen, wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, Hypoglykämie (bei Patienten mit Typ-2-Diabetes) und Schwindel, auf das Risiko der Unterzuckerung und darauf hingewiesen, dass die Behandlung eingestellt werden sollte, wenn man in drei Monaten nach Behandlungsbeginn nicht mindestens 5 % seines Körpergewichts verliere.
Darüber hinaus werde in den von der Beklagten selbst vorgelegten Unterlagen ausgeführt, dass eine regelmäßige Nachsorge und Überwachung während einer Gewichtsreduktion unbedingt erforderlich sei. Gerade diese, von der beklagten Apotheke selbst für erforderlich gehaltene regelmäßige Nachsorge erfordere aber zwingend einen persönlichen ärztlichen Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen, welcher weder von der beklagten Apotheke noch von den verschreibenden Ärzten – schon aufgrund der räumlichen Distanz – geleistet werden könne.
Hinzu komme, dass ausweislich der Patientenleitlinie zur Diagnose und Behandlung der Adipositas der deutschen Adipositasgesellschaft zahlreiche Untersuchungen, u. a. des Bluts und des Urins, nötig seien, um Adipositas zu diagnostizieren und zu behandeln. Dies könne daher gerade nicht im Wege der Fernbehandlung erfolgen.
Werbung für den Absatz von Medikamenten
Es handele sich bei der Werbung der Beklagten ferner nicht um die Werbung für eine Behandlung als solche, wie diese vorgetragen habe, sondern um die Werbung für den Absatz von Medikamenten. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Werbung. Um welche Gruppe von Präparaten es sich hierbei handele, wüssten die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der Kammer gehörten, bereits deshalb, weil „die Abnahmespritze“ in jüngster Zeit starke mediale Aufmerksamkeit erfahren habe.
Quelle | LG München I, Beschluss vom 3.3.2025, 4 HK O 15458/24, PM 3/25
| Wann haben Leiharbeitnehmer beim Entleiher eine erste Tätigkeitsstätte? Zu dieser Frage gibt es neue Entwicklungen bzw. ist ein Verfahren beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig: Liegt bei Leiharbeitnehmern eine dauerhafte Zuordnung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 4 S. 3 Altern. 2 EStG, Zuordnung für die Dauer des Dienstverhältnisses) zu einer ersten Tätigkeitsstätte vor, wenn ein befristetes Beschäftigungsverhältnis zum Personaldienstleister (Verleiher) wiederholt vor Ablauf der Befristung bei unverändertem Vertragsinhalt verlängert wird und jeweils eine Verlängerung der befristeten Zuordnung zu demselben Entleiher bei unverändertem Einsatzort erfolgt? |
Hintergrund: Bei einer ersten Tätigkeitsstätte ist der Arbeitnehmer beim Kostenabzug auf die Entfernungspauschale beschränkt. Handelt es sich allerdings um eine Auswärtstätigkeit, kann er seine Fahrtkosten (ggf. auch Verpflegungsmehraufwand) nach Reisekostengrundsätzen geltend machen, was steuerlich günstiger ist.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.6.2024, 12 K 38/24, Rev. BFH: VI R 2/25
| Für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Baudenkmäler und in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen belegene Gebäude können unter bestimmten Voraussetzungen Abzugsbeträge nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 f EStG) über zehn Jahre wie Sonderausgaben geltend gemacht werden. Verstirbt nun der Steuerpflichtige vor Ablauf des zehnjährigen Abzugszeitraums, kann der Erbe die Abzugsbeträge des Erblassers nicht fortsetzen. Dies entschied das Finanzgericht (FG) Sachsen-Anhalt |
Das gilt selbst dann, wenn der Erbe das Gebäude zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Gegen dieses Urteil des FG Sachsen-Anhalt ist die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig. Bis zu einer Entscheidung des BFH können geeignete Fälle mit einem Einspruch somit offengehalten werden.
Quelle | FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.7.2024, 1 K 903/21; Rev. BFH, X R 23/24
| Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten stellt sich oft die Frage, wem das Besteuerungsrecht zusteht. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei Entscheidungen die Voraussetzungen konkretisiert, die im grenzüberschreitenden Sachverhalt im Anwendungsbereich eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) zu einer ausländischen Betriebsstätte führen. Aus einer solchen Betriebsstätte erzielt der Steuerpflichtige in der Regel Einkünfte, die im Inland steuerfrei sind und nur der ausländischen Besteuerung unterliegen. |
Taxiunternehmen mit Büro in der Schweiz
Ein in Deutschland lebender Taxiunternehmer hatte wegen seiner Mitgliedschaft in einer Schweizerischen Taxifunkzentrale Zugang zu deren Büroraum in der Schweiz. Dieser Raum war mit drei Arbeitsplätzen eingerichtet und stand insgesamt drei Taxiunternehmern zur Verfügung.
Der Taxiunternehmer nutzte den Büroraum (einschließlich eines abschließbaren Standcontainers) für geschäftsleitende Tätigkeiten sowie für die Personalverwaltung seiner angestellten Taxifahrer, die Vorbereitung der laufenden Buchführung, das Rechnungswesen, die Finanzkontrolle sowie die Kontrolle der Einhaltung behördlicher Auflagen.
Der BFH bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg, die Einkünfte des Taxiunternehmers in Deutschland unter Progressionsvorbehalt steuerfrei zu stellen, da in der Schweiz die Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte erfüllt sind.
„Verwurzelung“ mit dem im Ausland belegenen Ort bei Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit
Hierfür ist die „Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem im Ausland belegenen Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit maßgebend. Diese Verwurzelung folgt aus einer Gesamtwürdigung der in Wechselwirkung zueinander stehenden Merkmale der zeitlichen und örtlichen Festigkeit der Geschäftseinrichtung sowie der dauerhaften Verfügungsmacht des Unternehmens über diese Geschäftseinrichtung.
Der persönliche Standcontainer ist insoweit ein Indiz für die dauerhafte Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung (hier: den Büroraum). Darüber hinaus wurden in dem Büroraum nicht nur Hilfstätigkeiten ausgeübt.
Die Haupttätigkeit eines Taxiunternehmers mit mehreren angestellten Taxifahrern erschöpft sich nicht allein im Fahren von Taxis zum Zwecke der Personenbeförderung. Vielmehr gehören hierzu auch die geschäftsleitenden und zentralen unternehmerisch-administrativen Tätigkeiten, die der Taxiunternehmer in dem Büroraum in der Schweiz ausgeübt hat.
Zeitliche Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte
In einem weiteren Verfahren ging es um die zeitlichen Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte. Sowohl für das Innehaben der Geschäftseinrichtung als auch für die unternehmerische Tätigkeit, die in der Geschäftseinrichtung ausgeübt wird, hat der BFH eine Mindestdauer von sechs Monaten festgelegt.
Sechs Monate Mindestdauer ohne Ausnahme
Ein Unternehmen, das nur weniger als sechs Monate existiert, rechtfertigt selbst dann keine Ausnahme, wenn die Tätigkeit dieses Unternehmens vollständig in der ausländischen Geschäftseinrichtung ausgeübt wurde.
Quelle | BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 47/21; BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 39/21; PM 26/25 vom 2.5.2025
| Die gesetzlichen Altersrenten werden im Rahmen der jährlichen Rentenanpassung zum 1.7.2025 um 3,74 % steigen. Der Bundesrat hat einer entsprechenden Verordnung zugestimmt. |
Beachten Sie | Die Rentenanpassung kann dazu führen, dass Rentner erstmals in die Steuerpflicht rutschen und eine Steuererklärung abgeben müssen. Eine Steuerpflicht tritt aber nur ein, wenn der steuerpflichtige Teil der Jahresbruttorente – zuzüglich weiterer Einkünfte (z. B. aus einer Vermietung) und unter Berücksichtigung etwaiger Freibeträge und sonstiger Abzugsbeträge – den steuerlichen Grundfreibetrag übersteigt. Für das Jahr 2024 beträgt der Grundfreibetrag 11.784 Euro pro Jahr, für 2025 sind es 12.096 Euro. Bei einer steuerlichen Zusammenveranlagung von Eheleuten gelten die doppelten Werte.
Quelle | Rentenwertbestimmungsverordnung 2025, BR-Drs.190/25
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hatte 2023 entschieden: Überträgt der Steuerpflichtige schenkweise einen Miteigentumsanteil an einem Vermietungsobjekt, ohne auch die Finanzierungsdarlehen anteilig zu übertragen, kann er die Schuldzinsen nur noch anteilig entsprechend seinem verbliebenen Miteigentumsanteil abziehen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat diese Sichtweise nun bestätigt, sodass die auf den übertragenen Miteigentumsanteil entfallenden Schuldzinsen nicht als (Sonder-)Werbungskosten zu berücksichtigen sind. |
Das war geschehen
Der Alleineigentümer (Vater) einer vermieteten Immobilie hatte einen ideellen 2/5-Miteigentumsanteil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich auf seinen Sohn übertragen. Die Grundschuld wurde von dem Sohn entsprechend seinem Miteigentumsanteil zur dinglichen Haftung übernommen. Zu einer schuldrechtlichen Schuldübernahme bzw. einem Schuldbeitritt zur Darlehensschuld gegenüber der Bank kam es jedoch nicht.
In der Feststellungserklärung für die Grundstücksgemeinschaft bzw. die Vermietungs-GbR wurden Darlehenszinsen in voller Höhe geltend gemacht. Diese berücksichtigte das Finanzamt allerdings nur zu 3/5 (= Anteil des Vaters).
Die hiergegen gerichtete Klage blieb ebenso erfolglos wie die Revision.
Von Finanzierung der Einkünfteerzielungstätigkeit zur Finanzierung der Schenkung
Durch die unentgeltliche Übertragung des Miteigentumsanteils wurde insoweit der (objektive) wirtschaftliche Zusammenhang der zur Finanzierung der Anschaffung der Immobilie aufgenommenen Darlehen zur bisherigen Einkünfteerzielungstätigkeit gelöst. Fortan dienten die Darlehen der Finanzierung der Schenkung.
Beachten Sie | Das FG Niedersachsen hatte die Revision im Hinblick auf folgende Frage zugelassen: Ist es gerechtfertigt, den Sachverhalt bei einer vermögensverwaltenden GbR (wie im Streitfall) anders zu behandeln als bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb? Und das hat der BFH eindeutig mit „ja“ beantwortet.
Die Begründung: Das Einkommensteuerrecht wird vom Dualismus der Einkunftsarten (Gewinn- und Überschusseinkünfte) bestimmt. Die unterschiedliche Erfassung von Wertsteigerungen bzw. -minderungen im Betriebs- und Privatvermögen ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar.
Quelle | BFH, Urteile vom 3.12.2024, IX R 2/24 und IX R 3/24
| Eine Frau muslimischen Glaubens ist vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin mit einer Klage gescheitert, mit der sie eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kraftfahrzeugs mit einem Gesichtsschleier erstreiten wollte. |
Nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) dürfen Personen, die ein Kraftfahrzeug führen, ihr Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken, dass sie nicht mehr erkennbar sind (Verhüllungsverbot). Die Klägerin hatte geltend gemacht, ihr muslimischer Glaube gebiete es, dass sie sich außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Auch im Auto sei sie den Blicken fremder Menschen ausgesetzt. Daher müsse ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Ihren Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Ausnahmegenehmigung hatte das Land Berlin abgelehnt. Dagegen richtete sich die Klage.
Das VG hat die Klage abgewiesen. Eine Ausnahmegenehmigung könne die Klägerin auch mit Blick auf ihre grundrechtlich geschützte Religionsfreiheit nicht beanspruchen. Diese müsse nach Abwägung aller widerstreitenden Interessen hinter anderen Verfassungsgütern zurücktreten. Das Verhüllungsverbot gewährleiste eine effektive Verfolgung von Rechtsverstößen im Straßenverkehr, indem es die Identifikation der Verkehrsteilnehmer ermögliche, etwa im Rahmen von automatisierten Verkehrskontrollen. Es diene zudem dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums Dritter, weil Kraftfahrzeugführer, die damit rechnen müssten, bei Regelverstößen herangezogen zu werden, sich eher verkehrsgerecht verhalten würden als nicht ermittelbare Autofahrer.
Demgegenüber wiege der Eingriff in die Religionsfreiheit der Klägerin weniger schwer. Ein gleich wirksames, aber mit geringeren Grundrechtseinschränkungen verbundenes Mittel zur Erreichung der mit dem Verhüllungsverbot verfolgten Zwecke stehe nicht zur Verfügung. So könne etwa eine Fahrtenbuchauflage nur dem Halter eines Fahrzeugs auferlegt werden; die Klägerin begehre jedoch eine Ausnahme in ihrer Eigenschaft als Führerin eines Fahrzeugs. Gleichermaßen ungeeignet erscheine der Vorschlag der Klägerin, einen Niqab mit einem „einzigartigen, fälschungssicheren QR-Code“ zu versehen und die Ausnahme vom Verhüllungsverbot mit einer solchen Auflage zu verbinden. Denn dadurch sei nicht sichergestellt, dass die Person, die den Niqab trage, auch tatsächlich die Person sei, für die der QR-Code kreiert wurde.
Gegen das Urteil kann der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg gestellt werden.
Quelle | VG Berlin, Urteil vom 27.1.2025, VG 11 K 61/24, PM 5/25
| Ein Motorradfahrer wollte einen Auffahrunfall vermeiden. Er bremste deshalb sehr stark. Weil die Maschine kein Antiblockiersystem (ABS) hatte, blockierte das Vorderrad und der Motorradfahrer stürzte. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in diesem Fall kompakte Ausführungen zum „Idealfahrer“ hinsichtlich der Unabwendbarkeit gemacht. Besonders wichtig: Er bezieht die Situation vor dem Unfallgeschehen mit ein. |
Es kommt nicht nur auf die konkrete Situation an, …
Ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein „Idealfahrer“ reagiert hat, ist nicht allein entscheidend. Vielmehr ist zu berücksichtigen, ob ein „Idealfahrer“ überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre. Der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr nun (zu spät) „ideal“ verhält. Der „Idealfahrer“ hat in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind,Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden.
… sondern darauf, ob der Fahrer vorausschauend gehandelt hat
Dahinstehen kann also, ob der Sturz des Klägers noch im Zeitpunkt des Abbremsens durch kontrolliertes Betätigen der Vorderradbremse vermeidbar gewesen wäre. Denn ein Idealfahrer, der weiß, dass sein Motorrad nicht über ein ABS verfügt und bei einer reflexhaften Vollbremsung ein Sturz droht, hätte von vornherein eine Fahrweise gewählt, mit der ein reflexhaftes Bremsen in der Situation des Klägers vermieden worden wäre. Er hätte den Abstand zum Vorausfahrenden und die Geschwindigkeit so bemessen, dass er selbst im Fall plötzlich scharfen Bremsens des Vorausfahrenden – das er stets einkalkulieren muss – noch hätte kontrolliert bremsen und sowohl einen Sturz als auch eine Kollision mit dem Vorausfahrenden hätte vermeiden können.
Quelle | BGH, Urteil vom 3.12.2024, VI ZR 18/24
| Besuchen Halbgeschwister, die mit dem gemeinsamen Elternteil zusammenleben, gleichzeitig im Stadtgebiet Kindertageseinrichtungen, sind bei der Festsetzung von Elternbeiträgen hierfür satzungsrechtliche Geschwisterermäßigungen oder -befreiungen zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Halbgeschwister neben dem gemeinsamen Elternteil auch mit dem anderen Elternteil des einen Kindes in häuslicher Gemeinschaft zusammenleben. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden. |
Beitragsbefreiung oder nicht?
Die gemeinsame, im Juli 2019 geborene Tochter der Kläger nahm im Schuljahr 2021/2022 das Betreuungsangebot einer Kindertageseinrichtung in der beklagten Stadt wahr. Mit ihr und ihren Eltern lebte seinerzeit ein weiteres von der Klägerin, nicht aber vom Kläger abstammendes Kind in der gemeinsamen Wohnung, das dieselbe Kindertageseinrichtung besuchte, wofür wegen Vollendung des vierten Lebensjahres aufgrund einer landesrechtlichen Bestimmung kein Elternbeitrag zu leisten war. Die Stadt setzte gegenüber den Klägern auf Basis ihres gemeinsamen Jahreseinkommens einen monatlichen Elternbeitrag in Höhe von 313 Euro fest. Hiergegen wandten sich die Kläger und beriefen sich auf eine Vorschrift der Elternbeitragssatzung (im Folgenden nur: Satzung) der beklagten Stadt. Danach entfällt bei Eingreifen einer landesrechtlich – für die letzte Zeit in Tagesbetreuung vor der Einschulung – im Kinderbildungsgesetz (KiBiz) angeordneten Beitragsbefreiung „auch der Beitrag für das zweite und jedes weitere Kind“. Diese Regelung folgt auf eine in sonstigen Fällen maßgebliche „Geschwisterregelung“ in der Satzung, wonach „nur ein Beitrag zul eisten“ ist, wenn „aus einer Familie […] mehr als ein Kind Betreuungsangebote […] in Anspruch“ nimmt.
Die auf Aufhebung der Beitragsfestsetzung gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht (VG) Arnsberg ab. Die dagegen eingelegte Berufung der Kläger hatte vor dem OVG Erfolg.
Gemeinsames Kind als weiteres Kind zu berücksichtigen
Das OVG hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen angeführt: Das gemeinsame Kind der Kläger ist als weiteres Kind der Familie im Sinne der Geschwisterregelungen in der Satzung zu berücksichtigen. Die Gemeinschaft zweier leiblicher Kinder derselben Mutter mitdieser und deren neuem Partner, der Vater nur eines der beiden Kinder ist, istbereits unter Zugrundelegung eines verfassungsrechtlichenBegriffsverständnisses als eine Familie anzusehen. Ein anderes Verständnis desFamilien- bzw. Geschwisterbegriffs lässt sich weder der städtischen Satzungnoch höherrangigem Recht entnehmen. Die auf einer Ermächtigung desLandesgesetzgebers beruhende allgemeine Geschwisterregelung in der Satzung –bei mehreren Kindern nur ein Elternbeitrag – entspricht im Kern einer früherenlandesgesetzlichen Regelung. Dieser lag allgemein eine Entlastung von Familienmit mehreren Kindern zugrunde, ohne dass etwa nach Voll- oder Halbgeschwisternunterschieden wurde. Bei dem Umstand, dass mehrere mit einem oder beidenElternteilen in einem Haushalt zusammenlebende Kinder Angebote derTagesbetreuung in Anspruch nehmen, für die jedenfalls der gemeinsame Elternteilgrundsätzlich beitragspflichtig wäre, handelt es sich um einen Gesichtspunktder sozialen Staffelung der Kostenbeiträge. Diese ist sowohl im Bundes- alsauch im Landesrecht angelegt und ermöglicht neben der – mit dem Einkommenkorrespondierenden – wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit derBeitragspflichtigen auch die Berücksichtigung anderer Aspekte, wie die Zahl derim gemeinsamen Haushalt lebenden und in Kindertageseinrichtungen zu betreuendenKinder. Vor diesem Hintergrund kommt eine Differenzierung danach, dass beideKläger für das mit ihnen zusammenlebende gemeinsame Kind beitragspflichtigsind, während das ältere Kind allein von der Klägerin abstammt und nur dieseinsoweit beitragspflichtig sein kann, nicht in Betracht.
Quelle | OVG Münster, Urteil vom 27.11.2024, 12 A 1627/22, PM vom 12.12.2024
| Die auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage einer 66-jährigen Großmutter, die mit ihrem Enkelkind an einem Straßenumzug teilgenommen hatte und gestürzt war, hatte vor dem Landgericht (LG) Frankenthal keinen Erfolg. Das LG hat festgestellt: Die zuständige Gemeinde muss eine Straße wegen einer nur einmal jährlich stattfindenden Veranstaltung nicht besonders absichern. Es gelten vielmehr die üblichen Maßstäbe der Verkehrssicherungspflicht bei Straßen und Plätzen. |
Über Gullydeckel gestolpert
Die verletzte Frau gab an, bei einem Straßenumzug über einen bis zu drei Zentimeter über das Straßenniveau ragenden Gullydeckel gestolpert und gestürzt zu sein. Durch den Sturz habe sie sich das linke Handgelenk und das rechte Schultergelenk gebrochen. Sie war der Ansicht, vor dem Umzug hätte die zuständige Verbandsgemeinde die Strecke besonders kontrollieren und absichern, Stolpergefahren beseitigen und etwa den hochstehenden Gullydeckel mit einer Gummimatte sichern müssen. Sie verlangte rund 1.700 Euro Schadenersatz und ein Schmerzensgeld in Höhe von 13.000 Euro.
Mit Unebenheiten muss man rechnen
Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit der Unebenheit von deutlich unter drei Zentimetern habe die Frau rechnen müssen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei es auch jedem Teilnehmer bekannt und spätestens bei Beginn des Umzugs ersichtlich, dass die Sicht auf die Straße wegen der Menschenansammlung eingeschränkt sei. Eine besondere Absicherung der Straße aufgrund des einmal jährlich stattfindenden Großereignisses sei daher nicht geboten gewesen. Die Abdeckung des Gullydeckels mit einer Gummimatte hätte den Höhenunterschied und die Stolpergefahr möglicherweise nur zusätzlich erhöht. Im Übrigen treffe die Frau ein überwiegendes Mitverschulden, was die geltend gemachten Ansprüche ebenfalls ausschließe.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 15.8.2024, 3 O 88/24, PM vom 27.2.2025
| Hat der Versicherer im Policenbegleitschreiben auf das Bestehen eines Widerspruchsrechts und die hierfür geltenden Anforderungen allgemein hingewiesen und diese an einer genau bezeichneten Stelle im Einzelnen näher erläutert, sind die jeweiligen Textstellen nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr ist dann eine Gesamtwürdigung beider Textstellen – als einheitliche Belehrung – geboten. So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken. |
Begründung: Angesichts des konkreten Verweises auf die einschlägige Bestimmung in der Verbraucherinformation seien auch die dortigen weiteren Informationen für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne Weiteres auffindbar. Im Fall des OLG galt dies insbesondere, da der Verbraucherinformation ein Inhaltsverzeichnis vorangestellt war. Aus dem ergab sich, dass die im Policenbegleitschreiben zitierte Textstelle „Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Vertrag noch widersprechen?“ sich unter Ziffer 6 befindet, die ihrerseits auf der betreffenden Seite mit der fettgedruckten Überschrift „6. Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Vertrag noch widersprechen?“ hervorgehoben war.
Quelle | OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.1.2024, 5 U 60/23
| Werden in einem Wohnhaus tragende Wände entfernt und durch eine Stahlträgerkonstruktion ersetzt, muss dies einem potenziellen Käufer der Immobilie ungefragt mitgeteilt werden. Verschweigt der Verkäufer diesen Umstand, stellt dies eine arglistige Täuschung dar, die den Käufer zur Anfechtung des Kaufvertrags berechtigt. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken in einer aktuellen Entscheidung festgestellt und der Klage eines Ehepaars gerichtet auf die Rückabwicklung eines Immobilienkaufvertrags stattgegeben. |
Verkäufer verheimlichten Umbau
Ein Ehepaar aus Pirmasens entschloss sich, das von ihnen etwa 10 Jahre lang selbst bewohnte Wohnhaus zu verkaufen. Was es dem kaufinteressierten Ehepaar nicht erzählte, war, dass es vor einigen Jahren ihr Wohnzimmer vergrößert, und dazu durch eine im Ausland ansässige Firma tragende Trennwände im 1. OG des Hauses hatte entfernen lassen. Nach Entfernung der Wände wurde die Decke nur noch durch zwei Eisenträger gestützt, die direkt auf das Mauerwerk aufgelegt und zusätzlich durch Baustützen gestützt wurden, die eigentlich nur für den vorübergehenden Gebrauch gedacht sind. Diese Trägerkonstruktion wurde anschließend durch Verblendungen verdeckt und war nicht mehr ohne Weiteres sichtbar. Um einen Nachweis über die Statik hatten sich die Eigentümer im Nachgang nicht bemüht.
Käufer fochten Kaufvertrag erfolgreich an
Als die neuen Eigentümer dann selbst einige bauliche Veränderungen an dem Haus durchführen wollten, beauftragten sie u. a. einen Statiker. Dieser stellte fest, dass die Trägerkonstruktion im 1. OG unzulässig und nicht dauerhaft tragfähig sei. Das Ehepaar hat den Kaufvertrag über das Hausgrundstück daraufhin angefochten und das Verkäuferehepaar auf Rückabwicklung verklagt. Mit Erfolg.
Das OLG gab dem Käuferehepaar Recht und verurteilte die Verkäufer zur Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückübereignung des Hausgrundstücks. Die Verkäufer seien in der Pflicht gewesen, auch ungefragt darüber zu informieren, dass tragende Wände entfernt, und damit in die Statik des Wohnhauses eingegriffen wurde. Erst recht hätten sie darüber aufklären müssen, dass kein Nachweis hinsichtlich der statischen Tragfähigkeit der Stahlträgerkonstruktion vorliege. Auch sei darüber zu informieren gewesen, dass die Arbeiten durch eine den Verkäufern kaum bekannte ausländische Firma durchgeführt wurden und zu den genauen Maßnahmen keinerlei Unterlagen vorlägen. Dies alles gälte auch, obwohl die Verkäufer wohl selbst von der ausreichenden Tragfähigkeit der Konstruktion ausgingen und auch obwohl die Käufer das Haus vor dem Kauf zusammen mit einer Bausachverständigen besichtigt hatten. Die Statik eines Wohnhauses sei im Hinblick auf mögliche Gefahren für die Gebäudesubstanz und auch für Leib und Leben der Bewohner von so wesentlichem Interesse, dass eine Veränderung an ihr einem Grundstückserwerber in jedem Fall ungefragt zu offenbaren sei.
Quelle | OLG Zweibrücken, Urteil vom 27.9.2024, 7 U 45/23, PM vom 25.2.2025
| Das Amtsgericht (AG) Flensburg hat entschieden: Der Mieter muss gesundheitliche Beeinträchtigungen für sich oder die seine Mitbewohner und die nachteiligen Auswirkungen eines Umzugs durch Vorlage fachärztlicher Atteste ausführlich darstellen. Sein Vortrag muss so konkret sein, dass das Gericht den Eintritt von relevanten Nachteilen als hinreichend wahrscheinlich annehmen kann. Dann ist das Gericht gehalten, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Der bloße unstreitige Umstand, dass die Kinder des Mieters einen Behindertenausweis und einen Pflegegrad zugesprochen bekommen haben, genügt nicht. Ohne Erläuterungen, welche Krankheiten oder Behinderungen die Kinder haben, kann das Gericht keinen Härtegrund annehmen. |
Der Vermieter kündigte den unbefristeten Wohnraummietvertrag wegen Eigenbedarf. Er begründete dies damit, er benötige das Objekt für sich und seine Lebensgefährtin als neuen Lebensmittelpunkt. Die Mieter widersprachen der Kündigung und beriefen sich insbesondere auf gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Mieterin leide an einer Angststörung und posttraumatischen Belastungsstörung und die beiden Kinder seien schwerbehindert und pflegebedürftig. Ein Umzug sei für die Familie unzumutbar.
Damit hatten sie vor dem AG keinen Erfolg. Das AG war nach der Zeugenvernehmung davon überzeugt, dass der Vermieter die Räume wegen der geplanten Familiensituation ernsthaft benötigte. Dass die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist, erkannte das AG nicht an. Denn die Mieter seien ihrer Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Härtegründe nicht nachgekommen.
Ein Härtegrund liege nur vor, wenn eine erhebliche Verschlechterung einer ernsten Erkrankung oder Lebensgefahr, die durch einen Sachverständigen zu klären ist, angenommen werden könne. Das Gericht hatte keine Anhaltspunkte, eine solche Verschlechterung des Gesundheitszustands der Kinder der Mieter anzunehmen. Der vorgelegte Behindertenausweis, das Pflegegutachten und das allgemeinärztliche Attest sprächen nur unkonkret von einer „gesundheitlichen Situation“ des Kindes. Das war dem Gericht zu unkonkret. Es fehle insbesondere vertiefter Vortrag dazu, wie sich die Erkrankung im Alltag auswirke und inwieweit mit einer Verschlechterung der Situation durch einen Umzug zu rechnen sei.
Quelle | AG Flensburg, Urteil vom 4.12.2024, 61 C 55/24
| Ein rechtlich beachtlicher Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses liegt nur vor, wenn sich der Anfechtende in einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses befunden hat, dagegen nicht, wenn lediglich falsche Vorstellungen von dem Wert der einzelnen Nachlassgegenstände vorgelegen haben. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschieden. |
Erblasserin wurde 106 Jahre alt
Die Erblasserin ist im Alter von 106 Jahren ohne Testament verstorben. Zuvor lebte sie seit längeren Jahren in einem Seniorenheim. Die Heim- und Pflegekostenkosten wurden aus Mitteln der Kriegsopferfürsorgestelle bestritten. Diese Leistungen wurden als Darlehen gewährt und durch eine Grundschuld an einem Haus der Erblasserin abgesichert. Der Ehemann der Erblasserin, ihre beiden Kinder und auch bereits ein Enkelkind waren vorverstorben. Gesetzliche Erben waren die Enkel und Urenkel der Erblasserin.
Enkelin schlug Erbschaft aus, Urenkel nicht
Nach dem Tod der Erblasserin hat u. a. die in gesetzlicher Erbfolge zur Erbin berufene Enkelin das Erbe ausgeschlagen und dabei angegeben, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Zwei Urenkel der Erblasserinnen haben das Erbe dagegen nicht ausgeschlagen. In der Folge wurde das Haus der Erblasserin unter Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Nachlasspflegerin an Dritte verkauft. Nach dem Verkauf des Hauses hat die Enkelin ihre Erklärung zur Erbausschlagung sodann wegen Irrtums angefochten. Danach hat sie die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der u. a. sie als Erbinzu 1/4 Anteil ausweisen sollte.
Das Nachlassgericht hat entschieden, dass der Erbschein wegen der angefochtenen Erbausschlagungserklärung der Enkelin, wie von ihr beantragt, erteilt werden müsse. Gegen diesen Beschluss wendete sich einer der Urenkel, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte, mit seiner Beschwerde.
Oberlandesgericht widersprach Nachlassgericht
Das OLG hat entschieden, dass der Erbscheinsantrag der Enkelin zurückzuweisen sei, da der von ihr beantragte Erbschein die eingetretene Erbfolge unzutreffend wiedergebe. Die Enkelin sei keine Erbin geworden, da sie die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und sie die Ausschlagungserklärung wegen Irrtums auch nicht wirksam anfechten könne.
Enkelin wusste nichts vom Bankkonto…
Soweit sie ihren Irrtum damit begründet habe, dass ihr erst im Nachhinein bekannt geworden sei, dass zum Nachlass ein Bankkonto bei der Kreissparkasse Köln mit einem vierstelligen Guthaben gehöre, läge zwar ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses vor. Dieser Irrtum hätte aber nicht ihre Ausschlagung der Erbschaft veranlasst. Denn selbst, wenn ihr das Konto bei der Kreissparkasse Köln bekannt gewesen wäre, hätte dies mangels wirtschaftlichem Gewicht des dortigen Guthabenbetrags gegenüber den restlichen Nachlasspositionen nichts an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses geändert.
… und unterschätzte den Verkaufserlös des Hauses
Soweit sich die Enkelin darauf berufe, sie habe sich geirrt, dass der Erlös aus dem Verkauf des Hauses der Erblasserin die Verbindlichkeiten aus dem mit der Grundschuld abgesicherten Darlehen für die Heim- undPflegekosten der Kriegsopferfürsorgestelle übersteige, liege kein Irrtum vor, der zur Anfechtung berechtige. Dieser Irrtum beruhe lediglich auf der unzutreffenden Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht über dessen Zusammensetzung.
Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14.8.2024, 8 W 102/23, PM vom 10.12.2024
| Beschränkt ein Bebauungsplan über ein Wochenendhausgebiet mittels sog. Baufenster die Bebaubarkeit von Flächen, kann für ein Grundstück, das außerhalb eines Baufensters gelegen ist, kein Bauvorbescheid erteilt werden. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Mainz. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist Pächterin eines Grundstücks, das im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, der ein Wochenendhausgebiet und hierfür überbaubare Flächen (sog. Baufenster) festsetzt. Das Pachtgrundstück ist danach nicht mit einem Wochenendhaus bebaubar, sondern nur mit Nebengebäuden, etwa zum Unterstellen von Gegenständen zur Freizeitnutzung.
Die Klägerin stellte einen Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheids zur Klärung der Frage, ob ihr Grundstück mit einem Wochenendhaus bebaubar sei, und beantragte hilfsweise eine Befreiung von der Festsetzung über die überbaubaren Flächen. Sie machte zur Begründung ihres Antrags geltend: Für jedes andere Grundstück in der Straße sehe der Bebauungsplan ein Baufenster vor, nicht aber für ihres – an vielen Stellen des Plangebiets seien nicht überbaubare Flächen zwischenzeitlich mit Gebäuden bebaut worden. Für ihr Grundstück sei sogar eine Hausnummer vergeben worden. Die Baugenehmigungsbehörde lehnte das Begehren ab. Das Widerspruchsverfahren blieb ohne Erfolg.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG wies die Klage ab. Die Errichtung eines Wochenendhauses auf dem Pachtgrundstück sei nicht genehmigungsfähig, denn für dieses sehe der Bebauungsplan keine Fläche vor, die mit einem solchen Gebäude bebaut werden dürfe.
Keine verdichtetete Bebauung im Erholungsgebiet gewünscht
Die Beschränkung der Bebaubarkeit der Flächen über das gesamte Plangebiet hinweg diene nach dem Willen der Gemeinde als Plangeberin der Verhinderung einer verdichteten Bebauung in dem Erholungsgebiet und dem Erhalt von Waldflächen. Damit liege eine städtebaulich legitimierte Planung vor, die auch das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) der von der Beschränkung betroffenen Eigentümer nicht verletze. Ohne den Bebauungsplan wären im Außenbereich Gebäude zur privaten Freizeitnutzung generell bauplanungsrechtlich unzulässig. Die Festsetzung über die beschränkte Bebaubarkeit, an deren Geltung die Gemeinde ausdrücklich weiter festhalte, sei auch nicht funktionslos geworden, sie könne die bauliche Entwicklung in dem Plangebiet auch künftig noch beeinflussen. Denn es gebe noch unbebaute Grundstücke, für die ebenfalls ein Baufenster festgesetzt sei. Der überwiegende Teil der Bebauung sei auch innerhalb der Baufenster verwirklicht worden.
Großer Teil hielt Regeln nicht ein: Bebauungsplan gilt trotzdem
Unerheblich sei hingegen, dass in einer Vielzahl von Fällen Grundstücke entgegen der Festsetzung zu den Baufenstern bebaut worden seien. Der Geltungsanspruch einer Norm, wie der eines Bebauungsplans, gehe nicht bereits dadurch unter, dass sich ein großer Teil der Betroffenen nicht an die Regelung halte. Die Vergabe einer Hausnummer diene allein ordnungsrechtlichen Belangen und begründe keine Baurechte für ein Grundstück. Eine Befreiung von der Festsetzung des Bebauungsplans über die beschränkte Bebaubarkeit der Grundstücke scheide aus, weil diese angesichts der Gesamtkonzeption einen Grundzug der Planung betreffe, über den die Baugenehmigungsbehörde – auch zur Vermeidung eines Präzedenzfalls – nicht hinweggehen könne. Allein die Gemeinde könne eine Umplanung des Bebauungsplans vornehmen.
Quelle | VG Mainz, Urteil vom 25.9.2024, 3 K 746/23.MZ, PM8/24
| Ein Energieberater schuldet zwar keinen Erfolg seiner Beratung in Form der tatsächlichen Förderung. Er muss aber korrekt beraten, sodass hieraus energetische Maßnahmen hervorgehen, die die Voraussetzungen der gesetzlichen Förderungsgrundlage erfüllen. Stellt er jedoch für die einzuhaltenden Wärmedurchgangskoeffizienten irrtümlicherweise auf die Werte des GEG ab, obwohl für die Förderung die Werte des BEG EM maßgeblich sind, sieht das Landgericht (LG) Berlin darin eine Verletzung seiner Beratungspflicht. Und das LG sieht den Berater sogar in der Pflicht, Schadenersatz zu leisten. |
Dienstvertragsrecht einschlägig
Das LG: Ein Energieberatungsvertrag ist als entgeltliche Geschäftsbesorgung einzuordnen, auf die Dienstvertragsrecht anzuwenden ist. Zwar wird angenommen, dass ein Energieberater in der Regel grundsätzlich keinen Erfolg in Form der tatsächlichen Förderung schulde oder dafür gar eine Garantie übernehme. Der Energieberater schuldet aber eine fachlich zutreffende Beratung, aus der energetische Maßnahmen hervorgehen, die die Voraussetzungen der gesetzlichen Förderungsgrundlage erfüllen.
Beratung zur Förderfähigkeit Hauptleistungspflicht
Diese Beratung im Hinblick auf förderfähige Maßnahmen stellt für den Verbraucher, der auf eine Förderung angewiesen ist, bei lebensnaher Betrachtung sogar eine Hauptleistungspflicht dar. Aufgabe einer Energie-Effizienz-Expertin im Rahmen der KfW-Förderung ist es regelmäßig, den Antragsteller über die passenden und aufeinander abgestimmten Sanierungsmaßnahmen für sein Gebäude zu beraten und gerade zu prüfen, ob diese technisch förderfähig sind, die Bestätigung zum Antrag und den späteren Verwendungsnachweis zu erstellen.
Konsequenzen
Gegenstand der Vertragsleistung war im Fall des LG die Beratung der energetischen Sanierung des Hauses in fachlicher Hinsicht und die Begleitung der Antragstellung beim Zuschussgeber mit dem Ziel der Förderungsfähigkeit der Baumaßnahmen. Der Energieberater hätte mithin geradezu treffend und vollständig dazu beraten und darauf hinwirken müssen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen auch wirklich förderungsfähig sind. Nicht umsonst hatte er ihr Honorar von einem Förderzuschuss abhängig gemacht und sogar unter die Bedingung einer Förderungsgewährung gestellt.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23
| Sichtbare Tätowierungen auf beiden Handrücken hindern die Zulassung zum Vorbereitungsdienst der Polizei nicht, wenn sie inhaltlich unbedenklich sind. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren entschieden. |
Tätowierungen auf den Handrücken
Die Antragstellerin begehrt die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst bei der Berliner Kriminalpolizei. Sie trägt unter anderem auf beiden Handrücken Tätowierungen. Bei den Motiven handelt es sich um Rosenblüten mit den Namen ihrer Kinder. Die Tattoos bedecken jeweils einen Großteil ihrer Handrücken. Die Berliner Polizei lehnte ihre Bewerbung deshalb ab. Hiergegen hat die Antragstellerin einen Eilantrag eingereicht.
Das VG hat dem Eilantrag teilweise stattgegeben und das Land Berlin verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Bewerbung der Antragstellerin zu entscheiden. Zur Begründung führt sie aus, das Tragen von Tätowierungen im sichtbaren Bereich könne einer Einstellung nur entgegenstehen, wenn die Tattoos über das übliche Maß hinausgingen und wegen ihrer besonders individualisierenden Art geeignet seien, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen.
Rosenblüten und Namen der Kinder: unkritischer Inhalt
Dies sei hier nicht der Fall. Es sei bereits zweifelhaft, ob die Tattoos der Antragstellerin über das übliche Maß hinausgingen. Vielfältige Tätowierungen, insbesondere von Blumen bzw. Pflanzen und persönlichen Daten, seien heutzutage weit verbreitet. Jedenfalls seien die Tattoos der Antragstellerin trotz ihrer Sichtbarkeit nicht geeignet, ihre amtliche Funktion in den Hintergrund zu drängen. Die klare Erkennbarkeit der Motive und deren unkritischer Inhalt böten Bürgerinnen und Bürgern keinen Anlass, über die persönlichen Überzeugungen der Antragstellerin als Privatperson zu spekulieren.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 27.2.2025, VG 26 L 288/24, PM 14/25
| Der professionelle Einsatz eines vollautomatischen Wanddruckers stellt kein zulassungspflichtiges Maler- und Lackiererhandwerk dar. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren entschieden. |
Laut Handwerkskammer bestand Meisterzwang
Die Antragstellerin stellt sog. Wanddrucker her, mit denen sich individuell vom Verwender programmierte Motive großflächig auf eine in der Regel vertikale Fläche auftragen lassen. Einer Käuferin des Wanddruckers wurde auf Nachfrage von der Handwerkskammer Berlin mitgeteilt, dass die gewerbliche Nutzung des Geräts zulassungspflichtig im Maler- und Lackierer-Handwerk sei und daher nur mit Fachkundenachweis und Eintrag in der Handwerksrolle gewerblich ausgeführt werden dürfe. Die Käuferin veröffentlichte die Auskunft auf ihrer Internetseite und erklärte, wegen des „Meisterzwangs“ keine Aufträge mehr für den Wanddrucker annehmen zu können.
Die Antragstellerin verlangte daraufhin von der Handwerkskammer insbesondere, diese – aus ihrer Sicht falsche – Auskunft zu widerrufen und zukünftig zu unterlassen. Die Veröffentlichung der Auskunft im Internet verursache ihr einen immensen wirtschaftlichen Schaden, weil die meisten ihrer Kunden über keinen entsprechenden Fähigkeitsnachweis verfügten. Nachdem die Handwerkskammer eine gesetzte Frist verstreichen ließ, hat die Antragstellerin bei Gericht einen Eilantrag und Klage eingereicht.
Verwaltungsgericht widersprach
Das VG hat dem Eilantrag stattgegeben. Begründung: Die Nutzung eines (vollautomatischen) Wanddruckers stelle für sich genommen regelmäßig keinen handwerklichen Betrieb eines Maler- und Lackierer-Handwerks dar. Sie sei vielmehr ohne Nachweis eines Fachkundenachweises oder einer Eintragung in die Handwerksrolle zulässig.
Weder Fachkundenachweis noch Eintragung in die Handwerksrolle notwendig
Die händischen Arbeitsschritte beim Bedienen des Wanddruckers beschränkten sich auf die Vorbereitung des Druckers und des Motivs sowie das Farbmanagement. Das Verbringen der Farbe auf die Oberfläche – als Kernbereich des Malerhandwerks – erfolge indes automatisiert. Angesichts der überschaubaren Komplexität und Schwierigkeit der Bedienung des Druckers genüge nach unbestrittener Darstellung der Antragstellerin eine zweitägige Schulung in aller Regel, um zufriedenstellende Ergebnisse mit dem Wanddrucker zu erzeugen. Die nötigen Vorbereitungshandlungen und das Mischen von Farben seien keine wesentlichen Tätigkeiten bei der Benutzung des Druckers, weil sie jedenfalls in unter drei Monaten erlernt werden könnten.
Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 19.2.2025, VG 4 L 847/24, PM vom 24.2.2025
| Verstößt der Arbeitgeber schuldhaft gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, dem Arbeitnehmer rechtzeitig für eine Zielperiode Ziele vorzugeben, an deren Erreichen die Zahlung einer variablen Vergütung geknüpft ist (Zielvorgabe), löst dies grundsätzlich einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadenersatz statt der Leistung aus. Voraussetzung: Eine nachträgliche Zielvorgabe kann ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen. So hat es das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Keine Vorgabe individueller Ziele
Der Kläger war bei der Beklagten bis zum 30.11.2019 als Mitarbeiter mit Führungsverantwortung beschäftigt. Arbeitsvertraglich war ein Anspruch auf eine variable Vergütung vereinbart. Eine ausgestaltende Betriebsvereinbarung bestimmt, dass bis zum 1.3. des Kalenderjahres eine Zielvorgabe zu erfolgen hat, die sich zu 70 % aus Unternehmenszielen und 30 % aus individuellen Zielen zusammensetzt, und sich die Höhe des variablen Gehaltsbestandteils nach der Zielerreichung des Mitarbeiters richtet. Am 26.9.2019 teilte der Geschäftsführer der Beklagten den Mitarbeitern mit Führungsverantwortung mit, für das Jahr 2019 werde, bezogen auf die individuellen Ziele, entsprechend der durchschnittlichen Zielerreichung aller Führungskräfte in den vergangenen drei Jahren von einem Zielerreichungsgrad von 142 % ausgegangen. Erstmals am 15.10.2019 wurden dem Kläger konkrete Zahlen zu den Unternehmenszielen einschließlich deren Gewichtung und des Zielkorridors genannt. Eine Vorgabe individueller Ziele für den Kläger erfolgte nicht. Die Beklagte zahlte an den Kläger für 2019 eine variable Vergütung von rund 15.600 Euro brutto.
Der Standpunkt der Parteien
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei ihm zum Schadenersatz verpflichtet, weil sie für das Jahr 2019 keine individuellen Ziele und die Unternehmensziele verspätet vorgegeben habe. Es sei davon auszugehen, dass er rechtzeitig vorgegebene, billigem Ermessen entsprechende Unternehmensziele zu 100 % und individuelle Ziele entsprechend dem Durchschnittswert von 142 % erreicht hätte. Deshalb stünden ihm unter Berücksichtigung der von der Beklagten geleisteten Zahlung weitere rund 16.000 Euro brutto als Schadenersatz zu. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Zielvorgabe sei rechtzeitig erfolgt und habe den Grundsätzen der Billigkeit entsprochen, weshalb ein Schadenersatzanspruch wegen verspäteter Zielvorgabe ausgeschlossen sei. Unabhängig davon könne der Kläger allenfalls eine Leistungsbestimmung durch Urteil nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 315 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 BGB) verlangen. Die Möglichkeit einer gerichtlichen Ersatzleistungsbestimmung schließe Schadenersatzansprüche wegen verspäteter Zielvorgabe aus. Im Übrigen sei die Höhe eines möglichen Schadens falsch berechnet.
Arbeitgeber verstieß gegen Pflicht aus Betriebsvereinbarung
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht (LAG) hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagte, wie vom LAG zu Recht erkannt, einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von rund 16.000 Euro brutto. Die Beklagte hat ihre Verpflichtung zu einer den Regelungen der Betriebsvereinbarung entsprechenden Zielvorgabe für das Jahr 2019 schuldhaft verletzt, indem sie dem Kläger keine individuellen Ziele vorgegeben und ihm die Unternehmensziele erst verbindlich mitgeteilt hat, nachdem bereits etwa ¾ der Zielperiode abgelaufen waren.
Arbeitnehmer siegt: kein Mitverschulden, keine Anrechnung
Eine ihrer Motivations- und Anreizfunktion gerecht werdende Zielvorgabe war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Deshalb kommt hinsichtlich der Ziele auch keine nachträgliche gerichtliche Leistungsbestimmung in Betracht. Bei der im Wege der Schätzung zu ermittelnden Höhe des zu ersetzenden Schadens war von der für den Fall der Zielerreichung zugesagten variablen Vergütung auszugehen und anzunehmen, dass der Kläger bei einer billigem Ermessen entsprechenden Zielvorgabe die Unternehmensziele zu 100 % und die individuellen Ziele entsprechend dem Durchschnittswert von 142 % erreicht hätte.
Besondere Umstände, die diese Annahme ausschließen, hat die Beklagte nicht dargetan. Der Kläger musste sich kein anspruchsminderndes Mitverschulden anrechnen lassen. Bei einer unterlassenen oder verspäteten Zielvorgabe des Arbeitgebers scheidet ein Mitverschulden des Arbeitnehmers wegen fehlender Mitwirkung regelmäßig aus, weil allein der Arbeitgeber die Initiativlast für die Vorgabe der Ziele trägt.
Quelle | BAG, Urteil vom 19.2.2025, 10 AZR 57/24, PM 7/25
| Säumniszuschläge werden festgesetzt, wenn die Zahlung nicht pünktlich erfolgt. Nach der Abgabenordnung (hier: § 240 AO) ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen Steuerbetrags zu entrichten, umgerechnet auf das Jahr also 12 %. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass wegen des deutlichen und nachhaltigen Anstiegs der Marktzinsen, der seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 zu verzeichnen ist, jedenfalls seit März 2022 keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Zuschläge bestehen. |
Darüber hinaus hat der BFH in diesem Verfahren Folgendes entschieden: Wenn das Finanzamt zwar Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt, deren Wirkung aber von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig macht, bewirkt die spätere Leistung der Sicherheit im Regelfall, dass die AdV mit (Rück-)Wirkung ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung eintritt und zuvor etwaig entstandene Säumniszuschläge entfallen.
Beachten Sie | Das Finanzamt kann allerdings ausdrücklich anordnen, dass die Wirkung der AdV erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung der Sicherheit beginnt.
Quelle | BFH, Beschluss vom 21.3.2025, X B 21/25 (AdV)
| Eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft steht der Anerkennung einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft grundsätzlich nicht entgegen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Eine Organschaft führt bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dazu, dass nicht mehr die Organgesellschaft ihren Gewinn zu versteuern hat, sondern der Organträger.
Beachten Sie | Die gemäß Körperschaftsteuergesetz (hier: §§ 14 ff. KStG) enthaltenen Regelungen für die Organschaft führen im Ergebnis dazu, dass z. B. in Konzernen die Konzernspitze (als Organträger) die Gewinne sämtlicher Tochtergesellschaften (als Organgesellschaften) zu versteuern hat, aber Verluste und Gewinne der verschiedenen Tochtergesellschaften dabei auch unmittelbar miteinander verrechnet werden können. Insbesondere dieser steuerliche Vorteil hat zu einer weiten Verbreitung der Organschaft in Deutschland geführt.
Das war geschehen
Im Streitfall hatte eine Kommanditgesellschaft (KG) mit einer GmbH einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, um eine Organschaft zu begründen. Danach war die „abhängige“ GmbH als Organgesellschaft verpflichtet, den ganzen von ihr erwirtschafteten Gewinn an die KG als Organträger abzuführen.
Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass an der GmbH als Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung bestand.
Bundesfinanzhof widerspricht Vorinstanzen
Da dem atypisch still Beteiligten ein Anteil von 10 % des Gewinns der GmbH zustand, vertraten das Finanzamt und nachfolgend auch das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern die Auffassung, dass lediglich 90 % des Gewinns an die KG als Organträger abgeführt worden sei, das Gesetz aber die Abführung des ganzen Gewinns fordere. Die Organschaft sei daher insgesamt nicht anzuerkennen. Dem ist der BFH aber nun entgegengetreten.
§ 14 Abs. 1 KStG setzt einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 des Aktiengesetzes (AktG) und die strikte Erfüllung der zivilrechtlichen Vertragspflichten voraus. Was als ganzer Gewinn abzuführen ist, bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Gewinnbeteiligungen, die einem stillen Gesellschafter zustehen, sind im Zivilrecht aber als Geschäftsunkosten vom Gewinn der GmbH abzusetzen. Dies betrifft sowohl die typische als auch die atypisch stille Gesellschaft.
Folglich ist der hiernach verbleibende „Rest-Gewinn“ (im Streitfall also die 90 %) der ganze Gewinn, der an den Organträger abgeführt werden muss. Dass eine (typische oder atypische) stille Beteiligung zivilrechtlich als Teilgewinnabführungsvertrag qualifiziert wird, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.12.2024, I R 33/22, PM 21/25 vom 3.4.2025
| Wenn eine per E-Mail versandte Werklohnrechnung gehackt und unbefugt verändert wird und der Kunde deshalb an einen unbekannten Dritten zahlt, muss er nicht noch einmal an den Werkunternehmer zahlen, wenn dieser die Rechnung ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung versandt hat und deshalb gegen ihn ein Schadenersatzanspruch gemäß Datenschutz-Grundverordnung (hier: Art. 82 DS-GVO) besteht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, erneut ihre Werklohnforderung zu zahlen, nachdem der Betrag wegen einer Manipulation der per E-Mail versandten Rechnung durch kriminell handelnde Dritte dem Konto eines Unbekannten gutgeschrieben wurde.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für die Installation von Haustechnik. Sie führte für die Beklagte Installationsarbeiten durch und rechnete die erbrachten Leistungen ihr gegenüber in drei Abschlagsrechnungen ab. Diese wurden jeweils als Anlage zu einer E-Mail im PDF-Format übersandt. Die ersten zwei Abschlagsrechnungen beglich die Beklagte per Überweisung an die auf den Rechnungen angegebenen Bankverbindungen der Klägerin.
Die dritte Abschlagsrechnung über rund 15.000 Euro, die zugleich die Schlussrechnung war, versandte die Klägerin ebenfalls als Anlage im PDF-Format per E-Mail. Diese Rechnung war jedoch auf ungeklärte Weise durch einen Dritten manipuliert worden, so dass die Beklagte den Rechnungsbetrag auf das Konto des unbekannten Dritten überwies. Auf dem Konto der Klägerin ging deshalb auf die Schlussrechnung keine Zahlung ein.
Keine Erfüllung durch Zahlung an unbekannten Dritten
Das Landgericht (LG) hat die Beklagte deshalb zur erneuten Zahlung verurteilt, weil eine Erfüllung durch die Zahlung an den unbekannten Dritten nicht eingetreten ist. Es hat ausgeführt, dass die Klägerin auch keine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat, sodass die Beklagte keinen Schadenersatzanspruch hat, den sie der Klageforderung gemäß § 242 BGB entgegenhalten kann. Die Klägerin hat nach Auffassung des LG keine Pflichtverletzung begangen, weil die von ihr vorgetragenen Schutzvorkehrungen in Form einer Transportverschlüsselung per SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) über TLS (Transport Layer Security) beim E-Mail-Verkehr mit Vertragspartnern ausreichend sind.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG hat in zweiter Instanz das Urteil des LG geändert und die Klage abgewiesen. Es hat entschieden, dass die Zahlung der Beklagten an einen Dritten zwar keine Erfüllung der Forderung bei der Klägerin bewirkt. Im Gegensatz zum Landgericht hat es jedoch einen Schadenersatzanspruch der Beklagten bejaht, den diese der Werklohnforderung der Klägerin nach § 242 BGB entgegenhalten kann, so dass sie die Forderung nicht noch einmal bezahlen muss.
Dieser Schadenersatzanspruch ergibt sich nach der Entscheidung des OLG aus Art. 82 Abs. 2 DS-GVO, weil die Klägerin im Zuge der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Beklagten bei Versand der streitgegenständlichen E-Mail mit Anhang gegen die Grundsätze der Art. 5, 24 und 32 DS-GVO verstoßen hat. Das OLG hält die Transportverschlüsselung, die beim Versand der streitgegenständlichen E-Mail in Form von SMTP über TLS verwendet worden sein soll, nicht für ausreichend und damit auch nicht als zum Schutz der Daten „geeignet“ im Sinne der DS-GVO.
Das OLG hob hervor, dass heute jedem Unternehmen, das personenbezogene Daten seiner Kunden computertechnisch verarbeitet, bewusst sein muss, dass der Schutz dieser Daten hohe Priorität – auch beim Versenden von E-Mails – genießt. Unternehmen müssen diesen Schutz durch entsprechende Maßnahmen so weit wie möglich gewährleisten.
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unabdingbar
Gerade bei sensiblen oder persönlichen Inhalten ist nach der Entscheidung des OLG nur eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Schutz im Sinne der DS-GVO geeignet, wenn ein hohes finanzielles Risiko durch Verfälschung der angehängten Rechnung für den Kunden besteht. Dass Kunden von Unternehmen bei einem Datenhacking Vermögenseinbußen drohen, ist ein Risiko, das dem Versand von Rechnungen per E-Mail immanent ist und deshalb eine entsprechende Voraussicht und ein proaktives Handeln erfordert. Der dafür erforderliche technische und finanzielle Aufwand kann auch von einem mittelständischen Handwerksbetrieb erwartet werden, wenn es seine Rechnungen nicht per Post versendet.
Quelle | OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.12.2024, 12 U 9/24, PM 1/25
| Wer im Zusammenhang mit seiner kommunalpolitischen Tätigkeit Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder erhält (im Streitfall ein ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats), erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Diese sind im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung zu verbeitragen. Dies hat jedenfalls das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen entschieden. |
Das LSG Nordrhein-Westfalen stellte heraus: Für die Zuordnung von Einnahmen zum Arbeitseinkommen ist die steuerliche Abgrenzung der Einkunftsarten maßgebend. Bei Anlegung dieser Maßstäbe handelt es sich auch bei den Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer kommunalpolitischen Tätigkeit in Gestalt von Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern erzielt werden, um Arbeitseinkommen nach dem Sozialgesetzbuch IV (hier: § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV).
Gegen dieses Urteil ist die Revision beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig.
Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.3.2024, L 5 KR 551/21, Rev. BSG: B 6 a/12 KR 12/24 R
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Die Verwendung von geschlechtsspezifischen Sterbetafeln bei der Bewertung lebenslänglicherNutzungen und Leistungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot. |
Hintergrund: Die Heranziehung geschlechterdifferenzierender Sterbetafeln dient dem Ziel, die Kapitalwerte lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen mit zutreffenden Werten zu erfassen und eine Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.
Da die statistische Lebenserwartung von Männern und Frauen unterschiedlich hoch ist, ermöglichen die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Vervielfältiger genauere und realitätsgerechtere Bewertungsergebnisse als geschlechtsneutrale Vervielfältiger.
Beachten Sie | Die Anwendung der geschlechtsspezifischen Sterbetafeln kann sich für den Steuerpflichtigen je nach Fallkonstellation günstiger oder ungünstiger auswirken und führt nicht per se zu einer Benachteiligung aufgrund des eigenen Geschlechts.
Der BFH musste nicht entscheiden, welche Auswirkungen sich aus dem am 1.11.2024 in Kraft getretenen Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) für die Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen ergeben.
Quelle | BFH, Urteile vom 20.11.2024, II R 38/22, II R 41/22, II R 42/22; PM 23/25 vom 10.4.2025
| Aufwendungen des Steuerpflichtigen für einen Umzug in eine andere Wohnung, um dort (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs(BFH) auch, wenn der Steuerpflichtige – wie in Zeiten der Corona-Pandemie – zwangsweise zum Arbeiten im häuslichen Bereich angehalten ist oder durch die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren sucht. |
Das war geschehen
Eheleute lebten mit ihrer Tochter in einer 3-Zimmer-Wohnung und arbeiteten nur in Ausnahmefällen im Homeoffice. Ab März des Streitjahrs 2020 (zunächst bedingt durch die Corona-Pandemie) arbeiteten sie überwiegend im Homeoffice, dort im Wesentlichen im Wohn-/Esszimmer. Ab Mai 2020 zogen sie in eine 5-Zimmer-Wohnung, in der sie zwei Zimmer als häusliches Arbeitszimmer einrichteten und nutzten.
Den Aufwand für die Nutzung der Arbeitszimmer und die Kosten für den Umzug in die neue Wohnung machten die Eheleute als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte zwar die Aufwendungen für die Arbeitszimmer an, mangels beruflicher Veranlassung lehnte es den Abzug der Kosten für den Umzug jedoch ab.
Demgegenüber bejahte das Finanzgericht (FG) Hamburg den Werbungskostenabzug auch für die Umzugskosten. Der Umzug in die größere Wohnung sei beruflich veranlasst gewesen, da er zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen geführt habe.
Dem folgte der BFH aber (aus Steuerzahlersicht „leider“) nicht und bestätigte die ablehnende Entscheidung des Finanzamts.
Wohnung: privater Lebensbereich
Die Wohnung ist grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Daher zählen die Kosten für einen Wohnungswechsel regelmäßig zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung. Etwas anderes gilt nur, wenn die berufliche Tätigkeit den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel dargestellt hat und private Umstände allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben.
Beachten Sie | Dies ist aber nur aufgrund außerhalb der Wohnung liegender Umstände zu bejahen, etwa wenn
- der Umzug Folge eines Arbeitsplatzwechsels gewesen ist oder
- sich die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit durch den Umzug um mindestens eine Stunde täglich vermindert
Die Möglichkeit, in der neuen Wohnung (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, genügt nicht zur Begründung einer beruflichen Veranlassung des Umzugs. Es fehlt insoweit an einem objektiven Kriterium, das nicht auch durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist.
Die Entscheidung, in der neuen, größeren Wohnung (erstmals) ein Zimmer als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer „Arbeitsecke“ auszuüben, beruht auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatz verfügt oder durch die Arbeit im Homeoffice versucht, das Berufs- und Familienleben zu vereinbaren.
Quelle | BFH, Urteil vom 5.2.2025, VI R 3/23, PM 24/25 vom 17.4.2025
| Ein mit einem Preisgeld dotierter Wissenschaftspreis kann nur dann Arbeitslohn darstellen, wenn er dem Arbeitnehmer für Leistungen verliehen wird, die er gegenüber seinem Dienstherrn erbracht hat. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Fall eines Professors entschieden. |
Der Professor hatte die Habilitationsschriften überwiegend vor der Berufung in das Professorendienstverhältnis verfasst. Der preisbewehrten Habilitation lag zwar eine wissenschaftliche Forschungsleistung zugrunde. Diese gründete aber nicht auf der Forschungstätigkeit als Hochschullehrer. Wissenschaftspreis und Preisgeld stellten sich daher nicht als „Frucht“ dieser Tätigkeit dar.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 12/22
| Kann in Deutschland steuerpflichtigen Personen eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen inder Schweiz gewährt werden? Das Finanzgericht (FG) Köln hält das für möglich und hat sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar mit deutscher und schweizerischer Staatsbürgerschaft wohnte in der Schweiz. Der Ehemann war als Arbeitnehmer in Deutschland tätig und unterhielt hierfür eine Wohnung in Deutschland. Für das gemeinsame Haus in der Schweiz beauftragten die Eheleute verschiedene Handwerks- und Gartenbauarbeiten i. S des Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 a EStG) und begehrten eine Ermäßigung ihrer Einkommensteuer.
Das Finanzamt lehnte dies jedoch ab, weil die Dienstleistungen in der Schweiz ausgeführt wurden (vgl. § 35 a Abs. 4 S. 1 EStG). Hiergegen erhoben die Eheleute erfolgreich Klage.
Freizügigkeitsabkommen
Das FG Köln bezweifelt, ob es mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist, dass die Steuerermäßigung nur für Dienstleistungen beansprucht werden kann, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt ausgeübt oder erbracht werden.
Beachten Sie | Bis zur Entscheidung des EuGH ist das Verfahren ausgesetzt.
Quelle | FG Köln, Beschluss vom 20.2.2025, 7 K 1204/22; PM vom 25.3.2025; EuGH: C-223/25
| Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen, z. B. Sachverständigengutachten, sind in der Regel nicht notwendig und werden daher nicht erstattet. Das ist der Grundsatz, von dem die Rechtsprechung ausgeht. Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme – wie eine Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Senftenberg anschaulich zeigt. |
Schwierige technische Fragestellungen
Ausnahmsweise werden nach dieser Entscheidung die Kosten z. B. für das Einholen eines privaten Sachverständigengutachtens unter anderem als notwendige Kosten anerkannt, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind. Gleiches gilt, wenn aus Sicht des Betroffenen aus einer Anfangsbetrachtung ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre.
Amtsgericht hält Kosten ausnahmsweise für erstattungsfähig
Diese Grundsätze hat das AG in seiner Entscheidung bestätigt. Es hat die Kosten für ein Sachverständigengutachten, mit dem die Messdaten einer Geschwindigkeitsmessung überprüft worden sind, daher als erstattungsfähig angesehen.
Quelle | AG Senftenberg, Urteil vom 28.2.2024, 50 OWi 1617 Js 22408/22
| Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h liegenden Tempo fährt, muss seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten. Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des Navigationssystems kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entschieden. |
Konzentrieren und Gerätebedienen ist gefährlich
Geklagt hatte eine Autovermieterin gegen den Fahrer eines vermieteten Pkw. Der Fahrer war auf der Autobahn verunfallt und hatte den Wagen beschädigt. Während er auf der linken Spur fuhr, bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs bei Tempo 200, um dort Informationen abzurufen. Dabei geriet das Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke.
Mietvertrag sah Kürzung der Haftungsfreistellung vor
Das Gericht verwies auf die Vereinbarung im Mietvertrag. Danach könne die Haftungsfreistellung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt werden. Der Fahrer habe hier grob fahrlässig gehandelt. Die Autovermieterin könne daher die Hälfte des Schadens – ca. 12.000 Euro – bei ihm geltend machen.
Für das Gericht war es dabei unerheblich, dass der Pkw einen sog. Spurhalteassistenten hatte. Zumindest bei derart hohen Geschwindigkeiten reduziere dieser den Schuldvorwurf nicht.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 2.5.2019, 13 U 1296/17
| Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie beschäftigt immer noch die Gerichte. Aktuell hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden: Die Mitglieder einer Fahrgemeinschaft waren auch in der Corona-Hochphase für gegenseitige Ansteckungen nicht verantwortlich zu machen. Eine auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage eines Mitfahrers hat das LG deshalb abgewiesen. |
Im Frühjahr 2022 stieg der Mitfahrer ohne Maske zu seinem Kollegen ins Auto, um gemeinsam zur Arbeit zu fahren. Am Abend desselben Tages schrieb er in die WhatsApp-Gruppe der Fahrgemeinschaft, dass er positiv getestet sei und sich in Quarantäne befinde.
Fahrer behauptete Ansteckung und verlangte Schmerzensgeld
Der schon zuvor an Asthma erkrankte Fahrer behauptete im Prozess, er habe sich während der gemeinsamen Fahrt mit dem Coronavirus infiziert und sei nun dauerhaft arbeitsunfähig („Post-Covid-Syndrom“). Der Mitfahrer schulde ihm daher Schmerzensgeld in Höhe von nicht unter 20.000 Euro, weitere 4.000 Euro Schadenersatz und müsse darüber hinaus für zukünftig auftretende Schäden einstehen.
Landgericht: Reine Gefälligkeit – keine Haftung
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Im Rahmen der wechselseitigen Gefälligkeit einer Fahrgemeinschaft sei bereits unter den Gesichtspunkten eines stillschweigenden Haftungsverzichts und des Handelns auf eigene Gefahr eine gegenseitige Haftung ausgeschlossen. Es sei zudem aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie allgemein bekannt gewesen, dass enger persönlicher Kontakt die Hauptinfektionsquelle darstellte. Obwohl der unter Asthma leidende Fahrer bemerkt habe, dass sein Kollege beim Einsteigen keine Maske trug, habe er ihn nicht gebeten, eine solche aufzusetzen. Er habe sich daher erkennbar trotz seiner Vorerkrankung dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Dass er sich keine Gedanken über einen ungünstigen Verlauf einer Infektion mit möglichen Dauer- und Folgeschäden gemacht habe, rechtfertige keine andere Beurteilung.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 16.12.2024, 7 O 110/24, PM vom 31.1.2025
| Mit der Frage, ob ein 13-jähriges Kind für einen Glasschaden an einem Schaufenster verantwortlich ist, hat sich das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. |
Glasbruch nach Nutzung eines Spielgeräts
Das Kind hatte in der Fußgängerzone von Frankenthal ein festmontiertes Spielgerät in Gestalt einer Drehscheibe genutzt und war beim Absteigen gegen ein daneben befindliches Schaufenster getaumelt. Für den dadurch entstandenen Glasbruch muss das Kind nicht haften, entschied das LG und hat die Klage der Ladenbesitzer abgewiesen.
Der Junge gab an, dass er auf dem Schulweg an dem Spielgerät vorbeigekommen sei. Er habe sich auf das Karussell gestellt, das ein Freund gedreht habe, zunächst langsam, dann immer schneller. Nachdem der Freund die Drehung gestoppt habe, sei er rückwärts gegen die keine drei Meter entfernte Fensterscheibe getaumelt, die daraufhin zerbrochen sei.
Schaden schuldhaft verursacht?
Die Ladenbesitzer warfen dem Jungen vor, den Schaden schuldhaft verursacht zu haben. Er sei bereits zu alt gewesen für das Karussell, zudem habe er sich damit zu schnell gedreht. Die Sturzgefahr und der mögliche Glasbruch seien für ihn erkennbar gewesen.
Landgericht: kein Verschulden des Kindes!
Das LG ging zwar davon aus, dass sich der 13-Jährige der grundsätzlichen Stolpergefahr durchaus bewusst und auch hinreichend einsichtsfähig war. Beides ist erforderlich, damit Minderjährige in diesem Alter überhaupt selbstständig haften. Gleichwohl konnte das LG das für einen Schadenersatzanspruch erforderliche Verschulden des Kindes nicht feststellen. Denn der Junge habe die Drehscheibe bestimmungsgemäß genutzt. Es sei gerade Sinn und Zweck des Karussells, trotz der Drehbewegung die Balance zu halten und der Gefahr des Herunterfallens zu trotzen. Das Kind sei weder zu alt noch zu groß für das Spielgerät gewesen.
Das Gericht hat nicht verkannt, dass die Ladenbesitzer nun auf ihrem Glasschaden sitzen bleiben. Dies resultiert gemäß LG jedoch daraus, dass unsere Rechtsordnung – von einigen hier nicht vorliegenden Sonderfällen abgesehen – dem Prinzip der Verschuldenshaftung folgt.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 29.11.2024, 9 O 27/24, PM vom 19.12.2024
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Bürgergeldempfänger gelten nicht als hilfebedürftig, wenn sie ein (zu) großes Einfamilienhaus gebaut haben und dessen Wert zur Sicherung des Lebensunterhalts nutzen können. |
Familie hatte während Bürgergeldbezug größeres Haus gebaut
Dem Verfahren lag ein Eilantrag einer Familie aus dem Emsland zugrunde. Diese hatte ihr selbstbewohntes Hausgrundstück für 514.000 Euro verkauft, nachdem sie während des Bürgergeldbezugs ein neues Haus gebaut hatte. Aufgrund des erzielten Verkaufserlöses hob der Grundsicherungsträger die Leistungsbewilligung auf.
Demgegenüber vertrat die Familie die Auffassung, das neue Haus sei geschütztes Vermögen und dürfe nicht zur Deckung des Lebensunterhalts herangezogen werden. Zudem berief sie sich auf die gesetzliche Karenzzeit von 12 Monaten, während der auch großzügige Wohnverhältnisse voll finanziert werden müssten.
Landessozialgericht: Familie nicht bedürftig
Das LSG bestätigte die Auffassung der Behörde. Die Familie sei nicht bedürftig, da das neue Hausgrundstück mit 254 m² Wohnfläche und sieben Bewohnern kein geschütztes Vermögen darstelle. Eine Verwertung des Vermögens zur Sicherung des Lebensunterhalts sei durch Beleihung möglich. Bei einem Verkehrswert von 590.000 Euro und einer Grundschuld von 150.000 Euro stehe ein unbelasteter Wert von 440.000 Euro zur Verfügung.
Die Berufung auf die gesetzliche Karenzzeit lehnte das Gericht ebenfalls ab. Die Regelung diene dem Zweck, dass Leistungsempfänger nicht sofort ihr angespartes Vermögen, etwa für die Altersvorsorge, aufbrauchen müssen, wenn sie nur vorübergehend auf Bürgergeld angewiesen sind. Die Karenzzeit solle dabei helfen, plötzliche Härten abzufedern.
Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um eine unerwartete Notlage, sondern um langjährige Leistungsbezieher, die ihre Wohnsituation und ihr Immobilienvermögen optimieren wollten. So habe die Familie als Verkaufsgrund des alten Hauses angegeben, die Entfernung zur Innenstadt sei ihnen zu weit gewesen.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.1.2025, L 11 AS 372/24 B ER, PM vom 20.1.2025
| Der gezahlte Reisepreis kann um 30 Prozent gemindert werden, wenn das Gepäck des Pauschalreisenden beim Hinflug zu spät ausgeliefert wird und deshalb während einer Kreuzfahrt in die Arktis nicht zur Verfügung steht. So entschied es das Landgericht (LG) München II zugunsten der Reisenden. |
Es ging um eine Expeditionsreise
Der Kläger und seine Mutter hatten im Jahr 2023 bei der Beklagten eine elftägige Pauschalreise nach Norwegen mit anschließender Kreuzfahrt „Auf den Spuren der Eisbären“ gebucht. Während des Hinflugs kam es zu einer verspäteten Auslieferung aller Gepäckstücke der Reisenden. Der Kläger und seine Mutter meldeten ihr Gepäck als verloren und erstatteten unverzüglich Schadensanzeige. Vor der Abfahrt des Schiffs kauften sie in Outdoor-Läden in Norwegen das Notwendigste ein. An Bord gab es eine Boutique und einen Wäscheservice. Schuhe und Parka für die Expeditionen an Land wurden gestellt. Die Beklagte erstattete den Reisenden außergerichtlich 25 Prozent vom gezahlten Reisepreis und 1.500 Euro (von 2.306,07 Euro) für die Ersatzbeschaffungen. Vor Gericht machte der Kläger den Restbetrag für die Ersatzbeschaffungen, weitere 15 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und einen „Schadenersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreuden“ geltend.
Landgericht sprach Minderung zu
Das LG sprach dem Kläger eine Minderung in Gesamthöhe von 30 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und für die Ersatzbeschaffungen weitere 516,20 Euro zu; einen Anspruch auf Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wies das LG jedoch ab.
Das LG begründete seine Entscheidung damit, dass das Fehlen von Gepäck mit persönlichen Gegenständen des Reisenden einen Reisemangel darstellt. Weil der Veranstalter jedoch keine besondere Kleiderordnung bei den Mahlzeiten und die Ausrüstung für die Expeditionen zur Verfügung gestellt hatte und es einen Wäscheservice an Bord gab, erachtete das Gericht eine Minderung von 30 Prozent des gezahlten Reisepreises als ausreichend und angemessen.
Bei den Ersatzbeschaffungen (Verbrauchsartikel, Grund- und Funktionsbekleidung) hatte der Reiseveranstalter unter anderem einen Abschlag für Vermögensvorteile vorgenommen, weil die Reisenden die Sachen nach der Rückkehr weiterhin nutzen können. Das Gericht folgte dem Argument der Beklagten nicht, soweit es sich um „Funktionskleidung“ handelte, denn der Kläger und seine Mutter hatten das Gericht davon überzeugt, dass sie die eigens für eine Expedition in die Arktis gekaufte Funktionsbekleidung nicht mehr benötigten. Anders sah es das Gericht bei den Verbrauchsartikeln (Waschmittel, Zahnpasta, etc.) – die Reisenden erhielten ihre Koffer bei der Rückkehr von der Reise zurück und konnten die darin enthaltenen Verbrauchsartikel (weiter) nutzen.
Schadenersatzanspruch abgelehnt
Einen Schadenersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit lehnte das Gericht ab, weil der Kläger und seine Mutter aufgrund der Möglichkeit von Ersatzbeschaffungen in Longyearbyen und an Bord sowie wegen der ihnen zur Verfügung gestellten Ausrüstungsgegenstände (Schuhe, Parka) an der Kreuzfahrt und den Expeditionen an Land teilnehmen konnten, was Sinn undZweck der gebuchten Expeditionsreise war.
Quelle | Landgericht München II, Endurteil vom 10.1.2025, 14 O 2061/24, PM 1/25
| Ein Ehemann kann nach der Trennung von seiner Frau verlangen, die Nutzungsverhältnisse an einem gemeinsamen Haus neu zu ordnen. Das stellte das Oberlandesgericht (OLG) Celle fest. |
Ärzteehepaar trennte sich
Nachdem sich ein Ärzteehepaar getrennt hatte, wollte der Mann in ein gemeinsames Haus des Paares ziehen. Doch dort wohnte seine Schwiegermutter. In der ihr allein gehörenden Ehewohnung lebte die Frau mit den gemeinsamen Kindern. Der Mann schlief zunächst in seiner Praxis, dann bei Bekannten. Schließlich wohnte er zur Untermiete.
Den Eheleuten gehörte aber hälftig noch das von der Schwiegermutter bewohnte Einfamilienhaus mit Garten. Dieser wollte der Mann wegen Eigenbedarf kündigen. Dazu war die Mitwirkung seiner Ehefrau erforderlich. Das lehnte sie ab. Sie meinte, der Mann wolle sie nur zwingen, ihrer Mutter zu kündigen. Auch habe er noch ein weiteres Haus. Der Mann klagte.
Amtsgericht: Eigenbedarf nicht genügend dargelegt
Das Amtsgericht (AG) wies seine Klage ab. Der Mann habe den Eigenbedarf nicht hinreichend dargelegt. Da die Schwiegermutter eine nahe Angehörige sei, könne ihre Tochter selbst Eigenbedarf anmelden. So zog der Mann vor das OLG.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG gab dem Mann Recht. Ihm sei seit der Trennung ein Festhalten am Mietverhältnis nicht länger zuzumuten. Auch habe er seinen Eigenbedarf ausreichend dargelegt. Er hatte vorgetragen, dass sein jetziges Mietverhältnis nur befristet war. Ein ständiges Wohnen in der Praxis sei ihm nicht zuzumuten. Ein Umzug in das andere Haus sei ihm ebenfalls nicht zuzumuten, da dieses noch ein Rohbau sei und er auch kein Geld für einen Umzug habe. Nach all dem sah das OLG den geltend gemachten Eigenbedarf nicht als „offensichtlich aussichtslos“ an. Vor allem sei die Frau in der Lage, ihre Mutter in der Ehewohnung und einer nicht genutzten Einliegerwohnung aufzunehmen.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 19.2.2025, 21 UF 237/24
| Wer einen überschuldeten Nachlass erbt, kann innerhalb einer Frist von sechs Wochen das Erbe ausschlagen. Sonst gilt die Erbschaft als angenommen und er haftet für die dem Nachlass zuzuordnenden Schulden. War dem Erben nicht bekannt, dass der Nachlass überschuldet ist, kann noch die Anfechtung wegen Irrtums helfen. Mit den Voraussetzungen dafür hat sich jetzt das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. Es hat entschieden, dass der als Erbe eingesetzte Sohn eines Verstorbenen nicht für die Beerdigungskosten aufkommen muss, weil er die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten hat. |
Witwe verlangte Bestattungskosten von Sohn des Verstorbenen
Der Verstorbene hatte seinen Sohn aus erster Ehe testamentarisch zu seinem Erben bestimmt. Die beiden pflegten zuletzt keinen Kontakt mehr zueinander. Nach dem Tod übernahm zunächst die Witwe die Bestattungskosten von rund 7.500 Euro und wollte diese vom Sohn erstattet haben, da dieser die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte. Daraufhin erklärte der Sohn die Anfechtung der Erbschaftsannahme. Er habe nicht gewusst, dass die Bestattungskosten zu den Nachlassverbindlichkeiten gehörten und der Nachlass damit überschuldet sei.
Irrtum über die Beerdigungskosten
Dieser Argumentation hat sich das LG angeschlossen. Der Sohn habe die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten und müsse daher nicht für die Beerdigungskosten aufkommen. Die Anfechtung wegen unerkannter Überschuldung eines Nachlasses sei ein in der Rechtsprechung anerkannter Anfechtungsgrund. Sie setze voraus, dass der Anfechtende eine wesentliche Forderung gegen den Nachlass irrtümlich übersieht. Hier seien die Bestattungskosten eine wesentliche Forderung, da der Nachlass überschuldet sei, wenn man sie berücksichtige. Es sei auch glaubhaft, dass sich der Sohn über die Beerdigungskosten geirrt habe. Denn die Witwe habe ihm noch zu Lebzeiten des Vaters mitgeteilt, für die Beerdigung könne der Erlös aus dem Verkauf eines Pkw verwendet werden. Daher durfte der Sohn davon ausgehen, als Erbe seines Vaters nicht für die Bestattung aufkommen zu müssen, so die Kammer. Wenn kein Erbe in Anspruch genommen werden kann, muss die Witwe als Ehefrau nach den Vorschriften des Landesrechts selbst für die Beerdigungskosten aufkommen, so das LG.
Quelle | Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 27.2.2025, 8 O 189/24, PM vom 31.3.2025
| Die Kosten eines Vaterschaftsanerkennungsverfahrens können zwischen dem im Verfahren ermittelten biologischen Vater und der Mutter hälftig geteilt werden. Weder der Umstand, dass der Vater nicht bereits auf Basis eines Privatgutachtens zur Anerkennung der Vaterschaft bereit war, noch, dass er nach Angaben der Mutter der einzige Verkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit war, rechtfertigen eine alleinige Kostenlast des Vaters. So entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |
Streit um Kosten
Die Beteiligten streiten über die Kosten eines Abstammungsverfahrens. Die Mutter des Kindes hatte angegeben, mit dem sog. Putativvater (also dem, der als möglicher Vater in Betracht kommt) in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehrs gehabt zu haben. Ein außergerichtlicher Vaterschaftstest hatte diesen als Vater festgestellt. Das Kind begehrte daraufhin, die Vaterschaft des Putativvaters gerichtlich festzustellen. Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens stellte das Amtsgericht (AG) die biologische Vaterschaft des Putativvaters fest und legte die Verfahrenskosten hälftig der Mutter und dem nun festgestellten Vater auf.
So sah es das Oberlandesgericht
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Mutter gegen die Auferlegung der Hälfte der Kosten. Dies hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das AG habe im Ergebnis zutreffend die Kosten nach billigem Ermessen zwischen der Kindesmutter und dem Kindesvater hälftig geteilt, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Bei einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren handele es sich nicht um ein echtes Streitverfahren. Neben dem Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens könnten deshalb weitere Umstände von Bedeutung sein. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten sei allerdings regelmäßig unbillig, da es selbst nicht zur Unsicherheit an der Vaterschaft beigetragen habe.
Hier sei es nicht angemessen, dem Vater die alleinigen Kosten aufzuerlegen. Er habe insbesondere nicht „grob schuldhaft“ das Verfahren veranlasst. Ihm sei es vielmehr nicht zumutbar gewesen, die Vaterschaft bereits außergerichtlich ohne gutachterliche Klärung der biologischen Abstammung durch Sachverständigengutachten anzuerkennen. Allein die Angabe der Mutter, sie habe in der Empfängniszeit nur mit dem Vater verkehrt, genüge zur Begründung eines groben Verschuldens nicht. Vielmehr habe der Vater berechtigte Zweifel ans einer Vaterschaft haben dürfen. Unwidersprochen habe er mit der Kindesmutter in der Empfängniszeit keine Beziehung geführt und auch nicht mit ihr zusammengelebt. Damit hätten ihm konkrete Einblicke in die Lebensverhältnisse der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit gefehlt. Für ihn habe damit auch keine Möglichkeit bestanden, abzuschätzen oder zu beurteilen, ob die Mutter des Kindes zu weiteren Männern eine intime Beziehung unterhalten habe.
Außergerichtlicher Vaterschaftstest schließt gerichtliche Überprüfung nicht aus
Auf den bereits außergerichtlich durchgeführten Vaterschaftstest habe er sich nicht verlassen müssen. Er könne vielmehr geltend machen, dass er angesichts der hohen rechtlichen Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Abstammungsgutachtens eine gerichtliche Überprüfung wünsche. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass „beide Eltern das Verfahren über eine Entscheidung über die Abstammung dadurch gleichermaßen veranlasst haben, dass sie innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben. Damit erscheint es in der Regel auch gerechtfertigt, die Kosten eines solchen Verfahrens gleichmäßig auf beide Eltern zu verteilen“, unterstrich das OLG.
Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 13.1.2025, 6 WF 155/24, PM 4/25
| Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung ist so zu verstehen, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, sofern diese nicht bereits von Dritten erbracht und dem Architekten zur Verfügung gestellt wurden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden. |
Ein Architekt war mündlich damit beauftragt worden, die Baugenehmigung für die Erweiterung eines Gasthofs einzuholen. Damit war klar, dass er die Leistungsphase 4 im Leistungsbild Gebäude und Innenräume sowie Tragwerksplanung erbringen musste. Da er vom Auftraggeber nur Bestandszeichnungen erhalten hatte, die nicht an eine Vor- oder Entwurfsplanung heranreichten, verlangte er auch das Honorar für diese notwendigen Leistungen. Der Auftraggeber weigerte sich. Er meinte, er habe nur die Genehmigungsplanung beauftragt.
Das OLG gab dem Architekten Recht und sprach ihm das Honorar für die Leistungsphasen 1 bis 4 zu. Es komme nicht auf die Regelungen der HOAI, sondern auf den Inhalt des konkreten Auftrags an. Nicht entscheidend sei, ob die Parteien einen schriftlichen oder mündlichen Vertrag geschlossen, sondern was sie tatsächlich vereinbart haben. Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung müsse dann so verstanden werden, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, da diese notwendige Voraussetzung für die Erstellung der Genehmigungsplanung ist. Etwas anderes gelte nur, wenn die vorangehenden Planungsleistungen bereits von Dritten erbracht wurden und dem Architekten zur Verfügung gestellt werden.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2022, 4 U 142/20
| Beauftragt ein Bauträger einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt vom Architekten nur die Überprüfung einzelner Maße, übernimmt der Bauträger das mit der begrenzten Überprüfung verbundene Risiko selbst. Er kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin als Bauträgerin machte gegen den beklagten Architekten im Wege einer Schadenersatzklage i. H. v. 100.000 Euro wegen mangelhafter Architektenleistungen bei der Planung einer Wohnungseigentumsanlage geltend. Die Klägerin ist der Auffassung, die die Pläne des Vermessungsingenieurs überarbeitende Wohnflächenberechnung des Beklagten für bestimmte Bestandsgebäude habe eine zu geringe Wohnfläche ausgewiesen. Der Beklagte habe zugesichert, dass die Abweichungen der Wohnflächen von den Bestandsplänen des Vermessers unter einem Prozent lägen, tatsächlich gebe es Abweichungen bis zu 8%. Zahlreiche Wohnungen seien daher mit zu geringer Flächenangabe verkauft worden und deshalb sei ein Mindererlös entstanden.
Der Beklagte bestreitet eine fehlerhafte Flächenermittlung, die sich ohnehin nur auf die örtliche Überprüfung der Maße aus den Bestandsplänen des Vermessers hinsichtlich der für die Werkplanung entscheidenden Stellen bezogen habe. Ein Auftrag zu einer kompletten Neuvermessung des Bestands sei gerade nicht erteilt worden.
Zudem meint die Klägerin, der Beklagte habe bei der Grundlagenermittlung übersehen, dass die Geschossdecken in einem Bestandsgebäude Betonhohlkörperdecken waren, die einen unerwartet hohen Sanierungsaufwand erforderten, und es versäumt, vor Baubeginn die Fundamente an der Seite zu einem anderen Grundstück zu überprüfen. Infolge dieser Planungsfehler hätten sich die Baukosten für das Bestandsgebäude deutlich erhöht. Die Umbaukosten beliefen sich somit auf mindestens 950.000 Euro. Ein vollständiger Abriss und Neubau hätte dagegen (nur) 752.499 Euro gekostet und wäre im Vergleich zu den tatsächlich entstandenen Kosten günstiger gewesen. Bei erzielbaren Verkaufserlösen abzüglich der Kosten für Abriss/Neubau hätte sich bei einem Neubau ein hoher sechsstelliger Überschuss ergeben. Der tatsächliche Überschuss durch den Umbau habe lediglich 107.000 Euro betragen.
Der Beklagte trägt hierzu vor, ihm sei vom Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt worden, dass es sich bei sämtlichen Bestandsdecken um Stahlbetonrippendecken handele. Eine Pflicht zur Überprüfung dieser Tatsache habe es nicht gegeben. Zudem habe sich die Klägerin in Kenntnis der Mehrkosten für eine Sanierung und gegen einen Abriss entschieden. Hinsichtlich des Fundaments sei die Klägerin bereits vor Beauftragung des Beklagten in Kenntnis gesetzt worden, dass dessen Tragfähigkeit ein Risiko darstelle. Sie habe dennoch entschieden, das Fundament erst im Zuge der Aushubarbeiten zu untersuchen, um Kosten einzusparen.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG stellte klar: Wie bei einem Bauvertrag kann auch zwischen einem Architekten und seinem Auftraggeber eine von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichende Ausführung vereinbart werden, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen.
Beauftragt eine Bauträgerin einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt sie vom Architekten, einzelne Maße zu überprüfen, übernimmt die Bauträgerin sehenden Auges das mit der begrenzten Überprüfung der Maße verbundene Risiko und kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Weist der Architekt seinen Auftraggeber darauf hin, dass die zu planende Wohnung ohne Sonnenschutz nicht funktioniert, muss der Auftraggeber erkennen, dass bei Umsetzung der Planung eine im Hinblick auf den Wärmeschutz nicht ausreichend funktionstüchtige Wohnung errichtet wird, und es bedarf keines weiteren Hinweises, dass dann (auch) die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten sind.
Macht der Auftraggeber eines Architekten geltend, dass er im Fall einer mangelfreien Beratung von der Sanierung eines Gebäudes abgesehen und einen profitableren Neubau errichtet hätte, schafft der Auftraggeber für eine Schadensschätzung bzw. Begutachtung nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn er nachvollziehbar darlegt, welches Gebäude mit welchen Eigenschaften er statt der Sanierung errichtet hätte.
Macht ein Auftraggeber geltend, bei einem mangelfreien Architektenwerk hätte er die zu errichtenden Wohnungen teurer verkaufen können, ist ein Schaden nur schlüssig dargelegt, wenn die Kalkulationsgrundlagen für den erzielten und den geltend gemachten Kaufpreis offengelegt werden und nachvollziehbar vorgetragen wird, dass ein höherer Kaufpreis am Markt hätte durchgesetzt werden können.
Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 17.12.2024, 10 U 38/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Aachen hat die Klage eines Realschullehrers auf Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Festsetzung von Erfahrungsstufen und mithin auf eine höhere Besoldung abgewiesen. |
Eine Tätigkeit als Anbieter von Cocktailkursen ist für die Tätigkeit als verbeamteter Lehrer nicht förderlich im besoldungsrechtlichen Sinne. Eine Tätigkeit ist allgemein förderlich, wenn sie für die Dienstausübung des Beamten nützlich bzw. von konkretem Interesse ist, d. h. wenn diese entweder erst aufgrund der früher gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht oder wenn sie jedenfalls erleichtert und verbessert wird.
Ausgehend hiervon kann die Tätigkeit als Betreiber einer Gesellschaft, die Cocktailkurse und Barcatering anbietet – auch wenn diese Tätigkeit über mehrere Jahre ausgeübt wurde – nicht als förderlich angesehen werden. Das Halten von Cocktailkursen ist weder qualitativ noch quantitativ mit der Tätigkeit eines Realschullehrers vergleichbar. So hat der Kläger im Rahmen seiner Cocktailschule insbesondere nicht mit Minderjährigen gearbeitet, sondern deren Angebot zielte auf die Schulung von Mitarbeitern aus dem Hotel-, Restaurant- und Cateringgewerbe. Auch sind die Anforderungen an die Erstellung eines Cocktailkurses nicht mit der Erstellung eines differenzierten Lehrplans für Schulunterricht in den Schulklassen 5 bis 10 vergleichbar.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 20.1.2025, 1 K 2377/23, PM vom 3.2.2025
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Ein Beschäftigungsverhältnis wird erst ab dem Beginn der Entgeltfortzahlung und nicht schon mit Abschluss des Arbeitsvertrags begründet. |
Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankgemeldet
Geklagt hatte ein 36-jähriger Arbeitsloser, dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld Ende Oktober 2023 auslief. Anfang Oktober unterschrieb der Mann einen Arbeitsvertrag als Lagerist bei einem Reinigungsunternehmen zu einem Monatslohn von 3.000 Euro brutto. Er trat die Arbeit jedoch nie an, da er sich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankmeldete. Zwei Wochen später kündigte die Firma innerhalb der Probezeit.
Krankenkasse zahlte kein Krankengeld
Die Krankenkasse des Mannes lehnte daraufhin die Zahlung von Krankengeld ab. Begründung: Es habe kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, da der Mann kein Einkommen erzielt habe.
Der Mann verklagte das Unternehmen und verlangte die Anmeldung zur Sozialversicherung ab dem Beginn des Arbeitsvertrags. Er vertrat dazu die Auffassung, dass bereits durch einen rechtsgültigen Vertrag, der eine Entgeltzahlung vorsehe, ein Beschäftigungsverhältnis zustande komme. Dies müsse auch gelten, wenn ihm der Arbeitsantritt krankheitsbedingt nicht möglich sei. Andernfalls würde er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit leer ausgehen.
Landessozialgericht gab Krankenkasse Recht
Das LSG vermochte sich der Rechtsauffassung des Klägers nicht anzuschließen. Der Arbeitgeber müsse ihn nicht zur Sozialversicherung anmelden, da ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht schon mit dem Beginn des Arbeitsvertrags entstanden sei. Erforderlich sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe. Dieser Anspruch entstehe jedoch bei neuen Arbeitsverhältnissen generell erst nach einer vierwöchigen Wartezeit.
Wartezeit war ohnehin nicht erfüllt
Diese gesetzliche Regelung solle verhindern, dass Arbeitgeber die Kosten der Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer tragen müssen, die direkt nach der Einstellung erkrankten. Der Gesetzgeber habe eine solche Konsequenz als unbillig angesehen.
Unabhängig davon müsse der Mann sich erst an seine Krankenkasse wenden, bevor er seinen Arbeitgeber verklage.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.1.2025, L16 KR 61/24
Verbraucherrecht
| Auch in einem Minijob gibt es bezahlten Urlaub. Doch in diesem Zusammenhang stellen sich viele Fragen: Wie viele freie Tage stehen einem Minijobber zu? Was gilt bei unregelmäßiger Arbeitszeit? Wie wirkt sich das Urlaubsgeld auf den Minijob aus? Diese und weitere Fragen hat die Minijob-Zentrale jüngst beantwortet. |
So erläutert die Minijob-Zentrale beispielsweise, dass der Lohn während des Urlaubs weitergezahlt werden muss (Urlaubsentgelt). Das ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt. Zusätzlich kann es Urlaubsgeld geben (als freiwillige Zahlung zum Urlaub).
Quelle | Minijob-Zentrale vom 11.6.2025 „Urlaub im Minijob: Ihre Fragen – Wir antworten!"
| Es gibt steuerliche Betriebsprüfungen, die bereits nach kurzer Zeit abgeschlossen sind. Andere Prüfungen hingegen ziehen sich über Monate oder sogar über Jahre hin. Um die Betriebsprüfung zu beschleunigen, wurden nun mehrere gesetzliche Änderungen vorgenommen. |
Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen
Verzögerungen bei einer Betriebsprüfung können mitunter auf eine unzureichende Mitwirkung des Steuerpflichtigen zurückzuführen sein. Um dem entgegenzuwirken, sieht der neue § 200 a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) das qualifizierte Mitwirkungsverlangen vor, das sich auf die Mitwirkungspflichten nach § 200 AO stützt. Danach hat der Steuerpflichtige u. a. Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben.
Ermessensentscheidung des Prüfers
Das (neue) qualifizierte Mitwirkungsverlangen stellt eine Ermessensentscheidung des Prüfers dar, die frühestens nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ergehen darf. Entscheidet sich der Prüfer für ein solches Mitwirkungsverlangen, ist es schriftlich oder elektronisch (versehen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung) zu erteilen.
Beachten Sie | Der Steuerpflichtige muss in diesem Fall schnell handeln. Denn das Mitwirkungsverlangen ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe zu erfüllen. Nur in begründeten Einzelfällen kann die Frist verlängert werden.
Neu: Mitwirkungsverzögerungsgeld
Problematisch wird das qualifizierte Mitwirkungsverlangen für den Steuerpflichtigen, wenn es nicht oder nicht hinreichend innerhalb der Frist erfüllt wird. Denn in diesen Fällen wird das neu eingeführte Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt (§ 200 a Abs. 2 AO). Ausnahme: Die Mitwirkungsverzögerung erscheint entschuldbar, beispielsweise bei einer stark beeinträchtigenden Erkrankung.
Beachten Sie | Das Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung (also für jeden vollen Tag nach Verstreichen der im Mitwirkungsverlangen gesetzten Frist) 75 Euro. Gerechnet werden die Tage bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Mitwirkungsverlangen erfüllt wird – spätestens bis zum Tag der Schlussbesprechung. Denn nach der Schlussbesprechung gibt es keinen Bedarf mehr, eine Mitwirkung sicherzustellen.
Allerdings dürfen maximal 150 Tage zugrunde gelegt werden, sodass das Mitwirkungsverzögerungsgeld maximal 11.250 Euro betragen kann (150 Tage × 75 Euro).
Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld
Nicht immer bleibt es bei dem Mitwirkungsverzögerungsgeld. Denn es steht im Ermessen des Prüfers, nach § 200 a Abs. 3 AO zusätzlich einen Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzen. Voraussetzung ist, dass
- gegen den Steuerpflichtigen in den letzten fünf Jahren ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wurde und zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt oder
- wegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt. Davon ist auszugehen, wenn die Umsatzerlöse in einem der von der Prüfung umfassten Jahre mindestens 12 Mio. Euro betragen oder sich die konsolidierten Umsatzerlöse bei Konzernen auf mindestens 120 Mio. Euro belaufen.
Entscheidet sich der Prüfer für den Zuschlag, steht auch die Höhe in seinem Ermessen. Dabei darf der Zuschlag höchstens 25.000 Euro für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung betragen – ebenfalls für maximal 150 Tage (maximal somit 3,75 Mio. Euro).
Teilabschlussbescheid und Inkrafttreten
Um die Betriebsprüfungen zu beschleunigen, wurde auch der neue Teilabschlussbescheid eingeführt. Denn oft scheitert der zeitnahe Abschluss an einem einzelnen Sachverhalt, der nur durch intensiven Arbeitseinsatz aufgeklärt werden kann. Das Problem: So entsteht keine Rechtssicherheit bezüglich weiterer geprüfter Sachverhalte.
Durch den neuen § 202 Abs. 3 AO hat der Prüfer die Möglichkeit, bereits vor Abschluss der Prüfung einen Teilprüfungsbericht zu übermitteln und im Anschluss einen Teilabschlussbescheid zu erlassen. Hierdurch lassen sich einzelne im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte und abgrenzbare Feststellungen vor dem abschließenden Prüfungsbericht gesondert feststellen. Kann der Steuerpflichtige ein erhebliches Interesse an einem Teilabschlussbescheid glaubhaft machen, soll dieser auf Antrag ergehen.
Beachten Sie | Die Neuerungen gelten erst für Steuern und Steuervergütungen, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Sie sind aber auch für Steuern und Steuervergütungen anzuwenden, die vor dem 1.1.2025 entstehen, wenn für diese Steuern und Steuervergütungen nach dem 31.12.2024 eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde.
Quelle | Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie, BGBl I 2022, S. 2730
| Verlängert sich die dem Verbraucher gesetzlich eingeräumte 14-tägige Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge, wenn der Verkäufer in seiner Widerrufsbelehrung seine Telefonnummer nicht angibt? Diese Frage hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden. |
Kauf im Online-Shop über 62.000 Euro
Der Kläger hatte am 4.5.2022 über den Onlineshop der Beklagten ein Elektrofahrzeug zum Preis von rund 62.000 Euro erworben. Die Auslieferung des Fahrzeugs erfolgte am 20.12.2022. Am 14.8.2023 erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrags. Zu spät, entschied nun auch das OLG in zweiter Instanz und wies damit die Berufung des Klägers zurück.
Rechtlicher Hintergrund
Verbrauchern steht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: §§ 312 g Abs. 1, 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, im Normalfall beginnend ab Erhalt der Ware. Wird der Verbraucher jedoch nicht korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB). Die Informationspflichten des Unternehmers ergeben sich aus dem Einführungsgesetz zum BGB (hier: Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB). Der Unternehmer kann die Informationspflichten auch durch die Verwendung einer Musterwiderrufsbelehrung erfüllen, die sich in der Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB befindet.
Fehlende Telefonnummer ohne Auswirkungen
Hier hatte die Autohändlerin in ihrer selbst formulierten Widerrufsbelehrung, die sie dem Kläger übermittelte, keine Telefonnummer angegeben. Diese war jedoch auf der Internetseite der Beklagten zu finden. Das OLG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist geführt hat.
Widerruf eines Autokaufs wahrscheinlich eher schriftlich als per Telefon
Es entschied, dass die Widerrufsbelehrung auch ohne Angabe einer Telefonnummer den gesetzlichen Anforderungen genügt und sich die Widerrufsfrist daher nicht verlängert. Die Nichtangabe der Telefonnummer begründe bei einem Autokauf, der von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sei, nicht die Gefahr, dass der Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werde.
Ein typischer Kunde würde allein aus Beweiszwecken bei den hohen Summen eines Elektroautokaufs den Widerruf vernünftigerweise auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. per E-Mail) übermitteln.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 7.11.2024, 14 U 95/24, PM 8/25
| Hat sich der Übergeber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anlässlich der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ein Wohnungsrecht an einer Wohnung des übergebenen Vermögens vorbehalten, ist ein Sonderausgabenabzug des Mietwerts nach Meinung der Finanzverwaltung ausgeschlossen. Dieser Ansicht hat aber nun das Finanzgericht (FG) Nürnberg widersprochen. |
Hintergrund: Wird ein Betrieb gegen Versorgungsleistungen auf nahe Angehörige übertragen, kann der Betriebsübernehmer die Versorgungsleistungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 a Nr. 2 EStG) als Sonderausgaben abziehen, die der Empfänger versteuern muss (nach § 22 Nr. 1a EStG).
Das war geschehen
Anlässlich einer Hofübergabe wurde dem Übergeber ein Altenteil in Form eines vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts, Taschengelds und der Mitbenutzung von Gegenständen eingeräumt. Den vom Vermögensübernehmer als Sonderausgaben geltend gemachten Nutzungswert der Altenteilerwohnung erkannte das Finanzamt allerdings nicht an, da nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2010 nur die mit der Nutzungsüberlassung tatsächlich zusammenhängenden Aufwendungen (wie Strom, Heizung, Wasser und Instandhaltungskosten), nicht jedoch der Nutzungswert der Altenteilerwohnung berücksichtigt werden können.
Finanzgericht gibt Kläger Recht, Revision ist eingelegt
Die hiergegen eingelegte Klage war vor dem FG Nürnberg erfolgreich. Nach Auffassung des FG kann der Fall, dass der Versorgungsberechtigte mit dem ihm gewährten (höheren) Barunterhalt selbst eine Wohnung mietet, für den Bereich des Sonderausgabenabzugs nicht anders behandelt werden als der Fall, in dem sich die Versorgungsleistung aus (niedrigerem) Barunterhalt und unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zusammensetzt.
Da die Revision anhängig ist, muss nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden.
Quelle | FG Nürnberg, Urteil vom 6.2.2025, 4 K 1279/23, Rev. BFH: X R 5/25, BMF-Schreiben vom 11.3.2010, IV C 3 - S 2221/09/10004, Rz. 46
| Der Bundesfinanzhof (BFHZ) hat jüngst entschieden, dass die Erteilung von Reitunterricht nicht von der Umsatzsteuer befreit ist, es sei denn, der Unterricht dient der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung. |
Das war geschehen
Im Streitfall begehrte der Kläger die Steuerbefreiung verschiedener Reitkurse für Kinder und Jugendliche auf seinem Reiterhof in den Jahren 2007 bis 2011. In der „Ponygruppe“ wurden Kinder und Jugendliche und bei „Klassenfahrten“ wurden Schulklassen im Umgang mit Pferden unterrichtet.
Zudem wurden Kurse für eine „Große Pferdegruppe“ angeboten, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen gerichtet waren. Die unterrichteten Kinder und Jugendlichen wurden darüber hinaus verpflegt und übernachteten teilweise auch auf dem Reiterhof.
Uneinigkeit der gerichtlichen Instanzen
Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, dass sämtliche Leistungen steuerpflichtig seien. Das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein sah das aber größtenteils anders. So seien die Umsätze insoweit steuerfrei, als sie auf die Beherbergung und Verpflegung sowie auf den Teil des Reitunterrichts entfielen, mit dem die formalen Voraussetzungen dafür erlangt werden können, später den Beruf des Turniersportreiters auszuüben („Große Pferdegruppe“).
Der Meinung des Finanzgerichts hat sich der BFH aber nicht vollumfänglich angeschlossen.
Der BFH stellte klar, dass es sich bei der Beherbergung und Verpflegung von Kindern und Jugendlichen um selbstständige steuerbare Leistungen neben dem Reitunterricht handelt. Er hob weiter hervor, dass Reitunterricht (als spezialisierter Unterricht) kein „Schul- und Hochschulunterricht“ ist.
Beachten Sie | Entsprechendes ist bereits für Segel-, Fahr-, Schwimm-, Jagd- und Tanzschulen entschieden worden.
Anerkennung als Ausbildung an strenge Voraussetzungen geknüft
Die Einstufung von Reitunterricht als „Ausbildung“ oder „Fortbildung“ kommt nach Auffassung des BFH nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Reitunterricht, der typischerweise der Freizeitgestaltung dient, ist in der Regel keine Ausbildung oder Fortbildung, da er nicht auf einen bestimmten Beruf vorbereitet. Die Kurse der „Ponygruppe“ und für Schulklassen im Rahmen der „Klassenfahrten“ sind daher umsatzsteuerpflichtig.
Beachten Sie | Die Ansicht des BFH dürfte insoweit strenger sein als die Auffassung der Finanzverwaltung zu Ballett-, Tanz- oder Musikunterricht.
Spätere Turniersportreiter: umsatzsteuerfreie Kurse
Bei den Kursen der „Großen Pferdegruppe“ lagen hingegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme vor, da zahlreiche Teilnehmer später Turniersportreiter wurden. Diese Kurse sind folglich umsatzsteuerfrei.
Hinsichtlich der Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für die Kinder und Jugendlichen führte der BFH aus, dass die hierfür seinerzeit geltende Steuerbefreiung nur in Betracht kommt, wenn eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter vorliegt. Bereits hieran fehlte es aber im Streitfall. Denn der Kläger konnte eine solche Anerkennung nicht vorweisen.
Beachten Sie | Seit dem 1.1.2020 können nur noch die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben insoweit umsatzsteuerbefreit sein, was der Kläger aber nicht ist.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 9/22, PM 35/25 vom 30.5.2025
| Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen und übernimmt der neue Eigentümer die auf dem Grundstück lastenden Schulden, liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund : Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Spekulationsbesteuerung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 23 EStG).
Beachten Sie | Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die
- im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
Das war geschehen
Der Vater hatte im Jahr 2014 ein Grundstück für 143.950 Euro erworben und teilweise fremdfinanziert. 2019 übertrug er das Grundstück auf seine Tochter. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Grundstück einen Wert von 210.000 Euro. Die Tochter übernahm die am Übertragungstag bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 115.000 Euro.
Finanzamt: Aufteilung in entgeltlich und unentgeltlich
Das Finanzamt teilte den Vorgang (ausgehend vom Verkehrswert im Zeitpunkt der Übertragung) in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichenTeil auf. Soweit das Grundstück unter Übernahme der Verbindlichkeiten entgeltlich übertragen worden war, besteuerte das Finanzamt den Vorgang als privates Veräußerungsgeschäft.
Hiergegen klagte der Vater vor dem Finanzgericht (FG) Niedersachsen und bekam Recht. Die Begründung: Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten sind keine Veräußerungen (im Sinne des § 23 EStG).
Höchste Instanz bestätigt Vorgehen des Finanzamts
Doch die Freude währte nicht lange, denn der BFH schloss sich der Ansicht des Finanzamts an.
- Wird ein Wirtschaftsgut übertragen und werden damit zusammenhängende Verbindlichkeiten übernommen, liegt regelmäßig ein teilentgeltlicher Vorgang vor. In diesem Fall erfolgt eine Aufteilung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichenTeil.
- Wird das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen, unterfällt der Vorgang hinsichtlich des entgeltlichen Teils als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensteuer.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.3.2025, IX R 17/24, PM 37/25 vom 30.5.2025
| Frauen muslimischen Glaubens haben keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kfz mit einem Gesichtsschleier (Niqab). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin bestätigt. |
Antrag auf Ausnahmegenehmigung
Die Klägerin hatte ihren Antrag auf Ausnahmegenehmigung damit begründet, dass sie sich gemäß ihrem Glauben außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Da sie im Auto den Blicken fremder Menschen ausgesetzt sei, müsse es ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Das VG hatte die Klage abgewiesen.
Berufung nicht zugelassen
Das OVG hat den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Mit ihren Einwendungen hat die Klägerin es nicht vermocht, ernstliche Richtigkeitszweifel an der Entscheidung des VG zu wecken oder Verfahrensfehler offenzulegen.
Keine wesentliche Einschränkung der Religionsfreiheit
Die Annahme des VG, dass das Tragen einer Gesichtsverschleierung während des Autofahrens für die Religionsausübung typischerweise keine wesentliche Einschränkung bedeutet und angesichts der zeitlich und örtlich eingeschränkten Wirkung des Verbots hinzunehmen ist, konnte sie nicht durchgreifend in Frage stellen.
Dasselbe gilt für die Annahme des VG, dass das der zuständigen Behörde bei der Frage der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt wurde, weil der Eingriff zur Sicherstellung der effektiven automatisierten Verkehrsüberwachung gerechtfertigt ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Quelle | OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.4.2025, OVG 1 N 17/25 , PM 11/25
| Wer seine SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergibt, hat keinen Anspruch auf Rückzahlung abgebuchter Kreditkartenbeträge. So entschied es das Amtsgericht (AG) München. |
Das war geschehen
Der Ehemann der Klägerin wollte am Samstag, den 6.1.2024, für seine Ehefrau und sich eine Reise im Internet buchen. Hierzu gab er auf der Website „Check24“ die Daten der Kreditkarte seiner Ehefrau ein. Kurz darauf erschien eine Mitteilung, dass ein Betrag in Höhe von 318,99 Euro vorgemerkt sei, ehe weitere Mitteilungen über vergleichbare Vormerkungen erschienen. Die Klägerin veranlasste noch am selben Abend telefonisch die Sperrung der Kreditkarte. Am Montag, den 8.1.2024 sind sechs unberechtigte Abbuchungen zu je 318,99 Euro für Giftcards vom Konto der Klägerin erfolgt, insgesamt 1.953,29 Euro.
Zur Autorisierung der Transaktionen fand das Mastercard 3D-Secure-Verfahren Anwendung. Zur Aktivierung dieses Verfahrens auf einem weiteren Gerät übersandte die beklagte Bank am 6.1.2024 eine SMS-TAN an die von der Klägerin bei der Beklagten hinterlegte Mobilfunknummer. Die an die Klägerin versandte SMS-TAN wurde dann auf dem weiteren mobilen Endgerät, auf dem auch die Banking-App freigeschaltet wurde, am 6.1.2024 eingegeben und damit das Secure-Verfahren aktiviert.
Die Klägerin behauptete, dass sie diese Abbuchungen nicht autorisiert habe. Bei der Buchung sei sie nicht nach PIN oder Passwort gefragt worden, sie habe auch nirgendwo eine SMS-Tan eingegeben. Es sei nicht erkannt worden, dass es sich möglicherweise um eine „Fake“-Website handelte.
Die beklagte Bank ging davon aus, dass die Frau die SMS-Tan an einen Dritten weitergegeben haben muss, da eine Freigabe der Buchungen anders technisch nicht möglich gewesen sei und verweigerte die Zahlung. Die Klägerin verklagte die Bank daher vor dem AG auf Rückzahlung der 1.953,29 Euro.
So sah das Amtsgericht den Sachverhalt
Das AG wies die Klage ab. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Abbuchungen nicht von der Klägerin autorisiert waren, sondern von Dritten getätigt wurden. Aufgrund der Beweisaufnahme war das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin die SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergegeben haben muss, weshalb ein Schadenersatzanspruch der Bank gegen die Klägerin in gleicher Höhe bestehe, mit dem die Bank aufgerechnet habe.
Das AG: Der Vortrag der Bank, dass diese in ihren Systemen feststellen konnte, dass das Mastercard 3D-Secure Verfahren per Banking App für die Kreditkarte der Klägerin am 6.1.2024 um 13:30 Uhr aktiviert wurde, und zur Aktivierung dieses Verfahrens auf dem neuen Gerät eine SMS-TAN an die im Vertrag hinterlegte Mobilfunknummer der Klägerin versandt wurde, wurde durch Inaugenscheinnahme des Mobiltelefons der Klägerin bestätigt. Dort befindet sich eine SMS vom 6.1.2024 13:29 Uhr mit dem Inhalt: „ … ist Ihre TAN für die Aktivierung von Mastercard Identity Check vom 6.1.2024 13:44 Uhr.“ Der Eingang der SMS um 13:29 Uhr war im eingesehenen Nachrichtenverlauf um 13:29 Uhr dokumentiert und wird auch durch das vorgelegte IT-Protokoll belegt. Der Vortrag der Klägerin, keine SMS-TAN erhalten zu haben und dass ihr Mobiltelefon nicht in die Freigabe involviert war, erwies sich damit als widerlegt.
SMS-Tan war unzweifelhaft eingegeben worden
Die Bank hat unbestritten vorgetragen, dass aufgrund der manuellen Eingabe einer an die Mobilfunknummer der Klägerin versandten SMS-Tan ein Fremdzugriff technisch ausgeschlossen ist. Es wurde ein neues Gerät im Online-Banking der Klägerin als Freigabeinstrument im Rahmen des 2-Faktor-Authentifizierungsverfahrens hinterlegt. Hierzu war – technisch zwingend – die Eingabe der SMS-Tan erforderlich. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Klägerin durch Preisgabe der SMS-Tan Dritten eine Registrierung eines Geräts ermöglicht hat, wobei die Preisgabe persönlicher Sicherheitsmerkmale an Dritte gemäß den vertraglichen Bestimmungen untersagt war.
Verhalten der Klägerin war grob fahrlässig
Das Verhalten der Klägerin bewertet das Gericht als grob fahrlässig. Es ist eine Sache, wenn man seine Kreditkartendaten offenbart. Diese werden bei jeder Verwendung offenbart und können auch von der Karte abgelesen werden.
Die Weitergabe eines im Rahmen einer Zwei-Faktor-Autorisierung erhaltenden Zugangscodes kann nicht damit gleichgesetzt werden. Mit dieser Weitergabe hilft der Nutzer, die Sicherheitsarchitektur grundlegend auszuhebeln. Es muss jedem verständigen Nutzer solcher Kreditkarten klar sein, welches Risiko er mit der Weitergabe derartiger Daten schafft. Die Klägerin mag dies nicht bewusst getan haben und es mag auch nicht erinnerlich sein. Indessen lässt sich der Vorgang plausibel nicht anders erklären.
Quelle | AG München, Urteil vom 8.1.2025, 271 C 16677/24, PM 14/25
| Nach den Vorgaben des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes (FKAustG) werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates automatisch ausgetauscht. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun die Staatenaustauschliste 2025 bekanntgegeben. Enthalten sind die Staaten, mit denen der automatische Datenaustausch zum 30.9.2025 erfolgt. Weitere Informationen zum Informationsaustausch erhalten Sie u. a. auf der Website des Bundeszentralamts für Steuern (abrufbar unter www.iww.de/s2991). |
Quelle | BMF-Schreiben vom 3.6.2025, IV D 3 - S1315/00304/070/025
| Die Vermietung von Zimmerkontingenten an eine Kommune zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter überschreitet nicht den Nutzungszweck eines zum Hotelbetrieb gepachteten Gebäudes. Dies gilt jedenfalls, solange hiermit keine übermäßige Abnutzung oder sonstige Beeinträchtigung für den Verpächter verbunden ist, die über die übliche Nutzung durch Hotelgäste hinausgeht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die auf Räumung und Herausgabe des Hotels gerichtete Klage der Verpächterin abgewiesen. |
War die Unterbringung Geflüchteter vertragswidrig?
Die Klägerin schloss 2016 mit der Beklagten einen Vertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb des „Hotel F.“ in Gießen. Die Sache durfte vertraglich nur zum vereinbarten Nutzungszweck gebraucht werden. Seit Herbst 2022 buchte das Jugendamt der Stadt Gießen regelmäßig Zimmer für in seiner Obhut stehende Jugendliche. Nach Abmahnung kündigte die Klägerin 2023 fristlos. Sie hält die Unterbringung unbegleiteter Jugendlicher für vertragswidrig. Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt.
In der Berufung wies das OLG die Klage ab. Der Vertrag zwischen den Parteien sei nicht wirksam fristlos gekündigt worden. Die Beklagte habe nicht die Rechte der Klägerin durch eine unbefugte Überlassung an Dritte in erheblichem Maße verletzt. Dem Betrieb eines Hotels sei es immanent, dass es zu Beherbungsverträgen mit Dritten komme. Davon umfasst sei auch, dass bei der Buchung von Zimmerkontingenten durch Firmen o. Ä. ein ganzes Hotel faktisch durch denselben Mieter belegt werde. Der Abschluss von zeitlich begrenzten und auf bestimmte Zimmer bezogenen Beherbungsverträgen mit der Stadt Gießen sei folglich nicht unbefugt gewesen. Die Grenze zur unzulässigen Gebrauchsüberlassung wäre nur überschritten, wenn die Stadt das gesamte Gebäude übernommen und zu einem Flüchtlingsheim umgebaut hätte.
Keine Gefährdung der Mietsache, keine Pflichtverletzung
Eine zur Kündigung berechtigende Gefährdung der Mietsache durch unbegleitete minderjährige Geflüchtete sei nicht erkennbar. Es liege keine Pflichtverletzung wegen Überschreitung des Vertragszwecks vor, die zur Kündigung berechtigte. Die zeitweilige Vermietung zum o. g. Zweck überschreite nicht den Vertragszweck. Die vertraglich vereinbarte Nutzungsart als Hotel sei durch das Angebot von individueller Unterkunft, Service, Verpflegung und Nebenleistungen gekennzeichnet. Aufenthaltsdauer, -zweck und Motive für die Anmietung der Zimmer stellten keine entscheidenden Kriterien für die Bewertung als Hotelbetrieb dar. Es bestehe kein Anspruch darauf, „dass die Vermietung nur an einen bestimmten Personenkreis erfolgen darf, solange keine Beeinträchtigungen der Räumlichkeiten vorliegen bzw. zu befürchten sind“, unterstrich das OLG und es sei auch nicht vorgetragen, dass „Geflüchtete die Zimmer intensiver und nachlässiger nutzten als dies bei einer „normalen“ Vermietung an Hotelgäste der Fall wäre“.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.2.2025, 2 U 63/24, PM 21/25
| Das Landgericht (LG) Hanau hat entschieden: Die Anforderung von Belegkopien der Betriebskostenabrechnung ist kein wirksames Einsichtnahmeersuchen, wenn die Einsicht beim Vermieter zumutbar ist. Hierfür kommt es auf die Entfernung zur Mietwohnung an und nicht auf den Ort, an den der Mieter nach Mietende verzogen ist. |
Muss Mieter Belege einsehen oder muss Vermieter sie zuschicken?
Nach Mietvertragsende verlangte der Mieter die geleistete Kaution zurück. Die dann noch erstellte Betriebskostenabrechnung wies eine Nachforderung auf, die der Vermieter mit der Kaution verrechnete. Der inzwischen über 120 km weit weggezogene Mieter widersprach der Abrechnung, forderte die Übersendung von Belegkopien, um die Abrechnung zu prüfen, und klagte auf Rückzahlung der gesamten Kaution. Er bringt vor, keine Kopien erhalten zu haben, zumal der Vermieter für eine Einsichtnahme bei diesem nun zu weit entfernt sei.
So sahen es die Gerichte
Das Amtsgericht (AG) hat die Klage in Höhe der verrechneten Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das LG entschied, dass die Einwände gegen die Abrechnung zu unkonkret waren, weil der Mieter die Belege nicht geprüft hat. Der Vermieter habe die Belegeinsicht auch nicht verweigert, weil der Mieter unzulässigerweise die Übersendung von Kopien verlangte. Da die Belegprüfung grundsätzlich beim Vermieter erfolgen muss, lag schon kein wirksames Einsichtnahmeersuchen vor.
Kein Ausnahmefall
Der Mieter könne auch nicht ausnahmsweise die Zusendung von Kopien fordern. Das sei zwar möglich, wenn der Vermieter zu weit entfernt ansässig ist. Hierfür komme es jedoch auf die Entfernung der Mietsache zu diesem an, wobei eine Anreise von Hanau nach Frankfurt zumutbar sei. Dass der Mieter nun über 120 km entfernt wohnt, liege hingegen in seinem Risikobereich und führe nicht zu einem Recht auf Übersendung von Kopien.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | LG Hanau, Beschluss vom 24.3.2025, 2 S 43/24, PM vom 8.5.2025
| Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg bestätigte die Vorinstanz: Der kulturelle und familiäre Wert einer Sammlung aus Gemälden und historischen Gegenständen ist höher zu setzen als das Interesse einzelner Familienmitglieder an der Verwertung der Gegenstände. Letzteres hatte ein Teil der Familie aufgrund interner Differenzen verlangt. |
Das war geschehen
Die Nachfahren einer Nürnberger Patrizierfamilie stritten in einem Zivilprozess um den Erhalt ihrer Familiensammlung – einer Sammlung von Gemälden und historischen Gegenständen, die über Jahrzehnte als ungeteiltes Familienvermögen innerhalb der Familie über die Erbfolge weitergegeben wurde. Ein Teil der Familie begehrte den Pfandverkauf der historischen Sammlungsgegenstände, die teils in privater Nutzung sind, teils im Germanischen Nationalmuseum verwahrt werden, um die Erben- und Bruchteilsgemeinschaft auseinanderzusetzen. Die beklagten Familienmitglieder widersetzten sich dem und beriefen sich auf ein in einem Familienvertrag aus dem Jahr 1936 festgelegtes immerwährendes Teilungsverbot für das verfahrensgegenständliche Familienvermögen. Die Kläger verwiesen auf eine spätere Aufhebung sowie Nichtigkeit dieses Familienvertrags, denn dessen Regelungen sahen unter anderem die Weitergabe der Familiensammlung nur an männliche Nachkommen vor.
So sah es die erste Instanz
Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth hatte in erster Instanz die Klage abgewiesen. Es sah die Aufhebung des Familienvertrags nicht durch die vorhandenen Protokolle der Familienversammlungen belegt und erachtete das von der Familie im Jahr 1936 in Bezug auf die Familiensammlung vereinbarte dauerhafte Teilungsverbot als wirksam und fortbestehend an. Die Klagepartei habe auch keine Umstände vorgebracht, die als wichtiger Grund eine Aufhebung der Gemeinschaft rechtfertigen könne. Die im Verfahren vorgetragenen innerfamiliären Differenzen reichten hierfür nicht aus.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Hiergegen legte ein Familienmitglied der unterlegenen Klageseite Berufung zum OLG ein. Dieses hat das Ersturteil bestätigt und die zur Begründung des Aufhebungsanspruchs vorgebrachten Gründe und Einwendungen der Berufung für nicht durchgreifend erachtet. Wie das Erstgericht bewerte der Senat die erbrechtliche Regelung im Familienvertrag zum Ausschluss der weiblichen Nachkommen als nichtig, was aber die Wirksamkeit des dauerhaften Teilungsverbots nicht berühre. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kam das OLG zu dem Ergebnis, dass das beklagtenseits eingewandte familiäre als auch öffentliche Interesse am Erhalt der Gesamtheit der Sammlung als Kulturgut dem klägerischen Interesse an einer Aufhebung der Gemeinschaft und an einer damit verbundenen Zerschlagung der Sammlung überwiege.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 28.2.2025, 1 U 2451/23 Erb, PM 12/25
| Bauarbeiter, die auf Baustellen einfache Arbeiten verrichten, einen festen Stundenlohn erhalten und am Markt nicht erkennbar unternehmerisch auftreten, sind regelmäßig abhängig Beschäftigte, für die die Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen. Dies entschied in drei Urteilen das Hessische Landessozialgericht (LSG). |
Baufirmen müssenSozialversicherungsbeiträge nachzahlen
Die Deutsche Rentenversicherung entschied in mehreren Fällen, dass Bauarbeiter abhängig beschäftigt sind. In zwei Fällen forderte sie nach entsprechenden Betriebsprüfungen von den im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge in fünfstelliger Höhe. In einem weiteren Verfahren hatte sie zunächst über den Antrag auf Statusfeststellung zu entscheiden.
Weder schriftliche Verträge noch eigene Werkzeuge
In diesen Fällen hatten angeblich selbstständige Werkunternehmer auf Baustellen der jeweils klagenden Baufirma gearbeitet. Bei diesen Bauarbeitern handelte es sich um ausländische Staatsangehörige mit allenfalls geringen Deutschkenntnissen. Sie erledigten Abbrucharbeiten, Maurertätigkeiten und Pflasterarbeiten, sanierten Bäder oder arbeiteten im Trockenbau. Schriftliche Verträge oder Auftragsbestätigungen gab es nicht. Die Abrechnungen erfolgten auf Basis der aufgeschriebenen Stunden bei einem Stundenlohn zwischen 10 und 15 Euro. Die Materialien und Werkzeuge wurden bis auf Kleinwerkzeuge von den jeweiligen Baufirmen gestellt.
Scheinselbstständige statt Werkunternehmer
Das LSG folgte der Einschätzung der Rentenversicherung. In allen drei Verfahren liege Scheinselbständigkeit vor.
Bei einfachen, typischen Arbeitnehmerverrichtungen, die der Beschäftigte im Wesentlichen ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübe, spreche die Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis. Die betroffenen Bauarbeiter seien jeweils in den Betrieb der klagenden Baufirma eingegliedert gewesen und hätten einfache Bauarbeiten getätigt, wie sie typischerweise abhängig Beschäftigte verrichteten.
Kein unternehmerisches Auftreten
Werkvertragstypische Vereinbarungen einer unternehmerischen Leistung hätten nicht festgestellt werden können. Zudem seien die angeblichen „Werkunternehmer“ schon aufgrund ihrer geringen Deutschkenntnisse zu einem unternehmerischen Auftreten am Markt nicht in der Lage gewesen.
Zwischen den Baufirmen und den Bauarbeitern getroffene Vereinbarungen über eine (angeblich) selbstständige Tätigkeit seien nicht relevant und könnten die gesetzlich angeordnete Sozialversicherungspflicht nicht ausschließen.
Quelle | Hessisches LSG, Urteil vom 3.4.2025, L 8 BA 4/22, L 8 BA 62/22 und L 8 BA 64/21, PM vom 3.4.2025
| Wandhängende WCs und Handtuchheizkörper in Standardausführung sowie Balkone in der Größe von vier qm sind in Milieuschutzgebieten genehmigungsfähig, weil sie der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dienen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden. |
Bauliche Änderungen nicht ohne Genehmigung
Die Klägerinnen sind jeweils Eigentümerinnen von Wohngebäuden in Milieuschutzgebieten in Berlin-Mitte. Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen soziale Erhaltungsverordnungen (umgangssprachlich Milieuschutzverordnungen) gelten. Sie sollen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im jeweiligen Gebiet schützen. Bauliche Änderungen bedürfen in Milieuschutzgebieten grundsätzlich einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Den Erlass von Milieuschutzverordnungen erlaubt ein Bundesgesetz, nämlich das Baugesetzbuch. In Berlin sind dafür die Bezirke zuständig. Aktuell gelten in Berlin über 40 Milieuschutzverordnungen.
Eine Klägerin möchte im Badezimmer einer Wohnung ein Stand-WC durch ein wandhängendes WC ersetzen sowie einen Handtuchheizkörper einbauen. Eine weitere Klägerin begehrt den Anbau von dreizehn Balkonen in der Größe von jeweils vier qm an die Wohnungen ihres Mehrfamilienhauses. Die Maßnahmen stellen nach Ansicht der Klägerinnen einen zeitgemäßen Ausstattungszustand ihrer Wohnungen dar. Das Bezirksamt versagte den Klägerinnen die erhaltungsrechtlichen Genehmigungen. Die Vorhaben gingen über einen zeitgemäßen Ausstattungszustand hinaus und seien als wohnwerterhöhende bauliche Änderungen im Milieuschutzgebiet nicht zulässig.
Genehmigungen sind zu erteilen
Das VG gab den dagegen erhobenen Klagen statt und verpflichtete das Bezirksamt, die Genehmigungen zu erteilen. Der Gesetzgeber habe im Baugesetzbuch geregelt, dass eine erhaltungsrechtliche Genehmigung zu erteilen sei, wenn die bauliche Maßnahme der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen diene.
Mittlerer Standard nicht wohnwerterhöhend
Der Gesetzgeber habe den Genehmigungsanspruch auch nicht auf bauliche Maßnahmen beschränkt, die der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dienten. Vielmehr habe er zugelassen, dass darüber hinaus auch in Milieuschutzgebieten eine behutsame Anhebung des Ausstattungszustands auf den Standard mittlerer Wohnverhältnisse erfolgen könne. Daran sei ein bundeseinheitlicher Maßstab anzulegen. Bei wandhängenden WCs und Handtuchheizkörpern in einer Standardausführung sowie bei vier qm großen Balkonen werde dieser Standard nicht überschritten. Dafür sprächen unter anderem die Verbreitung dieser Ausstattungsmerkmale bundesweit sowie der Umstand, dass die Mietspiegel der größeren deutschen Städte sie überwiegend nicht als wohnwerterhöhend einstuften.
Quelle | VG Berlin, Urteile vom 2.4.2025, VG 19 K 17/22 und VG 19 K 351/23, PM 24/25
| Trotz erfolgreich absolviertem ersten juristischen Staatsexamen hat ein Antragsteller, der erwiesenermaßen die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft, keinen Anspruch darauf, den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) zu durchlaufen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz. |
Fehlende Verfassungstreue
Der Antragsteller wollte nach erfolgreichem Jurastudium als Rechtsreferendar in den juristischen Vorbereitungsdienst eintreten. Dies lehnte das Oberlandesgericht (OLG) wegen fehlender Verfassungstreue des Antragstellers ab. Dieser suchte daraufhin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um gerichtlichen Rechtsschutz mit dem Ziel nach, ihn im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses einzustellen.
Eindeutige Publikationen
Der Antrag blieb ohne Erfolg. Dem Antragsteller, so das VG, fehle der notwendige sog. Anordnungsanspruch. Aus den einschlägigen Vorschriften des Landesgesetzes über die juristische Ausbildung sowie des Landesbeamtengesetzes folge, dass die juristische Ausbildung am Leitbild einer dem Rechtsstaat verpflichteten Person zu orientieren sei. Rechtsreferendare müssten sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Der Antragsteller werde dem nicht gerecht, wie von ihm verfasste und publizierte Texte belegten.
In einem von ihm geschriebenen Roman würden beispielsweise schwarze Menschen durch die Verwendung menschenverachtender Bezeichnungen pauschal herabgewürdigt. Es werde hierin behauptet, ein – namentlich genannter – österreichischer Fußballspieler, der dunkelhäutig sei, könne kein Deutscher oder Österreicher sein. In einem anderen Text attestierte er dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Demontage des Volksbegriffs. Der von dem Antragsteller vertretene Volksbegriff mit der Forderung nach einer „positiven Erneuerung Deutschlands“ könne nur als Forderung nach einer Umkehrung eines vermeintlichen „Bevölkerungsaustauschs“ verstanden werden. Zudem sei der Antragsteller Mitglied bei der „Jungen Alternative für Deutschland“ und dem Verein „Ein Prozent e. V.“ gewesen. Er habe in beiden Organisationen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Frühjahr 2023 als gesichert rechtsextremistisch einstufe, zumindest zeitweise herausgehobene Funktionen übernommen.
Die Entscheidung ist bestandskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 9.5.2025, 5 L 416/25.KO, PM 14/25
| Eine Tätowierung ist heute typischer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Während sichtbare Tattoos im Arbeitsleben immer normaler werden, stellt sich damit aber zunehmend die Frage, wer eigentlich das finanzielle Risiko trägt, wenn beim Stechen des Tattoos nicht alles glatt verläuft. Dazu liegt nun eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vor: Wer sich tätowieren lässt, erhält bei Komplikationen keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das LAG bestätigt damit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Flensburg. |
Pflegekraft ließ sich tätowieren
Die als Pflegehilfskraft beschäftigte Klägerin ließ sich am Unterarm tätowieren. In der Folge entzündete sich die tätowierte Stelle. Die Klägerin wurde daraufhin für mehrere Tage krankgeschrieben. Die beklagte Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum ab.
Die Klägerin führte vor Gericht aus, dass sie ja nicht Entgeltfortzahlung für den Tätowierungsvorgang geltend mache, sondern für eine davon zu trennende zeitlich nachfolgende Entzündung der Haut. Ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen. Es habe sich ein sehr geringes Risiko verwirklicht, das nur bei ein bis fünf Prozent der Fälle von Tätowierungen auftrete. Tätowierungen seien als Teil der privaten Lebensführung geschützt und mittlerweile weit verbreitet.
Die Arbeitgeberin entgegnete, die Klägerin habe bei der Tätowierung in eine Körperverletzung eingewilligt. Das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre deshalb nicht zum normalen Krankheitsrisiko und könne dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden.
Arbeitsunfähigkeit verschuldet
Das LAG ist der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Diese war zwar arbeitsunfähig krank. Sie hat die Arbeitsunfähigkeit aber verschuldet. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz handelt ein Arbeitnehmer immer schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt.
Die Klägerin musste bei der Tätowierung damit rechnen, dass sich ihr Unterarm entzündet. Dieses Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen ihr eigenes Gesundheitsinteresse dar. Sie hat selbst vorgetragen, in bis zu 5 % der Fälle komme es nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut. Dies ist keine völlig fernliegende Komplikation. Bei Medikamenten wird eine Nebenwirkung als „häufig“ angegeben, wenn diese in mehr als einem, aber weniger als zehn Prozent der Fälle auftritt. Zudem ist die Komplikation in der Hautverletzung durch die Tätowierung selbst angelegt.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.5.2025, 5 Sa 284 a/24, PM vom 2.7.2025
| Wenn ein Arbeitnehmer sich beim Kaffeetrinken verschluckt und infolgedessen stürzt, kann das im Einzelfall einen Arbeitsunfall darstellen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden. |
Nasenbeinbruch während morgendlicher Besprechung
Der Kläger war als Vorarbeiter auf einer Baustellebeschäftigt. Beim Kaffeetrinken während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer verschluckte er sich, ging hustend zur Tür, um sich draußen auszuhusten, verlor kurz das Bewusstsein und stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter. Dabei brach er sich das Nasenbein.
Berufsgenossenschaft und Sozialgericht: kein Arbeitsunfall
Das sei kein Arbeitsunfall, befand die zuständige Berufsgenossenschaft, denn das Kaffeetrinken habe keinen betrieblichen Zwecken gedient. Es sei vielmehr dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen. So sah es auch das Sozialgericht (SG), das in erster Instanz über den Fall entschieden hatte.
Landessozialgericht: auch Nahrungsaufnahme geschützt
Zu Unrecht, befand nun das LSG. Zwar erstrecke sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit damit ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird. Im vorliegenden Fall sei das Kaffeetrinken aber nicht auf das Grundbedürfnis des Durstlöschens gerichtet gewesen, sondern habe (auch) betrieblichen Zwecken gedient. Der gemeinsame Kaffeegenuss während der verpflichtend vorgeschriebenen Besprechung habe eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft bewirkt.
Arbeitgeber stellte den Kaffee zur Verfügung
Zudem habe der Kaffee für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesorgt. Das sei auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, der sich teilweise selbst um das Auffüllen der Kaffeevorräte gekümmert habe. Deshalb sei der Fall auch anders zu beurteilen, als wenn sich ein Arbeitnehmer z. B. in der Frühstückspause an einem Kaffee verschluckt, den er selbst in der Thermoskanne mitgebracht hat.
Quelle | LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.5.2025, L 6 U 45/23, PM 2/25
| Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Hostprovider – hier Meta – muss nach einem Hinweis auf einen rechtsverletzenden Post auf der Social-Media-Plattform Facebook auch ohne weitere Hinweise sinngleiche Inhalte sperren. Sinngleich sind etwa Beiträge mit identischem Text und Bild, aber abweichender Gestaltung (Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung), bloßer Änderung typografischer Zeichen oder Hinzufügung von Elementen, etwa sog. Captions, die den Aussagegehalt nicht verändern. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Arzt und bewarb in der Vergangenheit u. a. die sog. „Hirschhausen Diät“. Der Kläger wies die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach auf sog. Fake-Werbe-Videos hin, in denen er vermeintlich u. a. für Abnehmmittel werbe.
Gegenstand dieses Eilverfahrens sind zwei weitere solcher Deep-Fake Videos: Nutzer haben zum einen ein Video unter Verwendung eines Ausschnitts aus der Sendung von Markus Lanz hergestellt, in denen der Name, das Bildnis und die Stimme des Klägers verwendet werden und in dem dieser vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme wirbt. Dieses Video entfernte die Beklagte zeitnah nach Abmahnung durch den Kläger. In einem nachfolgend erschienenen, nahezu inhaltsgleichen weiteren Deep-Fake Video warb der Kläger ebenfalls vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme. Dieses Video entfernte die Beklagte ebenfalls – erst – nach entsprechendem Hinweis durch den Kläger. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassen der Verbreitung dieser beiden Videos in Anspruch. Das Landgericht (LG) hat den Antrag zurückgewiesen.
So sah es das Oberlandesgericht
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hatte teilweise Erfolg. Hinsichtlich des ersten Videos bestehe kein Unterlassungsanspruch, entschied das OLG. Die Beklagte sei als Hostproviderin grundsätzlich nicht verpflichtet, von den Nutzern ins Netz gestellte Beiträge vor ihrer Veröffentlichung auf etwaige Rechtsverletzungen hin zu prüfen. Ihre Haftung setze die Verletzung von Prüf- und Verhaltenspflichten voraus. Vor der Abmahnung des Klägers betreffend das erste Video sei die Beklagte nicht zur Löschung verpflichtet gewesen. Eine Löschpflicht habe sich insbesondere nicht aus den vorausgegangenen Hinweisen des Klägers auf andere, nicht sinngleiche sog. Fake-Werbungen ergeben. Grundsätzlich lösten derartige Hinweise nur Prüfpflichten hinsichtlich „sinngleicher Inhalte“ aus. Darunter fielen Inhalte, die in Bild und Text identisch, aber bei gleichbleibendem Gesamteindruck etwa abweichend gestaltet seien. Dies könne sich etwa auf die Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung mit Rahmen oder Zufügung sog. Caption beziehen. Die vorausgegangenen Hinweise des Klägers hätten sich hier jedoch auf in Bild und Text abweichende Inhalte bezogen.
Prüfplicht des Providers bestand
Hinsichtlich des zweiten Videos habe die Beklagte dagegen schon aufgrund der Abmahnung des Klägers hinsichtlich des ersten Videos eine Prüfpflicht getroffen. Es habe keiner weiteren Abmahnung bedurft. Das zweite Video unterscheide sich allenfalls marginal vom ersten. Nach dem Eindruck des OLG wirkten die Videos – bei voneinander abweichender Überschrift – nahezu identisch. Es lägen damit sinngleiche Inhalte vor. Da die Beklagte das zweite Video nicht bereits ohne weitere Abmahnung gesperrt habe, habe sie gegen ihre Prüfpflichten verstoßen. Im Ergebnis bestehe daher ein Unterlassungsanspruch.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nich tanfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.3.2025, 16 W 10/25, PM 14/25
| Zahlreiche Betriebsprüfungen zeigen, dass die Kassenführung oft beanstandet wird. Das Problem dabei: Ist die Kassenführung nicht ordnungsmäßig, drohen erhebliche Hinzuschätzungen. So war es auch in einem Fall, der vom Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein zu entscheiden war. |
Im Streitfall hatte bei einem bargeldintensiven Imbiss mit Sitzgelegenheiten eine Betriebsprüfung stattgefunden. Der Betreiberin, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte, wurden dabei zahlreiche Mängel in der Kassenführung vorgeworfen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem FG blieb erfolglos.
Beachten Sie | Allerdings ist inzwischen die Revision anhängig, in der insbesondere diese interessanten Fragen zu klären sind:
- Ist bei bestehenden Zweifeln im Hinblick auf den Programmierzustand und das Vorhandensein von Manipulationsspuren an der Registrierkasse vom FG ein Sachverständigengutachten einzuholen?
- Rechtfertigen fehlende Programmierprotokolle für die verwendete Kasse eine Schätzung dem Grunde nach?
- Ergibt sich aus einer angeblichen Abweichung von der Richtsatzsammlung eine Schätzungsbefugnis?
Quelle | FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.8.2023, 3 K 25/22, Rev. BFH, X R 27/24
| Hat eine Gesellschaft ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr, ist für die Berechnung der Steuerermäßigung gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 EStG) nicht auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums abzustellen, sondern auf das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahrs. Für die Aufteilung des Steuerermäßigungsbetrags sind der Gewerbesteuer-Messbetrag und die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des Wirtschaftsjahrs an der Gesellschaft beteiligt waren. So lautet ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Hintergrund: Unter den Voraussetzungen des § 35 EStG wirddie Gewerbesteuerbelastung kompensiert, indem die tarifliche Einkommensteuer um das Vierfache des festgesetzten Steuermessbetrags gemindert wird.
Quelle | BFH, Urteil vom 10.4.2025, IV R 21/22
| Mit Wirkung ab 1.6.2025 wurden die Gebühren für Eintragungen im Handelsregister um 50 Prozent erhöht. Demzufolge werden auch Unternehmensgründungen teurer. |
In der Begründung der Verordnung wird hierzu u. a. ausgeführt: „Die daraus insgesamt resultierenden Gebühreneinnahmen sollen dazu dienen, den Aufwand der Länder für den Betrieb der Registergerichte weitgehend zu decken, damit die Gerichte den Anforderungen an eine moderne, effiziente und sichere Registerführung auch künftig gerecht werden können.“
Quelle | Dritte Verordnung zur Änderung der Handelsregistergebührenverordnung, BGBl I 2025, Nr. 127
| Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft wird nur bereit sein, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung einer Eigentumswohnung zu (privaten) Wohnzwecken (also im privaten Interesse) eines Gesellschafters zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe erstattet werden und sie zudem einen angemessenen Gewinnaufschlag erhält. Vor diesem Hintergrund hat es das Finanzgericht (FG) Niedersachsen im Streitfall als rechtmäßig beurteilt, dass das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) angesetzt hat. |
Zum Hintergrund: Bei einer vGA handelt es sich – vereinfacht – um Vermögensvorteile, die dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gewährt werden. Eine vGA darf den Gewinn der Gesellschaft nicht mindern.
Im Anschluss an ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahr 2016 führte das FG weiter aus: Eine Vermietung zu marktüblichen, aber nicht kostendeckenden Bedingungen würde ein gewissenhafter Geschäftsführer (ausnahmsweise) in Betracht ziehen, wenn er bezogen auf den jeweils zu beurteilenden Veranlagungszeitraum bereits von der Erzielbarkeit einer angemessenen Rendite ausgehen kann.
Beachten Sie | Die danach für den Fremdvergleich maßgebliche Kostenmiete ist auch dann als Maßstab heranzuziehen, wenn der Gegenstand des Unternehmens der Kapitalgesellschaft auch neben der an die Gesellschafterin vermieteten Wohnung in der Vermietung von Immobilien besteht.
Gegen das Urteil ist die Revision anhängig. Gleichwohl sollte in vergleichbaren Fällen eine vGA bedacht werden. Es empfiehlt sich, Mietverträge zu prüfen und ggf. anzupassen.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 15.8.2024, 10 K 255/21, Rev. BFH, I R 21/24
| Ein Freiwilliger Wehrdienst kann bei einem volljährigen Kind für sich genommen keinen Kindergeldanspruch begründen. Gleichwohl kann während der Zeit des Wehrdienstes ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, wenn das Kind einen der gesetzlichen Berücksichtigungstatbestände erfüllt, also z. B. während des Wehrdienstes für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dabei ist es unschädlich, wenn das Kind nach Abschluss der Grundausbildung im Rahmen des Freiwilligen Wehrdienstes Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad ausübt. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Das war geschehen
Der Sohn absolvierte nach seinem Abitur einen zehn Monate dauernden Freiwilligen Wehrdienst. Die Familienkasse bewilligte dem Vater für die Übergangszeit zwischen Abitur und Grundausbildung sowie für die Zeit der Grundausbildung Kindergeld. Nach der Grundausbildung verrichtete der Sohn Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad, eine weitere Ausbildung bei der Bundeswehr fand nicht statt. Nach dem Ende des Wehrdienstes studierte er an einer zivilen Hochschule. Den Entschluss dazu hatte er während des Wehrdienstes gefasst.
Die Familienkasse versagte für die Zeit nach Beendigung der Grundausbildung bis zum Beginn des Studiums die Festsetzung von Kindergeld. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Vater Klage vor dem Finanzgericht (FG) Bremen. Da das FG die Revision zugelassen hatte und diese auch eingelegt wurde, musste nun der BFH entscheiden.
Beachten Sie | Der Freiwillige Wehrdienst gehört – anders als ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr – nicht zu den im Einkommensteuergesetz (hier: § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG) genannten Berücksichtigungstatbeständen, die schon für sich genommen einen Kindergeldanspruch begründen können.
Bundesfinanzhof: Kindergeldanspruch bestand
Dennoch entschied der BFH, dass auch nach dem Ende der Grundausbildung und trotz einer Erwerbstätigkeit des Kindes als Soldat mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden ein Kindergeldanspruch bestehen kann, wenn das Kind (wie im Streitfall) eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.
Beachten Sie | Die drei Monate dauernde Grundausbildung war zwar Teil einer Ausbildung zum Offizier oder Unteroffizier. Ihre Beendigung führte jedoch nicht zu einem für den weiteren Kindergeldbezug ggf. schädlichen Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung (i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG).
Es kam auf den Zeitpunkt des Entschlusses an
Für einen Monat wies der BFH die Revision jedoch zurück, weil sich der Entschluss des Sohnes, sich um einen Studienplatz zu bemühen, erst im Folgemonat objektiviert hatte. Der bloße Vortrag des Kindergeldberechtigten und des Kindes, der Entschluss zu einer Ausbildung oder zu einem Studium sei früher gefasst worden, ist für die Begründung des Anspruchs nicht ausreichend.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.2.2025, III R 43/22, PM 28/2025 vom 2.5.2025
| Ab Mai 2025 setzen vier Pilotfinanzämter (Brühl, Bielefeld-Außenstadt, Hamm und Lübbecke) des Landes Nordrhein-Westfalen erstmals ein KI-Modul zur Unterstützung der Steuerveranlagung ein. Das Ziel: Steuererklärungen sollen effizienter, schneller und treffsicherer bearbeitet werden.
Das neue KI-Modul ergänzt das bewährte Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung. Es erkennt Muster in den Steuerdaten und kann gut nachvollziehbare Fälle mit geringem Prüfbedarf gezielt identifizieren. Diese werden automatisiert verarbeitet – und damit schneller abgeschlossen.
Gestartet wird mit Arbeitnehmerfällen (also Steuererklärungen mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalerträgen, Vorsorgeaufwendungen, Sonderausgaben, haushaltsnahen Dienstleistungen und ähnlichen Bereichen). Die Ausweitung auf weitere Fallkonstellationen ist bereits in Planung.
Nordrhein-Westfalen übernimmt die Vorreiterrolle. Nach erfolgreichem Testlauf ist die landesweite Einführung geplant.
Quelle | FinMin NRW, Mitteilung vom 22.4.2025
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der auf Dienstreisen seinen privaten Pkw einsetzt, die tatsächlichen Kosten für jeden gefahrenen Kilometer auch dann ansetzen kann (im Streitfall: 2,28 Euro/km für einen Sportwagen), wenn er von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt bekommt, den er grundsätzlich für dienstliche und private Fahrten nutzen kann. |
Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall jedoch den Nachweis erbringen, dass er das Privatfahrzeug tatsächlich beruflich eingesetzt hat. Eine Angemessenheitsprüfung dem Grunde nach (hier: berufliche Nutzung eines privaten Fahrzeugs durch einen Arbeitnehmer, dem von seinem Arbeitgeber ein Geschäftsfahrzeug überlassen wurde) findet nicht statt.
Beachten Sie | Das Finanzamt will diese Entscheidung aber nicht akzeptieren und hat Revision eingelegt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.9.2024, 9 K 183/23, Rev. BFH: VI R 30/24
| Kinderbetreuungskosten sind als Sonderausgaben abzugsfähig. Bei Aufwendungen für Unterricht, für die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen ist ein Sonderausgabenabzug allerdings gesetzlich ausgeschlossen. Mit dem Abzugsverbot hat sich nun der Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt. |
Hintergrund: Kinderbetreuungskosten können nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) als Sonderausgaben steuerlich absetzbar sein. Folgende Aspekte sind hier zu beachten:
- Abzug von 80 % der Betreuungsleistungen, maximal 4.800 Euro pro Jahr.
- Der Abzug ist zulässig für haushaltszugehörige Kinder unter 14 Jahren (oder aufgrund Behinderung, Eintritt vor dem 25. Lebensjahr, Übergangsregel 27. Lebensjahr).
- Grundsätzlicherforderlich: Rechnung und Überweisung.
- Nichtabziehbar: Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen.
Betreuungscharakter muss im Vordergrund stehen
Nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen vor, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbstständigten Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichts- oder Kurszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen (sprachlichen, musischen, sportlichen) Fähigkeiten in den Hintergrund rückt.
Nicht begünstigteAufwendungen
Entsprechendes gilt für sportliche und andere Freizeitbetätigungen. Nicht begünstigte Aufwendungen für derartige Aktivitäten liegen daher vor, wenn
- die Betätigung organisatorisch, zeitlich und räumlich getrennt von einer Kindertagesstätte, einem Schulhort oder einer ähnlichen Einrichtung stattfindet und
- dabei nicht die altersbedingt erforderliche Betreuung des Kindes, sondern die Aktivität im Vordergrund steht.
Quelle | BFH, Urteil vom 23.1.2025, III R 33/24 (III R 50/17)
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen hat die Stadt Marburg dazu verpflichtet, einer Studentin einen Bewohnerparkausweis zu erteilen, die ein in Tschechien zugelassenes Fahrzeug nutzt. |
Kfz in Tschechien zugelassen
Die Klägerin wohnt in einem Bewohnerparkgebiet der Beklagten. Sie nutzt ein Kraftfahrzeug ihres Vaters, der tschechischer Staatsangehöriger ist und das Fahrzeug in Tschechien zugelassen hat. Im Frühjahr 2024 beantragte sie bei der Stadt Marburg, ihr einen Bewohnerparkausweises zu erteilen. Dies lehnte die Stadt mit der Begründung ab, dass sie Bewohnerparkausweise für Fahrzeuge mit ausländischer Zulassung nicht erteilen könne. Im Rahmen des Klageverfahrens argumentierte die Stadt weiter, dass eine ausländische Zulassung gegen eine dauerhafte Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin spreche, weil ein im Ausland zugelassenes Kraftfahrzeug nur vorübergehend am Verkehr in Deutschland teilnehmen dürfe.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG bejahte hingegen den Anspruch der Studentin auf einen Bewohnerparkausweis. Bei der Klägerin handele es sich um eine Anwohnerin, die das betroffene Fahrzeug nachweislich dauerhaft nutze.
Gegen eine dauerhafte Nutzung spreche insbesondere nicht, dass Kraftfahrzeuge mit ausländischer Zulassung nur vorübergehend am Straßenverkehr in Deutschland teilnehmen dürfen. Es sei bereits nicht klar, ob das von der Klägerin genutzte Fahrzeug diese Voraussetzungen erfülle. Die Klägerin gab nämlich an, dass sie das Fahrzeug während der Semesterferien nicht in Deutschland nutze. Diese Prüfung obliege der Zulassungsbehörde, die je nach Einzelfall eine Untersagung des Betriebs im öffentlichen Straßenverkehr ohne deutsche Zulassung aussprechen könne.
Die Versagung eines Bewohnerparkausweises für im Ausland zugelassene Fahrzeuge entspreche nicht dem Zweck der Vorschriften. Ein Bewohnerparkgebiet diene dem Anwohnerinteresse, in innerstädtischen Wohnstraßen eine Abstellmöglichkeit für ein (dauerhaft) genutztes Kraftfahrzeug zu finden.
Quelle | VG Gießen, Urteil vom 13.11.2024, 6 K 2830/24.GI, PM vom 19.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Ein zur Nichtigkeit der entsprechenden Vereinbarung führender Verstoß gegen den im Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 656 d BGB) geregelten Grundsatz der hälftigen Teilung des Maklerlohns liegt vor, wenn ein Makler allein für den Verkäufer einer Immobilie tätig geworden ist und der Käufer zur Zahlung des vollen Honorars an den Makler verpflichtet wird. |
Das war geschehen
Die Kläger erwarben ein mit einer Doppelhaushälfte bebautesGrundstück. Mit der Vermittlung des Verkaufs hatte die Verkäuferin das beklagte Maklerunternehmen beauftragt. Für die Vermittlung der Immobilie entstand zugunsten der Beklagten gegenüber der Verkäuferin ein Maklerlohnanspruch in Höhe von 25.000 Euro. Der im Exposé zunächst vorgesehene Kaufpreis wurde um einen Betrag in dieser Höhe reduziert. Zugleich verpflichteten sich die Kläger gegenüber der Beklagten zur Zahlung eines Honorars in gleicher Höhe, das sie nach notarieller Beurkundung des Kaufvertrags bezahlten. Eine Maklerlohnzahlung durch die Verkäuferin erfolgte nicht. Die Kläger verlangten die Rückzahlung des geleisteten Betrags.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: § 656 d BGB ist nicht nur auf Vereinbarungen der Parteien des Kaufvertrags über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus untereinander anwendbar, sondern erfasst jegliche Art einer vertraglichen Vereinbarung, durch die unmittelbar oder mittelbar ein Anspruch des Maklers auf Zahlung oder Erstattung von Maklerlohn gegenüber der Partei des Kaufvertrags begründet wird, die nicht Partei des Maklervertrags ist. Umfasst sind daher auch alle auf eine Verpflichtung zur Zahlung oder Erstattung des Maklerlohns gerichteten Vereinbarungen des Maklers mit der Partei des Kaufvertrags, die nicht Partei des Maklervertrags ist.
Der Anwendbarkeit des § 656 d BGB steht es deshalb auch nicht entgegen, dass die Verkäuferin der Immobilie von der Pflicht, den vereinbarten Maklerlohn zu entrichten, gegenüber der Beklagten nicht entbunden war. Da die Käufer im Innenverhältnis zur Verkäuferin verpflichtet waren, den Maklerlohn in voller Höhe zu bezahlen, blieb die Verkäuferin als die Partei, die den Maklervertrag abgeschlossen hat, nicht zur Zahlung des Maklerlohns mindestens in gleicher Höhe verpflichtet.
Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung
Der Verstoß gegen § 656 d BGB führt zur Gesamtnichtigkeit einer entsprechenden Vereinbarung. Die Kläger können von der Beklagten die Rückzahlung des Maklerlohns in voller Höhe verlangen.
Quelle | BGH, Urteil vom 6.3.2025, I ZR 138/24, PM 45/25
| Eine 77-jährige Frau, die über einer Supermarktfiliale wohnt, tätigte dort ihre Einkäufe bis zu einem Hausverbot Anfang des Jahres 2024 durch die Filialleitung. Sie behauptet, das Hausverbot sei nach einer Beschwerde ihrerseits ohne ersichtlichen Grund erteilt worden. Sie sei gesundheitlich stark eingeschränkt und nicht in der Lage, längere Strecken zurückzulegen und daher auf die Filiale angewiesen. Ohne ein Betreten des Supermarkts sei ihr eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verwehrt. Das Amtsgericht (AG) München wies ihre Klage ab. |
Wiederholtes Fehlverhalten
Die Filialleitung begründete das Hausverbot mit wiederholtem Fehlverhalten. Die Münchnerin habe Kunden beim Betreten des Markts von ihrer Wohnung aus beschimpft, habe das Geschäft regelmäßig ohne Einkaufsabsicht aufgesucht, Mitarbeiter in Gespräche verwickelt und diese von der Arbeit abgehalten. Sie habe sich zudem immer wieder an der Frischetheke des Markts Ware aufschneiden lassen und diese dann, anstatt zu kaufen, im Laden abgelegt.
Da der Supermarkt sich weigerte, das Hausverbot zurückzunehmen, verklagte sie den Betreiber vor dem AG auf Gewährung des Zutritts zum Supermarkt – ohne Erfolg.
Hausrecht deckt Hausverbot
Der Beklagte ist als Betreiber des Supermarkts aufgrund seines Hausrechts grundsätzlich berechtigt, Kunden selbst ohne sachlichen Grund ein Hausverbot zu erteilen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein Fehlverhalten der Klägerin vorlag.
Dem Betreiber einer Einrichtung, die erhebliche Bedeutung für das gesellschaftliche und kulturelle Leben hat, wird eine besondere rechtliche Verantwortung zugewiesen, die es ihm verbietet, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund auszuschließen. Entgegen der Auffassung der Klägerin entscheidet die Verweigerung des Zutritts für sie nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Ein Supermarkt dient der Daseinsvorsorge in Form von Einkäufen des täglichen Bedarfs, insbesondere an Lebensmitteln, nicht der sozialen Interaktion oder des kulturellen Austauschs.
Klägerin konnte auf konkurrierenden Supermarkt ausweichen
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Monopolstellung oder sonstige strukturelle Überlegenheit des Beklagten vorliegt, die dazu führt, dass bestimmte Personen nicht ohne sachlichen Grund ausgeschlossen werden könnten. Eine solche Monopolstellung des Markts des Beklagten für die tägliche Daseinsvorsorge ist im konkreten Fall nicht gegeben. Der Beklagte hat unbestritten ausgeführt, dass in fußläufiger Entfernung (ab 500 Metern) weitere Supermärkte vorhanden sind, die somit auch für betagtere Kunden problemlos zu erreichen sind.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 11.10.2024, 142 C 18533/24, PM 12/25
| Legt beim Gebrauchtwagenkauf der Verkäufer den Fahrzeugbrief vor, kann sich der Käufer normalerweise darauf verlassen, dass er es auch tatsächlich mit dem Eigentümer und nicht mit einem Betrüger zu tun hat. Dieses Vertrauen kann aber erschüttert sein, wenn die Umstände des Verkaufs trotzdem Verdacht erregen müssen. Dann muss der Käufer im Betrugsfall das Fahrzeug dem wahren Eigentümer zurückgeben und bleibt auf dem gezahlten Kaufpreis als Schaden sitzen. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal (Pfalz) entschieden. Es hat die Klage eines Autokäufers abgewiesen, der auf einen Betrüger hereingefallen war. |
Autokäufer war auf Betrüger hereingefallen
Der Käufer hatte den PKW von einem Betrüger für mehr als 35.000 Euro erworben. Kurze Zeit nach dem Kauf beschlagnahmte die Polizei das Fahrzeug und gab es dem ursprünglichen Eigentümer zurück. Dieser verkaufte es anschließend für knapp 49.000 Euro weiter.
Den Kaufpreis reklamierte der betrogene Käufer für sich. Er sei trotz des Betrugs Eigentümer des Fahrzeugs geworden. Er sei im Internet auf das Fahrzeug gestoßen und habe sich im Saarland zur Besichtigung verabredet. Auf dem Weg dorthin habe er die Mitteilung erhalten, dass das Kind des Verkäufers einen Treppensturz erlitten habe und in einem Krankenhaus in Frankreich liege. Dorthin sei er nun umgeleitet worden, wo der Kauf auf dem Parkplatz durch Barzahlung auch abgewickelt worden sei. Der Betrüger habe einen vermeintlich echten Fahrzeugbrief und einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt. Er habe deshalb daran glauben dürfen, dass das Fahrzeug diesem auch gehört habe.
Umstände des Kaufs waren dubios, Zweifel daher angebracht
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Der Käufer habe trotz Vorlage des scheinbar echten Fahrzeugbriefs grob fahrlässig gehandelt und das Fahrzeug daher nicht gutgläubig erworben. Denn die Umstände des Verkaufs hätten beim Käufer Zweifel erregen müssen, dass er den wahren Eigentümer vor sich hatte. So habe dieser einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt, obwohl sein im Kaufvertrag genannter Wohnsitz Frankenthal gewesen sei und das Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen zugelassen war.
Kurzfristige Verlegung der Übergabe ins Ausland
Auffällig sei ferner, dass der Verkäufer ursprünglich als Treffpunkt das vom angegebenen Wohnort abweichende Dillingen/Saar genannt habe. Typisch für unlautere Automobilgeschäfte sei auch das Bargeschäft und die kurzfristige telefonische Verlegung des Verkaufsorts an einen fremden und noch dazu im Ausland befindlichen Ort. Nach alledem könne der Käufer dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entgehen und habe den Schaden selbst zu tragen, so der Richter.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 3.4.2025, 3 O 388/24, PM vom 22.5.2025
| Das Amtsgericht (AG) Berlin-Charlottenburg hat entschieden: Hatte der frühere Vermieter die Hundehaltung erlaubt, kann der in das Mietverhältnis eingetretene Vermieter diese Gestattung nur aus wichtigem Grund widerrufen. Dies gilt, auch wenn es sich um einen Kampfhund handeln sollte. Dass sich Mitmieter aufgrund der Größe und Kraft eines solchen Hundes subjektiv bedroht fühlen, reicht für den Widerruf nicht aus. |
Vorheriger Vermieter hatte Hundehaltung gestattet, neuer Vermieter widerrief Erlaubnis
Die Parteien eines Mietvertrags über ein möbliertes Apartment stritten um die Räumung und Herausgabe einer Wohnung. Der Kläger, der aktuelle Vermieter, war nachträglich in das Mietverhältnis eingetreten. Der beklagte Mieter hält einen Hund, was ihm ausdrücklich vom früheren Vermieter erlaubt worden war.
Der Kläger hat die Erlaubnis zur Hundehaltung im Juni 2023 widerrufen und die Haltung eines Kampfhundes untersagt. Der Beklagte sollte seinen Hund bis Ende Juni 2023 entfernen. Noch im Juni mahnte der Kläger den Beklagten wegen nicht gestatteter Tierhaltung ab. Anfang August 2023 kündigte der Kläger das Mietverhältnis ordentlich zum 30.11.2023 und begründete dies mit der weiteren Haltung eines Kampfhundes sowie des Einsetzens des Hundes als Druck- und Nötigungsmittel.
Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung
Der Kläger behauptete, bei dem vom Beklagten gehaltenen Tier würde es sich um einen Kampfhund handeln. Der Beklagte würde dieses Tier gegenüber Nachbarn im Objekt als Druck- und Nötigungsmittel einsetzen, um Vorrang auf Wegen oder im Treppenhaus zu erzwingen. Mehr als ein anderer Bewohner im Objekt habe Angst vor dem Hund, die wollten aber nicht namentlich genannt werden. Er verklagte den Mieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Der Mieter behauptete hingegen, es handele sich nicht um einen „Listenhund“, sondern um eine Mischung aus Old-English-Bulldog und Weimeraner. Er reichte dazu zwei Fotos sowie eine tierärztliche Bescheinigung und weitere Unterlagen ein.
So entschied das Amtsgericht
Der Vermieter kann das Mietverhältnis nur aus berechtigtem Interesse kündigen. Das ist z. B. der Fall, wenn der Mieter vertragliche Pflichten erheblich verletzt, indem er z. B. ein Tier trotz Abmahnung weiter hält.
Im Fall des AG war es aber anders: Der ursprüngliche Vermieter hatte die Hundehaltung erlaubt. Der – große und kräftige – Hund, war– ohne Maulkorb – stets an der Leine geführt worden. Beißvorfälle oder -versuche oder Bedrohungen von Nachbarn mit dem Hund konnten nicht bewiesen werden. Ein – subjektives – Bedrohtfühlen genügt nicht, um die Erlaubnis zu widerrufen.
Quelle | AG Charlottenburg, Urteil vom 30.5.2024, 218 C 243/23
| Ein Streit um einen Erbschein hat kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Eine Erbin hatte falsche Angaben gemacht – mit unangenehmen Folgen. |
Wahrheitswidrige Angaben zum Testament
Eine Frau hatte nach dem Tod ihrer Mutter einen Erbschein beantragt, um als Alleinerbin ausgewiesen zu werden. Sie berief sich dabei auf ein Testament, machte aber falsche Angaben: Sie versicherte eidesstattlich, dass das Testament von der Verstorbenen eigenhändig verfasst worden sei. In Wirklichkeit hatte jedoch die Tochter das Testament geschrieben und die Mutter nur ihre Unterschrift darunter gesetzt.
Testament muss eigenhändig geschrieben sein
Die falschen Angaben betrafen einen entscheidenden Punkt: Ein Testament muss eigenhändig geschrieben oder von einem Notar beurkundet werden. Eigenhändig heißt, dass der Erblasser es komplett selbst und von Hand niederschreiben muss. Die bloße Unterschrift der Mutter reichte deshalb nicht aus – das Testament war unwirksam. Statt des Testaments galt die gesetzliche Erbfolge, das heißt: Die Antragstellerin musste sich das Erbe mit ihren Geschwistern teilen.
Streit um Anwaltskosten
Im Erbscheinverfahren vor dem Amtsgericht (AG) wurden die falschen Angaben aufgeklärt. Der Streit war damit aber nicht erledigt. Denn die Geschwister hatten Anwälte beauftragt, um gegen den unberechtigten Antrag vorzugehen. Zwei Schwestern verlangten die Erstattung der angefallenen Anwaltskosten. Das OLG gab ihnen nun Recht.
Mögliche strafrechtliche Konsequenzen
Für die unterlegene Schwester hat dies nicht nur finanzielle Folgen: Die Akten werden nun der Staatsanwaltschaft übergeben, denn eine falsche eidesstattliche Versicherung ist strafbar. Das OLG sah einen entsprechenden Anfangsverdacht; bis zu einer möglichen Entscheidung im Strafverfahren gilt für die Betroffene die Unschuldsvermutung.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 9.1.2025, 6 W 156/24, PM vom 20.2.2025
| Das Zerreißen eines Testaments durch den Erblasser ist eine Widerrufshandlung. Es wird gesetzlich vermutet, dass dieser Widerrufshandlung eine Widerrufsabsicht zugrunde lag. Die Aufbewahrung des zerrissenen Testaments im Schließfach widerlegt diese Vermutung nicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die Beschwerde des in dem zerrissenen Testament Begünstigten gegen einen auf Basis gesetzlicher Erbfolge erteilten Erbschein zurückgewiesen. |
Testament zerrissen, aber aufbewahrt
Der Erblasser war mit seiner Frau in letzter Ehe kinderlos verheiratet. Nach seinem Versterben beantragte die Frau einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Das Nachlassgericht erteilte den Erbschein, der die Frau neben der Mutter des Erblassers als Erben auswies. Zwei Monate später öffneten die Frau und ein Vertreter der Mutter des Erblassers das Schließfach des Erblassers. Dort befand sich ein handschriftliches Testament, das eine andere Person begünstigte. Es war längs in der Mitte durchgerissen. Das Nachlassgericht hat den Antrag des Begünstigten abgelehnt, den bereits erteilten Erbschein im Hinblick auf das nun aufgefundene, zerrissene Testament einzuziehen.
Widerruf durch schlüssige Handlung
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das Nachlassgericht habe die Einziehung des Erbscheins zu Recht abgelehnt, da dieser nicht unrichtig geworden sei. Der Begünstigte sei nichttestamentarischer Erbe geworden. Der Erblasser habe das den Begünstigten alsErben einsetzende Testament durch schlüssige Handlung widerrufen.
Durch das Zerreißen des Testaments in der Mitte habe derErblasser das Testament vernichtet. Es liege insoweit eine Widerrufshandlungvor. Das Testament sei unzweifelhaft auch „nicht durch äußere Einflüsse „anderweitig“ in zwei Teile geraten“. Dafür spreche, dass das Papier mittig, aber nicht vollständig gerade getrennt worden sei. Die Trennränder seien zudem nicht glatt. Anhaltspunkte für ein – ggf. sachverständig aufzuklärendes – anderweitiges Trennen des Schriftstücks in zwei Teile lägen nicht vor. Es sei auch davon auszugehen, dass der Erblasser selbst das Testament zerrissen habe, da nur er Zugang zum Bankschließfach gehabt habe. Nach den Angaben der bei Öffnung des Schließfachs Anwesenden bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Testament beim Öffnen oder Schließen des Schließfachs versehentlich von einer dritten Person zerrissen worden sei.
Gesetzliche Vermutung nicht widerlegt
Es werde gesetzlich vermutet, dass diese Widerrufshandlung mit Widerrufsabsicht erfolgte. Indizien, die diese Vermutung widerlegen würden, seien nicht erkennbar. Warum der Erblasser das zerstörte Testament im Schließfach aufbewahrte, sei zwar nicht nachvollziehbar. Dies allein genüge aber nicht zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung. Der Erblasser habe ausweislich der dokumentierten 31 Öffnungen des Schließfachs dieses offensichtlich nicht ausschließlich zur Aufbewahrung eines ungültigenTestaments angemietet.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.4.2025, 21 W 26/25, PM 26/25
| Das Landgericht (LG) Berlin II hat eine Energieberatungsfirma zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von rund 6.000 Euro wegen einer Falschberatung verurteilt. Aufgrund der Falschberatung habe der Kläger – ein Verbraucher – Fenster und Dachfenster mit zu hohen Wärmedurchgangskoeffizienten einbauen lassen, die daher nicht förderfähig seien. |
Förderleistungen beantragt – Bundesamt lehnt ab
Der Kläger hatte die Beklagte mit der Energieberatung für die energetische Sanierung seines Einfamilienhauses beauftragt. In Zusammenarbeit mit der Beklagten beantragte er beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Förderleistungen gemäß der Richtlinie der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG-Richtlinie) und erhielt einen entsprechenden Zuwendungsbescheid. Anschließend holte er Angebote für die Sanierungsmaßnahmen ein und schickte sie der Beklagten, die diese nicht beanstandete.
Für den Verwendungsnachweis der Fördermittel gab der Kläger in Absprache mit der Beklagten die Wärmedurchgangskoeffizienten an, die mit den verbauten Dämmmaterialien an der Gebäudehülle erreicht werden konnten – für das Dach und die Geschossdecke einen Koeffizienten von 0,2, für die Fenster von 1,1 und für die Dachflächenfenster von 1,3. Das Bundesamt teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die technischen Mindestanforderungen bei der Sanierung nicht erreicht seien und hob den Förderbescheid teilweise auf. Die BEG-Richtlinie fordert Koeffizienten an Dachgebilden von 0,14 und an Fenstern von 0,95 bzw. 1,0 bei Dachflächenfenstern.
Energieberater muss Förderleistung zahlen
Das Gericht sprach dem Kläger nun Schadenersatz in Höhe der eigentlich zu gewährenden Förderungssumme zu. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur fachlich zutreffenden Beratung verletzt. Sie hätte insbesondere die vom Kläger vorgelegten Angebote auf ihre Förderungsfähigkeit prüfen müssen.
Der Verweis der Beklagten, der Kläger hätte sich selbst über die förderungsrelevanten Wärmedurchgangskoeffizienten informieren können, führe ihr Leistungsangebot ad absurdum. Es sei gerade ihre Hauptleistungspflicht, einen Verbraucher und Laien über die Richtlinien und Richtwerte fachlich zu beraten. Darüber hinaus habe die Beklagte den Kläger falsch beraten, weil sie selbst von falschen Werten ausgegangen sei. Rechtsirrig habe sie in E-Mails an den Kläger auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und nicht auf die Werte der BEG-Richtlinie verwiesen. Die Beratung sei auch deshalb unzureichend und fehlerhaft gewesen.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23, PM 3/25
| Bei einer mehr als unerheblichen Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks scheidet die Annahme eines faktischen Kerngebiets aus, also als Gebiet, das vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Stadt versagte Nutzung eines Gebäudes als Spielhalle
Die Klägerin begehrt einen Bauvorbescheid für die Nutzung eines Geschäftsgebäudes in der Innenstadt der Beklagten als Spielhalle. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, der Widerspruch blieb erfolglos.
Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht sahen das anders
Das Verwaltungsgericht (VG) gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) zurück. Das Vorhaben sei als Vergnügungsstätte zulässig. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Kerngebiet i. S. d. Baunutzungverordnung (hier: § 7 BauNVO). Die nicht unerhebliche, aber noch untergeordnete Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks stehe dieser Einordnung nicht entgegen, obwohl sie im vorhandenen Umfang nur aufgrund von Festsetzungen in einem Bebauungsplan zulässig wäre.
Bundesverwaltungsgericht rügte mangelnde Tatsachenfeststellung
Das BVerwG hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Auffassung des OVG, dass ein faktisches Kerngebiet auch bei einer nicht unerheblichen Wohnnutzung vorliegt, steht mit der Regelungssystematik der Baunutzungsverordnung nicht in Einklang. Die Verweisung in § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB auf die §§ 2 ff. BauNVO findet dort eine Grenze, wo die Baunutzungsverordnung eine planerische Entscheidung der Gemeinde vorsieht. Der Verordnungsgeber hat die Entscheidung darüber, ob die sonstige Wohnnutzung in einem Kerngebiet über Ausnahmen hinausgehen darf, der Gemeinde überlassen. Ihr Spielraum darf bei der Einordnung als faktisches Kerngebiet nicht übergangen werden. Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen konnte das BVerwG nicht abschließend entscheiden.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 20.5.2025, 4 C 2.24, PM 37/25
| Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf der Grundlage von über 2.300 geleisteten Mehrarbeitsstunden im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer für mehrere Monate frei, muss er ihm in diesen Monaten das Entgelt nach dem Lohnausfallprinzip zahlen, also das Entgelt, das zu zahlen gewesen wäre, wenn der Arbeitnehmer in diesen Monaten gearbeitet hätte. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |
Das LAG: Nichts anderes ergibt sich, wenn die unstreitige Mehrarbeit vor 20 Jahren geleistet worden war, also in einem Zeitraum, für den die Parteien ein viel geringeres Bruttomonatsentgelt vereinbart hatten.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 23.8.2024, 6 Sa 663/23
| Ein Bewerber um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugdienst kann verlangen, nicht wegen eines genetisch bedingten erhöhten Thromboserisikos vom Bewerbungsverfahren der Bundespolizei ausgeschlossen zu werden. Bei der beim Kläger diagnostizierten sog. Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich um einen angeborenen Gendefekt, bei dem es zu Störungen der Blutgerinnung kommt und der mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergeht. Die Entscheidung der Bundespolizeiakademie, die Bewerbung des Klägers um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst im Jahr 2023 aufgrund fehlender gesundheitlicher Eignung nicht zu berücksichtigen, hatte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Aachen keinen Bestand. Über die Bewerbung des Klägers muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden werden. |
Geringe Risiken
Zur Begründung hat das VG ausgeführt, dass es bereits in erheblichem Maße zweifelhaft ist, ob hinreichende sachliche Gründe für den Ausschluss von Beamten mit einem solchen Gendefekt bestehen. Denn das durch eine solche Mutation bedingte Thromboserisiko ist verhältnismäßig gering. In der beim Kläger vorliegenden Form ist es zwar gegenüber gesunden Menschen erhöht, entspricht jedoch ungefähr dem Thromboserisiko durch die Einnahme der Antibabypille bei Frauen und damit einem Risiko, das der Dienstherr als hinnehmbar ansieht.
Ergebnisse der genetischen Untersuchung durften nicht mitgeteilt werden
Unabhängig davon durfte der Gendefekt nicht zulasten des Klägers im Einstellungsverfahren berücksichtigt werden, weil er aufgrund einer genetischen Untersuchung diagnostiziert wurde. Die Mitteilung des diesbezüglichen Ergebnisses durfte die Bundespolizei aus Rechtsgründen nicht verlangen.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 10.3.2025, 1 K 1304/23, PM vom 10.3.2025
| Die Verwendung eines abstrakt gefährlichen Gegenstands – hier eines Klappmessers – zu einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch – hier Reparaturversuch an einer Uhr – läuft den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider und steht deshalb der Anerkennung eines Unfallereignisses als Dienstunfall entgegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Mit dem Messer versucht, Klemmfeder zu richten
Der mittlerweile pensionierte Kläger war Polizeivollzugsbeamter im saarländischen Landesdienst. Im April 2019 erstattete er bei seiner Dienststelle eine Dienstunfallanzeige. Danach habe er zu Dienstbeginn festgestellt, dass die sonst über der Tür hängende Wanduhr auf der Fensterbank gelegen habe. Es sei ihm aufgefallen, dass die Batterie der Uhr unsachgemäß im Batteriefach gesteckt habe und die Klemmfeder verbogen gewesen sei. Er habe mit seinem Klappmesser die verbogene Feder wieder richten wollen. Hierbei sei das Messer zugeschnappt und er habe sich einen tiefen Schnitt am kleinen Finger der rechten Hand zugezogen.
Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls
Sein Antrag auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall ist behördlich und in den beiden gerichtlichen Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwiderlaufe, wenn ein Beamter sich ohne Not einem Verletzungsrisiko durch Hantieren mit einem privaten, abstrakt gefährlichen Gegenstand aussetze, dessen Funktionstauglichkeit der Dienstherr nicht prüfen könne.
Keine dienstliche Aufgabe
Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall. Zwar hat sich der Unfall in einem Dienstgebäude zur Dienstzeit ereignet und ist damit grundsätzlich als „in Ausübung des Dienstes eingetreten“ vom Dienstunfallschutz erfasst. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Reparatur der Uhr nicht zu den dienstlichen Aufgaben des Klägers als Polizeibeamter gehörte. Dienstunfallschutz wird jedoch nicht gewährt, wenn dieTätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft. Das ist hier der Fall.
Entgegen den Interessen des Dienstherrn
Dabei kann dahinstehen, ob es sich um ein Einhandmesser im Sinne des Waffengesetzes handelte und das Führen des Messers bereits deshalb verboten war. Jedenfalls lief die Benutzung dieses Messers zum Zweck einer Uhrreparatur den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider. Das verwendete Messer ist ein abstrakt gefährlicher Gegenstand, der für den Zweck der Reparatur ersichtlich nicht bestimmt und nicht geeignet war.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 13.3.2025, 2 C 8.24, PM 16/25
| Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellt den Arbeitnehmer trotz dessen Beschäftigungsanspruchs von der Arbeit frei, unterlässt der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig in Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 615 S. 2 BGB) anderweitigen Verdienst, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis eingeht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Das war geschehen
Der Kläger war seit November 2019 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Senior Consultant gegen eine monatliche Vergütung von 6.440 Euro brutto. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.3.2023 ordentlich zum 30.6.2023 und stellte den Kläger unter Einbringung von Resturlaub unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht (ArbG) am 29.6.2023 statt, die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) am 11.6.2024 zurückgewiesen.
Arbeitgeber schlug Stellenangebote vor
Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Kläger Anfang April 2023 arbeitssuchend und erhielt von der Agentur für Arbeit erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge. Die Beklagte übersandte ihm hingegen schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote, die nach ihrer Einschätzung für den Kläger in Betracht gekommen wären.
Arbeitnehmer bewarb sich – aber erst zum Beschäftigungsende
Auf sieben davon bewarb sich der Kläger, allerdings erst ab Ende Juni 2023. Nachdem die Beklagte dem Kläger für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, hat er diese mit einer Klage geltend gemacht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewendet, der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bei der Beklagten bezogenen Gehalts anrechnen lassen.
Arbeitgeber war durch einseitige Freistellung im Annahmeverzug
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) ihr stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Beklagte befand sich aufgrund der von ihr einseitig erklärten Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug und schuldet dem Kläger (nach § 615 S. 1 BGB iVm. § 611 a Abs. 2 BGB) die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss sich der Kläger nicht (nach § 615 S. 2 BGB) anrechnen lassen. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil ist nur gerechtfertigt, wenn dieser wider Treu und Glauben (nach § 242 BGB) untätig geblieben ist. Weil § 615 S. 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend hiervon bestand für ihn keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Beklagten ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.
Quelle | BAG, Urteil vom 12.0.2025, 5 AZR 127/24, PM 6/2
| Mit dem vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) wurden die Aufzeichnungspflichten für Verrechnungspreiszwecke in der Abgabenordnung (hier: § 90 Abs. 3 und Abs. 4 AO) angepasst. Ein neuer Bestandteil ist die Transaktionsmatrix. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat hierzu nun Stellung bezogen. |
Transaktionsmatrix: Tabelle mit vorgegebenen Elementen
Die Transaktionsmatrix ist eine tabellarische Übersicht, die relevante Informationen zu grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen des Steuerpflichtigen mit nahestehenden Personen und Betriebsstätten enthält.
Das BMF führt auf, was in der Transaktionsmatrix anzugeben ist:
- Gegenstand und Art der Geschäftsvorfälle (z. B. Warenlieferung und Dauersachverhalt),
- an den Geschäftsvorfällen Beteiligte unter Kennzeichnung von Leistungsempfänger und Leistungserbringer,
- Volumen und Entgelt (in EUR) der Geschäftsvorfälle (z. B. Darlehensvolumen und Zins oder Entgelt für eine Warenlieferung oder Dienstleistung),
- vertragliche Grundlage (Benennung der Vertragsunterlage),
- angewandte Verrechnungspreismethode (z. B. Kostenaufschlagsmethode oder Preisvergleichsmethode),
- betroffene Steuerhoheitsgebiete und
- Angabe, ob Geschäftsvorfälle nicht der Regelbesteuerung im betreffenden Steuerhoheitsgebiet unterliegen
Zudem sind dem Schreiben als Anlage zwei Beispiele für eine Transaktionsmatrix angefügt. Abweichungen durch den Steuerpflichtigen sind nur unter den im Schreiben genannten (zeitlichen) Voraussetzungen zulässig.
Vorgaben ab 2025
Bei einer Außenprüfung sind ab 2025 (ohne gesondertes Verlangen) innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen: die Stammdokumentation bei Überschreiten der Größenklassen, Aufzeichnungen über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle und die Transaktionsmatrix.
Transaktionsmatrix auch für Vorjahreszeiträume
Da eine Prüfungsanordnung, die im Jahr 2025 ergeht, i. d. R. auch Prüfungszeiträume vor 2025 umfasst, muss eine Transaktionsmatrix in diesen Fällen auch für die Vorjahre erstellt werden. Die 30-Tage-Frist gilt für ein im Jahr 2025 gestelltes Vorlageverlangen hinsichtlich der Transaktionsmatrix, auch wenn die Prüfungsanordnung vor 2025 ergangen ist.
Beachten Sie | Werden keine ertragsteuerlichen Auslandssachverhalte geprüft, sind die o. g. Unterlagen nur auf gesondertes Verlangen vorzulegen.
Quelle | BMF, Schreiben vom 2.4.2025, IV B 3 - S 0225/00019/004/009
| In einem Verfahren vor dem Landgericht (LG) Frankfurt a. M. klagte ein Hersteller u. a. von Mobilfunkgeräten mit Niederlassung in Deutschland gegen ein in der Volksrepublik China ansässiges Unternehmen. Die chinesische Beklagte ist Inhaberin von Patenten, die für mehrere Mobilfunkstandards essenziell sind. Sie hat sich dazu verpflichtet, Lizenzen für diese Patente zu fairen Bedingungen zu erteilen. Die Klägerin wollte mit ihrer Klage erreichen, dass die chinesische Beklagte ihr Mobilfunklizenzen zu bestimmten Konditionen gewährt. |
Beschleunigung des Verfahrens
Zur Durchführung des Verfahrens bedarf es zunächst der förmlichen Zustellung der Klageschrift. Grundsätzlich wäre die Zustellung im Wege der Rechtshilfe unter Beteiligung chinesischer Stellen am Sitz der Beklagten in der Volksrepublik China vorzunehmen. In Ausnahmefällen kann nach der Zivilprozessordnung (ZPO) jedoch davon abgesehen werden und das Gericht eine öffentliche Zustellung anordnen, etwa wenn die Zustellung im Ausland keinen Erfolg verspricht. Das hat das LG hier für die Zustellung in der Volksrepublik China angenommen. Es hat eine öffentliche Zustellung bewilligt.
Das LG: Das Gebot eines wirkungsvollen Rechtsschutzes erfordert, dass dieser in angemessener Zeit zu erlangen ist. Keinen Erfolg verspricht die Zustellung daher, wenn die Durchführung einen derart langen Zeitraum in Anspruch nehmen würde, dass ein Zuwarten der betreibenden Partei billigerweise nicht zugemutet werden kann. Für die Entscheidung der Frage, ob die Dauer einer Zustellung im Wege der Rechtshilfe nicht mehr zumutbar ist, bedarf es einer Abwägung der beiderseitigen Interessen.
Der übliche Weg dauert zu lange
Die Klägerin, so das LG, habe dargelegt, dass die Auslandszustellung in der Volksrepublik China nicht stets gelingt und auch dann einen Zeitraum von deutlich mehr als einem Jahr in Anspruch nimmt. Nach der Erfahrung anderer deutscher Gerichte, die sich mit der Erfahrung der Kammer deckt, nimmt die Zustellung in der Volksrepublik China einen erheblichen Zeitraum in Anspruch. Bei dieser Sachlage überwiegen die Interessen der Klägerin auf effektiven Rechtsschutz die Interessen der Beklagten im Hinblick auf die Gefährdung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Das LG hat der Klägerin allerdings aufgegeben, die Beklagte auf nicht-förmlichem Weg zu informieren, dass hier in Deutschland die öffentliche Zustellung der Klage erfolgt.
Quelle | LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 15.1.2025, 2-06 O 426/24, PM vom 7.2.2025
| Das Landgericht (LG) München I hat im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass einem Online-Apotheken-Anbieter die Bewerbung der sog. „Abnehmspritze“ gegenüber Endverbrauchern in ihrer konkreten Form untersagt ist. |
Fragebogen ausfüllen, Medikament bekommen?
Eine Apothekenkammer wendete sich in ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dagegen, dass eine in den Niederlanden ansässige Online-Apotheke gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland für Fernbehandlungen mit dem Ziel der Verschreibung von Arzneimitteln zur Gewichtsreduktion/Adipositas wirbt, wobei die Behandlung lediglich in der ärztlichen Überprüfung eines durch den Nutzer auf einer Plattform ausgefüllten Fragebogens besteht. Für die Verschreibung des Medikaments durch die beklagte Online-Apotheke ist hierbei nach der Werbung zur Bestellung lediglich das Ausfüllen eines Fragebogens erforderlich, welcher nach Vortrag der Antragsgegnerin sodann von einem (nicht in Deutschland ansässigen) Arzt vor der Verschreibung überprüft wird.
Zulässige Fernbehandlung?
Die beklagte Apotheke hatte gegen ein Verbot eingewandt, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verspätet sei. Die Antragsstellerin kenne das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin bereits aus einem anderen Verfahren, dessen Gegenstand Medikamente zur Behandlung erektiler Dysfunktion waren. Beworben und umschrieben werde außerdem lediglich eine „Gewichtsverlustbehandlung“; dies lasse keinen zwingenden Schluss auf die Abnehmspritze zu. Dies sei zulässig und verstoße nicht gegen das Heilmittelwerbegesetz. Das Ausfüllen eines Fragebogens, der dann von einem Arzt überprüft werde, sei auch eine zulässige Fernbehandlung unter Verwendung von Kommunikationsmedien, bei der ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich sei.
Landgericht: kein allgemein anerkannter fachlicher Standard
Dem folgte das LG nicht: Die Fernbehandlung von Adipositas mittels Ausfüllens eines Fragebogens entspreche nicht allgemein anerkannten fachlichen Standards. Vielmehr sei vor der Verschreibung einer Abnehmspritze ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen erforderlich. Dies ergebe sich bereits aus den „Warnhinweisen“, die die beklagte Apotheke dem Gericht selbst vorgelegt habe: In diesen werde auf zahlreiche Nebenwirkungen, wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, Hypoglykämie (bei Patienten mit Typ-2-Diabetes) und Schwindel, auf das Risiko der Unterzuckerung und darauf hingewiesen, dass die Behandlung eingestellt werden sollte, wenn man in drei Monaten nach Behandlungsbeginn nicht mindestens 5 % seines Körpergewichts verliere.
Darüber hinaus werde in den von der Beklagten selbst vorgelegten Unterlagen ausgeführt, dass eine regelmäßige Nachsorge und Überwachung während einer Gewichtsreduktion unbedingt erforderlich sei. Gerade diese, von der beklagten Apotheke selbst für erforderlich gehaltene regelmäßige Nachsorge erfordere aber zwingend einen persönlichen ärztlichen Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen, welcher weder von der beklagten Apotheke noch von den verschreibenden Ärzten – schon aufgrund der räumlichen Distanz – geleistet werden könne.
Hinzu komme, dass ausweislich der Patientenleitlinie zur Diagnose und Behandlung der Adipositas der deutschen Adipositasgesellschaft zahlreiche Untersuchungen, u. a. des Bluts und des Urins, nötig seien, um Adipositas zu diagnostizieren und zu behandeln. Dies könne daher gerade nicht im Wege der Fernbehandlung erfolgen.
Werbung für den Absatz von Medikamenten
Es handele sich bei der Werbung der Beklagten ferner nicht um die Werbung für eine Behandlung als solche, wie diese vorgetragen habe, sondern um die Werbung für den Absatz von Medikamenten. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Werbung. Um welche Gruppe von Präparaten es sich hierbei handele, wüssten die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der Kammer gehörten, bereits deshalb, weil „die Abnahmespritze“ in jüngster Zeit starke mediale Aufmerksamkeit erfahren habe.
Quelle | LG München I, Beschluss vom 3.3.2025, 4 HK O 15458/24, PM 3/25
| Wann haben Leiharbeitnehmer beim Entleiher eine erste Tätigkeitsstätte? Zu dieser Frage gibt es neue Entwicklungen bzw. ist ein Verfahren beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig: Liegt bei Leiharbeitnehmern eine dauerhafte Zuordnung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 4 S. 3 Altern. 2 EStG, Zuordnung für die Dauer des Dienstverhältnisses) zu einer ersten Tätigkeitsstätte vor, wenn ein befristetes Beschäftigungsverhältnis zum Personaldienstleister (Verleiher) wiederholt vor Ablauf der Befristung bei unverändertem Vertragsinhalt verlängert wird und jeweils eine Verlängerung der befristeten Zuordnung zu demselben Entleiher bei unverändertem Einsatzort erfolgt? |
Hintergrund: Bei einer ersten Tätigkeitsstätte ist der Arbeitnehmer beim Kostenabzug auf die Entfernungspauschale beschränkt. Handelt es sich allerdings um eine Auswärtstätigkeit, kann er seine Fahrtkosten (ggf. auch Verpflegungsmehraufwand) nach Reisekostengrundsätzen geltend machen, was steuerlich günstiger ist.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.6.2024, 12 K 38/24, Rev. BFH: VI R 2/25
| Für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Baudenkmäler und in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen belegene Gebäude können unter bestimmten Voraussetzungen Abzugsbeträge nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 f EStG) über zehn Jahre wie Sonderausgaben geltend gemacht werden. Verstirbt nun der Steuerpflichtige vor Ablauf des zehnjährigen Abzugszeitraums, kann der Erbe die Abzugsbeträge des Erblassers nicht fortsetzen. Dies entschied das Finanzgericht (FG) Sachsen-Anhalt |
Das gilt selbst dann, wenn der Erbe das Gebäude zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Gegen dieses Urteil des FG Sachsen-Anhalt ist die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig. Bis zu einer Entscheidung des BFH können geeignete Fälle mit einem Einspruch somit offengehalten werden.
Quelle | FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.7.2024, 1 K 903/21; Rev. BFH, X R 23/24
| Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten stellt sich oft die Frage, wem das Besteuerungsrecht zusteht. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei Entscheidungen die Voraussetzungen konkretisiert, die im grenzüberschreitenden Sachverhalt im Anwendungsbereich eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) zu einer ausländischen Betriebsstätte führen. Aus einer solchen Betriebsstätte erzielt der Steuerpflichtige in der Regel Einkünfte, die im Inland steuerfrei sind und nur der ausländischen Besteuerung unterliegen. |
Taxiunternehmen mit Büro in der Schweiz
Ein in Deutschland lebender Taxiunternehmer hatte wegen seiner Mitgliedschaft in einer Schweizerischen Taxifunkzentrale Zugang zu deren Büroraum in der Schweiz. Dieser Raum war mit drei Arbeitsplätzen eingerichtet und stand insgesamt drei Taxiunternehmern zur Verfügung.
Der Taxiunternehmer nutzte den Büroraum (einschließlich eines abschließbaren Standcontainers) für geschäftsleitende Tätigkeiten sowie für die Personalverwaltung seiner angestellten Taxifahrer, die Vorbereitung der laufenden Buchführung, das Rechnungswesen, die Finanzkontrolle sowie die Kontrolle der Einhaltung behördlicher Auflagen.
Der BFH bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg, die Einkünfte des Taxiunternehmers in Deutschland unter Progressionsvorbehalt steuerfrei zu stellen, da in der Schweiz die Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte erfüllt sind.
„Verwurzelung“ mit dem im Ausland belegenen Ort bei Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit
Hierfür ist die „Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem im Ausland belegenen Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit maßgebend. Diese Verwurzelung folgt aus einer Gesamtwürdigung der in Wechselwirkung zueinander stehenden Merkmale der zeitlichen und örtlichen Festigkeit der Geschäftseinrichtung sowie der dauerhaften Verfügungsmacht des Unternehmens über diese Geschäftseinrichtung.
Der persönliche Standcontainer ist insoweit ein Indiz für die dauerhafte Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung (hier: den Büroraum). Darüber hinaus wurden in dem Büroraum nicht nur Hilfstätigkeiten ausgeübt.
Die Haupttätigkeit eines Taxiunternehmers mit mehreren angestellten Taxifahrern erschöpft sich nicht allein im Fahren von Taxis zum Zwecke der Personenbeförderung. Vielmehr gehören hierzu auch die geschäftsleitenden und zentralen unternehmerisch-administrativen Tätigkeiten, die der Taxiunternehmer in dem Büroraum in der Schweiz ausgeübt hat.
Zeitliche Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte
In einem weiteren Verfahren ging es um die zeitlichen Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte. Sowohl für das Innehaben der Geschäftseinrichtung als auch für die unternehmerische Tätigkeit, die in der Geschäftseinrichtung ausgeübt wird, hat der BFH eine Mindestdauer von sechs Monaten festgelegt.
Sechs Monate Mindestdauer ohne Ausnahme
Ein Unternehmen, das nur weniger als sechs Monate existiert, rechtfertigt selbst dann keine Ausnahme, wenn die Tätigkeit dieses Unternehmens vollständig in der ausländischen Geschäftseinrichtung ausgeübt wurde.
Quelle | BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 47/21; BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 39/21; PM 26/25 vom 2.5.2025
| Die gesetzlichen Altersrenten werden im Rahmen der jährlichen Rentenanpassung zum 1.7.2025 um 3,74 % steigen. Der Bundesrat hat einer entsprechenden Verordnung zugestimmt. |
Beachten Sie | Die Rentenanpassung kann dazu führen, dass Rentner erstmals in die Steuerpflicht rutschen und eine Steuererklärung abgeben müssen. Eine Steuerpflicht tritt aber nur ein, wenn der steuerpflichtige Teil der Jahresbruttorente – zuzüglich weiterer Einkünfte (z. B. aus einer Vermietung) und unter Berücksichtigung etwaiger Freibeträge und sonstiger Abzugsbeträge – den steuerlichen Grundfreibetrag übersteigt. Für das Jahr 2024 beträgt der Grundfreibetrag 11.784 Euro pro Jahr, für 2025 sind es 12.096 Euro. Bei einer steuerlichen Zusammenveranlagung von Eheleuten gelten die doppelten Werte.
Quelle | Rentenwertbestimmungsverordnung 2025, BR-Drs.190/25
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hatte 2023 entschieden: Überträgt der Steuerpflichtige schenkweise einen Miteigentumsanteil an einem Vermietungsobjekt, ohne auch die Finanzierungsdarlehen anteilig zu übertragen, kann er die Schuldzinsen nur noch anteilig entsprechend seinem verbliebenen Miteigentumsanteil abziehen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat diese Sichtweise nun bestätigt, sodass die auf den übertragenen Miteigentumsanteil entfallenden Schuldzinsen nicht als (Sonder-)Werbungskosten zu berücksichtigen sind. |
Das war geschehen
Der Alleineigentümer (Vater) einer vermieteten Immobilie hatte einen ideellen 2/5-Miteigentumsanteil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich auf seinen Sohn übertragen. Die Grundschuld wurde von dem Sohn entsprechend seinem Miteigentumsanteil zur dinglichen Haftung übernommen. Zu einer schuldrechtlichen Schuldübernahme bzw. einem Schuldbeitritt zur Darlehensschuld gegenüber der Bank kam es jedoch nicht.
In der Feststellungserklärung für die Grundstücksgemeinschaft bzw. die Vermietungs-GbR wurden Darlehenszinsen in voller Höhe geltend gemacht. Diese berücksichtigte das Finanzamt allerdings nur zu 3/5 (= Anteil des Vaters).
Die hiergegen gerichtete Klage blieb ebenso erfolglos wie die Revision.
Von Finanzierung der Einkünfteerzielungstätigkeit zur Finanzierung der Schenkung
Durch die unentgeltliche Übertragung des Miteigentumsanteils wurde insoweit der (objektive) wirtschaftliche Zusammenhang der zur Finanzierung der Anschaffung der Immobilie aufgenommenen Darlehen zur bisherigen Einkünfteerzielungstätigkeit gelöst. Fortan dienten die Darlehen der Finanzierung der Schenkung.
Beachten Sie | Das FG Niedersachsen hatte die Revision im Hinblick auf folgende Frage zugelassen: Ist es gerechtfertigt, den Sachverhalt bei einer vermögensverwaltenden GbR (wie im Streitfall) anders zu behandeln als bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb? Und das hat der BFH eindeutig mit „ja“ beantwortet.
Die Begründung: Das Einkommensteuerrecht wird vom Dualismus der Einkunftsarten (Gewinn- und Überschusseinkünfte) bestimmt. Die unterschiedliche Erfassung von Wertsteigerungen bzw. -minderungen im Betriebs- und Privatvermögen ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar.
Quelle | BFH, Urteile vom 3.12.2024, IX R 2/24 und IX R 3/24
| Eine Frau muslimischen Glaubens ist vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin mit einer Klage gescheitert, mit der sie eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kraftfahrzeugs mit einem Gesichtsschleier erstreiten wollte. |
Nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) dürfen Personen, die ein Kraftfahrzeug führen, ihr Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken, dass sie nicht mehr erkennbar sind (Verhüllungsverbot). Die Klägerin hatte geltend gemacht, ihr muslimischer Glaube gebiete es, dass sie sich außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Auch im Auto sei sie den Blicken fremder Menschen ausgesetzt. Daher müsse ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Ihren Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Ausnahmegenehmigung hatte das Land Berlin abgelehnt. Dagegen richtete sich die Klage.
Das VG hat die Klage abgewiesen. Eine Ausnahmegenehmigung könne die Klägerin auch mit Blick auf ihre grundrechtlich geschützte Religionsfreiheit nicht beanspruchen. Diese müsse nach Abwägung aller widerstreitenden Interessen hinter anderen Verfassungsgütern zurücktreten. Das Verhüllungsverbot gewährleiste eine effektive Verfolgung von Rechtsverstößen im Straßenverkehr, indem es die Identifikation der Verkehrsteilnehmer ermögliche, etwa im Rahmen von automatisierten Verkehrskontrollen. Es diene zudem dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums Dritter, weil Kraftfahrzeugführer, die damit rechnen müssten, bei Regelverstößen herangezogen zu werden, sich eher verkehrsgerecht verhalten würden als nicht ermittelbare Autofahrer.
Demgegenüber wiege der Eingriff in die Religionsfreiheit der Klägerin weniger schwer. Ein gleich wirksames, aber mit geringeren Grundrechtseinschränkungen verbundenes Mittel zur Erreichung der mit dem Verhüllungsverbot verfolgten Zwecke stehe nicht zur Verfügung. So könne etwa eine Fahrtenbuchauflage nur dem Halter eines Fahrzeugs auferlegt werden; die Klägerin begehre jedoch eine Ausnahme in ihrer Eigenschaft als Führerin eines Fahrzeugs. Gleichermaßen ungeeignet erscheine der Vorschlag der Klägerin, einen Niqab mit einem „einzigartigen, fälschungssicheren QR-Code“ zu versehen und die Ausnahme vom Verhüllungsverbot mit einer solchen Auflage zu verbinden. Denn dadurch sei nicht sichergestellt, dass die Person, die den Niqab trage, auch tatsächlich die Person sei, für die der QR-Code kreiert wurde.
Gegen das Urteil kann der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg gestellt werden.
Quelle | VG Berlin, Urteil vom 27.1.2025, VG 11 K 61/24, PM 5/25
| Ein Motorradfahrer wollte einen Auffahrunfall vermeiden. Er bremste deshalb sehr stark. Weil die Maschine kein Antiblockiersystem (ABS) hatte, blockierte das Vorderrad und der Motorradfahrer stürzte. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in diesem Fall kompakte Ausführungen zum „Idealfahrer“ hinsichtlich der Unabwendbarkeit gemacht. Besonders wichtig: Er bezieht die Situation vor dem Unfallgeschehen mit ein. |
Es kommt nicht nur auf die konkrete Situation an, …
Ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein „Idealfahrer“ reagiert hat, ist nicht allein entscheidend. Vielmehr ist zu berücksichtigen, ob ein „Idealfahrer“ überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre. Der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr nun (zu spät) „ideal“ verhält. Der „Idealfahrer“ hat in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind,Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden.
… sondern darauf, ob der Fahrer vorausschauend gehandelt hat
Dahinstehen kann also, ob der Sturz des Klägers noch im Zeitpunkt des Abbremsens durch kontrolliertes Betätigen der Vorderradbremse vermeidbar gewesen wäre. Denn ein Idealfahrer, der weiß, dass sein Motorrad nicht über ein ABS verfügt und bei einer reflexhaften Vollbremsung ein Sturz droht, hätte von vornherein eine Fahrweise gewählt, mit der ein reflexhaftes Bremsen in der Situation des Klägers vermieden worden wäre. Er hätte den Abstand zum Vorausfahrenden und die Geschwindigkeit so bemessen, dass er selbst im Fall plötzlich scharfen Bremsens des Vorausfahrenden – das er stets einkalkulieren muss – noch hätte kontrolliert bremsen und sowohl einen Sturz als auch eine Kollision mit dem Vorausfahrenden hätte vermeiden können.
Quelle | BGH, Urteil vom 3.12.2024, VI ZR 18/24
| Besuchen Halbgeschwister, die mit dem gemeinsamen Elternteil zusammenleben, gleichzeitig im Stadtgebiet Kindertageseinrichtungen, sind bei der Festsetzung von Elternbeiträgen hierfür satzungsrechtliche Geschwisterermäßigungen oder -befreiungen zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Halbgeschwister neben dem gemeinsamen Elternteil auch mit dem anderen Elternteil des einen Kindes in häuslicher Gemeinschaft zusammenleben. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden. |
Beitragsbefreiung oder nicht?
Die gemeinsame, im Juli 2019 geborene Tochter der Kläger nahm im Schuljahr 2021/2022 das Betreuungsangebot einer Kindertageseinrichtung in der beklagten Stadt wahr. Mit ihr und ihren Eltern lebte seinerzeit ein weiteres von der Klägerin, nicht aber vom Kläger abstammendes Kind in der gemeinsamen Wohnung, das dieselbe Kindertageseinrichtung besuchte, wofür wegen Vollendung des vierten Lebensjahres aufgrund einer landesrechtlichen Bestimmung kein Elternbeitrag zu leisten war. Die Stadt setzte gegenüber den Klägern auf Basis ihres gemeinsamen Jahreseinkommens einen monatlichen Elternbeitrag in Höhe von 313 Euro fest. Hiergegen wandten sich die Kläger und beriefen sich auf eine Vorschrift der Elternbeitragssatzung (im Folgenden nur: Satzung) der beklagten Stadt. Danach entfällt bei Eingreifen einer landesrechtlich – für die letzte Zeit in Tagesbetreuung vor der Einschulung – im Kinderbildungsgesetz (KiBiz) angeordneten Beitragsbefreiung „auch der Beitrag für das zweite und jedes weitere Kind“. Diese Regelung folgt auf eine in sonstigen Fällen maßgebliche „Geschwisterregelung“ in der Satzung, wonach „nur ein Beitrag zul eisten“ ist, wenn „aus einer Familie […] mehr als ein Kind Betreuungsangebote […] in Anspruch“ nimmt.
Die auf Aufhebung der Beitragsfestsetzung gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht (VG) Arnsberg ab. Die dagegen eingelegte Berufung der Kläger hatte vor dem OVG Erfolg.
Gemeinsames Kind als weiteres Kind zu berücksichtigen
Das OVG hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen angeführt: Das gemeinsame Kind der Kläger ist als weiteres Kind der Familie im Sinne der Geschwisterregelungen in der Satzung zu berücksichtigen. Die Gemeinschaft zweier leiblicher Kinder derselben Mutter mitdieser und deren neuem Partner, der Vater nur eines der beiden Kinder ist, istbereits unter Zugrundelegung eines verfassungsrechtlichenBegriffsverständnisses als eine Familie anzusehen. Ein anderes Verständnis desFamilien- bzw. Geschwisterbegriffs lässt sich weder der städtischen Satzungnoch höherrangigem Recht entnehmen. Die auf einer Ermächtigung desLandesgesetzgebers beruhende allgemeine Geschwisterregelung in der Satzung –bei mehreren Kindern nur ein Elternbeitrag – entspricht im Kern einer früherenlandesgesetzlichen Regelung. Dieser lag allgemein eine Entlastung von Familienmit mehreren Kindern zugrunde, ohne dass etwa nach Voll- oder Halbgeschwisternunterschieden wurde. Bei dem Umstand, dass mehrere mit einem oder beidenElternteilen in einem Haushalt zusammenlebende Kinder Angebote derTagesbetreuung in Anspruch nehmen, für die jedenfalls der gemeinsame Elternteilgrundsätzlich beitragspflichtig wäre, handelt es sich um einen Gesichtspunktder sozialen Staffelung der Kostenbeiträge. Diese ist sowohl im Bundes- alsauch im Landesrecht angelegt und ermöglicht neben der – mit dem Einkommenkorrespondierenden – wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit derBeitragspflichtigen auch die Berücksichtigung anderer Aspekte, wie die Zahl derim gemeinsamen Haushalt lebenden und in Kindertageseinrichtungen zu betreuendenKinder. Vor diesem Hintergrund kommt eine Differenzierung danach, dass beideKläger für das mit ihnen zusammenlebende gemeinsame Kind beitragspflichtigsind, während das ältere Kind allein von der Klägerin abstammt und nur dieseinsoweit beitragspflichtig sein kann, nicht in Betracht.
Quelle | OVG Münster, Urteil vom 27.11.2024, 12 A 1627/22, PM vom 12.12.2024
| Die auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage einer 66-jährigen Großmutter, die mit ihrem Enkelkind an einem Straßenumzug teilgenommen hatte und gestürzt war, hatte vor dem Landgericht (LG) Frankenthal keinen Erfolg. Das LG hat festgestellt: Die zuständige Gemeinde muss eine Straße wegen einer nur einmal jährlich stattfindenden Veranstaltung nicht besonders absichern. Es gelten vielmehr die üblichen Maßstäbe der Verkehrssicherungspflicht bei Straßen und Plätzen. |
Über Gullydeckel gestolpert
Die verletzte Frau gab an, bei einem Straßenumzug über einen bis zu drei Zentimeter über das Straßenniveau ragenden Gullydeckel gestolpert und gestürzt zu sein. Durch den Sturz habe sie sich das linke Handgelenk und das rechte Schultergelenk gebrochen. Sie war der Ansicht, vor dem Umzug hätte die zuständige Verbandsgemeinde die Strecke besonders kontrollieren und absichern, Stolpergefahren beseitigen und etwa den hochstehenden Gullydeckel mit einer Gummimatte sichern müssen. Sie verlangte rund 1.700 Euro Schadenersatz und ein Schmerzensgeld in Höhe von 13.000 Euro.
Mit Unebenheiten muss man rechnen
Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit der Unebenheit von deutlich unter drei Zentimetern habe die Frau rechnen müssen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei es auch jedem Teilnehmer bekannt und spätestens bei Beginn des Umzugs ersichtlich, dass die Sicht auf die Straße wegen der Menschenansammlung eingeschränkt sei. Eine besondere Absicherung der Straße aufgrund des einmal jährlich stattfindenden Großereignisses sei daher nicht geboten gewesen. Die Abdeckung des Gullydeckels mit einer Gummimatte hätte den Höhenunterschied und die Stolpergefahr möglicherweise nur zusätzlich erhöht. Im Übrigen treffe die Frau ein überwiegendes Mitverschulden, was die geltend gemachten Ansprüche ebenfalls ausschließe.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 15.8.2024, 3 O 88/24, PM vom 27.2.2025
| Hat der Versicherer im Policenbegleitschreiben auf das Bestehen eines Widerspruchsrechts und die hierfür geltenden Anforderungen allgemein hingewiesen und diese an einer genau bezeichneten Stelle im Einzelnen näher erläutert, sind die jeweiligen Textstellen nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr ist dann eine Gesamtwürdigung beider Textstellen – als einheitliche Belehrung – geboten. So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken. |
Begründung: Angesichts des konkreten Verweises auf die einschlägige Bestimmung in der Verbraucherinformation seien auch die dortigen weiteren Informationen für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne Weiteres auffindbar. Im Fall des OLG galt dies insbesondere, da der Verbraucherinformation ein Inhaltsverzeichnis vorangestellt war. Aus dem ergab sich, dass die im Policenbegleitschreiben zitierte Textstelle „Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Vertrag noch widersprechen?“ sich unter Ziffer 6 befindet, die ihrerseits auf der betreffenden Seite mit der fettgedruckten Überschrift „6. Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Vertrag noch widersprechen?“ hervorgehoben war.
Quelle | OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.1.2024, 5 U 60/23
| Werden in einem Wohnhaus tragende Wände entfernt und durch eine Stahlträgerkonstruktion ersetzt, muss dies einem potenziellen Käufer der Immobilie ungefragt mitgeteilt werden. Verschweigt der Verkäufer diesen Umstand, stellt dies eine arglistige Täuschung dar, die den Käufer zur Anfechtung des Kaufvertrags berechtigt. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken in einer aktuellen Entscheidung festgestellt und der Klage eines Ehepaars gerichtet auf die Rückabwicklung eines Immobilienkaufvertrags stattgegeben. |
Verkäufer verheimlichten Umbau
Ein Ehepaar aus Pirmasens entschloss sich, das von ihnen etwa 10 Jahre lang selbst bewohnte Wohnhaus zu verkaufen. Was es dem kaufinteressierten Ehepaar nicht erzählte, war, dass es vor einigen Jahren ihr Wohnzimmer vergrößert, und dazu durch eine im Ausland ansässige Firma tragende Trennwände im 1. OG des Hauses hatte entfernen lassen. Nach Entfernung der Wände wurde die Decke nur noch durch zwei Eisenträger gestützt, die direkt auf das Mauerwerk aufgelegt und zusätzlich durch Baustützen gestützt wurden, die eigentlich nur für den vorübergehenden Gebrauch gedacht sind. Diese Trägerkonstruktion wurde anschließend durch Verblendungen verdeckt und war nicht mehr ohne Weiteres sichtbar. Um einen Nachweis über die Statik hatten sich die Eigentümer im Nachgang nicht bemüht.
Käufer fochten Kaufvertrag erfolgreich an
Als die neuen Eigentümer dann selbst einige bauliche Veränderungen an dem Haus durchführen wollten, beauftragten sie u. a. einen Statiker. Dieser stellte fest, dass die Trägerkonstruktion im 1. OG unzulässig und nicht dauerhaft tragfähig sei. Das Ehepaar hat den Kaufvertrag über das Hausgrundstück daraufhin angefochten und das Verkäuferehepaar auf Rückabwicklung verklagt. Mit Erfolg.
Das OLG gab dem Käuferehepaar Recht und verurteilte die Verkäufer zur Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückübereignung des Hausgrundstücks. Die Verkäufer seien in der Pflicht gewesen, auch ungefragt darüber zu informieren, dass tragende Wände entfernt, und damit in die Statik des Wohnhauses eingegriffen wurde. Erst recht hätten sie darüber aufklären müssen, dass kein Nachweis hinsichtlich der statischen Tragfähigkeit der Stahlträgerkonstruktion vorliege. Auch sei darüber zu informieren gewesen, dass die Arbeiten durch eine den Verkäufern kaum bekannte ausländische Firma durchgeführt wurden und zu den genauen Maßnahmen keinerlei Unterlagen vorlägen. Dies alles gälte auch, obwohl die Verkäufer wohl selbst von der ausreichenden Tragfähigkeit der Konstruktion ausgingen und auch obwohl die Käufer das Haus vor dem Kauf zusammen mit einer Bausachverständigen besichtigt hatten. Die Statik eines Wohnhauses sei im Hinblick auf mögliche Gefahren für die Gebäudesubstanz und auch für Leib und Leben der Bewohner von so wesentlichem Interesse, dass eine Veränderung an ihr einem Grundstückserwerber in jedem Fall ungefragt zu offenbaren sei.
Quelle | OLG Zweibrücken, Urteil vom 27.9.2024, 7 U 45/23, PM vom 25.2.2025
| Das Amtsgericht (AG) Flensburg hat entschieden: Der Mieter muss gesundheitliche Beeinträchtigungen für sich oder die seine Mitbewohner und die nachteiligen Auswirkungen eines Umzugs durch Vorlage fachärztlicher Atteste ausführlich darstellen. Sein Vortrag muss so konkret sein, dass das Gericht den Eintritt von relevanten Nachteilen als hinreichend wahrscheinlich annehmen kann. Dann ist das Gericht gehalten, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Der bloße unstreitige Umstand, dass die Kinder des Mieters einen Behindertenausweis und einen Pflegegrad zugesprochen bekommen haben, genügt nicht. Ohne Erläuterungen, welche Krankheiten oder Behinderungen die Kinder haben, kann das Gericht keinen Härtegrund annehmen. |
Der Vermieter kündigte den unbefristeten Wohnraummietvertrag wegen Eigenbedarf. Er begründete dies damit, er benötige das Objekt für sich und seine Lebensgefährtin als neuen Lebensmittelpunkt. Die Mieter widersprachen der Kündigung und beriefen sich insbesondere auf gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Mieterin leide an einer Angststörung und posttraumatischen Belastungsstörung und die beiden Kinder seien schwerbehindert und pflegebedürftig. Ein Umzug sei für die Familie unzumutbar.
Damit hatten sie vor dem AG keinen Erfolg. Das AG war nach der Zeugenvernehmung davon überzeugt, dass der Vermieter die Räume wegen der geplanten Familiensituation ernsthaft benötigte. Dass die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist, erkannte das AG nicht an. Denn die Mieter seien ihrer Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Härtegründe nicht nachgekommen.
Ein Härtegrund liege nur vor, wenn eine erhebliche Verschlechterung einer ernsten Erkrankung oder Lebensgefahr, die durch einen Sachverständigen zu klären ist, angenommen werden könne. Das Gericht hatte keine Anhaltspunkte, eine solche Verschlechterung des Gesundheitszustands der Kinder der Mieter anzunehmen. Der vorgelegte Behindertenausweis, das Pflegegutachten und das allgemeinärztliche Attest sprächen nur unkonkret von einer „gesundheitlichen Situation“ des Kindes. Das war dem Gericht zu unkonkret. Es fehle insbesondere vertiefter Vortrag dazu, wie sich die Erkrankung im Alltag auswirke und inwieweit mit einer Verschlechterung der Situation durch einen Umzug zu rechnen sei.
Quelle | AG Flensburg, Urteil vom 4.12.2024, 61 C 55/24
| Ein rechtlich beachtlicher Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses liegt nur vor, wenn sich der Anfechtende in einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses befunden hat, dagegen nicht, wenn lediglich falsche Vorstellungen von dem Wert der einzelnen Nachlassgegenstände vorgelegen haben. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschieden. |
Erblasserin wurde 106 Jahre alt
Die Erblasserin ist im Alter von 106 Jahren ohne Testament verstorben. Zuvor lebte sie seit längeren Jahren in einem Seniorenheim. Die Heim- und Pflegekostenkosten wurden aus Mitteln der Kriegsopferfürsorgestelle bestritten. Diese Leistungen wurden als Darlehen gewährt und durch eine Grundschuld an einem Haus der Erblasserin abgesichert. Der Ehemann der Erblasserin, ihre beiden Kinder und auch bereits ein Enkelkind waren vorverstorben. Gesetzliche Erben waren die Enkel und Urenkel der Erblasserin.
Enkelin schlug Erbschaft aus, Urenkel nicht
Nach dem Tod der Erblasserin hat u. a. die in gesetzlicher Erbfolge zur Erbin berufene Enkelin das Erbe ausgeschlagen und dabei angegeben, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Zwei Urenkel der Erblasserinnen haben das Erbe dagegen nicht ausgeschlagen. In der Folge wurde das Haus der Erblasserin unter Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Nachlasspflegerin an Dritte verkauft. Nach dem Verkauf des Hauses hat die Enkelin ihre Erklärung zur Erbausschlagung sodann wegen Irrtums angefochten. Danach hat sie die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der u. a. sie als Erbinzu 1/4 Anteil ausweisen sollte.
Das Nachlassgericht hat entschieden, dass der Erbschein wegen der angefochtenen Erbausschlagungserklärung der Enkelin, wie von ihr beantragt, erteilt werden müsse. Gegen diesen Beschluss wendete sich einer der Urenkel, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte, mit seiner Beschwerde.
Oberlandesgericht widersprach Nachlassgericht
Das OLG hat entschieden, dass der Erbscheinsantrag der Enkelin zurückzuweisen sei, da der von ihr beantragte Erbschein die eingetretene Erbfolge unzutreffend wiedergebe. Die Enkelin sei keine Erbin geworden, da sie die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und sie die Ausschlagungserklärung wegen Irrtums auch nicht wirksam anfechten könne.
Enkelin wusste nichts vom Bankkonto…
Soweit sie ihren Irrtum damit begründet habe, dass ihr erst im Nachhinein bekannt geworden sei, dass zum Nachlass ein Bankkonto bei der Kreissparkasse Köln mit einem vierstelligen Guthaben gehöre, läge zwar ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses vor. Dieser Irrtum hätte aber nicht ihre Ausschlagung der Erbschaft veranlasst. Denn selbst, wenn ihr das Konto bei der Kreissparkasse Köln bekannt gewesen wäre, hätte dies mangels wirtschaftlichem Gewicht des dortigen Guthabenbetrags gegenüber den restlichen Nachlasspositionen nichts an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses geändert.
… und unterschätzte den Verkaufserlös des Hauses
Soweit sich die Enkelin darauf berufe, sie habe sich geirrt, dass der Erlös aus dem Verkauf des Hauses der Erblasserin die Verbindlichkeiten aus dem mit der Grundschuld abgesicherten Darlehen für die Heim- undPflegekosten der Kriegsopferfürsorgestelle übersteige, liege kein Irrtum vor, der zur Anfechtung berechtige. Dieser Irrtum beruhe lediglich auf der unzutreffenden Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht über dessen Zusammensetzung.
Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14.8.2024, 8 W 102/23, PM vom 10.12.2024
| Beschränkt ein Bebauungsplan über ein Wochenendhausgebiet mittels sog. Baufenster die Bebaubarkeit von Flächen, kann für ein Grundstück, das außerhalb eines Baufensters gelegen ist, kein Bauvorbescheid erteilt werden. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Mainz. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist Pächterin eines Grundstücks, das im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, der ein Wochenendhausgebiet und hierfür überbaubare Flächen (sog. Baufenster) festsetzt. Das Pachtgrundstück ist danach nicht mit einem Wochenendhaus bebaubar, sondern nur mit Nebengebäuden, etwa zum Unterstellen von Gegenständen zur Freizeitnutzung.
Die Klägerin stellte einen Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheids zur Klärung der Frage, ob ihr Grundstück mit einem Wochenendhaus bebaubar sei, und beantragte hilfsweise eine Befreiung von der Festsetzung über die überbaubaren Flächen. Sie machte zur Begründung ihres Antrags geltend: Für jedes andere Grundstück in der Straße sehe der Bebauungsplan ein Baufenster vor, nicht aber für ihres – an vielen Stellen des Plangebiets seien nicht überbaubare Flächen zwischenzeitlich mit Gebäuden bebaut worden. Für ihr Grundstück sei sogar eine Hausnummer vergeben worden. Die Baugenehmigungsbehörde lehnte das Begehren ab. Das Widerspruchsverfahren blieb ohne Erfolg.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG wies die Klage ab. Die Errichtung eines Wochenendhauses auf dem Pachtgrundstück sei nicht genehmigungsfähig, denn für dieses sehe der Bebauungsplan keine Fläche vor, die mit einem solchen Gebäude bebaut werden dürfe.
Keine verdichtetete Bebauung im Erholungsgebiet gewünscht
Die Beschränkung der Bebaubarkeit der Flächen über das gesamte Plangebiet hinweg diene nach dem Willen der Gemeinde als Plangeberin der Verhinderung einer verdichteten Bebauung in dem Erholungsgebiet und dem Erhalt von Waldflächen. Damit liege eine städtebaulich legitimierte Planung vor, die auch das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) der von der Beschränkung betroffenen Eigentümer nicht verletze. Ohne den Bebauungsplan wären im Außenbereich Gebäude zur privaten Freizeitnutzung generell bauplanungsrechtlich unzulässig. Die Festsetzung über die beschränkte Bebaubarkeit, an deren Geltung die Gemeinde ausdrücklich weiter festhalte, sei auch nicht funktionslos geworden, sie könne die bauliche Entwicklung in dem Plangebiet auch künftig noch beeinflussen. Denn es gebe noch unbebaute Grundstücke, für die ebenfalls ein Baufenster festgesetzt sei. Der überwiegende Teil der Bebauung sei auch innerhalb der Baufenster verwirklicht worden.
Großer Teil hielt Regeln nicht ein: Bebauungsplan gilt trotzdem
Unerheblich sei hingegen, dass in einer Vielzahl von Fällen Grundstücke entgegen der Festsetzung zu den Baufenstern bebaut worden seien. Der Geltungsanspruch einer Norm, wie der eines Bebauungsplans, gehe nicht bereits dadurch unter, dass sich ein großer Teil der Betroffenen nicht an die Regelung halte. Die Vergabe einer Hausnummer diene allein ordnungsrechtlichen Belangen und begründe keine Baurechte für ein Grundstück. Eine Befreiung von der Festsetzung des Bebauungsplans über die beschränkte Bebaubarkeit der Grundstücke scheide aus, weil diese angesichts der Gesamtkonzeption einen Grundzug der Planung betreffe, über den die Baugenehmigungsbehörde – auch zur Vermeidung eines Präzedenzfalls – nicht hinweggehen könne. Allein die Gemeinde könne eine Umplanung des Bebauungsplans vornehmen.
Quelle | VG Mainz, Urteil vom 25.9.2024, 3 K 746/23.MZ, PM8/24
| Ein Energieberater schuldet zwar keinen Erfolg seiner Beratung in Form der tatsächlichen Förderung. Er muss aber korrekt beraten, sodass hieraus energetische Maßnahmen hervorgehen, die die Voraussetzungen der gesetzlichen Förderungsgrundlage erfüllen. Stellt er jedoch für die einzuhaltenden Wärmedurchgangskoeffizienten irrtümlicherweise auf die Werte des GEG ab, obwohl für die Förderung die Werte des BEG EM maßgeblich sind, sieht das Landgericht (LG) Berlin darin eine Verletzung seiner Beratungspflicht. Und das LG sieht den Berater sogar in der Pflicht, Schadenersatz zu leisten. |
Dienstvertragsrecht einschlägig
Das LG: Ein Energieberatungsvertrag ist als entgeltliche Geschäftsbesorgung einzuordnen, auf die Dienstvertragsrecht anzuwenden ist. Zwar wird angenommen, dass ein Energieberater in der Regel grundsätzlich keinen Erfolg in Form der tatsächlichen Förderung schulde oder dafür gar eine Garantie übernehme. Der Energieberater schuldet aber eine fachlich zutreffende Beratung, aus der energetische Maßnahmen hervorgehen, die die Voraussetzungen der gesetzlichen Förderungsgrundlage erfüllen.
Beratung zur Förderfähigkeit Hauptleistungspflicht
Diese Beratung im Hinblick auf förderfähige Maßnahmen stellt für den Verbraucher, der auf eine Förderung angewiesen ist, bei lebensnaher Betrachtung sogar eine Hauptleistungspflicht dar. Aufgabe einer Energie-Effizienz-Expertin im Rahmen der KfW-Förderung ist es regelmäßig, den Antragsteller über die passenden und aufeinander abgestimmten Sanierungsmaßnahmen für sein Gebäude zu beraten und gerade zu prüfen, ob diese technisch förderfähig sind, die Bestätigung zum Antrag und den späteren Verwendungsnachweis zu erstellen.
Konsequenzen
Gegenstand der Vertragsleistung war im Fall des LG die Beratung der energetischen Sanierung des Hauses in fachlicher Hinsicht und die Begleitung der Antragstellung beim Zuschussgeber mit dem Ziel der Förderungsfähigkeit der Baumaßnahmen. Der Energieberater hätte mithin geradezu treffend und vollständig dazu beraten und darauf hinwirken müssen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen auch wirklich förderungsfähig sind. Nicht umsonst hatte er ihr Honorar von einem Förderzuschuss abhängig gemacht und sogar unter die Bedingung einer Förderungsgewährung gestellt.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23
| Sichtbare Tätowierungen auf beiden Handrücken hindern die Zulassung zum Vorbereitungsdienst der Polizei nicht, wenn sie inhaltlich unbedenklich sind. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren entschieden. |
Tätowierungen auf den Handrücken
Die Antragstellerin begehrt die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst bei der Berliner Kriminalpolizei. Sie trägt unter anderem auf beiden Handrücken Tätowierungen. Bei den Motiven handelt es sich um Rosenblüten mit den Namen ihrer Kinder. Die Tattoos bedecken jeweils einen Großteil ihrer Handrücken. Die Berliner Polizei lehnte ihre Bewerbung deshalb ab. Hiergegen hat die Antragstellerin einen Eilantrag eingereicht.
Das VG hat dem Eilantrag teilweise stattgegeben und das Land Berlin verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Bewerbung der Antragstellerin zu entscheiden. Zur Begründung führt sie aus, das Tragen von Tätowierungen im sichtbaren Bereich könne einer Einstellung nur entgegenstehen, wenn die Tattoos über das übliche Maß hinausgingen und wegen ihrer besonders individualisierenden Art geeignet seien, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen.
Rosenblüten und Namen der Kinder: unkritischer Inhalt
Dies sei hier nicht der Fall. Es sei bereits zweifelhaft, ob die Tattoos der Antragstellerin über das übliche Maß hinausgingen. Vielfältige Tätowierungen, insbesondere von Blumen bzw. Pflanzen und persönlichen Daten, seien heutzutage weit verbreitet. Jedenfalls seien die Tattoos der Antragstellerin trotz ihrer Sichtbarkeit nicht geeignet, ihre amtliche Funktion in den Hintergrund zu drängen. Die klare Erkennbarkeit der Motive und deren unkritischer Inhalt böten Bürgerinnen und Bürgern keinen Anlass, über die persönlichen Überzeugungen der Antragstellerin als Privatperson zu spekulieren.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 27.2.2025, VG 26 L 288/24, PM 14/25
| Der professionelle Einsatz eines vollautomatischen Wanddruckers stellt kein zulassungspflichtiges Maler- und Lackiererhandwerk dar. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren entschieden. |
Laut Handwerkskammer bestand Meisterzwang
Die Antragstellerin stellt sog. Wanddrucker her, mit denen sich individuell vom Verwender programmierte Motive großflächig auf eine in der Regel vertikale Fläche auftragen lassen. Einer Käuferin des Wanddruckers wurde auf Nachfrage von der Handwerkskammer Berlin mitgeteilt, dass die gewerbliche Nutzung des Geräts zulassungspflichtig im Maler- und Lackierer-Handwerk sei und daher nur mit Fachkundenachweis und Eintrag in der Handwerksrolle gewerblich ausgeführt werden dürfe. Die Käuferin veröffentlichte die Auskunft auf ihrer Internetseite und erklärte, wegen des „Meisterzwangs“ keine Aufträge mehr für den Wanddrucker annehmen zu können.
Die Antragstellerin verlangte daraufhin von der Handwerkskammer insbesondere, diese – aus ihrer Sicht falsche – Auskunft zu widerrufen und zukünftig zu unterlassen. Die Veröffentlichung der Auskunft im Internet verursache ihr einen immensen wirtschaftlichen Schaden, weil die meisten ihrer Kunden über keinen entsprechenden Fähigkeitsnachweis verfügten. Nachdem die Handwerkskammer eine gesetzte Frist verstreichen ließ, hat die Antragstellerin bei Gericht einen Eilantrag und Klage eingereicht.
Verwaltungsgericht widersprach
Das VG hat dem Eilantrag stattgegeben. Begründung: Die Nutzung eines (vollautomatischen) Wanddruckers stelle für sich genommen regelmäßig keinen handwerklichen Betrieb eines Maler- und Lackierer-Handwerks dar. Sie sei vielmehr ohne Nachweis eines Fachkundenachweises oder einer Eintragung in die Handwerksrolle zulässig.
Weder Fachkundenachweis noch Eintragung in die Handwerksrolle notwendig
Die händischen Arbeitsschritte beim Bedienen des Wanddruckers beschränkten sich auf die Vorbereitung des Druckers und des Motivs sowie das Farbmanagement. Das Verbringen der Farbe auf die Oberfläche – als Kernbereich des Malerhandwerks – erfolge indes automatisiert. Angesichts der überschaubaren Komplexität und Schwierigkeit der Bedienung des Druckers genüge nach unbestrittener Darstellung der Antragstellerin eine zweitägige Schulung in aller Regel, um zufriedenstellende Ergebnisse mit dem Wanddrucker zu erzeugen. Die nötigen Vorbereitungshandlungen und das Mischen von Farben seien keine wesentlichen Tätigkeiten bei der Benutzung des Druckers, weil sie jedenfalls in unter drei Monaten erlernt werden könnten.
Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 19.2.2025, VG 4 L 847/24, PM vom 24.2.2025
| Verstößt der Arbeitgeber schuldhaft gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, dem Arbeitnehmer rechtzeitig für eine Zielperiode Ziele vorzugeben, an deren Erreichen die Zahlung einer variablen Vergütung geknüpft ist (Zielvorgabe), löst dies grundsätzlich einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadenersatz statt der Leistung aus. Voraussetzung: Eine nachträgliche Zielvorgabe kann ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen. So hat es das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Keine Vorgabe individueller Ziele
Der Kläger war bei der Beklagten bis zum 30.11.2019 als Mitarbeiter mit Führungsverantwortung beschäftigt. Arbeitsvertraglich war ein Anspruch auf eine variable Vergütung vereinbart. Eine ausgestaltende Betriebsvereinbarung bestimmt, dass bis zum 1.3. des Kalenderjahres eine Zielvorgabe zu erfolgen hat, die sich zu 70 % aus Unternehmenszielen und 30 % aus individuellen Zielen zusammensetzt, und sich die Höhe des variablen Gehaltsbestandteils nach der Zielerreichung des Mitarbeiters richtet. Am 26.9.2019 teilte der Geschäftsführer der Beklagten den Mitarbeitern mit Führungsverantwortung mit, für das Jahr 2019 werde, bezogen auf die individuellen Ziele, entsprechend der durchschnittlichen Zielerreichung aller Führungskräfte in den vergangenen drei Jahren von einem Zielerreichungsgrad von 142 % ausgegangen. Erstmals am 15.10.2019 wurden dem Kläger konkrete Zahlen zu den Unternehmenszielen einschließlich deren Gewichtung und des Zielkorridors genannt. Eine Vorgabe individueller Ziele für den Kläger erfolgte nicht. Die Beklagte zahlte an den Kläger für 2019 eine variable Vergütung von rund 15.600 Euro brutto.
Der Standpunkt der Parteien
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei ihm zum Schadenersatz verpflichtet, weil sie für das Jahr 2019 keine individuellen Ziele und die Unternehmensziele verspätet vorgegeben habe. Es sei davon auszugehen, dass er rechtzeitig vorgegebene, billigem Ermessen entsprechende Unternehmensziele zu 100 % und individuelle Ziele entsprechend dem Durchschnittswert von 142 % erreicht hätte. Deshalb stünden ihm unter Berücksichtigung der von der Beklagten geleisteten Zahlung weitere rund 16.000 Euro brutto als Schadenersatz zu. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Zielvorgabe sei rechtzeitig erfolgt und habe den Grundsätzen der Billigkeit entsprochen, weshalb ein Schadenersatzanspruch wegen verspäteter Zielvorgabe ausgeschlossen sei. Unabhängig davon könne der Kläger allenfalls eine Leistungsbestimmung durch Urteil nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 315 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 BGB) verlangen. Die Möglichkeit einer gerichtlichen Ersatzleistungsbestimmung schließe Schadenersatzansprüche wegen verspäteter Zielvorgabe aus. Im Übrigen sei die Höhe eines möglichen Schadens falsch berechnet.
Arbeitgeber verstieß gegen Pflicht aus Betriebsvereinbarung
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht (LAG) hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagte, wie vom LAG zu Recht erkannt, einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von rund 16.000 Euro brutto. Die Beklagte hat ihre Verpflichtung zu einer den Regelungen der Betriebsvereinbarung entsprechenden Zielvorgabe für das Jahr 2019 schuldhaft verletzt, indem sie dem Kläger keine individuellen Ziele vorgegeben und ihm die Unternehmensziele erst verbindlich mitgeteilt hat, nachdem bereits etwa ¾ der Zielperiode abgelaufen waren.
Arbeitnehmer siegt: kein Mitverschulden, keine Anrechnung
Eine ihrer Motivations- und Anreizfunktion gerecht werdende Zielvorgabe war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Deshalb kommt hinsichtlich der Ziele auch keine nachträgliche gerichtliche Leistungsbestimmung in Betracht. Bei der im Wege der Schätzung zu ermittelnden Höhe des zu ersetzenden Schadens war von der für den Fall der Zielerreichung zugesagten variablen Vergütung auszugehen und anzunehmen, dass der Kläger bei einer billigem Ermessen entsprechenden Zielvorgabe die Unternehmensziele zu 100 % und die individuellen Ziele entsprechend dem Durchschnittswert von 142 % erreicht hätte.
Besondere Umstände, die diese Annahme ausschließen, hat die Beklagte nicht dargetan. Der Kläger musste sich kein anspruchsminderndes Mitverschulden anrechnen lassen. Bei einer unterlassenen oder verspäteten Zielvorgabe des Arbeitgebers scheidet ein Mitverschulden des Arbeitnehmers wegen fehlender Mitwirkung regelmäßig aus, weil allein der Arbeitgeber die Initiativlast für die Vorgabe der Ziele trägt.
Quelle | BAG, Urteil vom 19.2.2025, 10 AZR 57/24, PM 7/25
| Säumniszuschläge werden festgesetzt, wenn die Zahlung nicht pünktlich erfolgt. Nach der Abgabenordnung (hier: § 240 AO) ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen Steuerbetrags zu entrichten, umgerechnet auf das Jahr also 12 %. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass wegen des deutlichen und nachhaltigen Anstiegs der Marktzinsen, der seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 zu verzeichnen ist, jedenfalls seit März 2022 keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Zuschläge bestehen. |
Darüber hinaus hat der BFH in diesem Verfahren Folgendes entschieden: Wenn das Finanzamt zwar Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt, deren Wirkung aber von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig macht, bewirkt die spätere Leistung der Sicherheit im Regelfall, dass die AdV mit (Rück-)Wirkung ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung eintritt und zuvor etwaig entstandene Säumniszuschläge entfallen.
Beachten Sie | Das Finanzamt kann allerdings ausdrücklich anordnen, dass die Wirkung der AdV erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung der Sicherheit beginnt.
Quelle | BFH, Beschluss vom 21.3.2025, X B 21/25 (AdV)
| Eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft steht der Anerkennung einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft grundsätzlich nicht entgegen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Eine Organschaft führt bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dazu, dass nicht mehr die Organgesellschaft ihren Gewinn zu versteuern hat, sondern der Organträger.
Beachten Sie | Die gemäß Körperschaftsteuergesetz (hier: §§ 14 ff. KStG) enthaltenen Regelungen für die Organschaft führen im Ergebnis dazu, dass z. B. in Konzernen die Konzernspitze (als Organträger) die Gewinne sämtlicher Tochtergesellschaften (als Organgesellschaften) zu versteuern hat, aber Verluste und Gewinne der verschiedenen Tochtergesellschaften dabei auch unmittelbar miteinander verrechnet werden können. Insbesondere dieser steuerliche Vorteil hat zu einer weiten Verbreitung der Organschaft in Deutschland geführt.
Das war geschehen
Im Streitfall hatte eine Kommanditgesellschaft (KG) mit einer GmbH einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, um eine Organschaft zu begründen. Danach war die „abhängige“ GmbH als Organgesellschaft verpflichtet, den ganzen von ihr erwirtschafteten Gewinn an die KG als Organträger abzuführen.
Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass an der GmbH als Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung bestand.
Bundesfinanzhof widerspricht Vorinstanzen
Da dem atypisch still Beteiligten ein Anteil von 10 % des Gewinns der GmbH zustand, vertraten das Finanzamt und nachfolgend auch das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern die Auffassung, dass lediglich 90 % des Gewinns an die KG als Organträger abgeführt worden sei, das Gesetz aber die Abführung des ganzen Gewinns fordere. Die Organschaft sei daher insgesamt nicht anzuerkennen. Dem ist der BFH aber nun entgegengetreten.
§ 14 Abs. 1 KStG setzt einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 des Aktiengesetzes (AktG) und die strikte Erfüllung der zivilrechtlichen Vertragspflichten voraus. Was als ganzer Gewinn abzuführen ist, bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Gewinnbeteiligungen, die einem stillen Gesellschafter zustehen, sind im Zivilrecht aber als Geschäftsunkosten vom Gewinn der GmbH abzusetzen. Dies betrifft sowohl die typische als auch die atypisch stille Gesellschaft.
Folglich ist der hiernach verbleibende „Rest-Gewinn“ (im Streitfall also die 90 %) der ganze Gewinn, der an den Organträger abgeführt werden muss. Dass eine (typische oder atypische) stille Beteiligung zivilrechtlich als Teilgewinnabführungsvertrag qualifiziert wird, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.12.2024, I R 33/22, PM 21/25 vom 3.4.2025
| Wenn eine per E-Mail versandte Werklohnrechnung gehackt und unbefugt verändert wird und der Kunde deshalb an einen unbekannten Dritten zahlt, muss er nicht noch einmal an den Werkunternehmer zahlen, wenn dieser die Rechnung ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung versandt hat und deshalb gegen ihn ein Schadenersatzanspruch gemäß Datenschutz-Grundverordnung (hier: Art. 82 DS-GVO) besteht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, erneut ihre Werklohnforderung zu zahlen, nachdem der Betrag wegen einer Manipulation der per E-Mail versandten Rechnung durch kriminell handelnde Dritte dem Konto eines Unbekannten gutgeschrieben wurde.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für die Installation von Haustechnik. Sie führte für die Beklagte Installationsarbeiten durch und rechnete die erbrachten Leistungen ihr gegenüber in drei Abschlagsrechnungen ab. Diese wurden jeweils als Anlage zu einer E-Mail im PDF-Format übersandt. Die ersten zwei Abschlagsrechnungen beglich die Beklagte per Überweisung an die auf den Rechnungen angegebenen Bankverbindungen der Klägerin.
Die dritte Abschlagsrechnung über rund 15.000 Euro, die zugleich die Schlussrechnung war, versandte die Klägerin ebenfalls als Anlage im PDF-Format per E-Mail. Diese Rechnung war jedoch auf ungeklärte Weise durch einen Dritten manipuliert worden, so dass die Beklagte den Rechnungsbetrag auf das Konto des unbekannten Dritten überwies. Auf dem Konto der Klägerin ging deshalb auf die Schlussrechnung keine Zahlung ein.
Keine Erfüllung durch Zahlung an unbekannten Dritten
Das Landgericht (LG) hat die Beklagte deshalb zur erneuten Zahlung verurteilt, weil eine Erfüllung durch die Zahlung an den unbekannten Dritten nicht eingetreten ist. Es hat ausgeführt, dass die Klägerin auch keine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat, sodass die Beklagte keinen Schadenersatzanspruch hat, den sie der Klageforderung gemäß § 242 BGB entgegenhalten kann. Die Klägerin hat nach Auffassung des LG keine Pflichtverletzung begangen, weil die von ihr vorgetragenen Schutzvorkehrungen in Form einer Transportverschlüsselung per SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) über TLS (Transport Layer Security) beim E-Mail-Verkehr mit Vertragspartnern ausreichend sind.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG hat in zweiter Instanz das Urteil des LG geändert und die Klage abgewiesen. Es hat entschieden, dass die Zahlung der Beklagten an einen Dritten zwar keine Erfüllung der Forderung bei der Klägerin bewirkt. Im Gegensatz zum Landgericht hat es jedoch einen Schadenersatzanspruch der Beklagten bejaht, den diese der Werklohnforderung der Klägerin nach § 242 BGB entgegenhalten kann, so dass sie die Forderung nicht noch einmal bezahlen muss.
Dieser Schadenersatzanspruch ergibt sich nach der Entscheidung des OLG aus Art. 82 Abs. 2 DS-GVO, weil die Klägerin im Zuge der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Beklagten bei Versand der streitgegenständlichen E-Mail mit Anhang gegen die Grundsätze der Art. 5, 24 und 32 DS-GVO verstoßen hat. Das OLG hält die Transportverschlüsselung, die beim Versand der streitgegenständlichen E-Mail in Form von SMTP über TLS verwendet worden sein soll, nicht für ausreichend und damit auch nicht als zum Schutz der Daten „geeignet“ im Sinne der DS-GVO.
Das OLG hob hervor, dass heute jedem Unternehmen, das personenbezogene Daten seiner Kunden computertechnisch verarbeitet, bewusst sein muss, dass der Schutz dieser Daten hohe Priorität – auch beim Versenden von E-Mails – genießt. Unternehmen müssen diesen Schutz durch entsprechende Maßnahmen so weit wie möglich gewährleisten.
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unabdingbar
Gerade bei sensiblen oder persönlichen Inhalten ist nach der Entscheidung des OLG nur eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Schutz im Sinne der DS-GVO geeignet, wenn ein hohes finanzielles Risiko durch Verfälschung der angehängten Rechnung für den Kunden besteht. Dass Kunden von Unternehmen bei einem Datenhacking Vermögenseinbußen drohen, ist ein Risiko, das dem Versand von Rechnungen per E-Mail immanent ist und deshalb eine entsprechende Voraussicht und ein proaktives Handeln erfordert. Der dafür erforderliche technische und finanzielle Aufwand kann auch von einem mittelständischen Handwerksbetrieb erwartet werden, wenn es seine Rechnungen nicht per Post versendet.
Quelle | OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.12.2024, 12 U 9/24, PM 1/25
| Wer im Zusammenhang mit seiner kommunalpolitischen Tätigkeit Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder erhält (im Streitfall ein ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats), erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Diese sind im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung zu verbeitragen. Dies hat jedenfalls das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen entschieden. |
Das LSG Nordrhein-Westfalen stellte heraus: Für die Zuordnung von Einnahmen zum Arbeitseinkommen ist die steuerliche Abgrenzung der Einkunftsarten maßgebend. Bei Anlegung dieser Maßstäbe handelt es sich auch bei den Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer kommunalpolitischen Tätigkeit in Gestalt von Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern erzielt werden, um Arbeitseinkommen nach dem Sozialgesetzbuch IV (hier: § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV).
Gegen dieses Urteil ist die Revision beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig.
Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.3.2024, L 5 KR 551/21, Rev. BSG: B 6 a/12 KR 12/24 R
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Die Verwendung von geschlechtsspezifischen Sterbetafeln bei der Bewertung lebenslänglicherNutzungen und Leistungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot. |
Hintergrund: Die Heranziehung geschlechterdifferenzierender Sterbetafeln dient dem Ziel, die Kapitalwerte lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen mit zutreffenden Werten zu erfassen und eine Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.
Da die statistische Lebenserwartung von Männern und Frauen unterschiedlich hoch ist, ermöglichen die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Vervielfältiger genauere und realitätsgerechtere Bewertungsergebnisse als geschlechtsneutrale Vervielfältiger.
Beachten Sie | Die Anwendung der geschlechtsspezifischen Sterbetafeln kann sich für den Steuerpflichtigen je nach Fallkonstellation günstiger oder ungünstiger auswirken und führt nicht per se zu einer Benachteiligung aufgrund des eigenen Geschlechts.
Der BFH musste nicht entscheiden, welche Auswirkungen sich aus dem am 1.11.2024 in Kraft getretenen Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) für die Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen ergeben.
Quelle | BFH, Urteile vom 20.11.2024, II R 38/22, II R 41/22, II R 42/22; PM 23/25 vom 10.4.2025
| Aufwendungen des Steuerpflichtigen für einen Umzug in eine andere Wohnung, um dort (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs(BFH) auch, wenn der Steuerpflichtige – wie in Zeiten der Corona-Pandemie – zwangsweise zum Arbeiten im häuslichen Bereich angehalten ist oder durch die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren sucht. |
Das war geschehen
Eheleute lebten mit ihrer Tochter in einer 3-Zimmer-Wohnung und arbeiteten nur in Ausnahmefällen im Homeoffice. Ab März des Streitjahrs 2020 (zunächst bedingt durch die Corona-Pandemie) arbeiteten sie überwiegend im Homeoffice, dort im Wesentlichen im Wohn-/Esszimmer. Ab Mai 2020 zogen sie in eine 5-Zimmer-Wohnung, in der sie zwei Zimmer als häusliches Arbeitszimmer einrichteten und nutzten.
Den Aufwand für die Nutzung der Arbeitszimmer und die Kosten für den Umzug in die neue Wohnung machten die Eheleute als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte zwar die Aufwendungen für die Arbeitszimmer an, mangels beruflicher Veranlassung lehnte es den Abzug der Kosten für den Umzug jedoch ab.
Demgegenüber bejahte das Finanzgericht (FG) Hamburg den Werbungskostenabzug auch für die Umzugskosten. Der Umzug in die größere Wohnung sei beruflich veranlasst gewesen, da er zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen geführt habe.
Dem folgte der BFH aber (aus Steuerzahlersicht „leider“) nicht und bestätigte die ablehnende Entscheidung des Finanzamts.
Wohnung: privater Lebensbereich
Die Wohnung ist grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Daher zählen die Kosten für einen Wohnungswechsel regelmäßig zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung. Etwas anderes gilt nur, wenn die berufliche Tätigkeit den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel dargestellt hat und private Umstände allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben.
Beachten Sie | Dies ist aber nur aufgrund außerhalb der Wohnung liegender Umstände zu bejahen, etwa wenn
- der Umzug Folge eines Arbeitsplatzwechsels gewesen ist oder
- sich die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit durch den Umzug um mindestens eine Stunde täglich vermindert
Die Möglichkeit, in der neuen Wohnung (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, genügt nicht zur Begründung einer beruflichen Veranlassung des Umzugs. Es fehlt insoweit an einem objektiven Kriterium, das nicht auch durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist.
Die Entscheidung, in der neuen, größeren Wohnung (erstmals) ein Zimmer als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer „Arbeitsecke“ auszuüben, beruht auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatz verfügt oder durch die Arbeit im Homeoffice versucht, das Berufs- und Familienleben zu vereinbaren.
Quelle | BFH, Urteil vom 5.2.2025, VI R 3/23, PM 24/25 vom 17.4.2025
| Ein mit einem Preisgeld dotierter Wissenschaftspreis kann nur dann Arbeitslohn darstellen, wenn er dem Arbeitnehmer für Leistungen verliehen wird, die er gegenüber seinem Dienstherrn erbracht hat. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Fall eines Professors entschieden. |
Der Professor hatte die Habilitationsschriften überwiegend vor der Berufung in das Professorendienstverhältnis verfasst. Der preisbewehrten Habilitation lag zwar eine wissenschaftliche Forschungsleistung zugrunde. Diese gründete aber nicht auf der Forschungstätigkeit als Hochschullehrer. Wissenschaftspreis und Preisgeld stellten sich daher nicht als „Frucht“ dieser Tätigkeit dar.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 12/22
| Kann in Deutschland steuerpflichtigen Personen eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen inder Schweiz gewährt werden? Das Finanzgericht (FG) Köln hält das für möglich und hat sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar mit deutscher und schweizerischer Staatsbürgerschaft wohnte in der Schweiz. Der Ehemann war als Arbeitnehmer in Deutschland tätig und unterhielt hierfür eine Wohnung in Deutschland. Für das gemeinsame Haus in der Schweiz beauftragten die Eheleute verschiedene Handwerks- und Gartenbauarbeiten i. S des Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 a EStG) und begehrten eine Ermäßigung ihrer Einkommensteuer.
Das Finanzamt lehnte dies jedoch ab, weil die Dienstleistungen in der Schweiz ausgeführt wurden (vgl. § 35 a Abs. 4 S. 1 EStG). Hiergegen erhoben die Eheleute erfolgreich Klage.
Freizügigkeitsabkommen
Das FG Köln bezweifelt, ob es mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist, dass die Steuerermäßigung nur für Dienstleistungen beansprucht werden kann, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt ausgeübt oder erbracht werden.
Beachten Sie | Bis zur Entscheidung des EuGH ist das Verfahren ausgesetzt.
Quelle | FG Köln, Beschluss vom 20.2.2025, 7 K 1204/22; PM vom 25.3.2025; EuGH: C-223/25
| Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen, z. B. Sachverständigengutachten, sind in der Regel nicht notwendig und werden daher nicht erstattet. Das ist der Grundsatz, von dem die Rechtsprechung ausgeht. Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme – wie eine Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Senftenberg anschaulich zeigt. |
Schwierige technische Fragestellungen
Ausnahmsweise werden nach dieser Entscheidung die Kosten z. B. für das Einholen eines privaten Sachverständigengutachtens unter anderem als notwendige Kosten anerkannt, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind. Gleiches gilt, wenn aus Sicht des Betroffenen aus einer Anfangsbetrachtung ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre.
Amtsgericht hält Kosten ausnahmsweise für erstattungsfähig
Diese Grundsätze hat das AG in seiner Entscheidung bestätigt. Es hat die Kosten für ein Sachverständigengutachten, mit dem die Messdaten einer Geschwindigkeitsmessung überprüft worden sind, daher als erstattungsfähig angesehen.
Quelle | AG Senftenberg, Urteil vom 28.2.2024, 50 OWi 1617 Js 22408/22
| Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h liegenden Tempo fährt, muss seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten. Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des Navigationssystems kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entschieden. |
Konzentrieren und Gerätebedienen ist gefährlich
Geklagt hatte eine Autovermieterin gegen den Fahrer eines vermieteten Pkw. Der Fahrer war auf der Autobahn verunfallt und hatte den Wagen beschädigt. Während er auf der linken Spur fuhr, bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs bei Tempo 200, um dort Informationen abzurufen. Dabei geriet das Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke.
Mietvertrag sah Kürzung der Haftungsfreistellung vor
Das Gericht verwies auf die Vereinbarung im Mietvertrag. Danach könne die Haftungsfreistellung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt werden. Der Fahrer habe hier grob fahrlässig gehandelt. Die Autovermieterin könne daher die Hälfte des Schadens – ca. 12.000 Euro – bei ihm geltend machen.
Für das Gericht war es dabei unerheblich, dass der Pkw einen sog. Spurhalteassistenten hatte. Zumindest bei derart hohen Geschwindigkeiten reduziere dieser den Schuldvorwurf nicht.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 2.5.2019, 13 U 1296/17
| Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie beschäftigt immer noch die Gerichte. Aktuell hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden: Die Mitglieder einer Fahrgemeinschaft waren auch in der Corona-Hochphase für gegenseitige Ansteckungen nicht verantwortlich zu machen. Eine auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage eines Mitfahrers hat das LG deshalb abgewiesen. |
Im Frühjahr 2022 stieg der Mitfahrer ohne Maske zu seinem Kollegen ins Auto, um gemeinsam zur Arbeit zu fahren. Am Abend desselben Tages schrieb er in die WhatsApp-Gruppe der Fahrgemeinschaft, dass er positiv getestet sei und sich in Quarantäne befinde.
Fahrer behauptete Ansteckung und verlangte Schmerzensgeld
Der schon zuvor an Asthma erkrankte Fahrer behauptete im Prozess, er habe sich während der gemeinsamen Fahrt mit dem Coronavirus infiziert und sei nun dauerhaft arbeitsunfähig („Post-Covid-Syndrom“). Der Mitfahrer schulde ihm daher Schmerzensgeld in Höhe von nicht unter 20.000 Euro, weitere 4.000 Euro Schadenersatz und müsse darüber hinaus für zukünftig auftretende Schäden einstehen.
Landgericht: Reine Gefälligkeit – keine Haftung
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Im Rahmen der wechselseitigen Gefälligkeit einer Fahrgemeinschaft sei bereits unter den Gesichtspunkten eines stillschweigenden Haftungsverzichts und des Handelns auf eigene Gefahr eine gegenseitige Haftung ausgeschlossen. Es sei zudem aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie allgemein bekannt gewesen, dass enger persönlicher Kontakt die Hauptinfektionsquelle darstellte. Obwohl der unter Asthma leidende Fahrer bemerkt habe, dass sein Kollege beim Einsteigen keine Maske trug, habe er ihn nicht gebeten, eine solche aufzusetzen. Er habe sich daher erkennbar trotz seiner Vorerkrankung dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Dass er sich keine Gedanken über einen ungünstigen Verlauf einer Infektion mit möglichen Dauer- und Folgeschäden gemacht habe, rechtfertige keine andere Beurteilung.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 16.12.2024, 7 O 110/24, PM vom 31.1.2025
| Mit der Frage, ob ein 13-jähriges Kind für einen Glasschaden an einem Schaufenster verantwortlich ist, hat sich das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. |
Glasbruch nach Nutzung eines Spielgeräts
Das Kind hatte in der Fußgängerzone von Frankenthal ein festmontiertes Spielgerät in Gestalt einer Drehscheibe genutzt und war beim Absteigen gegen ein daneben befindliches Schaufenster getaumelt. Für den dadurch entstandenen Glasbruch muss das Kind nicht haften, entschied das LG und hat die Klage der Ladenbesitzer abgewiesen.
Der Junge gab an, dass er auf dem Schulweg an dem Spielgerät vorbeigekommen sei. Er habe sich auf das Karussell gestellt, das ein Freund gedreht habe, zunächst langsam, dann immer schneller. Nachdem der Freund die Drehung gestoppt habe, sei er rückwärts gegen die keine drei Meter entfernte Fensterscheibe getaumelt, die daraufhin zerbrochen sei.
Schaden schuldhaft verursacht?
Die Ladenbesitzer warfen dem Jungen vor, den Schaden schuldhaft verursacht zu haben. Er sei bereits zu alt gewesen für das Karussell, zudem habe er sich damit zu schnell gedreht. Die Sturzgefahr und der mögliche Glasbruch seien für ihn erkennbar gewesen.
Landgericht: kein Verschulden des Kindes!
Das LG ging zwar davon aus, dass sich der 13-Jährige der grundsätzlichen Stolpergefahr durchaus bewusst und auch hinreichend einsichtsfähig war. Beides ist erforderlich, damit Minderjährige in diesem Alter überhaupt selbstständig haften. Gleichwohl konnte das LG das für einen Schadenersatzanspruch erforderliche Verschulden des Kindes nicht feststellen. Denn der Junge habe die Drehscheibe bestimmungsgemäß genutzt. Es sei gerade Sinn und Zweck des Karussells, trotz der Drehbewegung die Balance zu halten und der Gefahr des Herunterfallens zu trotzen. Das Kind sei weder zu alt noch zu groß für das Spielgerät gewesen.
Das Gericht hat nicht verkannt, dass die Ladenbesitzer nun auf ihrem Glasschaden sitzen bleiben. Dies resultiert gemäß LG jedoch daraus, dass unsere Rechtsordnung – von einigen hier nicht vorliegenden Sonderfällen abgesehen – dem Prinzip der Verschuldenshaftung folgt.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 29.11.2024, 9 O 27/24, PM vom 19.12.2024
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Bürgergeldempfänger gelten nicht als hilfebedürftig, wenn sie ein (zu) großes Einfamilienhaus gebaut haben und dessen Wert zur Sicherung des Lebensunterhalts nutzen können. |
Familie hatte während Bürgergeldbezug größeres Haus gebaut
Dem Verfahren lag ein Eilantrag einer Familie aus dem Emsland zugrunde. Diese hatte ihr selbstbewohntes Hausgrundstück für 514.000 Euro verkauft, nachdem sie während des Bürgergeldbezugs ein neues Haus gebaut hatte. Aufgrund des erzielten Verkaufserlöses hob der Grundsicherungsträger die Leistungsbewilligung auf.
Demgegenüber vertrat die Familie die Auffassung, das neue Haus sei geschütztes Vermögen und dürfe nicht zur Deckung des Lebensunterhalts herangezogen werden. Zudem berief sie sich auf die gesetzliche Karenzzeit von 12 Monaten, während der auch großzügige Wohnverhältnisse voll finanziert werden müssten.
Landessozialgericht: Familie nicht bedürftig
Das LSG bestätigte die Auffassung der Behörde. Die Familie sei nicht bedürftig, da das neue Hausgrundstück mit 254 m² Wohnfläche und sieben Bewohnern kein geschütztes Vermögen darstelle. Eine Verwertung des Vermögens zur Sicherung des Lebensunterhalts sei durch Beleihung möglich. Bei einem Verkehrswert von 590.000 Euro und einer Grundschuld von 150.000 Euro stehe ein unbelasteter Wert von 440.000 Euro zur Verfügung.
Die Berufung auf die gesetzliche Karenzzeit lehnte das Gericht ebenfalls ab. Die Regelung diene dem Zweck, dass Leistungsempfänger nicht sofort ihr angespartes Vermögen, etwa für die Altersvorsorge, aufbrauchen müssen, wenn sie nur vorübergehend auf Bürgergeld angewiesen sind. Die Karenzzeit solle dabei helfen, plötzliche Härten abzufedern.
Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um eine unerwartete Notlage, sondern um langjährige Leistungsbezieher, die ihre Wohnsituation und ihr Immobilienvermögen optimieren wollten. So habe die Familie als Verkaufsgrund des alten Hauses angegeben, die Entfernung zur Innenstadt sei ihnen zu weit gewesen.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.1.2025, L 11 AS 372/24 B ER, PM vom 20.1.2025
| Der gezahlte Reisepreis kann um 30 Prozent gemindert werden, wenn das Gepäck des Pauschalreisenden beim Hinflug zu spät ausgeliefert wird und deshalb während einer Kreuzfahrt in die Arktis nicht zur Verfügung steht. So entschied es das Landgericht (LG) München II zugunsten der Reisenden. |
Es ging um eine Expeditionsreise
Der Kläger und seine Mutter hatten im Jahr 2023 bei der Beklagten eine elftägige Pauschalreise nach Norwegen mit anschließender Kreuzfahrt „Auf den Spuren der Eisbären“ gebucht. Während des Hinflugs kam es zu einer verspäteten Auslieferung aller Gepäckstücke der Reisenden. Der Kläger und seine Mutter meldeten ihr Gepäck als verloren und erstatteten unverzüglich Schadensanzeige. Vor der Abfahrt des Schiffs kauften sie in Outdoor-Läden in Norwegen das Notwendigste ein. An Bord gab es eine Boutique und einen Wäscheservice. Schuhe und Parka für die Expeditionen an Land wurden gestellt. Die Beklagte erstattete den Reisenden außergerichtlich 25 Prozent vom gezahlten Reisepreis und 1.500 Euro (von 2.306,07 Euro) für die Ersatzbeschaffungen. Vor Gericht machte der Kläger den Restbetrag für die Ersatzbeschaffungen, weitere 15 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und einen „Schadenersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreuden“ geltend.
Landgericht sprach Minderung zu
Das LG sprach dem Kläger eine Minderung in Gesamthöhe von 30 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und für die Ersatzbeschaffungen weitere 516,20 Euro zu; einen Anspruch auf Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wies das LG jedoch ab.
Das LG begründete seine Entscheidung damit, dass das Fehlen von Gepäck mit persönlichen Gegenständen des Reisenden einen Reisemangel darstellt. Weil der Veranstalter jedoch keine besondere Kleiderordnung bei den Mahlzeiten und die Ausrüstung für die Expeditionen zur Verfügung gestellt hatte und es einen Wäscheservice an Bord gab, erachtete das Gericht eine Minderung von 30 Prozent des gezahlten Reisepreises als ausreichend und angemessen.
Bei den Ersatzbeschaffungen (Verbrauchsartikel, Grund- und Funktionsbekleidung) hatte der Reiseveranstalter unter anderem einen Abschlag für Vermögensvorteile vorgenommen, weil die Reisenden die Sachen nach der Rückkehr weiterhin nutzen können. Das Gericht folgte dem Argument der Beklagten nicht, soweit es sich um „Funktionskleidung“ handelte, denn der Kläger und seine Mutter hatten das Gericht davon überzeugt, dass sie die eigens für eine Expedition in die Arktis gekaufte Funktionsbekleidung nicht mehr benötigten. Anders sah es das Gericht bei den Verbrauchsartikeln (Waschmittel, Zahnpasta, etc.) – die Reisenden erhielten ihre Koffer bei der Rückkehr von der Reise zurück und konnten die darin enthaltenen Verbrauchsartikel (weiter) nutzen.
Schadenersatzanspruch abgelehnt
Einen Schadenersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit lehnte das Gericht ab, weil der Kläger und seine Mutter aufgrund der Möglichkeit von Ersatzbeschaffungen in Longyearbyen und an Bord sowie wegen der ihnen zur Verfügung gestellten Ausrüstungsgegenstände (Schuhe, Parka) an der Kreuzfahrt und den Expeditionen an Land teilnehmen konnten, was Sinn undZweck der gebuchten Expeditionsreise war.
Quelle | Landgericht München II, Endurteil vom 10.1.2025, 14 O 2061/24, PM 1/25
| Ein Ehemann kann nach der Trennung von seiner Frau verlangen, die Nutzungsverhältnisse an einem gemeinsamen Haus neu zu ordnen. Das stellte das Oberlandesgericht (OLG) Celle fest. |
Ärzteehepaar trennte sich
Nachdem sich ein Ärzteehepaar getrennt hatte, wollte der Mann in ein gemeinsames Haus des Paares ziehen. Doch dort wohnte seine Schwiegermutter. In der ihr allein gehörenden Ehewohnung lebte die Frau mit den gemeinsamen Kindern. Der Mann schlief zunächst in seiner Praxis, dann bei Bekannten. Schließlich wohnte er zur Untermiete.
Den Eheleuten gehörte aber hälftig noch das von der Schwiegermutter bewohnte Einfamilienhaus mit Garten. Dieser wollte der Mann wegen Eigenbedarf kündigen. Dazu war die Mitwirkung seiner Ehefrau erforderlich. Das lehnte sie ab. Sie meinte, der Mann wolle sie nur zwingen, ihrer Mutter zu kündigen. Auch habe er noch ein weiteres Haus. Der Mann klagte.
Amtsgericht: Eigenbedarf nicht genügend dargelegt
Das Amtsgericht (AG) wies seine Klage ab. Der Mann habe den Eigenbedarf nicht hinreichend dargelegt. Da die Schwiegermutter eine nahe Angehörige sei, könne ihre Tochter selbst Eigenbedarf anmelden. So zog der Mann vor das OLG.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG gab dem Mann Recht. Ihm sei seit der Trennung ein Festhalten am Mietverhältnis nicht länger zuzumuten. Auch habe er seinen Eigenbedarf ausreichend dargelegt. Er hatte vorgetragen, dass sein jetziges Mietverhältnis nur befristet war. Ein ständiges Wohnen in der Praxis sei ihm nicht zuzumuten. Ein Umzug in das andere Haus sei ihm ebenfalls nicht zuzumuten, da dieses noch ein Rohbau sei und er auch kein Geld für einen Umzug habe. Nach all dem sah das OLG den geltend gemachten Eigenbedarf nicht als „offensichtlich aussichtslos“ an. Vor allem sei die Frau in der Lage, ihre Mutter in der Ehewohnung und einer nicht genutzten Einliegerwohnung aufzunehmen.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 19.2.2025, 21 UF 237/24
| Wer einen überschuldeten Nachlass erbt, kann innerhalb einer Frist von sechs Wochen das Erbe ausschlagen. Sonst gilt die Erbschaft als angenommen und er haftet für die dem Nachlass zuzuordnenden Schulden. War dem Erben nicht bekannt, dass der Nachlass überschuldet ist, kann noch die Anfechtung wegen Irrtums helfen. Mit den Voraussetzungen dafür hat sich jetzt das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. Es hat entschieden, dass der als Erbe eingesetzte Sohn eines Verstorbenen nicht für die Beerdigungskosten aufkommen muss, weil er die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten hat. |
Witwe verlangte Bestattungskosten von Sohn des Verstorbenen
Der Verstorbene hatte seinen Sohn aus erster Ehe testamentarisch zu seinem Erben bestimmt. Die beiden pflegten zuletzt keinen Kontakt mehr zueinander. Nach dem Tod übernahm zunächst die Witwe die Bestattungskosten von rund 7.500 Euro und wollte diese vom Sohn erstattet haben, da dieser die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte. Daraufhin erklärte der Sohn die Anfechtung der Erbschaftsannahme. Er habe nicht gewusst, dass die Bestattungskosten zu den Nachlassverbindlichkeiten gehörten und der Nachlass damit überschuldet sei.
Irrtum über die Beerdigungskosten
Dieser Argumentation hat sich das LG angeschlossen. Der Sohn habe die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten und müsse daher nicht für die Beerdigungskosten aufkommen. Die Anfechtung wegen unerkannter Überschuldung eines Nachlasses sei ein in der Rechtsprechung anerkannter Anfechtungsgrund. Sie setze voraus, dass der Anfechtende eine wesentliche Forderung gegen den Nachlass irrtümlich übersieht. Hier seien die Bestattungskosten eine wesentliche Forderung, da der Nachlass überschuldet sei, wenn man sie berücksichtige. Es sei auch glaubhaft, dass sich der Sohn über die Beerdigungskosten geirrt habe. Denn die Witwe habe ihm noch zu Lebzeiten des Vaters mitgeteilt, für die Beerdigung könne der Erlös aus dem Verkauf eines Pkw verwendet werden. Daher durfte der Sohn davon ausgehen, als Erbe seines Vaters nicht für die Bestattung aufkommen zu müssen, so die Kammer. Wenn kein Erbe in Anspruch genommen werden kann, muss die Witwe als Ehefrau nach den Vorschriften des Landesrechts selbst für die Beerdigungskosten aufkommen, so das LG.
Quelle | Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 27.2.2025, 8 O 189/24, PM vom 31.3.2025
| Die Kosten eines Vaterschaftsanerkennungsverfahrens können zwischen dem im Verfahren ermittelten biologischen Vater und der Mutter hälftig geteilt werden. Weder der Umstand, dass der Vater nicht bereits auf Basis eines Privatgutachtens zur Anerkennung der Vaterschaft bereit war, noch, dass er nach Angaben der Mutter der einzige Verkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit war, rechtfertigen eine alleinige Kostenlast des Vaters. So entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |
Streit um Kosten
Die Beteiligten streiten über die Kosten eines Abstammungsverfahrens. Die Mutter des Kindes hatte angegeben, mit dem sog. Putativvater (also dem, der als möglicher Vater in Betracht kommt) in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehrs gehabt zu haben. Ein außergerichtlicher Vaterschaftstest hatte diesen als Vater festgestellt. Das Kind begehrte daraufhin, die Vaterschaft des Putativvaters gerichtlich festzustellen. Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens stellte das Amtsgericht (AG) die biologische Vaterschaft des Putativvaters fest und legte die Verfahrenskosten hälftig der Mutter und dem nun festgestellten Vater auf.
So sah es das Oberlandesgericht
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Mutter gegen die Auferlegung der Hälfte der Kosten. Dies hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das AG habe im Ergebnis zutreffend die Kosten nach billigem Ermessen zwischen der Kindesmutter und dem Kindesvater hälftig geteilt, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Bei einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren handele es sich nicht um ein echtes Streitverfahren. Neben dem Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens könnten deshalb weitere Umstände von Bedeutung sein. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten sei allerdings regelmäßig unbillig, da es selbst nicht zur Unsicherheit an der Vaterschaft beigetragen habe.
Hier sei es nicht angemessen, dem Vater die alleinigen Kosten aufzuerlegen. Er habe insbesondere nicht „grob schuldhaft“ das Verfahren veranlasst. Ihm sei es vielmehr nicht zumutbar gewesen, die Vaterschaft bereits außergerichtlich ohne gutachterliche Klärung der biologischen Abstammung durch Sachverständigengutachten anzuerkennen. Allein die Angabe der Mutter, sie habe in der Empfängniszeit nur mit dem Vater verkehrt, genüge zur Begründung eines groben Verschuldens nicht. Vielmehr habe der Vater berechtigte Zweifel ans einer Vaterschaft haben dürfen. Unwidersprochen habe er mit der Kindesmutter in der Empfängniszeit keine Beziehung geführt und auch nicht mit ihr zusammengelebt. Damit hätten ihm konkrete Einblicke in die Lebensverhältnisse der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit gefehlt. Für ihn habe damit auch keine Möglichkeit bestanden, abzuschätzen oder zu beurteilen, ob die Mutter des Kindes zu weiteren Männern eine intime Beziehung unterhalten habe.
Außergerichtlicher Vaterschaftstest schließt gerichtliche Überprüfung nicht aus
Auf den bereits außergerichtlich durchgeführten Vaterschaftstest habe er sich nicht verlassen müssen. Er könne vielmehr geltend machen, dass er angesichts der hohen rechtlichen Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Abstammungsgutachtens eine gerichtliche Überprüfung wünsche. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass „beide Eltern das Verfahren über eine Entscheidung über die Abstammung dadurch gleichermaßen veranlasst haben, dass sie innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben. Damit erscheint es in der Regel auch gerechtfertigt, die Kosten eines solchen Verfahrens gleichmäßig auf beide Eltern zu verteilen“, unterstrich das OLG.
Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 13.1.2025, 6 WF 155/24, PM 4/25
| Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung ist so zu verstehen, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, sofern diese nicht bereits von Dritten erbracht und dem Architekten zur Verfügung gestellt wurden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden. |
Ein Architekt war mündlich damit beauftragt worden, die Baugenehmigung für die Erweiterung eines Gasthofs einzuholen. Damit war klar, dass er die Leistungsphase 4 im Leistungsbild Gebäude und Innenräume sowie Tragwerksplanung erbringen musste. Da er vom Auftraggeber nur Bestandszeichnungen erhalten hatte, die nicht an eine Vor- oder Entwurfsplanung heranreichten, verlangte er auch das Honorar für diese notwendigen Leistungen. Der Auftraggeber weigerte sich. Er meinte, er habe nur die Genehmigungsplanung beauftragt.
Das OLG gab dem Architekten Recht und sprach ihm das Honorar für die Leistungsphasen 1 bis 4 zu. Es komme nicht auf die Regelungen der HOAI, sondern auf den Inhalt des konkreten Auftrags an. Nicht entscheidend sei, ob die Parteien einen schriftlichen oder mündlichen Vertrag geschlossen, sondern was sie tatsächlich vereinbart haben. Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung müsse dann so verstanden werden, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, da diese notwendige Voraussetzung für die Erstellung der Genehmigungsplanung ist. Etwas anderes gelte nur, wenn die vorangehenden Planungsleistungen bereits von Dritten erbracht wurden und dem Architekten zur Verfügung gestellt werden.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2022, 4 U 142/20
| Beauftragt ein Bauträger einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt vom Architekten nur die Überprüfung einzelner Maße, übernimmt der Bauträger das mit der begrenzten Überprüfung verbundene Risiko selbst. Er kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin als Bauträgerin machte gegen den beklagten Architekten im Wege einer Schadenersatzklage i. H. v. 100.000 Euro wegen mangelhafter Architektenleistungen bei der Planung einer Wohnungseigentumsanlage geltend. Die Klägerin ist der Auffassung, die die Pläne des Vermessungsingenieurs überarbeitende Wohnflächenberechnung des Beklagten für bestimmte Bestandsgebäude habe eine zu geringe Wohnfläche ausgewiesen. Der Beklagte habe zugesichert, dass die Abweichungen der Wohnflächen von den Bestandsplänen des Vermessers unter einem Prozent lägen, tatsächlich gebe es Abweichungen bis zu 8%. Zahlreiche Wohnungen seien daher mit zu geringer Flächenangabe verkauft worden und deshalb sei ein Mindererlös entstanden.
Der Beklagte bestreitet eine fehlerhafte Flächenermittlung, die sich ohnehin nur auf die örtliche Überprüfung der Maße aus den Bestandsplänen des Vermessers hinsichtlich der für die Werkplanung entscheidenden Stellen bezogen habe. Ein Auftrag zu einer kompletten Neuvermessung des Bestands sei gerade nicht erteilt worden.
Zudem meint die Klägerin, der Beklagte habe bei der Grundlagenermittlung übersehen, dass die Geschossdecken in einem Bestandsgebäude Betonhohlkörperdecken waren, die einen unerwartet hohen Sanierungsaufwand erforderten, und es versäumt, vor Baubeginn die Fundamente an der Seite zu einem anderen Grundstück zu überprüfen. Infolge dieser Planungsfehler hätten sich die Baukosten für das Bestandsgebäude deutlich erhöht. Die Umbaukosten beliefen sich somit auf mindestens 950.000 Euro. Ein vollständiger Abriss und Neubau hätte dagegen (nur) 752.499 Euro gekostet und wäre im Vergleich zu den tatsächlich entstandenen Kosten günstiger gewesen. Bei erzielbaren Verkaufserlösen abzüglich der Kosten für Abriss/Neubau hätte sich bei einem Neubau ein hoher sechsstelliger Überschuss ergeben. Der tatsächliche Überschuss durch den Umbau habe lediglich 107.000 Euro betragen.
Der Beklagte trägt hierzu vor, ihm sei vom Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt worden, dass es sich bei sämtlichen Bestandsdecken um Stahlbetonrippendecken handele. Eine Pflicht zur Überprüfung dieser Tatsache habe es nicht gegeben. Zudem habe sich die Klägerin in Kenntnis der Mehrkosten für eine Sanierung und gegen einen Abriss entschieden. Hinsichtlich des Fundaments sei die Klägerin bereits vor Beauftragung des Beklagten in Kenntnis gesetzt worden, dass dessen Tragfähigkeit ein Risiko darstelle. Sie habe dennoch entschieden, das Fundament erst im Zuge der Aushubarbeiten zu untersuchen, um Kosten einzusparen.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG stellte klar: Wie bei einem Bauvertrag kann auch zwischen einem Architekten und seinem Auftraggeber eine von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichende Ausführung vereinbart werden, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen.
Beauftragt eine Bauträgerin einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt sie vom Architekten, einzelne Maße zu überprüfen, übernimmt die Bauträgerin sehenden Auges das mit der begrenzten Überprüfung der Maße verbundene Risiko und kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Weist der Architekt seinen Auftraggeber darauf hin, dass die zu planende Wohnung ohne Sonnenschutz nicht funktioniert, muss der Auftraggeber erkennen, dass bei Umsetzung der Planung eine im Hinblick auf den Wärmeschutz nicht ausreichend funktionstüchtige Wohnung errichtet wird, und es bedarf keines weiteren Hinweises, dass dann (auch) die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten sind.
Macht der Auftraggeber eines Architekten geltend, dass er im Fall einer mangelfreien Beratung von der Sanierung eines Gebäudes abgesehen und einen profitableren Neubau errichtet hätte, schafft der Auftraggeber für eine Schadensschätzung bzw. Begutachtung nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn er nachvollziehbar darlegt, welches Gebäude mit welchen Eigenschaften er statt der Sanierung errichtet hätte.
Macht ein Auftraggeber geltend, bei einem mangelfreien Architektenwerk hätte er die zu errichtenden Wohnungen teurer verkaufen können, ist ein Schaden nur schlüssig dargelegt, wenn die Kalkulationsgrundlagen für den erzielten und den geltend gemachten Kaufpreis offengelegt werden und nachvollziehbar vorgetragen wird, dass ein höherer Kaufpreis am Markt hätte durchgesetzt werden können.
Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 17.12.2024, 10 U 38/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Aachen hat die Klage eines Realschullehrers auf Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Festsetzung von Erfahrungsstufen und mithin auf eine höhere Besoldung abgewiesen. |
Eine Tätigkeit als Anbieter von Cocktailkursen ist für die Tätigkeit als verbeamteter Lehrer nicht förderlich im besoldungsrechtlichen Sinne. Eine Tätigkeit ist allgemein förderlich, wenn sie für die Dienstausübung des Beamten nützlich bzw. von konkretem Interesse ist, d. h. wenn diese entweder erst aufgrund der früher gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht oder wenn sie jedenfalls erleichtert und verbessert wird.
Ausgehend hiervon kann die Tätigkeit als Betreiber einer Gesellschaft, die Cocktailkurse und Barcatering anbietet – auch wenn diese Tätigkeit über mehrere Jahre ausgeübt wurde – nicht als förderlich angesehen werden. Das Halten von Cocktailkursen ist weder qualitativ noch quantitativ mit der Tätigkeit eines Realschullehrers vergleichbar. So hat der Kläger im Rahmen seiner Cocktailschule insbesondere nicht mit Minderjährigen gearbeitet, sondern deren Angebot zielte auf die Schulung von Mitarbeitern aus dem Hotel-, Restaurant- und Cateringgewerbe. Auch sind die Anforderungen an die Erstellung eines Cocktailkurses nicht mit der Erstellung eines differenzierten Lehrplans für Schulunterricht in den Schulklassen 5 bis 10 vergleichbar.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 20.1.2025, 1 K 2377/23, PM vom 3.2.2025
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Ein Beschäftigungsverhältnis wird erst ab dem Beginn der Entgeltfortzahlung und nicht schon mit Abschluss des Arbeitsvertrags begründet. |
Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankgemeldet
Geklagt hatte ein 36-jähriger Arbeitsloser, dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld Ende Oktober 2023 auslief. Anfang Oktober unterschrieb der Mann einen Arbeitsvertrag als Lagerist bei einem Reinigungsunternehmen zu einem Monatslohn von 3.000 Euro brutto. Er trat die Arbeit jedoch nie an, da er sich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankmeldete. Zwei Wochen später kündigte die Firma innerhalb der Probezeit.
Krankenkasse zahlte kein Krankengeld
Die Krankenkasse des Mannes lehnte daraufhin die Zahlung von Krankengeld ab. Begründung: Es habe kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, da der Mann kein Einkommen erzielt habe.
Der Mann verklagte das Unternehmen und verlangte die Anmeldung zur Sozialversicherung ab dem Beginn des Arbeitsvertrags. Er vertrat dazu die Auffassung, dass bereits durch einen rechtsgültigen Vertrag, der eine Entgeltzahlung vorsehe, ein Beschäftigungsverhältnis zustande komme. Dies müsse auch gelten, wenn ihm der Arbeitsantritt krankheitsbedingt nicht möglich sei. Andernfalls würde er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit leer ausgehen.
Landessozialgericht gab Krankenkasse Recht
Das LSG vermochte sich der Rechtsauffassung des Klägers nicht anzuschließen. Der Arbeitgeber müsse ihn nicht zur Sozialversicherung anmelden, da ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht schon mit dem Beginn des Arbeitsvertrags entstanden sei. Erforderlich sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe. Dieser Anspruch entstehe jedoch bei neuen Arbeitsverhältnissen generell erst nach einer vierwöchigen Wartezeit.
Wartezeit war ohnehin nicht erfüllt
Diese gesetzliche Regelung solle verhindern, dass Arbeitgeber die Kosten der Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer tragen müssen, die direkt nach der Einstellung erkrankten. Der Gesetzgeber habe eine solche Konsequenz als unbillig angesehen.
Unabhängig davon müsse der Mann sich erst an seine Krankenkasse wenden, bevor er seinen Arbeitgeber verklage.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.1.2025, L16 KR 61/24
Verkehrsrecht
| Auch in einem Minijob gibt es bezahlten Urlaub. Doch in diesem Zusammenhang stellen sich viele Fragen: Wie viele freie Tage stehen einem Minijobber zu? Was gilt bei unregelmäßiger Arbeitszeit? Wie wirkt sich das Urlaubsgeld auf den Minijob aus? Diese und weitere Fragen hat die Minijob-Zentrale jüngst beantwortet. |
So erläutert die Minijob-Zentrale beispielsweise, dass der Lohn während des Urlaubs weitergezahlt werden muss (Urlaubsentgelt). Das ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt. Zusätzlich kann es Urlaubsgeld geben (als freiwillige Zahlung zum Urlaub).
Quelle | Minijob-Zentrale vom 11.6.2025 „Urlaub im Minijob: Ihre Fragen – Wir antworten!"
| Es gibt steuerliche Betriebsprüfungen, die bereits nach kurzer Zeit abgeschlossen sind. Andere Prüfungen hingegen ziehen sich über Monate oder sogar über Jahre hin. Um die Betriebsprüfung zu beschleunigen, wurden nun mehrere gesetzliche Änderungen vorgenommen. |
Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen
Verzögerungen bei einer Betriebsprüfung können mitunter auf eine unzureichende Mitwirkung des Steuerpflichtigen zurückzuführen sein. Um dem entgegenzuwirken, sieht der neue § 200 a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) das qualifizierte Mitwirkungsverlangen vor, das sich auf die Mitwirkungspflichten nach § 200 AO stützt. Danach hat der Steuerpflichtige u. a. Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben.
Ermessensentscheidung des Prüfers
Das (neue) qualifizierte Mitwirkungsverlangen stellt eine Ermessensentscheidung des Prüfers dar, die frühestens nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ergehen darf. Entscheidet sich der Prüfer für ein solches Mitwirkungsverlangen, ist es schriftlich oder elektronisch (versehen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung) zu erteilen.
Beachten Sie | Der Steuerpflichtige muss in diesem Fall schnell handeln. Denn das Mitwirkungsverlangen ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe zu erfüllen. Nur in begründeten Einzelfällen kann die Frist verlängert werden.
Neu: Mitwirkungsverzögerungsgeld
Problematisch wird das qualifizierte Mitwirkungsverlangen für den Steuerpflichtigen, wenn es nicht oder nicht hinreichend innerhalb der Frist erfüllt wird. Denn in diesen Fällen wird das neu eingeführte Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt (§ 200 a Abs. 2 AO). Ausnahme: Die Mitwirkungsverzögerung erscheint entschuldbar, beispielsweise bei einer stark beeinträchtigenden Erkrankung.
Beachten Sie | Das Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung (also für jeden vollen Tag nach Verstreichen der im Mitwirkungsverlangen gesetzten Frist) 75 Euro. Gerechnet werden die Tage bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Mitwirkungsverlangen erfüllt wird – spätestens bis zum Tag der Schlussbesprechung. Denn nach der Schlussbesprechung gibt es keinen Bedarf mehr, eine Mitwirkung sicherzustellen.
Allerdings dürfen maximal 150 Tage zugrunde gelegt werden, sodass das Mitwirkungsverzögerungsgeld maximal 11.250 Euro betragen kann (150 Tage × 75 Euro).
Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld
Nicht immer bleibt es bei dem Mitwirkungsverzögerungsgeld. Denn es steht im Ermessen des Prüfers, nach § 200 a Abs. 3 AO zusätzlich einen Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzen. Voraussetzung ist, dass
- gegen den Steuerpflichtigen in den letzten fünf Jahren ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wurde und zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt oder
- wegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt. Davon ist auszugehen, wenn die Umsatzerlöse in einem der von der Prüfung umfassten Jahre mindestens 12 Mio. Euro betragen oder sich die konsolidierten Umsatzerlöse bei Konzernen auf mindestens 120 Mio. Euro belaufen.
Entscheidet sich der Prüfer für den Zuschlag, steht auch die Höhe in seinem Ermessen. Dabei darf der Zuschlag höchstens 25.000 Euro für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung betragen – ebenfalls für maximal 150 Tage (maximal somit 3,75 Mio. Euro).
Teilabschlussbescheid und Inkrafttreten
Um die Betriebsprüfungen zu beschleunigen, wurde auch der neue Teilabschlussbescheid eingeführt. Denn oft scheitert der zeitnahe Abschluss an einem einzelnen Sachverhalt, der nur durch intensiven Arbeitseinsatz aufgeklärt werden kann. Das Problem: So entsteht keine Rechtssicherheit bezüglich weiterer geprüfter Sachverhalte.
Durch den neuen § 202 Abs. 3 AO hat der Prüfer die Möglichkeit, bereits vor Abschluss der Prüfung einen Teilprüfungsbericht zu übermitteln und im Anschluss einen Teilabschlussbescheid zu erlassen. Hierdurch lassen sich einzelne im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte und abgrenzbare Feststellungen vor dem abschließenden Prüfungsbericht gesondert feststellen. Kann der Steuerpflichtige ein erhebliches Interesse an einem Teilabschlussbescheid glaubhaft machen, soll dieser auf Antrag ergehen.
Beachten Sie | Die Neuerungen gelten erst für Steuern und Steuervergütungen, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Sie sind aber auch für Steuern und Steuervergütungen anzuwenden, die vor dem 1.1.2025 entstehen, wenn für diese Steuern und Steuervergütungen nach dem 31.12.2024 eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde.
Quelle | Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie, BGBl I 2022, S. 2730
| Verlängert sich die dem Verbraucher gesetzlich eingeräumte 14-tägige Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge, wenn der Verkäufer in seiner Widerrufsbelehrung seine Telefonnummer nicht angibt? Diese Frage hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden. |
Kauf im Online-Shop über 62.000 Euro
Der Kläger hatte am 4.5.2022 über den Onlineshop der Beklagten ein Elektrofahrzeug zum Preis von rund 62.000 Euro erworben. Die Auslieferung des Fahrzeugs erfolgte am 20.12.2022. Am 14.8.2023 erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrags. Zu spät, entschied nun auch das OLG in zweiter Instanz und wies damit die Berufung des Klägers zurück.
Rechtlicher Hintergrund
Verbrauchern steht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: §§ 312 g Abs. 1, 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, im Normalfall beginnend ab Erhalt der Ware. Wird der Verbraucher jedoch nicht korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB). Die Informationspflichten des Unternehmers ergeben sich aus dem Einführungsgesetz zum BGB (hier: Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB). Der Unternehmer kann die Informationspflichten auch durch die Verwendung einer Musterwiderrufsbelehrung erfüllen, die sich in der Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB befindet.
Fehlende Telefonnummer ohne Auswirkungen
Hier hatte die Autohändlerin in ihrer selbst formulierten Widerrufsbelehrung, die sie dem Kläger übermittelte, keine Telefonnummer angegeben. Diese war jedoch auf der Internetseite der Beklagten zu finden. Das OLG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist geführt hat.
Widerruf eines Autokaufs wahrscheinlich eher schriftlich als per Telefon
Es entschied, dass die Widerrufsbelehrung auch ohne Angabe einer Telefonnummer den gesetzlichen Anforderungen genügt und sich die Widerrufsfrist daher nicht verlängert. Die Nichtangabe der Telefonnummer begründe bei einem Autokauf, der von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sei, nicht die Gefahr, dass der Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werde.
Ein typischer Kunde würde allein aus Beweiszwecken bei den hohen Summen eines Elektroautokaufs den Widerruf vernünftigerweise auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. per E-Mail) übermitteln.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 7.11.2024, 14 U 95/24, PM 8/25
| Hat sich der Übergeber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anlässlich der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ein Wohnungsrecht an einer Wohnung des übergebenen Vermögens vorbehalten, ist ein Sonderausgabenabzug des Mietwerts nach Meinung der Finanzverwaltung ausgeschlossen. Dieser Ansicht hat aber nun das Finanzgericht (FG) Nürnberg widersprochen. |
Hintergrund: Wird ein Betrieb gegen Versorgungsleistungen auf nahe Angehörige übertragen, kann der Betriebsübernehmer die Versorgungsleistungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 a Nr. 2 EStG) als Sonderausgaben abziehen, die der Empfänger versteuern muss (nach § 22 Nr. 1a EStG).
Das war geschehen
Anlässlich einer Hofübergabe wurde dem Übergeber ein Altenteil in Form eines vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts, Taschengelds und der Mitbenutzung von Gegenständen eingeräumt. Den vom Vermögensübernehmer als Sonderausgaben geltend gemachten Nutzungswert der Altenteilerwohnung erkannte das Finanzamt allerdings nicht an, da nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2010 nur die mit der Nutzungsüberlassung tatsächlich zusammenhängenden Aufwendungen (wie Strom, Heizung, Wasser und Instandhaltungskosten), nicht jedoch der Nutzungswert der Altenteilerwohnung berücksichtigt werden können.
Finanzgericht gibt Kläger Recht, Revision ist eingelegt
Die hiergegen eingelegte Klage war vor dem FG Nürnberg erfolgreich. Nach Auffassung des FG kann der Fall, dass der Versorgungsberechtigte mit dem ihm gewährten (höheren) Barunterhalt selbst eine Wohnung mietet, für den Bereich des Sonderausgabenabzugs nicht anders behandelt werden als der Fall, in dem sich die Versorgungsleistung aus (niedrigerem) Barunterhalt und unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zusammensetzt.
Da die Revision anhängig ist, muss nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden.
Quelle | FG Nürnberg, Urteil vom 6.2.2025, 4 K 1279/23, Rev. BFH: X R 5/25, BMF-Schreiben vom 11.3.2010, IV C 3 - S 2221/09/10004, Rz. 46
| Der Bundesfinanzhof (BFHZ) hat jüngst entschieden, dass die Erteilung von Reitunterricht nicht von der Umsatzsteuer befreit ist, es sei denn, der Unterricht dient der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung. |
Das war geschehen
Im Streitfall begehrte der Kläger die Steuerbefreiung verschiedener Reitkurse für Kinder und Jugendliche auf seinem Reiterhof in den Jahren 2007 bis 2011. In der „Ponygruppe“ wurden Kinder und Jugendliche und bei „Klassenfahrten“ wurden Schulklassen im Umgang mit Pferden unterrichtet.
Zudem wurden Kurse für eine „Große Pferdegruppe“ angeboten, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen gerichtet waren. Die unterrichteten Kinder und Jugendlichen wurden darüber hinaus verpflegt und übernachteten teilweise auch auf dem Reiterhof.
Uneinigkeit der gerichtlichen Instanzen
Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, dass sämtliche Leistungen steuerpflichtig seien. Das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein sah das aber größtenteils anders. So seien die Umsätze insoweit steuerfrei, als sie auf die Beherbergung und Verpflegung sowie auf den Teil des Reitunterrichts entfielen, mit dem die formalen Voraussetzungen dafür erlangt werden können, später den Beruf des Turniersportreiters auszuüben („Große Pferdegruppe“).
Der Meinung des Finanzgerichts hat sich der BFH aber nicht vollumfänglich angeschlossen.
Der BFH stellte klar, dass es sich bei der Beherbergung und Verpflegung von Kindern und Jugendlichen um selbstständige steuerbare Leistungen neben dem Reitunterricht handelt. Er hob weiter hervor, dass Reitunterricht (als spezialisierter Unterricht) kein „Schul- und Hochschulunterricht“ ist.
Beachten Sie | Entsprechendes ist bereits für Segel-, Fahr-, Schwimm-, Jagd- und Tanzschulen entschieden worden.
Anerkennung als Ausbildung an strenge Voraussetzungen geknüft
Die Einstufung von Reitunterricht als „Ausbildung“ oder „Fortbildung“ kommt nach Auffassung des BFH nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Reitunterricht, der typischerweise der Freizeitgestaltung dient, ist in der Regel keine Ausbildung oder Fortbildung, da er nicht auf einen bestimmten Beruf vorbereitet. Die Kurse der „Ponygruppe“ und für Schulklassen im Rahmen der „Klassenfahrten“ sind daher umsatzsteuerpflichtig.
Beachten Sie | Die Ansicht des BFH dürfte insoweit strenger sein als die Auffassung der Finanzverwaltung zu Ballett-, Tanz- oder Musikunterricht.
Spätere Turniersportreiter: umsatzsteuerfreie Kurse
Bei den Kursen der „Großen Pferdegruppe“ lagen hingegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme vor, da zahlreiche Teilnehmer später Turniersportreiter wurden. Diese Kurse sind folglich umsatzsteuerfrei.
Hinsichtlich der Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für die Kinder und Jugendlichen führte der BFH aus, dass die hierfür seinerzeit geltende Steuerbefreiung nur in Betracht kommt, wenn eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter vorliegt. Bereits hieran fehlte es aber im Streitfall. Denn der Kläger konnte eine solche Anerkennung nicht vorweisen.
Beachten Sie | Seit dem 1.1.2020 können nur noch die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben insoweit umsatzsteuerbefreit sein, was der Kläger aber nicht ist.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 9/22, PM 35/25 vom 30.5.2025
| Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen und übernimmt der neue Eigentümer die auf dem Grundstück lastenden Schulden, liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund : Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Spekulationsbesteuerung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 23 EStG).
Beachten Sie | Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die
- im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
Das war geschehen
Der Vater hatte im Jahr 2014 ein Grundstück für 143.950 Euro erworben und teilweise fremdfinanziert. 2019 übertrug er das Grundstück auf seine Tochter. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Grundstück einen Wert von 210.000 Euro. Die Tochter übernahm die am Übertragungstag bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 115.000 Euro.
Finanzamt: Aufteilung in entgeltlich und unentgeltlich
Das Finanzamt teilte den Vorgang (ausgehend vom Verkehrswert im Zeitpunkt der Übertragung) in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichenTeil auf. Soweit das Grundstück unter Übernahme der Verbindlichkeiten entgeltlich übertragen worden war, besteuerte das Finanzamt den Vorgang als privates Veräußerungsgeschäft.
Hiergegen klagte der Vater vor dem Finanzgericht (FG) Niedersachsen und bekam Recht. Die Begründung: Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten sind keine Veräußerungen (im Sinne des § 23 EStG).
Höchste Instanz bestätigt Vorgehen des Finanzamts
Doch die Freude währte nicht lange, denn der BFH schloss sich der Ansicht des Finanzamts an.
- Wird ein Wirtschaftsgut übertragen und werden damit zusammenhängende Verbindlichkeiten übernommen, liegt regelmäßig ein teilentgeltlicher Vorgang vor. In diesem Fall erfolgt eine Aufteilung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichenTeil.
- Wird das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen, unterfällt der Vorgang hinsichtlich des entgeltlichen Teils als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensteuer.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.3.2025, IX R 17/24, PM 37/25 vom 30.5.2025
| Frauen muslimischen Glaubens haben keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kfz mit einem Gesichtsschleier (Niqab). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin bestätigt. |
Antrag auf Ausnahmegenehmigung
Die Klägerin hatte ihren Antrag auf Ausnahmegenehmigung damit begründet, dass sie sich gemäß ihrem Glauben außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Da sie im Auto den Blicken fremder Menschen ausgesetzt sei, müsse es ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Das VG hatte die Klage abgewiesen.
Berufung nicht zugelassen
Das OVG hat den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Mit ihren Einwendungen hat die Klägerin es nicht vermocht, ernstliche Richtigkeitszweifel an der Entscheidung des VG zu wecken oder Verfahrensfehler offenzulegen.
Keine wesentliche Einschränkung der Religionsfreiheit
Die Annahme des VG, dass das Tragen einer Gesichtsverschleierung während des Autofahrens für die Religionsausübung typischerweise keine wesentliche Einschränkung bedeutet und angesichts der zeitlich und örtlich eingeschränkten Wirkung des Verbots hinzunehmen ist, konnte sie nicht durchgreifend in Frage stellen.
Dasselbe gilt für die Annahme des VG, dass das der zuständigen Behörde bei der Frage der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt wurde, weil der Eingriff zur Sicherstellung der effektiven automatisierten Verkehrsüberwachung gerechtfertigt ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Quelle | OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.4.2025, OVG 1 N 17/25 , PM 11/25
| Wer seine SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergibt, hat keinen Anspruch auf Rückzahlung abgebuchter Kreditkartenbeträge. So entschied es das Amtsgericht (AG) München. |
Das war geschehen
Der Ehemann der Klägerin wollte am Samstag, den 6.1.2024, für seine Ehefrau und sich eine Reise im Internet buchen. Hierzu gab er auf der Website „Check24“ die Daten der Kreditkarte seiner Ehefrau ein. Kurz darauf erschien eine Mitteilung, dass ein Betrag in Höhe von 318,99 Euro vorgemerkt sei, ehe weitere Mitteilungen über vergleichbare Vormerkungen erschienen. Die Klägerin veranlasste noch am selben Abend telefonisch die Sperrung der Kreditkarte. Am Montag, den 8.1.2024 sind sechs unberechtigte Abbuchungen zu je 318,99 Euro für Giftcards vom Konto der Klägerin erfolgt, insgesamt 1.953,29 Euro.
Zur Autorisierung der Transaktionen fand das Mastercard 3D-Secure-Verfahren Anwendung. Zur Aktivierung dieses Verfahrens auf einem weiteren Gerät übersandte die beklagte Bank am 6.1.2024 eine SMS-TAN an die von der Klägerin bei der Beklagten hinterlegte Mobilfunknummer. Die an die Klägerin versandte SMS-TAN wurde dann auf dem weiteren mobilen Endgerät, auf dem auch die Banking-App freigeschaltet wurde, am 6.1.2024 eingegeben und damit das Secure-Verfahren aktiviert.
Die Klägerin behauptete, dass sie diese Abbuchungen nicht autorisiert habe. Bei der Buchung sei sie nicht nach PIN oder Passwort gefragt worden, sie habe auch nirgendwo eine SMS-Tan eingegeben. Es sei nicht erkannt worden, dass es sich möglicherweise um eine „Fake“-Website handelte.
Die beklagte Bank ging davon aus, dass die Frau die SMS-Tan an einen Dritten weitergegeben haben muss, da eine Freigabe der Buchungen anders technisch nicht möglich gewesen sei und verweigerte die Zahlung. Die Klägerin verklagte die Bank daher vor dem AG auf Rückzahlung der 1.953,29 Euro.
So sah das Amtsgericht den Sachverhalt
Das AG wies die Klage ab. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Abbuchungen nicht von der Klägerin autorisiert waren, sondern von Dritten getätigt wurden. Aufgrund der Beweisaufnahme war das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin die SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergegeben haben muss, weshalb ein Schadenersatzanspruch der Bank gegen die Klägerin in gleicher Höhe bestehe, mit dem die Bank aufgerechnet habe.
Das AG: Der Vortrag der Bank, dass diese in ihren Systemen feststellen konnte, dass das Mastercard 3D-Secure Verfahren per Banking App für die Kreditkarte der Klägerin am 6.1.2024 um 13:30 Uhr aktiviert wurde, und zur Aktivierung dieses Verfahrens auf dem neuen Gerät eine SMS-TAN an die im Vertrag hinterlegte Mobilfunknummer der Klägerin versandt wurde, wurde durch Inaugenscheinnahme des Mobiltelefons der Klägerin bestätigt. Dort befindet sich eine SMS vom 6.1.2024 13:29 Uhr mit dem Inhalt: „ … ist Ihre TAN für die Aktivierung von Mastercard Identity Check vom 6.1.2024 13:44 Uhr.“ Der Eingang der SMS um 13:29 Uhr war im eingesehenen Nachrichtenverlauf um 13:29 Uhr dokumentiert und wird auch durch das vorgelegte IT-Protokoll belegt. Der Vortrag der Klägerin, keine SMS-TAN erhalten zu haben und dass ihr Mobiltelefon nicht in die Freigabe involviert war, erwies sich damit als widerlegt.
SMS-Tan war unzweifelhaft eingegeben worden
Die Bank hat unbestritten vorgetragen, dass aufgrund der manuellen Eingabe einer an die Mobilfunknummer der Klägerin versandten SMS-Tan ein Fremdzugriff technisch ausgeschlossen ist. Es wurde ein neues Gerät im Online-Banking der Klägerin als Freigabeinstrument im Rahmen des 2-Faktor-Authentifizierungsverfahrens hinterlegt. Hierzu war – technisch zwingend – die Eingabe der SMS-Tan erforderlich. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Klägerin durch Preisgabe der SMS-Tan Dritten eine Registrierung eines Geräts ermöglicht hat, wobei die Preisgabe persönlicher Sicherheitsmerkmale an Dritte gemäß den vertraglichen Bestimmungen untersagt war.
Verhalten der Klägerin war grob fahrlässig
Das Verhalten der Klägerin bewertet das Gericht als grob fahrlässig. Es ist eine Sache, wenn man seine Kreditkartendaten offenbart. Diese werden bei jeder Verwendung offenbart und können auch von der Karte abgelesen werden.
Die Weitergabe eines im Rahmen einer Zwei-Faktor-Autorisierung erhaltenden Zugangscodes kann nicht damit gleichgesetzt werden. Mit dieser Weitergabe hilft der Nutzer, die Sicherheitsarchitektur grundlegend auszuhebeln. Es muss jedem verständigen Nutzer solcher Kreditkarten klar sein, welches Risiko er mit der Weitergabe derartiger Daten schafft. Die Klägerin mag dies nicht bewusst getan haben und es mag auch nicht erinnerlich sein. Indessen lässt sich der Vorgang plausibel nicht anders erklären.
Quelle | AG München, Urteil vom 8.1.2025, 271 C 16677/24, PM 14/25
| Nach den Vorgaben des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes (FKAustG) werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates automatisch ausgetauscht. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun die Staatenaustauschliste 2025 bekanntgegeben. Enthalten sind die Staaten, mit denen der automatische Datenaustausch zum 30.9.2025 erfolgt. Weitere Informationen zum Informationsaustausch erhalten Sie u. a. auf der Website des Bundeszentralamts für Steuern (abrufbar unter www.iww.de/s2991). |
Quelle | BMF-Schreiben vom 3.6.2025, IV D 3 - S1315/00304/070/025
| Die Vermietung von Zimmerkontingenten an eine Kommune zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter überschreitet nicht den Nutzungszweck eines zum Hotelbetrieb gepachteten Gebäudes. Dies gilt jedenfalls, solange hiermit keine übermäßige Abnutzung oder sonstige Beeinträchtigung für den Verpächter verbunden ist, die über die übliche Nutzung durch Hotelgäste hinausgeht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die auf Räumung und Herausgabe des Hotels gerichtete Klage der Verpächterin abgewiesen. |
War die Unterbringung Geflüchteter vertragswidrig?
Die Klägerin schloss 2016 mit der Beklagten einen Vertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb des „Hotel F.“ in Gießen. Die Sache durfte vertraglich nur zum vereinbarten Nutzungszweck gebraucht werden. Seit Herbst 2022 buchte das Jugendamt der Stadt Gießen regelmäßig Zimmer für in seiner Obhut stehende Jugendliche. Nach Abmahnung kündigte die Klägerin 2023 fristlos. Sie hält die Unterbringung unbegleiteter Jugendlicher für vertragswidrig. Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt.
In der Berufung wies das OLG die Klage ab. Der Vertrag zwischen den Parteien sei nicht wirksam fristlos gekündigt worden. Die Beklagte habe nicht die Rechte der Klägerin durch eine unbefugte Überlassung an Dritte in erheblichem Maße verletzt. Dem Betrieb eines Hotels sei es immanent, dass es zu Beherbungsverträgen mit Dritten komme. Davon umfasst sei auch, dass bei der Buchung von Zimmerkontingenten durch Firmen o. Ä. ein ganzes Hotel faktisch durch denselben Mieter belegt werde. Der Abschluss von zeitlich begrenzten und auf bestimmte Zimmer bezogenen Beherbungsverträgen mit der Stadt Gießen sei folglich nicht unbefugt gewesen. Die Grenze zur unzulässigen Gebrauchsüberlassung wäre nur überschritten, wenn die Stadt das gesamte Gebäude übernommen und zu einem Flüchtlingsheim umgebaut hätte.
Keine Gefährdung der Mietsache, keine Pflichtverletzung
Eine zur Kündigung berechtigende Gefährdung der Mietsache durch unbegleitete minderjährige Geflüchtete sei nicht erkennbar. Es liege keine Pflichtverletzung wegen Überschreitung des Vertragszwecks vor, die zur Kündigung berechtigte. Die zeitweilige Vermietung zum o. g. Zweck überschreite nicht den Vertragszweck. Die vertraglich vereinbarte Nutzungsart als Hotel sei durch das Angebot von individueller Unterkunft, Service, Verpflegung und Nebenleistungen gekennzeichnet. Aufenthaltsdauer, -zweck und Motive für die Anmietung der Zimmer stellten keine entscheidenden Kriterien für die Bewertung als Hotelbetrieb dar. Es bestehe kein Anspruch darauf, „dass die Vermietung nur an einen bestimmten Personenkreis erfolgen darf, solange keine Beeinträchtigungen der Räumlichkeiten vorliegen bzw. zu befürchten sind“, unterstrich das OLG und es sei auch nicht vorgetragen, dass „Geflüchtete die Zimmer intensiver und nachlässiger nutzten als dies bei einer „normalen“ Vermietung an Hotelgäste der Fall wäre“.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.2.2025, 2 U 63/24, PM 21/25
| Das Landgericht (LG) Hanau hat entschieden: Die Anforderung von Belegkopien der Betriebskostenabrechnung ist kein wirksames Einsichtnahmeersuchen, wenn die Einsicht beim Vermieter zumutbar ist. Hierfür kommt es auf die Entfernung zur Mietwohnung an und nicht auf den Ort, an den der Mieter nach Mietende verzogen ist. |
Muss Mieter Belege einsehen oder muss Vermieter sie zuschicken?
Nach Mietvertragsende verlangte der Mieter die geleistete Kaution zurück. Die dann noch erstellte Betriebskostenabrechnung wies eine Nachforderung auf, die der Vermieter mit der Kaution verrechnete. Der inzwischen über 120 km weit weggezogene Mieter widersprach der Abrechnung, forderte die Übersendung von Belegkopien, um die Abrechnung zu prüfen, und klagte auf Rückzahlung der gesamten Kaution. Er bringt vor, keine Kopien erhalten zu haben, zumal der Vermieter für eine Einsichtnahme bei diesem nun zu weit entfernt sei.
So sahen es die Gerichte
Das Amtsgericht (AG) hat die Klage in Höhe der verrechneten Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das LG entschied, dass die Einwände gegen die Abrechnung zu unkonkret waren, weil der Mieter die Belege nicht geprüft hat. Der Vermieter habe die Belegeinsicht auch nicht verweigert, weil der Mieter unzulässigerweise die Übersendung von Kopien verlangte. Da die Belegprüfung grundsätzlich beim Vermieter erfolgen muss, lag schon kein wirksames Einsichtnahmeersuchen vor.
Kein Ausnahmefall
Der Mieter könne auch nicht ausnahmsweise die Zusendung von Kopien fordern. Das sei zwar möglich, wenn der Vermieter zu weit entfernt ansässig ist. Hierfür komme es jedoch auf die Entfernung der Mietsache zu diesem an, wobei eine Anreise von Hanau nach Frankfurt zumutbar sei. Dass der Mieter nun über 120 km entfernt wohnt, liege hingegen in seinem Risikobereich und führe nicht zu einem Recht auf Übersendung von Kopien.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | LG Hanau, Beschluss vom 24.3.2025, 2 S 43/24, PM vom 8.5.2025
| Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg bestätigte die Vorinstanz: Der kulturelle und familiäre Wert einer Sammlung aus Gemälden und historischen Gegenständen ist höher zu setzen als das Interesse einzelner Familienmitglieder an der Verwertung der Gegenstände. Letzteres hatte ein Teil der Familie aufgrund interner Differenzen verlangt. |
Das war geschehen
Die Nachfahren einer Nürnberger Patrizierfamilie stritten in einem Zivilprozess um den Erhalt ihrer Familiensammlung – einer Sammlung von Gemälden und historischen Gegenständen, die über Jahrzehnte als ungeteiltes Familienvermögen innerhalb der Familie über die Erbfolge weitergegeben wurde. Ein Teil der Familie begehrte den Pfandverkauf der historischen Sammlungsgegenstände, die teils in privater Nutzung sind, teils im Germanischen Nationalmuseum verwahrt werden, um die Erben- und Bruchteilsgemeinschaft auseinanderzusetzen. Die beklagten Familienmitglieder widersetzten sich dem und beriefen sich auf ein in einem Familienvertrag aus dem Jahr 1936 festgelegtes immerwährendes Teilungsverbot für das verfahrensgegenständliche Familienvermögen. Die Kläger verwiesen auf eine spätere Aufhebung sowie Nichtigkeit dieses Familienvertrags, denn dessen Regelungen sahen unter anderem die Weitergabe der Familiensammlung nur an männliche Nachkommen vor.
So sah es die erste Instanz
Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth hatte in erster Instanz die Klage abgewiesen. Es sah die Aufhebung des Familienvertrags nicht durch die vorhandenen Protokolle der Familienversammlungen belegt und erachtete das von der Familie im Jahr 1936 in Bezug auf die Familiensammlung vereinbarte dauerhafte Teilungsverbot als wirksam und fortbestehend an. Die Klagepartei habe auch keine Umstände vorgebracht, die als wichtiger Grund eine Aufhebung der Gemeinschaft rechtfertigen könne. Die im Verfahren vorgetragenen innerfamiliären Differenzen reichten hierfür nicht aus.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Hiergegen legte ein Familienmitglied der unterlegenen Klageseite Berufung zum OLG ein. Dieses hat das Ersturteil bestätigt und die zur Begründung des Aufhebungsanspruchs vorgebrachten Gründe und Einwendungen der Berufung für nicht durchgreifend erachtet. Wie das Erstgericht bewerte der Senat die erbrechtliche Regelung im Familienvertrag zum Ausschluss der weiblichen Nachkommen als nichtig, was aber die Wirksamkeit des dauerhaften Teilungsverbots nicht berühre. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kam das OLG zu dem Ergebnis, dass das beklagtenseits eingewandte familiäre als auch öffentliche Interesse am Erhalt der Gesamtheit der Sammlung als Kulturgut dem klägerischen Interesse an einer Aufhebung der Gemeinschaft und an einer damit verbundenen Zerschlagung der Sammlung überwiege.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 28.2.2025, 1 U 2451/23 Erb, PM 12/25
| Bauarbeiter, die auf Baustellen einfache Arbeiten verrichten, einen festen Stundenlohn erhalten und am Markt nicht erkennbar unternehmerisch auftreten, sind regelmäßig abhängig Beschäftigte, für die die Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen. Dies entschied in drei Urteilen das Hessische Landessozialgericht (LSG). |
Baufirmen müssenSozialversicherungsbeiträge nachzahlen
Die Deutsche Rentenversicherung entschied in mehreren Fällen, dass Bauarbeiter abhängig beschäftigt sind. In zwei Fällen forderte sie nach entsprechenden Betriebsprüfungen von den im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge in fünfstelliger Höhe. In einem weiteren Verfahren hatte sie zunächst über den Antrag auf Statusfeststellung zu entscheiden.
Weder schriftliche Verträge noch eigene Werkzeuge
In diesen Fällen hatten angeblich selbstständige Werkunternehmer auf Baustellen der jeweils klagenden Baufirma gearbeitet. Bei diesen Bauarbeitern handelte es sich um ausländische Staatsangehörige mit allenfalls geringen Deutschkenntnissen. Sie erledigten Abbrucharbeiten, Maurertätigkeiten und Pflasterarbeiten, sanierten Bäder oder arbeiteten im Trockenbau. Schriftliche Verträge oder Auftragsbestätigungen gab es nicht. Die Abrechnungen erfolgten auf Basis der aufgeschriebenen Stunden bei einem Stundenlohn zwischen 10 und 15 Euro. Die Materialien und Werkzeuge wurden bis auf Kleinwerkzeuge von den jeweiligen Baufirmen gestellt.
Scheinselbstständige statt Werkunternehmer
Das LSG folgte der Einschätzung der Rentenversicherung. In allen drei Verfahren liege Scheinselbständigkeit vor.
Bei einfachen, typischen Arbeitnehmerverrichtungen, die der Beschäftigte im Wesentlichen ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübe, spreche die Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis. Die betroffenen Bauarbeiter seien jeweils in den Betrieb der klagenden Baufirma eingegliedert gewesen und hätten einfache Bauarbeiten getätigt, wie sie typischerweise abhängig Beschäftigte verrichteten.
Kein unternehmerisches Auftreten
Werkvertragstypische Vereinbarungen einer unternehmerischen Leistung hätten nicht festgestellt werden können. Zudem seien die angeblichen „Werkunternehmer“ schon aufgrund ihrer geringen Deutschkenntnisse zu einem unternehmerischen Auftreten am Markt nicht in der Lage gewesen.
Zwischen den Baufirmen und den Bauarbeitern getroffene Vereinbarungen über eine (angeblich) selbstständige Tätigkeit seien nicht relevant und könnten die gesetzlich angeordnete Sozialversicherungspflicht nicht ausschließen.
Quelle | Hessisches LSG, Urteil vom 3.4.2025, L 8 BA 4/22, L 8 BA 62/22 und L 8 BA 64/21, PM vom 3.4.2025
| Wandhängende WCs und Handtuchheizkörper in Standardausführung sowie Balkone in der Größe von vier qm sind in Milieuschutzgebieten genehmigungsfähig, weil sie der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dienen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden. |
Bauliche Änderungen nicht ohne Genehmigung
Die Klägerinnen sind jeweils Eigentümerinnen von Wohngebäuden in Milieuschutzgebieten in Berlin-Mitte. Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen soziale Erhaltungsverordnungen (umgangssprachlich Milieuschutzverordnungen) gelten. Sie sollen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im jeweiligen Gebiet schützen. Bauliche Änderungen bedürfen in Milieuschutzgebieten grundsätzlich einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Den Erlass von Milieuschutzverordnungen erlaubt ein Bundesgesetz, nämlich das Baugesetzbuch. In Berlin sind dafür die Bezirke zuständig. Aktuell gelten in Berlin über 40 Milieuschutzverordnungen.
Eine Klägerin möchte im Badezimmer einer Wohnung ein Stand-WC durch ein wandhängendes WC ersetzen sowie einen Handtuchheizkörper einbauen. Eine weitere Klägerin begehrt den Anbau von dreizehn Balkonen in der Größe von jeweils vier qm an die Wohnungen ihres Mehrfamilienhauses. Die Maßnahmen stellen nach Ansicht der Klägerinnen einen zeitgemäßen Ausstattungszustand ihrer Wohnungen dar. Das Bezirksamt versagte den Klägerinnen die erhaltungsrechtlichen Genehmigungen. Die Vorhaben gingen über einen zeitgemäßen Ausstattungszustand hinaus und seien als wohnwerterhöhende bauliche Änderungen im Milieuschutzgebiet nicht zulässig.
Genehmigungen sind zu erteilen
Das VG gab den dagegen erhobenen Klagen statt und verpflichtete das Bezirksamt, die Genehmigungen zu erteilen. Der Gesetzgeber habe im Baugesetzbuch geregelt, dass eine erhaltungsrechtliche Genehmigung zu erteilen sei, wenn die bauliche Maßnahme der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen diene.
Mittlerer Standard nicht wohnwerterhöhend
Der Gesetzgeber habe den Genehmigungsanspruch auch nicht auf bauliche Maßnahmen beschränkt, die der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dienten. Vielmehr habe er zugelassen, dass darüber hinaus auch in Milieuschutzgebieten eine behutsame Anhebung des Ausstattungszustands auf den Standard mittlerer Wohnverhältnisse erfolgen könne. Daran sei ein bundeseinheitlicher Maßstab anzulegen. Bei wandhängenden WCs und Handtuchheizkörpern in einer Standardausführung sowie bei vier qm großen Balkonen werde dieser Standard nicht überschritten. Dafür sprächen unter anderem die Verbreitung dieser Ausstattungsmerkmale bundesweit sowie der Umstand, dass die Mietspiegel der größeren deutschen Städte sie überwiegend nicht als wohnwerterhöhend einstuften.
Quelle | VG Berlin, Urteile vom 2.4.2025, VG 19 K 17/22 und VG 19 K 351/23, PM 24/25
| Trotz erfolgreich absolviertem ersten juristischen Staatsexamen hat ein Antragsteller, der erwiesenermaßen die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft, keinen Anspruch darauf, den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) zu durchlaufen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz. |
Fehlende Verfassungstreue
Der Antragsteller wollte nach erfolgreichem Jurastudium als Rechtsreferendar in den juristischen Vorbereitungsdienst eintreten. Dies lehnte das Oberlandesgericht (OLG) wegen fehlender Verfassungstreue des Antragstellers ab. Dieser suchte daraufhin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um gerichtlichen Rechtsschutz mit dem Ziel nach, ihn im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses einzustellen.
Eindeutige Publikationen
Der Antrag blieb ohne Erfolg. Dem Antragsteller, so das VG, fehle der notwendige sog. Anordnungsanspruch. Aus den einschlägigen Vorschriften des Landesgesetzes über die juristische Ausbildung sowie des Landesbeamtengesetzes folge, dass die juristische Ausbildung am Leitbild einer dem Rechtsstaat verpflichteten Person zu orientieren sei. Rechtsreferendare müssten sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Der Antragsteller werde dem nicht gerecht, wie von ihm verfasste und publizierte Texte belegten.
In einem von ihm geschriebenen Roman würden beispielsweise schwarze Menschen durch die Verwendung menschenverachtender Bezeichnungen pauschal herabgewürdigt. Es werde hierin behauptet, ein – namentlich genannter – österreichischer Fußballspieler, der dunkelhäutig sei, könne kein Deutscher oder Österreicher sein. In einem anderen Text attestierte er dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Demontage des Volksbegriffs. Der von dem Antragsteller vertretene Volksbegriff mit der Forderung nach einer „positiven Erneuerung Deutschlands“ könne nur als Forderung nach einer Umkehrung eines vermeintlichen „Bevölkerungsaustauschs“ verstanden werden. Zudem sei der Antragsteller Mitglied bei der „Jungen Alternative für Deutschland“ und dem Verein „Ein Prozent e. V.“ gewesen. Er habe in beiden Organisationen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Frühjahr 2023 als gesichert rechtsextremistisch einstufe, zumindest zeitweise herausgehobene Funktionen übernommen.
Die Entscheidung ist bestandskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 9.5.2025, 5 L 416/25.KO, PM 14/25
| Eine Tätowierung ist heute typischer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Während sichtbare Tattoos im Arbeitsleben immer normaler werden, stellt sich damit aber zunehmend die Frage, wer eigentlich das finanzielle Risiko trägt, wenn beim Stechen des Tattoos nicht alles glatt verläuft. Dazu liegt nun eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vor: Wer sich tätowieren lässt, erhält bei Komplikationen keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das LAG bestätigt damit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Flensburg. |
Pflegekraft ließ sich tätowieren
Die als Pflegehilfskraft beschäftigte Klägerin ließ sich am Unterarm tätowieren. In der Folge entzündete sich die tätowierte Stelle. Die Klägerin wurde daraufhin für mehrere Tage krankgeschrieben. Die beklagte Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum ab.
Die Klägerin führte vor Gericht aus, dass sie ja nicht Entgeltfortzahlung für den Tätowierungsvorgang geltend mache, sondern für eine davon zu trennende zeitlich nachfolgende Entzündung der Haut. Ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen. Es habe sich ein sehr geringes Risiko verwirklicht, das nur bei ein bis fünf Prozent der Fälle von Tätowierungen auftrete. Tätowierungen seien als Teil der privaten Lebensführung geschützt und mittlerweile weit verbreitet.
Die Arbeitgeberin entgegnete, die Klägerin habe bei der Tätowierung in eine Körperverletzung eingewilligt. Das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre deshalb nicht zum normalen Krankheitsrisiko und könne dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden.
Arbeitsunfähigkeit verschuldet
Das LAG ist der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Diese war zwar arbeitsunfähig krank. Sie hat die Arbeitsunfähigkeit aber verschuldet. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz handelt ein Arbeitnehmer immer schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt.
Die Klägerin musste bei der Tätowierung damit rechnen, dass sich ihr Unterarm entzündet. Dieses Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen ihr eigenes Gesundheitsinteresse dar. Sie hat selbst vorgetragen, in bis zu 5 % der Fälle komme es nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut. Dies ist keine völlig fernliegende Komplikation. Bei Medikamenten wird eine Nebenwirkung als „häufig“ angegeben, wenn diese in mehr als einem, aber weniger als zehn Prozent der Fälle auftritt. Zudem ist die Komplikation in der Hautverletzung durch die Tätowierung selbst angelegt.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.5.2025, 5 Sa 284 a/24, PM vom 2.7.2025
| Wenn ein Arbeitnehmer sich beim Kaffeetrinken verschluckt und infolgedessen stürzt, kann das im Einzelfall einen Arbeitsunfall darstellen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden. |
Nasenbeinbruch während morgendlicher Besprechung
Der Kläger war als Vorarbeiter auf einer Baustellebeschäftigt. Beim Kaffeetrinken während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer verschluckte er sich, ging hustend zur Tür, um sich draußen auszuhusten, verlor kurz das Bewusstsein und stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter. Dabei brach er sich das Nasenbein.
Berufsgenossenschaft und Sozialgericht: kein Arbeitsunfall
Das sei kein Arbeitsunfall, befand die zuständige Berufsgenossenschaft, denn das Kaffeetrinken habe keinen betrieblichen Zwecken gedient. Es sei vielmehr dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen. So sah es auch das Sozialgericht (SG), das in erster Instanz über den Fall entschieden hatte.
Landessozialgericht: auch Nahrungsaufnahme geschützt
Zu Unrecht, befand nun das LSG. Zwar erstrecke sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit damit ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird. Im vorliegenden Fall sei das Kaffeetrinken aber nicht auf das Grundbedürfnis des Durstlöschens gerichtet gewesen, sondern habe (auch) betrieblichen Zwecken gedient. Der gemeinsame Kaffeegenuss während der verpflichtend vorgeschriebenen Besprechung habe eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft bewirkt.
Arbeitgeber stellte den Kaffee zur Verfügung
Zudem habe der Kaffee für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesorgt. Das sei auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, der sich teilweise selbst um das Auffüllen der Kaffeevorräte gekümmert habe. Deshalb sei der Fall auch anders zu beurteilen, als wenn sich ein Arbeitnehmer z. B. in der Frühstückspause an einem Kaffee verschluckt, den er selbst in der Thermoskanne mitgebracht hat.
Quelle | LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.5.2025, L 6 U 45/23, PM 2/25
| Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Hostprovider – hier Meta – muss nach einem Hinweis auf einen rechtsverletzenden Post auf der Social-Media-Plattform Facebook auch ohne weitere Hinweise sinngleiche Inhalte sperren. Sinngleich sind etwa Beiträge mit identischem Text und Bild, aber abweichender Gestaltung (Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung), bloßer Änderung typografischer Zeichen oder Hinzufügung von Elementen, etwa sog. Captions, die den Aussagegehalt nicht verändern. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Arzt und bewarb in der Vergangenheit u. a. die sog. „Hirschhausen Diät“. Der Kläger wies die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach auf sog. Fake-Werbe-Videos hin, in denen er vermeintlich u. a. für Abnehmmittel werbe.
Gegenstand dieses Eilverfahrens sind zwei weitere solcher Deep-Fake Videos: Nutzer haben zum einen ein Video unter Verwendung eines Ausschnitts aus der Sendung von Markus Lanz hergestellt, in denen der Name, das Bildnis und die Stimme des Klägers verwendet werden und in dem dieser vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme wirbt. Dieses Video entfernte die Beklagte zeitnah nach Abmahnung durch den Kläger. In einem nachfolgend erschienenen, nahezu inhaltsgleichen weiteren Deep-Fake Video warb der Kläger ebenfalls vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme. Dieses Video entfernte die Beklagte ebenfalls – erst – nach entsprechendem Hinweis durch den Kläger. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassen der Verbreitung dieser beiden Videos in Anspruch. Das Landgericht (LG) hat den Antrag zurückgewiesen.
So sah es das Oberlandesgericht
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hatte teilweise Erfolg. Hinsichtlich des ersten Videos bestehe kein Unterlassungsanspruch, entschied das OLG. Die Beklagte sei als Hostproviderin grundsätzlich nicht verpflichtet, von den Nutzern ins Netz gestellte Beiträge vor ihrer Veröffentlichung auf etwaige Rechtsverletzungen hin zu prüfen. Ihre Haftung setze die Verletzung von Prüf- und Verhaltenspflichten voraus. Vor der Abmahnung des Klägers betreffend das erste Video sei die Beklagte nicht zur Löschung verpflichtet gewesen. Eine Löschpflicht habe sich insbesondere nicht aus den vorausgegangenen Hinweisen des Klägers auf andere, nicht sinngleiche sog. Fake-Werbungen ergeben. Grundsätzlich lösten derartige Hinweise nur Prüfpflichten hinsichtlich „sinngleicher Inhalte“ aus. Darunter fielen Inhalte, die in Bild und Text identisch, aber bei gleichbleibendem Gesamteindruck etwa abweichend gestaltet seien. Dies könne sich etwa auf die Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung mit Rahmen oder Zufügung sog. Caption beziehen. Die vorausgegangenen Hinweise des Klägers hätten sich hier jedoch auf in Bild und Text abweichende Inhalte bezogen.
Prüfplicht des Providers bestand
Hinsichtlich des zweiten Videos habe die Beklagte dagegen schon aufgrund der Abmahnung des Klägers hinsichtlich des ersten Videos eine Prüfpflicht getroffen. Es habe keiner weiteren Abmahnung bedurft. Das zweite Video unterscheide sich allenfalls marginal vom ersten. Nach dem Eindruck des OLG wirkten die Videos – bei voneinander abweichender Überschrift – nahezu identisch. Es lägen damit sinngleiche Inhalte vor. Da die Beklagte das zweite Video nicht bereits ohne weitere Abmahnung gesperrt habe, habe sie gegen ihre Prüfpflichten verstoßen. Im Ergebnis bestehe daher ein Unterlassungsanspruch.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nich tanfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.3.2025, 16 W 10/25, PM 14/25
| Zahlreiche Betriebsprüfungen zeigen, dass die Kassenführung oft beanstandet wird. Das Problem dabei: Ist die Kassenführung nicht ordnungsmäßig, drohen erhebliche Hinzuschätzungen. So war es auch in einem Fall, der vom Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein zu entscheiden war. |
Im Streitfall hatte bei einem bargeldintensiven Imbiss mit Sitzgelegenheiten eine Betriebsprüfung stattgefunden. Der Betreiberin, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte, wurden dabei zahlreiche Mängel in der Kassenführung vorgeworfen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem FG blieb erfolglos.
Beachten Sie | Allerdings ist inzwischen die Revision anhängig, in der insbesondere diese interessanten Fragen zu klären sind:
- Ist bei bestehenden Zweifeln im Hinblick auf den Programmierzustand und das Vorhandensein von Manipulationsspuren an der Registrierkasse vom FG ein Sachverständigengutachten einzuholen?
- Rechtfertigen fehlende Programmierprotokolle für die verwendete Kasse eine Schätzung dem Grunde nach?
- Ergibt sich aus einer angeblichen Abweichung von der Richtsatzsammlung eine Schätzungsbefugnis?
Quelle | FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.8.2023, 3 K 25/22, Rev. BFH, X R 27/24
| Hat eine Gesellschaft ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr, ist für die Berechnung der Steuerermäßigung gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 EStG) nicht auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums abzustellen, sondern auf das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahrs. Für die Aufteilung des Steuerermäßigungsbetrags sind der Gewerbesteuer-Messbetrag und die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des Wirtschaftsjahrs an der Gesellschaft beteiligt waren. So lautet ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Hintergrund: Unter den Voraussetzungen des § 35 EStG wirddie Gewerbesteuerbelastung kompensiert, indem die tarifliche Einkommensteuer um das Vierfache des festgesetzten Steuermessbetrags gemindert wird.
Quelle | BFH, Urteil vom 10.4.2025, IV R 21/22
| Mit Wirkung ab 1.6.2025 wurden die Gebühren für Eintragungen im Handelsregister um 50 Prozent erhöht. Demzufolge werden auch Unternehmensgründungen teurer. |
In der Begründung der Verordnung wird hierzu u. a. ausgeführt: „Die daraus insgesamt resultierenden Gebühreneinnahmen sollen dazu dienen, den Aufwand der Länder für den Betrieb der Registergerichte weitgehend zu decken, damit die Gerichte den Anforderungen an eine moderne, effiziente und sichere Registerführung auch künftig gerecht werden können.“
Quelle | Dritte Verordnung zur Änderung der Handelsregistergebührenverordnung, BGBl I 2025, Nr. 127
| Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft wird nur bereit sein, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung einer Eigentumswohnung zu (privaten) Wohnzwecken (also im privaten Interesse) eines Gesellschafters zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe erstattet werden und sie zudem einen angemessenen Gewinnaufschlag erhält. Vor diesem Hintergrund hat es das Finanzgericht (FG) Niedersachsen im Streitfall als rechtmäßig beurteilt, dass das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) angesetzt hat. |
Zum Hintergrund: Bei einer vGA handelt es sich – vereinfacht – um Vermögensvorteile, die dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gewährt werden. Eine vGA darf den Gewinn der Gesellschaft nicht mindern.
Im Anschluss an ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahr 2016 führte das FG weiter aus: Eine Vermietung zu marktüblichen, aber nicht kostendeckenden Bedingungen würde ein gewissenhafter Geschäftsführer (ausnahmsweise) in Betracht ziehen, wenn er bezogen auf den jeweils zu beurteilenden Veranlagungszeitraum bereits von der Erzielbarkeit einer angemessenen Rendite ausgehen kann.
Beachten Sie | Die danach für den Fremdvergleich maßgebliche Kostenmiete ist auch dann als Maßstab heranzuziehen, wenn der Gegenstand des Unternehmens der Kapitalgesellschaft auch neben der an die Gesellschafterin vermieteten Wohnung in der Vermietung von Immobilien besteht.
Gegen das Urteil ist die Revision anhängig. Gleichwohl sollte in vergleichbaren Fällen eine vGA bedacht werden. Es empfiehlt sich, Mietverträge zu prüfen und ggf. anzupassen.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 15.8.2024, 10 K 255/21, Rev. BFH, I R 21/24
| Ein Freiwilliger Wehrdienst kann bei einem volljährigen Kind für sich genommen keinen Kindergeldanspruch begründen. Gleichwohl kann während der Zeit des Wehrdienstes ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, wenn das Kind einen der gesetzlichen Berücksichtigungstatbestände erfüllt, also z. B. während des Wehrdienstes für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dabei ist es unschädlich, wenn das Kind nach Abschluss der Grundausbildung im Rahmen des Freiwilligen Wehrdienstes Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad ausübt. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Das war geschehen
Der Sohn absolvierte nach seinem Abitur einen zehn Monate dauernden Freiwilligen Wehrdienst. Die Familienkasse bewilligte dem Vater für die Übergangszeit zwischen Abitur und Grundausbildung sowie für die Zeit der Grundausbildung Kindergeld. Nach der Grundausbildung verrichtete der Sohn Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad, eine weitere Ausbildung bei der Bundeswehr fand nicht statt. Nach dem Ende des Wehrdienstes studierte er an einer zivilen Hochschule. Den Entschluss dazu hatte er während des Wehrdienstes gefasst.
Die Familienkasse versagte für die Zeit nach Beendigung der Grundausbildung bis zum Beginn des Studiums die Festsetzung von Kindergeld. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Vater Klage vor dem Finanzgericht (FG) Bremen. Da das FG die Revision zugelassen hatte und diese auch eingelegt wurde, musste nun der BFH entscheiden.
Beachten Sie | Der Freiwillige Wehrdienst gehört – anders als ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr – nicht zu den im Einkommensteuergesetz (hier: § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG) genannten Berücksichtigungstatbeständen, die schon für sich genommen einen Kindergeldanspruch begründen können.
Bundesfinanzhof: Kindergeldanspruch bestand
Dennoch entschied der BFH, dass auch nach dem Ende der Grundausbildung und trotz einer Erwerbstätigkeit des Kindes als Soldat mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden ein Kindergeldanspruch bestehen kann, wenn das Kind (wie im Streitfall) eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.
Beachten Sie | Die drei Monate dauernde Grundausbildung war zwar Teil einer Ausbildung zum Offizier oder Unteroffizier. Ihre Beendigung führte jedoch nicht zu einem für den weiteren Kindergeldbezug ggf. schädlichen Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung (i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG).
Es kam auf den Zeitpunkt des Entschlusses an
Für einen Monat wies der BFH die Revision jedoch zurück, weil sich der Entschluss des Sohnes, sich um einen Studienplatz zu bemühen, erst im Folgemonat objektiviert hatte. Der bloße Vortrag des Kindergeldberechtigten und des Kindes, der Entschluss zu einer Ausbildung oder zu einem Studium sei früher gefasst worden, ist für die Begründung des Anspruchs nicht ausreichend.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.2.2025, III R 43/22, PM 28/2025 vom 2.5.2025
| Ab Mai 2025 setzen vier Pilotfinanzämter (Brühl, Bielefeld-Außenstadt, Hamm und Lübbecke) des Landes Nordrhein-Westfalen erstmals ein KI-Modul zur Unterstützung der Steuerveranlagung ein. Das Ziel: Steuererklärungen sollen effizienter, schneller und treffsicherer bearbeitet werden.
Das neue KI-Modul ergänzt das bewährte Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung. Es erkennt Muster in den Steuerdaten und kann gut nachvollziehbare Fälle mit geringem Prüfbedarf gezielt identifizieren. Diese werden automatisiert verarbeitet – und damit schneller abgeschlossen.
Gestartet wird mit Arbeitnehmerfällen (also Steuererklärungen mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalerträgen, Vorsorgeaufwendungen, Sonderausgaben, haushaltsnahen Dienstleistungen und ähnlichen Bereichen). Die Ausweitung auf weitere Fallkonstellationen ist bereits in Planung.
Nordrhein-Westfalen übernimmt die Vorreiterrolle. Nach erfolgreichem Testlauf ist die landesweite Einführung geplant.
Quelle | FinMin NRW, Mitteilung vom 22.4.2025
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der auf Dienstreisen seinen privaten Pkw einsetzt, die tatsächlichen Kosten für jeden gefahrenen Kilometer auch dann ansetzen kann (im Streitfall: 2,28 Euro/km für einen Sportwagen), wenn er von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt bekommt, den er grundsätzlich für dienstliche und private Fahrten nutzen kann. |
Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall jedoch den Nachweis erbringen, dass er das Privatfahrzeug tatsächlich beruflich eingesetzt hat. Eine Angemessenheitsprüfung dem Grunde nach (hier: berufliche Nutzung eines privaten Fahrzeugs durch einen Arbeitnehmer, dem von seinem Arbeitgeber ein Geschäftsfahrzeug überlassen wurde) findet nicht statt.
Beachten Sie | Das Finanzamt will diese Entscheidung aber nicht akzeptieren und hat Revision eingelegt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.9.2024, 9 K 183/23, Rev. BFH: VI R 30/24
| Kinderbetreuungskosten sind als Sonderausgaben abzugsfähig. Bei Aufwendungen für Unterricht, für die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen ist ein Sonderausgabenabzug allerdings gesetzlich ausgeschlossen. Mit dem Abzugsverbot hat sich nun der Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt. |
Hintergrund: Kinderbetreuungskosten können nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) als Sonderausgaben steuerlich absetzbar sein. Folgende Aspekte sind hier zu beachten:
- Abzug von 80 % der Betreuungsleistungen, maximal 4.800 Euro pro Jahr.
- Der Abzug ist zulässig für haushaltszugehörige Kinder unter 14 Jahren (oder aufgrund Behinderung, Eintritt vor dem 25. Lebensjahr, Übergangsregel 27. Lebensjahr).
- Grundsätzlicherforderlich: Rechnung und Überweisung.
- Nichtabziehbar: Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen.
Betreuungscharakter muss im Vordergrund stehen
Nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen vor, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbstständigten Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichts- oder Kurszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen (sprachlichen, musischen, sportlichen) Fähigkeiten in den Hintergrund rückt.
Nicht begünstigteAufwendungen
Entsprechendes gilt für sportliche und andere Freizeitbetätigungen. Nicht begünstigte Aufwendungen für derartige Aktivitäten liegen daher vor, wenn
- die Betätigung organisatorisch, zeitlich und räumlich getrennt von einer Kindertagesstätte, einem Schulhort oder einer ähnlichen Einrichtung stattfindet und
- dabei nicht die altersbedingt erforderliche Betreuung des Kindes, sondern die Aktivität im Vordergrund steht.
Quelle | BFH, Urteil vom 23.1.2025, III R 33/24 (III R 50/17)
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen hat die Stadt Marburg dazu verpflichtet, einer Studentin einen Bewohnerparkausweis zu erteilen, die ein in Tschechien zugelassenes Fahrzeug nutzt. |
Kfz in Tschechien zugelassen
Die Klägerin wohnt in einem Bewohnerparkgebiet der Beklagten. Sie nutzt ein Kraftfahrzeug ihres Vaters, der tschechischer Staatsangehöriger ist und das Fahrzeug in Tschechien zugelassen hat. Im Frühjahr 2024 beantragte sie bei der Stadt Marburg, ihr einen Bewohnerparkausweises zu erteilen. Dies lehnte die Stadt mit der Begründung ab, dass sie Bewohnerparkausweise für Fahrzeuge mit ausländischer Zulassung nicht erteilen könne. Im Rahmen des Klageverfahrens argumentierte die Stadt weiter, dass eine ausländische Zulassung gegen eine dauerhafte Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin spreche, weil ein im Ausland zugelassenes Kraftfahrzeug nur vorübergehend am Verkehr in Deutschland teilnehmen dürfe.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG bejahte hingegen den Anspruch der Studentin auf einen Bewohnerparkausweis. Bei der Klägerin handele es sich um eine Anwohnerin, die das betroffene Fahrzeug nachweislich dauerhaft nutze.
Gegen eine dauerhafte Nutzung spreche insbesondere nicht, dass Kraftfahrzeuge mit ausländischer Zulassung nur vorübergehend am Straßenverkehr in Deutschland teilnehmen dürfen. Es sei bereits nicht klar, ob das von der Klägerin genutzte Fahrzeug diese Voraussetzungen erfülle. Die Klägerin gab nämlich an, dass sie das Fahrzeug während der Semesterferien nicht in Deutschland nutze. Diese Prüfung obliege der Zulassungsbehörde, die je nach Einzelfall eine Untersagung des Betriebs im öffentlichen Straßenverkehr ohne deutsche Zulassung aussprechen könne.
Die Versagung eines Bewohnerparkausweises für im Ausland zugelassene Fahrzeuge entspreche nicht dem Zweck der Vorschriften. Ein Bewohnerparkgebiet diene dem Anwohnerinteresse, in innerstädtischen Wohnstraßen eine Abstellmöglichkeit für ein (dauerhaft) genutztes Kraftfahrzeug zu finden.
Quelle | VG Gießen, Urteil vom 13.11.2024, 6 K 2830/24.GI, PM vom 19.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Ein zur Nichtigkeit der entsprechenden Vereinbarung führender Verstoß gegen den im Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 656 d BGB) geregelten Grundsatz der hälftigen Teilung des Maklerlohns liegt vor, wenn ein Makler allein für den Verkäufer einer Immobilie tätig geworden ist und der Käufer zur Zahlung des vollen Honorars an den Makler verpflichtet wird. |
Das war geschehen
Die Kläger erwarben ein mit einer Doppelhaushälfte bebautesGrundstück. Mit der Vermittlung des Verkaufs hatte die Verkäuferin das beklagte Maklerunternehmen beauftragt. Für die Vermittlung der Immobilie entstand zugunsten der Beklagten gegenüber der Verkäuferin ein Maklerlohnanspruch in Höhe von 25.000 Euro. Der im Exposé zunächst vorgesehene Kaufpreis wurde um einen Betrag in dieser Höhe reduziert. Zugleich verpflichteten sich die Kläger gegenüber der Beklagten zur Zahlung eines Honorars in gleicher Höhe, das sie nach notarieller Beurkundung des Kaufvertrags bezahlten. Eine Maklerlohnzahlung durch die Verkäuferin erfolgte nicht. Die Kläger verlangten die Rückzahlung des geleisteten Betrags.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: § 656 d BGB ist nicht nur auf Vereinbarungen der Parteien des Kaufvertrags über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus untereinander anwendbar, sondern erfasst jegliche Art einer vertraglichen Vereinbarung, durch die unmittelbar oder mittelbar ein Anspruch des Maklers auf Zahlung oder Erstattung von Maklerlohn gegenüber der Partei des Kaufvertrags begründet wird, die nicht Partei des Maklervertrags ist. Umfasst sind daher auch alle auf eine Verpflichtung zur Zahlung oder Erstattung des Maklerlohns gerichteten Vereinbarungen des Maklers mit der Partei des Kaufvertrags, die nicht Partei des Maklervertrags ist.
Der Anwendbarkeit des § 656 d BGB steht es deshalb auch nicht entgegen, dass die Verkäuferin der Immobilie von der Pflicht, den vereinbarten Maklerlohn zu entrichten, gegenüber der Beklagten nicht entbunden war. Da die Käufer im Innenverhältnis zur Verkäuferin verpflichtet waren, den Maklerlohn in voller Höhe zu bezahlen, blieb die Verkäuferin als die Partei, die den Maklervertrag abgeschlossen hat, nicht zur Zahlung des Maklerlohns mindestens in gleicher Höhe verpflichtet.
Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung
Der Verstoß gegen § 656 d BGB führt zur Gesamtnichtigkeit einer entsprechenden Vereinbarung. Die Kläger können von der Beklagten die Rückzahlung des Maklerlohns in voller Höhe verlangen.
Quelle | BGH, Urteil vom 6.3.2025, I ZR 138/24, PM 45/25
| Eine 77-jährige Frau, die über einer Supermarktfiliale wohnt, tätigte dort ihre Einkäufe bis zu einem Hausverbot Anfang des Jahres 2024 durch die Filialleitung. Sie behauptet, das Hausverbot sei nach einer Beschwerde ihrerseits ohne ersichtlichen Grund erteilt worden. Sie sei gesundheitlich stark eingeschränkt und nicht in der Lage, längere Strecken zurückzulegen und daher auf die Filiale angewiesen. Ohne ein Betreten des Supermarkts sei ihr eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verwehrt. Das Amtsgericht (AG) München wies ihre Klage ab. |
Wiederholtes Fehlverhalten
Die Filialleitung begründete das Hausverbot mit wiederholtem Fehlverhalten. Die Münchnerin habe Kunden beim Betreten des Markts von ihrer Wohnung aus beschimpft, habe das Geschäft regelmäßig ohne Einkaufsabsicht aufgesucht, Mitarbeiter in Gespräche verwickelt und diese von der Arbeit abgehalten. Sie habe sich zudem immer wieder an der Frischetheke des Markts Ware aufschneiden lassen und diese dann, anstatt zu kaufen, im Laden abgelegt.
Da der Supermarkt sich weigerte, das Hausverbot zurückzunehmen, verklagte sie den Betreiber vor dem AG auf Gewährung des Zutritts zum Supermarkt – ohne Erfolg.
Hausrecht deckt Hausverbot
Der Beklagte ist als Betreiber des Supermarkts aufgrund seines Hausrechts grundsätzlich berechtigt, Kunden selbst ohne sachlichen Grund ein Hausverbot zu erteilen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein Fehlverhalten der Klägerin vorlag.
Dem Betreiber einer Einrichtung, die erhebliche Bedeutung für das gesellschaftliche und kulturelle Leben hat, wird eine besondere rechtliche Verantwortung zugewiesen, die es ihm verbietet, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund auszuschließen. Entgegen der Auffassung der Klägerin entscheidet die Verweigerung des Zutritts für sie nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Ein Supermarkt dient der Daseinsvorsorge in Form von Einkäufen des täglichen Bedarfs, insbesondere an Lebensmitteln, nicht der sozialen Interaktion oder des kulturellen Austauschs.
Klägerin konnte auf konkurrierenden Supermarkt ausweichen
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Monopolstellung oder sonstige strukturelle Überlegenheit des Beklagten vorliegt, die dazu führt, dass bestimmte Personen nicht ohne sachlichen Grund ausgeschlossen werden könnten. Eine solche Monopolstellung des Markts des Beklagten für die tägliche Daseinsvorsorge ist im konkreten Fall nicht gegeben. Der Beklagte hat unbestritten ausgeführt, dass in fußläufiger Entfernung (ab 500 Metern) weitere Supermärkte vorhanden sind, die somit auch für betagtere Kunden problemlos zu erreichen sind.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 11.10.2024, 142 C 18533/24, PM 12/25
| Legt beim Gebrauchtwagenkauf der Verkäufer den Fahrzeugbrief vor, kann sich der Käufer normalerweise darauf verlassen, dass er es auch tatsächlich mit dem Eigentümer und nicht mit einem Betrüger zu tun hat. Dieses Vertrauen kann aber erschüttert sein, wenn die Umstände des Verkaufs trotzdem Verdacht erregen müssen. Dann muss der Käufer im Betrugsfall das Fahrzeug dem wahren Eigentümer zurückgeben und bleibt auf dem gezahlten Kaufpreis als Schaden sitzen. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal (Pfalz) entschieden. Es hat die Klage eines Autokäufers abgewiesen, der auf einen Betrüger hereingefallen war. |
Autokäufer war auf Betrüger hereingefallen
Der Käufer hatte den PKW von einem Betrüger für mehr als 35.000 Euro erworben. Kurze Zeit nach dem Kauf beschlagnahmte die Polizei das Fahrzeug und gab es dem ursprünglichen Eigentümer zurück. Dieser verkaufte es anschließend für knapp 49.000 Euro weiter.
Den Kaufpreis reklamierte der betrogene Käufer für sich. Er sei trotz des Betrugs Eigentümer des Fahrzeugs geworden. Er sei im Internet auf das Fahrzeug gestoßen und habe sich im Saarland zur Besichtigung verabredet. Auf dem Weg dorthin habe er die Mitteilung erhalten, dass das Kind des Verkäufers einen Treppensturz erlitten habe und in einem Krankenhaus in Frankreich liege. Dorthin sei er nun umgeleitet worden, wo der Kauf auf dem Parkplatz durch Barzahlung auch abgewickelt worden sei. Der Betrüger habe einen vermeintlich echten Fahrzeugbrief und einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt. Er habe deshalb daran glauben dürfen, dass das Fahrzeug diesem auch gehört habe.
Umstände des Kaufs waren dubios, Zweifel daher angebracht
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Der Käufer habe trotz Vorlage des scheinbar echten Fahrzeugbriefs grob fahrlässig gehandelt und das Fahrzeug daher nicht gutgläubig erworben. Denn die Umstände des Verkaufs hätten beim Käufer Zweifel erregen müssen, dass er den wahren Eigentümer vor sich hatte. So habe dieser einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt, obwohl sein im Kaufvertrag genannter Wohnsitz Frankenthal gewesen sei und das Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen zugelassen war.
Kurzfristige Verlegung der Übergabe ins Ausland
Auffällig sei ferner, dass der Verkäufer ursprünglich als Treffpunkt das vom angegebenen Wohnort abweichende Dillingen/Saar genannt habe. Typisch für unlautere Automobilgeschäfte sei auch das Bargeschäft und die kurzfristige telefonische Verlegung des Verkaufsorts an einen fremden und noch dazu im Ausland befindlichen Ort. Nach alledem könne der Käufer dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entgehen und habe den Schaden selbst zu tragen, so der Richter.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 3.4.2025, 3 O 388/24, PM vom 22.5.2025
| Das Amtsgericht (AG) Berlin-Charlottenburg hat entschieden: Hatte der frühere Vermieter die Hundehaltung erlaubt, kann der in das Mietverhältnis eingetretene Vermieter diese Gestattung nur aus wichtigem Grund widerrufen. Dies gilt, auch wenn es sich um einen Kampfhund handeln sollte. Dass sich Mitmieter aufgrund der Größe und Kraft eines solchen Hundes subjektiv bedroht fühlen, reicht für den Widerruf nicht aus. |
Vorheriger Vermieter hatte Hundehaltung gestattet, neuer Vermieter widerrief Erlaubnis
Die Parteien eines Mietvertrags über ein möbliertes Apartment stritten um die Räumung und Herausgabe einer Wohnung. Der Kläger, der aktuelle Vermieter, war nachträglich in das Mietverhältnis eingetreten. Der beklagte Mieter hält einen Hund, was ihm ausdrücklich vom früheren Vermieter erlaubt worden war.
Der Kläger hat die Erlaubnis zur Hundehaltung im Juni 2023 widerrufen und die Haltung eines Kampfhundes untersagt. Der Beklagte sollte seinen Hund bis Ende Juni 2023 entfernen. Noch im Juni mahnte der Kläger den Beklagten wegen nicht gestatteter Tierhaltung ab. Anfang August 2023 kündigte der Kläger das Mietverhältnis ordentlich zum 30.11.2023 und begründete dies mit der weiteren Haltung eines Kampfhundes sowie des Einsetzens des Hundes als Druck- und Nötigungsmittel.
Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung
Der Kläger behauptete, bei dem vom Beklagten gehaltenen Tier würde es sich um einen Kampfhund handeln. Der Beklagte würde dieses Tier gegenüber Nachbarn im Objekt als Druck- und Nötigungsmittel einsetzen, um Vorrang auf Wegen oder im Treppenhaus zu erzwingen. Mehr als ein anderer Bewohner im Objekt habe Angst vor dem Hund, die wollten aber nicht namentlich genannt werden. Er verklagte den Mieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Der Mieter behauptete hingegen, es handele sich nicht um einen „Listenhund“, sondern um eine Mischung aus Old-English-Bulldog und Weimeraner. Er reichte dazu zwei Fotos sowie eine tierärztliche Bescheinigung und weitere Unterlagen ein.
So entschied das Amtsgericht
Der Vermieter kann das Mietverhältnis nur aus berechtigtem Interesse kündigen. Das ist z. B. der Fall, wenn der Mieter vertragliche Pflichten erheblich verletzt, indem er z. B. ein Tier trotz Abmahnung weiter hält.
Im Fall des AG war es aber anders: Der ursprüngliche Vermieter hatte die Hundehaltung erlaubt. Der – große und kräftige – Hund, war– ohne Maulkorb – stets an der Leine geführt worden. Beißvorfälle oder -versuche oder Bedrohungen von Nachbarn mit dem Hund konnten nicht bewiesen werden. Ein – subjektives – Bedrohtfühlen genügt nicht, um die Erlaubnis zu widerrufen.
Quelle | AG Charlottenburg, Urteil vom 30.5.2024, 218 C 243/23
| Ein Streit um einen Erbschein hat kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Eine Erbin hatte falsche Angaben gemacht – mit unangenehmen Folgen. |
Wahrheitswidrige Angaben zum Testament
Eine Frau hatte nach dem Tod ihrer Mutter einen Erbschein beantragt, um als Alleinerbin ausgewiesen zu werden. Sie berief sich dabei auf ein Testament, machte aber falsche Angaben: Sie versicherte eidesstattlich, dass das Testament von der Verstorbenen eigenhändig verfasst worden sei. In Wirklichkeit hatte jedoch die Tochter das Testament geschrieben und die Mutter nur ihre Unterschrift darunter gesetzt.
Testament muss eigenhändig geschrieben sein
Die falschen Angaben betrafen einen entscheidenden Punkt: Ein Testament muss eigenhändig geschrieben oder von einem Notar beurkundet werden. Eigenhändig heißt, dass der Erblasser es komplett selbst und von Hand niederschreiben muss. Die bloße Unterschrift der Mutter reichte deshalb nicht aus – das Testament war unwirksam. Statt des Testaments galt die gesetzliche Erbfolge, das heißt: Die Antragstellerin musste sich das Erbe mit ihren Geschwistern teilen.
Streit um Anwaltskosten
Im Erbscheinverfahren vor dem Amtsgericht (AG) wurden die falschen Angaben aufgeklärt. Der Streit war damit aber nicht erledigt. Denn die Geschwister hatten Anwälte beauftragt, um gegen den unberechtigten Antrag vorzugehen. Zwei Schwestern verlangten die Erstattung der angefallenen Anwaltskosten. Das OLG gab ihnen nun Recht.
Mögliche strafrechtliche Konsequenzen
Für die unterlegene Schwester hat dies nicht nur finanzielle Folgen: Die Akten werden nun der Staatsanwaltschaft übergeben, denn eine falsche eidesstattliche Versicherung ist strafbar. Das OLG sah einen entsprechenden Anfangsverdacht; bis zu einer möglichen Entscheidung im Strafverfahren gilt für die Betroffene die Unschuldsvermutung.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 9.1.2025, 6 W 156/24, PM vom 20.2.2025
| Das Zerreißen eines Testaments durch den Erblasser ist eine Widerrufshandlung. Es wird gesetzlich vermutet, dass dieser Widerrufshandlung eine Widerrufsabsicht zugrunde lag. Die Aufbewahrung des zerrissenen Testaments im Schließfach widerlegt diese Vermutung nicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die Beschwerde des in dem zerrissenen Testament Begünstigten gegen einen auf Basis gesetzlicher Erbfolge erteilten Erbschein zurückgewiesen. |
Testament zerrissen, aber aufbewahrt
Der Erblasser war mit seiner Frau in letzter Ehe kinderlos verheiratet. Nach seinem Versterben beantragte die Frau einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Das Nachlassgericht erteilte den Erbschein, der die Frau neben der Mutter des Erblassers als Erben auswies. Zwei Monate später öffneten die Frau und ein Vertreter der Mutter des Erblassers das Schließfach des Erblassers. Dort befand sich ein handschriftliches Testament, das eine andere Person begünstigte. Es war längs in der Mitte durchgerissen. Das Nachlassgericht hat den Antrag des Begünstigten abgelehnt, den bereits erteilten Erbschein im Hinblick auf das nun aufgefundene, zerrissene Testament einzuziehen.
Widerruf durch schlüssige Handlung
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das Nachlassgericht habe die Einziehung des Erbscheins zu Recht abgelehnt, da dieser nicht unrichtig geworden sei. Der Begünstigte sei nichttestamentarischer Erbe geworden. Der Erblasser habe das den Begünstigten alsErben einsetzende Testament durch schlüssige Handlung widerrufen.
Durch das Zerreißen des Testaments in der Mitte habe derErblasser das Testament vernichtet. Es liege insoweit eine Widerrufshandlungvor. Das Testament sei unzweifelhaft auch „nicht durch äußere Einflüsse „anderweitig“ in zwei Teile geraten“. Dafür spreche, dass das Papier mittig, aber nicht vollständig gerade getrennt worden sei. Die Trennränder seien zudem nicht glatt. Anhaltspunkte für ein – ggf. sachverständig aufzuklärendes – anderweitiges Trennen des Schriftstücks in zwei Teile lägen nicht vor. Es sei auch davon auszugehen, dass der Erblasser selbst das Testament zerrissen habe, da nur er Zugang zum Bankschließfach gehabt habe. Nach den Angaben der bei Öffnung des Schließfachs Anwesenden bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Testament beim Öffnen oder Schließen des Schließfachs versehentlich von einer dritten Person zerrissen worden sei.
Gesetzliche Vermutung nicht widerlegt
Es werde gesetzlich vermutet, dass diese Widerrufshandlung mit Widerrufsabsicht erfolgte. Indizien, die diese Vermutung widerlegen würden, seien nicht erkennbar. Warum der Erblasser das zerstörte Testament im Schließfach aufbewahrte, sei zwar nicht nachvollziehbar. Dies allein genüge aber nicht zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung. Der Erblasser habe ausweislich der dokumentierten 31 Öffnungen des Schließfachs dieses offensichtlich nicht ausschließlich zur Aufbewahrung eines ungültigenTestaments angemietet.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.4.2025, 21 W 26/25, PM 26/25
| Das Landgericht (LG) Berlin II hat eine Energieberatungsfirma zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von rund 6.000 Euro wegen einer Falschberatung verurteilt. Aufgrund der Falschberatung habe der Kläger – ein Verbraucher – Fenster und Dachfenster mit zu hohen Wärmedurchgangskoeffizienten einbauen lassen, die daher nicht förderfähig seien. |
Förderleistungen beantragt – Bundesamt lehnt ab
Der Kläger hatte die Beklagte mit der Energieberatung für die energetische Sanierung seines Einfamilienhauses beauftragt. In Zusammenarbeit mit der Beklagten beantragte er beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Förderleistungen gemäß der Richtlinie der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG-Richtlinie) und erhielt einen entsprechenden Zuwendungsbescheid. Anschließend holte er Angebote für die Sanierungsmaßnahmen ein und schickte sie der Beklagten, die diese nicht beanstandete.
Für den Verwendungsnachweis der Fördermittel gab der Kläger in Absprache mit der Beklagten die Wärmedurchgangskoeffizienten an, die mit den verbauten Dämmmaterialien an der Gebäudehülle erreicht werden konnten – für das Dach und die Geschossdecke einen Koeffizienten von 0,2, für die Fenster von 1,1 und für die Dachflächenfenster von 1,3. Das Bundesamt teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die technischen Mindestanforderungen bei der Sanierung nicht erreicht seien und hob den Förderbescheid teilweise auf. Die BEG-Richtlinie fordert Koeffizienten an Dachgebilden von 0,14 und an Fenstern von 0,95 bzw. 1,0 bei Dachflächenfenstern.
Energieberater muss Förderleistung zahlen
Das Gericht sprach dem Kläger nun Schadenersatz in Höhe der eigentlich zu gewährenden Förderungssumme zu. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur fachlich zutreffenden Beratung verletzt. Sie hätte insbesondere die vom Kläger vorgelegten Angebote auf ihre Förderungsfähigkeit prüfen müssen.
Der Verweis der Beklagten, der Kläger hätte sich selbst über die förderungsrelevanten Wärmedurchgangskoeffizienten informieren können, führe ihr Leistungsangebot ad absurdum. Es sei gerade ihre Hauptleistungspflicht, einen Verbraucher und Laien über die Richtlinien und Richtwerte fachlich zu beraten. Darüber hinaus habe die Beklagte den Kläger falsch beraten, weil sie selbst von falschen Werten ausgegangen sei. Rechtsirrig habe sie in E-Mails an den Kläger auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und nicht auf die Werte der BEG-Richtlinie verwiesen. Die Beratung sei auch deshalb unzureichend und fehlerhaft gewesen.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23, PM 3/25
| Bei einer mehr als unerheblichen Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks scheidet die Annahme eines faktischen Kerngebiets aus, also als Gebiet, das vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Stadt versagte Nutzung eines Gebäudes als Spielhalle
Die Klägerin begehrt einen Bauvorbescheid für die Nutzung eines Geschäftsgebäudes in der Innenstadt der Beklagten als Spielhalle. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, der Widerspruch blieb erfolglos.
Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht sahen das anders
Das Verwaltungsgericht (VG) gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) zurück. Das Vorhaben sei als Vergnügungsstätte zulässig. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Kerngebiet i. S. d. Baunutzungverordnung (hier: § 7 BauNVO). Die nicht unerhebliche, aber noch untergeordnete Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks stehe dieser Einordnung nicht entgegen, obwohl sie im vorhandenen Umfang nur aufgrund von Festsetzungen in einem Bebauungsplan zulässig wäre.
Bundesverwaltungsgericht rügte mangelnde Tatsachenfeststellung
Das BVerwG hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Auffassung des OVG, dass ein faktisches Kerngebiet auch bei einer nicht unerheblichen Wohnnutzung vorliegt, steht mit der Regelungssystematik der Baunutzungsverordnung nicht in Einklang. Die Verweisung in § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB auf die §§ 2 ff. BauNVO findet dort eine Grenze, wo die Baunutzungsverordnung eine planerische Entscheidung der Gemeinde vorsieht. Der Verordnungsgeber hat die Entscheidung darüber, ob die sonstige Wohnnutzung in einem Kerngebiet über Ausnahmen hinausgehen darf, der Gemeinde überlassen. Ihr Spielraum darf bei der Einordnung als faktisches Kerngebiet nicht übergangen werden. Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen konnte das BVerwG nicht abschließend entscheiden.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 20.5.2025, 4 C 2.24, PM 37/25
| Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf der Grundlage von über 2.300 geleisteten Mehrarbeitsstunden im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer für mehrere Monate frei, muss er ihm in diesen Monaten das Entgelt nach dem Lohnausfallprinzip zahlen, also das Entgelt, das zu zahlen gewesen wäre, wenn der Arbeitnehmer in diesen Monaten gearbeitet hätte. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |
Das LAG: Nichts anderes ergibt sich, wenn die unstreitige Mehrarbeit vor 20 Jahren geleistet worden war, also in einem Zeitraum, für den die Parteien ein viel geringeres Bruttomonatsentgelt vereinbart hatten.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 23.8.2024, 6 Sa 663/23
| Ein Bewerber um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugdienst kann verlangen, nicht wegen eines genetisch bedingten erhöhten Thromboserisikos vom Bewerbungsverfahren der Bundespolizei ausgeschlossen zu werden. Bei der beim Kläger diagnostizierten sog. Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich um einen angeborenen Gendefekt, bei dem es zu Störungen der Blutgerinnung kommt und der mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergeht. Die Entscheidung der Bundespolizeiakademie, die Bewerbung des Klägers um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst im Jahr 2023 aufgrund fehlender gesundheitlicher Eignung nicht zu berücksichtigen, hatte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Aachen keinen Bestand. Über die Bewerbung des Klägers muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden werden. |
Geringe Risiken
Zur Begründung hat das VG ausgeführt, dass es bereits in erheblichem Maße zweifelhaft ist, ob hinreichende sachliche Gründe für den Ausschluss von Beamten mit einem solchen Gendefekt bestehen. Denn das durch eine solche Mutation bedingte Thromboserisiko ist verhältnismäßig gering. In der beim Kläger vorliegenden Form ist es zwar gegenüber gesunden Menschen erhöht, entspricht jedoch ungefähr dem Thromboserisiko durch die Einnahme der Antibabypille bei Frauen und damit einem Risiko, das der Dienstherr als hinnehmbar ansieht.
Ergebnisse der genetischen Untersuchung durften nicht mitgeteilt werden
Unabhängig davon durfte der Gendefekt nicht zulasten des Klägers im Einstellungsverfahren berücksichtigt werden, weil er aufgrund einer genetischen Untersuchung diagnostiziert wurde. Die Mitteilung des diesbezüglichen Ergebnisses durfte die Bundespolizei aus Rechtsgründen nicht verlangen.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 10.3.2025, 1 K 1304/23, PM vom 10.3.2025
| Die Verwendung eines abstrakt gefährlichen Gegenstands – hier eines Klappmessers – zu einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch – hier Reparaturversuch an einer Uhr – läuft den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider und steht deshalb der Anerkennung eines Unfallereignisses als Dienstunfall entgegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Mit dem Messer versucht, Klemmfeder zu richten
Der mittlerweile pensionierte Kläger war Polizeivollzugsbeamter im saarländischen Landesdienst. Im April 2019 erstattete er bei seiner Dienststelle eine Dienstunfallanzeige. Danach habe er zu Dienstbeginn festgestellt, dass die sonst über der Tür hängende Wanduhr auf der Fensterbank gelegen habe. Es sei ihm aufgefallen, dass die Batterie der Uhr unsachgemäß im Batteriefach gesteckt habe und die Klemmfeder verbogen gewesen sei. Er habe mit seinem Klappmesser die verbogene Feder wieder richten wollen. Hierbei sei das Messer zugeschnappt und er habe sich einen tiefen Schnitt am kleinen Finger der rechten Hand zugezogen.
Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls
Sein Antrag auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall ist behördlich und in den beiden gerichtlichen Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwiderlaufe, wenn ein Beamter sich ohne Not einem Verletzungsrisiko durch Hantieren mit einem privaten, abstrakt gefährlichen Gegenstand aussetze, dessen Funktionstauglichkeit der Dienstherr nicht prüfen könne.
Keine dienstliche Aufgabe
Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall. Zwar hat sich der Unfall in einem Dienstgebäude zur Dienstzeit ereignet und ist damit grundsätzlich als „in Ausübung des Dienstes eingetreten“ vom Dienstunfallschutz erfasst. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Reparatur der Uhr nicht zu den dienstlichen Aufgaben des Klägers als Polizeibeamter gehörte. Dienstunfallschutz wird jedoch nicht gewährt, wenn dieTätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft. Das ist hier der Fall.
Entgegen den Interessen des Dienstherrn
Dabei kann dahinstehen, ob es sich um ein Einhandmesser im Sinne des Waffengesetzes handelte und das Führen des Messers bereits deshalb verboten war. Jedenfalls lief die Benutzung dieses Messers zum Zweck einer Uhrreparatur den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider. Das verwendete Messer ist ein abstrakt gefährlicher Gegenstand, der für den Zweck der Reparatur ersichtlich nicht bestimmt und nicht geeignet war.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 13.3.2025, 2 C 8.24, PM 16/25
| Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellt den Arbeitnehmer trotz dessen Beschäftigungsanspruchs von der Arbeit frei, unterlässt der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig in Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 615 S. 2 BGB) anderweitigen Verdienst, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis eingeht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Das war geschehen
Der Kläger war seit November 2019 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Senior Consultant gegen eine monatliche Vergütung von 6.440 Euro brutto. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.3.2023 ordentlich zum 30.6.2023 und stellte den Kläger unter Einbringung von Resturlaub unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht (ArbG) am 29.6.2023 statt, die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) am 11.6.2024 zurückgewiesen.
Arbeitgeber schlug Stellenangebote vor
Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Kläger Anfang April 2023 arbeitssuchend und erhielt von der Agentur für Arbeit erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge. Die Beklagte übersandte ihm hingegen schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote, die nach ihrer Einschätzung für den Kläger in Betracht gekommen wären.
Arbeitnehmer bewarb sich – aber erst zum Beschäftigungsende
Auf sieben davon bewarb sich der Kläger, allerdings erst ab Ende Juni 2023. Nachdem die Beklagte dem Kläger für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, hat er diese mit einer Klage geltend gemacht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewendet, der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bei der Beklagten bezogenen Gehalts anrechnen lassen.
Arbeitgeber war durch einseitige Freistellung im Annahmeverzug
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) ihr stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Beklagte befand sich aufgrund der von ihr einseitig erklärten Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug und schuldet dem Kläger (nach § 615 S. 1 BGB iVm. § 611 a Abs. 2 BGB) die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss sich der Kläger nicht (nach § 615 S. 2 BGB) anrechnen lassen. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil ist nur gerechtfertigt, wenn dieser wider Treu und Glauben (nach § 242 BGB) untätig geblieben ist. Weil § 615 S. 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend hiervon bestand für ihn keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Beklagten ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.
Quelle | BAG, Urteil vom 12.0.2025, 5 AZR 127/24, PM 6/2
| Mit dem vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) wurden die Aufzeichnungspflichten für Verrechnungspreiszwecke in der Abgabenordnung (hier: § 90 Abs. 3 und Abs. 4 AO) angepasst. Ein neuer Bestandteil ist die Transaktionsmatrix. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat hierzu nun Stellung bezogen. |
Transaktionsmatrix: Tabelle mit vorgegebenen Elementen
Die Transaktionsmatrix ist eine tabellarische Übersicht, die relevante Informationen zu grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen des Steuerpflichtigen mit nahestehenden Personen und Betriebsstätten enthält.
Das BMF führt auf, was in der Transaktionsmatrix anzugeben ist:
- Gegenstand und Art der Geschäftsvorfälle (z. B. Warenlieferung und Dauersachverhalt),
- an den Geschäftsvorfällen Beteiligte unter Kennzeichnung von Leistungsempfänger und Leistungserbringer,
- Volumen und Entgelt (in EUR) der Geschäftsvorfälle (z. B. Darlehensvolumen und Zins oder Entgelt für eine Warenlieferung oder Dienstleistung),
- vertragliche Grundlage (Benennung der Vertragsunterlage),
- angewandte Verrechnungspreismethode (z. B. Kostenaufschlagsmethode oder Preisvergleichsmethode),
- betroffene Steuerhoheitsgebiete und
- Angabe, ob Geschäftsvorfälle nicht der Regelbesteuerung im betreffenden Steuerhoheitsgebiet unterliegen
Zudem sind dem Schreiben als Anlage zwei Beispiele für eine Transaktionsmatrix angefügt. Abweichungen durch den Steuerpflichtigen sind nur unter den im Schreiben genannten (zeitlichen) Voraussetzungen zulässig.
Vorgaben ab 2025
Bei einer Außenprüfung sind ab 2025 (ohne gesondertes Verlangen) innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen: die Stammdokumentation bei Überschreiten der Größenklassen, Aufzeichnungen über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle und die Transaktionsmatrix.
Transaktionsmatrix auch für Vorjahreszeiträume
Da eine Prüfungsanordnung, die im Jahr 2025 ergeht, i. d. R. auch Prüfungszeiträume vor 2025 umfasst, muss eine Transaktionsmatrix in diesen Fällen auch für die Vorjahre erstellt werden. Die 30-Tage-Frist gilt für ein im Jahr 2025 gestelltes Vorlageverlangen hinsichtlich der Transaktionsmatrix, auch wenn die Prüfungsanordnung vor 2025 ergangen ist.
Beachten Sie | Werden keine ertragsteuerlichen Auslandssachverhalte geprüft, sind die o. g. Unterlagen nur auf gesondertes Verlangen vorzulegen.
Quelle | BMF, Schreiben vom 2.4.2025, IV B 3 - S 0225/00019/004/009
| In einem Verfahren vor dem Landgericht (LG) Frankfurt a. M. klagte ein Hersteller u. a. von Mobilfunkgeräten mit Niederlassung in Deutschland gegen ein in der Volksrepublik China ansässiges Unternehmen. Die chinesische Beklagte ist Inhaberin von Patenten, die für mehrere Mobilfunkstandards essenziell sind. Sie hat sich dazu verpflichtet, Lizenzen für diese Patente zu fairen Bedingungen zu erteilen. Die Klägerin wollte mit ihrer Klage erreichen, dass die chinesische Beklagte ihr Mobilfunklizenzen zu bestimmten Konditionen gewährt. |
Beschleunigung des Verfahrens
Zur Durchführung des Verfahrens bedarf es zunächst der förmlichen Zustellung der Klageschrift. Grundsätzlich wäre die Zustellung im Wege der Rechtshilfe unter Beteiligung chinesischer Stellen am Sitz der Beklagten in der Volksrepublik China vorzunehmen. In Ausnahmefällen kann nach der Zivilprozessordnung (ZPO) jedoch davon abgesehen werden und das Gericht eine öffentliche Zustellung anordnen, etwa wenn die Zustellung im Ausland keinen Erfolg verspricht. Das hat das LG hier für die Zustellung in der Volksrepublik China angenommen. Es hat eine öffentliche Zustellung bewilligt.
Das LG: Das Gebot eines wirkungsvollen Rechtsschutzes erfordert, dass dieser in angemessener Zeit zu erlangen ist. Keinen Erfolg verspricht die Zustellung daher, wenn die Durchführung einen derart langen Zeitraum in Anspruch nehmen würde, dass ein Zuwarten der betreibenden Partei billigerweise nicht zugemutet werden kann. Für die Entscheidung der Frage, ob die Dauer einer Zustellung im Wege der Rechtshilfe nicht mehr zumutbar ist, bedarf es einer Abwägung der beiderseitigen Interessen.
Der übliche Weg dauert zu lange
Die Klägerin, so das LG, habe dargelegt, dass die Auslandszustellung in der Volksrepublik China nicht stets gelingt und auch dann einen Zeitraum von deutlich mehr als einem Jahr in Anspruch nimmt. Nach der Erfahrung anderer deutscher Gerichte, die sich mit der Erfahrung der Kammer deckt, nimmt die Zustellung in der Volksrepublik China einen erheblichen Zeitraum in Anspruch. Bei dieser Sachlage überwiegen die Interessen der Klägerin auf effektiven Rechtsschutz die Interessen der Beklagten im Hinblick auf die Gefährdung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Das LG hat der Klägerin allerdings aufgegeben, die Beklagte auf nicht-förmlichem Weg zu informieren, dass hier in Deutschland die öffentliche Zustellung der Klage erfolgt.
Quelle | LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 15.1.2025, 2-06 O 426/24, PM vom 7.2.2025
| Das Landgericht (LG) München I hat im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass einem Online-Apotheken-Anbieter die Bewerbung der sog. „Abnehmspritze“ gegenüber Endverbrauchern in ihrer konkreten Form untersagt ist. |
Fragebogen ausfüllen, Medikament bekommen?
Eine Apothekenkammer wendete sich in ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dagegen, dass eine in den Niederlanden ansässige Online-Apotheke gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland für Fernbehandlungen mit dem Ziel der Verschreibung von Arzneimitteln zur Gewichtsreduktion/Adipositas wirbt, wobei die Behandlung lediglich in der ärztlichen Überprüfung eines durch den Nutzer auf einer Plattform ausgefüllten Fragebogens besteht. Für die Verschreibung des Medikaments durch die beklagte Online-Apotheke ist hierbei nach der Werbung zur Bestellung lediglich das Ausfüllen eines Fragebogens erforderlich, welcher nach Vortrag der Antragsgegnerin sodann von einem (nicht in Deutschland ansässigen) Arzt vor der Verschreibung überprüft wird.
Zulässige Fernbehandlung?
Die beklagte Apotheke hatte gegen ein Verbot eingewandt, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verspätet sei. Die Antragsstellerin kenne das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin bereits aus einem anderen Verfahren, dessen Gegenstand Medikamente zur Behandlung erektiler Dysfunktion waren. Beworben und umschrieben werde außerdem lediglich eine „Gewichtsverlustbehandlung“; dies lasse keinen zwingenden Schluss auf die Abnehmspritze zu. Dies sei zulässig und verstoße nicht gegen das Heilmittelwerbegesetz. Das Ausfüllen eines Fragebogens, der dann von einem Arzt überprüft werde, sei auch eine zulässige Fernbehandlung unter Verwendung von Kommunikationsmedien, bei der ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich sei.
Landgericht: kein allgemein anerkannter fachlicher Standard
Dem folgte das LG nicht: Die Fernbehandlung von Adipositas mittels Ausfüllens eines Fragebogens entspreche nicht allgemein anerkannten fachlichen Standards. Vielmehr sei vor der Verschreibung einer Abnehmspritze ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen erforderlich. Dies ergebe sich bereits aus den „Warnhinweisen“, die die beklagte Apotheke dem Gericht selbst vorgelegt habe: In diesen werde auf zahlreiche Nebenwirkungen, wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, Hypoglykämie (bei Patienten mit Typ-2-Diabetes) und Schwindel, auf das Risiko der Unterzuckerung und darauf hingewiesen, dass die Behandlung eingestellt werden sollte, wenn man in drei Monaten nach Behandlungsbeginn nicht mindestens 5 % seines Körpergewichts verliere.
Darüber hinaus werde in den von der Beklagten selbst vorgelegten Unterlagen ausgeführt, dass eine regelmäßige Nachsorge und Überwachung während einer Gewichtsreduktion unbedingt erforderlich sei. Gerade diese, von der beklagten Apotheke selbst für erforderlich gehaltene regelmäßige Nachsorge erfordere aber zwingend einen persönlichen ärztlichen Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen, welcher weder von der beklagten Apotheke noch von den verschreibenden Ärzten – schon aufgrund der räumlichen Distanz – geleistet werden könne.
Hinzu komme, dass ausweislich der Patientenleitlinie zur Diagnose und Behandlung der Adipositas der deutschen Adipositasgesellschaft zahlreiche Untersuchungen, u. a. des Bluts und des Urins, nötig seien, um Adipositas zu diagnostizieren und zu behandeln. Dies könne daher gerade nicht im Wege der Fernbehandlung erfolgen.
Werbung für den Absatz von Medikamenten
Es handele sich bei der Werbung der Beklagten ferner nicht um die Werbung für eine Behandlung als solche, wie diese vorgetragen habe, sondern um die Werbung für den Absatz von Medikamenten. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Werbung. Um welche Gruppe von Präparaten es sich hierbei handele, wüssten die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der Kammer gehörten, bereits deshalb, weil „die Abnahmespritze“ in jüngster Zeit starke mediale Aufmerksamkeit erfahren habe.
Quelle | LG München I, Beschluss vom 3.3.2025, 4 HK O 15458/24, PM 3/25
| Wann haben Leiharbeitnehmer beim Entleiher eine erste Tätigkeitsstätte? Zu dieser Frage gibt es neue Entwicklungen bzw. ist ein Verfahren beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig: Liegt bei Leiharbeitnehmern eine dauerhafte Zuordnung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 4 S. 3 Altern. 2 EStG, Zuordnung für die Dauer des Dienstverhältnisses) zu einer ersten Tätigkeitsstätte vor, wenn ein befristetes Beschäftigungsverhältnis zum Personaldienstleister (Verleiher) wiederholt vor Ablauf der Befristung bei unverändertem Vertragsinhalt verlängert wird und jeweils eine Verlängerung der befristeten Zuordnung zu demselben Entleiher bei unverändertem Einsatzort erfolgt? |
Hintergrund: Bei einer ersten Tätigkeitsstätte ist der Arbeitnehmer beim Kostenabzug auf die Entfernungspauschale beschränkt. Handelt es sich allerdings um eine Auswärtstätigkeit, kann er seine Fahrtkosten (ggf. auch Verpflegungsmehraufwand) nach Reisekostengrundsätzen geltend machen, was steuerlich günstiger ist.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.6.2024, 12 K 38/24, Rev. BFH: VI R 2/25
| Für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Baudenkmäler und in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen belegene Gebäude können unter bestimmten Voraussetzungen Abzugsbeträge nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 f EStG) über zehn Jahre wie Sonderausgaben geltend gemacht werden. Verstirbt nun der Steuerpflichtige vor Ablauf des zehnjährigen Abzugszeitraums, kann der Erbe die Abzugsbeträge des Erblassers nicht fortsetzen. Dies entschied das Finanzgericht (FG) Sachsen-Anhalt |
Das gilt selbst dann, wenn der Erbe das Gebäude zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Gegen dieses Urteil des FG Sachsen-Anhalt ist die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig. Bis zu einer Entscheidung des BFH können geeignete Fälle mit einem Einspruch somit offengehalten werden.
Quelle | FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.7.2024, 1 K 903/21; Rev. BFH, X R 23/24
| Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten stellt sich oft die Frage, wem das Besteuerungsrecht zusteht. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei Entscheidungen die Voraussetzungen konkretisiert, die im grenzüberschreitenden Sachverhalt im Anwendungsbereich eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) zu einer ausländischen Betriebsstätte führen. Aus einer solchen Betriebsstätte erzielt der Steuerpflichtige in der Regel Einkünfte, die im Inland steuerfrei sind und nur der ausländischen Besteuerung unterliegen. |
Taxiunternehmen mit Büro in der Schweiz
Ein in Deutschland lebender Taxiunternehmer hatte wegen seiner Mitgliedschaft in einer Schweizerischen Taxifunkzentrale Zugang zu deren Büroraum in der Schweiz. Dieser Raum war mit drei Arbeitsplätzen eingerichtet und stand insgesamt drei Taxiunternehmern zur Verfügung.
Der Taxiunternehmer nutzte den Büroraum (einschließlich eines abschließbaren Standcontainers) für geschäftsleitende Tätigkeiten sowie für die Personalverwaltung seiner angestellten Taxifahrer, die Vorbereitung der laufenden Buchführung, das Rechnungswesen, die Finanzkontrolle sowie die Kontrolle der Einhaltung behördlicher Auflagen.
Der BFH bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg, die Einkünfte des Taxiunternehmers in Deutschland unter Progressionsvorbehalt steuerfrei zu stellen, da in der Schweiz die Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte erfüllt sind.
„Verwurzelung“ mit dem im Ausland belegenen Ort bei Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit
Hierfür ist die „Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem im Ausland belegenen Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit maßgebend. Diese Verwurzelung folgt aus einer Gesamtwürdigung der in Wechselwirkung zueinander stehenden Merkmale der zeitlichen und örtlichen Festigkeit der Geschäftseinrichtung sowie der dauerhaften Verfügungsmacht des Unternehmens über diese Geschäftseinrichtung.
Der persönliche Standcontainer ist insoweit ein Indiz für die dauerhafte Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung (hier: den Büroraum). Darüber hinaus wurden in dem Büroraum nicht nur Hilfstätigkeiten ausgeübt.
Die Haupttätigkeit eines Taxiunternehmers mit mehreren angestellten Taxifahrern erschöpft sich nicht allein im Fahren von Taxis zum Zwecke der Personenbeförderung. Vielmehr gehören hierzu auch die geschäftsleitenden und zentralen unternehmerisch-administrativen Tätigkeiten, die der Taxiunternehmer in dem Büroraum in der Schweiz ausgeübt hat.
Zeitliche Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte
In einem weiteren Verfahren ging es um die zeitlichen Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte. Sowohl für das Innehaben der Geschäftseinrichtung als auch für die unternehmerische Tätigkeit, die in der Geschäftseinrichtung ausgeübt wird, hat der BFH eine Mindestdauer von sechs Monaten festgelegt.
Sechs Monate Mindestdauer ohne Ausnahme
Ein Unternehmen, das nur weniger als sechs Monate existiert, rechtfertigt selbst dann keine Ausnahme, wenn die Tätigkeit dieses Unternehmens vollständig in der ausländischen Geschäftseinrichtung ausgeübt wurde.
Quelle | BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 47/21; BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 39/21; PM 26/25 vom 2.5.2025
| Die gesetzlichen Altersrenten werden im Rahmen der jährlichen Rentenanpassung zum 1.7.2025 um 3,74 % steigen. Der Bundesrat hat einer entsprechenden Verordnung zugestimmt. |
Beachten Sie | Die Rentenanpassung kann dazu führen, dass Rentner erstmals in die Steuerpflicht rutschen und eine Steuererklärung abgeben müssen. Eine Steuerpflicht tritt aber nur ein, wenn der steuerpflichtige Teil der Jahresbruttorente – zuzüglich weiterer Einkünfte (z. B. aus einer Vermietung) und unter Berücksichtigung etwaiger Freibeträge und sonstiger Abzugsbeträge – den steuerlichen Grundfreibetrag übersteigt. Für das Jahr 2024 beträgt der Grundfreibetrag 11.784 Euro pro Jahr, für 2025 sind es 12.096 Euro. Bei einer steuerlichen Zusammenveranlagung von Eheleuten gelten die doppelten Werte.
Quelle | Rentenwertbestimmungsverordnung 2025, BR-Drs.190/25
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hatte 2023 entschieden: Überträgt der Steuerpflichtige schenkweise einen Miteigentumsanteil an einem Vermietungsobjekt, ohne auch die Finanzierungsdarlehen anteilig zu übertragen, kann er die Schuldzinsen nur noch anteilig entsprechend seinem verbliebenen Miteigentumsanteil abziehen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat diese Sichtweise nun bestätigt, sodass die auf den übertragenen Miteigentumsanteil entfallenden Schuldzinsen nicht als (Sonder-)Werbungskosten zu berücksichtigen sind. |
Das war geschehen
Der Alleineigentümer (Vater) einer vermieteten Immobilie hatte einen ideellen 2/5-Miteigentumsanteil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich auf seinen Sohn übertragen. Die Grundschuld wurde von dem Sohn entsprechend seinem Miteigentumsanteil zur dinglichen Haftung übernommen. Zu einer schuldrechtlichen Schuldübernahme bzw. einem Schuldbeitritt zur Darlehensschuld gegenüber der Bank kam es jedoch nicht.
In der Feststellungserklärung für die Grundstücksgemeinschaft bzw. die Vermietungs-GbR wurden Darlehenszinsen in voller Höhe geltend gemacht. Diese berücksichtigte das Finanzamt allerdings nur zu 3/5 (= Anteil des Vaters).
Die hiergegen gerichtete Klage blieb ebenso erfolglos wie die Revision.
Von Finanzierung der Einkünfteerzielungstätigkeit zur Finanzierung der Schenkung
Durch die unentgeltliche Übertragung des Miteigentumsanteils wurde insoweit der (objektive) wirtschaftliche Zusammenhang der zur Finanzierung der Anschaffung der Immobilie aufgenommenen Darlehen zur bisherigen Einkünfteerzielungstätigkeit gelöst. Fortan dienten die Darlehen der Finanzierung der Schenkung.
Beachten Sie | Das FG Niedersachsen hatte die Revision im Hinblick auf folgende Frage zugelassen: Ist es gerechtfertigt, den Sachverhalt bei einer vermögensverwaltenden GbR (wie im Streitfall) anders zu behandeln als bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb? Und das hat der BFH eindeutig mit „ja“ beantwortet.
Die Begründung: Das Einkommensteuerrecht wird vom Dualismus der Einkunftsarten (Gewinn- und Überschusseinkünfte) bestimmt. Die unterschiedliche Erfassung von Wertsteigerungen bzw. -minderungen im Betriebs- und Privatvermögen ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar.
Quelle | BFH, Urteile vom 3.12.2024, IX R 2/24 und IX R 3/24
| Eine Frau muslimischen Glaubens ist vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin mit einer Klage gescheitert, mit der sie eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kraftfahrzeugs mit einem Gesichtsschleier erstreiten wollte. |
Nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) dürfen Personen, die ein Kraftfahrzeug führen, ihr Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken, dass sie nicht mehr erkennbar sind (Verhüllungsverbot). Die Klägerin hatte geltend gemacht, ihr muslimischer Glaube gebiete es, dass sie sich außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Auch im Auto sei sie den Blicken fremder Menschen ausgesetzt. Daher müsse ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Ihren Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Ausnahmegenehmigung hatte das Land Berlin abgelehnt. Dagegen richtete sich die Klage.
Das VG hat die Klage abgewiesen. Eine Ausnahmegenehmigung könne die Klägerin auch mit Blick auf ihre grundrechtlich geschützte Religionsfreiheit nicht beanspruchen. Diese müsse nach Abwägung aller widerstreitenden Interessen hinter anderen Verfassungsgütern zurücktreten. Das Verhüllungsverbot gewährleiste eine effektive Verfolgung von Rechtsverstößen im Straßenverkehr, indem es die Identifikation der Verkehrsteilnehmer ermögliche, etwa im Rahmen von automatisierten Verkehrskontrollen. Es diene zudem dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums Dritter, weil Kraftfahrzeugführer, die damit rechnen müssten, bei Regelverstößen herangezogen zu werden, sich eher verkehrsgerecht verhalten würden als nicht ermittelbare Autofahrer.
Demgegenüber wiege der Eingriff in die Religionsfreiheit der Klägerin weniger schwer. Ein gleich wirksames, aber mit geringeren Grundrechtseinschränkungen verbundenes Mittel zur Erreichung der mit dem Verhüllungsverbot verfolgten Zwecke stehe nicht zur Verfügung. So könne etwa eine Fahrtenbuchauflage nur dem Halter eines Fahrzeugs auferlegt werden; die Klägerin begehre jedoch eine Ausnahme in ihrer Eigenschaft als Führerin eines Fahrzeugs. Gleichermaßen ungeeignet erscheine der Vorschlag der Klägerin, einen Niqab mit einem „einzigartigen, fälschungssicheren QR-Code“ zu versehen und die Ausnahme vom Verhüllungsverbot mit einer solchen Auflage zu verbinden. Denn dadurch sei nicht sichergestellt, dass die Person, die den Niqab trage, auch tatsächlich die Person sei, für die der QR-Code kreiert wurde.
Gegen das Urteil kann der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg gestellt werden.
Quelle | VG Berlin, Urteil vom 27.1.2025, VG 11 K 61/24, PM 5/25
| Ein Motorradfahrer wollte einen Auffahrunfall vermeiden. Er bremste deshalb sehr stark. Weil die Maschine kein Antiblockiersystem (ABS) hatte, blockierte das Vorderrad und der Motorradfahrer stürzte. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in diesem Fall kompakte Ausführungen zum „Idealfahrer“ hinsichtlich der Unabwendbarkeit gemacht. Besonders wichtig: Er bezieht die Situation vor dem Unfallgeschehen mit ein. |
Es kommt nicht nur auf die konkrete Situation an, …
Ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein „Idealfahrer“ reagiert hat, ist nicht allein entscheidend. Vielmehr ist zu berücksichtigen, ob ein „Idealfahrer“ überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre. Der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr nun (zu spät) „ideal“ verhält. Der „Idealfahrer“ hat in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind,Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden.
… sondern darauf, ob der Fahrer vorausschauend gehandelt hat
Dahinstehen kann also, ob der Sturz des Klägers noch im Zeitpunkt des Abbremsens durch kontrolliertes Betätigen der Vorderradbremse vermeidbar gewesen wäre. Denn ein Idealfahrer, der weiß, dass sein Motorrad nicht über ein ABS verfügt und bei einer reflexhaften Vollbremsung ein Sturz droht, hätte von vornherein eine Fahrweise gewählt, mit der ein reflexhaftes Bremsen in der Situation des Klägers vermieden worden wäre. Er hätte den Abstand zum Vorausfahrenden und die Geschwindigkeit so bemessen, dass er selbst im Fall plötzlich scharfen Bremsens des Vorausfahrenden – das er stets einkalkulieren muss – noch hätte kontrolliert bremsen und sowohl einen Sturz als auch eine Kollision mit dem Vorausfahrenden hätte vermeiden können.
Quelle | BGH, Urteil vom 3.12.2024, VI ZR 18/24
| Besuchen Halbgeschwister, die mit dem gemeinsamen Elternteil zusammenleben, gleichzeitig im Stadtgebiet Kindertageseinrichtungen, sind bei der Festsetzung von Elternbeiträgen hierfür satzungsrechtliche Geschwisterermäßigungen oder -befreiungen zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Halbgeschwister neben dem gemeinsamen Elternteil auch mit dem anderen Elternteil des einen Kindes in häuslicher Gemeinschaft zusammenleben. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden. |
Beitragsbefreiung oder nicht?
Die gemeinsame, im Juli 2019 geborene Tochter der Kläger nahm im Schuljahr 2021/2022 das Betreuungsangebot einer Kindertageseinrichtung in der beklagten Stadt wahr. Mit ihr und ihren Eltern lebte seinerzeit ein weiteres von der Klägerin, nicht aber vom Kläger abstammendes Kind in der gemeinsamen Wohnung, das dieselbe Kindertageseinrichtung besuchte, wofür wegen Vollendung des vierten Lebensjahres aufgrund einer landesrechtlichen Bestimmung kein Elternbeitrag zu leisten war. Die Stadt setzte gegenüber den Klägern auf Basis ihres gemeinsamen Jahreseinkommens einen monatlichen Elternbeitrag in Höhe von 313 Euro fest. Hiergegen wandten sich die Kläger und beriefen sich auf eine Vorschrift der Elternbeitragssatzung (im Folgenden nur: Satzung) der beklagten Stadt. Danach entfällt bei Eingreifen einer landesrechtlich – für die letzte Zeit in Tagesbetreuung vor der Einschulung – im Kinderbildungsgesetz (KiBiz) angeordneten Beitragsbefreiung „auch der Beitrag für das zweite und jedes weitere Kind“. Diese Regelung folgt auf eine in sonstigen Fällen maßgebliche „Geschwisterregelung“ in der Satzung, wonach „nur ein Beitrag zul eisten“ ist, wenn „aus einer Familie […] mehr als ein Kind Betreuungsangebote […] in Anspruch“ nimmt.
Die auf Aufhebung der Beitragsfestsetzung gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht (VG) Arnsberg ab. Die dagegen eingelegte Berufung der Kläger hatte vor dem OVG Erfolg.
Gemeinsames Kind als weiteres Kind zu berücksichtigen
Das OVG hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen angeführt: Das gemeinsame Kind der Kläger ist als weiteres Kind der Familie im Sinne der Geschwisterregelungen in der Satzung zu berücksichtigen. Die Gemeinschaft zweier leiblicher Kinder derselben Mutter mitdieser und deren neuem Partner, der Vater nur eines der beiden Kinder ist, istbereits unter Zugrundelegung eines verfassungsrechtlichenBegriffsverständnisses als eine Familie anzusehen. Ein anderes Verständnis desFamilien- bzw. Geschwisterbegriffs lässt sich weder der städtischen Satzungnoch höherrangigem Recht entnehmen. Die auf einer Ermächtigung desLandesgesetzgebers beruhende allgemeine Geschwisterregelung in der Satzung –bei mehreren Kindern nur ein Elternbeitrag – entspricht im Kern einer früherenlandesgesetzlichen Regelung. Dieser lag allgemein eine Entlastung von Familienmit mehreren Kindern zugrunde, ohne dass etwa nach Voll- oder Halbgeschwisternunterschieden wurde. Bei dem Umstand, dass mehrere mit einem oder beidenElternteilen in einem Haushalt zusammenlebende Kinder Angebote derTagesbetreuung in Anspruch nehmen, für die jedenfalls der gemeinsame Elternteilgrundsätzlich beitragspflichtig wäre, handelt es sich um einen Gesichtspunktder sozialen Staffelung der Kostenbeiträge. Diese ist sowohl im Bundes- alsauch im Landesrecht angelegt und ermöglicht neben der – mit dem Einkommenkorrespondierenden – wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit derBeitragspflichtigen auch die Berücksichtigung anderer Aspekte, wie die Zahl derim gemeinsamen Haushalt lebenden und in Kindertageseinrichtungen zu betreuendenKinder. Vor diesem Hintergrund kommt eine Differenzierung danach, dass beideKläger für das mit ihnen zusammenlebende gemeinsame Kind beitragspflichtigsind, während das ältere Kind allein von der Klägerin abstammt und nur dieseinsoweit beitragspflichtig sein kann, nicht in Betracht.
Quelle | OVG Münster, Urteil vom 27.11.2024, 12 A 1627/22, PM vom 12.12.2024
| Die auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage einer 66-jährigen Großmutter, die mit ihrem Enkelkind an einem Straßenumzug teilgenommen hatte und gestürzt war, hatte vor dem Landgericht (LG) Frankenthal keinen Erfolg. Das LG hat festgestellt: Die zuständige Gemeinde muss eine Straße wegen einer nur einmal jährlich stattfindenden Veranstaltung nicht besonders absichern. Es gelten vielmehr die üblichen Maßstäbe der Verkehrssicherungspflicht bei Straßen und Plätzen. |
Über Gullydeckel gestolpert
Die verletzte Frau gab an, bei einem Straßenumzug über einen bis zu drei Zentimeter über das Straßenniveau ragenden Gullydeckel gestolpert und gestürzt zu sein. Durch den Sturz habe sie sich das linke Handgelenk und das rechte Schultergelenk gebrochen. Sie war der Ansicht, vor dem Umzug hätte die zuständige Verbandsgemeinde die Strecke besonders kontrollieren und absichern, Stolpergefahren beseitigen und etwa den hochstehenden Gullydeckel mit einer Gummimatte sichern müssen. Sie verlangte rund 1.700 Euro Schadenersatz und ein Schmerzensgeld in Höhe von 13.000 Euro.
Mit Unebenheiten muss man rechnen
Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit der Unebenheit von deutlich unter drei Zentimetern habe die Frau rechnen müssen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei es auch jedem Teilnehmer bekannt und spätestens bei Beginn des Umzugs ersichtlich, dass die Sicht auf die Straße wegen der Menschenansammlung eingeschränkt sei. Eine besondere Absicherung der Straße aufgrund des einmal jährlich stattfindenden Großereignisses sei daher nicht geboten gewesen. Die Abdeckung des Gullydeckels mit einer Gummimatte hätte den Höhenunterschied und die Stolpergefahr möglicherweise nur zusätzlich erhöht. Im Übrigen treffe die Frau ein überwiegendes Mitverschulden, was die geltend gemachten Ansprüche ebenfalls ausschließe.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 15.8.2024, 3 O 88/24, PM vom 27.2.2025
| Hat der Versicherer im Policenbegleitschreiben auf das Bestehen eines Widerspruchsrechts und die hierfür geltenden Anforderungen allgemein hingewiesen und diese an einer genau bezeichneten Stelle im Einzelnen näher erläutert, sind die jeweiligen Textstellen nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr ist dann eine Gesamtwürdigung beider Textstellen – als einheitliche Belehrung – geboten. So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken. |
Begründung: Angesichts des konkreten Verweises auf die einschlägige Bestimmung in der Verbraucherinformation seien auch die dortigen weiteren Informationen für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne Weiteres auffindbar. Im Fall des OLG galt dies insbesondere, da der Verbraucherinformation ein Inhaltsverzeichnis vorangestellt war. Aus dem ergab sich, dass die im Policenbegleitschreiben zitierte Textstelle „Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Vertrag noch widersprechen?“ sich unter Ziffer 6 befindet, die ihrerseits auf der betreffenden Seite mit der fettgedruckten Überschrift „6. Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Vertrag noch widersprechen?“ hervorgehoben war.
Quelle | OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.1.2024, 5 U 60/23
| Werden in einem Wohnhaus tragende Wände entfernt und durch eine Stahlträgerkonstruktion ersetzt, muss dies einem potenziellen Käufer der Immobilie ungefragt mitgeteilt werden. Verschweigt der Verkäufer diesen Umstand, stellt dies eine arglistige Täuschung dar, die den Käufer zur Anfechtung des Kaufvertrags berechtigt. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken in einer aktuellen Entscheidung festgestellt und der Klage eines Ehepaars gerichtet auf die Rückabwicklung eines Immobilienkaufvertrags stattgegeben. |
Verkäufer verheimlichten Umbau
Ein Ehepaar aus Pirmasens entschloss sich, das von ihnen etwa 10 Jahre lang selbst bewohnte Wohnhaus zu verkaufen. Was es dem kaufinteressierten Ehepaar nicht erzählte, war, dass es vor einigen Jahren ihr Wohnzimmer vergrößert, und dazu durch eine im Ausland ansässige Firma tragende Trennwände im 1. OG des Hauses hatte entfernen lassen. Nach Entfernung der Wände wurde die Decke nur noch durch zwei Eisenträger gestützt, die direkt auf das Mauerwerk aufgelegt und zusätzlich durch Baustützen gestützt wurden, die eigentlich nur für den vorübergehenden Gebrauch gedacht sind. Diese Trägerkonstruktion wurde anschließend durch Verblendungen verdeckt und war nicht mehr ohne Weiteres sichtbar. Um einen Nachweis über die Statik hatten sich die Eigentümer im Nachgang nicht bemüht.
Käufer fochten Kaufvertrag erfolgreich an
Als die neuen Eigentümer dann selbst einige bauliche Veränderungen an dem Haus durchführen wollten, beauftragten sie u. a. einen Statiker. Dieser stellte fest, dass die Trägerkonstruktion im 1. OG unzulässig und nicht dauerhaft tragfähig sei. Das Ehepaar hat den Kaufvertrag über das Hausgrundstück daraufhin angefochten und das Verkäuferehepaar auf Rückabwicklung verklagt. Mit Erfolg.
Das OLG gab dem Käuferehepaar Recht und verurteilte die Verkäufer zur Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückübereignung des Hausgrundstücks. Die Verkäufer seien in der Pflicht gewesen, auch ungefragt darüber zu informieren, dass tragende Wände entfernt, und damit in die Statik des Wohnhauses eingegriffen wurde. Erst recht hätten sie darüber aufklären müssen, dass kein Nachweis hinsichtlich der statischen Tragfähigkeit der Stahlträgerkonstruktion vorliege. Auch sei darüber zu informieren gewesen, dass die Arbeiten durch eine den Verkäufern kaum bekannte ausländische Firma durchgeführt wurden und zu den genauen Maßnahmen keinerlei Unterlagen vorlägen. Dies alles gälte auch, obwohl die Verkäufer wohl selbst von der ausreichenden Tragfähigkeit der Konstruktion ausgingen und auch obwohl die Käufer das Haus vor dem Kauf zusammen mit einer Bausachverständigen besichtigt hatten. Die Statik eines Wohnhauses sei im Hinblick auf mögliche Gefahren für die Gebäudesubstanz und auch für Leib und Leben der Bewohner von so wesentlichem Interesse, dass eine Veränderung an ihr einem Grundstückserwerber in jedem Fall ungefragt zu offenbaren sei.
Quelle | OLG Zweibrücken, Urteil vom 27.9.2024, 7 U 45/23, PM vom 25.2.2025
| Das Amtsgericht (AG) Flensburg hat entschieden: Der Mieter muss gesundheitliche Beeinträchtigungen für sich oder die seine Mitbewohner und die nachteiligen Auswirkungen eines Umzugs durch Vorlage fachärztlicher Atteste ausführlich darstellen. Sein Vortrag muss so konkret sein, dass das Gericht den Eintritt von relevanten Nachteilen als hinreichend wahrscheinlich annehmen kann. Dann ist das Gericht gehalten, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Der bloße unstreitige Umstand, dass die Kinder des Mieters einen Behindertenausweis und einen Pflegegrad zugesprochen bekommen haben, genügt nicht. Ohne Erläuterungen, welche Krankheiten oder Behinderungen die Kinder haben, kann das Gericht keinen Härtegrund annehmen. |
Der Vermieter kündigte den unbefristeten Wohnraummietvertrag wegen Eigenbedarf. Er begründete dies damit, er benötige das Objekt für sich und seine Lebensgefährtin als neuen Lebensmittelpunkt. Die Mieter widersprachen der Kündigung und beriefen sich insbesondere auf gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Mieterin leide an einer Angststörung und posttraumatischen Belastungsstörung und die beiden Kinder seien schwerbehindert und pflegebedürftig. Ein Umzug sei für die Familie unzumutbar.
Damit hatten sie vor dem AG keinen Erfolg. Das AG war nach der Zeugenvernehmung davon überzeugt, dass der Vermieter die Räume wegen der geplanten Familiensituation ernsthaft benötigte. Dass die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist, erkannte das AG nicht an. Denn die Mieter seien ihrer Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Härtegründe nicht nachgekommen.
Ein Härtegrund liege nur vor, wenn eine erhebliche Verschlechterung einer ernsten Erkrankung oder Lebensgefahr, die durch einen Sachverständigen zu klären ist, angenommen werden könne. Das Gericht hatte keine Anhaltspunkte, eine solche Verschlechterung des Gesundheitszustands der Kinder der Mieter anzunehmen. Der vorgelegte Behindertenausweis, das Pflegegutachten und das allgemeinärztliche Attest sprächen nur unkonkret von einer „gesundheitlichen Situation“ des Kindes. Das war dem Gericht zu unkonkret. Es fehle insbesondere vertiefter Vortrag dazu, wie sich die Erkrankung im Alltag auswirke und inwieweit mit einer Verschlechterung der Situation durch einen Umzug zu rechnen sei.
Quelle | AG Flensburg, Urteil vom 4.12.2024, 61 C 55/24
| Ein rechtlich beachtlicher Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses liegt nur vor, wenn sich der Anfechtende in einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses befunden hat, dagegen nicht, wenn lediglich falsche Vorstellungen von dem Wert der einzelnen Nachlassgegenstände vorgelegen haben. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschieden. |
Erblasserin wurde 106 Jahre alt
Die Erblasserin ist im Alter von 106 Jahren ohne Testament verstorben. Zuvor lebte sie seit längeren Jahren in einem Seniorenheim. Die Heim- und Pflegekostenkosten wurden aus Mitteln der Kriegsopferfürsorgestelle bestritten. Diese Leistungen wurden als Darlehen gewährt und durch eine Grundschuld an einem Haus der Erblasserin abgesichert. Der Ehemann der Erblasserin, ihre beiden Kinder und auch bereits ein Enkelkind waren vorverstorben. Gesetzliche Erben waren die Enkel und Urenkel der Erblasserin.
Enkelin schlug Erbschaft aus, Urenkel nicht
Nach dem Tod der Erblasserin hat u. a. die in gesetzlicher Erbfolge zur Erbin berufene Enkelin das Erbe ausgeschlagen und dabei angegeben, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Zwei Urenkel der Erblasserinnen haben das Erbe dagegen nicht ausgeschlagen. In der Folge wurde das Haus der Erblasserin unter Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Nachlasspflegerin an Dritte verkauft. Nach dem Verkauf des Hauses hat die Enkelin ihre Erklärung zur Erbausschlagung sodann wegen Irrtums angefochten. Danach hat sie die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der u. a. sie als Erbinzu 1/4 Anteil ausweisen sollte.
Das Nachlassgericht hat entschieden, dass der Erbschein wegen der angefochtenen Erbausschlagungserklärung der Enkelin, wie von ihr beantragt, erteilt werden müsse. Gegen diesen Beschluss wendete sich einer der Urenkel, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte, mit seiner Beschwerde.
Oberlandesgericht widersprach Nachlassgericht
Das OLG hat entschieden, dass der Erbscheinsantrag der Enkelin zurückzuweisen sei, da der von ihr beantragte Erbschein die eingetretene Erbfolge unzutreffend wiedergebe. Die Enkelin sei keine Erbin geworden, da sie die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und sie die Ausschlagungserklärung wegen Irrtums auch nicht wirksam anfechten könne.
Enkelin wusste nichts vom Bankkonto…
Soweit sie ihren Irrtum damit begründet habe, dass ihr erst im Nachhinein bekannt geworden sei, dass zum Nachlass ein Bankkonto bei der Kreissparkasse Köln mit einem vierstelligen Guthaben gehöre, läge zwar ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses vor. Dieser Irrtum hätte aber nicht ihre Ausschlagung der Erbschaft veranlasst. Denn selbst, wenn ihr das Konto bei der Kreissparkasse Köln bekannt gewesen wäre, hätte dies mangels wirtschaftlichem Gewicht des dortigen Guthabenbetrags gegenüber den restlichen Nachlasspositionen nichts an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses geändert.
… und unterschätzte den Verkaufserlös des Hauses
Soweit sich die Enkelin darauf berufe, sie habe sich geirrt, dass der Erlös aus dem Verkauf des Hauses der Erblasserin die Verbindlichkeiten aus dem mit der Grundschuld abgesicherten Darlehen für die Heim- undPflegekosten der Kriegsopferfürsorgestelle übersteige, liege kein Irrtum vor, der zur Anfechtung berechtige. Dieser Irrtum beruhe lediglich auf der unzutreffenden Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht über dessen Zusammensetzung.
Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14.8.2024, 8 W 102/23, PM vom 10.12.2024
| Beschränkt ein Bebauungsplan über ein Wochenendhausgebiet mittels sog. Baufenster die Bebaubarkeit von Flächen, kann für ein Grundstück, das außerhalb eines Baufensters gelegen ist, kein Bauvorbescheid erteilt werden. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Mainz. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist Pächterin eines Grundstücks, das im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, der ein Wochenendhausgebiet und hierfür überbaubare Flächen (sog. Baufenster) festsetzt. Das Pachtgrundstück ist danach nicht mit einem Wochenendhaus bebaubar, sondern nur mit Nebengebäuden, etwa zum Unterstellen von Gegenständen zur Freizeitnutzung.
Die Klägerin stellte einen Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheids zur Klärung der Frage, ob ihr Grundstück mit einem Wochenendhaus bebaubar sei, und beantragte hilfsweise eine Befreiung von der Festsetzung über die überbaubaren Flächen. Sie machte zur Begründung ihres Antrags geltend: Für jedes andere Grundstück in der Straße sehe der Bebauungsplan ein Baufenster vor, nicht aber für ihres – an vielen Stellen des Plangebiets seien nicht überbaubare Flächen zwischenzeitlich mit Gebäuden bebaut worden. Für ihr Grundstück sei sogar eine Hausnummer vergeben worden. Die Baugenehmigungsbehörde lehnte das Begehren ab. Das Widerspruchsverfahren blieb ohne Erfolg.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG wies die Klage ab. Die Errichtung eines Wochenendhauses auf dem Pachtgrundstück sei nicht genehmigungsfähig, denn für dieses sehe der Bebauungsplan keine Fläche vor, die mit einem solchen Gebäude bebaut werden dürfe.
Keine verdichtetete Bebauung im Erholungsgebiet gewünscht
Die Beschränkung der Bebaubarkeit der Flächen über das gesamte Plangebiet hinweg diene nach dem Willen der Gemeinde als Plangeberin der Verhinderung einer verdichteten Bebauung in dem Erholungsgebiet und dem Erhalt von Waldflächen. Damit liege eine städtebaulich legitimierte Planung vor, die auch das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) der von der Beschränkung betroffenen Eigentümer nicht verletze. Ohne den Bebauungsplan wären im Außenbereich Gebäude zur privaten Freizeitnutzung generell bauplanungsrechtlich unzulässig. Die Festsetzung über die beschränkte Bebaubarkeit, an deren Geltung die Gemeinde ausdrücklich weiter festhalte, sei auch nicht funktionslos geworden, sie könne die bauliche Entwicklung in dem Plangebiet auch künftig noch beeinflussen. Denn es gebe noch unbebaute Grundstücke, für die ebenfalls ein Baufenster festgesetzt sei. Der überwiegende Teil der Bebauung sei auch innerhalb der Baufenster verwirklicht worden.
Großer Teil hielt Regeln nicht ein: Bebauungsplan gilt trotzdem
Unerheblich sei hingegen, dass in einer Vielzahl von Fällen Grundstücke entgegen der Festsetzung zu den Baufenstern bebaut worden seien. Der Geltungsanspruch einer Norm, wie der eines Bebauungsplans, gehe nicht bereits dadurch unter, dass sich ein großer Teil der Betroffenen nicht an die Regelung halte. Die Vergabe einer Hausnummer diene allein ordnungsrechtlichen Belangen und begründe keine Baurechte für ein Grundstück. Eine Befreiung von der Festsetzung des Bebauungsplans über die beschränkte Bebaubarkeit der Grundstücke scheide aus, weil diese angesichts der Gesamtkonzeption einen Grundzug der Planung betreffe, über den die Baugenehmigungsbehörde – auch zur Vermeidung eines Präzedenzfalls – nicht hinweggehen könne. Allein die Gemeinde könne eine Umplanung des Bebauungsplans vornehmen.
Quelle | VG Mainz, Urteil vom 25.9.2024, 3 K 746/23.MZ, PM8/24
| Ein Energieberater schuldet zwar keinen Erfolg seiner Beratung in Form der tatsächlichen Förderung. Er muss aber korrekt beraten, sodass hieraus energetische Maßnahmen hervorgehen, die die Voraussetzungen der gesetzlichen Förderungsgrundlage erfüllen. Stellt er jedoch für die einzuhaltenden Wärmedurchgangskoeffizienten irrtümlicherweise auf die Werte des GEG ab, obwohl für die Förderung die Werte des BEG EM maßgeblich sind, sieht das Landgericht (LG) Berlin darin eine Verletzung seiner Beratungspflicht. Und das LG sieht den Berater sogar in der Pflicht, Schadenersatz zu leisten. |
Dienstvertragsrecht einschlägig
Das LG: Ein Energieberatungsvertrag ist als entgeltliche Geschäftsbesorgung einzuordnen, auf die Dienstvertragsrecht anzuwenden ist. Zwar wird angenommen, dass ein Energieberater in der Regel grundsätzlich keinen Erfolg in Form der tatsächlichen Förderung schulde oder dafür gar eine Garantie übernehme. Der Energieberater schuldet aber eine fachlich zutreffende Beratung, aus der energetische Maßnahmen hervorgehen, die die Voraussetzungen der gesetzlichen Förderungsgrundlage erfüllen.
Beratung zur Förderfähigkeit Hauptleistungspflicht
Diese Beratung im Hinblick auf förderfähige Maßnahmen stellt für den Verbraucher, der auf eine Förderung angewiesen ist, bei lebensnaher Betrachtung sogar eine Hauptleistungspflicht dar. Aufgabe einer Energie-Effizienz-Expertin im Rahmen der KfW-Förderung ist es regelmäßig, den Antragsteller über die passenden und aufeinander abgestimmten Sanierungsmaßnahmen für sein Gebäude zu beraten und gerade zu prüfen, ob diese technisch förderfähig sind, die Bestätigung zum Antrag und den späteren Verwendungsnachweis zu erstellen.
Konsequenzen
Gegenstand der Vertragsleistung war im Fall des LG die Beratung der energetischen Sanierung des Hauses in fachlicher Hinsicht und die Begleitung der Antragstellung beim Zuschussgeber mit dem Ziel der Förderungsfähigkeit der Baumaßnahmen. Der Energieberater hätte mithin geradezu treffend und vollständig dazu beraten und darauf hinwirken müssen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen auch wirklich förderungsfähig sind. Nicht umsonst hatte er ihr Honorar von einem Förderzuschuss abhängig gemacht und sogar unter die Bedingung einer Förderungsgewährung gestellt.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23
| Sichtbare Tätowierungen auf beiden Handrücken hindern die Zulassung zum Vorbereitungsdienst der Polizei nicht, wenn sie inhaltlich unbedenklich sind. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren entschieden. |
Tätowierungen auf den Handrücken
Die Antragstellerin begehrt die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst bei der Berliner Kriminalpolizei. Sie trägt unter anderem auf beiden Handrücken Tätowierungen. Bei den Motiven handelt es sich um Rosenblüten mit den Namen ihrer Kinder. Die Tattoos bedecken jeweils einen Großteil ihrer Handrücken. Die Berliner Polizei lehnte ihre Bewerbung deshalb ab. Hiergegen hat die Antragstellerin einen Eilantrag eingereicht.
Das VG hat dem Eilantrag teilweise stattgegeben und das Land Berlin verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Bewerbung der Antragstellerin zu entscheiden. Zur Begründung führt sie aus, das Tragen von Tätowierungen im sichtbaren Bereich könne einer Einstellung nur entgegenstehen, wenn die Tattoos über das übliche Maß hinausgingen und wegen ihrer besonders individualisierenden Art geeignet seien, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen.
Rosenblüten und Namen der Kinder: unkritischer Inhalt
Dies sei hier nicht der Fall. Es sei bereits zweifelhaft, ob die Tattoos der Antragstellerin über das übliche Maß hinausgingen. Vielfältige Tätowierungen, insbesondere von Blumen bzw. Pflanzen und persönlichen Daten, seien heutzutage weit verbreitet. Jedenfalls seien die Tattoos der Antragstellerin trotz ihrer Sichtbarkeit nicht geeignet, ihre amtliche Funktion in den Hintergrund zu drängen. Die klare Erkennbarkeit der Motive und deren unkritischer Inhalt böten Bürgerinnen und Bürgern keinen Anlass, über die persönlichen Überzeugungen der Antragstellerin als Privatperson zu spekulieren.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 27.2.2025, VG 26 L 288/24, PM 14/25
| Der professionelle Einsatz eines vollautomatischen Wanddruckers stellt kein zulassungspflichtiges Maler- und Lackiererhandwerk dar. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren entschieden. |
Laut Handwerkskammer bestand Meisterzwang
Die Antragstellerin stellt sog. Wanddrucker her, mit denen sich individuell vom Verwender programmierte Motive großflächig auf eine in der Regel vertikale Fläche auftragen lassen. Einer Käuferin des Wanddruckers wurde auf Nachfrage von der Handwerkskammer Berlin mitgeteilt, dass die gewerbliche Nutzung des Geräts zulassungspflichtig im Maler- und Lackierer-Handwerk sei und daher nur mit Fachkundenachweis und Eintrag in der Handwerksrolle gewerblich ausgeführt werden dürfe. Die Käuferin veröffentlichte die Auskunft auf ihrer Internetseite und erklärte, wegen des „Meisterzwangs“ keine Aufträge mehr für den Wanddrucker annehmen zu können.
Die Antragstellerin verlangte daraufhin von der Handwerkskammer insbesondere, diese – aus ihrer Sicht falsche – Auskunft zu widerrufen und zukünftig zu unterlassen. Die Veröffentlichung der Auskunft im Internet verursache ihr einen immensen wirtschaftlichen Schaden, weil die meisten ihrer Kunden über keinen entsprechenden Fähigkeitsnachweis verfügten. Nachdem die Handwerkskammer eine gesetzte Frist verstreichen ließ, hat die Antragstellerin bei Gericht einen Eilantrag und Klage eingereicht.
Verwaltungsgericht widersprach
Das VG hat dem Eilantrag stattgegeben. Begründung: Die Nutzung eines (vollautomatischen) Wanddruckers stelle für sich genommen regelmäßig keinen handwerklichen Betrieb eines Maler- und Lackierer-Handwerks dar. Sie sei vielmehr ohne Nachweis eines Fachkundenachweises oder einer Eintragung in die Handwerksrolle zulässig.
Weder Fachkundenachweis noch Eintragung in die Handwerksrolle notwendig
Die händischen Arbeitsschritte beim Bedienen des Wanddruckers beschränkten sich auf die Vorbereitung des Druckers und des Motivs sowie das Farbmanagement. Das Verbringen der Farbe auf die Oberfläche – als Kernbereich des Malerhandwerks – erfolge indes automatisiert. Angesichts der überschaubaren Komplexität und Schwierigkeit der Bedienung des Druckers genüge nach unbestrittener Darstellung der Antragstellerin eine zweitägige Schulung in aller Regel, um zufriedenstellende Ergebnisse mit dem Wanddrucker zu erzeugen. Die nötigen Vorbereitungshandlungen und das Mischen von Farben seien keine wesentlichen Tätigkeiten bei der Benutzung des Druckers, weil sie jedenfalls in unter drei Monaten erlernt werden könnten.
Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 19.2.2025, VG 4 L 847/24, PM vom 24.2.2025
| Verstößt der Arbeitgeber schuldhaft gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, dem Arbeitnehmer rechtzeitig für eine Zielperiode Ziele vorzugeben, an deren Erreichen die Zahlung einer variablen Vergütung geknüpft ist (Zielvorgabe), löst dies grundsätzlich einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadenersatz statt der Leistung aus. Voraussetzung: Eine nachträgliche Zielvorgabe kann ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen. So hat es das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Keine Vorgabe individueller Ziele
Der Kläger war bei der Beklagten bis zum 30.11.2019 als Mitarbeiter mit Führungsverantwortung beschäftigt. Arbeitsvertraglich war ein Anspruch auf eine variable Vergütung vereinbart. Eine ausgestaltende Betriebsvereinbarung bestimmt, dass bis zum 1.3. des Kalenderjahres eine Zielvorgabe zu erfolgen hat, die sich zu 70 % aus Unternehmenszielen und 30 % aus individuellen Zielen zusammensetzt, und sich die Höhe des variablen Gehaltsbestandteils nach der Zielerreichung des Mitarbeiters richtet. Am 26.9.2019 teilte der Geschäftsführer der Beklagten den Mitarbeitern mit Führungsverantwortung mit, für das Jahr 2019 werde, bezogen auf die individuellen Ziele, entsprechend der durchschnittlichen Zielerreichung aller Führungskräfte in den vergangenen drei Jahren von einem Zielerreichungsgrad von 142 % ausgegangen. Erstmals am 15.10.2019 wurden dem Kläger konkrete Zahlen zu den Unternehmenszielen einschließlich deren Gewichtung und des Zielkorridors genannt. Eine Vorgabe individueller Ziele für den Kläger erfolgte nicht. Die Beklagte zahlte an den Kläger für 2019 eine variable Vergütung von rund 15.600 Euro brutto.
Der Standpunkt der Parteien
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei ihm zum Schadenersatz verpflichtet, weil sie für das Jahr 2019 keine individuellen Ziele und die Unternehmensziele verspätet vorgegeben habe. Es sei davon auszugehen, dass er rechtzeitig vorgegebene, billigem Ermessen entsprechende Unternehmensziele zu 100 % und individuelle Ziele entsprechend dem Durchschnittswert von 142 % erreicht hätte. Deshalb stünden ihm unter Berücksichtigung der von der Beklagten geleisteten Zahlung weitere rund 16.000 Euro brutto als Schadenersatz zu. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Zielvorgabe sei rechtzeitig erfolgt und habe den Grundsätzen der Billigkeit entsprochen, weshalb ein Schadenersatzanspruch wegen verspäteter Zielvorgabe ausgeschlossen sei. Unabhängig davon könne der Kläger allenfalls eine Leistungsbestimmung durch Urteil nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 315 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 BGB) verlangen. Die Möglichkeit einer gerichtlichen Ersatzleistungsbestimmung schließe Schadenersatzansprüche wegen verspäteter Zielvorgabe aus. Im Übrigen sei die Höhe eines möglichen Schadens falsch berechnet.
Arbeitgeber verstieß gegen Pflicht aus Betriebsvereinbarung
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht (LAG) hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagte, wie vom LAG zu Recht erkannt, einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von rund 16.000 Euro brutto. Die Beklagte hat ihre Verpflichtung zu einer den Regelungen der Betriebsvereinbarung entsprechenden Zielvorgabe für das Jahr 2019 schuldhaft verletzt, indem sie dem Kläger keine individuellen Ziele vorgegeben und ihm die Unternehmensziele erst verbindlich mitgeteilt hat, nachdem bereits etwa ¾ der Zielperiode abgelaufen waren.
Arbeitnehmer siegt: kein Mitverschulden, keine Anrechnung
Eine ihrer Motivations- und Anreizfunktion gerecht werdende Zielvorgabe war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Deshalb kommt hinsichtlich der Ziele auch keine nachträgliche gerichtliche Leistungsbestimmung in Betracht. Bei der im Wege der Schätzung zu ermittelnden Höhe des zu ersetzenden Schadens war von der für den Fall der Zielerreichung zugesagten variablen Vergütung auszugehen und anzunehmen, dass der Kläger bei einer billigem Ermessen entsprechenden Zielvorgabe die Unternehmensziele zu 100 % und die individuellen Ziele entsprechend dem Durchschnittswert von 142 % erreicht hätte.
Besondere Umstände, die diese Annahme ausschließen, hat die Beklagte nicht dargetan. Der Kläger musste sich kein anspruchsminderndes Mitverschulden anrechnen lassen. Bei einer unterlassenen oder verspäteten Zielvorgabe des Arbeitgebers scheidet ein Mitverschulden des Arbeitnehmers wegen fehlender Mitwirkung regelmäßig aus, weil allein der Arbeitgeber die Initiativlast für die Vorgabe der Ziele trägt.
Quelle | BAG, Urteil vom 19.2.2025, 10 AZR 57/24, PM 7/25
| Säumniszuschläge werden festgesetzt, wenn die Zahlung nicht pünktlich erfolgt. Nach der Abgabenordnung (hier: § 240 AO) ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen Steuerbetrags zu entrichten, umgerechnet auf das Jahr also 12 %. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass wegen des deutlichen und nachhaltigen Anstiegs der Marktzinsen, der seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 zu verzeichnen ist, jedenfalls seit März 2022 keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Zuschläge bestehen. |
Darüber hinaus hat der BFH in diesem Verfahren Folgendes entschieden: Wenn das Finanzamt zwar Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt, deren Wirkung aber von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig macht, bewirkt die spätere Leistung der Sicherheit im Regelfall, dass die AdV mit (Rück-)Wirkung ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung eintritt und zuvor etwaig entstandene Säumniszuschläge entfallen.
Beachten Sie | Das Finanzamt kann allerdings ausdrücklich anordnen, dass die Wirkung der AdV erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung der Sicherheit beginnt.
Quelle | BFH, Beschluss vom 21.3.2025, X B 21/25 (AdV)
| Eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft steht der Anerkennung einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft grundsätzlich nicht entgegen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Eine Organschaft führt bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dazu, dass nicht mehr die Organgesellschaft ihren Gewinn zu versteuern hat, sondern der Organträger.
Beachten Sie | Die gemäß Körperschaftsteuergesetz (hier: §§ 14 ff. KStG) enthaltenen Regelungen für die Organschaft führen im Ergebnis dazu, dass z. B. in Konzernen die Konzernspitze (als Organträger) die Gewinne sämtlicher Tochtergesellschaften (als Organgesellschaften) zu versteuern hat, aber Verluste und Gewinne der verschiedenen Tochtergesellschaften dabei auch unmittelbar miteinander verrechnet werden können. Insbesondere dieser steuerliche Vorteil hat zu einer weiten Verbreitung der Organschaft in Deutschland geführt.
Das war geschehen
Im Streitfall hatte eine Kommanditgesellschaft (KG) mit einer GmbH einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, um eine Organschaft zu begründen. Danach war die „abhängige“ GmbH als Organgesellschaft verpflichtet, den ganzen von ihr erwirtschafteten Gewinn an die KG als Organträger abzuführen.
Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass an der GmbH als Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung bestand.
Bundesfinanzhof widerspricht Vorinstanzen
Da dem atypisch still Beteiligten ein Anteil von 10 % des Gewinns der GmbH zustand, vertraten das Finanzamt und nachfolgend auch das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern die Auffassung, dass lediglich 90 % des Gewinns an die KG als Organträger abgeführt worden sei, das Gesetz aber die Abführung des ganzen Gewinns fordere. Die Organschaft sei daher insgesamt nicht anzuerkennen. Dem ist der BFH aber nun entgegengetreten.
§ 14 Abs. 1 KStG setzt einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 des Aktiengesetzes (AktG) und die strikte Erfüllung der zivilrechtlichen Vertragspflichten voraus. Was als ganzer Gewinn abzuführen ist, bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Gewinnbeteiligungen, die einem stillen Gesellschafter zustehen, sind im Zivilrecht aber als Geschäftsunkosten vom Gewinn der GmbH abzusetzen. Dies betrifft sowohl die typische als auch die atypisch stille Gesellschaft.
Folglich ist der hiernach verbleibende „Rest-Gewinn“ (im Streitfall also die 90 %) der ganze Gewinn, der an den Organträger abgeführt werden muss. Dass eine (typische oder atypische) stille Beteiligung zivilrechtlich als Teilgewinnabführungsvertrag qualifiziert wird, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.12.2024, I R 33/22, PM 21/25 vom 3.4.2025
| Wenn eine per E-Mail versandte Werklohnrechnung gehackt und unbefugt verändert wird und der Kunde deshalb an einen unbekannten Dritten zahlt, muss er nicht noch einmal an den Werkunternehmer zahlen, wenn dieser die Rechnung ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung versandt hat und deshalb gegen ihn ein Schadenersatzanspruch gemäß Datenschutz-Grundverordnung (hier: Art. 82 DS-GVO) besteht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, erneut ihre Werklohnforderung zu zahlen, nachdem der Betrag wegen einer Manipulation der per E-Mail versandten Rechnung durch kriminell handelnde Dritte dem Konto eines Unbekannten gutgeschrieben wurde.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für die Installation von Haustechnik. Sie führte für die Beklagte Installationsarbeiten durch und rechnete die erbrachten Leistungen ihr gegenüber in drei Abschlagsrechnungen ab. Diese wurden jeweils als Anlage zu einer E-Mail im PDF-Format übersandt. Die ersten zwei Abschlagsrechnungen beglich die Beklagte per Überweisung an die auf den Rechnungen angegebenen Bankverbindungen der Klägerin.
Die dritte Abschlagsrechnung über rund 15.000 Euro, die zugleich die Schlussrechnung war, versandte die Klägerin ebenfalls als Anlage im PDF-Format per E-Mail. Diese Rechnung war jedoch auf ungeklärte Weise durch einen Dritten manipuliert worden, so dass die Beklagte den Rechnungsbetrag auf das Konto des unbekannten Dritten überwies. Auf dem Konto der Klägerin ging deshalb auf die Schlussrechnung keine Zahlung ein.
Keine Erfüllung durch Zahlung an unbekannten Dritten
Das Landgericht (LG) hat die Beklagte deshalb zur erneuten Zahlung verurteilt, weil eine Erfüllung durch die Zahlung an den unbekannten Dritten nicht eingetreten ist. Es hat ausgeführt, dass die Klägerin auch keine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat, sodass die Beklagte keinen Schadenersatzanspruch hat, den sie der Klageforderung gemäß § 242 BGB entgegenhalten kann. Die Klägerin hat nach Auffassung des LG keine Pflichtverletzung begangen, weil die von ihr vorgetragenen Schutzvorkehrungen in Form einer Transportverschlüsselung per SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) über TLS (Transport Layer Security) beim E-Mail-Verkehr mit Vertragspartnern ausreichend sind.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG hat in zweiter Instanz das Urteil des LG geändert und die Klage abgewiesen. Es hat entschieden, dass die Zahlung der Beklagten an einen Dritten zwar keine Erfüllung der Forderung bei der Klägerin bewirkt. Im Gegensatz zum Landgericht hat es jedoch einen Schadenersatzanspruch der Beklagten bejaht, den diese der Werklohnforderung der Klägerin nach § 242 BGB entgegenhalten kann, so dass sie die Forderung nicht noch einmal bezahlen muss.
Dieser Schadenersatzanspruch ergibt sich nach der Entscheidung des OLG aus Art. 82 Abs. 2 DS-GVO, weil die Klägerin im Zuge der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Beklagten bei Versand der streitgegenständlichen E-Mail mit Anhang gegen die Grundsätze der Art. 5, 24 und 32 DS-GVO verstoßen hat. Das OLG hält die Transportverschlüsselung, die beim Versand der streitgegenständlichen E-Mail in Form von SMTP über TLS verwendet worden sein soll, nicht für ausreichend und damit auch nicht als zum Schutz der Daten „geeignet“ im Sinne der DS-GVO.
Das OLG hob hervor, dass heute jedem Unternehmen, das personenbezogene Daten seiner Kunden computertechnisch verarbeitet, bewusst sein muss, dass der Schutz dieser Daten hohe Priorität – auch beim Versenden von E-Mails – genießt. Unternehmen müssen diesen Schutz durch entsprechende Maßnahmen so weit wie möglich gewährleisten.
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unabdingbar
Gerade bei sensiblen oder persönlichen Inhalten ist nach der Entscheidung des OLG nur eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Schutz im Sinne der DS-GVO geeignet, wenn ein hohes finanzielles Risiko durch Verfälschung der angehängten Rechnung für den Kunden besteht. Dass Kunden von Unternehmen bei einem Datenhacking Vermögenseinbußen drohen, ist ein Risiko, das dem Versand von Rechnungen per E-Mail immanent ist und deshalb eine entsprechende Voraussicht und ein proaktives Handeln erfordert. Der dafür erforderliche technische und finanzielle Aufwand kann auch von einem mittelständischen Handwerksbetrieb erwartet werden, wenn es seine Rechnungen nicht per Post versendet.
Quelle | OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.12.2024, 12 U 9/24, PM 1/25
| Wer im Zusammenhang mit seiner kommunalpolitischen Tätigkeit Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder erhält (im Streitfall ein ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats), erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Diese sind im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung zu verbeitragen. Dies hat jedenfalls das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen entschieden. |
Das LSG Nordrhein-Westfalen stellte heraus: Für die Zuordnung von Einnahmen zum Arbeitseinkommen ist die steuerliche Abgrenzung der Einkunftsarten maßgebend. Bei Anlegung dieser Maßstäbe handelt es sich auch bei den Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer kommunalpolitischen Tätigkeit in Gestalt von Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern erzielt werden, um Arbeitseinkommen nach dem Sozialgesetzbuch IV (hier: § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV).
Gegen dieses Urteil ist die Revision beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig.
Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.3.2024, L 5 KR 551/21, Rev. BSG: B 6 a/12 KR 12/24 R
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Die Verwendung von geschlechtsspezifischen Sterbetafeln bei der Bewertung lebenslänglicherNutzungen und Leistungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot. |
Hintergrund: Die Heranziehung geschlechterdifferenzierender Sterbetafeln dient dem Ziel, die Kapitalwerte lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen mit zutreffenden Werten zu erfassen und eine Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.
Da die statistische Lebenserwartung von Männern und Frauen unterschiedlich hoch ist, ermöglichen die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Vervielfältiger genauere und realitätsgerechtere Bewertungsergebnisse als geschlechtsneutrale Vervielfältiger.
Beachten Sie | Die Anwendung der geschlechtsspezifischen Sterbetafeln kann sich für den Steuerpflichtigen je nach Fallkonstellation günstiger oder ungünstiger auswirken und führt nicht per se zu einer Benachteiligung aufgrund des eigenen Geschlechts.
Der BFH musste nicht entscheiden, welche Auswirkungen sich aus dem am 1.11.2024 in Kraft getretenen Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) für die Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen ergeben.
Quelle | BFH, Urteile vom 20.11.2024, II R 38/22, II R 41/22, II R 42/22; PM 23/25 vom 10.4.2025
| Aufwendungen des Steuerpflichtigen für einen Umzug in eine andere Wohnung, um dort (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs(BFH) auch, wenn der Steuerpflichtige – wie in Zeiten der Corona-Pandemie – zwangsweise zum Arbeiten im häuslichen Bereich angehalten ist oder durch die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren sucht. |
Das war geschehen
Eheleute lebten mit ihrer Tochter in einer 3-Zimmer-Wohnung und arbeiteten nur in Ausnahmefällen im Homeoffice. Ab März des Streitjahrs 2020 (zunächst bedingt durch die Corona-Pandemie) arbeiteten sie überwiegend im Homeoffice, dort im Wesentlichen im Wohn-/Esszimmer. Ab Mai 2020 zogen sie in eine 5-Zimmer-Wohnung, in der sie zwei Zimmer als häusliches Arbeitszimmer einrichteten und nutzten.
Den Aufwand für die Nutzung der Arbeitszimmer und die Kosten für den Umzug in die neue Wohnung machten die Eheleute als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte zwar die Aufwendungen für die Arbeitszimmer an, mangels beruflicher Veranlassung lehnte es den Abzug der Kosten für den Umzug jedoch ab.
Demgegenüber bejahte das Finanzgericht (FG) Hamburg den Werbungskostenabzug auch für die Umzugskosten. Der Umzug in die größere Wohnung sei beruflich veranlasst gewesen, da er zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen geführt habe.
Dem folgte der BFH aber (aus Steuerzahlersicht „leider“) nicht und bestätigte die ablehnende Entscheidung des Finanzamts.
Wohnung: privater Lebensbereich
Die Wohnung ist grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Daher zählen die Kosten für einen Wohnungswechsel regelmäßig zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung. Etwas anderes gilt nur, wenn die berufliche Tätigkeit den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel dargestellt hat und private Umstände allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben.
Beachten Sie | Dies ist aber nur aufgrund außerhalb der Wohnung liegender Umstände zu bejahen, etwa wenn
- der Umzug Folge eines Arbeitsplatzwechsels gewesen ist oder
- sich die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit durch den Umzug um mindestens eine Stunde täglich vermindert
Die Möglichkeit, in der neuen Wohnung (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, genügt nicht zur Begründung einer beruflichen Veranlassung des Umzugs. Es fehlt insoweit an einem objektiven Kriterium, das nicht auch durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist.
Die Entscheidung, in der neuen, größeren Wohnung (erstmals) ein Zimmer als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer „Arbeitsecke“ auszuüben, beruht auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatz verfügt oder durch die Arbeit im Homeoffice versucht, das Berufs- und Familienleben zu vereinbaren.
Quelle | BFH, Urteil vom 5.2.2025, VI R 3/23, PM 24/25 vom 17.4.2025
| Ein mit einem Preisgeld dotierter Wissenschaftspreis kann nur dann Arbeitslohn darstellen, wenn er dem Arbeitnehmer für Leistungen verliehen wird, die er gegenüber seinem Dienstherrn erbracht hat. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Fall eines Professors entschieden. |
Der Professor hatte die Habilitationsschriften überwiegend vor der Berufung in das Professorendienstverhältnis verfasst. Der preisbewehrten Habilitation lag zwar eine wissenschaftliche Forschungsleistung zugrunde. Diese gründete aber nicht auf der Forschungstätigkeit als Hochschullehrer. Wissenschaftspreis und Preisgeld stellten sich daher nicht als „Frucht“ dieser Tätigkeit dar.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 12/22
| Kann in Deutschland steuerpflichtigen Personen eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen inder Schweiz gewährt werden? Das Finanzgericht (FG) Köln hält das für möglich und hat sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar mit deutscher und schweizerischer Staatsbürgerschaft wohnte in der Schweiz. Der Ehemann war als Arbeitnehmer in Deutschland tätig und unterhielt hierfür eine Wohnung in Deutschland. Für das gemeinsame Haus in der Schweiz beauftragten die Eheleute verschiedene Handwerks- und Gartenbauarbeiten i. S des Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 a EStG) und begehrten eine Ermäßigung ihrer Einkommensteuer.
Das Finanzamt lehnte dies jedoch ab, weil die Dienstleistungen in der Schweiz ausgeführt wurden (vgl. § 35 a Abs. 4 S. 1 EStG). Hiergegen erhoben die Eheleute erfolgreich Klage.
Freizügigkeitsabkommen
Das FG Köln bezweifelt, ob es mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist, dass die Steuerermäßigung nur für Dienstleistungen beansprucht werden kann, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt ausgeübt oder erbracht werden.
Beachten Sie | Bis zur Entscheidung des EuGH ist das Verfahren ausgesetzt.
Quelle | FG Köln, Beschluss vom 20.2.2025, 7 K 1204/22; PM vom 25.3.2025; EuGH: C-223/25
| Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen, z. B. Sachverständigengutachten, sind in der Regel nicht notwendig und werden daher nicht erstattet. Das ist der Grundsatz, von dem die Rechtsprechung ausgeht. Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme – wie eine Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Senftenberg anschaulich zeigt. |
Schwierige technische Fragestellungen
Ausnahmsweise werden nach dieser Entscheidung die Kosten z. B. für das Einholen eines privaten Sachverständigengutachtens unter anderem als notwendige Kosten anerkannt, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind. Gleiches gilt, wenn aus Sicht des Betroffenen aus einer Anfangsbetrachtung ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre.
Amtsgericht hält Kosten ausnahmsweise für erstattungsfähig
Diese Grundsätze hat das AG in seiner Entscheidung bestätigt. Es hat die Kosten für ein Sachverständigengutachten, mit dem die Messdaten einer Geschwindigkeitsmessung überprüft worden sind, daher als erstattungsfähig angesehen.
Quelle | AG Senftenberg, Urteil vom 28.2.2024, 50 OWi 1617 Js 22408/22
| Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h liegenden Tempo fährt, muss seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten. Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des Navigationssystems kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entschieden. |
Konzentrieren und Gerätebedienen ist gefährlich
Geklagt hatte eine Autovermieterin gegen den Fahrer eines vermieteten Pkw. Der Fahrer war auf der Autobahn verunfallt und hatte den Wagen beschädigt. Während er auf der linken Spur fuhr, bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs bei Tempo 200, um dort Informationen abzurufen. Dabei geriet das Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke.
Mietvertrag sah Kürzung der Haftungsfreistellung vor
Das Gericht verwies auf die Vereinbarung im Mietvertrag. Danach könne die Haftungsfreistellung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt werden. Der Fahrer habe hier grob fahrlässig gehandelt. Die Autovermieterin könne daher die Hälfte des Schadens – ca. 12.000 Euro – bei ihm geltend machen.
Für das Gericht war es dabei unerheblich, dass der Pkw einen sog. Spurhalteassistenten hatte. Zumindest bei derart hohen Geschwindigkeiten reduziere dieser den Schuldvorwurf nicht.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 2.5.2019, 13 U 1296/17
| Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie beschäftigt immer noch die Gerichte. Aktuell hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden: Die Mitglieder einer Fahrgemeinschaft waren auch in der Corona-Hochphase für gegenseitige Ansteckungen nicht verantwortlich zu machen. Eine auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage eines Mitfahrers hat das LG deshalb abgewiesen. |
Im Frühjahr 2022 stieg der Mitfahrer ohne Maske zu seinem Kollegen ins Auto, um gemeinsam zur Arbeit zu fahren. Am Abend desselben Tages schrieb er in die WhatsApp-Gruppe der Fahrgemeinschaft, dass er positiv getestet sei und sich in Quarantäne befinde.
Fahrer behauptete Ansteckung und verlangte Schmerzensgeld
Der schon zuvor an Asthma erkrankte Fahrer behauptete im Prozess, er habe sich während der gemeinsamen Fahrt mit dem Coronavirus infiziert und sei nun dauerhaft arbeitsunfähig („Post-Covid-Syndrom“). Der Mitfahrer schulde ihm daher Schmerzensgeld in Höhe von nicht unter 20.000 Euro, weitere 4.000 Euro Schadenersatz und müsse darüber hinaus für zukünftig auftretende Schäden einstehen.
Landgericht: Reine Gefälligkeit – keine Haftung
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Im Rahmen der wechselseitigen Gefälligkeit einer Fahrgemeinschaft sei bereits unter den Gesichtspunkten eines stillschweigenden Haftungsverzichts und des Handelns auf eigene Gefahr eine gegenseitige Haftung ausgeschlossen. Es sei zudem aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie allgemein bekannt gewesen, dass enger persönlicher Kontakt die Hauptinfektionsquelle darstellte. Obwohl der unter Asthma leidende Fahrer bemerkt habe, dass sein Kollege beim Einsteigen keine Maske trug, habe er ihn nicht gebeten, eine solche aufzusetzen. Er habe sich daher erkennbar trotz seiner Vorerkrankung dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Dass er sich keine Gedanken über einen ungünstigen Verlauf einer Infektion mit möglichen Dauer- und Folgeschäden gemacht habe, rechtfertige keine andere Beurteilung.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 16.12.2024, 7 O 110/24, PM vom 31.1.2025
| Mit der Frage, ob ein 13-jähriges Kind für einen Glasschaden an einem Schaufenster verantwortlich ist, hat sich das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. |
Glasbruch nach Nutzung eines Spielgeräts
Das Kind hatte in der Fußgängerzone von Frankenthal ein festmontiertes Spielgerät in Gestalt einer Drehscheibe genutzt und war beim Absteigen gegen ein daneben befindliches Schaufenster getaumelt. Für den dadurch entstandenen Glasbruch muss das Kind nicht haften, entschied das LG und hat die Klage der Ladenbesitzer abgewiesen.
Der Junge gab an, dass er auf dem Schulweg an dem Spielgerät vorbeigekommen sei. Er habe sich auf das Karussell gestellt, das ein Freund gedreht habe, zunächst langsam, dann immer schneller. Nachdem der Freund die Drehung gestoppt habe, sei er rückwärts gegen die keine drei Meter entfernte Fensterscheibe getaumelt, die daraufhin zerbrochen sei.
Schaden schuldhaft verursacht?
Die Ladenbesitzer warfen dem Jungen vor, den Schaden schuldhaft verursacht zu haben. Er sei bereits zu alt gewesen für das Karussell, zudem habe er sich damit zu schnell gedreht. Die Sturzgefahr und der mögliche Glasbruch seien für ihn erkennbar gewesen.
Landgericht: kein Verschulden des Kindes!
Das LG ging zwar davon aus, dass sich der 13-Jährige der grundsätzlichen Stolpergefahr durchaus bewusst und auch hinreichend einsichtsfähig war. Beides ist erforderlich, damit Minderjährige in diesem Alter überhaupt selbstständig haften. Gleichwohl konnte das LG das für einen Schadenersatzanspruch erforderliche Verschulden des Kindes nicht feststellen. Denn der Junge habe die Drehscheibe bestimmungsgemäß genutzt. Es sei gerade Sinn und Zweck des Karussells, trotz der Drehbewegung die Balance zu halten und der Gefahr des Herunterfallens zu trotzen. Das Kind sei weder zu alt noch zu groß für das Spielgerät gewesen.
Das Gericht hat nicht verkannt, dass die Ladenbesitzer nun auf ihrem Glasschaden sitzen bleiben. Dies resultiert gemäß LG jedoch daraus, dass unsere Rechtsordnung – von einigen hier nicht vorliegenden Sonderfällen abgesehen – dem Prinzip der Verschuldenshaftung folgt.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 29.11.2024, 9 O 27/24, PM vom 19.12.2024
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Bürgergeldempfänger gelten nicht als hilfebedürftig, wenn sie ein (zu) großes Einfamilienhaus gebaut haben und dessen Wert zur Sicherung des Lebensunterhalts nutzen können. |
Familie hatte während Bürgergeldbezug größeres Haus gebaut
Dem Verfahren lag ein Eilantrag einer Familie aus dem Emsland zugrunde. Diese hatte ihr selbstbewohntes Hausgrundstück für 514.000 Euro verkauft, nachdem sie während des Bürgergeldbezugs ein neues Haus gebaut hatte. Aufgrund des erzielten Verkaufserlöses hob der Grundsicherungsträger die Leistungsbewilligung auf.
Demgegenüber vertrat die Familie die Auffassung, das neue Haus sei geschütztes Vermögen und dürfe nicht zur Deckung des Lebensunterhalts herangezogen werden. Zudem berief sie sich auf die gesetzliche Karenzzeit von 12 Monaten, während der auch großzügige Wohnverhältnisse voll finanziert werden müssten.
Landessozialgericht: Familie nicht bedürftig
Das LSG bestätigte die Auffassung der Behörde. Die Familie sei nicht bedürftig, da das neue Hausgrundstück mit 254 m² Wohnfläche und sieben Bewohnern kein geschütztes Vermögen darstelle. Eine Verwertung des Vermögens zur Sicherung des Lebensunterhalts sei durch Beleihung möglich. Bei einem Verkehrswert von 590.000 Euro und einer Grundschuld von 150.000 Euro stehe ein unbelasteter Wert von 440.000 Euro zur Verfügung.
Die Berufung auf die gesetzliche Karenzzeit lehnte das Gericht ebenfalls ab. Die Regelung diene dem Zweck, dass Leistungsempfänger nicht sofort ihr angespartes Vermögen, etwa für die Altersvorsorge, aufbrauchen müssen, wenn sie nur vorübergehend auf Bürgergeld angewiesen sind. Die Karenzzeit solle dabei helfen, plötzliche Härten abzufedern.
Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um eine unerwartete Notlage, sondern um langjährige Leistungsbezieher, die ihre Wohnsituation und ihr Immobilienvermögen optimieren wollten. So habe die Familie als Verkaufsgrund des alten Hauses angegeben, die Entfernung zur Innenstadt sei ihnen zu weit gewesen.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.1.2025, L 11 AS 372/24 B ER, PM vom 20.1.2025
| Der gezahlte Reisepreis kann um 30 Prozent gemindert werden, wenn das Gepäck des Pauschalreisenden beim Hinflug zu spät ausgeliefert wird und deshalb während einer Kreuzfahrt in die Arktis nicht zur Verfügung steht. So entschied es das Landgericht (LG) München II zugunsten der Reisenden. |
Es ging um eine Expeditionsreise
Der Kläger und seine Mutter hatten im Jahr 2023 bei der Beklagten eine elftägige Pauschalreise nach Norwegen mit anschließender Kreuzfahrt „Auf den Spuren der Eisbären“ gebucht. Während des Hinflugs kam es zu einer verspäteten Auslieferung aller Gepäckstücke der Reisenden. Der Kläger und seine Mutter meldeten ihr Gepäck als verloren und erstatteten unverzüglich Schadensanzeige. Vor der Abfahrt des Schiffs kauften sie in Outdoor-Läden in Norwegen das Notwendigste ein. An Bord gab es eine Boutique und einen Wäscheservice. Schuhe und Parka für die Expeditionen an Land wurden gestellt. Die Beklagte erstattete den Reisenden außergerichtlich 25 Prozent vom gezahlten Reisepreis und 1.500 Euro (von 2.306,07 Euro) für die Ersatzbeschaffungen. Vor Gericht machte der Kläger den Restbetrag für die Ersatzbeschaffungen, weitere 15 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und einen „Schadenersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreuden“ geltend.
Landgericht sprach Minderung zu
Das LG sprach dem Kläger eine Minderung in Gesamthöhe von 30 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und für die Ersatzbeschaffungen weitere 516,20 Euro zu; einen Anspruch auf Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wies das LG jedoch ab.
Das LG begründete seine Entscheidung damit, dass das Fehlen von Gepäck mit persönlichen Gegenständen des Reisenden einen Reisemangel darstellt. Weil der Veranstalter jedoch keine besondere Kleiderordnung bei den Mahlzeiten und die Ausrüstung für die Expeditionen zur Verfügung gestellt hatte und es einen Wäscheservice an Bord gab, erachtete das Gericht eine Minderung von 30 Prozent des gezahlten Reisepreises als ausreichend und angemessen.
Bei den Ersatzbeschaffungen (Verbrauchsartikel, Grund- und Funktionsbekleidung) hatte der Reiseveranstalter unter anderem einen Abschlag für Vermögensvorteile vorgenommen, weil die Reisenden die Sachen nach der Rückkehr weiterhin nutzen können. Das Gericht folgte dem Argument der Beklagten nicht, soweit es sich um „Funktionskleidung“ handelte, denn der Kläger und seine Mutter hatten das Gericht davon überzeugt, dass sie die eigens für eine Expedition in die Arktis gekaufte Funktionsbekleidung nicht mehr benötigten. Anders sah es das Gericht bei den Verbrauchsartikeln (Waschmittel, Zahnpasta, etc.) – die Reisenden erhielten ihre Koffer bei der Rückkehr von der Reise zurück und konnten die darin enthaltenen Verbrauchsartikel (weiter) nutzen.
Schadenersatzanspruch abgelehnt
Einen Schadenersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit lehnte das Gericht ab, weil der Kläger und seine Mutter aufgrund der Möglichkeit von Ersatzbeschaffungen in Longyearbyen und an Bord sowie wegen der ihnen zur Verfügung gestellten Ausrüstungsgegenstände (Schuhe, Parka) an der Kreuzfahrt und den Expeditionen an Land teilnehmen konnten, was Sinn undZweck der gebuchten Expeditionsreise war.
Quelle | Landgericht München II, Endurteil vom 10.1.2025, 14 O 2061/24, PM 1/25
| Ein Ehemann kann nach der Trennung von seiner Frau verlangen, die Nutzungsverhältnisse an einem gemeinsamen Haus neu zu ordnen. Das stellte das Oberlandesgericht (OLG) Celle fest. |
Ärzteehepaar trennte sich
Nachdem sich ein Ärzteehepaar getrennt hatte, wollte der Mann in ein gemeinsames Haus des Paares ziehen. Doch dort wohnte seine Schwiegermutter. In der ihr allein gehörenden Ehewohnung lebte die Frau mit den gemeinsamen Kindern. Der Mann schlief zunächst in seiner Praxis, dann bei Bekannten. Schließlich wohnte er zur Untermiete.
Den Eheleuten gehörte aber hälftig noch das von der Schwiegermutter bewohnte Einfamilienhaus mit Garten. Dieser wollte der Mann wegen Eigenbedarf kündigen. Dazu war die Mitwirkung seiner Ehefrau erforderlich. Das lehnte sie ab. Sie meinte, der Mann wolle sie nur zwingen, ihrer Mutter zu kündigen. Auch habe er noch ein weiteres Haus. Der Mann klagte.
Amtsgericht: Eigenbedarf nicht genügend dargelegt
Das Amtsgericht (AG) wies seine Klage ab. Der Mann habe den Eigenbedarf nicht hinreichend dargelegt. Da die Schwiegermutter eine nahe Angehörige sei, könne ihre Tochter selbst Eigenbedarf anmelden. So zog der Mann vor das OLG.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG gab dem Mann Recht. Ihm sei seit der Trennung ein Festhalten am Mietverhältnis nicht länger zuzumuten. Auch habe er seinen Eigenbedarf ausreichend dargelegt. Er hatte vorgetragen, dass sein jetziges Mietverhältnis nur befristet war. Ein ständiges Wohnen in der Praxis sei ihm nicht zuzumuten. Ein Umzug in das andere Haus sei ihm ebenfalls nicht zuzumuten, da dieses noch ein Rohbau sei und er auch kein Geld für einen Umzug habe. Nach all dem sah das OLG den geltend gemachten Eigenbedarf nicht als „offensichtlich aussichtslos“ an. Vor allem sei die Frau in der Lage, ihre Mutter in der Ehewohnung und einer nicht genutzten Einliegerwohnung aufzunehmen.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 19.2.2025, 21 UF 237/24
| Wer einen überschuldeten Nachlass erbt, kann innerhalb einer Frist von sechs Wochen das Erbe ausschlagen. Sonst gilt die Erbschaft als angenommen und er haftet für die dem Nachlass zuzuordnenden Schulden. War dem Erben nicht bekannt, dass der Nachlass überschuldet ist, kann noch die Anfechtung wegen Irrtums helfen. Mit den Voraussetzungen dafür hat sich jetzt das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. Es hat entschieden, dass der als Erbe eingesetzte Sohn eines Verstorbenen nicht für die Beerdigungskosten aufkommen muss, weil er die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten hat. |
Witwe verlangte Bestattungskosten von Sohn des Verstorbenen
Der Verstorbene hatte seinen Sohn aus erster Ehe testamentarisch zu seinem Erben bestimmt. Die beiden pflegten zuletzt keinen Kontakt mehr zueinander. Nach dem Tod übernahm zunächst die Witwe die Bestattungskosten von rund 7.500 Euro und wollte diese vom Sohn erstattet haben, da dieser die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte. Daraufhin erklärte der Sohn die Anfechtung der Erbschaftsannahme. Er habe nicht gewusst, dass die Bestattungskosten zu den Nachlassverbindlichkeiten gehörten und der Nachlass damit überschuldet sei.
Irrtum über die Beerdigungskosten
Dieser Argumentation hat sich das LG angeschlossen. Der Sohn habe die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten und müsse daher nicht für die Beerdigungskosten aufkommen. Die Anfechtung wegen unerkannter Überschuldung eines Nachlasses sei ein in der Rechtsprechung anerkannter Anfechtungsgrund. Sie setze voraus, dass der Anfechtende eine wesentliche Forderung gegen den Nachlass irrtümlich übersieht. Hier seien die Bestattungskosten eine wesentliche Forderung, da der Nachlass überschuldet sei, wenn man sie berücksichtige. Es sei auch glaubhaft, dass sich der Sohn über die Beerdigungskosten geirrt habe. Denn die Witwe habe ihm noch zu Lebzeiten des Vaters mitgeteilt, für die Beerdigung könne der Erlös aus dem Verkauf eines Pkw verwendet werden. Daher durfte der Sohn davon ausgehen, als Erbe seines Vaters nicht für die Bestattung aufkommen zu müssen, so die Kammer. Wenn kein Erbe in Anspruch genommen werden kann, muss die Witwe als Ehefrau nach den Vorschriften des Landesrechts selbst für die Beerdigungskosten aufkommen, so das LG.
Quelle | Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 27.2.2025, 8 O 189/24, PM vom 31.3.2025
| Die Kosten eines Vaterschaftsanerkennungsverfahrens können zwischen dem im Verfahren ermittelten biologischen Vater und der Mutter hälftig geteilt werden. Weder der Umstand, dass der Vater nicht bereits auf Basis eines Privatgutachtens zur Anerkennung der Vaterschaft bereit war, noch, dass er nach Angaben der Mutter der einzige Verkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit war, rechtfertigen eine alleinige Kostenlast des Vaters. So entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |
Streit um Kosten
Die Beteiligten streiten über die Kosten eines Abstammungsverfahrens. Die Mutter des Kindes hatte angegeben, mit dem sog. Putativvater (also dem, der als möglicher Vater in Betracht kommt) in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehrs gehabt zu haben. Ein außergerichtlicher Vaterschaftstest hatte diesen als Vater festgestellt. Das Kind begehrte daraufhin, die Vaterschaft des Putativvaters gerichtlich festzustellen. Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens stellte das Amtsgericht (AG) die biologische Vaterschaft des Putativvaters fest und legte die Verfahrenskosten hälftig der Mutter und dem nun festgestellten Vater auf.
So sah es das Oberlandesgericht
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Mutter gegen die Auferlegung der Hälfte der Kosten. Dies hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das AG habe im Ergebnis zutreffend die Kosten nach billigem Ermessen zwischen der Kindesmutter und dem Kindesvater hälftig geteilt, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Bei einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren handele es sich nicht um ein echtes Streitverfahren. Neben dem Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens könnten deshalb weitere Umstände von Bedeutung sein. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten sei allerdings regelmäßig unbillig, da es selbst nicht zur Unsicherheit an der Vaterschaft beigetragen habe.
Hier sei es nicht angemessen, dem Vater die alleinigen Kosten aufzuerlegen. Er habe insbesondere nicht „grob schuldhaft“ das Verfahren veranlasst. Ihm sei es vielmehr nicht zumutbar gewesen, die Vaterschaft bereits außergerichtlich ohne gutachterliche Klärung der biologischen Abstammung durch Sachverständigengutachten anzuerkennen. Allein die Angabe der Mutter, sie habe in der Empfängniszeit nur mit dem Vater verkehrt, genüge zur Begründung eines groben Verschuldens nicht. Vielmehr habe der Vater berechtigte Zweifel ans einer Vaterschaft haben dürfen. Unwidersprochen habe er mit der Kindesmutter in der Empfängniszeit keine Beziehung geführt und auch nicht mit ihr zusammengelebt. Damit hätten ihm konkrete Einblicke in die Lebensverhältnisse der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit gefehlt. Für ihn habe damit auch keine Möglichkeit bestanden, abzuschätzen oder zu beurteilen, ob die Mutter des Kindes zu weiteren Männern eine intime Beziehung unterhalten habe.
Außergerichtlicher Vaterschaftstest schließt gerichtliche Überprüfung nicht aus
Auf den bereits außergerichtlich durchgeführten Vaterschaftstest habe er sich nicht verlassen müssen. Er könne vielmehr geltend machen, dass er angesichts der hohen rechtlichen Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Abstammungsgutachtens eine gerichtliche Überprüfung wünsche. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass „beide Eltern das Verfahren über eine Entscheidung über die Abstammung dadurch gleichermaßen veranlasst haben, dass sie innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben. Damit erscheint es in der Regel auch gerechtfertigt, die Kosten eines solchen Verfahrens gleichmäßig auf beide Eltern zu verteilen“, unterstrich das OLG.
Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 13.1.2025, 6 WF 155/24, PM 4/25
| Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung ist so zu verstehen, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, sofern diese nicht bereits von Dritten erbracht und dem Architekten zur Verfügung gestellt wurden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden. |
Ein Architekt war mündlich damit beauftragt worden, die Baugenehmigung für die Erweiterung eines Gasthofs einzuholen. Damit war klar, dass er die Leistungsphase 4 im Leistungsbild Gebäude und Innenräume sowie Tragwerksplanung erbringen musste. Da er vom Auftraggeber nur Bestandszeichnungen erhalten hatte, die nicht an eine Vor- oder Entwurfsplanung heranreichten, verlangte er auch das Honorar für diese notwendigen Leistungen. Der Auftraggeber weigerte sich. Er meinte, er habe nur die Genehmigungsplanung beauftragt.
Das OLG gab dem Architekten Recht und sprach ihm das Honorar für die Leistungsphasen 1 bis 4 zu. Es komme nicht auf die Regelungen der HOAI, sondern auf den Inhalt des konkreten Auftrags an. Nicht entscheidend sei, ob die Parteien einen schriftlichen oder mündlichen Vertrag geschlossen, sondern was sie tatsächlich vereinbart haben. Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung müsse dann so verstanden werden, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, da diese notwendige Voraussetzung für die Erstellung der Genehmigungsplanung ist. Etwas anderes gelte nur, wenn die vorangehenden Planungsleistungen bereits von Dritten erbracht wurden und dem Architekten zur Verfügung gestellt werden.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2022, 4 U 142/20
| Beauftragt ein Bauträger einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt vom Architekten nur die Überprüfung einzelner Maße, übernimmt der Bauträger das mit der begrenzten Überprüfung verbundene Risiko selbst. Er kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin als Bauträgerin machte gegen den beklagten Architekten im Wege einer Schadenersatzklage i. H. v. 100.000 Euro wegen mangelhafter Architektenleistungen bei der Planung einer Wohnungseigentumsanlage geltend. Die Klägerin ist der Auffassung, die die Pläne des Vermessungsingenieurs überarbeitende Wohnflächenberechnung des Beklagten für bestimmte Bestandsgebäude habe eine zu geringe Wohnfläche ausgewiesen. Der Beklagte habe zugesichert, dass die Abweichungen der Wohnflächen von den Bestandsplänen des Vermessers unter einem Prozent lägen, tatsächlich gebe es Abweichungen bis zu 8%. Zahlreiche Wohnungen seien daher mit zu geringer Flächenangabe verkauft worden und deshalb sei ein Mindererlös entstanden.
Der Beklagte bestreitet eine fehlerhafte Flächenermittlung, die sich ohnehin nur auf die örtliche Überprüfung der Maße aus den Bestandsplänen des Vermessers hinsichtlich der für die Werkplanung entscheidenden Stellen bezogen habe. Ein Auftrag zu einer kompletten Neuvermessung des Bestands sei gerade nicht erteilt worden.
Zudem meint die Klägerin, der Beklagte habe bei der Grundlagenermittlung übersehen, dass die Geschossdecken in einem Bestandsgebäude Betonhohlkörperdecken waren, die einen unerwartet hohen Sanierungsaufwand erforderten, und es versäumt, vor Baubeginn die Fundamente an der Seite zu einem anderen Grundstück zu überprüfen. Infolge dieser Planungsfehler hätten sich die Baukosten für das Bestandsgebäude deutlich erhöht. Die Umbaukosten beliefen sich somit auf mindestens 950.000 Euro. Ein vollständiger Abriss und Neubau hätte dagegen (nur) 752.499 Euro gekostet und wäre im Vergleich zu den tatsächlich entstandenen Kosten günstiger gewesen. Bei erzielbaren Verkaufserlösen abzüglich der Kosten für Abriss/Neubau hätte sich bei einem Neubau ein hoher sechsstelliger Überschuss ergeben. Der tatsächliche Überschuss durch den Umbau habe lediglich 107.000 Euro betragen.
Der Beklagte trägt hierzu vor, ihm sei vom Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt worden, dass es sich bei sämtlichen Bestandsdecken um Stahlbetonrippendecken handele. Eine Pflicht zur Überprüfung dieser Tatsache habe es nicht gegeben. Zudem habe sich die Klägerin in Kenntnis der Mehrkosten für eine Sanierung und gegen einen Abriss entschieden. Hinsichtlich des Fundaments sei die Klägerin bereits vor Beauftragung des Beklagten in Kenntnis gesetzt worden, dass dessen Tragfähigkeit ein Risiko darstelle. Sie habe dennoch entschieden, das Fundament erst im Zuge der Aushubarbeiten zu untersuchen, um Kosten einzusparen.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG stellte klar: Wie bei einem Bauvertrag kann auch zwischen einem Architekten und seinem Auftraggeber eine von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichende Ausführung vereinbart werden, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen.
Beauftragt eine Bauträgerin einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt sie vom Architekten, einzelne Maße zu überprüfen, übernimmt die Bauträgerin sehenden Auges das mit der begrenzten Überprüfung der Maße verbundene Risiko und kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Weist der Architekt seinen Auftraggeber darauf hin, dass die zu planende Wohnung ohne Sonnenschutz nicht funktioniert, muss der Auftraggeber erkennen, dass bei Umsetzung der Planung eine im Hinblick auf den Wärmeschutz nicht ausreichend funktionstüchtige Wohnung errichtet wird, und es bedarf keines weiteren Hinweises, dass dann (auch) die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten sind.
Macht der Auftraggeber eines Architekten geltend, dass er im Fall einer mangelfreien Beratung von der Sanierung eines Gebäudes abgesehen und einen profitableren Neubau errichtet hätte, schafft der Auftraggeber für eine Schadensschätzung bzw. Begutachtung nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn er nachvollziehbar darlegt, welches Gebäude mit welchen Eigenschaften er statt der Sanierung errichtet hätte.
Macht ein Auftraggeber geltend, bei einem mangelfreien Architektenwerk hätte er die zu errichtenden Wohnungen teurer verkaufen können, ist ein Schaden nur schlüssig dargelegt, wenn die Kalkulationsgrundlagen für den erzielten und den geltend gemachten Kaufpreis offengelegt werden und nachvollziehbar vorgetragen wird, dass ein höherer Kaufpreis am Markt hätte durchgesetzt werden können.
Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 17.12.2024, 10 U 38/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Aachen hat die Klage eines Realschullehrers auf Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Festsetzung von Erfahrungsstufen und mithin auf eine höhere Besoldung abgewiesen. |
Eine Tätigkeit als Anbieter von Cocktailkursen ist für die Tätigkeit als verbeamteter Lehrer nicht förderlich im besoldungsrechtlichen Sinne. Eine Tätigkeit ist allgemein förderlich, wenn sie für die Dienstausübung des Beamten nützlich bzw. von konkretem Interesse ist, d. h. wenn diese entweder erst aufgrund der früher gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht oder wenn sie jedenfalls erleichtert und verbessert wird.
Ausgehend hiervon kann die Tätigkeit als Betreiber einer Gesellschaft, die Cocktailkurse und Barcatering anbietet – auch wenn diese Tätigkeit über mehrere Jahre ausgeübt wurde – nicht als förderlich angesehen werden. Das Halten von Cocktailkursen ist weder qualitativ noch quantitativ mit der Tätigkeit eines Realschullehrers vergleichbar. So hat der Kläger im Rahmen seiner Cocktailschule insbesondere nicht mit Minderjährigen gearbeitet, sondern deren Angebot zielte auf die Schulung von Mitarbeitern aus dem Hotel-, Restaurant- und Cateringgewerbe. Auch sind die Anforderungen an die Erstellung eines Cocktailkurses nicht mit der Erstellung eines differenzierten Lehrplans für Schulunterricht in den Schulklassen 5 bis 10 vergleichbar.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 20.1.2025, 1 K 2377/23, PM vom 3.2.2025
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Ein Beschäftigungsverhältnis wird erst ab dem Beginn der Entgeltfortzahlung und nicht schon mit Abschluss des Arbeitsvertrags begründet. |
Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankgemeldet
Geklagt hatte ein 36-jähriger Arbeitsloser, dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld Ende Oktober 2023 auslief. Anfang Oktober unterschrieb der Mann einen Arbeitsvertrag als Lagerist bei einem Reinigungsunternehmen zu einem Monatslohn von 3.000 Euro brutto. Er trat die Arbeit jedoch nie an, da er sich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankmeldete. Zwei Wochen später kündigte die Firma innerhalb der Probezeit.
Krankenkasse zahlte kein Krankengeld
Die Krankenkasse des Mannes lehnte daraufhin die Zahlung von Krankengeld ab. Begründung: Es habe kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, da der Mann kein Einkommen erzielt habe.
Der Mann verklagte das Unternehmen und verlangte die Anmeldung zur Sozialversicherung ab dem Beginn des Arbeitsvertrags. Er vertrat dazu die Auffassung, dass bereits durch einen rechtsgültigen Vertrag, der eine Entgeltzahlung vorsehe, ein Beschäftigungsverhältnis zustande komme. Dies müsse auch gelten, wenn ihm der Arbeitsantritt krankheitsbedingt nicht möglich sei. Andernfalls würde er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit leer ausgehen.
Landessozialgericht gab Krankenkasse Recht
Das LSG vermochte sich der Rechtsauffassung des Klägers nicht anzuschließen. Der Arbeitgeber müsse ihn nicht zur Sozialversicherung anmelden, da ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht schon mit dem Beginn des Arbeitsvertrags entstanden sei. Erforderlich sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe. Dieser Anspruch entstehe jedoch bei neuen Arbeitsverhältnissen generell erst nach einer vierwöchigen Wartezeit.
Wartezeit war ohnehin nicht erfüllt
Diese gesetzliche Regelung solle verhindern, dass Arbeitgeber die Kosten der Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer tragen müssen, die direkt nach der Einstellung erkrankten. Der Gesetzgeber habe eine solche Konsequenz als unbillig angesehen.
Unabhängig davon müsse der Mann sich erst an seine Krankenkasse wenden, bevor er seinen Arbeitgeber verklage.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.1.2025, L16 KR 61/24
Steuerrecht
| Auch in einem Minijob gibt es bezahlten Urlaub. Doch in diesem Zusammenhang stellen sich viele Fragen: Wie viele freie Tage stehen einem Minijobber zu? Was gilt bei unregelmäßiger Arbeitszeit? Wie wirkt sich das Urlaubsgeld auf den Minijob aus? Diese und weitere Fragen hat die Minijob-Zentrale jüngst beantwortet. |
So erläutert die Minijob-Zentrale beispielsweise, dass der Lohn während des Urlaubs weitergezahlt werden muss (Urlaubsentgelt). Das ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt. Zusätzlich kann es Urlaubsgeld geben (als freiwillige Zahlung zum Urlaub).
Quelle | Minijob-Zentrale vom 11.6.2025 „Urlaub im Minijob: Ihre Fragen – Wir antworten!"
| Es gibt steuerliche Betriebsprüfungen, die bereits nach kurzer Zeit abgeschlossen sind. Andere Prüfungen hingegen ziehen sich über Monate oder sogar über Jahre hin. Um die Betriebsprüfung zu beschleunigen, wurden nun mehrere gesetzliche Änderungen vorgenommen. |
Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen
Verzögerungen bei einer Betriebsprüfung können mitunter auf eine unzureichende Mitwirkung des Steuerpflichtigen zurückzuführen sein. Um dem entgegenzuwirken, sieht der neue § 200 a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) das qualifizierte Mitwirkungsverlangen vor, das sich auf die Mitwirkungspflichten nach § 200 AO stützt. Danach hat der Steuerpflichtige u. a. Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben.
Ermessensentscheidung des Prüfers
Das (neue) qualifizierte Mitwirkungsverlangen stellt eine Ermessensentscheidung des Prüfers dar, die frühestens nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ergehen darf. Entscheidet sich der Prüfer für ein solches Mitwirkungsverlangen, ist es schriftlich oder elektronisch (versehen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung) zu erteilen.
Beachten Sie | Der Steuerpflichtige muss in diesem Fall schnell handeln. Denn das Mitwirkungsverlangen ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe zu erfüllen. Nur in begründeten Einzelfällen kann die Frist verlängert werden.
Neu: Mitwirkungsverzögerungsgeld
Problematisch wird das qualifizierte Mitwirkungsverlangen für den Steuerpflichtigen, wenn es nicht oder nicht hinreichend innerhalb der Frist erfüllt wird. Denn in diesen Fällen wird das neu eingeführte Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt (§ 200 a Abs. 2 AO). Ausnahme: Die Mitwirkungsverzögerung erscheint entschuldbar, beispielsweise bei einer stark beeinträchtigenden Erkrankung.
Beachten Sie | Das Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung (also für jeden vollen Tag nach Verstreichen der im Mitwirkungsverlangen gesetzten Frist) 75 Euro. Gerechnet werden die Tage bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Mitwirkungsverlangen erfüllt wird – spätestens bis zum Tag der Schlussbesprechung. Denn nach der Schlussbesprechung gibt es keinen Bedarf mehr, eine Mitwirkung sicherzustellen.
Allerdings dürfen maximal 150 Tage zugrunde gelegt werden, sodass das Mitwirkungsverzögerungsgeld maximal 11.250 Euro betragen kann (150 Tage × 75 Euro).
Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld
Nicht immer bleibt es bei dem Mitwirkungsverzögerungsgeld. Denn es steht im Ermessen des Prüfers, nach § 200 a Abs. 3 AO zusätzlich einen Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzen. Voraussetzung ist, dass
- gegen den Steuerpflichtigen in den letzten fünf Jahren ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wurde und zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt oder
- wegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt. Davon ist auszugehen, wenn die Umsatzerlöse in einem der von der Prüfung umfassten Jahre mindestens 12 Mio. Euro betragen oder sich die konsolidierten Umsatzerlöse bei Konzernen auf mindestens 120 Mio. Euro belaufen.
Entscheidet sich der Prüfer für den Zuschlag, steht auch die Höhe in seinem Ermessen. Dabei darf der Zuschlag höchstens 25.000 Euro für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung betragen – ebenfalls für maximal 150 Tage (maximal somit 3,75 Mio. Euro).
Teilabschlussbescheid und Inkrafttreten
Um die Betriebsprüfungen zu beschleunigen, wurde auch der neue Teilabschlussbescheid eingeführt. Denn oft scheitert der zeitnahe Abschluss an einem einzelnen Sachverhalt, der nur durch intensiven Arbeitseinsatz aufgeklärt werden kann. Das Problem: So entsteht keine Rechtssicherheit bezüglich weiterer geprüfter Sachverhalte.
Durch den neuen § 202 Abs. 3 AO hat der Prüfer die Möglichkeit, bereits vor Abschluss der Prüfung einen Teilprüfungsbericht zu übermitteln und im Anschluss einen Teilabschlussbescheid zu erlassen. Hierdurch lassen sich einzelne im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte und abgrenzbare Feststellungen vor dem abschließenden Prüfungsbericht gesondert feststellen. Kann der Steuerpflichtige ein erhebliches Interesse an einem Teilabschlussbescheid glaubhaft machen, soll dieser auf Antrag ergehen.
Beachten Sie | Die Neuerungen gelten erst für Steuern und Steuervergütungen, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Sie sind aber auch für Steuern und Steuervergütungen anzuwenden, die vor dem 1.1.2025 entstehen, wenn für diese Steuern und Steuervergütungen nach dem 31.12.2024 eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde.
Quelle | Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie, BGBl I 2022, S. 2730
| Verlängert sich die dem Verbraucher gesetzlich eingeräumte 14-tägige Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge, wenn der Verkäufer in seiner Widerrufsbelehrung seine Telefonnummer nicht angibt? Diese Frage hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden. |
Kauf im Online-Shop über 62.000 Euro
Der Kläger hatte am 4.5.2022 über den Onlineshop der Beklagten ein Elektrofahrzeug zum Preis von rund 62.000 Euro erworben. Die Auslieferung des Fahrzeugs erfolgte am 20.12.2022. Am 14.8.2023 erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrags. Zu spät, entschied nun auch das OLG in zweiter Instanz und wies damit die Berufung des Klägers zurück.
Rechtlicher Hintergrund
Verbrauchern steht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: §§ 312 g Abs. 1, 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, im Normalfall beginnend ab Erhalt der Ware. Wird der Verbraucher jedoch nicht korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB). Die Informationspflichten des Unternehmers ergeben sich aus dem Einführungsgesetz zum BGB (hier: Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB). Der Unternehmer kann die Informationspflichten auch durch die Verwendung einer Musterwiderrufsbelehrung erfüllen, die sich in der Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB befindet.
Fehlende Telefonnummer ohne Auswirkungen
Hier hatte die Autohändlerin in ihrer selbst formulierten Widerrufsbelehrung, die sie dem Kläger übermittelte, keine Telefonnummer angegeben. Diese war jedoch auf der Internetseite der Beklagten zu finden. Das OLG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist geführt hat.
Widerruf eines Autokaufs wahrscheinlich eher schriftlich als per Telefon
Es entschied, dass die Widerrufsbelehrung auch ohne Angabe einer Telefonnummer den gesetzlichen Anforderungen genügt und sich die Widerrufsfrist daher nicht verlängert. Die Nichtangabe der Telefonnummer begründe bei einem Autokauf, der von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sei, nicht die Gefahr, dass der Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werde.
Ein typischer Kunde würde allein aus Beweiszwecken bei den hohen Summen eines Elektroautokaufs den Widerruf vernünftigerweise auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. per E-Mail) übermitteln.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 7.11.2024, 14 U 95/24, PM 8/25
| Hat sich der Übergeber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anlässlich der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ein Wohnungsrecht an einer Wohnung des übergebenen Vermögens vorbehalten, ist ein Sonderausgabenabzug des Mietwerts nach Meinung der Finanzverwaltung ausgeschlossen. Dieser Ansicht hat aber nun das Finanzgericht (FG) Nürnberg widersprochen. |
Hintergrund: Wird ein Betrieb gegen Versorgungsleistungen auf nahe Angehörige übertragen, kann der Betriebsübernehmer die Versorgungsleistungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 a Nr. 2 EStG) als Sonderausgaben abziehen, die der Empfänger versteuern muss (nach § 22 Nr. 1a EStG).
Das war geschehen
Anlässlich einer Hofübergabe wurde dem Übergeber ein Altenteil in Form eines vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts, Taschengelds und der Mitbenutzung von Gegenständen eingeräumt. Den vom Vermögensübernehmer als Sonderausgaben geltend gemachten Nutzungswert der Altenteilerwohnung erkannte das Finanzamt allerdings nicht an, da nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2010 nur die mit der Nutzungsüberlassung tatsächlich zusammenhängenden Aufwendungen (wie Strom, Heizung, Wasser und Instandhaltungskosten), nicht jedoch der Nutzungswert der Altenteilerwohnung berücksichtigt werden können.
Finanzgericht gibt Kläger Recht, Revision ist eingelegt
Die hiergegen eingelegte Klage war vor dem FG Nürnberg erfolgreich. Nach Auffassung des FG kann der Fall, dass der Versorgungsberechtigte mit dem ihm gewährten (höheren) Barunterhalt selbst eine Wohnung mietet, für den Bereich des Sonderausgabenabzugs nicht anders behandelt werden als der Fall, in dem sich die Versorgungsleistung aus (niedrigerem) Barunterhalt und unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zusammensetzt.
Da die Revision anhängig ist, muss nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden.
Quelle | FG Nürnberg, Urteil vom 6.2.2025, 4 K 1279/23, Rev. BFH: X R 5/25, BMF-Schreiben vom 11.3.2010, IV C 3 - S 2221/09/10004, Rz. 46
| Der Bundesfinanzhof (BFHZ) hat jüngst entschieden, dass die Erteilung von Reitunterricht nicht von der Umsatzsteuer befreit ist, es sei denn, der Unterricht dient der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung. |
Das war geschehen
Im Streitfall begehrte der Kläger die Steuerbefreiung verschiedener Reitkurse für Kinder und Jugendliche auf seinem Reiterhof in den Jahren 2007 bis 2011. In der „Ponygruppe“ wurden Kinder und Jugendliche und bei „Klassenfahrten“ wurden Schulklassen im Umgang mit Pferden unterrichtet.
Zudem wurden Kurse für eine „Große Pferdegruppe“ angeboten, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen gerichtet waren. Die unterrichteten Kinder und Jugendlichen wurden darüber hinaus verpflegt und übernachteten teilweise auch auf dem Reiterhof.
Uneinigkeit der gerichtlichen Instanzen
Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, dass sämtliche Leistungen steuerpflichtig seien. Das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein sah das aber größtenteils anders. So seien die Umsätze insoweit steuerfrei, als sie auf die Beherbergung und Verpflegung sowie auf den Teil des Reitunterrichts entfielen, mit dem die formalen Voraussetzungen dafür erlangt werden können, später den Beruf des Turniersportreiters auszuüben („Große Pferdegruppe“).
Der Meinung des Finanzgerichts hat sich der BFH aber nicht vollumfänglich angeschlossen.
Der BFH stellte klar, dass es sich bei der Beherbergung und Verpflegung von Kindern und Jugendlichen um selbstständige steuerbare Leistungen neben dem Reitunterricht handelt. Er hob weiter hervor, dass Reitunterricht (als spezialisierter Unterricht) kein „Schul- und Hochschulunterricht“ ist.
Beachten Sie | Entsprechendes ist bereits für Segel-, Fahr-, Schwimm-, Jagd- und Tanzschulen entschieden worden.
Anerkennung als Ausbildung an strenge Voraussetzungen geknüft
Die Einstufung von Reitunterricht als „Ausbildung“ oder „Fortbildung“ kommt nach Auffassung des BFH nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Reitunterricht, der typischerweise der Freizeitgestaltung dient, ist in der Regel keine Ausbildung oder Fortbildung, da er nicht auf einen bestimmten Beruf vorbereitet. Die Kurse der „Ponygruppe“ und für Schulklassen im Rahmen der „Klassenfahrten“ sind daher umsatzsteuerpflichtig.
Beachten Sie | Die Ansicht des BFH dürfte insoweit strenger sein als die Auffassung der Finanzverwaltung zu Ballett-, Tanz- oder Musikunterricht.
Spätere Turniersportreiter: umsatzsteuerfreie Kurse
Bei den Kursen der „Großen Pferdegruppe“ lagen hingegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme vor, da zahlreiche Teilnehmer später Turniersportreiter wurden. Diese Kurse sind folglich umsatzsteuerfrei.
Hinsichtlich der Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für die Kinder und Jugendlichen führte der BFH aus, dass die hierfür seinerzeit geltende Steuerbefreiung nur in Betracht kommt, wenn eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter vorliegt. Bereits hieran fehlte es aber im Streitfall. Denn der Kläger konnte eine solche Anerkennung nicht vorweisen.
Beachten Sie | Seit dem 1.1.2020 können nur noch die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben insoweit umsatzsteuerbefreit sein, was der Kläger aber nicht ist.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 9/22, PM 35/25 vom 30.5.2025
| Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen und übernimmt der neue Eigentümer die auf dem Grundstück lastenden Schulden, liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund : Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Spekulationsbesteuerung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 23 EStG).
Beachten Sie | Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die
- im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
Das war geschehen
Der Vater hatte im Jahr 2014 ein Grundstück für 143.950 Euro erworben und teilweise fremdfinanziert. 2019 übertrug er das Grundstück auf seine Tochter. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Grundstück einen Wert von 210.000 Euro. Die Tochter übernahm die am Übertragungstag bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 115.000 Euro.
Finanzamt: Aufteilung in entgeltlich und unentgeltlich
Das Finanzamt teilte den Vorgang (ausgehend vom Verkehrswert im Zeitpunkt der Übertragung) in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichenTeil auf. Soweit das Grundstück unter Übernahme der Verbindlichkeiten entgeltlich übertragen worden war, besteuerte das Finanzamt den Vorgang als privates Veräußerungsgeschäft.
Hiergegen klagte der Vater vor dem Finanzgericht (FG) Niedersachsen und bekam Recht. Die Begründung: Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten sind keine Veräußerungen (im Sinne des § 23 EStG).
Höchste Instanz bestätigt Vorgehen des Finanzamts
Doch die Freude währte nicht lange, denn der BFH schloss sich der Ansicht des Finanzamts an.
- Wird ein Wirtschaftsgut übertragen und werden damit zusammenhängende Verbindlichkeiten übernommen, liegt regelmäßig ein teilentgeltlicher Vorgang vor. In diesem Fall erfolgt eine Aufteilung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichenTeil.
- Wird das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen, unterfällt der Vorgang hinsichtlich des entgeltlichen Teils als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensteuer.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.3.2025, IX R 17/24, PM 37/25 vom 30.5.2025
| Frauen muslimischen Glaubens haben keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kfz mit einem Gesichtsschleier (Niqab). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin bestätigt. |
Antrag auf Ausnahmegenehmigung
Die Klägerin hatte ihren Antrag auf Ausnahmegenehmigung damit begründet, dass sie sich gemäß ihrem Glauben außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Da sie im Auto den Blicken fremder Menschen ausgesetzt sei, müsse es ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Das VG hatte die Klage abgewiesen.
Berufung nicht zugelassen
Das OVG hat den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Mit ihren Einwendungen hat die Klägerin es nicht vermocht, ernstliche Richtigkeitszweifel an der Entscheidung des VG zu wecken oder Verfahrensfehler offenzulegen.
Keine wesentliche Einschränkung der Religionsfreiheit
Die Annahme des VG, dass das Tragen einer Gesichtsverschleierung während des Autofahrens für die Religionsausübung typischerweise keine wesentliche Einschränkung bedeutet und angesichts der zeitlich und örtlich eingeschränkten Wirkung des Verbots hinzunehmen ist, konnte sie nicht durchgreifend in Frage stellen.
Dasselbe gilt für die Annahme des VG, dass das der zuständigen Behörde bei der Frage der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt wurde, weil der Eingriff zur Sicherstellung der effektiven automatisierten Verkehrsüberwachung gerechtfertigt ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Quelle | OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.4.2025, OVG 1 N 17/25 , PM 11/25
| Wer seine SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergibt, hat keinen Anspruch auf Rückzahlung abgebuchter Kreditkartenbeträge. So entschied es das Amtsgericht (AG) München. |
Das war geschehen
Der Ehemann der Klägerin wollte am Samstag, den 6.1.2024, für seine Ehefrau und sich eine Reise im Internet buchen. Hierzu gab er auf der Website „Check24“ die Daten der Kreditkarte seiner Ehefrau ein. Kurz darauf erschien eine Mitteilung, dass ein Betrag in Höhe von 318,99 Euro vorgemerkt sei, ehe weitere Mitteilungen über vergleichbare Vormerkungen erschienen. Die Klägerin veranlasste noch am selben Abend telefonisch die Sperrung der Kreditkarte. Am Montag, den 8.1.2024 sind sechs unberechtigte Abbuchungen zu je 318,99 Euro für Giftcards vom Konto der Klägerin erfolgt, insgesamt 1.953,29 Euro.
Zur Autorisierung der Transaktionen fand das Mastercard 3D-Secure-Verfahren Anwendung. Zur Aktivierung dieses Verfahrens auf einem weiteren Gerät übersandte die beklagte Bank am 6.1.2024 eine SMS-TAN an die von der Klägerin bei der Beklagten hinterlegte Mobilfunknummer. Die an die Klägerin versandte SMS-TAN wurde dann auf dem weiteren mobilen Endgerät, auf dem auch die Banking-App freigeschaltet wurde, am 6.1.2024 eingegeben und damit das Secure-Verfahren aktiviert.
Die Klägerin behauptete, dass sie diese Abbuchungen nicht autorisiert habe. Bei der Buchung sei sie nicht nach PIN oder Passwort gefragt worden, sie habe auch nirgendwo eine SMS-Tan eingegeben. Es sei nicht erkannt worden, dass es sich möglicherweise um eine „Fake“-Website handelte.
Die beklagte Bank ging davon aus, dass die Frau die SMS-Tan an einen Dritten weitergegeben haben muss, da eine Freigabe der Buchungen anders technisch nicht möglich gewesen sei und verweigerte die Zahlung. Die Klägerin verklagte die Bank daher vor dem AG auf Rückzahlung der 1.953,29 Euro.
So sah das Amtsgericht den Sachverhalt
Das AG wies die Klage ab. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Abbuchungen nicht von der Klägerin autorisiert waren, sondern von Dritten getätigt wurden. Aufgrund der Beweisaufnahme war das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin die SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergegeben haben muss, weshalb ein Schadenersatzanspruch der Bank gegen die Klägerin in gleicher Höhe bestehe, mit dem die Bank aufgerechnet habe.
Das AG: Der Vortrag der Bank, dass diese in ihren Systemen feststellen konnte, dass das Mastercard 3D-Secure Verfahren per Banking App für die Kreditkarte der Klägerin am 6.1.2024 um 13:30 Uhr aktiviert wurde, und zur Aktivierung dieses Verfahrens auf dem neuen Gerät eine SMS-TAN an die im Vertrag hinterlegte Mobilfunknummer der Klägerin versandt wurde, wurde durch Inaugenscheinnahme des Mobiltelefons der Klägerin bestätigt. Dort befindet sich eine SMS vom 6.1.2024 13:29 Uhr mit dem Inhalt: „ … ist Ihre TAN für die Aktivierung von Mastercard Identity Check vom 6.1.2024 13:44 Uhr.“ Der Eingang der SMS um 13:29 Uhr war im eingesehenen Nachrichtenverlauf um 13:29 Uhr dokumentiert und wird auch durch das vorgelegte IT-Protokoll belegt. Der Vortrag der Klägerin, keine SMS-TAN erhalten zu haben und dass ihr Mobiltelefon nicht in die Freigabe involviert war, erwies sich damit als widerlegt.
SMS-Tan war unzweifelhaft eingegeben worden
Die Bank hat unbestritten vorgetragen, dass aufgrund der manuellen Eingabe einer an die Mobilfunknummer der Klägerin versandten SMS-Tan ein Fremdzugriff technisch ausgeschlossen ist. Es wurde ein neues Gerät im Online-Banking der Klägerin als Freigabeinstrument im Rahmen des 2-Faktor-Authentifizierungsverfahrens hinterlegt. Hierzu war – technisch zwingend – die Eingabe der SMS-Tan erforderlich. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Klägerin durch Preisgabe der SMS-Tan Dritten eine Registrierung eines Geräts ermöglicht hat, wobei die Preisgabe persönlicher Sicherheitsmerkmale an Dritte gemäß den vertraglichen Bestimmungen untersagt war.
Verhalten der Klägerin war grob fahrlässig
Das Verhalten der Klägerin bewertet das Gericht als grob fahrlässig. Es ist eine Sache, wenn man seine Kreditkartendaten offenbart. Diese werden bei jeder Verwendung offenbart und können auch von der Karte abgelesen werden.
Die Weitergabe eines im Rahmen einer Zwei-Faktor-Autorisierung erhaltenden Zugangscodes kann nicht damit gleichgesetzt werden. Mit dieser Weitergabe hilft der Nutzer, die Sicherheitsarchitektur grundlegend auszuhebeln. Es muss jedem verständigen Nutzer solcher Kreditkarten klar sein, welches Risiko er mit der Weitergabe derartiger Daten schafft. Die Klägerin mag dies nicht bewusst getan haben und es mag auch nicht erinnerlich sein. Indessen lässt sich der Vorgang plausibel nicht anders erklären.
Quelle | AG München, Urteil vom 8.1.2025, 271 C 16677/24, PM 14/25
| Nach den Vorgaben des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes (FKAustG) werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates automatisch ausgetauscht. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun die Staatenaustauschliste 2025 bekanntgegeben. Enthalten sind die Staaten, mit denen der automatische Datenaustausch zum 30.9.2025 erfolgt. Weitere Informationen zum Informationsaustausch erhalten Sie u. a. auf der Website des Bundeszentralamts für Steuern (abrufbar unter www.iww.de/s2991). |
Quelle | BMF-Schreiben vom 3.6.2025, IV D 3 - S1315/00304/070/025
| Die Vermietung von Zimmerkontingenten an eine Kommune zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter überschreitet nicht den Nutzungszweck eines zum Hotelbetrieb gepachteten Gebäudes. Dies gilt jedenfalls, solange hiermit keine übermäßige Abnutzung oder sonstige Beeinträchtigung für den Verpächter verbunden ist, die über die übliche Nutzung durch Hotelgäste hinausgeht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die auf Räumung und Herausgabe des Hotels gerichtete Klage der Verpächterin abgewiesen. |
War die Unterbringung Geflüchteter vertragswidrig?
Die Klägerin schloss 2016 mit der Beklagten einen Vertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb des „Hotel F.“ in Gießen. Die Sache durfte vertraglich nur zum vereinbarten Nutzungszweck gebraucht werden. Seit Herbst 2022 buchte das Jugendamt der Stadt Gießen regelmäßig Zimmer für in seiner Obhut stehende Jugendliche. Nach Abmahnung kündigte die Klägerin 2023 fristlos. Sie hält die Unterbringung unbegleiteter Jugendlicher für vertragswidrig. Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt.
In der Berufung wies das OLG die Klage ab. Der Vertrag zwischen den Parteien sei nicht wirksam fristlos gekündigt worden. Die Beklagte habe nicht die Rechte der Klägerin durch eine unbefugte Überlassung an Dritte in erheblichem Maße verletzt. Dem Betrieb eines Hotels sei es immanent, dass es zu Beherbungsverträgen mit Dritten komme. Davon umfasst sei auch, dass bei der Buchung von Zimmerkontingenten durch Firmen o. Ä. ein ganzes Hotel faktisch durch denselben Mieter belegt werde. Der Abschluss von zeitlich begrenzten und auf bestimmte Zimmer bezogenen Beherbungsverträgen mit der Stadt Gießen sei folglich nicht unbefugt gewesen. Die Grenze zur unzulässigen Gebrauchsüberlassung wäre nur überschritten, wenn die Stadt das gesamte Gebäude übernommen und zu einem Flüchtlingsheim umgebaut hätte.
Keine Gefährdung der Mietsache, keine Pflichtverletzung
Eine zur Kündigung berechtigende Gefährdung der Mietsache durch unbegleitete minderjährige Geflüchtete sei nicht erkennbar. Es liege keine Pflichtverletzung wegen Überschreitung des Vertragszwecks vor, die zur Kündigung berechtigte. Die zeitweilige Vermietung zum o. g. Zweck überschreite nicht den Vertragszweck. Die vertraglich vereinbarte Nutzungsart als Hotel sei durch das Angebot von individueller Unterkunft, Service, Verpflegung und Nebenleistungen gekennzeichnet. Aufenthaltsdauer, -zweck und Motive für die Anmietung der Zimmer stellten keine entscheidenden Kriterien für die Bewertung als Hotelbetrieb dar. Es bestehe kein Anspruch darauf, „dass die Vermietung nur an einen bestimmten Personenkreis erfolgen darf, solange keine Beeinträchtigungen der Räumlichkeiten vorliegen bzw. zu befürchten sind“, unterstrich das OLG und es sei auch nicht vorgetragen, dass „Geflüchtete die Zimmer intensiver und nachlässiger nutzten als dies bei einer „normalen“ Vermietung an Hotelgäste der Fall wäre“.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.2.2025, 2 U 63/24, PM 21/25
| Das Landgericht (LG) Hanau hat entschieden: Die Anforderung von Belegkopien der Betriebskostenabrechnung ist kein wirksames Einsichtnahmeersuchen, wenn die Einsicht beim Vermieter zumutbar ist. Hierfür kommt es auf die Entfernung zur Mietwohnung an und nicht auf den Ort, an den der Mieter nach Mietende verzogen ist. |
Muss Mieter Belege einsehen oder muss Vermieter sie zuschicken?
Nach Mietvertragsende verlangte der Mieter die geleistete Kaution zurück. Die dann noch erstellte Betriebskostenabrechnung wies eine Nachforderung auf, die der Vermieter mit der Kaution verrechnete. Der inzwischen über 120 km weit weggezogene Mieter widersprach der Abrechnung, forderte die Übersendung von Belegkopien, um die Abrechnung zu prüfen, und klagte auf Rückzahlung der gesamten Kaution. Er bringt vor, keine Kopien erhalten zu haben, zumal der Vermieter für eine Einsichtnahme bei diesem nun zu weit entfernt sei.
So sahen es die Gerichte
Das Amtsgericht (AG) hat die Klage in Höhe der verrechneten Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das LG entschied, dass die Einwände gegen die Abrechnung zu unkonkret waren, weil der Mieter die Belege nicht geprüft hat. Der Vermieter habe die Belegeinsicht auch nicht verweigert, weil der Mieter unzulässigerweise die Übersendung von Kopien verlangte. Da die Belegprüfung grundsätzlich beim Vermieter erfolgen muss, lag schon kein wirksames Einsichtnahmeersuchen vor.
Kein Ausnahmefall
Der Mieter könne auch nicht ausnahmsweise die Zusendung von Kopien fordern. Das sei zwar möglich, wenn der Vermieter zu weit entfernt ansässig ist. Hierfür komme es jedoch auf die Entfernung der Mietsache zu diesem an, wobei eine Anreise von Hanau nach Frankfurt zumutbar sei. Dass der Mieter nun über 120 km entfernt wohnt, liege hingegen in seinem Risikobereich und führe nicht zu einem Recht auf Übersendung von Kopien.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | LG Hanau, Beschluss vom 24.3.2025, 2 S 43/24, PM vom 8.5.2025
| Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg bestätigte die Vorinstanz: Der kulturelle und familiäre Wert einer Sammlung aus Gemälden und historischen Gegenständen ist höher zu setzen als das Interesse einzelner Familienmitglieder an der Verwertung der Gegenstände. Letzteres hatte ein Teil der Familie aufgrund interner Differenzen verlangt. |
Das war geschehen
Die Nachfahren einer Nürnberger Patrizierfamilie stritten in einem Zivilprozess um den Erhalt ihrer Familiensammlung – einer Sammlung von Gemälden und historischen Gegenständen, die über Jahrzehnte als ungeteiltes Familienvermögen innerhalb der Familie über die Erbfolge weitergegeben wurde. Ein Teil der Familie begehrte den Pfandverkauf der historischen Sammlungsgegenstände, die teils in privater Nutzung sind, teils im Germanischen Nationalmuseum verwahrt werden, um die Erben- und Bruchteilsgemeinschaft auseinanderzusetzen. Die beklagten Familienmitglieder widersetzten sich dem und beriefen sich auf ein in einem Familienvertrag aus dem Jahr 1936 festgelegtes immerwährendes Teilungsverbot für das verfahrensgegenständliche Familienvermögen. Die Kläger verwiesen auf eine spätere Aufhebung sowie Nichtigkeit dieses Familienvertrags, denn dessen Regelungen sahen unter anderem die Weitergabe der Familiensammlung nur an männliche Nachkommen vor.
So sah es die erste Instanz
Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth hatte in erster Instanz die Klage abgewiesen. Es sah die Aufhebung des Familienvertrags nicht durch die vorhandenen Protokolle der Familienversammlungen belegt und erachtete das von der Familie im Jahr 1936 in Bezug auf die Familiensammlung vereinbarte dauerhafte Teilungsverbot als wirksam und fortbestehend an. Die Klagepartei habe auch keine Umstände vorgebracht, die als wichtiger Grund eine Aufhebung der Gemeinschaft rechtfertigen könne. Die im Verfahren vorgetragenen innerfamiliären Differenzen reichten hierfür nicht aus.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Hiergegen legte ein Familienmitglied der unterlegenen Klageseite Berufung zum OLG ein. Dieses hat das Ersturteil bestätigt und die zur Begründung des Aufhebungsanspruchs vorgebrachten Gründe und Einwendungen der Berufung für nicht durchgreifend erachtet. Wie das Erstgericht bewerte der Senat die erbrechtliche Regelung im Familienvertrag zum Ausschluss der weiblichen Nachkommen als nichtig, was aber die Wirksamkeit des dauerhaften Teilungsverbots nicht berühre. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kam das OLG zu dem Ergebnis, dass das beklagtenseits eingewandte familiäre als auch öffentliche Interesse am Erhalt der Gesamtheit der Sammlung als Kulturgut dem klägerischen Interesse an einer Aufhebung der Gemeinschaft und an einer damit verbundenen Zerschlagung der Sammlung überwiege.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 28.2.2025, 1 U 2451/23 Erb, PM 12/25
| Bauarbeiter, die auf Baustellen einfache Arbeiten verrichten, einen festen Stundenlohn erhalten und am Markt nicht erkennbar unternehmerisch auftreten, sind regelmäßig abhängig Beschäftigte, für die die Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen. Dies entschied in drei Urteilen das Hessische Landessozialgericht (LSG). |
Baufirmen müssenSozialversicherungsbeiträge nachzahlen
Die Deutsche Rentenversicherung entschied in mehreren Fällen, dass Bauarbeiter abhängig beschäftigt sind. In zwei Fällen forderte sie nach entsprechenden Betriebsprüfungen von den im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge in fünfstelliger Höhe. In einem weiteren Verfahren hatte sie zunächst über den Antrag auf Statusfeststellung zu entscheiden.
Weder schriftliche Verträge noch eigene Werkzeuge
In diesen Fällen hatten angeblich selbstständige Werkunternehmer auf Baustellen der jeweils klagenden Baufirma gearbeitet. Bei diesen Bauarbeitern handelte es sich um ausländische Staatsangehörige mit allenfalls geringen Deutschkenntnissen. Sie erledigten Abbrucharbeiten, Maurertätigkeiten und Pflasterarbeiten, sanierten Bäder oder arbeiteten im Trockenbau. Schriftliche Verträge oder Auftragsbestätigungen gab es nicht. Die Abrechnungen erfolgten auf Basis der aufgeschriebenen Stunden bei einem Stundenlohn zwischen 10 und 15 Euro. Die Materialien und Werkzeuge wurden bis auf Kleinwerkzeuge von den jeweiligen Baufirmen gestellt.
Scheinselbstständige statt Werkunternehmer
Das LSG folgte der Einschätzung der Rentenversicherung. In allen drei Verfahren liege Scheinselbständigkeit vor.
Bei einfachen, typischen Arbeitnehmerverrichtungen, die der Beschäftigte im Wesentlichen ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübe, spreche die Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis. Die betroffenen Bauarbeiter seien jeweils in den Betrieb der klagenden Baufirma eingegliedert gewesen und hätten einfache Bauarbeiten getätigt, wie sie typischerweise abhängig Beschäftigte verrichteten.
Kein unternehmerisches Auftreten
Werkvertragstypische Vereinbarungen einer unternehmerischen Leistung hätten nicht festgestellt werden können. Zudem seien die angeblichen „Werkunternehmer“ schon aufgrund ihrer geringen Deutschkenntnisse zu einem unternehmerischen Auftreten am Markt nicht in der Lage gewesen.
Zwischen den Baufirmen und den Bauarbeitern getroffene Vereinbarungen über eine (angeblich) selbstständige Tätigkeit seien nicht relevant und könnten die gesetzlich angeordnete Sozialversicherungspflicht nicht ausschließen.
Quelle | Hessisches LSG, Urteil vom 3.4.2025, L 8 BA 4/22, L 8 BA 62/22 und L 8 BA 64/21, PM vom 3.4.2025
| Wandhängende WCs und Handtuchheizkörper in Standardausführung sowie Balkone in der Größe von vier qm sind in Milieuschutzgebieten genehmigungsfähig, weil sie der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dienen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden. |
Bauliche Änderungen nicht ohne Genehmigung
Die Klägerinnen sind jeweils Eigentümerinnen von Wohngebäuden in Milieuschutzgebieten in Berlin-Mitte. Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen soziale Erhaltungsverordnungen (umgangssprachlich Milieuschutzverordnungen) gelten. Sie sollen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im jeweiligen Gebiet schützen. Bauliche Änderungen bedürfen in Milieuschutzgebieten grundsätzlich einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Den Erlass von Milieuschutzverordnungen erlaubt ein Bundesgesetz, nämlich das Baugesetzbuch. In Berlin sind dafür die Bezirke zuständig. Aktuell gelten in Berlin über 40 Milieuschutzverordnungen.
Eine Klägerin möchte im Badezimmer einer Wohnung ein Stand-WC durch ein wandhängendes WC ersetzen sowie einen Handtuchheizkörper einbauen. Eine weitere Klägerin begehrt den Anbau von dreizehn Balkonen in der Größe von jeweils vier qm an die Wohnungen ihres Mehrfamilienhauses. Die Maßnahmen stellen nach Ansicht der Klägerinnen einen zeitgemäßen Ausstattungszustand ihrer Wohnungen dar. Das Bezirksamt versagte den Klägerinnen die erhaltungsrechtlichen Genehmigungen. Die Vorhaben gingen über einen zeitgemäßen Ausstattungszustand hinaus und seien als wohnwerterhöhende bauliche Änderungen im Milieuschutzgebiet nicht zulässig.
Genehmigungen sind zu erteilen
Das VG gab den dagegen erhobenen Klagen statt und verpflichtete das Bezirksamt, die Genehmigungen zu erteilen. Der Gesetzgeber habe im Baugesetzbuch geregelt, dass eine erhaltungsrechtliche Genehmigung zu erteilen sei, wenn die bauliche Maßnahme der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen diene.
Mittlerer Standard nicht wohnwerterhöhend
Der Gesetzgeber habe den Genehmigungsanspruch auch nicht auf bauliche Maßnahmen beschränkt, die der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dienten. Vielmehr habe er zugelassen, dass darüber hinaus auch in Milieuschutzgebieten eine behutsame Anhebung des Ausstattungszustands auf den Standard mittlerer Wohnverhältnisse erfolgen könne. Daran sei ein bundeseinheitlicher Maßstab anzulegen. Bei wandhängenden WCs und Handtuchheizkörpern in einer Standardausführung sowie bei vier qm großen Balkonen werde dieser Standard nicht überschritten. Dafür sprächen unter anderem die Verbreitung dieser Ausstattungsmerkmale bundesweit sowie der Umstand, dass die Mietspiegel der größeren deutschen Städte sie überwiegend nicht als wohnwerterhöhend einstuften.
Quelle | VG Berlin, Urteile vom 2.4.2025, VG 19 K 17/22 und VG 19 K 351/23, PM 24/25
| Trotz erfolgreich absolviertem ersten juristischen Staatsexamen hat ein Antragsteller, der erwiesenermaßen die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft, keinen Anspruch darauf, den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) zu durchlaufen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz. |
Fehlende Verfassungstreue
Der Antragsteller wollte nach erfolgreichem Jurastudium als Rechtsreferendar in den juristischen Vorbereitungsdienst eintreten. Dies lehnte das Oberlandesgericht (OLG) wegen fehlender Verfassungstreue des Antragstellers ab. Dieser suchte daraufhin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um gerichtlichen Rechtsschutz mit dem Ziel nach, ihn im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses einzustellen.
Eindeutige Publikationen
Der Antrag blieb ohne Erfolg. Dem Antragsteller, so das VG, fehle der notwendige sog. Anordnungsanspruch. Aus den einschlägigen Vorschriften des Landesgesetzes über die juristische Ausbildung sowie des Landesbeamtengesetzes folge, dass die juristische Ausbildung am Leitbild einer dem Rechtsstaat verpflichteten Person zu orientieren sei. Rechtsreferendare müssten sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Der Antragsteller werde dem nicht gerecht, wie von ihm verfasste und publizierte Texte belegten.
In einem von ihm geschriebenen Roman würden beispielsweise schwarze Menschen durch die Verwendung menschenverachtender Bezeichnungen pauschal herabgewürdigt. Es werde hierin behauptet, ein – namentlich genannter – österreichischer Fußballspieler, der dunkelhäutig sei, könne kein Deutscher oder Österreicher sein. In einem anderen Text attestierte er dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Demontage des Volksbegriffs. Der von dem Antragsteller vertretene Volksbegriff mit der Forderung nach einer „positiven Erneuerung Deutschlands“ könne nur als Forderung nach einer Umkehrung eines vermeintlichen „Bevölkerungsaustauschs“ verstanden werden. Zudem sei der Antragsteller Mitglied bei der „Jungen Alternative für Deutschland“ und dem Verein „Ein Prozent e. V.“ gewesen. Er habe in beiden Organisationen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Frühjahr 2023 als gesichert rechtsextremistisch einstufe, zumindest zeitweise herausgehobene Funktionen übernommen.
Die Entscheidung ist bestandskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 9.5.2025, 5 L 416/25.KO, PM 14/25
| Eine Tätowierung ist heute typischer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Während sichtbare Tattoos im Arbeitsleben immer normaler werden, stellt sich damit aber zunehmend die Frage, wer eigentlich das finanzielle Risiko trägt, wenn beim Stechen des Tattoos nicht alles glatt verläuft. Dazu liegt nun eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vor: Wer sich tätowieren lässt, erhält bei Komplikationen keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das LAG bestätigt damit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Flensburg. |
Pflegekraft ließ sich tätowieren
Die als Pflegehilfskraft beschäftigte Klägerin ließ sich am Unterarm tätowieren. In der Folge entzündete sich die tätowierte Stelle. Die Klägerin wurde daraufhin für mehrere Tage krankgeschrieben. Die beklagte Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum ab.
Die Klägerin führte vor Gericht aus, dass sie ja nicht Entgeltfortzahlung für den Tätowierungsvorgang geltend mache, sondern für eine davon zu trennende zeitlich nachfolgende Entzündung der Haut. Ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen. Es habe sich ein sehr geringes Risiko verwirklicht, das nur bei ein bis fünf Prozent der Fälle von Tätowierungen auftrete. Tätowierungen seien als Teil der privaten Lebensführung geschützt und mittlerweile weit verbreitet.
Die Arbeitgeberin entgegnete, die Klägerin habe bei der Tätowierung in eine Körperverletzung eingewilligt. Das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre deshalb nicht zum normalen Krankheitsrisiko und könne dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden.
Arbeitsunfähigkeit verschuldet
Das LAG ist der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Diese war zwar arbeitsunfähig krank. Sie hat die Arbeitsunfähigkeit aber verschuldet. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz handelt ein Arbeitnehmer immer schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt.
Die Klägerin musste bei der Tätowierung damit rechnen, dass sich ihr Unterarm entzündet. Dieses Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen ihr eigenes Gesundheitsinteresse dar. Sie hat selbst vorgetragen, in bis zu 5 % der Fälle komme es nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut. Dies ist keine völlig fernliegende Komplikation. Bei Medikamenten wird eine Nebenwirkung als „häufig“ angegeben, wenn diese in mehr als einem, aber weniger als zehn Prozent der Fälle auftritt. Zudem ist die Komplikation in der Hautverletzung durch die Tätowierung selbst angelegt.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.5.2025, 5 Sa 284 a/24, PM vom 2.7.2025
| Wenn ein Arbeitnehmer sich beim Kaffeetrinken verschluckt und infolgedessen stürzt, kann das im Einzelfall einen Arbeitsunfall darstellen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden. |
Nasenbeinbruch während morgendlicher Besprechung
Der Kläger war als Vorarbeiter auf einer Baustellebeschäftigt. Beim Kaffeetrinken während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer verschluckte er sich, ging hustend zur Tür, um sich draußen auszuhusten, verlor kurz das Bewusstsein und stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter. Dabei brach er sich das Nasenbein.
Berufsgenossenschaft und Sozialgericht: kein Arbeitsunfall
Das sei kein Arbeitsunfall, befand die zuständige Berufsgenossenschaft, denn das Kaffeetrinken habe keinen betrieblichen Zwecken gedient. Es sei vielmehr dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen. So sah es auch das Sozialgericht (SG), das in erster Instanz über den Fall entschieden hatte.
Landessozialgericht: auch Nahrungsaufnahme geschützt
Zu Unrecht, befand nun das LSG. Zwar erstrecke sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit damit ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird. Im vorliegenden Fall sei das Kaffeetrinken aber nicht auf das Grundbedürfnis des Durstlöschens gerichtet gewesen, sondern habe (auch) betrieblichen Zwecken gedient. Der gemeinsame Kaffeegenuss während der verpflichtend vorgeschriebenen Besprechung habe eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft bewirkt.
Arbeitgeber stellte den Kaffee zur Verfügung
Zudem habe der Kaffee für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesorgt. Das sei auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, der sich teilweise selbst um das Auffüllen der Kaffeevorräte gekümmert habe. Deshalb sei der Fall auch anders zu beurteilen, als wenn sich ein Arbeitnehmer z. B. in der Frühstückspause an einem Kaffee verschluckt, den er selbst in der Thermoskanne mitgebracht hat.
Quelle | LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.5.2025, L 6 U 45/23, PM 2/25
| Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Hostprovider – hier Meta – muss nach einem Hinweis auf einen rechtsverletzenden Post auf der Social-Media-Plattform Facebook auch ohne weitere Hinweise sinngleiche Inhalte sperren. Sinngleich sind etwa Beiträge mit identischem Text und Bild, aber abweichender Gestaltung (Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung), bloßer Änderung typografischer Zeichen oder Hinzufügung von Elementen, etwa sog. Captions, die den Aussagegehalt nicht verändern. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Arzt und bewarb in der Vergangenheit u. a. die sog. „Hirschhausen Diät“. Der Kläger wies die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach auf sog. Fake-Werbe-Videos hin, in denen er vermeintlich u. a. für Abnehmmittel werbe.
Gegenstand dieses Eilverfahrens sind zwei weitere solcher Deep-Fake Videos: Nutzer haben zum einen ein Video unter Verwendung eines Ausschnitts aus der Sendung von Markus Lanz hergestellt, in denen der Name, das Bildnis und die Stimme des Klägers verwendet werden und in dem dieser vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme wirbt. Dieses Video entfernte die Beklagte zeitnah nach Abmahnung durch den Kläger. In einem nachfolgend erschienenen, nahezu inhaltsgleichen weiteren Deep-Fake Video warb der Kläger ebenfalls vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme. Dieses Video entfernte die Beklagte ebenfalls – erst – nach entsprechendem Hinweis durch den Kläger. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassen der Verbreitung dieser beiden Videos in Anspruch. Das Landgericht (LG) hat den Antrag zurückgewiesen.
So sah es das Oberlandesgericht
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hatte teilweise Erfolg. Hinsichtlich des ersten Videos bestehe kein Unterlassungsanspruch, entschied das OLG. Die Beklagte sei als Hostproviderin grundsätzlich nicht verpflichtet, von den Nutzern ins Netz gestellte Beiträge vor ihrer Veröffentlichung auf etwaige Rechtsverletzungen hin zu prüfen. Ihre Haftung setze die Verletzung von Prüf- und Verhaltenspflichten voraus. Vor der Abmahnung des Klägers betreffend das erste Video sei die Beklagte nicht zur Löschung verpflichtet gewesen. Eine Löschpflicht habe sich insbesondere nicht aus den vorausgegangenen Hinweisen des Klägers auf andere, nicht sinngleiche sog. Fake-Werbungen ergeben. Grundsätzlich lösten derartige Hinweise nur Prüfpflichten hinsichtlich „sinngleicher Inhalte“ aus. Darunter fielen Inhalte, die in Bild und Text identisch, aber bei gleichbleibendem Gesamteindruck etwa abweichend gestaltet seien. Dies könne sich etwa auf die Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung mit Rahmen oder Zufügung sog. Caption beziehen. Die vorausgegangenen Hinweise des Klägers hätten sich hier jedoch auf in Bild und Text abweichende Inhalte bezogen.
Prüfplicht des Providers bestand
Hinsichtlich des zweiten Videos habe die Beklagte dagegen schon aufgrund der Abmahnung des Klägers hinsichtlich des ersten Videos eine Prüfpflicht getroffen. Es habe keiner weiteren Abmahnung bedurft. Das zweite Video unterscheide sich allenfalls marginal vom ersten. Nach dem Eindruck des OLG wirkten die Videos – bei voneinander abweichender Überschrift – nahezu identisch. Es lägen damit sinngleiche Inhalte vor. Da die Beklagte das zweite Video nicht bereits ohne weitere Abmahnung gesperrt habe, habe sie gegen ihre Prüfpflichten verstoßen. Im Ergebnis bestehe daher ein Unterlassungsanspruch.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nich tanfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.3.2025, 16 W 10/25, PM 14/25
| Zahlreiche Betriebsprüfungen zeigen, dass die Kassenführung oft beanstandet wird. Das Problem dabei: Ist die Kassenführung nicht ordnungsmäßig, drohen erhebliche Hinzuschätzungen. So war es auch in einem Fall, der vom Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein zu entscheiden war. |
Im Streitfall hatte bei einem bargeldintensiven Imbiss mit Sitzgelegenheiten eine Betriebsprüfung stattgefunden. Der Betreiberin, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte, wurden dabei zahlreiche Mängel in der Kassenführung vorgeworfen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem FG blieb erfolglos.
Beachten Sie | Allerdings ist inzwischen die Revision anhängig, in der insbesondere diese interessanten Fragen zu klären sind:
- Ist bei bestehenden Zweifeln im Hinblick auf den Programmierzustand und das Vorhandensein von Manipulationsspuren an der Registrierkasse vom FG ein Sachverständigengutachten einzuholen?
- Rechtfertigen fehlende Programmierprotokolle für die verwendete Kasse eine Schätzung dem Grunde nach?
- Ergibt sich aus einer angeblichen Abweichung von der Richtsatzsammlung eine Schätzungsbefugnis?
Quelle | FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.8.2023, 3 K 25/22, Rev. BFH, X R 27/24
| Hat eine Gesellschaft ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr, ist für die Berechnung der Steuerermäßigung gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 EStG) nicht auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums abzustellen, sondern auf das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahrs. Für die Aufteilung des Steuerermäßigungsbetrags sind der Gewerbesteuer-Messbetrag und die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des Wirtschaftsjahrs an der Gesellschaft beteiligt waren. So lautet ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Hintergrund: Unter den Voraussetzungen des § 35 EStG wirddie Gewerbesteuerbelastung kompensiert, indem die tarifliche Einkommensteuer um das Vierfache des festgesetzten Steuermessbetrags gemindert wird.
Quelle | BFH, Urteil vom 10.4.2025, IV R 21/22
| Mit Wirkung ab 1.6.2025 wurden die Gebühren für Eintragungen im Handelsregister um 50 Prozent erhöht. Demzufolge werden auch Unternehmensgründungen teurer. |
In der Begründung der Verordnung wird hierzu u. a. ausgeführt: „Die daraus insgesamt resultierenden Gebühreneinnahmen sollen dazu dienen, den Aufwand der Länder für den Betrieb der Registergerichte weitgehend zu decken, damit die Gerichte den Anforderungen an eine moderne, effiziente und sichere Registerführung auch künftig gerecht werden können.“
Quelle | Dritte Verordnung zur Änderung der Handelsregistergebührenverordnung, BGBl I 2025, Nr. 127
| Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft wird nur bereit sein, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung einer Eigentumswohnung zu (privaten) Wohnzwecken (also im privaten Interesse) eines Gesellschafters zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe erstattet werden und sie zudem einen angemessenen Gewinnaufschlag erhält. Vor diesem Hintergrund hat es das Finanzgericht (FG) Niedersachsen im Streitfall als rechtmäßig beurteilt, dass das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) angesetzt hat. |
Zum Hintergrund: Bei einer vGA handelt es sich – vereinfacht – um Vermögensvorteile, die dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gewährt werden. Eine vGA darf den Gewinn der Gesellschaft nicht mindern.
Im Anschluss an ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahr 2016 führte das FG weiter aus: Eine Vermietung zu marktüblichen, aber nicht kostendeckenden Bedingungen würde ein gewissenhafter Geschäftsführer (ausnahmsweise) in Betracht ziehen, wenn er bezogen auf den jeweils zu beurteilenden Veranlagungszeitraum bereits von der Erzielbarkeit einer angemessenen Rendite ausgehen kann.
Beachten Sie | Die danach für den Fremdvergleich maßgebliche Kostenmiete ist auch dann als Maßstab heranzuziehen, wenn der Gegenstand des Unternehmens der Kapitalgesellschaft auch neben der an die Gesellschafterin vermieteten Wohnung in der Vermietung von Immobilien besteht.
Gegen das Urteil ist die Revision anhängig. Gleichwohl sollte in vergleichbaren Fällen eine vGA bedacht werden. Es empfiehlt sich, Mietverträge zu prüfen und ggf. anzupassen.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 15.8.2024, 10 K 255/21, Rev. BFH, I R 21/24
| Ein Freiwilliger Wehrdienst kann bei einem volljährigen Kind für sich genommen keinen Kindergeldanspruch begründen. Gleichwohl kann während der Zeit des Wehrdienstes ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, wenn das Kind einen der gesetzlichen Berücksichtigungstatbestände erfüllt, also z. B. während des Wehrdienstes für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dabei ist es unschädlich, wenn das Kind nach Abschluss der Grundausbildung im Rahmen des Freiwilligen Wehrdienstes Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad ausübt. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Das war geschehen
Der Sohn absolvierte nach seinem Abitur einen zehn Monate dauernden Freiwilligen Wehrdienst. Die Familienkasse bewilligte dem Vater für die Übergangszeit zwischen Abitur und Grundausbildung sowie für die Zeit der Grundausbildung Kindergeld. Nach der Grundausbildung verrichtete der Sohn Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad, eine weitere Ausbildung bei der Bundeswehr fand nicht statt. Nach dem Ende des Wehrdienstes studierte er an einer zivilen Hochschule. Den Entschluss dazu hatte er während des Wehrdienstes gefasst.
Die Familienkasse versagte für die Zeit nach Beendigung der Grundausbildung bis zum Beginn des Studiums die Festsetzung von Kindergeld. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Vater Klage vor dem Finanzgericht (FG) Bremen. Da das FG die Revision zugelassen hatte und diese auch eingelegt wurde, musste nun der BFH entscheiden.
Beachten Sie | Der Freiwillige Wehrdienst gehört – anders als ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr – nicht zu den im Einkommensteuergesetz (hier: § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG) genannten Berücksichtigungstatbeständen, die schon für sich genommen einen Kindergeldanspruch begründen können.
Bundesfinanzhof: Kindergeldanspruch bestand
Dennoch entschied der BFH, dass auch nach dem Ende der Grundausbildung und trotz einer Erwerbstätigkeit des Kindes als Soldat mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden ein Kindergeldanspruch bestehen kann, wenn das Kind (wie im Streitfall) eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.
Beachten Sie | Die drei Monate dauernde Grundausbildung war zwar Teil einer Ausbildung zum Offizier oder Unteroffizier. Ihre Beendigung führte jedoch nicht zu einem für den weiteren Kindergeldbezug ggf. schädlichen Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung (i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG).
Es kam auf den Zeitpunkt des Entschlusses an
Für einen Monat wies der BFH die Revision jedoch zurück, weil sich der Entschluss des Sohnes, sich um einen Studienplatz zu bemühen, erst im Folgemonat objektiviert hatte. Der bloße Vortrag des Kindergeldberechtigten und des Kindes, der Entschluss zu einer Ausbildung oder zu einem Studium sei früher gefasst worden, ist für die Begründung des Anspruchs nicht ausreichend.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.2.2025, III R 43/22, PM 28/2025 vom 2.5.2025
| Ab Mai 2025 setzen vier Pilotfinanzämter (Brühl, Bielefeld-Außenstadt, Hamm und Lübbecke) des Landes Nordrhein-Westfalen erstmals ein KI-Modul zur Unterstützung der Steuerveranlagung ein. Das Ziel: Steuererklärungen sollen effizienter, schneller und treffsicherer bearbeitet werden.
Das neue KI-Modul ergänzt das bewährte Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung. Es erkennt Muster in den Steuerdaten und kann gut nachvollziehbare Fälle mit geringem Prüfbedarf gezielt identifizieren. Diese werden automatisiert verarbeitet – und damit schneller abgeschlossen.
Gestartet wird mit Arbeitnehmerfällen (also Steuererklärungen mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalerträgen, Vorsorgeaufwendungen, Sonderausgaben, haushaltsnahen Dienstleistungen und ähnlichen Bereichen). Die Ausweitung auf weitere Fallkonstellationen ist bereits in Planung.
Nordrhein-Westfalen übernimmt die Vorreiterrolle. Nach erfolgreichem Testlauf ist die landesweite Einführung geplant.
Quelle | FinMin NRW, Mitteilung vom 22.4.2025
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der auf Dienstreisen seinen privaten Pkw einsetzt, die tatsächlichen Kosten für jeden gefahrenen Kilometer auch dann ansetzen kann (im Streitfall: 2,28 Euro/km für einen Sportwagen), wenn er von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt bekommt, den er grundsätzlich für dienstliche und private Fahrten nutzen kann. |
Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall jedoch den Nachweis erbringen, dass er das Privatfahrzeug tatsächlich beruflich eingesetzt hat. Eine Angemessenheitsprüfung dem Grunde nach (hier: berufliche Nutzung eines privaten Fahrzeugs durch einen Arbeitnehmer, dem von seinem Arbeitgeber ein Geschäftsfahrzeug überlassen wurde) findet nicht statt.
Beachten Sie | Das Finanzamt will diese Entscheidung aber nicht akzeptieren und hat Revision eingelegt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.9.2024, 9 K 183/23, Rev. BFH: VI R 30/24
| Kinderbetreuungskosten sind als Sonderausgaben abzugsfähig. Bei Aufwendungen für Unterricht, für die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen ist ein Sonderausgabenabzug allerdings gesetzlich ausgeschlossen. Mit dem Abzugsverbot hat sich nun der Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt. |
Hintergrund: Kinderbetreuungskosten können nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) als Sonderausgaben steuerlich absetzbar sein. Folgende Aspekte sind hier zu beachten:
- Abzug von 80 % der Betreuungsleistungen, maximal 4.800 Euro pro Jahr.
- Der Abzug ist zulässig für haushaltszugehörige Kinder unter 14 Jahren (oder aufgrund Behinderung, Eintritt vor dem 25. Lebensjahr, Übergangsregel 27. Lebensjahr).
- Grundsätzlicherforderlich: Rechnung und Überweisung.
- Nichtabziehbar: Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen.
Betreuungscharakter muss im Vordergrund stehen
Nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen vor, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbstständigten Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichts- oder Kurszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen (sprachlichen, musischen, sportlichen) Fähigkeiten in den Hintergrund rückt.
Nicht begünstigteAufwendungen
Entsprechendes gilt für sportliche und andere Freizeitbetätigungen. Nicht begünstigte Aufwendungen für derartige Aktivitäten liegen daher vor, wenn
- die Betätigung organisatorisch, zeitlich und räumlich getrennt von einer Kindertagesstätte, einem Schulhort oder einer ähnlichen Einrichtung stattfindet und
- dabei nicht die altersbedingt erforderliche Betreuung des Kindes, sondern die Aktivität im Vordergrund steht.
Quelle | BFH, Urteil vom 23.1.2025, III R 33/24 (III R 50/17)
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen hat die Stadt Marburg dazu verpflichtet, einer Studentin einen Bewohnerparkausweis zu erteilen, die ein in Tschechien zugelassenes Fahrzeug nutzt. |
Kfz in Tschechien zugelassen
Die Klägerin wohnt in einem Bewohnerparkgebiet der Beklagten. Sie nutzt ein Kraftfahrzeug ihres Vaters, der tschechischer Staatsangehöriger ist und das Fahrzeug in Tschechien zugelassen hat. Im Frühjahr 2024 beantragte sie bei der Stadt Marburg, ihr einen Bewohnerparkausweises zu erteilen. Dies lehnte die Stadt mit der Begründung ab, dass sie Bewohnerparkausweise für Fahrzeuge mit ausländischer Zulassung nicht erteilen könne. Im Rahmen des Klageverfahrens argumentierte die Stadt weiter, dass eine ausländische Zulassung gegen eine dauerhafte Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin spreche, weil ein im Ausland zugelassenes Kraftfahrzeug nur vorübergehend am Verkehr in Deutschland teilnehmen dürfe.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG bejahte hingegen den Anspruch der Studentin auf einen Bewohnerparkausweis. Bei der Klägerin handele es sich um eine Anwohnerin, die das betroffene Fahrzeug nachweislich dauerhaft nutze.
Gegen eine dauerhafte Nutzung spreche insbesondere nicht, dass Kraftfahrzeuge mit ausländischer Zulassung nur vorübergehend am Straßenverkehr in Deutschland teilnehmen dürfen. Es sei bereits nicht klar, ob das von der Klägerin genutzte Fahrzeug diese Voraussetzungen erfülle. Die Klägerin gab nämlich an, dass sie das Fahrzeug während der Semesterferien nicht in Deutschland nutze. Diese Prüfung obliege der Zulassungsbehörde, die je nach Einzelfall eine Untersagung des Betriebs im öffentlichen Straßenverkehr ohne deutsche Zulassung aussprechen könne.
Die Versagung eines Bewohnerparkausweises für im Ausland zugelassene Fahrzeuge entspreche nicht dem Zweck der Vorschriften. Ein Bewohnerparkgebiet diene dem Anwohnerinteresse, in innerstädtischen Wohnstraßen eine Abstellmöglichkeit für ein (dauerhaft) genutztes Kraftfahrzeug zu finden.
Quelle | VG Gießen, Urteil vom 13.11.2024, 6 K 2830/24.GI, PM vom 19.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Ein zur Nichtigkeit der entsprechenden Vereinbarung führender Verstoß gegen den im Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 656 d BGB) geregelten Grundsatz der hälftigen Teilung des Maklerlohns liegt vor, wenn ein Makler allein für den Verkäufer einer Immobilie tätig geworden ist und der Käufer zur Zahlung des vollen Honorars an den Makler verpflichtet wird. |
Das war geschehen
Die Kläger erwarben ein mit einer Doppelhaushälfte bebautesGrundstück. Mit der Vermittlung des Verkaufs hatte die Verkäuferin das beklagte Maklerunternehmen beauftragt. Für die Vermittlung der Immobilie entstand zugunsten der Beklagten gegenüber der Verkäuferin ein Maklerlohnanspruch in Höhe von 25.000 Euro. Der im Exposé zunächst vorgesehene Kaufpreis wurde um einen Betrag in dieser Höhe reduziert. Zugleich verpflichteten sich die Kläger gegenüber der Beklagten zur Zahlung eines Honorars in gleicher Höhe, das sie nach notarieller Beurkundung des Kaufvertrags bezahlten. Eine Maklerlohnzahlung durch die Verkäuferin erfolgte nicht. Die Kläger verlangten die Rückzahlung des geleisteten Betrags.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: § 656 d BGB ist nicht nur auf Vereinbarungen der Parteien des Kaufvertrags über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus untereinander anwendbar, sondern erfasst jegliche Art einer vertraglichen Vereinbarung, durch die unmittelbar oder mittelbar ein Anspruch des Maklers auf Zahlung oder Erstattung von Maklerlohn gegenüber der Partei des Kaufvertrags begründet wird, die nicht Partei des Maklervertrags ist. Umfasst sind daher auch alle auf eine Verpflichtung zur Zahlung oder Erstattung des Maklerlohns gerichteten Vereinbarungen des Maklers mit der Partei des Kaufvertrags, die nicht Partei des Maklervertrags ist.
Der Anwendbarkeit des § 656 d BGB steht es deshalb auch nicht entgegen, dass die Verkäuferin der Immobilie von der Pflicht, den vereinbarten Maklerlohn zu entrichten, gegenüber der Beklagten nicht entbunden war. Da die Käufer im Innenverhältnis zur Verkäuferin verpflichtet waren, den Maklerlohn in voller Höhe zu bezahlen, blieb die Verkäuferin als die Partei, die den Maklervertrag abgeschlossen hat, nicht zur Zahlung des Maklerlohns mindestens in gleicher Höhe verpflichtet.
Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung
Der Verstoß gegen § 656 d BGB führt zur Gesamtnichtigkeit einer entsprechenden Vereinbarung. Die Kläger können von der Beklagten die Rückzahlung des Maklerlohns in voller Höhe verlangen.
Quelle | BGH, Urteil vom 6.3.2025, I ZR 138/24, PM 45/25
| Eine 77-jährige Frau, die über einer Supermarktfiliale wohnt, tätigte dort ihre Einkäufe bis zu einem Hausverbot Anfang des Jahres 2024 durch die Filialleitung. Sie behauptet, das Hausverbot sei nach einer Beschwerde ihrerseits ohne ersichtlichen Grund erteilt worden. Sie sei gesundheitlich stark eingeschränkt und nicht in der Lage, längere Strecken zurückzulegen und daher auf die Filiale angewiesen. Ohne ein Betreten des Supermarkts sei ihr eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verwehrt. Das Amtsgericht (AG) München wies ihre Klage ab. |
Wiederholtes Fehlverhalten
Die Filialleitung begründete das Hausverbot mit wiederholtem Fehlverhalten. Die Münchnerin habe Kunden beim Betreten des Markts von ihrer Wohnung aus beschimpft, habe das Geschäft regelmäßig ohne Einkaufsabsicht aufgesucht, Mitarbeiter in Gespräche verwickelt und diese von der Arbeit abgehalten. Sie habe sich zudem immer wieder an der Frischetheke des Markts Ware aufschneiden lassen und diese dann, anstatt zu kaufen, im Laden abgelegt.
Da der Supermarkt sich weigerte, das Hausverbot zurückzunehmen, verklagte sie den Betreiber vor dem AG auf Gewährung des Zutritts zum Supermarkt – ohne Erfolg.
Hausrecht deckt Hausverbot
Der Beklagte ist als Betreiber des Supermarkts aufgrund seines Hausrechts grundsätzlich berechtigt, Kunden selbst ohne sachlichen Grund ein Hausverbot zu erteilen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein Fehlverhalten der Klägerin vorlag.
Dem Betreiber einer Einrichtung, die erhebliche Bedeutung für das gesellschaftliche und kulturelle Leben hat, wird eine besondere rechtliche Verantwortung zugewiesen, die es ihm verbietet, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund auszuschließen. Entgegen der Auffassung der Klägerin entscheidet die Verweigerung des Zutritts für sie nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Ein Supermarkt dient der Daseinsvorsorge in Form von Einkäufen des täglichen Bedarfs, insbesondere an Lebensmitteln, nicht der sozialen Interaktion oder des kulturellen Austauschs.
Klägerin konnte auf konkurrierenden Supermarkt ausweichen
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Monopolstellung oder sonstige strukturelle Überlegenheit des Beklagten vorliegt, die dazu führt, dass bestimmte Personen nicht ohne sachlichen Grund ausgeschlossen werden könnten. Eine solche Monopolstellung des Markts des Beklagten für die tägliche Daseinsvorsorge ist im konkreten Fall nicht gegeben. Der Beklagte hat unbestritten ausgeführt, dass in fußläufiger Entfernung (ab 500 Metern) weitere Supermärkte vorhanden sind, die somit auch für betagtere Kunden problemlos zu erreichen sind.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 11.10.2024, 142 C 18533/24, PM 12/25
| Legt beim Gebrauchtwagenkauf der Verkäufer den Fahrzeugbrief vor, kann sich der Käufer normalerweise darauf verlassen, dass er es auch tatsächlich mit dem Eigentümer und nicht mit einem Betrüger zu tun hat. Dieses Vertrauen kann aber erschüttert sein, wenn die Umstände des Verkaufs trotzdem Verdacht erregen müssen. Dann muss der Käufer im Betrugsfall das Fahrzeug dem wahren Eigentümer zurückgeben und bleibt auf dem gezahlten Kaufpreis als Schaden sitzen. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal (Pfalz) entschieden. Es hat die Klage eines Autokäufers abgewiesen, der auf einen Betrüger hereingefallen war. |
Autokäufer war auf Betrüger hereingefallen
Der Käufer hatte den PKW von einem Betrüger für mehr als 35.000 Euro erworben. Kurze Zeit nach dem Kauf beschlagnahmte die Polizei das Fahrzeug und gab es dem ursprünglichen Eigentümer zurück. Dieser verkaufte es anschließend für knapp 49.000 Euro weiter.
Den Kaufpreis reklamierte der betrogene Käufer für sich. Er sei trotz des Betrugs Eigentümer des Fahrzeugs geworden. Er sei im Internet auf das Fahrzeug gestoßen und habe sich im Saarland zur Besichtigung verabredet. Auf dem Weg dorthin habe er die Mitteilung erhalten, dass das Kind des Verkäufers einen Treppensturz erlitten habe und in einem Krankenhaus in Frankreich liege. Dorthin sei er nun umgeleitet worden, wo der Kauf auf dem Parkplatz durch Barzahlung auch abgewickelt worden sei. Der Betrüger habe einen vermeintlich echten Fahrzeugbrief und einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt. Er habe deshalb daran glauben dürfen, dass das Fahrzeug diesem auch gehört habe.
Umstände des Kaufs waren dubios, Zweifel daher angebracht
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Der Käufer habe trotz Vorlage des scheinbar echten Fahrzeugbriefs grob fahrlässig gehandelt und das Fahrzeug daher nicht gutgläubig erworben. Denn die Umstände des Verkaufs hätten beim Käufer Zweifel erregen müssen, dass er den wahren Eigentümer vor sich hatte. So habe dieser einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt, obwohl sein im Kaufvertrag genannter Wohnsitz Frankenthal gewesen sei und das Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen zugelassen war.
Kurzfristige Verlegung der Übergabe ins Ausland
Auffällig sei ferner, dass der Verkäufer ursprünglich als Treffpunkt das vom angegebenen Wohnort abweichende Dillingen/Saar genannt habe. Typisch für unlautere Automobilgeschäfte sei auch das Bargeschäft und die kurzfristige telefonische Verlegung des Verkaufsorts an einen fremden und noch dazu im Ausland befindlichen Ort. Nach alledem könne der Käufer dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entgehen und habe den Schaden selbst zu tragen, so der Richter.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 3.4.2025, 3 O 388/24, PM vom 22.5.2025
| Das Amtsgericht (AG) Berlin-Charlottenburg hat entschieden: Hatte der frühere Vermieter die Hundehaltung erlaubt, kann der in das Mietverhältnis eingetretene Vermieter diese Gestattung nur aus wichtigem Grund widerrufen. Dies gilt, auch wenn es sich um einen Kampfhund handeln sollte. Dass sich Mitmieter aufgrund der Größe und Kraft eines solchen Hundes subjektiv bedroht fühlen, reicht für den Widerruf nicht aus. |
Vorheriger Vermieter hatte Hundehaltung gestattet, neuer Vermieter widerrief Erlaubnis
Die Parteien eines Mietvertrags über ein möbliertes Apartment stritten um die Räumung und Herausgabe einer Wohnung. Der Kläger, der aktuelle Vermieter, war nachträglich in das Mietverhältnis eingetreten. Der beklagte Mieter hält einen Hund, was ihm ausdrücklich vom früheren Vermieter erlaubt worden war.
Der Kläger hat die Erlaubnis zur Hundehaltung im Juni 2023 widerrufen und die Haltung eines Kampfhundes untersagt. Der Beklagte sollte seinen Hund bis Ende Juni 2023 entfernen. Noch im Juni mahnte der Kläger den Beklagten wegen nicht gestatteter Tierhaltung ab. Anfang August 2023 kündigte der Kläger das Mietverhältnis ordentlich zum 30.11.2023 und begründete dies mit der weiteren Haltung eines Kampfhundes sowie des Einsetzens des Hundes als Druck- und Nötigungsmittel.
Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung
Der Kläger behauptete, bei dem vom Beklagten gehaltenen Tier würde es sich um einen Kampfhund handeln. Der Beklagte würde dieses Tier gegenüber Nachbarn im Objekt als Druck- und Nötigungsmittel einsetzen, um Vorrang auf Wegen oder im Treppenhaus zu erzwingen. Mehr als ein anderer Bewohner im Objekt habe Angst vor dem Hund, die wollten aber nicht namentlich genannt werden. Er verklagte den Mieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Der Mieter behauptete hingegen, es handele sich nicht um einen „Listenhund“, sondern um eine Mischung aus Old-English-Bulldog und Weimeraner. Er reichte dazu zwei Fotos sowie eine tierärztliche Bescheinigung und weitere Unterlagen ein.
So entschied das Amtsgericht
Der Vermieter kann das Mietverhältnis nur aus berechtigtem Interesse kündigen. Das ist z. B. der Fall, wenn der Mieter vertragliche Pflichten erheblich verletzt, indem er z. B. ein Tier trotz Abmahnung weiter hält.
Im Fall des AG war es aber anders: Der ursprüngliche Vermieter hatte die Hundehaltung erlaubt. Der – große und kräftige – Hund, war– ohne Maulkorb – stets an der Leine geführt worden. Beißvorfälle oder -versuche oder Bedrohungen von Nachbarn mit dem Hund konnten nicht bewiesen werden. Ein – subjektives – Bedrohtfühlen genügt nicht, um die Erlaubnis zu widerrufen.
Quelle | AG Charlottenburg, Urteil vom 30.5.2024, 218 C 243/23
| Ein Streit um einen Erbschein hat kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Eine Erbin hatte falsche Angaben gemacht – mit unangenehmen Folgen. |
Wahrheitswidrige Angaben zum Testament
Eine Frau hatte nach dem Tod ihrer Mutter einen Erbschein beantragt, um als Alleinerbin ausgewiesen zu werden. Sie berief sich dabei auf ein Testament, machte aber falsche Angaben: Sie versicherte eidesstattlich, dass das Testament von der Verstorbenen eigenhändig verfasst worden sei. In Wirklichkeit hatte jedoch die Tochter das Testament geschrieben und die Mutter nur ihre Unterschrift darunter gesetzt.
Testament muss eigenhändig geschrieben sein
Die falschen Angaben betrafen einen entscheidenden Punkt: Ein Testament muss eigenhändig geschrieben oder von einem Notar beurkundet werden. Eigenhändig heißt, dass der Erblasser es komplett selbst und von Hand niederschreiben muss. Die bloße Unterschrift der Mutter reichte deshalb nicht aus – das Testament war unwirksam. Statt des Testaments galt die gesetzliche Erbfolge, das heißt: Die Antragstellerin musste sich das Erbe mit ihren Geschwistern teilen.
Streit um Anwaltskosten
Im Erbscheinverfahren vor dem Amtsgericht (AG) wurden die falschen Angaben aufgeklärt. Der Streit war damit aber nicht erledigt. Denn die Geschwister hatten Anwälte beauftragt, um gegen den unberechtigten Antrag vorzugehen. Zwei Schwestern verlangten die Erstattung der angefallenen Anwaltskosten. Das OLG gab ihnen nun Recht.
Mögliche strafrechtliche Konsequenzen
Für die unterlegene Schwester hat dies nicht nur finanzielle Folgen: Die Akten werden nun der Staatsanwaltschaft übergeben, denn eine falsche eidesstattliche Versicherung ist strafbar. Das OLG sah einen entsprechenden Anfangsverdacht; bis zu einer möglichen Entscheidung im Strafverfahren gilt für die Betroffene die Unschuldsvermutung.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 9.1.2025, 6 W 156/24, PM vom 20.2.2025
| Das Zerreißen eines Testaments durch den Erblasser ist eine Widerrufshandlung. Es wird gesetzlich vermutet, dass dieser Widerrufshandlung eine Widerrufsabsicht zugrunde lag. Die Aufbewahrung des zerrissenen Testaments im Schließfach widerlegt diese Vermutung nicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die Beschwerde des in dem zerrissenen Testament Begünstigten gegen einen auf Basis gesetzlicher Erbfolge erteilten Erbschein zurückgewiesen. |
Testament zerrissen, aber aufbewahrt
Der Erblasser war mit seiner Frau in letzter Ehe kinderlos verheiratet. Nach seinem Versterben beantragte die Frau einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Das Nachlassgericht erteilte den Erbschein, der die Frau neben der Mutter des Erblassers als Erben auswies. Zwei Monate später öffneten die Frau und ein Vertreter der Mutter des Erblassers das Schließfach des Erblassers. Dort befand sich ein handschriftliches Testament, das eine andere Person begünstigte. Es war längs in der Mitte durchgerissen. Das Nachlassgericht hat den Antrag des Begünstigten abgelehnt, den bereits erteilten Erbschein im Hinblick auf das nun aufgefundene, zerrissene Testament einzuziehen.
Widerruf durch schlüssige Handlung
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das Nachlassgericht habe die Einziehung des Erbscheins zu Recht abgelehnt, da dieser nicht unrichtig geworden sei. Der Begünstigte sei nichttestamentarischer Erbe geworden. Der Erblasser habe das den Begünstigten alsErben einsetzende Testament durch schlüssige Handlung widerrufen.
Durch das Zerreißen des Testaments in der Mitte habe derErblasser das Testament vernichtet. Es liege insoweit eine Widerrufshandlungvor. Das Testament sei unzweifelhaft auch „nicht durch äußere Einflüsse „anderweitig“ in zwei Teile geraten“. Dafür spreche, dass das Papier mittig, aber nicht vollständig gerade getrennt worden sei. Die Trennränder seien zudem nicht glatt. Anhaltspunkte für ein – ggf. sachverständig aufzuklärendes – anderweitiges Trennen des Schriftstücks in zwei Teile lägen nicht vor. Es sei auch davon auszugehen, dass der Erblasser selbst das Testament zerrissen habe, da nur er Zugang zum Bankschließfach gehabt habe. Nach den Angaben der bei Öffnung des Schließfachs Anwesenden bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Testament beim Öffnen oder Schließen des Schließfachs versehentlich von einer dritten Person zerrissen worden sei.
Gesetzliche Vermutung nicht widerlegt
Es werde gesetzlich vermutet, dass diese Widerrufshandlung mit Widerrufsabsicht erfolgte. Indizien, die diese Vermutung widerlegen würden, seien nicht erkennbar. Warum der Erblasser das zerstörte Testament im Schließfach aufbewahrte, sei zwar nicht nachvollziehbar. Dies allein genüge aber nicht zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung. Der Erblasser habe ausweislich der dokumentierten 31 Öffnungen des Schließfachs dieses offensichtlich nicht ausschließlich zur Aufbewahrung eines ungültigenTestaments angemietet.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.4.2025, 21 W 26/25, PM 26/25
| Das Landgericht (LG) Berlin II hat eine Energieberatungsfirma zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von rund 6.000 Euro wegen einer Falschberatung verurteilt. Aufgrund der Falschberatung habe der Kläger – ein Verbraucher – Fenster und Dachfenster mit zu hohen Wärmedurchgangskoeffizienten einbauen lassen, die daher nicht förderfähig seien. |
Förderleistungen beantragt – Bundesamt lehnt ab
Der Kläger hatte die Beklagte mit der Energieberatung für die energetische Sanierung seines Einfamilienhauses beauftragt. In Zusammenarbeit mit der Beklagten beantragte er beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Förderleistungen gemäß der Richtlinie der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG-Richtlinie) und erhielt einen entsprechenden Zuwendungsbescheid. Anschließend holte er Angebote für die Sanierungsmaßnahmen ein und schickte sie der Beklagten, die diese nicht beanstandete.
Für den Verwendungsnachweis der Fördermittel gab der Kläger in Absprache mit der Beklagten die Wärmedurchgangskoeffizienten an, die mit den verbauten Dämmmaterialien an der Gebäudehülle erreicht werden konnten – für das Dach und die Geschossdecke einen Koeffizienten von 0,2, für die Fenster von 1,1 und für die Dachflächenfenster von 1,3. Das Bundesamt teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die technischen Mindestanforderungen bei der Sanierung nicht erreicht seien und hob den Förderbescheid teilweise auf. Die BEG-Richtlinie fordert Koeffizienten an Dachgebilden von 0,14 und an Fenstern von 0,95 bzw. 1,0 bei Dachflächenfenstern.
Energieberater muss Förderleistung zahlen
Das Gericht sprach dem Kläger nun Schadenersatz in Höhe der eigentlich zu gewährenden Förderungssumme zu. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur fachlich zutreffenden Beratung verletzt. Sie hätte insbesondere die vom Kläger vorgelegten Angebote auf ihre Förderungsfähigkeit prüfen müssen.
Der Verweis der Beklagten, der Kläger hätte sich selbst über die förderungsrelevanten Wärmedurchgangskoeffizienten informieren können, führe ihr Leistungsangebot ad absurdum. Es sei gerade ihre Hauptleistungspflicht, einen Verbraucher und Laien über die Richtlinien und Richtwerte fachlich zu beraten. Darüber hinaus habe die Beklagte den Kläger falsch beraten, weil sie selbst von falschen Werten ausgegangen sei. Rechtsirrig habe sie in E-Mails an den Kläger auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und nicht auf die Werte der BEG-Richtlinie verwiesen. Die Beratung sei auch deshalb unzureichend und fehlerhaft gewesen.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23, PM 3/25
| Bei einer mehr als unerheblichen Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks scheidet die Annahme eines faktischen Kerngebiets aus, also als Gebiet, das vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Stadt versagte Nutzung eines Gebäudes als Spielhalle
Die Klägerin begehrt einen Bauvorbescheid für die Nutzung eines Geschäftsgebäudes in der Innenstadt der Beklagten als Spielhalle. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, der Widerspruch blieb erfolglos.
Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht sahen das anders
Das Verwaltungsgericht (VG) gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) zurück. Das Vorhaben sei als Vergnügungsstätte zulässig. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Kerngebiet i. S. d. Baunutzungverordnung (hier: § 7 BauNVO). Die nicht unerhebliche, aber noch untergeordnete Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks stehe dieser Einordnung nicht entgegen, obwohl sie im vorhandenen Umfang nur aufgrund von Festsetzungen in einem Bebauungsplan zulässig wäre.
Bundesverwaltungsgericht rügte mangelnde Tatsachenfeststellung
Das BVerwG hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Auffassung des OVG, dass ein faktisches Kerngebiet auch bei einer nicht unerheblichen Wohnnutzung vorliegt, steht mit der Regelungssystematik der Baunutzungsverordnung nicht in Einklang. Die Verweisung in § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB auf die §§ 2 ff. BauNVO findet dort eine Grenze, wo die Baunutzungsverordnung eine planerische Entscheidung der Gemeinde vorsieht. Der Verordnungsgeber hat die Entscheidung darüber, ob die sonstige Wohnnutzung in einem Kerngebiet über Ausnahmen hinausgehen darf, der Gemeinde überlassen. Ihr Spielraum darf bei der Einordnung als faktisches Kerngebiet nicht übergangen werden. Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen konnte das BVerwG nicht abschließend entscheiden.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 20.5.2025, 4 C 2.24, PM 37/25
| Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf der Grundlage von über 2.300 geleisteten Mehrarbeitsstunden im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer für mehrere Monate frei, muss er ihm in diesen Monaten das Entgelt nach dem Lohnausfallprinzip zahlen, also das Entgelt, das zu zahlen gewesen wäre, wenn der Arbeitnehmer in diesen Monaten gearbeitet hätte. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |
Das LAG: Nichts anderes ergibt sich, wenn die unstreitige Mehrarbeit vor 20 Jahren geleistet worden war, also in einem Zeitraum, für den die Parteien ein viel geringeres Bruttomonatsentgelt vereinbart hatten.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 23.8.2024, 6 Sa 663/23
| Ein Bewerber um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugdienst kann verlangen, nicht wegen eines genetisch bedingten erhöhten Thromboserisikos vom Bewerbungsverfahren der Bundespolizei ausgeschlossen zu werden. Bei der beim Kläger diagnostizierten sog. Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich um einen angeborenen Gendefekt, bei dem es zu Störungen der Blutgerinnung kommt und der mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergeht. Die Entscheidung der Bundespolizeiakademie, die Bewerbung des Klägers um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst im Jahr 2023 aufgrund fehlender gesundheitlicher Eignung nicht zu berücksichtigen, hatte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Aachen keinen Bestand. Über die Bewerbung des Klägers muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden werden. |
Geringe Risiken
Zur Begründung hat das VG ausgeführt, dass es bereits in erheblichem Maße zweifelhaft ist, ob hinreichende sachliche Gründe für den Ausschluss von Beamten mit einem solchen Gendefekt bestehen. Denn das durch eine solche Mutation bedingte Thromboserisiko ist verhältnismäßig gering. In der beim Kläger vorliegenden Form ist es zwar gegenüber gesunden Menschen erhöht, entspricht jedoch ungefähr dem Thromboserisiko durch die Einnahme der Antibabypille bei Frauen und damit einem Risiko, das der Dienstherr als hinnehmbar ansieht.
Ergebnisse der genetischen Untersuchung durften nicht mitgeteilt werden
Unabhängig davon durfte der Gendefekt nicht zulasten des Klägers im Einstellungsverfahren berücksichtigt werden, weil er aufgrund einer genetischen Untersuchung diagnostiziert wurde. Die Mitteilung des diesbezüglichen Ergebnisses durfte die Bundespolizei aus Rechtsgründen nicht verlangen.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 10.3.2025, 1 K 1304/23, PM vom 10.3.2025
| Die Verwendung eines abstrakt gefährlichen Gegenstands – hier eines Klappmessers – zu einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch – hier Reparaturversuch an einer Uhr – läuft den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider und steht deshalb der Anerkennung eines Unfallereignisses als Dienstunfall entgegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Mit dem Messer versucht, Klemmfeder zu richten
Der mittlerweile pensionierte Kläger war Polizeivollzugsbeamter im saarländischen Landesdienst. Im April 2019 erstattete er bei seiner Dienststelle eine Dienstunfallanzeige. Danach habe er zu Dienstbeginn festgestellt, dass die sonst über der Tür hängende Wanduhr auf der Fensterbank gelegen habe. Es sei ihm aufgefallen, dass die Batterie der Uhr unsachgemäß im Batteriefach gesteckt habe und die Klemmfeder verbogen gewesen sei. Er habe mit seinem Klappmesser die verbogene Feder wieder richten wollen. Hierbei sei das Messer zugeschnappt und er habe sich einen tiefen Schnitt am kleinen Finger der rechten Hand zugezogen.
Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls
Sein Antrag auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall ist behördlich und in den beiden gerichtlichen Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwiderlaufe, wenn ein Beamter sich ohne Not einem Verletzungsrisiko durch Hantieren mit einem privaten, abstrakt gefährlichen Gegenstand aussetze, dessen Funktionstauglichkeit der Dienstherr nicht prüfen könne.
Keine dienstliche Aufgabe
Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall. Zwar hat sich der Unfall in einem Dienstgebäude zur Dienstzeit ereignet und ist damit grundsätzlich als „in Ausübung des Dienstes eingetreten“ vom Dienstunfallschutz erfasst. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Reparatur der Uhr nicht zu den dienstlichen Aufgaben des Klägers als Polizeibeamter gehörte. Dienstunfallschutz wird jedoch nicht gewährt, wenn dieTätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft. Das ist hier der Fall.
Entgegen den Interessen des Dienstherrn
Dabei kann dahinstehen, ob es sich um ein Einhandmesser im Sinne des Waffengesetzes handelte und das Führen des Messers bereits deshalb verboten war. Jedenfalls lief die Benutzung dieses Messers zum Zweck einer Uhrreparatur den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider. Das verwendete Messer ist ein abstrakt gefährlicher Gegenstand, der für den Zweck der Reparatur ersichtlich nicht bestimmt und nicht geeignet war.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 13.3.2025, 2 C 8.24, PM 16/25
| Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellt den Arbeitnehmer trotz dessen Beschäftigungsanspruchs von der Arbeit frei, unterlässt der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig in Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 615 S. 2 BGB) anderweitigen Verdienst, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis eingeht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Das war geschehen
Der Kläger war seit November 2019 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Senior Consultant gegen eine monatliche Vergütung von 6.440 Euro brutto. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.3.2023 ordentlich zum 30.6.2023 und stellte den Kläger unter Einbringung von Resturlaub unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht (ArbG) am 29.6.2023 statt, die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) am 11.6.2024 zurückgewiesen.
Arbeitgeber schlug Stellenangebote vor
Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Kläger Anfang April 2023 arbeitssuchend und erhielt von der Agentur für Arbeit erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge. Die Beklagte übersandte ihm hingegen schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote, die nach ihrer Einschätzung für den Kläger in Betracht gekommen wären.
Arbeitnehmer bewarb sich – aber erst zum Beschäftigungsende
Auf sieben davon bewarb sich der Kläger, allerdings erst ab Ende Juni 2023. Nachdem die Beklagte dem Kläger für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, hat er diese mit einer Klage geltend gemacht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewendet, der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bei der Beklagten bezogenen Gehalts anrechnen lassen.
Arbeitgeber war durch einseitige Freistellung im Annahmeverzug
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) ihr stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Beklagte befand sich aufgrund der von ihr einseitig erklärten Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug und schuldet dem Kläger (nach § 615 S. 1 BGB iVm. § 611 a Abs. 2 BGB) die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss sich der Kläger nicht (nach § 615 S. 2 BGB) anrechnen lassen. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil ist nur gerechtfertigt, wenn dieser wider Treu und Glauben (nach § 242 BGB) untätig geblieben ist. Weil § 615 S. 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend hiervon bestand für ihn keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Beklagten ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.
Quelle | BAG, Urteil vom 12.0.2025, 5 AZR 127/24, PM 6/2
| Mit dem vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) wurden die Aufzeichnungspflichten für Verrechnungspreiszwecke in der Abgabenordnung (hier: § 90 Abs. 3 und Abs. 4 AO) angepasst. Ein neuer Bestandteil ist die Transaktionsmatrix. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat hierzu nun Stellung bezogen. |
Transaktionsmatrix: Tabelle mit vorgegebenen Elementen
Die Transaktionsmatrix ist eine tabellarische Übersicht, die relevante Informationen zu grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen des Steuerpflichtigen mit nahestehenden Personen und Betriebsstätten enthält.
Das BMF führt auf, was in der Transaktionsmatrix anzugeben ist:
- Gegenstand und Art der Geschäftsvorfälle (z. B. Warenlieferung und Dauersachverhalt),
- an den Geschäftsvorfällen Beteiligte unter Kennzeichnung von Leistungsempfänger und Leistungserbringer,
- Volumen und Entgelt (in EUR) der Geschäftsvorfälle (z. B. Darlehensvolumen und Zins oder Entgelt für eine Warenlieferung oder Dienstleistung),
- vertragliche Grundlage (Benennung der Vertragsunterlage),
- angewandte Verrechnungspreismethode (z. B. Kostenaufschlagsmethode oder Preisvergleichsmethode),
- betroffene Steuerhoheitsgebiete und
- Angabe, ob Geschäftsvorfälle nicht der Regelbesteuerung im betreffenden Steuerhoheitsgebiet unterliegen
Zudem sind dem Schreiben als Anlage zwei Beispiele für eine Transaktionsmatrix angefügt. Abweichungen durch den Steuerpflichtigen sind nur unter den im Schreiben genannten (zeitlichen) Voraussetzungen zulässig.
Vorgaben ab 2025
Bei einer Außenprüfung sind ab 2025 (ohne gesondertes Verlangen) innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen: die Stammdokumentation bei Überschreiten der Größenklassen, Aufzeichnungen über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle und die Transaktionsmatrix.
Transaktionsmatrix auch für Vorjahreszeiträume
Da eine Prüfungsanordnung, die im Jahr 2025 ergeht, i. d. R. auch Prüfungszeiträume vor 2025 umfasst, muss eine Transaktionsmatrix in diesen Fällen auch für die Vorjahre erstellt werden. Die 30-Tage-Frist gilt für ein im Jahr 2025 gestelltes Vorlageverlangen hinsichtlich der Transaktionsmatrix, auch wenn die Prüfungsanordnung vor 2025 ergangen ist.
Beachten Sie | Werden keine ertragsteuerlichen Auslandssachverhalte geprüft, sind die o. g. Unterlagen nur auf gesondertes Verlangen vorzulegen.
Quelle | BMF, Schreiben vom 2.4.2025, IV B 3 - S 0225/00019/004/009
| In einem Verfahren vor dem Landgericht (LG) Frankfurt a. M. klagte ein Hersteller u. a. von Mobilfunkgeräten mit Niederlassung in Deutschland gegen ein in der Volksrepublik China ansässiges Unternehmen. Die chinesische Beklagte ist Inhaberin von Patenten, die für mehrere Mobilfunkstandards essenziell sind. Sie hat sich dazu verpflichtet, Lizenzen für diese Patente zu fairen Bedingungen zu erteilen. Die Klägerin wollte mit ihrer Klage erreichen, dass die chinesische Beklagte ihr Mobilfunklizenzen zu bestimmten Konditionen gewährt. |
Beschleunigung des Verfahrens
Zur Durchführung des Verfahrens bedarf es zunächst der förmlichen Zustellung der Klageschrift. Grundsätzlich wäre die Zustellung im Wege der Rechtshilfe unter Beteiligung chinesischer Stellen am Sitz der Beklagten in der Volksrepublik China vorzunehmen. In Ausnahmefällen kann nach der Zivilprozessordnung (ZPO) jedoch davon abgesehen werden und das Gericht eine öffentliche Zustellung anordnen, etwa wenn die Zustellung im Ausland keinen Erfolg verspricht. Das hat das LG hier für die Zustellung in der Volksrepublik China angenommen. Es hat eine öffentliche Zustellung bewilligt.
Das LG: Das Gebot eines wirkungsvollen Rechtsschutzes erfordert, dass dieser in angemessener Zeit zu erlangen ist. Keinen Erfolg verspricht die Zustellung daher, wenn die Durchführung einen derart langen Zeitraum in Anspruch nehmen würde, dass ein Zuwarten der betreibenden Partei billigerweise nicht zugemutet werden kann. Für die Entscheidung der Frage, ob die Dauer einer Zustellung im Wege der Rechtshilfe nicht mehr zumutbar ist, bedarf es einer Abwägung der beiderseitigen Interessen.
Der übliche Weg dauert zu lange
Die Klägerin, so das LG, habe dargelegt, dass die Auslandszustellung in der Volksrepublik China nicht stets gelingt und auch dann einen Zeitraum von deutlich mehr als einem Jahr in Anspruch nimmt. Nach der Erfahrung anderer deutscher Gerichte, die sich mit der Erfahrung der Kammer deckt, nimmt die Zustellung in der Volksrepublik China einen erheblichen Zeitraum in Anspruch. Bei dieser Sachlage überwiegen die Interessen der Klägerin auf effektiven Rechtsschutz die Interessen der Beklagten im Hinblick auf die Gefährdung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Das LG hat der Klägerin allerdings aufgegeben, die Beklagte auf nicht-förmlichem Weg zu informieren, dass hier in Deutschland die öffentliche Zustellung der Klage erfolgt.
Quelle | LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 15.1.2025, 2-06 O 426/24, PM vom 7.2.2025
| Das Landgericht (LG) München I hat im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass einem Online-Apotheken-Anbieter die Bewerbung der sog. „Abnehmspritze“ gegenüber Endverbrauchern in ihrer konkreten Form untersagt ist. |
Fragebogen ausfüllen, Medikament bekommen?
Eine Apothekenkammer wendete sich in ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dagegen, dass eine in den Niederlanden ansässige Online-Apotheke gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland für Fernbehandlungen mit dem Ziel der Verschreibung von Arzneimitteln zur Gewichtsreduktion/Adipositas wirbt, wobei die Behandlung lediglich in der ärztlichen Überprüfung eines durch den Nutzer auf einer Plattform ausgefüllten Fragebogens besteht. Für die Verschreibung des Medikaments durch die beklagte Online-Apotheke ist hierbei nach der Werbung zur Bestellung lediglich das Ausfüllen eines Fragebogens erforderlich, welcher nach Vortrag der Antragsgegnerin sodann von einem (nicht in Deutschland ansässigen) Arzt vor der Verschreibung überprüft wird.
Zulässige Fernbehandlung?
Die beklagte Apotheke hatte gegen ein Verbot eingewandt, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verspätet sei. Die Antragsstellerin kenne das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin bereits aus einem anderen Verfahren, dessen Gegenstand Medikamente zur Behandlung erektiler Dysfunktion waren. Beworben und umschrieben werde außerdem lediglich eine „Gewichtsverlustbehandlung“; dies lasse keinen zwingenden Schluss auf die Abnehmspritze zu. Dies sei zulässig und verstoße nicht gegen das Heilmittelwerbegesetz. Das Ausfüllen eines Fragebogens, der dann von einem Arzt überprüft werde, sei auch eine zulässige Fernbehandlung unter Verwendung von Kommunikationsmedien, bei der ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich sei.
Landgericht: kein allgemein anerkannter fachlicher Standard
Dem folgte das LG nicht: Die Fernbehandlung von Adipositas mittels Ausfüllens eines Fragebogens entspreche nicht allgemein anerkannten fachlichen Standards. Vielmehr sei vor der Verschreibung einer Abnehmspritze ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen erforderlich. Dies ergebe sich bereits aus den „Warnhinweisen“, die die beklagte Apotheke dem Gericht selbst vorgelegt habe: In diesen werde auf zahlreiche Nebenwirkungen, wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, Hypoglykämie (bei Patienten mit Typ-2-Diabetes) und Schwindel, auf das Risiko der Unterzuckerung und darauf hingewiesen, dass die Behandlung eingestellt werden sollte, wenn man in drei Monaten nach Behandlungsbeginn nicht mindestens 5 % seines Körpergewichts verliere.
Darüber hinaus werde in den von der Beklagten selbst vorgelegten Unterlagen ausgeführt, dass eine regelmäßige Nachsorge und Überwachung während einer Gewichtsreduktion unbedingt erforderlich sei. Gerade diese, von der beklagten Apotheke selbst für erforderlich gehaltene regelmäßige Nachsorge erfordere aber zwingend einen persönlichen ärztlichen Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen, welcher weder von der beklagten Apotheke noch von den verschreibenden Ärzten – schon aufgrund der räumlichen Distanz – geleistet werden könne.
Hinzu komme, dass ausweislich der Patientenleitlinie zur Diagnose und Behandlung der Adipositas der deutschen Adipositasgesellschaft zahlreiche Untersuchungen, u. a. des Bluts und des Urins, nötig seien, um Adipositas zu diagnostizieren und zu behandeln. Dies könne daher gerade nicht im Wege der Fernbehandlung erfolgen.
Werbung für den Absatz von Medikamenten
Es handele sich bei der Werbung der Beklagten ferner nicht um die Werbung für eine Behandlung als solche, wie diese vorgetragen habe, sondern um die Werbung für den Absatz von Medikamenten. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Werbung. Um welche Gruppe von Präparaten es sich hierbei handele, wüssten die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der Kammer gehörten, bereits deshalb, weil „die Abnahmespritze“ in jüngster Zeit starke mediale Aufmerksamkeit erfahren habe.
Quelle | LG München I, Beschluss vom 3.3.2025, 4 HK O 15458/24, PM 3/25
| Wann haben Leiharbeitnehmer beim Entleiher eine erste Tätigkeitsstätte? Zu dieser Frage gibt es neue Entwicklungen bzw. ist ein Verfahren beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig: Liegt bei Leiharbeitnehmern eine dauerhafte Zuordnung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 4 S. 3 Altern. 2 EStG, Zuordnung für die Dauer des Dienstverhältnisses) zu einer ersten Tätigkeitsstätte vor, wenn ein befristetes Beschäftigungsverhältnis zum Personaldienstleister (Verleiher) wiederholt vor Ablauf der Befristung bei unverändertem Vertragsinhalt verlängert wird und jeweils eine Verlängerung der befristeten Zuordnung zu demselben Entleiher bei unverändertem Einsatzort erfolgt? |
Hintergrund: Bei einer ersten Tätigkeitsstätte ist der Arbeitnehmer beim Kostenabzug auf die Entfernungspauschale beschränkt. Handelt es sich allerdings um eine Auswärtstätigkeit, kann er seine Fahrtkosten (ggf. auch Verpflegungsmehraufwand) nach Reisekostengrundsätzen geltend machen, was steuerlich günstiger ist.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.6.2024, 12 K 38/24, Rev. BFH: VI R 2/25
| Für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Baudenkmäler und in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen belegene Gebäude können unter bestimmten Voraussetzungen Abzugsbeträge nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 f EStG) über zehn Jahre wie Sonderausgaben geltend gemacht werden. Verstirbt nun der Steuerpflichtige vor Ablauf des zehnjährigen Abzugszeitraums, kann der Erbe die Abzugsbeträge des Erblassers nicht fortsetzen. Dies entschied das Finanzgericht (FG) Sachsen-Anhalt |
Das gilt selbst dann, wenn der Erbe das Gebäude zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Gegen dieses Urteil des FG Sachsen-Anhalt ist die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig. Bis zu einer Entscheidung des BFH können geeignete Fälle mit einem Einspruch somit offengehalten werden.
Quelle | FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.7.2024, 1 K 903/21; Rev. BFH, X R 23/24
| Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten stellt sich oft die Frage, wem das Besteuerungsrecht zusteht. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei Entscheidungen die Voraussetzungen konkretisiert, die im grenzüberschreitenden Sachverhalt im Anwendungsbereich eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) zu einer ausländischen Betriebsstätte führen. Aus einer solchen Betriebsstätte erzielt der Steuerpflichtige in der Regel Einkünfte, die im Inland steuerfrei sind und nur der ausländischen Besteuerung unterliegen. |
Taxiunternehmen mit Büro in der Schweiz
Ein in Deutschland lebender Taxiunternehmer hatte wegen seiner Mitgliedschaft in einer Schweizerischen Taxifunkzentrale Zugang zu deren Büroraum in der Schweiz. Dieser Raum war mit drei Arbeitsplätzen eingerichtet und stand insgesamt drei Taxiunternehmern zur Verfügung.
Der Taxiunternehmer nutzte den Büroraum (einschließlich eines abschließbaren Standcontainers) für geschäftsleitende Tätigkeiten sowie für die Personalverwaltung seiner angestellten Taxifahrer, die Vorbereitung der laufenden Buchführung, das Rechnungswesen, die Finanzkontrolle sowie die Kontrolle der Einhaltung behördlicher Auflagen.
Der BFH bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg, die Einkünfte des Taxiunternehmers in Deutschland unter Progressionsvorbehalt steuerfrei zu stellen, da in der Schweiz die Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte erfüllt sind.
„Verwurzelung“ mit dem im Ausland belegenen Ort bei Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit
Hierfür ist die „Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem im Ausland belegenen Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit maßgebend. Diese Verwurzelung folgt aus einer Gesamtwürdigung der in Wechselwirkung zueinander stehenden Merkmale der zeitlichen und örtlichen Festigkeit der Geschäftseinrichtung sowie der dauerhaften Verfügungsmacht des Unternehmens über diese Geschäftseinrichtung.
Der persönliche Standcontainer ist insoweit ein Indiz für die dauerhafte Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung (hier: den Büroraum). Darüber hinaus wurden in dem Büroraum nicht nur Hilfstätigkeiten ausgeübt.
Die Haupttätigkeit eines Taxiunternehmers mit mehreren angestellten Taxifahrern erschöpft sich nicht allein im Fahren von Taxis zum Zwecke der Personenbeförderung. Vielmehr gehören hierzu auch die geschäftsleitenden und zentralen unternehmerisch-administrativen Tätigkeiten, die der Taxiunternehmer in dem Büroraum in der Schweiz ausgeübt hat.
Zeitliche Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte
In einem weiteren Verfahren ging es um die zeitlichen Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte. Sowohl für das Innehaben der Geschäftseinrichtung als auch für die unternehmerische Tätigkeit, die in der Geschäftseinrichtung ausgeübt wird, hat der BFH eine Mindestdauer von sechs Monaten festgelegt.
Sechs Monate Mindestdauer ohne Ausnahme
Ein Unternehmen, das nur weniger als sechs Monate existiert, rechtfertigt selbst dann keine Ausnahme, wenn die Tätigkeit dieses Unternehmens vollständig in der ausländischen Geschäftseinrichtung ausgeübt wurde.
Quelle | BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 47/21; BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 39/21; PM 26/25 vom 2.5.2025
| Die gesetzlichen Altersrenten werden im Rahmen der jährlichen Rentenanpassung zum 1.7.2025 um 3,74 % steigen. Der Bundesrat hat einer entsprechenden Verordnung zugestimmt. |
Beachten Sie | Die Rentenanpassung kann dazu führen, dass Rentner erstmals in die Steuerpflicht rutschen und eine Steuererklärung abgeben müssen. Eine Steuerpflicht tritt aber nur ein, wenn der steuerpflichtige Teil der Jahresbruttorente – zuzüglich weiterer Einkünfte (z. B. aus einer Vermietung) und unter Berücksichtigung etwaiger Freibeträge und sonstiger Abzugsbeträge – den steuerlichen Grundfreibetrag übersteigt. Für das Jahr 2024 beträgt der Grundfreibetrag 11.784 Euro pro Jahr, für 2025 sind es 12.096 Euro. Bei einer steuerlichen Zusammenveranlagung von Eheleuten gelten die doppelten Werte.
Quelle | Rentenwertbestimmungsverordnung 2025, BR-Drs.190/25
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hatte 2023 entschieden: Überträgt der Steuerpflichtige schenkweise einen Miteigentumsanteil an einem Vermietungsobjekt, ohne auch die Finanzierungsdarlehen anteilig zu übertragen, kann er die Schuldzinsen nur noch anteilig entsprechend seinem verbliebenen Miteigentumsanteil abziehen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat diese Sichtweise nun bestätigt, sodass die auf den übertragenen Miteigentumsanteil entfallenden Schuldzinsen nicht als (Sonder-)Werbungskosten zu berücksichtigen sind. |
Das war geschehen
Der Alleineigentümer (Vater) einer vermieteten Immobilie hatte einen ideellen 2/5-Miteigentumsanteil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich auf seinen Sohn übertragen. Die Grundschuld wurde von dem Sohn entsprechend seinem Miteigentumsanteil zur dinglichen Haftung übernommen. Zu einer schuldrechtlichen Schuldübernahme bzw. einem Schuldbeitritt zur Darlehensschuld gegenüber der Bank kam es jedoch nicht.
In der Feststellungserklärung für die Grundstücksgemeinschaft bzw. die Vermietungs-GbR wurden Darlehenszinsen in voller Höhe geltend gemacht. Diese berücksichtigte das Finanzamt allerdings nur zu 3/5 (= Anteil des Vaters).
Die hiergegen gerichtete Klage blieb ebenso erfolglos wie die Revision.
Von Finanzierung der Einkünfteerzielungstätigkeit zur Finanzierung der Schenkung
Durch die unentgeltliche Übertragung des Miteigentumsanteils wurde insoweit der (objektive) wirtschaftliche Zusammenhang der zur Finanzierung der Anschaffung der Immobilie aufgenommenen Darlehen zur bisherigen Einkünfteerzielungstätigkeit gelöst. Fortan dienten die Darlehen der Finanzierung der Schenkung.
Beachten Sie | Das FG Niedersachsen hatte die Revision im Hinblick auf folgende Frage zugelassen: Ist es gerechtfertigt, den Sachverhalt bei einer vermögensverwaltenden GbR (wie im Streitfall) anders zu behandeln als bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb? Und das hat der BFH eindeutig mit „ja“ beantwortet.
Die Begründung: Das Einkommensteuerrecht wird vom Dualismus der Einkunftsarten (Gewinn- und Überschusseinkünfte) bestimmt. Die unterschiedliche Erfassung von Wertsteigerungen bzw. -minderungen im Betriebs- und Privatvermögen ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar.
Quelle | BFH, Urteile vom 3.12.2024, IX R 2/24 und IX R 3/24
| Eine Frau muslimischen Glaubens ist vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin mit einer Klage gescheitert, mit der sie eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kraftfahrzeugs mit einem Gesichtsschleier erstreiten wollte. |
Nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) dürfen Personen, die ein Kraftfahrzeug führen, ihr Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken, dass sie nicht mehr erkennbar sind (Verhüllungsverbot). Die Klägerin hatte geltend gemacht, ihr muslimischer Glaube gebiete es, dass sie sich außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Auch im Auto sei sie den Blicken fremder Menschen ausgesetzt. Daher müsse ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Ihren Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Ausnahmegenehmigung hatte das Land Berlin abgelehnt. Dagegen richtete sich die Klage.
Das VG hat die Klage abgewiesen. Eine Ausnahmegenehmigung könne die Klägerin auch mit Blick auf ihre grundrechtlich geschützte Religionsfreiheit nicht beanspruchen. Diese müsse nach Abwägung aller widerstreitenden Interessen hinter anderen Verfassungsgütern zurücktreten. Das Verhüllungsverbot gewährleiste eine effektive Verfolgung von Rechtsverstößen im Straßenverkehr, indem es die Identifikation der Verkehrsteilnehmer ermögliche, etwa im Rahmen von automatisierten Verkehrskontrollen. Es diene zudem dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums Dritter, weil Kraftfahrzeugführer, die damit rechnen müssten, bei Regelverstößen herangezogen zu werden, sich eher verkehrsgerecht verhalten würden als nicht ermittelbare Autofahrer.
Demgegenüber wiege der Eingriff in die Religionsfreiheit der Klägerin weniger schwer. Ein gleich wirksames, aber mit geringeren Grundrechtseinschränkungen verbundenes Mittel zur Erreichung der mit dem Verhüllungsverbot verfolgten Zwecke stehe nicht zur Verfügung. So könne etwa eine Fahrtenbuchauflage nur dem Halter eines Fahrzeugs auferlegt werden; die Klägerin begehre jedoch eine Ausnahme in ihrer Eigenschaft als Führerin eines Fahrzeugs. Gleichermaßen ungeeignet erscheine der Vorschlag der Klägerin, einen Niqab mit einem „einzigartigen, fälschungssicheren QR-Code“ zu versehen und die Ausnahme vom Verhüllungsverbot mit einer solchen Auflage zu verbinden. Denn dadurch sei nicht sichergestellt, dass die Person, die den Niqab trage, auch tatsächlich die Person sei, für die der QR-Code kreiert wurde.
Gegen das Urteil kann der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg gestellt werden.
Quelle | VG Berlin, Urteil vom 27.1.2025, VG 11 K 61/24, PM 5/25
| Ein Motorradfahrer wollte einen Auffahrunfall vermeiden. Er bremste deshalb sehr stark. Weil die Maschine kein Antiblockiersystem (ABS) hatte, blockierte das Vorderrad und der Motorradfahrer stürzte. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in diesem Fall kompakte Ausführungen zum „Idealfahrer“ hinsichtlich der Unabwendbarkeit gemacht. Besonders wichtig: Er bezieht die Situation vor dem Unfallgeschehen mit ein. |
Es kommt nicht nur auf die konkrete Situation an, …
Ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein „Idealfahrer“ reagiert hat, ist nicht allein entscheidend. Vielmehr ist zu berücksichtigen, ob ein „Idealfahrer“ überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre. Der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr nun (zu spät) „ideal“ verhält. Der „Idealfahrer“ hat in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind,Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden.
… sondern darauf, ob der Fahrer vorausschauend gehandelt hat
Dahinstehen kann also, ob der Sturz des Klägers noch im Zeitpunkt des Abbremsens durch kontrolliertes Betätigen der Vorderradbremse vermeidbar gewesen wäre. Denn ein Idealfahrer, der weiß, dass sein Motorrad nicht über ein ABS verfügt und bei einer reflexhaften Vollbremsung ein Sturz droht, hätte von vornherein eine Fahrweise gewählt, mit der ein reflexhaftes Bremsen in der Situation des Klägers vermieden worden wäre. Er hätte den Abstand zum Vorausfahrenden und die Geschwindigkeit so bemessen, dass er selbst im Fall plötzlich scharfen Bremsens des Vorausfahrenden – das er stets einkalkulieren muss – noch hätte kontrolliert bremsen und sowohl einen Sturz als auch eine Kollision mit dem Vorausfahrenden hätte vermeiden können.
Quelle | BGH, Urteil vom 3.12.2024, VI ZR 18/24
| Besuchen Halbgeschwister, die mit dem gemeinsamen Elternteil zusammenleben, gleichzeitig im Stadtgebiet Kindertageseinrichtungen, sind bei der Festsetzung von Elternbeiträgen hierfür satzungsrechtliche Geschwisterermäßigungen oder -befreiungen zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Halbgeschwister neben dem gemeinsamen Elternteil auch mit dem anderen Elternteil des einen Kindes in häuslicher Gemeinschaft zusammenleben. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden. |
Beitragsbefreiung oder nicht?
Die gemeinsame, im Juli 2019 geborene Tochter der Kläger nahm im Schuljahr 2021/2022 das Betreuungsangebot einer Kindertageseinrichtung in der beklagten Stadt wahr. Mit ihr und ihren Eltern lebte seinerzeit ein weiteres von der Klägerin, nicht aber vom Kläger abstammendes Kind in der gemeinsamen Wohnung, das dieselbe Kindertageseinrichtung besuchte, wofür wegen Vollendung des vierten Lebensjahres aufgrund einer landesrechtlichen Bestimmung kein Elternbeitrag zu leisten war. Die Stadt setzte gegenüber den Klägern auf Basis ihres gemeinsamen Jahreseinkommens einen monatlichen Elternbeitrag in Höhe von 313 Euro fest. Hiergegen wandten sich die Kläger und beriefen sich auf eine Vorschrift der Elternbeitragssatzung (im Folgenden nur: Satzung) der beklagten Stadt. Danach entfällt bei Eingreifen einer landesrechtlich – für die letzte Zeit in Tagesbetreuung vor der Einschulung – im Kinderbildungsgesetz (KiBiz) angeordneten Beitragsbefreiung „auch der Beitrag für das zweite und jedes weitere Kind“. Diese Regelung folgt auf eine in sonstigen Fällen maßgebliche „Geschwisterregelung“ in der Satzung, wonach „nur ein Beitrag zul eisten“ ist, wenn „aus einer Familie […] mehr als ein Kind Betreuungsangebote […] in Anspruch“ nimmt.
Die auf Aufhebung der Beitragsfestsetzung gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht (VG) Arnsberg ab. Die dagegen eingelegte Berufung der Kläger hatte vor dem OVG Erfolg.
Gemeinsames Kind als weiteres Kind zu berücksichtigen
Das OVG hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen angeführt: Das gemeinsame Kind der Kläger ist als weiteres Kind der Familie im Sinne der Geschwisterregelungen in der Satzung zu berücksichtigen. Die Gemeinschaft zweier leiblicher Kinder derselben Mutter mitdieser und deren neuem Partner, der Vater nur eines der beiden Kinder ist, istbereits unter Zugrundelegung eines verfassungsrechtlichenBegriffsverständnisses als eine Familie anzusehen. Ein anderes Verständnis desFamilien- bzw. Geschwisterbegriffs lässt sich weder der städtischen Satzungnoch höherrangigem Recht entnehmen. Die auf einer Ermächtigung desLandesgesetzgebers beruhende allgemeine Geschwisterregelung in der Satzung –bei mehreren Kindern nur ein Elternbeitrag – entspricht im Kern einer früherenlandesgesetzlichen Regelung. Dieser lag allgemein eine Entlastung von Familienmit mehreren Kindern zugrunde, ohne dass etwa nach Voll- oder Halbgeschwisternunterschieden wurde. Bei dem Umstand, dass mehrere mit einem oder beidenElternteilen in einem Haushalt zusammenlebende Kinder Angebote derTagesbetreuung in Anspruch nehmen, für die jedenfalls der gemeinsame Elternteilgrundsätzlich beitragspflichtig wäre, handelt es sich um einen Gesichtspunktder sozialen Staffelung der Kostenbeiträge. Diese ist sowohl im Bundes- alsauch im Landesrecht angelegt und ermöglicht neben der – mit dem Einkommenkorrespondierenden – wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit derBeitragspflichtigen auch die Berücksichtigung anderer Aspekte, wie die Zahl derim gemeinsamen Haushalt lebenden und in Kindertageseinrichtungen zu betreuendenKinder. Vor diesem Hintergrund kommt eine Differenzierung danach, dass beideKläger für das mit ihnen zusammenlebende gemeinsame Kind beitragspflichtigsind, während das ältere Kind allein von der Klägerin abstammt und nur dieseinsoweit beitragspflichtig sein kann, nicht in Betracht.
Quelle | OVG Münster, Urteil vom 27.11.2024, 12 A 1627/22, PM vom 12.12.2024
| Die auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage einer 66-jährigen Großmutter, die mit ihrem Enkelkind an einem Straßenumzug teilgenommen hatte und gestürzt war, hatte vor dem Landgericht (LG) Frankenthal keinen Erfolg. Das LG hat festgestellt: Die zuständige Gemeinde muss eine Straße wegen einer nur einmal jährlich stattfindenden Veranstaltung nicht besonders absichern. Es gelten vielmehr die üblichen Maßstäbe der Verkehrssicherungspflicht bei Straßen und Plätzen. |
Über Gullydeckel gestolpert
Die verletzte Frau gab an, bei einem Straßenumzug über einen bis zu drei Zentimeter über das Straßenniveau ragenden Gullydeckel gestolpert und gestürzt zu sein. Durch den Sturz habe sie sich das linke Handgelenk und das rechte Schultergelenk gebrochen. Sie war der Ansicht, vor dem Umzug hätte die zuständige Verbandsgemeinde die Strecke besonders kontrollieren und absichern, Stolpergefahren beseitigen und etwa den hochstehenden Gullydeckel mit einer Gummimatte sichern müssen. Sie verlangte rund 1.700 Euro Schadenersatz und ein Schmerzensgeld in Höhe von 13.000 Euro.
Mit Unebenheiten muss man rechnen
Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit der Unebenheit von deutlich unter drei Zentimetern habe die Frau rechnen müssen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei es auch jedem Teilnehmer bekannt und spätestens bei Beginn des Umzugs ersichtlich, dass die Sicht auf die Straße wegen der Menschenansammlung eingeschränkt sei. Eine besondere Absicherung der Straße aufgrund des einmal jährlich stattfindenden Großereignisses sei daher nicht geboten gewesen. Die Abdeckung des Gullydeckels mit einer Gummimatte hätte den Höhenunterschied und die Stolpergefahr möglicherweise nur zusätzlich erhöht. Im Übrigen treffe die Frau ein überwiegendes Mitverschulden, was die geltend gemachten Ansprüche ebenfalls ausschließe.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 15.8.2024, 3 O 88/24, PM vom 27.2.2025
| Hat der Versicherer im Policenbegleitschreiben auf das Bestehen eines Widerspruchsrechts und die hierfür geltenden Anforderungen allgemein hingewiesen und diese an einer genau bezeichneten Stelle im Einzelnen näher erläutert, sind die jeweiligen Textstellen nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr ist dann eine Gesamtwürdigung beider Textstellen – als einheitliche Belehrung – geboten. So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken. |
Begründung: Angesichts des konkreten Verweises auf die einschlägige Bestimmung in der Verbraucherinformation seien auch die dortigen weiteren Informationen für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne Weiteres auffindbar. Im Fall des OLG galt dies insbesondere, da der Verbraucherinformation ein Inhaltsverzeichnis vorangestellt war. Aus dem ergab sich, dass die im Policenbegleitschreiben zitierte Textstelle „Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Vertrag noch widersprechen?“ sich unter Ziffer 6 befindet, die ihrerseits auf der betreffenden Seite mit der fettgedruckten Überschrift „6. Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Vertrag noch widersprechen?“ hervorgehoben war.
Quelle | OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.1.2024, 5 U 60/23
| Werden in einem Wohnhaus tragende Wände entfernt und durch eine Stahlträgerkonstruktion ersetzt, muss dies einem potenziellen Käufer der Immobilie ungefragt mitgeteilt werden. Verschweigt der Verkäufer diesen Umstand, stellt dies eine arglistige Täuschung dar, die den Käufer zur Anfechtung des Kaufvertrags berechtigt. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken in einer aktuellen Entscheidung festgestellt und der Klage eines Ehepaars gerichtet auf die Rückabwicklung eines Immobilienkaufvertrags stattgegeben. |
Verkäufer verheimlichten Umbau
Ein Ehepaar aus Pirmasens entschloss sich, das von ihnen etwa 10 Jahre lang selbst bewohnte Wohnhaus zu verkaufen. Was es dem kaufinteressierten Ehepaar nicht erzählte, war, dass es vor einigen Jahren ihr Wohnzimmer vergrößert, und dazu durch eine im Ausland ansässige Firma tragende Trennwände im 1. OG des Hauses hatte entfernen lassen. Nach Entfernung der Wände wurde die Decke nur noch durch zwei Eisenträger gestützt, die direkt auf das Mauerwerk aufgelegt und zusätzlich durch Baustützen gestützt wurden, die eigentlich nur für den vorübergehenden Gebrauch gedacht sind. Diese Trägerkonstruktion wurde anschließend durch Verblendungen verdeckt und war nicht mehr ohne Weiteres sichtbar. Um einen Nachweis über die Statik hatten sich die Eigentümer im Nachgang nicht bemüht.
Käufer fochten Kaufvertrag erfolgreich an
Als die neuen Eigentümer dann selbst einige bauliche Veränderungen an dem Haus durchführen wollten, beauftragten sie u. a. einen Statiker. Dieser stellte fest, dass die Trägerkonstruktion im 1. OG unzulässig und nicht dauerhaft tragfähig sei. Das Ehepaar hat den Kaufvertrag über das Hausgrundstück daraufhin angefochten und das Verkäuferehepaar auf Rückabwicklung verklagt. Mit Erfolg.
Das OLG gab dem Käuferehepaar Recht und verurteilte die Verkäufer zur Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückübereignung des Hausgrundstücks. Die Verkäufer seien in der Pflicht gewesen, auch ungefragt darüber zu informieren, dass tragende Wände entfernt, und damit in die Statik des Wohnhauses eingegriffen wurde. Erst recht hätten sie darüber aufklären müssen, dass kein Nachweis hinsichtlich der statischen Tragfähigkeit der Stahlträgerkonstruktion vorliege. Auch sei darüber zu informieren gewesen, dass die Arbeiten durch eine den Verkäufern kaum bekannte ausländische Firma durchgeführt wurden und zu den genauen Maßnahmen keinerlei Unterlagen vorlägen. Dies alles gälte auch, obwohl die Verkäufer wohl selbst von der ausreichenden Tragfähigkeit der Konstruktion ausgingen und auch obwohl die Käufer das Haus vor dem Kauf zusammen mit einer Bausachverständigen besichtigt hatten. Die Statik eines Wohnhauses sei im Hinblick auf mögliche Gefahren für die Gebäudesubstanz und auch für Leib und Leben der Bewohner von so wesentlichem Interesse, dass eine Veränderung an ihr einem Grundstückserwerber in jedem Fall ungefragt zu offenbaren sei.
Quelle | OLG Zweibrücken, Urteil vom 27.9.2024, 7 U 45/23, PM vom 25.2.2025
| Das Amtsgericht (AG) Flensburg hat entschieden: Der Mieter muss gesundheitliche Beeinträchtigungen für sich oder die seine Mitbewohner und die nachteiligen Auswirkungen eines Umzugs durch Vorlage fachärztlicher Atteste ausführlich darstellen. Sein Vortrag muss so konkret sein, dass das Gericht den Eintritt von relevanten Nachteilen als hinreichend wahrscheinlich annehmen kann. Dann ist das Gericht gehalten, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Der bloße unstreitige Umstand, dass die Kinder des Mieters einen Behindertenausweis und einen Pflegegrad zugesprochen bekommen haben, genügt nicht. Ohne Erläuterungen, welche Krankheiten oder Behinderungen die Kinder haben, kann das Gericht keinen Härtegrund annehmen. |
Der Vermieter kündigte den unbefristeten Wohnraummietvertrag wegen Eigenbedarf. Er begründete dies damit, er benötige das Objekt für sich und seine Lebensgefährtin als neuen Lebensmittelpunkt. Die Mieter widersprachen der Kündigung und beriefen sich insbesondere auf gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Mieterin leide an einer Angststörung und posttraumatischen Belastungsstörung und die beiden Kinder seien schwerbehindert und pflegebedürftig. Ein Umzug sei für die Familie unzumutbar.
Damit hatten sie vor dem AG keinen Erfolg. Das AG war nach der Zeugenvernehmung davon überzeugt, dass der Vermieter die Räume wegen der geplanten Familiensituation ernsthaft benötigte. Dass die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist, erkannte das AG nicht an. Denn die Mieter seien ihrer Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Härtegründe nicht nachgekommen.
Ein Härtegrund liege nur vor, wenn eine erhebliche Verschlechterung einer ernsten Erkrankung oder Lebensgefahr, die durch einen Sachverständigen zu klären ist, angenommen werden könne. Das Gericht hatte keine Anhaltspunkte, eine solche Verschlechterung des Gesundheitszustands der Kinder der Mieter anzunehmen. Der vorgelegte Behindertenausweis, das Pflegegutachten und das allgemeinärztliche Attest sprächen nur unkonkret von einer „gesundheitlichen Situation“ des Kindes. Das war dem Gericht zu unkonkret. Es fehle insbesondere vertiefter Vortrag dazu, wie sich die Erkrankung im Alltag auswirke und inwieweit mit einer Verschlechterung der Situation durch einen Umzug zu rechnen sei.
Quelle | AG Flensburg, Urteil vom 4.12.2024, 61 C 55/24
| Ein rechtlich beachtlicher Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses liegt nur vor, wenn sich der Anfechtende in einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses befunden hat, dagegen nicht, wenn lediglich falsche Vorstellungen von dem Wert der einzelnen Nachlassgegenstände vorgelegen haben. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschieden. |
Erblasserin wurde 106 Jahre alt
Die Erblasserin ist im Alter von 106 Jahren ohne Testament verstorben. Zuvor lebte sie seit längeren Jahren in einem Seniorenheim. Die Heim- und Pflegekostenkosten wurden aus Mitteln der Kriegsopferfürsorgestelle bestritten. Diese Leistungen wurden als Darlehen gewährt und durch eine Grundschuld an einem Haus der Erblasserin abgesichert. Der Ehemann der Erblasserin, ihre beiden Kinder und auch bereits ein Enkelkind waren vorverstorben. Gesetzliche Erben waren die Enkel und Urenkel der Erblasserin.
Enkelin schlug Erbschaft aus, Urenkel nicht
Nach dem Tod der Erblasserin hat u. a. die in gesetzlicher Erbfolge zur Erbin berufene Enkelin das Erbe ausgeschlagen und dabei angegeben, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Zwei Urenkel der Erblasserinnen haben das Erbe dagegen nicht ausgeschlagen. In der Folge wurde das Haus der Erblasserin unter Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Nachlasspflegerin an Dritte verkauft. Nach dem Verkauf des Hauses hat die Enkelin ihre Erklärung zur Erbausschlagung sodann wegen Irrtums angefochten. Danach hat sie die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der u. a. sie als Erbinzu 1/4 Anteil ausweisen sollte.
Das Nachlassgericht hat entschieden, dass der Erbschein wegen der angefochtenen Erbausschlagungserklärung der Enkelin, wie von ihr beantragt, erteilt werden müsse. Gegen diesen Beschluss wendete sich einer der Urenkel, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte, mit seiner Beschwerde.
Oberlandesgericht widersprach Nachlassgericht
Das OLG hat entschieden, dass der Erbscheinsantrag der Enkelin zurückzuweisen sei, da der von ihr beantragte Erbschein die eingetretene Erbfolge unzutreffend wiedergebe. Die Enkelin sei keine Erbin geworden, da sie die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und sie die Ausschlagungserklärung wegen Irrtums auch nicht wirksam anfechten könne.
Enkelin wusste nichts vom Bankkonto…
Soweit sie ihren Irrtum damit begründet habe, dass ihr erst im Nachhinein bekannt geworden sei, dass zum Nachlass ein Bankkonto bei der Kreissparkasse Köln mit einem vierstelligen Guthaben gehöre, läge zwar ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses vor. Dieser Irrtum hätte aber nicht ihre Ausschlagung der Erbschaft veranlasst. Denn selbst, wenn ihr das Konto bei der Kreissparkasse Köln bekannt gewesen wäre, hätte dies mangels wirtschaftlichem Gewicht des dortigen Guthabenbetrags gegenüber den restlichen Nachlasspositionen nichts an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses geändert.
… und unterschätzte den Verkaufserlös des Hauses
Soweit sich die Enkelin darauf berufe, sie habe sich geirrt, dass der Erlös aus dem Verkauf des Hauses der Erblasserin die Verbindlichkeiten aus dem mit der Grundschuld abgesicherten Darlehen für die Heim- undPflegekosten der Kriegsopferfürsorgestelle übersteige, liege kein Irrtum vor, der zur Anfechtung berechtige. Dieser Irrtum beruhe lediglich auf der unzutreffenden Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht über dessen Zusammensetzung.
Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14.8.2024, 8 W 102/23, PM vom 10.12.2024
| Beschränkt ein Bebauungsplan über ein Wochenendhausgebiet mittels sog. Baufenster die Bebaubarkeit von Flächen, kann für ein Grundstück, das außerhalb eines Baufensters gelegen ist, kein Bauvorbescheid erteilt werden. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Mainz. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist Pächterin eines Grundstücks, das im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, der ein Wochenendhausgebiet und hierfür überbaubare Flächen (sog. Baufenster) festsetzt. Das Pachtgrundstück ist danach nicht mit einem Wochenendhaus bebaubar, sondern nur mit Nebengebäuden, etwa zum Unterstellen von Gegenständen zur Freizeitnutzung.
Die Klägerin stellte einen Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheids zur Klärung der Frage, ob ihr Grundstück mit einem Wochenendhaus bebaubar sei, und beantragte hilfsweise eine Befreiung von der Festsetzung über die überbaubaren Flächen. Sie machte zur Begründung ihres Antrags geltend: Für jedes andere Grundstück in der Straße sehe der Bebauungsplan ein Baufenster vor, nicht aber für ihres – an vielen Stellen des Plangebiets seien nicht überbaubare Flächen zwischenzeitlich mit Gebäuden bebaut worden. Für ihr Grundstück sei sogar eine Hausnummer vergeben worden. Die Baugenehmigungsbehörde lehnte das Begehren ab. Das Widerspruchsverfahren blieb ohne Erfolg.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG wies die Klage ab. Die Errichtung eines Wochenendhauses auf dem Pachtgrundstück sei nicht genehmigungsfähig, denn für dieses sehe der Bebauungsplan keine Fläche vor, die mit einem solchen Gebäude bebaut werden dürfe.
Keine verdichtetete Bebauung im Erholungsgebiet gewünscht
Die Beschränkung der Bebaubarkeit der Flächen über das gesamte Plangebiet hinweg diene nach dem Willen der Gemeinde als Plangeberin der Verhinderung einer verdichteten Bebauung in dem Erholungsgebiet und dem Erhalt von Waldflächen. Damit liege eine städtebaulich legitimierte Planung vor, die auch das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) der von der Beschränkung betroffenen Eigentümer nicht verletze. Ohne den Bebauungsplan wären im Außenbereich Gebäude zur privaten Freizeitnutzung generell bauplanungsrechtlich unzulässig. Die Festsetzung über die beschränkte Bebaubarkeit, an deren Geltung die Gemeinde ausdrücklich weiter festhalte, sei auch nicht funktionslos geworden, sie könne die bauliche Entwicklung in dem Plangebiet auch künftig noch beeinflussen. Denn es gebe noch unbebaute Grundstücke, für die ebenfalls ein Baufenster festgesetzt sei. Der überwiegende Teil der Bebauung sei auch innerhalb der Baufenster verwirklicht worden.
Großer Teil hielt Regeln nicht ein: Bebauungsplan gilt trotzdem
Unerheblich sei hingegen, dass in einer Vielzahl von Fällen Grundstücke entgegen der Festsetzung zu den Baufenstern bebaut worden seien. Der Geltungsanspruch einer Norm, wie der eines Bebauungsplans, gehe nicht bereits dadurch unter, dass sich ein großer Teil der Betroffenen nicht an die Regelung halte. Die Vergabe einer Hausnummer diene allein ordnungsrechtlichen Belangen und begründe keine Baurechte für ein Grundstück. Eine Befreiung von der Festsetzung des Bebauungsplans über die beschränkte Bebaubarkeit der Grundstücke scheide aus, weil diese angesichts der Gesamtkonzeption einen Grundzug der Planung betreffe, über den die Baugenehmigungsbehörde – auch zur Vermeidung eines Präzedenzfalls – nicht hinweggehen könne. Allein die Gemeinde könne eine Umplanung des Bebauungsplans vornehmen.
Quelle | VG Mainz, Urteil vom 25.9.2024, 3 K 746/23.MZ, PM8/24
| Ein Energieberater schuldet zwar keinen Erfolg seiner Beratung in Form der tatsächlichen Förderung. Er muss aber korrekt beraten, sodass hieraus energetische Maßnahmen hervorgehen, die die Voraussetzungen der gesetzlichen Förderungsgrundlage erfüllen. Stellt er jedoch für die einzuhaltenden Wärmedurchgangskoeffizienten irrtümlicherweise auf die Werte des GEG ab, obwohl für die Förderung die Werte des BEG EM maßgeblich sind, sieht das Landgericht (LG) Berlin darin eine Verletzung seiner Beratungspflicht. Und das LG sieht den Berater sogar in der Pflicht, Schadenersatz zu leisten. |
Dienstvertragsrecht einschlägig
Das LG: Ein Energieberatungsvertrag ist als entgeltliche Geschäftsbesorgung einzuordnen, auf die Dienstvertragsrecht anzuwenden ist. Zwar wird angenommen, dass ein Energieberater in der Regel grundsätzlich keinen Erfolg in Form der tatsächlichen Förderung schulde oder dafür gar eine Garantie übernehme. Der Energieberater schuldet aber eine fachlich zutreffende Beratung, aus der energetische Maßnahmen hervorgehen, die die Voraussetzungen der gesetzlichen Förderungsgrundlage erfüllen.
Beratung zur Förderfähigkeit Hauptleistungspflicht
Diese Beratung im Hinblick auf förderfähige Maßnahmen stellt für den Verbraucher, der auf eine Förderung angewiesen ist, bei lebensnaher Betrachtung sogar eine Hauptleistungspflicht dar. Aufgabe einer Energie-Effizienz-Expertin im Rahmen der KfW-Förderung ist es regelmäßig, den Antragsteller über die passenden und aufeinander abgestimmten Sanierungsmaßnahmen für sein Gebäude zu beraten und gerade zu prüfen, ob diese technisch förderfähig sind, die Bestätigung zum Antrag und den späteren Verwendungsnachweis zu erstellen.
Konsequenzen
Gegenstand der Vertragsleistung war im Fall des LG die Beratung der energetischen Sanierung des Hauses in fachlicher Hinsicht und die Begleitung der Antragstellung beim Zuschussgeber mit dem Ziel der Förderungsfähigkeit der Baumaßnahmen. Der Energieberater hätte mithin geradezu treffend und vollständig dazu beraten und darauf hinwirken müssen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen auch wirklich förderungsfähig sind. Nicht umsonst hatte er ihr Honorar von einem Förderzuschuss abhängig gemacht und sogar unter die Bedingung einer Förderungsgewährung gestellt.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23
| Sichtbare Tätowierungen auf beiden Handrücken hindern die Zulassung zum Vorbereitungsdienst der Polizei nicht, wenn sie inhaltlich unbedenklich sind. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren entschieden. |
Tätowierungen auf den Handrücken
Die Antragstellerin begehrt die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst bei der Berliner Kriminalpolizei. Sie trägt unter anderem auf beiden Handrücken Tätowierungen. Bei den Motiven handelt es sich um Rosenblüten mit den Namen ihrer Kinder. Die Tattoos bedecken jeweils einen Großteil ihrer Handrücken. Die Berliner Polizei lehnte ihre Bewerbung deshalb ab. Hiergegen hat die Antragstellerin einen Eilantrag eingereicht.
Das VG hat dem Eilantrag teilweise stattgegeben und das Land Berlin verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Bewerbung der Antragstellerin zu entscheiden. Zur Begründung führt sie aus, das Tragen von Tätowierungen im sichtbaren Bereich könne einer Einstellung nur entgegenstehen, wenn die Tattoos über das übliche Maß hinausgingen und wegen ihrer besonders individualisierenden Art geeignet seien, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen.
Rosenblüten und Namen der Kinder: unkritischer Inhalt
Dies sei hier nicht der Fall. Es sei bereits zweifelhaft, ob die Tattoos der Antragstellerin über das übliche Maß hinausgingen. Vielfältige Tätowierungen, insbesondere von Blumen bzw. Pflanzen und persönlichen Daten, seien heutzutage weit verbreitet. Jedenfalls seien die Tattoos der Antragstellerin trotz ihrer Sichtbarkeit nicht geeignet, ihre amtliche Funktion in den Hintergrund zu drängen. Die klare Erkennbarkeit der Motive und deren unkritischer Inhalt böten Bürgerinnen und Bürgern keinen Anlass, über die persönlichen Überzeugungen der Antragstellerin als Privatperson zu spekulieren.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 27.2.2025, VG 26 L 288/24, PM 14/25
| Der professionelle Einsatz eines vollautomatischen Wanddruckers stellt kein zulassungspflichtiges Maler- und Lackiererhandwerk dar. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren entschieden. |
Laut Handwerkskammer bestand Meisterzwang
Die Antragstellerin stellt sog. Wanddrucker her, mit denen sich individuell vom Verwender programmierte Motive großflächig auf eine in der Regel vertikale Fläche auftragen lassen. Einer Käuferin des Wanddruckers wurde auf Nachfrage von der Handwerkskammer Berlin mitgeteilt, dass die gewerbliche Nutzung des Geräts zulassungspflichtig im Maler- und Lackierer-Handwerk sei und daher nur mit Fachkundenachweis und Eintrag in der Handwerksrolle gewerblich ausgeführt werden dürfe. Die Käuferin veröffentlichte die Auskunft auf ihrer Internetseite und erklärte, wegen des „Meisterzwangs“ keine Aufträge mehr für den Wanddrucker annehmen zu können.
Die Antragstellerin verlangte daraufhin von der Handwerkskammer insbesondere, diese – aus ihrer Sicht falsche – Auskunft zu widerrufen und zukünftig zu unterlassen. Die Veröffentlichung der Auskunft im Internet verursache ihr einen immensen wirtschaftlichen Schaden, weil die meisten ihrer Kunden über keinen entsprechenden Fähigkeitsnachweis verfügten. Nachdem die Handwerkskammer eine gesetzte Frist verstreichen ließ, hat die Antragstellerin bei Gericht einen Eilantrag und Klage eingereicht.
Verwaltungsgericht widersprach
Das VG hat dem Eilantrag stattgegeben. Begründung: Die Nutzung eines (vollautomatischen) Wanddruckers stelle für sich genommen regelmäßig keinen handwerklichen Betrieb eines Maler- und Lackierer-Handwerks dar. Sie sei vielmehr ohne Nachweis eines Fachkundenachweises oder einer Eintragung in die Handwerksrolle zulässig.
Weder Fachkundenachweis noch Eintragung in die Handwerksrolle notwendig
Die händischen Arbeitsschritte beim Bedienen des Wanddruckers beschränkten sich auf die Vorbereitung des Druckers und des Motivs sowie das Farbmanagement. Das Verbringen der Farbe auf die Oberfläche – als Kernbereich des Malerhandwerks – erfolge indes automatisiert. Angesichts der überschaubaren Komplexität und Schwierigkeit der Bedienung des Druckers genüge nach unbestrittener Darstellung der Antragstellerin eine zweitägige Schulung in aller Regel, um zufriedenstellende Ergebnisse mit dem Wanddrucker zu erzeugen. Die nötigen Vorbereitungshandlungen und das Mischen von Farben seien keine wesentlichen Tätigkeiten bei der Benutzung des Druckers, weil sie jedenfalls in unter drei Monaten erlernt werden könnten.
Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 19.2.2025, VG 4 L 847/24, PM vom 24.2.2025
| Verstößt der Arbeitgeber schuldhaft gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, dem Arbeitnehmer rechtzeitig für eine Zielperiode Ziele vorzugeben, an deren Erreichen die Zahlung einer variablen Vergütung geknüpft ist (Zielvorgabe), löst dies grundsätzlich einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadenersatz statt der Leistung aus. Voraussetzung: Eine nachträgliche Zielvorgabe kann ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen. So hat es das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Keine Vorgabe individueller Ziele
Der Kläger war bei der Beklagten bis zum 30.11.2019 als Mitarbeiter mit Führungsverantwortung beschäftigt. Arbeitsvertraglich war ein Anspruch auf eine variable Vergütung vereinbart. Eine ausgestaltende Betriebsvereinbarung bestimmt, dass bis zum 1.3. des Kalenderjahres eine Zielvorgabe zu erfolgen hat, die sich zu 70 % aus Unternehmenszielen und 30 % aus individuellen Zielen zusammensetzt, und sich die Höhe des variablen Gehaltsbestandteils nach der Zielerreichung des Mitarbeiters richtet. Am 26.9.2019 teilte der Geschäftsführer der Beklagten den Mitarbeitern mit Führungsverantwortung mit, für das Jahr 2019 werde, bezogen auf die individuellen Ziele, entsprechend der durchschnittlichen Zielerreichung aller Führungskräfte in den vergangenen drei Jahren von einem Zielerreichungsgrad von 142 % ausgegangen. Erstmals am 15.10.2019 wurden dem Kläger konkrete Zahlen zu den Unternehmenszielen einschließlich deren Gewichtung und des Zielkorridors genannt. Eine Vorgabe individueller Ziele für den Kläger erfolgte nicht. Die Beklagte zahlte an den Kläger für 2019 eine variable Vergütung von rund 15.600 Euro brutto.
Der Standpunkt der Parteien
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei ihm zum Schadenersatz verpflichtet, weil sie für das Jahr 2019 keine individuellen Ziele und die Unternehmensziele verspätet vorgegeben habe. Es sei davon auszugehen, dass er rechtzeitig vorgegebene, billigem Ermessen entsprechende Unternehmensziele zu 100 % und individuelle Ziele entsprechend dem Durchschnittswert von 142 % erreicht hätte. Deshalb stünden ihm unter Berücksichtigung der von der Beklagten geleisteten Zahlung weitere rund 16.000 Euro brutto als Schadenersatz zu. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Zielvorgabe sei rechtzeitig erfolgt und habe den Grundsätzen der Billigkeit entsprochen, weshalb ein Schadenersatzanspruch wegen verspäteter Zielvorgabe ausgeschlossen sei. Unabhängig davon könne der Kläger allenfalls eine Leistungsbestimmung durch Urteil nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 315 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 BGB) verlangen. Die Möglichkeit einer gerichtlichen Ersatzleistungsbestimmung schließe Schadenersatzansprüche wegen verspäteter Zielvorgabe aus. Im Übrigen sei die Höhe eines möglichen Schadens falsch berechnet.
Arbeitgeber verstieß gegen Pflicht aus Betriebsvereinbarung
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht (LAG) hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagte, wie vom LAG zu Recht erkannt, einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von rund 16.000 Euro brutto. Die Beklagte hat ihre Verpflichtung zu einer den Regelungen der Betriebsvereinbarung entsprechenden Zielvorgabe für das Jahr 2019 schuldhaft verletzt, indem sie dem Kläger keine individuellen Ziele vorgegeben und ihm die Unternehmensziele erst verbindlich mitgeteilt hat, nachdem bereits etwa ¾ der Zielperiode abgelaufen waren.
Arbeitnehmer siegt: kein Mitverschulden, keine Anrechnung
Eine ihrer Motivations- und Anreizfunktion gerecht werdende Zielvorgabe war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Deshalb kommt hinsichtlich der Ziele auch keine nachträgliche gerichtliche Leistungsbestimmung in Betracht. Bei der im Wege der Schätzung zu ermittelnden Höhe des zu ersetzenden Schadens war von der für den Fall der Zielerreichung zugesagten variablen Vergütung auszugehen und anzunehmen, dass der Kläger bei einer billigem Ermessen entsprechenden Zielvorgabe die Unternehmensziele zu 100 % und die individuellen Ziele entsprechend dem Durchschnittswert von 142 % erreicht hätte.
Besondere Umstände, die diese Annahme ausschließen, hat die Beklagte nicht dargetan. Der Kläger musste sich kein anspruchsminderndes Mitverschulden anrechnen lassen. Bei einer unterlassenen oder verspäteten Zielvorgabe des Arbeitgebers scheidet ein Mitverschulden des Arbeitnehmers wegen fehlender Mitwirkung regelmäßig aus, weil allein der Arbeitgeber die Initiativlast für die Vorgabe der Ziele trägt.
Quelle | BAG, Urteil vom 19.2.2025, 10 AZR 57/24, PM 7/25
| Säumniszuschläge werden festgesetzt, wenn die Zahlung nicht pünktlich erfolgt. Nach der Abgabenordnung (hier: § 240 AO) ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen Steuerbetrags zu entrichten, umgerechnet auf das Jahr also 12 %. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass wegen des deutlichen und nachhaltigen Anstiegs der Marktzinsen, der seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 zu verzeichnen ist, jedenfalls seit März 2022 keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Zuschläge bestehen. |
Darüber hinaus hat der BFH in diesem Verfahren Folgendes entschieden: Wenn das Finanzamt zwar Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt, deren Wirkung aber von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig macht, bewirkt die spätere Leistung der Sicherheit im Regelfall, dass die AdV mit (Rück-)Wirkung ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung eintritt und zuvor etwaig entstandene Säumniszuschläge entfallen.
Beachten Sie | Das Finanzamt kann allerdings ausdrücklich anordnen, dass die Wirkung der AdV erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung der Sicherheit beginnt.
Quelle | BFH, Beschluss vom 21.3.2025, X B 21/25 (AdV)
| Eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft steht der Anerkennung einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft grundsätzlich nicht entgegen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Eine Organschaft führt bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dazu, dass nicht mehr die Organgesellschaft ihren Gewinn zu versteuern hat, sondern der Organträger.
Beachten Sie | Die gemäß Körperschaftsteuergesetz (hier: §§ 14 ff. KStG) enthaltenen Regelungen für die Organschaft führen im Ergebnis dazu, dass z. B. in Konzernen die Konzernspitze (als Organträger) die Gewinne sämtlicher Tochtergesellschaften (als Organgesellschaften) zu versteuern hat, aber Verluste und Gewinne der verschiedenen Tochtergesellschaften dabei auch unmittelbar miteinander verrechnet werden können. Insbesondere dieser steuerliche Vorteil hat zu einer weiten Verbreitung der Organschaft in Deutschland geführt.
Das war geschehen
Im Streitfall hatte eine Kommanditgesellschaft (KG) mit einer GmbH einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, um eine Organschaft zu begründen. Danach war die „abhängige“ GmbH als Organgesellschaft verpflichtet, den ganzen von ihr erwirtschafteten Gewinn an die KG als Organträger abzuführen.
Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass an der GmbH als Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung bestand.
Bundesfinanzhof widerspricht Vorinstanzen
Da dem atypisch still Beteiligten ein Anteil von 10 % des Gewinns der GmbH zustand, vertraten das Finanzamt und nachfolgend auch das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern die Auffassung, dass lediglich 90 % des Gewinns an die KG als Organträger abgeführt worden sei, das Gesetz aber die Abführung des ganzen Gewinns fordere. Die Organschaft sei daher insgesamt nicht anzuerkennen. Dem ist der BFH aber nun entgegengetreten.
§ 14 Abs. 1 KStG setzt einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 des Aktiengesetzes (AktG) und die strikte Erfüllung der zivilrechtlichen Vertragspflichten voraus. Was als ganzer Gewinn abzuführen ist, bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Gewinnbeteiligungen, die einem stillen Gesellschafter zustehen, sind im Zivilrecht aber als Geschäftsunkosten vom Gewinn der GmbH abzusetzen. Dies betrifft sowohl die typische als auch die atypisch stille Gesellschaft.
Folglich ist der hiernach verbleibende „Rest-Gewinn“ (im Streitfall also die 90 %) der ganze Gewinn, der an den Organträger abgeführt werden muss. Dass eine (typische oder atypische) stille Beteiligung zivilrechtlich als Teilgewinnabführungsvertrag qualifiziert wird, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.12.2024, I R 33/22, PM 21/25 vom 3.4.2025
| Wenn eine per E-Mail versandte Werklohnrechnung gehackt und unbefugt verändert wird und der Kunde deshalb an einen unbekannten Dritten zahlt, muss er nicht noch einmal an den Werkunternehmer zahlen, wenn dieser die Rechnung ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung versandt hat und deshalb gegen ihn ein Schadenersatzanspruch gemäß Datenschutz-Grundverordnung (hier: Art. 82 DS-GVO) besteht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, erneut ihre Werklohnforderung zu zahlen, nachdem der Betrag wegen einer Manipulation der per E-Mail versandten Rechnung durch kriminell handelnde Dritte dem Konto eines Unbekannten gutgeschrieben wurde.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für die Installation von Haustechnik. Sie führte für die Beklagte Installationsarbeiten durch und rechnete die erbrachten Leistungen ihr gegenüber in drei Abschlagsrechnungen ab. Diese wurden jeweils als Anlage zu einer E-Mail im PDF-Format übersandt. Die ersten zwei Abschlagsrechnungen beglich die Beklagte per Überweisung an die auf den Rechnungen angegebenen Bankverbindungen der Klägerin.
Die dritte Abschlagsrechnung über rund 15.000 Euro, die zugleich die Schlussrechnung war, versandte die Klägerin ebenfalls als Anlage im PDF-Format per E-Mail. Diese Rechnung war jedoch auf ungeklärte Weise durch einen Dritten manipuliert worden, so dass die Beklagte den Rechnungsbetrag auf das Konto des unbekannten Dritten überwies. Auf dem Konto der Klägerin ging deshalb auf die Schlussrechnung keine Zahlung ein.
Keine Erfüllung durch Zahlung an unbekannten Dritten
Das Landgericht (LG) hat die Beklagte deshalb zur erneuten Zahlung verurteilt, weil eine Erfüllung durch die Zahlung an den unbekannten Dritten nicht eingetreten ist. Es hat ausgeführt, dass die Klägerin auch keine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat, sodass die Beklagte keinen Schadenersatzanspruch hat, den sie der Klageforderung gemäß § 242 BGB entgegenhalten kann. Die Klägerin hat nach Auffassung des LG keine Pflichtverletzung begangen, weil die von ihr vorgetragenen Schutzvorkehrungen in Form einer Transportverschlüsselung per SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) über TLS (Transport Layer Security) beim E-Mail-Verkehr mit Vertragspartnern ausreichend sind.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG hat in zweiter Instanz das Urteil des LG geändert und die Klage abgewiesen. Es hat entschieden, dass die Zahlung der Beklagten an einen Dritten zwar keine Erfüllung der Forderung bei der Klägerin bewirkt. Im Gegensatz zum Landgericht hat es jedoch einen Schadenersatzanspruch der Beklagten bejaht, den diese der Werklohnforderung der Klägerin nach § 242 BGB entgegenhalten kann, so dass sie die Forderung nicht noch einmal bezahlen muss.
Dieser Schadenersatzanspruch ergibt sich nach der Entscheidung des OLG aus Art. 82 Abs. 2 DS-GVO, weil die Klägerin im Zuge der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Beklagten bei Versand der streitgegenständlichen E-Mail mit Anhang gegen die Grundsätze der Art. 5, 24 und 32 DS-GVO verstoßen hat. Das OLG hält die Transportverschlüsselung, die beim Versand der streitgegenständlichen E-Mail in Form von SMTP über TLS verwendet worden sein soll, nicht für ausreichend und damit auch nicht als zum Schutz der Daten „geeignet“ im Sinne der DS-GVO.
Das OLG hob hervor, dass heute jedem Unternehmen, das personenbezogene Daten seiner Kunden computertechnisch verarbeitet, bewusst sein muss, dass der Schutz dieser Daten hohe Priorität – auch beim Versenden von E-Mails – genießt. Unternehmen müssen diesen Schutz durch entsprechende Maßnahmen so weit wie möglich gewährleisten.
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unabdingbar
Gerade bei sensiblen oder persönlichen Inhalten ist nach der Entscheidung des OLG nur eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Schutz im Sinne der DS-GVO geeignet, wenn ein hohes finanzielles Risiko durch Verfälschung der angehängten Rechnung für den Kunden besteht. Dass Kunden von Unternehmen bei einem Datenhacking Vermögenseinbußen drohen, ist ein Risiko, das dem Versand von Rechnungen per E-Mail immanent ist und deshalb eine entsprechende Voraussicht und ein proaktives Handeln erfordert. Der dafür erforderliche technische und finanzielle Aufwand kann auch von einem mittelständischen Handwerksbetrieb erwartet werden, wenn es seine Rechnungen nicht per Post versendet.
Quelle | OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.12.2024, 12 U 9/24, PM 1/25
| Wer im Zusammenhang mit seiner kommunalpolitischen Tätigkeit Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder erhält (im Streitfall ein ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats), erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Diese sind im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung zu verbeitragen. Dies hat jedenfalls das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen entschieden. |
Das LSG Nordrhein-Westfalen stellte heraus: Für die Zuordnung von Einnahmen zum Arbeitseinkommen ist die steuerliche Abgrenzung der Einkunftsarten maßgebend. Bei Anlegung dieser Maßstäbe handelt es sich auch bei den Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer kommunalpolitischen Tätigkeit in Gestalt von Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern erzielt werden, um Arbeitseinkommen nach dem Sozialgesetzbuch IV (hier: § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV).
Gegen dieses Urteil ist die Revision beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig.
Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.3.2024, L 5 KR 551/21, Rev. BSG: B 6 a/12 KR 12/24 R
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Die Verwendung von geschlechtsspezifischen Sterbetafeln bei der Bewertung lebenslänglicherNutzungen und Leistungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot. |
Hintergrund: Die Heranziehung geschlechterdifferenzierender Sterbetafeln dient dem Ziel, die Kapitalwerte lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen mit zutreffenden Werten zu erfassen und eine Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.
Da die statistische Lebenserwartung von Männern und Frauen unterschiedlich hoch ist, ermöglichen die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Vervielfältiger genauere und realitätsgerechtere Bewertungsergebnisse als geschlechtsneutrale Vervielfältiger.
Beachten Sie | Die Anwendung der geschlechtsspezifischen Sterbetafeln kann sich für den Steuerpflichtigen je nach Fallkonstellation günstiger oder ungünstiger auswirken und führt nicht per se zu einer Benachteiligung aufgrund des eigenen Geschlechts.
Der BFH musste nicht entscheiden, welche Auswirkungen sich aus dem am 1.11.2024 in Kraft getretenen Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) für die Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen ergeben.
Quelle | BFH, Urteile vom 20.11.2024, II R 38/22, II R 41/22, II R 42/22; PM 23/25 vom 10.4.2025
| Aufwendungen des Steuerpflichtigen für einen Umzug in eine andere Wohnung, um dort (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs(BFH) auch, wenn der Steuerpflichtige – wie in Zeiten der Corona-Pandemie – zwangsweise zum Arbeiten im häuslichen Bereich angehalten ist oder durch die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren sucht. |
Das war geschehen
Eheleute lebten mit ihrer Tochter in einer 3-Zimmer-Wohnung und arbeiteten nur in Ausnahmefällen im Homeoffice. Ab März des Streitjahrs 2020 (zunächst bedingt durch die Corona-Pandemie) arbeiteten sie überwiegend im Homeoffice, dort im Wesentlichen im Wohn-/Esszimmer. Ab Mai 2020 zogen sie in eine 5-Zimmer-Wohnung, in der sie zwei Zimmer als häusliches Arbeitszimmer einrichteten und nutzten.
Den Aufwand für die Nutzung der Arbeitszimmer und die Kosten für den Umzug in die neue Wohnung machten die Eheleute als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte zwar die Aufwendungen für die Arbeitszimmer an, mangels beruflicher Veranlassung lehnte es den Abzug der Kosten für den Umzug jedoch ab.
Demgegenüber bejahte das Finanzgericht (FG) Hamburg den Werbungskostenabzug auch für die Umzugskosten. Der Umzug in die größere Wohnung sei beruflich veranlasst gewesen, da er zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen geführt habe.
Dem folgte der BFH aber (aus Steuerzahlersicht „leider“) nicht und bestätigte die ablehnende Entscheidung des Finanzamts.
Wohnung: privater Lebensbereich
Die Wohnung ist grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Daher zählen die Kosten für einen Wohnungswechsel regelmäßig zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung. Etwas anderes gilt nur, wenn die berufliche Tätigkeit den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel dargestellt hat und private Umstände allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben.
Beachten Sie | Dies ist aber nur aufgrund außerhalb der Wohnung liegender Umstände zu bejahen, etwa wenn
- der Umzug Folge eines Arbeitsplatzwechsels gewesen ist oder
- sich die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit durch den Umzug um mindestens eine Stunde täglich vermindert
Die Möglichkeit, in der neuen Wohnung (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, genügt nicht zur Begründung einer beruflichen Veranlassung des Umzugs. Es fehlt insoweit an einem objektiven Kriterium, das nicht auch durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist.
Die Entscheidung, in der neuen, größeren Wohnung (erstmals) ein Zimmer als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer „Arbeitsecke“ auszuüben, beruht auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatz verfügt oder durch die Arbeit im Homeoffice versucht, das Berufs- und Familienleben zu vereinbaren.
Quelle | BFH, Urteil vom 5.2.2025, VI R 3/23, PM 24/25 vom 17.4.2025
| Ein mit einem Preisgeld dotierter Wissenschaftspreis kann nur dann Arbeitslohn darstellen, wenn er dem Arbeitnehmer für Leistungen verliehen wird, die er gegenüber seinem Dienstherrn erbracht hat. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Fall eines Professors entschieden. |
Der Professor hatte die Habilitationsschriften überwiegend vor der Berufung in das Professorendienstverhältnis verfasst. Der preisbewehrten Habilitation lag zwar eine wissenschaftliche Forschungsleistung zugrunde. Diese gründete aber nicht auf der Forschungstätigkeit als Hochschullehrer. Wissenschaftspreis und Preisgeld stellten sich daher nicht als „Frucht“ dieser Tätigkeit dar.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 12/22
| Kann in Deutschland steuerpflichtigen Personen eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen inder Schweiz gewährt werden? Das Finanzgericht (FG) Köln hält das für möglich und hat sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar mit deutscher und schweizerischer Staatsbürgerschaft wohnte in der Schweiz. Der Ehemann war als Arbeitnehmer in Deutschland tätig und unterhielt hierfür eine Wohnung in Deutschland. Für das gemeinsame Haus in der Schweiz beauftragten die Eheleute verschiedene Handwerks- und Gartenbauarbeiten i. S des Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 a EStG) und begehrten eine Ermäßigung ihrer Einkommensteuer.
Das Finanzamt lehnte dies jedoch ab, weil die Dienstleistungen in der Schweiz ausgeführt wurden (vgl. § 35 a Abs. 4 S. 1 EStG). Hiergegen erhoben die Eheleute erfolgreich Klage.
Freizügigkeitsabkommen
Das FG Köln bezweifelt, ob es mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist, dass die Steuerermäßigung nur für Dienstleistungen beansprucht werden kann, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt ausgeübt oder erbracht werden.
Beachten Sie | Bis zur Entscheidung des EuGH ist das Verfahren ausgesetzt.
Quelle | FG Köln, Beschluss vom 20.2.2025, 7 K 1204/22; PM vom 25.3.2025; EuGH: C-223/25
| Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen, z. B. Sachverständigengutachten, sind in der Regel nicht notwendig und werden daher nicht erstattet. Das ist der Grundsatz, von dem die Rechtsprechung ausgeht. Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme – wie eine Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Senftenberg anschaulich zeigt. |
Schwierige technische Fragestellungen
Ausnahmsweise werden nach dieser Entscheidung die Kosten z. B. für das Einholen eines privaten Sachverständigengutachtens unter anderem als notwendige Kosten anerkannt, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind. Gleiches gilt, wenn aus Sicht des Betroffenen aus einer Anfangsbetrachtung ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre.
Amtsgericht hält Kosten ausnahmsweise für erstattungsfähig
Diese Grundsätze hat das AG in seiner Entscheidung bestätigt. Es hat die Kosten für ein Sachverständigengutachten, mit dem die Messdaten einer Geschwindigkeitsmessung überprüft worden sind, daher als erstattungsfähig angesehen.
Quelle | AG Senftenberg, Urteil vom 28.2.2024, 50 OWi 1617 Js 22408/22
| Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h liegenden Tempo fährt, muss seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten. Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des Navigationssystems kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entschieden. |
Konzentrieren und Gerätebedienen ist gefährlich
Geklagt hatte eine Autovermieterin gegen den Fahrer eines vermieteten Pkw. Der Fahrer war auf der Autobahn verunfallt und hatte den Wagen beschädigt. Während er auf der linken Spur fuhr, bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs bei Tempo 200, um dort Informationen abzurufen. Dabei geriet das Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke.
Mietvertrag sah Kürzung der Haftungsfreistellung vor
Das Gericht verwies auf die Vereinbarung im Mietvertrag. Danach könne die Haftungsfreistellung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt werden. Der Fahrer habe hier grob fahrlässig gehandelt. Die Autovermieterin könne daher die Hälfte des Schadens – ca. 12.000 Euro – bei ihm geltend machen.
Für das Gericht war es dabei unerheblich, dass der Pkw einen sog. Spurhalteassistenten hatte. Zumindest bei derart hohen Geschwindigkeiten reduziere dieser den Schuldvorwurf nicht.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 2.5.2019, 13 U 1296/17
| Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie beschäftigt immer noch die Gerichte. Aktuell hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden: Die Mitglieder einer Fahrgemeinschaft waren auch in der Corona-Hochphase für gegenseitige Ansteckungen nicht verantwortlich zu machen. Eine auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage eines Mitfahrers hat das LG deshalb abgewiesen. |
Im Frühjahr 2022 stieg der Mitfahrer ohne Maske zu seinem Kollegen ins Auto, um gemeinsam zur Arbeit zu fahren. Am Abend desselben Tages schrieb er in die WhatsApp-Gruppe der Fahrgemeinschaft, dass er positiv getestet sei und sich in Quarantäne befinde.
Fahrer behauptete Ansteckung und verlangte Schmerzensgeld
Der schon zuvor an Asthma erkrankte Fahrer behauptete im Prozess, er habe sich während der gemeinsamen Fahrt mit dem Coronavirus infiziert und sei nun dauerhaft arbeitsunfähig („Post-Covid-Syndrom“). Der Mitfahrer schulde ihm daher Schmerzensgeld in Höhe von nicht unter 20.000 Euro, weitere 4.000 Euro Schadenersatz und müsse darüber hinaus für zukünftig auftretende Schäden einstehen.
Landgericht: Reine Gefälligkeit – keine Haftung
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Im Rahmen der wechselseitigen Gefälligkeit einer Fahrgemeinschaft sei bereits unter den Gesichtspunkten eines stillschweigenden Haftungsverzichts und des Handelns auf eigene Gefahr eine gegenseitige Haftung ausgeschlossen. Es sei zudem aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie allgemein bekannt gewesen, dass enger persönlicher Kontakt die Hauptinfektionsquelle darstellte. Obwohl der unter Asthma leidende Fahrer bemerkt habe, dass sein Kollege beim Einsteigen keine Maske trug, habe er ihn nicht gebeten, eine solche aufzusetzen. Er habe sich daher erkennbar trotz seiner Vorerkrankung dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Dass er sich keine Gedanken über einen ungünstigen Verlauf einer Infektion mit möglichen Dauer- und Folgeschäden gemacht habe, rechtfertige keine andere Beurteilung.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 16.12.2024, 7 O 110/24, PM vom 31.1.2025
| Mit der Frage, ob ein 13-jähriges Kind für einen Glasschaden an einem Schaufenster verantwortlich ist, hat sich das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. |
Glasbruch nach Nutzung eines Spielgeräts
Das Kind hatte in der Fußgängerzone von Frankenthal ein festmontiertes Spielgerät in Gestalt einer Drehscheibe genutzt und war beim Absteigen gegen ein daneben befindliches Schaufenster getaumelt. Für den dadurch entstandenen Glasbruch muss das Kind nicht haften, entschied das LG und hat die Klage der Ladenbesitzer abgewiesen.
Der Junge gab an, dass er auf dem Schulweg an dem Spielgerät vorbeigekommen sei. Er habe sich auf das Karussell gestellt, das ein Freund gedreht habe, zunächst langsam, dann immer schneller. Nachdem der Freund die Drehung gestoppt habe, sei er rückwärts gegen die keine drei Meter entfernte Fensterscheibe getaumelt, die daraufhin zerbrochen sei.
Schaden schuldhaft verursacht?
Die Ladenbesitzer warfen dem Jungen vor, den Schaden schuldhaft verursacht zu haben. Er sei bereits zu alt gewesen für das Karussell, zudem habe er sich damit zu schnell gedreht. Die Sturzgefahr und der mögliche Glasbruch seien für ihn erkennbar gewesen.
Landgericht: kein Verschulden des Kindes!
Das LG ging zwar davon aus, dass sich der 13-Jährige der grundsätzlichen Stolpergefahr durchaus bewusst und auch hinreichend einsichtsfähig war. Beides ist erforderlich, damit Minderjährige in diesem Alter überhaupt selbstständig haften. Gleichwohl konnte das LG das für einen Schadenersatzanspruch erforderliche Verschulden des Kindes nicht feststellen. Denn der Junge habe die Drehscheibe bestimmungsgemäß genutzt. Es sei gerade Sinn und Zweck des Karussells, trotz der Drehbewegung die Balance zu halten und der Gefahr des Herunterfallens zu trotzen. Das Kind sei weder zu alt noch zu groß für das Spielgerät gewesen.
Das Gericht hat nicht verkannt, dass die Ladenbesitzer nun auf ihrem Glasschaden sitzen bleiben. Dies resultiert gemäß LG jedoch daraus, dass unsere Rechtsordnung – von einigen hier nicht vorliegenden Sonderfällen abgesehen – dem Prinzip der Verschuldenshaftung folgt.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 29.11.2024, 9 O 27/24, PM vom 19.12.2024
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Bürgergeldempfänger gelten nicht als hilfebedürftig, wenn sie ein (zu) großes Einfamilienhaus gebaut haben und dessen Wert zur Sicherung des Lebensunterhalts nutzen können. |
Familie hatte während Bürgergeldbezug größeres Haus gebaut
Dem Verfahren lag ein Eilantrag einer Familie aus dem Emsland zugrunde. Diese hatte ihr selbstbewohntes Hausgrundstück für 514.000 Euro verkauft, nachdem sie während des Bürgergeldbezugs ein neues Haus gebaut hatte. Aufgrund des erzielten Verkaufserlöses hob der Grundsicherungsträger die Leistungsbewilligung auf.
Demgegenüber vertrat die Familie die Auffassung, das neue Haus sei geschütztes Vermögen und dürfe nicht zur Deckung des Lebensunterhalts herangezogen werden. Zudem berief sie sich auf die gesetzliche Karenzzeit von 12 Monaten, während der auch großzügige Wohnverhältnisse voll finanziert werden müssten.
Landessozialgericht: Familie nicht bedürftig
Das LSG bestätigte die Auffassung der Behörde. Die Familie sei nicht bedürftig, da das neue Hausgrundstück mit 254 m² Wohnfläche und sieben Bewohnern kein geschütztes Vermögen darstelle. Eine Verwertung des Vermögens zur Sicherung des Lebensunterhalts sei durch Beleihung möglich. Bei einem Verkehrswert von 590.000 Euro und einer Grundschuld von 150.000 Euro stehe ein unbelasteter Wert von 440.000 Euro zur Verfügung.
Die Berufung auf die gesetzliche Karenzzeit lehnte das Gericht ebenfalls ab. Die Regelung diene dem Zweck, dass Leistungsempfänger nicht sofort ihr angespartes Vermögen, etwa für die Altersvorsorge, aufbrauchen müssen, wenn sie nur vorübergehend auf Bürgergeld angewiesen sind. Die Karenzzeit solle dabei helfen, plötzliche Härten abzufedern.
Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um eine unerwartete Notlage, sondern um langjährige Leistungsbezieher, die ihre Wohnsituation und ihr Immobilienvermögen optimieren wollten. So habe die Familie als Verkaufsgrund des alten Hauses angegeben, die Entfernung zur Innenstadt sei ihnen zu weit gewesen.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.1.2025, L 11 AS 372/24 B ER, PM vom 20.1.2025
| Der gezahlte Reisepreis kann um 30 Prozent gemindert werden, wenn das Gepäck des Pauschalreisenden beim Hinflug zu spät ausgeliefert wird und deshalb während einer Kreuzfahrt in die Arktis nicht zur Verfügung steht. So entschied es das Landgericht (LG) München II zugunsten der Reisenden. |
Es ging um eine Expeditionsreise
Der Kläger und seine Mutter hatten im Jahr 2023 bei der Beklagten eine elftägige Pauschalreise nach Norwegen mit anschließender Kreuzfahrt „Auf den Spuren der Eisbären“ gebucht. Während des Hinflugs kam es zu einer verspäteten Auslieferung aller Gepäckstücke der Reisenden. Der Kläger und seine Mutter meldeten ihr Gepäck als verloren und erstatteten unverzüglich Schadensanzeige. Vor der Abfahrt des Schiffs kauften sie in Outdoor-Läden in Norwegen das Notwendigste ein. An Bord gab es eine Boutique und einen Wäscheservice. Schuhe und Parka für die Expeditionen an Land wurden gestellt. Die Beklagte erstattete den Reisenden außergerichtlich 25 Prozent vom gezahlten Reisepreis und 1.500 Euro (von 2.306,07 Euro) für die Ersatzbeschaffungen. Vor Gericht machte der Kläger den Restbetrag für die Ersatzbeschaffungen, weitere 15 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und einen „Schadenersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreuden“ geltend.
Landgericht sprach Minderung zu
Das LG sprach dem Kläger eine Minderung in Gesamthöhe von 30 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und für die Ersatzbeschaffungen weitere 516,20 Euro zu; einen Anspruch auf Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wies das LG jedoch ab.
Das LG begründete seine Entscheidung damit, dass das Fehlen von Gepäck mit persönlichen Gegenständen des Reisenden einen Reisemangel darstellt. Weil der Veranstalter jedoch keine besondere Kleiderordnung bei den Mahlzeiten und die Ausrüstung für die Expeditionen zur Verfügung gestellt hatte und es einen Wäscheservice an Bord gab, erachtete das Gericht eine Minderung von 30 Prozent des gezahlten Reisepreises als ausreichend und angemessen.
Bei den Ersatzbeschaffungen (Verbrauchsartikel, Grund- und Funktionsbekleidung) hatte der Reiseveranstalter unter anderem einen Abschlag für Vermögensvorteile vorgenommen, weil die Reisenden die Sachen nach der Rückkehr weiterhin nutzen können. Das Gericht folgte dem Argument der Beklagten nicht, soweit es sich um „Funktionskleidung“ handelte, denn der Kläger und seine Mutter hatten das Gericht davon überzeugt, dass sie die eigens für eine Expedition in die Arktis gekaufte Funktionsbekleidung nicht mehr benötigten. Anders sah es das Gericht bei den Verbrauchsartikeln (Waschmittel, Zahnpasta, etc.) – die Reisenden erhielten ihre Koffer bei der Rückkehr von der Reise zurück und konnten die darin enthaltenen Verbrauchsartikel (weiter) nutzen.
Schadenersatzanspruch abgelehnt
Einen Schadenersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit lehnte das Gericht ab, weil der Kläger und seine Mutter aufgrund der Möglichkeit von Ersatzbeschaffungen in Longyearbyen und an Bord sowie wegen der ihnen zur Verfügung gestellten Ausrüstungsgegenstände (Schuhe, Parka) an der Kreuzfahrt und den Expeditionen an Land teilnehmen konnten, was Sinn undZweck der gebuchten Expeditionsreise war.
Quelle | Landgericht München II, Endurteil vom 10.1.2025, 14 O 2061/24, PM 1/25
| Ein Ehemann kann nach der Trennung von seiner Frau verlangen, die Nutzungsverhältnisse an einem gemeinsamen Haus neu zu ordnen. Das stellte das Oberlandesgericht (OLG) Celle fest. |
Ärzteehepaar trennte sich
Nachdem sich ein Ärzteehepaar getrennt hatte, wollte der Mann in ein gemeinsames Haus des Paares ziehen. Doch dort wohnte seine Schwiegermutter. In der ihr allein gehörenden Ehewohnung lebte die Frau mit den gemeinsamen Kindern. Der Mann schlief zunächst in seiner Praxis, dann bei Bekannten. Schließlich wohnte er zur Untermiete.
Den Eheleuten gehörte aber hälftig noch das von der Schwiegermutter bewohnte Einfamilienhaus mit Garten. Dieser wollte der Mann wegen Eigenbedarf kündigen. Dazu war die Mitwirkung seiner Ehefrau erforderlich. Das lehnte sie ab. Sie meinte, der Mann wolle sie nur zwingen, ihrer Mutter zu kündigen. Auch habe er noch ein weiteres Haus. Der Mann klagte.
Amtsgericht: Eigenbedarf nicht genügend dargelegt
Das Amtsgericht (AG) wies seine Klage ab. Der Mann habe den Eigenbedarf nicht hinreichend dargelegt. Da die Schwiegermutter eine nahe Angehörige sei, könne ihre Tochter selbst Eigenbedarf anmelden. So zog der Mann vor das OLG.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG gab dem Mann Recht. Ihm sei seit der Trennung ein Festhalten am Mietverhältnis nicht länger zuzumuten. Auch habe er seinen Eigenbedarf ausreichend dargelegt. Er hatte vorgetragen, dass sein jetziges Mietverhältnis nur befristet war. Ein ständiges Wohnen in der Praxis sei ihm nicht zuzumuten. Ein Umzug in das andere Haus sei ihm ebenfalls nicht zuzumuten, da dieses noch ein Rohbau sei und er auch kein Geld für einen Umzug habe. Nach all dem sah das OLG den geltend gemachten Eigenbedarf nicht als „offensichtlich aussichtslos“ an. Vor allem sei die Frau in der Lage, ihre Mutter in der Ehewohnung und einer nicht genutzten Einliegerwohnung aufzunehmen.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 19.2.2025, 21 UF 237/24
| Wer einen überschuldeten Nachlass erbt, kann innerhalb einer Frist von sechs Wochen das Erbe ausschlagen. Sonst gilt die Erbschaft als angenommen und er haftet für die dem Nachlass zuzuordnenden Schulden. War dem Erben nicht bekannt, dass der Nachlass überschuldet ist, kann noch die Anfechtung wegen Irrtums helfen. Mit den Voraussetzungen dafür hat sich jetzt das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. Es hat entschieden, dass der als Erbe eingesetzte Sohn eines Verstorbenen nicht für die Beerdigungskosten aufkommen muss, weil er die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten hat. |
Witwe verlangte Bestattungskosten von Sohn des Verstorbenen
Der Verstorbene hatte seinen Sohn aus erster Ehe testamentarisch zu seinem Erben bestimmt. Die beiden pflegten zuletzt keinen Kontakt mehr zueinander. Nach dem Tod übernahm zunächst die Witwe die Bestattungskosten von rund 7.500 Euro und wollte diese vom Sohn erstattet haben, da dieser die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte. Daraufhin erklärte der Sohn die Anfechtung der Erbschaftsannahme. Er habe nicht gewusst, dass die Bestattungskosten zu den Nachlassverbindlichkeiten gehörten und der Nachlass damit überschuldet sei.
Irrtum über die Beerdigungskosten
Dieser Argumentation hat sich das LG angeschlossen. Der Sohn habe die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten und müsse daher nicht für die Beerdigungskosten aufkommen. Die Anfechtung wegen unerkannter Überschuldung eines Nachlasses sei ein in der Rechtsprechung anerkannter Anfechtungsgrund. Sie setze voraus, dass der Anfechtende eine wesentliche Forderung gegen den Nachlass irrtümlich übersieht. Hier seien die Bestattungskosten eine wesentliche Forderung, da der Nachlass überschuldet sei, wenn man sie berücksichtige. Es sei auch glaubhaft, dass sich der Sohn über die Beerdigungskosten geirrt habe. Denn die Witwe habe ihm noch zu Lebzeiten des Vaters mitgeteilt, für die Beerdigung könne der Erlös aus dem Verkauf eines Pkw verwendet werden. Daher durfte der Sohn davon ausgehen, als Erbe seines Vaters nicht für die Bestattung aufkommen zu müssen, so die Kammer. Wenn kein Erbe in Anspruch genommen werden kann, muss die Witwe als Ehefrau nach den Vorschriften des Landesrechts selbst für die Beerdigungskosten aufkommen, so das LG.
Quelle | Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 27.2.2025, 8 O 189/24, PM vom 31.3.2025
| Die Kosten eines Vaterschaftsanerkennungsverfahrens können zwischen dem im Verfahren ermittelten biologischen Vater und der Mutter hälftig geteilt werden. Weder der Umstand, dass der Vater nicht bereits auf Basis eines Privatgutachtens zur Anerkennung der Vaterschaft bereit war, noch, dass er nach Angaben der Mutter der einzige Verkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit war, rechtfertigen eine alleinige Kostenlast des Vaters. So entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |
Streit um Kosten
Die Beteiligten streiten über die Kosten eines Abstammungsverfahrens. Die Mutter des Kindes hatte angegeben, mit dem sog. Putativvater (also dem, der als möglicher Vater in Betracht kommt) in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehrs gehabt zu haben. Ein außergerichtlicher Vaterschaftstest hatte diesen als Vater festgestellt. Das Kind begehrte daraufhin, die Vaterschaft des Putativvaters gerichtlich festzustellen. Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens stellte das Amtsgericht (AG) die biologische Vaterschaft des Putativvaters fest und legte die Verfahrenskosten hälftig der Mutter und dem nun festgestellten Vater auf.
So sah es das Oberlandesgericht
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Mutter gegen die Auferlegung der Hälfte der Kosten. Dies hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das AG habe im Ergebnis zutreffend die Kosten nach billigem Ermessen zwischen der Kindesmutter und dem Kindesvater hälftig geteilt, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Bei einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren handele es sich nicht um ein echtes Streitverfahren. Neben dem Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens könnten deshalb weitere Umstände von Bedeutung sein. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten sei allerdings regelmäßig unbillig, da es selbst nicht zur Unsicherheit an der Vaterschaft beigetragen habe.
Hier sei es nicht angemessen, dem Vater die alleinigen Kosten aufzuerlegen. Er habe insbesondere nicht „grob schuldhaft“ das Verfahren veranlasst. Ihm sei es vielmehr nicht zumutbar gewesen, die Vaterschaft bereits außergerichtlich ohne gutachterliche Klärung der biologischen Abstammung durch Sachverständigengutachten anzuerkennen. Allein die Angabe der Mutter, sie habe in der Empfängniszeit nur mit dem Vater verkehrt, genüge zur Begründung eines groben Verschuldens nicht. Vielmehr habe der Vater berechtigte Zweifel ans einer Vaterschaft haben dürfen. Unwidersprochen habe er mit der Kindesmutter in der Empfängniszeit keine Beziehung geführt und auch nicht mit ihr zusammengelebt. Damit hätten ihm konkrete Einblicke in die Lebensverhältnisse der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit gefehlt. Für ihn habe damit auch keine Möglichkeit bestanden, abzuschätzen oder zu beurteilen, ob die Mutter des Kindes zu weiteren Männern eine intime Beziehung unterhalten habe.
Außergerichtlicher Vaterschaftstest schließt gerichtliche Überprüfung nicht aus
Auf den bereits außergerichtlich durchgeführten Vaterschaftstest habe er sich nicht verlassen müssen. Er könne vielmehr geltend machen, dass er angesichts der hohen rechtlichen Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Abstammungsgutachtens eine gerichtliche Überprüfung wünsche. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass „beide Eltern das Verfahren über eine Entscheidung über die Abstammung dadurch gleichermaßen veranlasst haben, dass sie innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben. Damit erscheint es in der Regel auch gerechtfertigt, die Kosten eines solchen Verfahrens gleichmäßig auf beide Eltern zu verteilen“, unterstrich das OLG.
Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 13.1.2025, 6 WF 155/24, PM 4/25
| Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung ist so zu verstehen, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, sofern diese nicht bereits von Dritten erbracht und dem Architekten zur Verfügung gestellt wurden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden. |
Ein Architekt war mündlich damit beauftragt worden, die Baugenehmigung für die Erweiterung eines Gasthofs einzuholen. Damit war klar, dass er die Leistungsphase 4 im Leistungsbild Gebäude und Innenräume sowie Tragwerksplanung erbringen musste. Da er vom Auftraggeber nur Bestandszeichnungen erhalten hatte, die nicht an eine Vor- oder Entwurfsplanung heranreichten, verlangte er auch das Honorar für diese notwendigen Leistungen. Der Auftraggeber weigerte sich. Er meinte, er habe nur die Genehmigungsplanung beauftragt.
Das OLG gab dem Architekten Recht und sprach ihm das Honorar für die Leistungsphasen 1 bis 4 zu. Es komme nicht auf die Regelungen der HOAI, sondern auf den Inhalt des konkreten Auftrags an. Nicht entscheidend sei, ob die Parteien einen schriftlichen oder mündlichen Vertrag geschlossen, sondern was sie tatsächlich vereinbart haben. Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung müsse dann so verstanden werden, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, da diese notwendige Voraussetzung für die Erstellung der Genehmigungsplanung ist. Etwas anderes gelte nur, wenn die vorangehenden Planungsleistungen bereits von Dritten erbracht wurden und dem Architekten zur Verfügung gestellt werden.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2022, 4 U 142/20
| Beauftragt ein Bauträger einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt vom Architekten nur die Überprüfung einzelner Maße, übernimmt der Bauträger das mit der begrenzten Überprüfung verbundene Risiko selbst. Er kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin als Bauträgerin machte gegen den beklagten Architekten im Wege einer Schadenersatzklage i. H. v. 100.000 Euro wegen mangelhafter Architektenleistungen bei der Planung einer Wohnungseigentumsanlage geltend. Die Klägerin ist der Auffassung, die die Pläne des Vermessungsingenieurs überarbeitende Wohnflächenberechnung des Beklagten für bestimmte Bestandsgebäude habe eine zu geringe Wohnfläche ausgewiesen. Der Beklagte habe zugesichert, dass die Abweichungen der Wohnflächen von den Bestandsplänen des Vermessers unter einem Prozent lägen, tatsächlich gebe es Abweichungen bis zu 8%. Zahlreiche Wohnungen seien daher mit zu geringer Flächenangabe verkauft worden und deshalb sei ein Mindererlös entstanden.
Der Beklagte bestreitet eine fehlerhafte Flächenermittlung, die sich ohnehin nur auf die örtliche Überprüfung der Maße aus den Bestandsplänen des Vermessers hinsichtlich der für die Werkplanung entscheidenden Stellen bezogen habe. Ein Auftrag zu einer kompletten Neuvermessung des Bestands sei gerade nicht erteilt worden.
Zudem meint die Klägerin, der Beklagte habe bei der Grundlagenermittlung übersehen, dass die Geschossdecken in einem Bestandsgebäude Betonhohlkörperdecken waren, die einen unerwartet hohen Sanierungsaufwand erforderten, und es versäumt, vor Baubeginn die Fundamente an der Seite zu einem anderen Grundstück zu überprüfen. Infolge dieser Planungsfehler hätten sich die Baukosten für das Bestandsgebäude deutlich erhöht. Die Umbaukosten beliefen sich somit auf mindestens 950.000 Euro. Ein vollständiger Abriss und Neubau hätte dagegen (nur) 752.499 Euro gekostet und wäre im Vergleich zu den tatsächlich entstandenen Kosten günstiger gewesen. Bei erzielbaren Verkaufserlösen abzüglich der Kosten für Abriss/Neubau hätte sich bei einem Neubau ein hoher sechsstelliger Überschuss ergeben. Der tatsächliche Überschuss durch den Umbau habe lediglich 107.000 Euro betragen.
Der Beklagte trägt hierzu vor, ihm sei vom Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt worden, dass es sich bei sämtlichen Bestandsdecken um Stahlbetonrippendecken handele. Eine Pflicht zur Überprüfung dieser Tatsache habe es nicht gegeben. Zudem habe sich die Klägerin in Kenntnis der Mehrkosten für eine Sanierung und gegen einen Abriss entschieden. Hinsichtlich des Fundaments sei die Klägerin bereits vor Beauftragung des Beklagten in Kenntnis gesetzt worden, dass dessen Tragfähigkeit ein Risiko darstelle. Sie habe dennoch entschieden, das Fundament erst im Zuge der Aushubarbeiten zu untersuchen, um Kosten einzusparen.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG stellte klar: Wie bei einem Bauvertrag kann auch zwischen einem Architekten und seinem Auftraggeber eine von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichende Ausführung vereinbart werden, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen.
Beauftragt eine Bauträgerin einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt sie vom Architekten, einzelne Maße zu überprüfen, übernimmt die Bauträgerin sehenden Auges das mit der begrenzten Überprüfung der Maße verbundene Risiko und kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Weist der Architekt seinen Auftraggeber darauf hin, dass die zu planende Wohnung ohne Sonnenschutz nicht funktioniert, muss der Auftraggeber erkennen, dass bei Umsetzung der Planung eine im Hinblick auf den Wärmeschutz nicht ausreichend funktionstüchtige Wohnung errichtet wird, und es bedarf keines weiteren Hinweises, dass dann (auch) die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten sind.
Macht der Auftraggeber eines Architekten geltend, dass er im Fall einer mangelfreien Beratung von der Sanierung eines Gebäudes abgesehen und einen profitableren Neubau errichtet hätte, schafft der Auftraggeber für eine Schadensschätzung bzw. Begutachtung nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn er nachvollziehbar darlegt, welches Gebäude mit welchen Eigenschaften er statt der Sanierung errichtet hätte.
Macht ein Auftraggeber geltend, bei einem mangelfreien Architektenwerk hätte er die zu errichtenden Wohnungen teurer verkaufen können, ist ein Schaden nur schlüssig dargelegt, wenn die Kalkulationsgrundlagen für den erzielten und den geltend gemachten Kaufpreis offengelegt werden und nachvollziehbar vorgetragen wird, dass ein höherer Kaufpreis am Markt hätte durchgesetzt werden können.
Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 17.12.2024, 10 U 38/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Aachen hat die Klage eines Realschullehrers auf Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Festsetzung von Erfahrungsstufen und mithin auf eine höhere Besoldung abgewiesen. |
Eine Tätigkeit als Anbieter von Cocktailkursen ist für die Tätigkeit als verbeamteter Lehrer nicht förderlich im besoldungsrechtlichen Sinne. Eine Tätigkeit ist allgemein förderlich, wenn sie für die Dienstausübung des Beamten nützlich bzw. von konkretem Interesse ist, d. h. wenn diese entweder erst aufgrund der früher gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht oder wenn sie jedenfalls erleichtert und verbessert wird.
Ausgehend hiervon kann die Tätigkeit als Betreiber einer Gesellschaft, die Cocktailkurse und Barcatering anbietet – auch wenn diese Tätigkeit über mehrere Jahre ausgeübt wurde – nicht als förderlich angesehen werden. Das Halten von Cocktailkursen ist weder qualitativ noch quantitativ mit der Tätigkeit eines Realschullehrers vergleichbar. So hat der Kläger im Rahmen seiner Cocktailschule insbesondere nicht mit Minderjährigen gearbeitet, sondern deren Angebot zielte auf die Schulung von Mitarbeitern aus dem Hotel-, Restaurant- und Cateringgewerbe. Auch sind die Anforderungen an die Erstellung eines Cocktailkurses nicht mit der Erstellung eines differenzierten Lehrplans für Schulunterricht in den Schulklassen 5 bis 10 vergleichbar.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 20.1.2025, 1 K 2377/23, PM vom 3.2.2025
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Ein Beschäftigungsverhältnis wird erst ab dem Beginn der Entgeltfortzahlung und nicht schon mit Abschluss des Arbeitsvertrags begründet. |
Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankgemeldet
Geklagt hatte ein 36-jähriger Arbeitsloser, dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld Ende Oktober 2023 auslief. Anfang Oktober unterschrieb der Mann einen Arbeitsvertrag als Lagerist bei einem Reinigungsunternehmen zu einem Monatslohn von 3.000 Euro brutto. Er trat die Arbeit jedoch nie an, da er sich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankmeldete. Zwei Wochen später kündigte die Firma innerhalb der Probezeit.
Krankenkasse zahlte kein Krankengeld
Die Krankenkasse des Mannes lehnte daraufhin die Zahlung von Krankengeld ab. Begründung: Es habe kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, da der Mann kein Einkommen erzielt habe.
Der Mann verklagte das Unternehmen und verlangte die Anmeldung zur Sozialversicherung ab dem Beginn des Arbeitsvertrags. Er vertrat dazu die Auffassung, dass bereits durch einen rechtsgültigen Vertrag, der eine Entgeltzahlung vorsehe, ein Beschäftigungsverhältnis zustande komme. Dies müsse auch gelten, wenn ihm der Arbeitsantritt krankheitsbedingt nicht möglich sei. Andernfalls würde er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit leer ausgehen.
Landessozialgericht gab Krankenkasse Recht
Das LSG vermochte sich der Rechtsauffassung des Klägers nicht anzuschließen. Der Arbeitgeber müsse ihn nicht zur Sozialversicherung anmelden, da ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht schon mit dem Beginn des Arbeitsvertrags entstanden sei. Erforderlich sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe. Dieser Anspruch entstehe jedoch bei neuen Arbeitsverhältnissen generell erst nach einer vierwöchigen Wartezeit.
Wartezeit war ohnehin nicht erfüllt
Diese gesetzliche Regelung solle verhindern, dass Arbeitgeber die Kosten der Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer tragen müssen, die direkt nach der Einstellung erkrankten. Der Gesetzgeber habe eine solche Konsequenz als unbillig angesehen.
Unabhängig davon müsse der Mann sich erst an seine Krankenkasse wenden, bevor er seinen Arbeitgeber verklage.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.1.2025, L16 KR 61/24
Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht
| Auch in einem Minijob gibt es bezahlten Urlaub. Doch in diesem Zusammenhang stellen sich viele Fragen: Wie viele freie Tage stehen einem Minijobber zu? Was gilt bei unregelmäßiger Arbeitszeit? Wie wirkt sich das Urlaubsgeld auf den Minijob aus? Diese und weitere Fragen hat die Minijob-Zentrale jüngst beantwortet. |
So erläutert die Minijob-Zentrale beispielsweise, dass der Lohn während des Urlaubs weitergezahlt werden muss (Urlaubsentgelt). Das ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt. Zusätzlich kann es Urlaubsgeld geben (als freiwillige Zahlung zum Urlaub).
Quelle | Minijob-Zentrale vom 11.6.2025 „Urlaub im Minijob: Ihre Fragen – Wir antworten!"
| Es gibt steuerliche Betriebsprüfungen, die bereits nach kurzer Zeit abgeschlossen sind. Andere Prüfungen hingegen ziehen sich über Monate oder sogar über Jahre hin. Um die Betriebsprüfung zu beschleunigen, wurden nun mehrere gesetzliche Änderungen vorgenommen. |
Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen
Verzögerungen bei einer Betriebsprüfung können mitunter auf eine unzureichende Mitwirkung des Steuerpflichtigen zurückzuführen sein. Um dem entgegenzuwirken, sieht der neue § 200 a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) das qualifizierte Mitwirkungsverlangen vor, das sich auf die Mitwirkungspflichten nach § 200 AO stützt. Danach hat der Steuerpflichtige u. a. Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben.
Ermessensentscheidung des Prüfers
Das (neue) qualifizierte Mitwirkungsverlangen stellt eine Ermessensentscheidung des Prüfers dar, die frühestens nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ergehen darf. Entscheidet sich der Prüfer für ein solches Mitwirkungsverlangen, ist es schriftlich oder elektronisch (versehen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung) zu erteilen.
Beachten Sie | Der Steuerpflichtige muss in diesem Fall schnell handeln. Denn das Mitwirkungsverlangen ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe zu erfüllen. Nur in begründeten Einzelfällen kann die Frist verlängert werden.
Neu: Mitwirkungsverzögerungsgeld
Problematisch wird das qualifizierte Mitwirkungsverlangen für den Steuerpflichtigen, wenn es nicht oder nicht hinreichend innerhalb der Frist erfüllt wird. Denn in diesen Fällen wird das neu eingeführte Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt (§ 200 a Abs. 2 AO). Ausnahme: Die Mitwirkungsverzögerung erscheint entschuldbar, beispielsweise bei einer stark beeinträchtigenden Erkrankung.
Beachten Sie | Das Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung (also für jeden vollen Tag nach Verstreichen der im Mitwirkungsverlangen gesetzten Frist) 75 Euro. Gerechnet werden die Tage bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Mitwirkungsverlangen erfüllt wird – spätestens bis zum Tag der Schlussbesprechung. Denn nach der Schlussbesprechung gibt es keinen Bedarf mehr, eine Mitwirkung sicherzustellen.
Allerdings dürfen maximal 150 Tage zugrunde gelegt werden, sodass das Mitwirkungsverzögerungsgeld maximal 11.250 Euro betragen kann (150 Tage × 75 Euro).
Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld
Nicht immer bleibt es bei dem Mitwirkungsverzögerungsgeld. Denn es steht im Ermessen des Prüfers, nach § 200 a Abs. 3 AO zusätzlich einen Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzen. Voraussetzung ist, dass
- gegen den Steuerpflichtigen in den letzten fünf Jahren ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wurde und zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt oder
- wegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt. Davon ist auszugehen, wenn die Umsatzerlöse in einem der von der Prüfung umfassten Jahre mindestens 12 Mio. Euro betragen oder sich die konsolidierten Umsatzerlöse bei Konzernen auf mindestens 120 Mio. Euro belaufen.
Entscheidet sich der Prüfer für den Zuschlag, steht auch die Höhe in seinem Ermessen. Dabei darf der Zuschlag höchstens 25.000 Euro für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung betragen – ebenfalls für maximal 150 Tage (maximal somit 3,75 Mio. Euro).
Teilabschlussbescheid und Inkrafttreten
Um die Betriebsprüfungen zu beschleunigen, wurde auch der neue Teilabschlussbescheid eingeführt. Denn oft scheitert der zeitnahe Abschluss an einem einzelnen Sachverhalt, der nur durch intensiven Arbeitseinsatz aufgeklärt werden kann. Das Problem: So entsteht keine Rechtssicherheit bezüglich weiterer geprüfter Sachverhalte.
Durch den neuen § 202 Abs. 3 AO hat der Prüfer die Möglichkeit, bereits vor Abschluss der Prüfung einen Teilprüfungsbericht zu übermitteln und im Anschluss einen Teilabschlussbescheid zu erlassen. Hierdurch lassen sich einzelne im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte und abgrenzbare Feststellungen vor dem abschließenden Prüfungsbericht gesondert feststellen. Kann der Steuerpflichtige ein erhebliches Interesse an einem Teilabschlussbescheid glaubhaft machen, soll dieser auf Antrag ergehen.
Beachten Sie | Die Neuerungen gelten erst für Steuern und Steuervergütungen, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Sie sind aber auch für Steuern und Steuervergütungen anzuwenden, die vor dem 1.1.2025 entstehen, wenn für diese Steuern und Steuervergütungen nach dem 31.12.2024 eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde.
Quelle | Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie, BGBl I 2022, S. 2730
| Verlängert sich die dem Verbraucher gesetzlich eingeräumte 14-tägige Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge, wenn der Verkäufer in seiner Widerrufsbelehrung seine Telefonnummer nicht angibt? Diese Frage hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden. |
Kauf im Online-Shop über 62.000 Euro
Der Kläger hatte am 4.5.2022 über den Onlineshop der Beklagten ein Elektrofahrzeug zum Preis von rund 62.000 Euro erworben. Die Auslieferung des Fahrzeugs erfolgte am 20.12.2022. Am 14.8.2023 erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrags. Zu spät, entschied nun auch das OLG in zweiter Instanz und wies damit die Berufung des Klägers zurück.
Rechtlicher Hintergrund
Verbrauchern steht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: §§ 312 g Abs. 1, 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, im Normalfall beginnend ab Erhalt der Ware. Wird der Verbraucher jedoch nicht korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB). Die Informationspflichten des Unternehmers ergeben sich aus dem Einführungsgesetz zum BGB (hier: Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB). Der Unternehmer kann die Informationspflichten auch durch die Verwendung einer Musterwiderrufsbelehrung erfüllen, die sich in der Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB befindet.
Fehlende Telefonnummer ohne Auswirkungen
Hier hatte die Autohändlerin in ihrer selbst formulierten Widerrufsbelehrung, die sie dem Kläger übermittelte, keine Telefonnummer angegeben. Diese war jedoch auf der Internetseite der Beklagten zu finden. Das OLG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist geführt hat.
Widerruf eines Autokaufs wahrscheinlich eher schriftlich als per Telefon
Es entschied, dass die Widerrufsbelehrung auch ohne Angabe einer Telefonnummer den gesetzlichen Anforderungen genügt und sich die Widerrufsfrist daher nicht verlängert. Die Nichtangabe der Telefonnummer begründe bei einem Autokauf, der von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sei, nicht die Gefahr, dass der Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werde.
Ein typischer Kunde würde allein aus Beweiszwecken bei den hohen Summen eines Elektroautokaufs den Widerruf vernünftigerweise auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. per E-Mail) übermitteln.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 7.11.2024, 14 U 95/24, PM 8/25
| Hat sich der Übergeber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anlässlich der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ein Wohnungsrecht an einer Wohnung des übergebenen Vermögens vorbehalten, ist ein Sonderausgabenabzug des Mietwerts nach Meinung der Finanzverwaltung ausgeschlossen. Dieser Ansicht hat aber nun das Finanzgericht (FG) Nürnberg widersprochen. |
Hintergrund: Wird ein Betrieb gegen Versorgungsleistungen auf nahe Angehörige übertragen, kann der Betriebsübernehmer die Versorgungsleistungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 a Nr. 2 EStG) als Sonderausgaben abziehen, die der Empfänger versteuern muss (nach § 22 Nr. 1a EStG).
Das war geschehen
Anlässlich einer Hofübergabe wurde dem Übergeber ein Altenteil in Form eines vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts, Taschengelds und der Mitbenutzung von Gegenständen eingeräumt. Den vom Vermögensübernehmer als Sonderausgaben geltend gemachten Nutzungswert der Altenteilerwohnung erkannte das Finanzamt allerdings nicht an, da nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2010 nur die mit der Nutzungsüberlassung tatsächlich zusammenhängenden Aufwendungen (wie Strom, Heizung, Wasser und Instandhaltungskosten), nicht jedoch der Nutzungswert der Altenteilerwohnung berücksichtigt werden können.
Finanzgericht gibt Kläger Recht, Revision ist eingelegt
Die hiergegen eingelegte Klage war vor dem FG Nürnberg erfolgreich. Nach Auffassung des FG kann der Fall, dass der Versorgungsberechtigte mit dem ihm gewährten (höheren) Barunterhalt selbst eine Wohnung mietet, für den Bereich des Sonderausgabenabzugs nicht anders behandelt werden als der Fall, in dem sich die Versorgungsleistung aus (niedrigerem) Barunterhalt und unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zusammensetzt.
Da die Revision anhängig ist, muss nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden.
Quelle | FG Nürnberg, Urteil vom 6.2.2025, 4 K 1279/23, Rev. BFH: X R 5/25, BMF-Schreiben vom 11.3.2010, IV C 3 - S 2221/09/10004, Rz. 46
| Der Bundesfinanzhof (BFHZ) hat jüngst entschieden, dass die Erteilung von Reitunterricht nicht von der Umsatzsteuer befreit ist, es sei denn, der Unterricht dient der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung. |
Das war geschehen
Im Streitfall begehrte der Kläger die Steuerbefreiung verschiedener Reitkurse für Kinder und Jugendliche auf seinem Reiterhof in den Jahren 2007 bis 2011. In der „Ponygruppe“ wurden Kinder und Jugendliche und bei „Klassenfahrten“ wurden Schulklassen im Umgang mit Pferden unterrichtet.
Zudem wurden Kurse für eine „Große Pferdegruppe“ angeboten, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen gerichtet waren. Die unterrichteten Kinder und Jugendlichen wurden darüber hinaus verpflegt und übernachteten teilweise auch auf dem Reiterhof.
Uneinigkeit der gerichtlichen Instanzen
Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, dass sämtliche Leistungen steuerpflichtig seien. Das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein sah das aber größtenteils anders. So seien die Umsätze insoweit steuerfrei, als sie auf die Beherbergung und Verpflegung sowie auf den Teil des Reitunterrichts entfielen, mit dem die formalen Voraussetzungen dafür erlangt werden können, später den Beruf des Turniersportreiters auszuüben („Große Pferdegruppe“).
Der Meinung des Finanzgerichts hat sich der BFH aber nicht vollumfänglich angeschlossen.
Der BFH stellte klar, dass es sich bei der Beherbergung und Verpflegung von Kindern und Jugendlichen um selbstständige steuerbare Leistungen neben dem Reitunterricht handelt. Er hob weiter hervor, dass Reitunterricht (als spezialisierter Unterricht) kein „Schul- und Hochschulunterricht“ ist.
Beachten Sie | Entsprechendes ist bereits für Segel-, Fahr-, Schwimm-, Jagd- und Tanzschulen entschieden worden.
Anerkennung als Ausbildung an strenge Voraussetzungen geknüft
Die Einstufung von Reitunterricht als „Ausbildung“ oder „Fortbildung“ kommt nach Auffassung des BFH nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Reitunterricht, der typischerweise der Freizeitgestaltung dient, ist in der Regel keine Ausbildung oder Fortbildung, da er nicht auf einen bestimmten Beruf vorbereitet. Die Kurse der „Ponygruppe“ und für Schulklassen im Rahmen der „Klassenfahrten“ sind daher umsatzsteuerpflichtig.
Beachten Sie | Die Ansicht des BFH dürfte insoweit strenger sein als die Auffassung der Finanzverwaltung zu Ballett-, Tanz- oder Musikunterricht.
Spätere Turniersportreiter: umsatzsteuerfreie Kurse
Bei den Kursen der „Großen Pferdegruppe“ lagen hingegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme vor, da zahlreiche Teilnehmer später Turniersportreiter wurden. Diese Kurse sind folglich umsatzsteuerfrei.
Hinsichtlich der Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für die Kinder und Jugendlichen führte der BFH aus, dass die hierfür seinerzeit geltende Steuerbefreiung nur in Betracht kommt, wenn eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter vorliegt. Bereits hieran fehlte es aber im Streitfall. Denn der Kläger konnte eine solche Anerkennung nicht vorweisen.
Beachten Sie | Seit dem 1.1.2020 können nur noch die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben insoweit umsatzsteuerbefreit sein, was der Kläger aber nicht ist.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 9/22, PM 35/25 vom 30.5.2025
| Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen und übernimmt der neue Eigentümer die auf dem Grundstück lastenden Schulden, liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund : Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Spekulationsbesteuerung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 23 EStG).
Beachten Sie | Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die
- im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
Das war geschehen
Der Vater hatte im Jahr 2014 ein Grundstück für 143.950 Euro erworben und teilweise fremdfinanziert. 2019 übertrug er das Grundstück auf seine Tochter. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Grundstück einen Wert von 210.000 Euro. Die Tochter übernahm die am Übertragungstag bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 115.000 Euro.
Finanzamt: Aufteilung in entgeltlich und unentgeltlich
Das Finanzamt teilte den Vorgang (ausgehend vom Verkehrswert im Zeitpunkt der Übertragung) in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichenTeil auf. Soweit das Grundstück unter Übernahme der Verbindlichkeiten entgeltlich übertragen worden war, besteuerte das Finanzamt den Vorgang als privates Veräußerungsgeschäft.
Hiergegen klagte der Vater vor dem Finanzgericht (FG) Niedersachsen und bekam Recht. Die Begründung: Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten sind keine Veräußerungen (im Sinne des § 23 EStG).
Höchste Instanz bestätigt Vorgehen des Finanzamts
Doch die Freude währte nicht lange, denn der BFH schloss sich der Ansicht des Finanzamts an.
- Wird ein Wirtschaftsgut übertragen und werden damit zusammenhängende Verbindlichkeiten übernommen, liegt regelmäßig ein teilentgeltlicher Vorgang vor. In diesem Fall erfolgt eine Aufteilung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichenTeil.
- Wird das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen, unterfällt der Vorgang hinsichtlich des entgeltlichen Teils als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensteuer.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.3.2025, IX R 17/24, PM 37/25 vom 30.5.2025
| Frauen muslimischen Glaubens haben keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kfz mit einem Gesichtsschleier (Niqab). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin bestätigt. |
Antrag auf Ausnahmegenehmigung
Die Klägerin hatte ihren Antrag auf Ausnahmegenehmigung damit begründet, dass sie sich gemäß ihrem Glauben außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Da sie im Auto den Blicken fremder Menschen ausgesetzt sei, müsse es ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Das VG hatte die Klage abgewiesen.
Berufung nicht zugelassen
Das OVG hat den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Mit ihren Einwendungen hat die Klägerin es nicht vermocht, ernstliche Richtigkeitszweifel an der Entscheidung des VG zu wecken oder Verfahrensfehler offenzulegen.
Keine wesentliche Einschränkung der Religionsfreiheit
Die Annahme des VG, dass das Tragen einer Gesichtsverschleierung während des Autofahrens für die Religionsausübung typischerweise keine wesentliche Einschränkung bedeutet und angesichts der zeitlich und örtlich eingeschränkten Wirkung des Verbots hinzunehmen ist, konnte sie nicht durchgreifend in Frage stellen.
Dasselbe gilt für die Annahme des VG, dass das der zuständigen Behörde bei der Frage der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt wurde, weil der Eingriff zur Sicherstellung der effektiven automatisierten Verkehrsüberwachung gerechtfertigt ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Quelle | OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.4.2025, OVG 1 N 17/25 , PM 11/25
| Wer seine SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergibt, hat keinen Anspruch auf Rückzahlung abgebuchter Kreditkartenbeträge. So entschied es das Amtsgericht (AG) München. |
Das war geschehen
Der Ehemann der Klägerin wollte am Samstag, den 6.1.2024, für seine Ehefrau und sich eine Reise im Internet buchen. Hierzu gab er auf der Website „Check24“ die Daten der Kreditkarte seiner Ehefrau ein. Kurz darauf erschien eine Mitteilung, dass ein Betrag in Höhe von 318,99 Euro vorgemerkt sei, ehe weitere Mitteilungen über vergleichbare Vormerkungen erschienen. Die Klägerin veranlasste noch am selben Abend telefonisch die Sperrung der Kreditkarte. Am Montag, den 8.1.2024 sind sechs unberechtigte Abbuchungen zu je 318,99 Euro für Giftcards vom Konto der Klägerin erfolgt, insgesamt 1.953,29 Euro.
Zur Autorisierung der Transaktionen fand das Mastercard 3D-Secure-Verfahren Anwendung. Zur Aktivierung dieses Verfahrens auf einem weiteren Gerät übersandte die beklagte Bank am 6.1.2024 eine SMS-TAN an die von der Klägerin bei der Beklagten hinterlegte Mobilfunknummer. Die an die Klägerin versandte SMS-TAN wurde dann auf dem weiteren mobilen Endgerät, auf dem auch die Banking-App freigeschaltet wurde, am 6.1.2024 eingegeben und damit das Secure-Verfahren aktiviert.
Die Klägerin behauptete, dass sie diese Abbuchungen nicht autorisiert habe. Bei der Buchung sei sie nicht nach PIN oder Passwort gefragt worden, sie habe auch nirgendwo eine SMS-Tan eingegeben. Es sei nicht erkannt worden, dass es sich möglicherweise um eine „Fake“-Website handelte.
Die beklagte Bank ging davon aus, dass die Frau die SMS-Tan an einen Dritten weitergegeben haben muss, da eine Freigabe der Buchungen anders technisch nicht möglich gewesen sei und verweigerte die Zahlung. Die Klägerin verklagte die Bank daher vor dem AG auf Rückzahlung der 1.953,29 Euro.
So sah das Amtsgericht den Sachverhalt
Das AG wies die Klage ab. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Abbuchungen nicht von der Klägerin autorisiert waren, sondern von Dritten getätigt wurden. Aufgrund der Beweisaufnahme war das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin die SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergegeben haben muss, weshalb ein Schadenersatzanspruch der Bank gegen die Klägerin in gleicher Höhe bestehe, mit dem die Bank aufgerechnet habe.
Das AG: Der Vortrag der Bank, dass diese in ihren Systemen feststellen konnte, dass das Mastercard 3D-Secure Verfahren per Banking App für die Kreditkarte der Klägerin am 6.1.2024 um 13:30 Uhr aktiviert wurde, und zur Aktivierung dieses Verfahrens auf dem neuen Gerät eine SMS-TAN an die im Vertrag hinterlegte Mobilfunknummer der Klägerin versandt wurde, wurde durch Inaugenscheinnahme des Mobiltelefons der Klägerin bestätigt. Dort befindet sich eine SMS vom 6.1.2024 13:29 Uhr mit dem Inhalt: „ … ist Ihre TAN für die Aktivierung von Mastercard Identity Check vom 6.1.2024 13:44 Uhr.“ Der Eingang der SMS um 13:29 Uhr war im eingesehenen Nachrichtenverlauf um 13:29 Uhr dokumentiert und wird auch durch das vorgelegte IT-Protokoll belegt. Der Vortrag der Klägerin, keine SMS-TAN erhalten zu haben und dass ihr Mobiltelefon nicht in die Freigabe involviert war, erwies sich damit als widerlegt.
SMS-Tan war unzweifelhaft eingegeben worden
Die Bank hat unbestritten vorgetragen, dass aufgrund der manuellen Eingabe einer an die Mobilfunknummer der Klägerin versandten SMS-Tan ein Fremdzugriff technisch ausgeschlossen ist. Es wurde ein neues Gerät im Online-Banking der Klägerin als Freigabeinstrument im Rahmen des 2-Faktor-Authentifizierungsverfahrens hinterlegt. Hierzu war – technisch zwingend – die Eingabe der SMS-Tan erforderlich. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Klägerin durch Preisgabe der SMS-Tan Dritten eine Registrierung eines Geräts ermöglicht hat, wobei die Preisgabe persönlicher Sicherheitsmerkmale an Dritte gemäß den vertraglichen Bestimmungen untersagt war.
Verhalten der Klägerin war grob fahrlässig
Das Verhalten der Klägerin bewertet das Gericht als grob fahrlässig. Es ist eine Sache, wenn man seine Kreditkartendaten offenbart. Diese werden bei jeder Verwendung offenbart und können auch von der Karte abgelesen werden.
Die Weitergabe eines im Rahmen einer Zwei-Faktor-Autorisierung erhaltenden Zugangscodes kann nicht damit gleichgesetzt werden. Mit dieser Weitergabe hilft der Nutzer, die Sicherheitsarchitektur grundlegend auszuhebeln. Es muss jedem verständigen Nutzer solcher Kreditkarten klar sein, welches Risiko er mit der Weitergabe derartiger Daten schafft. Die Klägerin mag dies nicht bewusst getan haben und es mag auch nicht erinnerlich sein. Indessen lässt sich der Vorgang plausibel nicht anders erklären.
Quelle | AG München, Urteil vom 8.1.2025, 271 C 16677/24, PM 14/25
| Nach den Vorgaben des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes (FKAustG) werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates automatisch ausgetauscht. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun die Staatenaustauschliste 2025 bekanntgegeben. Enthalten sind die Staaten, mit denen der automatische Datenaustausch zum 30.9.2025 erfolgt. Weitere Informationen zum Informationsaustausch erhalten Sie u. a. auf der Website des Bundeszentralamts für Steuern (abrufbar unter www.iww.de/s2991). |
Quelle | BMF-Schreiben vom 3.6.2025, IV D 3 - S1315/00304/070/025
| Die Vermietung von Zimmerkontingenten an eine Kommune zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter überschreitet nicht den Nutzungszweck eines zum Hotelbetrieb gepachteten Gebäudes. Dies gilt jedenfalls, solange hiermit keine übermäßige Abnutzung oder sonstige Beeinträchtigung für den Verpächter verbunden ist, die über die übliche Nutzung durch Hotelgäste hinausgeht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die auf Räumung und Herausgabe des Hotels gerichtete Klage der Verpächterin abgewiesen. |
War die Unterbringung Geflüchteter vertragswidrig?
Die Klägerin schloss 2016 mit der Beklagten einen Vertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb des „Hotel F.“ in Gießen. Die Sache durfte vertraglich nur zum vereinbarten Nutzungszweck gebraucht werden. Seit Herbst 2022 buchte das Jugendamt der Stadt Gießen regelmäßig Zimmer für in seiner Obhut stehende Jugendliche. Nach Abmahnung kündigte die Klägerin 2023 fristlos. Sie hält die Unterbringung unbegleiteter Jugendlicher für vertragswidrig. Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt.
In der Berufung wies das OLG die Klage ab. Der Vertrag zwischen den Parteien sei nicht wirksam fristlos gekündigt worden. Die Beklagte habe nicht die Rechte der Klägerin durch eine unbefugte Überlassung an Dritte in erheblichem Maße verletzt. Dem Betrieb eines Hotels sei es immanent, dass es zu Beherbungsverträgen mit Dritten komme. Davon umfasst sei auch, dass bei der Buchung von Zimmerkontingenten durch Firmen o. Ä. ein ganzes Hotel faktisch durch denselben Mieter belegt werde. Der Abschluss von zeitlich begrenzten und auf bestimmte Zimmer bezogenen Beherbungsverträgen mit der Stadt Gießen sei folglich nicht unbefugt gewesen. Die Grenze zur unzulässigen Gebrauchsüberlassung wäre nur überschritten, wenn die Stadt das gesamte Gebäude übernommen und zu einem Flüchtlingsheim umgebaut hätte.
Keine Gefährdung der Mietsache, keine Pflichtverletzung
Eine zur Kündigung berechtigende Gefährdung der Mietsache durch unbegleitete minderjährige Geflüchtete sei nicht erkennbar. Es liege keine Pflichtverletzung wegen Überschreitung des Vertragszwecks vor, die zur Kündigung berechtigte. Die zeitweilige Vermietung zum o. g. Zweck überschreite nicht den Vertragszweck. Die vertraglich vereinbarte Nutzungsart als Hotel sei durch das Angebot von individueller Unterkunft, Service, Verpflegung und Nebenleistungen gekennzeichnet. Aufenthaltsdauer, -zweck und Motive für die Anmietung der Zimmer stellten keine entscheidenden Kriterien für die Bewertung als Hotelbetrieb dar. Es bestehe kein Anspruch darauf, „dass die Vermietung nur an einen bestimmten Personenkreis erfolgen darf, solange keine Beeinträchtigungen der Räumlichkeiten vorliegen bzw. zu befürchten sind“, unterstrich das OLG und es sei auch nicht vorgetragen, dass „Geflüchtete die Zimmer intensiver und nachlässiger nutzten als dies bei einer „normalen“ Vermietung an Hotelgäste der Fall wäre“.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.2.2025, 2 U 63/24, PM 21/25
| Das Landgericht (LG) Hanau hat entschieden: Die Anforderung von Belegkopien der Betriebskostenabrechnung ist kein wirksames Einsichtnahmeersuchen, wenn die Einsicht beim Vermieter zumutbar ist. Hierfür kommt es auf die Entfernung zur Mietwohnung an und nicht auf den Ort, an den der Mieter nach Mietende verzogen ist. |
Muss Mieter Belege einsehen oder muss Vermieter sie zuschicken?
Nach Mietvertragsende verlangte der Mieter die geleistete Kaution zurück. Die dann noch erstellte Betriebskostenabrechnung wies eine Nachforderung auf, die der Vermieter mit der Kaution verrechnete. Der inzwischen über 120 km weit weggezogene Mieter widersprach der Abrechnung, forderte die Übersendung von Belegkopien, um die Abrechnung zu prüfen, und klagte auf Rückzahlung der gesamten Kaution. Er bringt vor, keine Kopien erhalten zu haben, zumal der Vermieter für eine Einsichtnahme bei diesem nun zu weit entfernt sei.
So sahen es die Gerichte
Das Amtsgericht (AG) hat die Klage in Höhe der verrechneten Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das LG entschied, dass die Einwände gegen die Abrechnung zu unkonkret waren, weil der Mieter die Belege nicht geprüft hat. Der Vermieter habe die Belegeinsicht auch nicht verweigert, weil der Mieter unzulässigerweise die Übersendung von Kopien verlangte. Da die Belegprüfung grundsätzlich beim Vermieter erfolgen muss, lag schon kein wirksames Einsichtnahmeersuchen vor.
Kein Ausnahmefall
Der Mieter könne auch nicht ausnahmsweise die Zusendung von Kopien fordern. Das sei zwar möglich, wenn der Vermieter zu weit entfernt ansässig ist. Hierfür komme es jedoch auf die Entfernung der Mietsache zu diesem an, wobei eine Anreise von Hanau nach Frankfurt zumutbar sei. Dass der Mieter nun über 120 km entfernt wohnt, liege hingegen in seinem Risikobereich und führe nicht zu einem Recht auf Übersendung von Kopien.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | LG Hanau, Beschluss vom 24.3.2025, 2 S 43/24, PM vom 8.5.2025
| Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg bestätigte die Vorinstanz: Der kulturelle und familiäre Wert einer Sammlung aus Gemälden und historischen Gegenständen ist höher zu setzen als das Interesse einzelner Familienmitglieder an der Verwertung der Gegenstände. Letzteres hatte ein Teil der Familie aufgrund interner Differenzen verlangt. |
Das war geschehen
Die Nachfahren einer Nürnberger Patrizierfamilie stritten in einem Zivilprozess um den Erhalt ihrer Familiensammlung – einer Sammlung von Gemälden und historischen Gegenständen, die über Jahrzehnte als ungeteiltes Familienvermögen innerhalb der Familie über die Erbfolge weitergegeben wurde. Ein Teil der Familie begehrte den Pfandverkauf der historischen Sammlungsgegenstände, die teils in privater Nutzung sind, teils im Germanischen Nationalmuseum verwahrt werden, um die Erben- und Bruchteilsgemeinschaft auseinanderzusetzen. Die beklagten Familienmitglieder widersetzten sich dem und beriefen sich auf ein in einem Familienvertrag aus dem Jahr 1936 festgelegtes immerwährendes Teilungsverbot für das verfahrensgegenständliche Familienvermögen. Die Kläger verwiesen auf eine spätere Aufhebung sowie Nichtigkeit dieses Familienvertrags, denn dessen Regelungen sahen unter anderem die Weitergabe der Familiensammlung nur an männliche Nachkommen vor.
So sah es die erste Instanz
Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth hatte in erster Instanz die Klage abgewiesen. Es sah die Aufhebung des Familienvertrags nicht durch die vorhandenen Protokolle der Familienversammlungen belegt und erachtete das von der Familie im Jahr 1936 in Bezug auf die Familiensammlung vereinbarte dauerhafte Teilungsverbot als wirksam und fortbestehend an. Die Klagepartei habe auch keine Umstände vorgebracht, die als wichtiger Grund eine Aufhebung der Gemeinschaft rechtfertigen könne. Die im Verfahren vorgetragenen innerfamiliären Differenzen reichten hierfür nicht aus.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Hiergegen legte ein Familienmitglied der unterlegenen Klageseite Berufung zum OLG ein. Dieses hat das Ersturteil bestätigt und die zur Begründung des Aufhebungsanspruchs vorgebrachten Gründe und Einwendungen der Berufung für nicht durchgreifend erachtet. Wie das Erstgericht bewerte der Senat die erbrechtliche Regelung im Familienvertrag zum Ausschluss der weiblichen Nachkommen als nichtig, was aber die Wirksamkeit des dauerhaften Teilungsverbots nicht berühre. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kam das OLG zu dem Ergebnis, dass das beklagtenseits eingewandte familiäre als auch öffentliche Interesse am Erhalt der Gesamtheit der Sammlung als Kulturgut dem klägerischen Interesse an einer Aufhebung der Gemeinschaft und an einer damit verbundenen Zerschlagung der Sammlung überwiege.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 28.2.2025, 1 U 2451/23 Erb, PM 12/25
| Bauarbeiter, die auf Baustellen einfache Arbeiten verrichten, einen festen Stundenlohn erhalten und am Markt nicht erkennbar unternehmerisch auftreten, sind regelmäßig abhängig Beschäftigte, für die die Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen. Dies entschied in drei Urteilen das Hessische Landessozialgericht (LSG). |
Baufirmen müssenSozialversicherungsbeiträge nachzahlen
Die Deutsche Rentenversicherung entschied in mehreren Fällen, dass Bauarbeiter abhängig beschäftigt sind. In zwei Fällen forderte sie nach entsprechenden Betriebsprüfungen von den im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge in fünfstelliger Höhe. In einem weiteren Verfahren hatte sie zunächst über den Antrag auf Statusfeststellung zu entscheiden.
Weder schriftliche Verträge noch eigene Werkzeuge
In diesen Fällen hatten angeblich selbstständige Werkunternehmer auf Baustellen der jeweils klagenden Baufirma gearbeitet. Bei diesen Bauarbeitern handelte es sich um ausländische Staatsangehörige mit allenfalls geringen Deutschkenntnissen. Sie erledigten Abbrucharbeiten, Maurertätigkeiten und Pflasterarbeiten, sanierten Bäder oder arbeiteten im Trockenbau. Schriftliche Verträge oder Auftragsbestätigungen gab es nicht. Die Abrechnungen erfolgten auf Basis der aufgeschriebenen Stunden bei einem Stundenlohn zwischen 10 und 15 Euro. Die Materialien und Werkzeuge wurden bis auf Kleinwerkzeuge von den jeweiligen Baufirmen gestellt.
Scheinselbstständige statt Werkunternehmer
Das LSG folgte der Einschätzung der Rentenversicherung. In allen drei Verfahren liege Scheinselbständigkeit vor.
Bei einfachen, typischen Arbeitnehmerverrichtungen, die der Beschäftigte im Wesentlichen ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübe, spreche die Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis. Die betroffenen Bauarbeiter seien jeweils in den Betrieb der klagenden Baufirma eingegliedert gewesen und hätten einfache Bauarbeiten getätigt, wie sie typischerweise abhängig Beschäftigte verrichteten.
Kein unternehmerisches Auftreten
Werkvertragstypische Vereinbarungen einer unternehmerischen Leistung hätten nicht festgestellt werden können. Zudem seien die angeblichen „Werkunternehmer“ schon aufgrund ihrer geringen Deutschkenntnisse zu einem unternehmerischen Auftreten am Markt nicht in der Lage gewesen.
Zwischen den Baufirmen und den Bauarbeitern getroffene Vereinbarungen über eine (angeblich) selbstständige Tätigkeit seien nicht relevant und könnten die gesetzlich angeordnete Sozialversicherungspflicht nicht ausschließen.
Quelle | Hessisches LSG, Urteil vom 3.4.2025, L 8 BA 4/22, L 8 BA 62/22 und L 8 BA 64/21, PM vom 3.4.2025
| Wandhängende WCs und Handtuchheizkörper in Standardausführung sowie Balkone in der Größe von vier qm sind in Milieuschutzgebieten genehmigungsfähig, weil sie der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dienen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden. |
Bauliche Änderungen nicht ohne Genehmigung
Die Klägerinnen sind jeweils Eigentümerinnen von Wohngebäuden in Milieuschutzgebieten in Berlin-Mitte. Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen soziale Erhaltungsverordnungen (umgangssprachlich Milieuschutzverordnungen) gelten. Sie sollen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im jeweiligen Gebiet schützen. Bauliche Änderungen bedürfen in Milieuschutzgebieten grundsätzlich einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Den Erlass von Milieuschutzverordnungen erlaubt ein Bundesgesetz, nämlich das Baugesetzbuch. In Berlin sind dafür die Bezirke zuständig. Aktuell gelten in Berlin über 40 Milieuschutzverordnungen.
Eine Klägerin möchte im Badezimmer einer Wohnung ein Stand-WC durch ein wandhängendes WC ersetzen sowie einen Handtuchheizkörper einbauen. Eine weitere Klägerin begehrt den Anbau von dreizehn Balkonen in der Größe von jeweils vier qm an die Wohnungen ihres Mehrfamilienhauses. Die Maßnahmen stellen nach Ansicht der Klägerinnen einen zeitgemäßen Ausstattungszustand ihrer Wohnungen dar. Das Bezirksamt versagte den Klägerinnen die erhaltungsrechtlichen Genehmigungen. Die Vorhaben gingen über einen zeitgemäßen Ausstattungszustand hinaus und seien als wohnwerterhöhende bauliche Änderungen im Milieuschutzgebiet nicht zulässig.
Genehmigungen sind zu erteilen
Das VG gab den dagegen erhobenen Klagen statt und verpflichtete das Bezirksamt, die Genehmigungen zu erteilen. Der Gesetzgeber habe im Baugesetzbuch geregelt, dass eine erhaltungsrechtliche Genehmigung zu erteilen sei, wenn die bauliche Maßnahme der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen diene.
Mittlerer Standard nicht wohnwerterhöhend
Der Gesetzgeber habe den Genehmigungsanspruch auch nicht auf bauliche Maßnahmen beschränkt, die der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dienten. Vielmehr habe er zugelassen, dass darüber hinaus auch in Milieuschutzgebieten eine behutsame Anhebung des Ausstattungszustands auf den Standard mittlerer Wohnverhältnisse erfolgen könne. Daran sei ein bundeseinheitlicher Maßstab anzulegen. Bei wandhängenden WCs und Handtuchheizkörpern in einer Standardausführung sowie bei vier qm großen Balkonen werde dieser Standard nicht überschritten. Dafür sprächen unter anderem die Verbreitung dieser Ausstattungsmerkmale bundesweit sowie der Umstand, dass die Mietspiegel der größeren deutschen Städte sie überwiegend nicht als wohnwerterhöhend einstuften.
Quelle | VG Berlin, Urteile vom 2.4.2025, VG 19 K 17/22 und VG 19 K 351/23, PM 24/25
| Trotz erfolgreich absolviertem ersten juristischen Staatsexamen hat ein Antragsteller, der erwiesenermaßen die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft, keinen Anspruch darauf, den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) zu durchlaufen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz. |
Fehlende Verfassungstreue
Der Antragsteller wollte nach erfolgreichem Jurastudium als Rechtsreferendar in den juristischen Vorbereitungsdienst eintreten. Dies lehnte das Oberlandesgericht (OLG) wegen fehlender Verfassungstreue des Antragstellers ab. Dieser suchte daraufhin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um gerichtlichen Rechtsschutz mit dem Ziel nach, ihn im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses einzustellen.
Eindeutige Publikationen
Der Antrag blieb ohne Erfolg. Dem Antragsteller, so das VG, fehle der notwendige sog. Anordnungsanspruch. Aus den einschlägigen Vorschriften des Landesgesetzes über die juristische Ausbildung sowie des Landesbeamtengesetzes folge, dass die juristische Ausbildung am Leitbild einer dem Rechtsstaat verpflichteten Person zu orientieren sei. Rechtsreferendare müssten sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Der Antragsteller werde dem nicht gerecht, wie von ihm verfasste und publizierte Texte belegten.
In einem von ihm geschriebenen Roman würden beispielsweise schwarze Menschen durch die Verwendung menschenverachtender Bezeichnungen pauschal herabgewürdigt. Es werde hierin behauptet, ein – namentlich genannter – österreichischer Fußballspieler, der dunkelhäutig sei, könne kein Deutscher oder Österreicher sein. In einem anderen Text attestierte er dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Demontage des Volksbegriffs. Der von dem Antragsteller vertretene Volksbegriff mit der Forderung nach einer „positiven Erneuerung Deutschlands“ könne nur als Forderung nach einer Umkehrung eines vermeintlichen „Bevölkerungsaustauschs“ verstanden werden. Zudem sei der Antragsteller Mitglied bei der „Jungen Alternative für Deutschland“ und dem Verein „Ein Prozent e. V.“ gewesen. Er habe in beiden Organisationen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Frühjahr 2023 als gesichert rechtsextremistisch einstufe, zumindest zeitweise herausgehobene Funktionen übernommen.
Die Entscheidung ist bestandskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 9.5.2025, 5 L 416/25.KO, PM 14/25
| Eine Tätowierung ist heute typischer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Während sichtbare Tattoos im Arbeitsleben immer normaler werden, stellt sich damit aber zunehmend die Frage, wer eigentlich das finanzielle Risiko trägt, wenn beim Stechen des Tattoos nicht alles glatt verläuft. Dazu liegt nun eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vor: Wer sich tätowieren lässt, erhält bei Komplikationen keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das LAG bestätigt damit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Flensburg. |
Pflegekraft ließ sich tätowieren
Die als Pflegehilfskraft beschäftigte Klägerin ließ sich am Unterarm tätowieren. In der Folge entzündete sich die tätowierte Stelle. Die Klägerin wurde daraufhin für mehrere Tage krankgeschrieben. Die beklagte Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum ab.
Die Klägerin führte vor Gericht aus, dass sie ja nicht Entgeltfortzahlung für den Tätowierungsvorgang geltend mache, sondern für eine davon zu trennende zeitlich nachfolgende Entzündung der Haut. Ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen. Es habe sich ein sehr geringes Risiko verwirklicht, das nur bei ein bis fünf Prozent der Fälle von Tätowierungen auftrete. Tätowierungen seien als Teil der privaten Lebensführung geschützt und mittlerweile weit verbreitet.
Die Arbeitgeberin entgegnete, die Klägerin habe bei der Tätowierung in eine Körperverletzung eingewilligt. Das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre deshalb nicht zum normalen Krankheitsrisiko und könne dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden.
Arbeitsunfähigkeit verschuldet
Das LAG ist der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Diese war zwar arbeitsunfähig krank. Sie hat die Arbeitsunfähigkeit aber verschuldet. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz handelt ein Arbeitnehmer immer schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt.
Die Klägerin musste bei der Tätowierung damit rechnen, dass sich ihr Unterarm entzündet. Dieses Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen ihr eigenes Gesundheitsinteresse dar. Sie hat selbst vorgetragen, in bis zu 5 % der Fälle komme es nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut. Dies ist keine völlig fernliegende Komplikation. Bei Medikamenten wird eine Nebenwirkung als „häufig“ angegeben, wenn diese in mehr als einem, aber weniger als zehn Prozent der Fälle auftritt. Zudem ist die Komplikation in der Hautverletzung durch die Tätowierung selbst angelegt.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.5.2025, 5 Sa 284 a/24, PM vom 2.7.2025
| Wenn ein Arbeitnehmer sich beim Kaffeetrinken verschluckt und infolgedessen stürzt, kann das im Einzelfall einen Arbeitsunfall darstellen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden. |
Nasenbeinbruch während morgendlicher Besprechung
Der Kläger war als Vorarbeiter auf einer Baustellebeschäftigt. Beim Kaffeetrinken während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer verschluckte er sich, ging hustend zur Tür, um sich draußen auszuhusten, verlor kurz das Bewusstsein und stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter. Dabei brach er sich das Nasenbein.
Berufsgenossenschaft und Sozialgericht: kein Arbeitsunfall
Das sei kein Arbeitsunfall, befand die zuständige Berufsgenossenschaft, denn das Kaffeetrinken habe keinen betrieblichen Zwecken gedient. Es sei vielmehr dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen. So sah es auch das Sozialgericht (SG), das in erster Instanz über den Fall entschieden hatte.
Landessozialgericht: auch Nahrungsaufnahme geschützt
Zu Unrecht, befand nun das LSG. Zwar erstrecke sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit damit ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird. Im vorliegenden Fall sei das Kaffeetrinken aber nicht auf das Grundbedürfnis des Durstlöschens gerichtet gewesen, sondern habe (auch) betrieblichen Zwecken gedient. Der gemeinsame Kaffeegenuss während der verpflichtend vorgeschriebenen Besprechung habe eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft bewirkt.
Arbeitgeber stellte den Kaffee zur Verfügung
Zudem habe der Kaffee für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesorgt. Das sei auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, der sich teilweise selbst um das Auffüllen der Kaffeevorräte gekümmert habe. Deshalb sei der Fall auch anders zu beurteilen, als wenn sich ein Arbeitnehmer z. B. in der Frühstückspause an einem Kaffee verschluckt, den er selbst in der Thermoskanne mitgebracht hat.
Quelle | LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.5.2025, L 6 U 45/23, PM 2/25
| Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Hostprovider – hier Meta – muss nach einem Hinweis auf einen rechtsverletzenden Post auf der Social-Media-Plattform Facebook auch ohne weitere Hinweise sinngleiche Inhalte sperren. Sinngleich sind etwa Beiträge mit identischem Text und Bild, aber abweichender Gestaltung (Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung), bloßer Änderung typografischer Zeichen oder Hinzufügung von Elementen, etwa sog. Captions, die den Aussagegehalt nicht verändern. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Arzt und bewarb in der Vergangenheit u. a. die sog. „Hirschhausen Diät“. Der Kläger wies die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach auf sog. Fake-Werbe-Videos hin, in denen er vermeintlich u. a. für Abnehmmittel werbe.
Gegenstand dieses Eilverfahrens sind zwei weitere solcher Deep-Fake Videos: Nutzer haben zum einen ein Video unter Verwendung eines Ausschnitts aus der Sendung von Markus Lanz hergestellt, in denen der Name, das Bildnis und die Stimme des Klägers verwendet werden und in dem dieser vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme wirbt. Dieses Video entfernte die Beklagte zeitnah nach Abmahnung durch den Kläger. In einem nachfolgend erschienenen, nahezu inhaltsgleichen weiteren Deep-Fake Video warb der Kläger ebenfalls vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme. Dieses Video entfernte die Beklagte ebenfalls – erst – nach entsprechendem Hinweis durch den Kläger. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassen der Verbreitung dieser beiden Videos in Anspruch. Das Landgericht (LG) hat den Antrag zurückgewiesen.
So sah es das Oberlandesgericht
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hatte teilweise Erfolg. Hinsichtlich des ersten Videos bestehe kein Unterlassungsanspruch, entschied das OLG. Die Beklagte sei als Hostproviderin grundsätzlich nicht verpflichtet, von den Nutzern ins Netz gestellte Beiträge vor ihrer Veröffentlichung auf etwaige Rechtsverletzungen hin zu prüfen. Ihre Haftung setze die Verletzung von Prüf- und Verhaltenspflichten voraus. Vor der Abmahnung des Klägers betreffend das erste Video sei die Beklagte nicht zur Löschung verpflichtet gewesen. Eine Löschpflicht habe sich insbesondere nicht aus den vorausgegangenen Hinweisen des Klägers auf andere, nicht sinngleiche sog. Fake-Werbungen ergeben. Grundsätzlich lösten derartige Hinweise nur Prüfpflichten hinsichtlich „sinngleicher Inhalte“ aus. Darunter fielen Inhalte, die in Bild und Text identisch, aber bei gleichbleibendem Gesamteindruck etwa abweichend gestaltet seien. Dies könne sich etwa auf die Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung mit Rahmen oder Zufügung sog. Caption beziehen. Die vorausgegangenen Hinweise des Klägers hätten sich hier jedoch auf in Bild und Text abweichende Inhalte bezogen.
Prüfplicht des Providers bestand
Hinsichtlich des zweiten Videos habe die Beklagte dagegen schon aufgrund der Abmahnung des Klägers hinsichtlich des ersten Videos eine Prüfpflicht getroffen. Es habe keiner weiteren Abmahnung bedurft. Das zweite Video unterscheide sich allenfalls marginal vom ersten. Nach dem Eindruck des OLG wirkten die Videos – bei voneinander abweichender Überschrift – nahezu identisch. Es lägen damit sinngleiche Inhalte vor. Da die Beklagte das zweite Video nicht bereits ohne weitere Abmahnung gesperrt habe, habe sie gegen ihre Prüfpflichten verstoßen. Im Ergebnis bestehe daher ein Unterlassungsanspruch.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nich tanfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.3.2025, 16 W 10/25, PM 14/25
| Zahlreiche Betriebsprüfungen zeigen, dass die Kassenführung oft beanstandet wird. Das Problem dabei: Ist die Kassenführung nicht ordnungsmäßig, drohen erhebliche Hinzuschätzungen. So war es auch in einem Fall, der vom Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein zu entscheiden war. |
Im Streitfall hatte bei einem bargeldintensiven Imbiss mit Sitzgelegenheiten eine Betriebsprüfung stattgefunden. Der Betreiberin, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte, wurden dabei zahlreiche Mängel in der Kassenführung vorgeworfen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem FG blieb erfolglos.
Beachten Sie | Allerdings ist inzwischen die Revision anhängig, in der insbesondere diese interessanten Fragen zu klären sind:
- Ist bei bestehenden Zweifeln im Hinblick auf den Programmierzustand und das Vorhandensein von Manipulationsspuren an der Registrierkasse vom FG ein Sachverständigengutachten einzuholen?
- Rechtfertigen fehlende Programmierprotokolle für die verwendete Kasse eine Schätzung dem Grunde nach?
- Ergibt sich aus einer angeblichen Abweichung von der Richtsatzsammlung eine Schätzungsbefugnis?
Quelle | FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.8.2023, 3 K 25/22, Rev. BFH, X R 27/24
| Hat eine Gesellschaft ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr, ist für die Berechnung der Steuerermäßigung gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 EStG) nicht auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums abzustellen, sondern auf das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahrs. Für die Aufteilung des Steuerermäßigungsbetrags sind der Gewerbesteuer-Messbetrag und die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des Wirtschaftsjahrs an der Gesellschaft beteiligt waren. So lautet ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Hintergrund: Unter den Voraussetzungen des § 35 EStG wirddie Gewerbesteuerbelastung kompensiert, indem die tarifliche Einkommensteuer um das Vierfache des festgesetzten Steuermessbetrags gemindert wird.
Quelle | BFH, Urteil vom 10.4.2025, IV R 21/22
| Mit Wirkung ab 1.6.2025 wurden die Gebühren für Eintragungen im Handelsregister um 50 Prozent erhöht. Demzufolge werden auch Unternehmensgründungen teurer. |
In der Begründung der Verordnung wird hierzu u. a. ausgeführt: „Die daraus insgesamt resultierenden Gebühreneinnahmen sollen dazu dienen, den Aufwand der Länder für den Betrieb der Registergerichte weitgehend zu decken, damit die Gerichte den Anforderungen an eine moderne, effiziente und sichere Registerführung auch künftig gerecht werden können.“
Quelle | Dritte Verordnung zur Änderung der Handelsregistergebührenverordnung, BGBl I 2025, Nr. 127
| Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft wird nur bereit sein, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung einer Eigentumswohnung zu (privaten) Wohnzwecken (also im privaten Interesse) eines Gesellschafters zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe erstattet werden und sie zudem einen angemessenen Gewinnaufschlag erhält. Vor diesem Hintergrund hat es das Finanzgericht (FG) Niedersachsen im Streitfall als rechtmäßig beurteilt, dass das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) angesetzt hat. |
Zum Hintergrund: Bei einer vGA handelt es sich – vereinfacht – um Vermögensvorteile, die dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gewährt werden. Eine vGA darf den Gewinn der Gesellschaft nicht mindern.
Im Anschluss an ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahr 2016 führte das FG weiter aus: Eine Vermietung zu marktüblichen, aber nicht kostendeckenden Bedingungen würde ein gewissenhafter Geschäftsführer (ausnahmsweise) in Betracht ziehen, wenn er bezogen auf den jeweils zu beurteilenden Veranlagungszeitraum bereits von der Erzielbarkeit einer angemessenen Rendite ausgehen kann.
Beachten Sie | Die danach für den Fremdvergleich maßgebliche Kostenmiete ist auch dann als Maßstab heranzuziehen, wenn der Gegenstand des Unternehmens der Kapitalgesellschaft auch neben der an die Gesellschafterin vermieteten Wohnung in der Vermietung von Immobilien besteht.
Gegen das Urteil ist die Revision anhängig. Gleichwohl sollte in vergleichbaren Fällen eine vGA bedacht werden. Es empfiehlt sich, Mietverträge zu prüfen und ggf. anzupassen.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 15.8.2024, 10 K 255/21, Rev. BFH, I R 21/24
| Ein Freiwilliger Wehrdienst kann bei einem volljährigen Kind für sich genommen keinen Kindergeldanspruch begründen. Gleichwohl kann während der Zeit des Wehrdienstes ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, wenn das Kind einen der gesetzlichen Berücksichtigungstatbestände erfüllt, also z. B. während des Wehrdienstes für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dabei ist es unschädlich, wenn das Kind nach Abschluss der Grundausbildung im Rahmen des Freiwilligen Wehrdienstes Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad ausübt. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Das war geschehen
Der Sohn absolvierte nach seinem Abitur einen zehn Monate dauernden Freiwilligen Wehrdienst. Die Familienkasse bewilligte dem Vater für die Übergangszeit zwischen Abitur und Grundausbildung sowie für die Zeit der Grundausbildung Kindergeld. Nach der Grundausbildung verrichtete der Sohn Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad, eine weitere Ausbildung bei der Bundeswehr fand nicht statt. Nach dem Ende des Wehrdienstes studierte er an einer zivilen Hochschule. Den Entschluss dazu hatte er während des Wehrdienstes gefasst.
Die Familienkasse versagte für die Zeit nach Beendigung der Grundausbildung bis zum Beginn des Studiums die Festsetzung von Kindergeld. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Vater Klage vor dem Finanzgericht (FG) Bremen. Da das FG die Revision zugelassen hatte und diese auch eingelegt wurde, musste nun der BFH entscheiden.
Beachten Sie | Der Freiwillige Wehrdienst gehört – anders als ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr – nicht zu den im Einkommensteuergesetz (hier: § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG) genannten Berücksichtigungstatbeständen, die schon für sich genommen einen Kindergeldanspruch begründen können.
Bundesfinanzhof: Kindergeldanspruch bestand
Dennoch entschied der BFH, dass auch nach dem Ende der Grundausbildung und trotz einer Erwerbstätigkeit des Kindes als Soldat mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden ein Kindergeldanspruch bestehen kann, wenn das Kind (wie im Streitfall) eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.
Beachten Sie | Die drei Monate dauernde Grundausbildung war zwar Teil einer Ausbildung zum Offizier oder Unteroffizier. Ihre Beendigung führte jedoch nicht zu einem für den weiteren Kindergeldbezug ggf. schädlichen Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung (i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG).
Es kam auf den Zeitpunkt des Entschlusses an
Für einen Monat wies der BFH die Revision jedoch zurück, weil sich der Entschluss des Sohnes, sich um einen Studienplatz zu bemühen, erst im Folgemonat objektiviert hatte. Der bloße Vortrag des Kindergeldberechtigten und des Kindes, der Entschluss zu einer Ausbildung oder zu einem Studium sei früher gefasst worden, ist für die Begründung des Anspruchs nicht ausreichend.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.2.2025, III R 43/22, PM 28/2025 vom 2.5.2025
| Ab Mai 2025 setzen vier Pilotfinanzämter (Brühl, Bielefeld-Außenstadt, Hamm und Lübbecke) des Landes Nordrhein-Westfalen erstmals ein KI-Modul zur Unterstützung der Steuerveranlagung ein. Das Ziel: Steuererklärungen sollen effizienter, schneller und treffsicherer bearbeitet werden.
Das neue KI-Modul ergänzt das bewährte Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung. Es erkennt Muster in den Steuerdaten und kann gut nachvollziehbare Fälle mit geringem Prüfbedarf gezielt identifizieren. Diese werden automatisiert verarbeitet – und damit schneller abgeschlossen.
Gestartet wird mit Arbeitnehmerfällen (also Steuererklärungen mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalerträgen, Vorsorgeaufwendungen, Sonderausgaben, haushaltsnahen Dienstleistungen und ähnlichen Bereichen). Die Ausweitung auf weitere Fallkonstellationen ist bereits in Planung.
Nordrhein-Westfalen übernimmt die Vorreiterrolle. Nach erfolgreichem Testlauf ist die landesweite Einführung geplant.
Quelle | FinMin NRW, Mitteilung vom 22.4.2025
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der auf Dienstreisen seinen privaten Pkw einsetzt, die tatsächlichen Kosten für jeden gefahrenen Kilometer auch dann ansetzen kann (im Streitfall: 2,28 Euro/km für einen Sportwagen), wenn er von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt bekommt, den er grundsätzlich für dienstliche und private Fahrten nutzen kann. |
Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall jedoch den Nachweis erbringen, dass er das Privatfahrzeug tatsächlich beruflich eingesetzt hat. Eine Angemessenheitsprüfung dem Grunde nach (hier: berufliche Nutzung eines privaten Fahrzeugs durch einen Arbeitnehmer, dem von seinem Arbeitgeber ein Geschäftsfahrzeug überlassen wurde) findet nicht statt.
Beachten Sie | Das Finanzamt will diese Entscheidung aber nicht akzeptieren und hat Revision eingelegt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.9.2024, 9 K 183/23, Rev. BFH: VI R 30/24
| Kinderbetreuungskosten sind als Sonderausgaben abzugsfähig. Bei Aufwendungen für Unterricht, für die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen ist ein Sonderausgabenabzug allerdings gesetzlich ausgeschlossen. Mit dem Abzugsverbot hat sich nun der Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt. |
Hintergrund: Kinderbetreuungskosten können nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) als Sonderausgaben steuerlich absetzbar sein. Folgende Aspekte sind hier zu beachten:
- Abzug von 80 % der Betreuungsleistungen, maximal 4.800 Euro pro Jahr.
- Der Abzug ist zulässig für haushaltszugehörige Kinder unter 14 Jahren (oder aufgrund Behinderung, Eintritt vor dem 25. Lebensjahr, Übergangsregel 27. Lebensjahr).
- Grundsätzlicherforderlich: Rechnung und Überweisung.
- Nichtabziehbar: Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen.
Betreuungscharakter muss im Vordergrund stehen
Nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen vor, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbstständigten Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichts- oder Kurszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen (sprachlichen, musischen, sportlichen) Fähigkeiten in den Hintergrund rückt.
Nicht begünstigteAufwendungen
Entsprechendes gilt für sportliche und andere Freizeitbetätigungen. Nicht begünstigte Aufwendungen für derartige Aktivitäten liegen daher vor, wenn
- die Betätigung organisatorisch, zeitlich und räumlich getrennt von einer Kindertagesstätte, einem Schulhort oder einer ähnlichen Einrichtung stattfindet und
- dabei nicht die altersbedingt erforderliche Betreuung des Kindes, sondern die Aktivität im Vordergrund steht.
Quelle | BFH, Urteil vom 23.1.2025, III R 33/24 (III R 50/17)
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen hat die Stadt Marburg dazu verpflichtet, einer Studentin einen Bewohnerparkausweis zu erteilen, die ein in Tschechien zugelassenes Fahrzeug nutzt. |
Kfz in Tschechien zugelassen
Die Klägerin wohnt in einem Bewohnerparkgebiet der Beklagten. Sie nutzt ein Kraftfahrzeug ihres Vaters, der tschechischer Staatsangehöriger ist und das Fahrzeug in Tschechien zugelassen hat. Im Frühjahr 2024 beantragte sie bei der Stadt Marburg, ihr einen Bewohnerparkausweises zu erteilen. Dies lehnte die Stadt mit der Begründung ab, dass sie Bewohnerparkausweise für Fahrzeuge mit ausländischer Zulassung nicht erteilen könne. Im Rahmen des Klageverfahrens argumentierte die Stadt weiter, dass eine ausländische Zulassung gegen eine dauerhafte Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin spreche, weil ein im Ausland zugelassenes Kraftfahrzeug nur vorübergehend am Verkehr in Deutschland teilnehmen dürfe.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG bejahte hingegen den Anspruch der Studentin auf einen Bewohnerparkausweis. Bei der Klägerin handele es sich um eine Anwohnerin, die das betroffene Fahrzeug nachweislich dauerhaft nutze.
Gegen eine dauerhafte Nutzung spreche insbesondere nicht, dass Kraftfahrzeuge mit ausländischer Zulassung nur vorübergehend am Straßenverkehr in Deutschland teilnehmen dürfen. Es sei bereits nicht klar, ob das von der Klägerin genutzte Fahrzeug diese Voraussetzungen erfülle. Die Klägerin gab nämlich an, dass sie das Fahrzeug während der Semesterferien nicht in Deutschland nutze. Diese Prüfung obliege der Zulassungsbehörde, die je nach Einzelfall eine Untersagung des Betriebs im öffentlichen Straßenverkehr ohne deutsche Zulassung aussprechen könne.
Die Versagung eines Bewohnerparkausweises für im Ausland zugelassene Fahrzeuge entspreche nicht dem Zweck der Vorschriften. Ein Bewohnerparkgebiet diene dem Anwohnerinteresse, in innerstädtischen Wohnstraßen eine Abstellmöglichkeit für ein (dauerhaft) genutztes Kraftfahrzeug zu finden.
Quelle | VG Gießen, Urteil vom 13.11.2024, 6 K 2830/24.GI, PM vom 19.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Ein zur Nichtigkeit der entsprechenden Vereinbarung führender Verstoß gegen den im Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 656 d BGB) geregelten Grundsatz der hälftigen Teilung des Maklerlohns liegt vor, wenn ein Makler allein für den Verkäufer einer Immobilie tätig geworden ist und der Käufer zur Zahlung des vollen Honorars an den Makler verpflichtet wird. |
Das war geschehen
Die Kläger erwarben ein mit einer Doppelhaushälfte bebautesGrundstück. Mit der Vermittlung des Verkaufs hatte die Verkäuferin das beklagte Maklerunternehmen beauftragt. Für die Vermittlung der Immobilie entstand zugunsten der Beklagten gegenüber der Verkäuferin ein Maklerlohnanspruch in Höhe von 25.000 Euro. Der im Exposé zunächst vorgesehene Kaufpreis wurde um einen Betrag in dieser Höhe reduziert. Zugleich verpflichteten sich die Kläger gegenüber der Beklagten zur Zahlung eines Honorars in gleicher Höhe, das sie nach notarieller Beurkundung des Kaufvertrags bezahlten. Eine Maklerlohnzahlung durch die Verkäuferin erfolgte nicht. Die Kläger verlangten die Rückzahlung des geleisteten Betrags.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: § 656 d BGB ist nicht nur auf Vereinbarungen der Parteien des Kaufvertrags über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus untereinander anwendbar, sondern erfasst jegliche Art einer vertraglichen Vereinbarung, durch die unmittelbar oder mittelbar ein Anspruch des Maklers auf Zahlung oder Erstattung von Maklerlohn gegenüber der Partei des Kaufvertrags begründet wird, die nicht Partei des Maklervertrags ist. Umfasst sind daher auch alle auf eine Verpflichtung zur Zahlung oder Erstattung des Maklerlohns gerichteten Vereinbarungen des Maklers mit der Partei des Kaufvertrags, die nicht Partei des Maklervertrags ist.
Der Anwendbarkeit des § 656 d BGB steht es deshalb auch nicht entgegen, dass die Verkäuferin der Immobilie von der Pflicht, den vereinbarten Maklerlohn zu entrichten, gegenüber der Beklagten nicht entbunden war. Da die Käufer im Innenverhältnis zur Verkäuferin verpflichtet waren, den Maklerlohn in voller Höhe zu bezahlen, blieb die Verkäuferin als die Partei, die den Maklervertrag abgeschlossen hat, nicht zur Zahlung des Maklerlohns mindestens in gleicher Höhe verpflichtet.
Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung
Der Verstoß gegen § 656 d BGB führt zur Gesamtnichtigkeit einer entsprechenden Vereinbarung. Die Kläger können von der Beklagten die Rückzahlung des Maklerlohns in voller Höhe verlangen.
Quelle | BGH, Urteil vom 6.3.2025, I ZR 138/24, PM 45/25
| Eine 77-jährige Frau, die über einer Supermarktfiliale wohnt, tätigte dort ihre Einkäufe bis zu einem Hausverbot Anfang des Jahres 2024 durch die Filialleitung. Sie behauptet, das Hausverbot sei nach einer Beschwerde ihrerseits ohne ersichtlichen Grund erteilt worden. Sie sei gesundheitlich stark eingeschränkt und nicht in der Lage, längere Strecken zurückzulegen und daher auf die Filiale angewiesen. Ohne ein Betreten des Supermarkts sei ihr eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verwehrt. Das Amtsgericht (AG) München wies ihre Klage ab. |
Wiederholtes Fehlverhalten
Die Filialleitung begründete das Hausverbot mit wiederholtem Fehlverhalten. Die Münchnerin habe Kunden beim Betreten des Markts von ihrer Wohnung aus beschimpft, habe das Geschäft regelmäßig ohne Einkaufsabsicht aufgesucht, Mitarbeiter in Gespräche verwickelt und diese von der Arbeit abgehalten. Sie habe sich zudem immer wieder an der Frischetheke des Markts Ware aufschneiden lassen und diese dann, anstatt zu kaufen, im Laden abgelegt.
Da der Supermarkt sich weigerte, das Hausverbot zurückzunehmen, verklagte sie den Betreiber vor dem AG auf Gewährung des Zutritts zum Supermarkt – ohne Erfolg.
Hausrecht deckt Hausverbot
Der Beklagte ist als Betreiber des Supermarkts aufgrund seines Hausrechts grundsätzlich berechtigt, Kunden selbst ohne sachlichen Grund ein Hausverbot zu erteilen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein Fehlverhalten der Klägerin vorlag.
Dem Betreiber einer Einrichtung, die erhebliche Bedeutung für das gesellschaftliche und kulturelle Leben hat, wird eine besondere rechtliche Verantwortung zugewiesen, die es ihm verbietet, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund auszuschließen. Entgegen der Auffassung der Klägerin entscheidet die Verweigerung des Zutritts für sie nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Ein Supermarkt dient der Daseinsvorsorge in Form von Einkäufen des täglichen Bedarfs, insbesondere an Lebensmitteln, nicht der sozialen Interaktion oder des kulturellen Austauschs.
Klägerin konnte auf konkurrierenden Supermarkt ausweichen
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Monopolstellung oder sonstige strukturelle Überlegenheit des Beklagten vorliegt, die dazu führt, dass bestimmte Personen nicht ohne sachlichen Grund ausgeschlossen werden könnten. Eine solche Monopolstellung des Markts des Beklagten für die tägliche Daseinsvorsorge ist im konkreten Fall nicht gegeben. Der Beklagte hat unbestritten ausgeführt, dass in fußläufiger Entfernung (ab 500 Metern) weitere Supermärkte vorhanden sind, die somit auch für betagtere Kunden problemlos zu erreichen sind.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 11.10.2024, 142 C 18533/24, PM 12/25
| Legt beim Gebrauchtwagenkauf der Verkäufer den Fahrzeugbrief vor, kann sich der Käufer normalerweise darauf verlassen, dass er es auch tatsächlich mit dem Eigentümer und nicht mit einem Betrüger zu tun hat. Dieses Vertrauen kann aber erschüttert sein, wenn die Umstände des Verkaufs trotzdem Verdacht erregen müssen. Dann muss der Käufer im Betrugsfall das Fahrzeug dem wahren Eigentümer zurückgeben und bleibt auf dem gezahlten Kaufpreis als Schaden sitzen. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal (Pfalz) entschieden. Es hat die Klage eines Autokäufers abgewiesen, der auf einen Betrüger hereingefallen war. |
Autokäufer war auf Betrüger hereingefallen
Der Käufer hatte den PKW von einem Betrüger für mehr als 35.000 Euro erworben. Kurze Zeit nach dem Kauf beschlagnahmte die Polizei das Fahrzeug und gab es dem ursprünglichen Eigentümer zurück. Dieser verkaufte es anschließend für knapp 49.000 Euro weiter.
Den Kaufpreis reklamierte der betrogene Käufer für sich. Er sei trotz des Betrugs Eigentümer des Fahrzeugs geworden. Er sei im Internet auf das Fahrzeug gestoßen und habe sich im Saarland zur Besichtigung verabredet. Auf dem Weg dorthin habe er die Mitteilung erhalten, dass das Kind des Verkäufers einen Treppensturz erlitten habe und in einem Krankenhaus in Frankreich liege. Dorthin sei er nun umgeleitet worden, wo der Kauf auf dem Parkplatz durch Barzahlung auch abgewickelt worden sei. Der Betrüger habe einen vermeintlich echten Fahrzeugbrief und einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt. Er habe deshalb daran glauben dürfen, dass das Fahrzeug diesem auch gehört habe.
Umstände des Kaufs waren dubios, Zweifel daher angebracht
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Der Käufer habe trotz Vorlage des scheinbar echten Fahrzeugbriefs grob fahrlässig gehandelt und das Fahrzeug daher nicht gutgläubig erworben. Denn die Umstände des Verkaufs hätten beim Käufer Zweifel erregen müssen, dass er den wahren Eigentümer vor sich hatte. So habe dieser einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt, obwohl sein im Kaufvertrag genannter Wohnsitz Frankenthal gewesen sei und das Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen zugelassen war.
Kurzfristige Verlegung der Übergabe ins Ausland
Auffällig sei ferner, dass der Verkäufer ursprünglich als Treffpunkt das vom angegebenen Wohnort abweichende Dillingen/Saar genannt habe. Typisch für unlautere Automobilgeschäfte sei auch das Bargeschäft und die kurzfristige telefonische Verlegung des Verkaufsorts an einen fremden und noch dazu im Ausland befindlichen Ort. Nach alledem könne der Käufer dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entgehen und habe den Schaden selbst zu tragen, so der Richter.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 3.4.2025, 3 O 388/24, PM vom 22.5.2025
| Das Amtsgericht (AG) Berlin-Charlottenburg hat entschieden: Hatte der frühere Vermieter die Hundehaltung erlaubt, kann der in das Mietverhältnis eingetretene Vermieter diese Gestattung nur aus wichtigem Grund widerrufen. Dies gilt, auch wenn es sich um einen Kampfhund handeln sollte. Dass sich Mitmieter aufgrund der Größe und Kraft eines solchen Hundes subjektiv bedroht fühlen, reicht für den Widerruf nicht aus. |
Vorheriger Vermieter hatte Hundehaltung gestattet, neuer Vermieter widerrief Erlaubnis
Die Parteien eines Mietvertrags über ein möbliertes Apartment stritten um die Räumung und Herausgabe einer Wohnung. Der Kläger, der aktuelle Vermieter, war nachträglich in das Mietverhältnis eingetreten. Der beklagte Mieter hält einen Hund, was ihm ausdrücklich vom früheren Vermieter erlaubt worden war.
Der Kläger hat die Erlaubnis zur Hundehaltung im Juni 2023 widerrufen und die Haltung eines Kampfhundes untersagt. Der Beklagte sollte seinen Hund bis Ende Juni 2023 entfernen. Noch im Juni mahnte der Kläger den Beklagten wegen nicht gestatteter Tierhaltung ab. Anfang August 2023 kündigte der Kläger das Mietverhältnis ordentlich zum 30.11.2023 und begründete dies mit der weiteren Haltung eines Kampfhundes sowie des Einsetzens des Hundes als Druck- und Nötigungsmittel.
Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung
Der Kläger behauptete, bei dem vom Beklagten gehaltenen Tier würde es sich um einen Kampfhund handeln. Der Beklagte würde dieses Tier gegenüber Nachbarn im Objekt als Druck- und Nötigungsmittel einsetzen, um Vorrang auf Wegen oder im Treppenhaus zu erzwingen. Mehr als ein anderer Bewohner im Objekt habe Angst vor dem Hund, die wollten aber nicht namentlich genannt werden. Er verklagte den Mieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Der Mieter behauptete hingegen, es handele sich nicht um einen „Listenhund“, sondern um eine Mischung aus Old-English-Bulldog und Weimeraner. Er reichte dazu zwei Fotos sowie eine tierärztliche Bescheinigung und weitere Unterlagen ein.
So entschied das Amtsgericht
Der Vermieter kann das Mietverhältnis nur aus berechtigtem Interesse kündigen. Das ist z. B. der Fall, wenn der Mieter vertragliche Pflichten erheblich verletzt, indem er z. B. ein Tier trotz Abmahnung weiter hält.
Im Fall des AG war es aber anders: Der ursprüngliche Vermieter hatte die Hundehaltung erlaubt. Der – große und kräftige – Hund, war– ohne Maulkorb – stets an der Leine geführt worden. Beißvorfälle oder -versuche oder Bedrohungen von Nachbarn mit dem Hund konnten nicht bewiesen werden. Ein – subjektives – Bedrohtfühlen genügt nicht, um die Erlaubnis zu widerrufen.
Quelle | AG Charlottenburg, Urteil vom 30.5.2024, 218 C 243/23
| Ein Streit um einen Erbschein hat kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Eine Erbin hatte falsche Angaben gemacht – mit unangenehmen Folgen. |
Wahrheitswidrige Angaben zum Testament
Eine Frau hatte nach dem Tod ihrer Mutter einen Erbschein beantragt, um als Alleinerbin ausgewiesen zu werden. Sie berief sich dabei auf ein Testament, machte aber falsche Angaben: Sie versicherte eidesstattlich, dass das Testament von der Verstorbenen eigenhändig verfasst worden sei. In Wirklichkeit hatte jedoch die Tochter das Testament geschrieben und die Mutter nur ihre Unterschrift darunter gesetzt.
Testament muss eigenhändig geschrieben sein
Die falschen Angaben betrafen einen entscheidenden Punkt: Ein Testament muss eigenhändig geschrieben oder von einem Notar beurkundet werden. Eigenhändig heißt, dass der Erblasser es komplett selbst und von Hand niederschreiben muss. Die bloße Unterschrift der Mutter reichte deshalb nicht aus – das Testament war unwirksam. Statt des Testaments galt die gesetzliche Erbfolge, das heißt: Die Antragstellerin musste sich das Erbe mit ihren Geschwistern teilen.
Streit um Anwaltskosten
Im Erbscheinverfahren vor dem Amtsgericht (AG) wurden die falschen Angaben aufgeklärt. Der Streit war damit aber nicht erledigt. Denn die Geschwister hatten Anwälte beauftragt, um gegen den unberechtigten Antrag vorzugehen. Zwei Schwestern verlangten die Erstattung der angefallenen Anwaltskosten. Das OLG gab ihnen nun Recht.
Mögliche strafrechtliche Konsequenzen
Für die unterlegene Schwester hat dies nicht nur finanzielle Folgen: Die Akten werden nun der Staatsanwaltschaft übergeben, denn eine falsche eidesstattliche Versicherung ist strafbar. Das OLG sah einen entsprechenden Anfangsverdacht; bis zu einer möglichen Entscheidung im Strafverfahren gilt für die Betroffene die Unschuldsvermutung.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 9.1.2025, 6 W 156/24, PM vom 20.2.2025
| Das Zerreißen eines Testaments durch den Erblasser ist eine Widerrufshandlung. Es wird gesetzlich vermutet, dass dieser Widerrufshandlung eine Widerrufsabsicht zugrunde lag. Die Aufbewahrung des zerrissenen Testaments im Schließfach widerlegt diese Vermutung nicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die Beschwerde des in dem zerrissenen Testament Begünstigten gegen einen auf Basis gesetzlicher Erbfolge erteilten Erbschein zurückgewiesen. |
Testament zerrissen, aber aufbewahrt
Der Erblasser war mit seiner Frau in letzter Ehe kinderlos verheiratet. Nach seinem Versterben beantragte die Frau einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Das Nachlassgericht erteilte den Erbschein, der die Frau neben der Mutter des Erblassers als Erben auswies. Zwei Monate später öffneten die Frau und ein Vertreter der Mutter des Erblassers das Schließfach des Erblassers. Dort befand sich ein handschriftliches Testament, das eine andere Person begünstigte. Es war längs in der Mitte durchgerissen. Das Nachlassgericht hat den Antrag des Begünstigten abgelehnt, den bereits erteilten Erbschein im Hinblick auf das nun aufgefundene, zerrissene Testament einzuziehen.
Widerruf durch schlüssige Handlung
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das Nachlassgericht habe die Einziehung des Erbscheins zu Recht abgelehnt, da dieser nicht unrichtig geworden sei. Der Begünstigte sei nichttestamentarischer Erbe geworden. Der Erblasser habe das den Begünstigten alsErben einsetzende Testament durch schlüssige Handlung widerrufen.
Durch das Zerreißen des Testaments in der Mitte habe derErblasser das Testament vernichtet. Es liege insoweit eine Widerrufshandlungvor. Das Testament sei unzweifelhaft auch „nicht durch äußere Einflüsse „anderweitig“ in zwei Teile geraten“. Dafür spreche, dass das Papier mittig, aber nicht vollständig gerade getrennt worden sei. Die Trennränder seien zudem nicht glatt. Anhaltspunkte für ein – ggf. sachverständig aufzuklärendes – anderweitiges Trennen des Schriftstücks in zwei Teile lägen nicht vor. Es sei auch davon auszugehen, dass der Erblasser selbst das Testament zerrissen habe, da nur er Zugang zum Bankschließfach gehabt habe. Nach den Angaben der bei Öffnung des Schließfachs Anwesenden bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Testament beim Öffnen oder Schließen des Schließfachs versehentlich von einer dritten Person zerrissen worden sei.
Gesetzliche Vermutung nicht widerlegt
Es werde gesetzlich vermutet, dass diese Widerrufshandlung mit Widerrufsabsicht erfolgte. Indizien, die diese Vermutung widerlegen würden, seien nicht erkennbar. Warum der Erblasser das zerstörte Testament im Schließfach aufbewahrte, sei zwar nicht nachvollziehbar. Dies allein genüge aber nicht zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung. Der Erblasser habe ausweislich der dokumentierten 31 Öffnungen des Schließfachs dieses offensichtlich nicht ausschließlich zur Aufbewahrung eines ungültigenTestaments angemietet.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.4.2025, 21 W 26/25, PM 26/25
| Das Landgericht (LG) Berlin II hat eine Energieberatungsfirma zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von rund 6.000 Euro wegen einer Falschberatung verurteilt. Aufgrund der Falschberatung habe der Kläger – ein Verbraucher – Fenster und Dachfenster mit zu hohen Wärmedurchgangskoeffizienten einbauen lassen, die daher nicht förderfähig seien. |
Förderleistungen beantragt – Bundesamt lehnt ab
Der Kläger hatte die Beklagte mit der Energieberatung für die energetische Sanierung seines Einfamilienhauses beauftragt. In Zusammenarbeit mit der Beklagten beantragte er beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Förderleistungen gemäß der Richtlinie der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG-Richtlinie) und erhielt einen entsprechenden Zuwendungsbescheid. Anschließend holte er Angebote für die Sanierungsmaßnahmen ein und schickte sie der Beklagten, die diese nicht beanstandete.
Für den Verwendungsnachweis der Fördermittel gab der Kläger in Absprache mit der Beklagten die Wärmedurchgangskoeffizienten an, die mit den verbauten Dämmmaterialien an der Gebäudehülle erreicht werden konnten – für das Dach und die Geschossdecke einen Koeffizienten von 0,2, für die Fenster von 1,1 und für die Dachflächenfenster von 1,3. Das Bundesamt teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die technischen Mindestanforderungen bei der Sanierung nicht erreicht seien und hob den Förderbescheid teilweise auf. Die BEG-Richtlinie fordert Koeffizienten an Dachgebilden von 0,14 und an Fenstern von 0,95 bzw. 1,0 bei Dachflächenfenstern.
Energieberater muss Förderleistung zahlen
Das Gericht sprach dem Kläger nun Schadenersatz in Höhe der eigentlich zu gewährenden Förderungssumme zu. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur fachlich zutreffenden Beratung verletzt. Sie hätte insbesondere die vom Kläger vorgelegten Angebote auf ihre Förderungsfähigkeit prüfen müssen.
Der Verweis der Beklagten, der Kläger hätte sich selbst über die förderungsrelevanten Wärmedurchgangskoeffizienten informieren können, führe ihr Leistungsangebot ad absurdum. Es sei gerade ihre Hauptleistungspflicht, einen Verbraucher und Laien über die Richtlinien und Richtwerte fachlich zu beraten. Darüber hinaus habe die Beklagte den Kläger falsch beraten, weil sie selbst von falschen Werten ausgegangen sei. Rechtsirrig habe sie in E-Mails an den Kläger auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und nicht auf die Werte der BEG-Richtlinie verwiesen. Die Beratung sei auch deshalb unzureichend und fehlerhaft gewesen.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23, PM 3/25
| Bei einer mehr als unerheblichen Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks scheidet die Annahme eines faktischen Kerngebiets aus, also als Gebiet, das vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Stadt versagte Nutzung eines Gebäudes als Spielhalle
Die Klägerin begehrt einen Bauvorbescheid für die Nutzung eines Geschäftsgebäudes in der Innenstadt der Beklagten als Spielhalle. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, der Widerspruch blieb erfolglos.
Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht sahen das anders
Das Verwaltungsgericht (VG) gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) zurück. Das Vorhaben sei als Vergnügungsstätte zulässig. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Kerngebiet i. S. d. Baunutzungverordnung (hier: § 7 BauNVO). Die nicht unerhebliche, aber noch untergeordnete Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks stehe dieser Einordnung nicht entgegen, obwohl sie im vorhandenen Umfang nur aufgrund von Festsetzungen in einem Bebauungsplan zulässig wäre.
Bundesverwaltungsgericht rügte mangelnde Tatsachenfeststellung
Das BVerwG hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Auffassung des OVG, dass ein faktisches Kerngebiet auch bei einer nicht unerheblichen Wohnnutzung vorliegt, steht mit der Regelungssystematik der Baunutzungsverordnung nicht in Einklang. Die Verweisung in § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB auf die §§ 2 ff. BauNVO findet dort eine Grenze, wo die Baunutzungsverordnung eine planerische Entscheidung der Gemeinde vorsieht. Der Verordnungsgeber hat die Entscheidung darüber, ob die sonstige Wohnnutzung in einem Kerngebiet über Ausnahmen hinausgehen darf, der Gemeinde überlassen. Ihr Spielraum darf bei der Einordnung als faktisches Kerngebiet nicht übergangen werden. Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen konnte das BVerwG nicht abschließend entscheiden.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 20.5.2025, 4 C 2.24, PM 37/25
| Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf der Grundlage von über 2.300 geleisteten Mehrarbeitsstunden im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer für mehrere Monate frei, muss er ihm in diesen Monaten das Entgelt nach dem Lohnausfallprinzip zahlen, also das Entgelt, das zu zahlen gewesen wäre, wenn der Arbeitnehmer in diesen Monaten gearbeitet hätte. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |
Das LAG: Nichts anderes ergibt sich, wenn die unstreitige Mehrarbeit vor 20 Jahren geleistet worden war, also in einem Zeitraum, für den die Parteien ein viel geringeres Bruttomonatsentgelt vereinbart hatten.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 23.8.2024, 6 Sa 663/23
| Ein Bewerber um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugdienst kann verlangen, nicht wegen eines genetisch bedingten erhöhten Thromboserisikos vom Bewerbungsverfahren der Bundespolizei ausgeschlossen zu werden. Bei der beim Kläger diagnostizierten sog. Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich um einen angeborenen Gendefekt, bei dem es zu Störungen der Blutgerinnung kommt und der mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergeht. Die Entscheidung der Bundespolizeiakademie, die Bewerbung des Klägers um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst im Jahr 2023 aufgrund fehlender gesundheitlicher Eignung nicht zu berücksichtigen, hatte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Aachen keinen Bestand. Über die Bewerbung des Klägers muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden werden. |
Geringe Risiken
Zur Begründung hat das VG ausgeführt, dass es bereits in erheblichem Maße zweifelhaft ist, ob hinreichende sachliche Gründe für den Ausschluss von Beamten mit einem solchen Gendefekt bestehen. Denn das durch eine solche Mutation bedingte Thromboserisiko ist verhältnismäßig gering. In der beim Kläger vorliegenden Form ist es zwar gegenüber gesunden Menschen erhöht, entspricht jedoch ungefähr dem Thromboserisiko durch die Einnahme der Antibabypille bei Frauen und damit einem Risiko, das der Dienstherr als hinnehmbar ansieht.
Ergebnisse der genetischen Untersuchung durften nicht mitgeteilt werden
Unabhängig davon durfte der Gendefekt nicht zulasten des Klägers im Einstellungsverfahren berücksichtigt werden, weil er aufgrund einer genetischen Untersuchung diagnostiziert wurde. Die Mitteilung des diesbezüglichen Ergebnisses durfte die Bundespolizei aus Rechtsgründen nicht verlangen.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 10.3.2025, 1 K 1304/23, PM vom 10.3.2025
| Die Verwendung eines abstrakt gefährlichen Gegenstands – hier eines Klappmessers – zu einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch – hier Reparaturversuch an einer Uhr – läuft den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider und steht deshalb der Anerkennung eines Unfallereignisses als Dienstunfall entgegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Mit dem Messer versucht, Klemmfeder zu richten
Der mittlerweile pensionierte Kläger war Polizeivollzugsbeamter im saarländischen Landesdienst. Im April 2019 erstattete er bei seiner Dienststelle eine Dienstunfallanzeige. Danach habe er zu Dienstbeginn festgestellt, dass die sonst über der Tür hängende Wanduhr auf der Fensterbank gelegen habe. Es sei ihm aufgefallen, dass die Batterie der Uhr unsachgemäß im Batteriefach gesteckt habe und die Klemmfeder verbogen gewesen sei. Er habe mit seinem Klappmesser die verbogene Feder wieder richten wollen. Hierbei sei das Messer zugeschnappt und er habe sich einen tiefen Schnitt am kleinen Finger der rechten Hand zugezogen.
Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls
Sein Antrag auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall ist behördlich und in den beiden gerichtlichen Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwiderlaufe, wenn ein Beamter sich ohne Not einem Verletzungsrisiko durch Hantieren mit einem privaten, abstrakt gefährlichen Gegenstand aussetze, dessen Funktionstauglichkeit der Dienstherr nicht prüfen könne.
Keine dienstliche Aufgabe
Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall. Zwar hat sich der Unfall in einem Dienstgebäude zur Dienstzeit ereignet und ist damit grundsätzlich als „in Ausübung des Dienstes eingetreten“ vom Dienstunfallschutz erfasst. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Reparatur der Uhr nicht zu den dienstlichen Aufgaben des Klägers als Polizeibeamter gehörte. Dienstunfallschutz wird jedoch nicht gewährt, wenn dieTätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft. Das ist hier der Fall.
Entgegen den Interessen des Dienstherrn
Dabei kann dahinstehen, ob es sich um ein Einhandmesser im Sinne des Waffengesetzes handelte und das Führen des Messers bereits deshalb verboten war. Jedenfalls lief die Benutzung dieses Messers zum Zweck einer Uhrreparatur den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider. Das verwendete Messer ist ein abstrakt gefährlicher Gegenstand, der für den Zweck der Reparatur ersichtlich nicht bestimmt und nicht geeignet war.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 13.3.2025, 2 C 8.24, PM 16/25
| Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellt den Arbeitnehmer trotz dessen Beschäftigungsanspruchs von der Arbeit frei, unterlässt der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig in Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 615 S. 2 BGB) anderweitigen Verdienst, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis eingeht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Das war geschehen
Der Kläger war seit November 2019 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Senior Consultant gegen eine monatliche Vergütung von 6.440 Euro brutto. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.3.2023 ordentlich zum 30.6.2023 und stellte den Kläger unter Einbringung von Resturlaub unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht (ArbG) am 29.6.2023 statt, die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) am 11.6.2024 zurückgewiesen.
Arbeitgeber schlug Stellenangebote vor
Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Kläger Anfang April 2023 arbeitssuchend und erhielt von der Agentur für Arbeit erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge. Die Beklagte übersandte ihm hingegen schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote, die nach ihrer Einschätzung für den Kläger in Betracht gekommen wären.
Arbeitnehmer bewarb sich – aber erst zum Beschäftigungsende
Auf sieben davon bewarb sich der Kläger, allerdings erst ab Ende Juni 2023. Nachdem die Beklagte dem Kläger für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, hat er diese mit einer Klage geltend gemacht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewendet, der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bei der Beklagten bezogenen Gehalts anrechnen lassen.
Arbeitgeber war durch einseitige Freistellung im Annahmeverzug
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) ihr stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Beklagte befand sich aufgrund der von ihr einseitig erklärten Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug und schuldet dem Kläger (nach § 615 S. 1 BGB iVm. § 611 a Abs. 2 BGB) die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss sich der Kläger nicht (nach § 615 S. 2 BGB) anrechnen lassen. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil ist nur gerechtfertigt, wenn dieser wider Treu und Glauben (nach § 242 BGB) untätig geblieben ist. Weil § 615 S. 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend hiervon bestand für ihn keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Beklagten ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.
Quelle | BAG, Urteil vom 12.0.2025, 5 AZR 127/24, PM 6/2
| Mit dem vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) wurden die Aufzeichnungspflichten für Verrechnungspreiszwecke in der Abgabenordnung (hier: § 90 Abs. 3 und Abs. 4 AO) angepasst. Ein neuer Bestandteil ist die Transaktionsmatrix. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat hierzu nun Stellung bezogen. |
Transaktionsmatrix: Tabelle mit vorgegebenen Elementen
Die Transaktionsmatrix ist eine tabellarische Übersicht, die relevante Informationen zu grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen des Steuerpflichtigen mit nahestehenden Personen und Betriebsstätten enthält.
Das BMF führt auf, was in der Transaktionsmatrix anzugeben ist:
- Gegenstand und Art der Geschäftsvorfälle (z. B. Warenlieferung und Dauersachverhalt),
- an den Geschäftsvorfällen Beteiligte unter Kennzeichnung von Leistungsempfänger und Leistungserbringer,
- Volumen und Entgelt (in EUR) der Geschäftsvorfälle (z. B. Darlehensvolumen und Zins oder Entgelt für eine Warenlieferung oder Dienstleistung),
- vertragliche Grundlage (Benennung der Vertragsunterlage),
- angewandte Verrechnungspreismethode (z. B. Kostenaufschlagsmethode oder Preisvergleichsmethode),
- betroffene Steuerhoheitsgebiete und
- Angabe, ob Geschäftsvorfälle nicht der Regelbesteuerung im betreffenden Steuerhoheitsgebiet unterliegen
Zudem sind dem Schreiben als Anlage zwei Beispiele für eine Transaktionsmatrix angefügt. Abweichungen durch den Steuerpflichtigen sind nur unter den im Schreiben genannten (zeitlichen) Voraussetzungen zulässig.
Vorgaben ab 2025
Bei einer Außenprüfung sind ab 2025 (ohne gesondertes Verlangen) innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen: die Stammdokumentation bei Überschreiten der Größenklassen, Aufzeichnungen über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle und die Transaktionsmatrix.
Transaktionsmatrix auch für Vorjahreszeiträume
Da eine Prüfungsanordnung, die im Jahr 2025 ergeht, i. d. R. auch Prüfungszeiträume vor 2025 umfasst, muss eine Transaktionsmatrix in diesen Fällen auch für die Vorjahre erstellt werden. Die 30-Tage-Frist gilt für ein im Jahr 2025 gestelltes Vorlageverlangen hinsichtlich der Transaktionsmatrix, auch wenn die Prüfungsanordnung vor 2025 ergangen ist.
Beachten Sie | Werden keine ertragsteuerlichen Auslandssachverhalte geprüft, sind die o. g. Unterlagen nur auf gesondertes Verlangen vorzulegen.
Quelle | BMF, Schreiben vom 2.4.2025, IV B 3 - S 0225/00019/004/009
| In einem Verfahren vor dem Landgericht (LG) Frankfurt a. M. klagte ein Hersteller u. a. von Mobilfunkgeräten mit Niederlassung in Deutschland gegen ein in der Volksrepublik China ansässiges Unternehmen. Die chinesische Beklagte ist Inhaberin von Patenten, die für mehrere Mobilfunkstandards essenziell sind. Sie hat sich dazu verpflichtet, Lizenzen für diese Patente zu fairen Bedingungen zu erteilen. Die Klägerin wollte mit ihrer Klage erreichen, dass die chinesische Beklagte ihr Mobilfunklizenzen zu bestimmten Konditionen gewährt. |
Beschleunigung des Verfahrens
Zur Durchführung des Verfahrens bedarf es zunächst der förmlichen Zustellung der Klageschrift. Grundsätzlich wäre die Zustellung im Wege der Rechtshilfe unter Beteiligung chinesischer Stellen am Sitz der Beklagten in der Volksrepublik China vorzunehmen. In Ausnahmefällen kann nach der Zivilprozessordnung (ZPO) jedoch davon abgesehen werden und das Gericht eine öffentliche Zustellung anordnen, etwa wenn die Zustellung im Ausland keinen Erfolg verspricht. Das hat das LG hier für die Zustellung in der Volksrepublik China angenommen. Es hat eine öffentliche Zustellung bewilligt.
Das LG: Das Gebot eines wirkungsvollen Rechtsschutzes erfordert, dass dieser in angemessener Zeit zu erlangen ist. Keinen Erfolg verspricht die Zustellung daher, wenn die Durchführung einen derart langen Zeitraum in Anspruch nehmen würde, dass ein Zuwarten der betreibenden Partei billigerweise nicht zugemutet werden kann. Für die Entscheidung der Frage, ob die Dauer einer Zustellung im Wege der Rechtshilfe nicht mehr zumutbar ist, bedarf es einer Abwägung der beiderseitigen Interessen.
Der übliche Weg dauert zu lange
Die Klägerin, so das LG, habe dargelegt, dass die Auslandszustellung in der Volksrepublik China nicht stets gelingt und auch dann einen Zeitraum von deutlich mehr als einem Jahr in Anspruch nimmt. Nach der Erfahrung anderer deutscher Gerichte, die sich mit der Erfahrung der Kammer deckt, nimmt die Zustellung in der Volksrepublik China einen erheblichen Zeitraum in Anspruch. Bei dieser Sachlage überwiegen die Interessen der Klägerin auf effektiven Rechtsschutz die Interessen der Beklagten im Hinblick auf die Gefährdung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Das LG hat der Klägerin allerdings aufgegeben, die Beklagte auf nicht-förmlichem Weg zu informieren, dass hier in Deutschland die öffentliche Zustellung der Klage erfolgt.
Quelle | LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 15.1.2025, 2-06 O 426/24, PM vom 7.2.2025
| Das Landgericht (LG) München I hat im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass einem Online-Apotheken-Anbieter die Bewerbung der sog. „Abnehmspritze“ gegenüber Endverbrauchern in ihrer konkreten Form untersagt ist. |
Fragebogen ausfüllen, Medikament bekommen?
Eine Apothekenkammer wendete sich in ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dagegen, dass eine in den Niederlanden ansässige Online-Apotheke gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland für Fernbehandlungen mit dem Ziel der Verschreibung von Arzneimitteln zur Gewichtsreduktion/Adipositas wirbt, wobei die Behandlung lediglich in der ärztlichen Überprüfung eines durch den Nutzer auf einer Plattform ausgefüllten Fragebogens besteht. Für die Verschreibung des Medikaments durch die beklagte Online-Apotheke ist hierbei nach der Werbung zur Bestellung lediglich das Ausfüllen eines Fragebogens erforderlich, welcher nach Vortrag der Antragsgegnerin sodann von einem (nicht in Deutschland ansässigen) Arzt vor der Verschreibung überprüft wird.
Zulässige Fernbehandlung?
Die beklagte Apotheke hatte gegen ein Verbot eingewandt, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verspätet sei. Die Antragsstellerin kenne das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin bereits aus einem anderen Verfahren, dessen Gegenstand Medikamente zur Behandlung erektiler Dysfunktion waren. Beworben und umschrieben werde außerdem lediglich eine „Gewichtsverlustbehandlung“; dies lasse keinen zwingenden Schluss auf die Abnehmspritze zu. Dies sei zulässig und verstoße nicht gegen das Heilmittelwerbegesetz. Das Ausfüllen eines Fragebogens, der dann von einem Arzt überprüft werde, sei auch eine zulässige Fernbehandlung unter Verwendung von Kommunikationsmedien, bei der ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich sei.
Landgericht: kein allgemein anerkannter fachlicher Standard
Dem folgte das LG nicht: Die Fernbehandlung von Adipositas mittels Ausfüllens eines Fragebogens entspreche nicht allgemein anerkannten fachlichen Standards. Vielmehr sei vor der Verschreibung einer Abnehmspritze ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen erforderlich. Dies ergebe sich bereits aus den „Warnhinweisen“, die die beklagte Apotheke dem Gericht selbst vorgelegt habe: In diesen werde auf zahlreiche Nebenwirkungen, wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, Hypoglykämie (bei Patienten mit Typ-2-Diabetes) und Schwindel, auf das Risiko der Unterzuckerung und darauf hingewiesen, dass die Behandlung eingestellt werden sollte, wenn man in drei Monaten nach Behandlungsbeginn nicht mindestens 5 % seines Körpergewichts verliere.
Darüber hinaus werde in den von der Beklagten selbst vorgelegten Unterlagen ausgeführt, dass eine regelmäßige Nachsorge und Überwachung während einer Gewichtsreduktion unbedingt erforderlich sei. Gerade diese, von der beklagten Apotheke selbst für erforderlich gehaltene regelmäßige Nachsorge erfordere aber zwingend einen persönlichen ärztlichen Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen, welcher weder von der beklagten Apotheke noch von den verschreibenden Ärzten – schon aufgrund der räumlichen Distanz – geleistet werden könne.
Hinzu komme, dass ausweislich der Patientenleitlinie zur Diagnose und Behandlung der Adipositas der deutschen Adipositasgesellschaft zahlreiche Untersuchungen, u. a. des Bluts und des Urins, nötig seien, um Adipositas zu diagnostizieren und zu behandeln. Dies könne daher gerade nicht im Wege der Fernbehandlung erfolgen.
Werbung für den Absatz von Medikamenten
Es handele sich bei der Werbung der Beklagten ferner nicht um die Werbung für eine Behandlung als solche, wie diese vorgetragen habe, sondern um die Werbung für den Absatz von Medikamenten. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Werbung. Um welche Gruppe von Präparaten es sich hierbei handele, wüssten die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der Kammer gehörten, bereits deshalb, weil „die Abnahmespritze“ in jüngster Zeit starke mediale Aufmerksamkeit erfahren habe.
Quelle | LG München I, Beschluss vom 3.3.2025, 4 HK O 15458/24, PM 3/25
| Wann haben Leiharbeitnehmer beim Entleiher eine erste Tätigkeitsstätte? Zu dieser Frage gibt es neue Entwicklungen bzw. ist ein Verfahren beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig: Liegt bei Leiharbeitnehmern eine dauerhafte Zuordnung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 4 S. 3 Altern. 2 EStG, Zuordnung für die Dauer des Dienstverhältnisses) zu einer ersten Tätigkeitsstätte vor, wenn ein befristetes Beschäftigungsverhältnis zum Personaldienstleister (Verleiher) wiederholt vor Ablauf der Befristung bei unverändertem Vertragsinhalt verlängert wird und jeweils eine Verlängerung der befristeten Zuordnung zu demselben Entleiher bei unverändertem Einsatzort erfolgt? |
Hintergrund: Bei einer ersten Tätigkeitsstätte ist der Arbeitnehmer beim Kostenabzug auf die Entfernungspauschale beschränkt. Handelt es sich allerdings um eine Auswärtstätigkeit, kann er seine Fahrtkosten (ggf. auch Verpflegungsmehraufwand) nach Reisekostengrundsätzen geltend machen, was steuerlich günstiger ist.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.6.2024, 12 K 38/24, Rev. BFH: VI R 2/25
| Für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Baudenkmäler und in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen belegene Gebäude können unter bestimmten Voraussetzungen Abzugsbeträge nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 f EStG) über zehn Jahre wie Sonderausgaben geltend gemacht werden. Verstirbt nun der Steuerpflichtige vor Ablauf des zehnjährigen Abzugszeitraums, kann der Erbe die Abzugsbeträge des Erblassers nicht fortsetzen. Dies entschied das Finanzgericht (FG) Sachsen-Anhalt |
Das gilt selbst dann, wenn der Erbe das Gebäude zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Gegen dieses Urteil des FG Sachsen-Anhalt ist die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig. Bis zu einer Entscheidung des BFH können geeignete Fälle mit einem Einspruch somit offengehalten werden.
Quelle | FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.7.2024, 1 K 903/21; Rev. BFH, X R 23/24
| Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten stellt sich oft die Frage, wem das Besteuerungsrecht zusteht. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei Entscheidungen die Voraussetzungen konkretisiert, die im grenzüberschreitenden Sachverhalt im Anwendungsbereich eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) zu einer ausländischen Betriebsstätte führen. Aus einer solchen Betriebsstätte erzielt der Steuerpflichtige in der Regel Einkünfte, die im Inland steuerfrei sind und nur der ausländischen Besteuerung unterliegen. |
Taxiunternehmen mit Büro in der Schweiz
Ein in Deutschland lebender Taxiunternehmer hatte wegen seiner Mitgliedschaft in einer Schweizerischen Taxifunkzentrale Zugang zu deren Büroraum in der Schweiz. Dieser Raum war mit drei Arbeitsplätzen eingerichtet und stand insgesamt drei Taxiunternehmern zur Verfügung.
Der Taxiunternehmer nutzte den Büroraum (einschließlich eines abschließbaren Standcontainers) für geschäftsleitende Tätigkeiten sowie für die Personalverwaltung seiner angestellten Taxifahrer, die Vorbereitung der laufenden Buchführung, das Rechnungswesen, die Finanzkontrolle sowie die Kontrolle der Einhaltung behördlicher Auflagen.
Der BFH bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg, die Einkünfte des Taxiunternehmers in Deutschland unter Progressionsvorbehalt steuerfrei zu stellen, da in der Schweiz die Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte erfüllt sind.
„Verwurzelung“ mit dem im Ausland belegenen Ort bei Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit
Hierfür ist die „Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem im Ausland belegenen Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit maßgebend. Diese Verwurzelung folgt aus einer Gesamtwürdigung der in Wechselwirkung zueinander stehenden Merkmale der zeitlichen und örtlichen Festigkeit der Geschäftseinrichtung sowie der dauerhaften Verfügungsmacht des Unternehmens über diese Geschäftseinrichtung.
Der persönliche Standcontainer ist insoweit ein Indiz für die dauerhafte Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung (hier: den Büroraum). Darüber hinaus wurden in dem Büroraum nicht nur Hilfstätigkeiten ausgeübt.
Die Haupttätigkeit eines Taxiunternehmers mit mehreren angestellten Taxifahrern erschöpft sich nicht allein im Fahren von Taxis zum Zwecke der Personenbeförderung. Vielmehr gehören hierzu auch die geschäftsleitenden und zentralen unternehmerisch-administrativen Tätigkeiten, die der Taxiunternehmer in dem Büroraum in der Schweiz ausgeübt hat.
Zeitliche Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte
In einem weiteren Verfahren ging es um die zeitlichen Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte. Sowohl für das Innehaben der Geschäftseinrichtung als auch für die unternehmerische Tätigkeit, die in der Geschäftseinrichtung ausgeübt wird, hat der BFH eine Mindestdauer von sechs Monaten festgelegt.
Sechs Monate Mindestdauer ohne Ausnahme
Ein Unternehmen, das nur weniger als sechs Monate existiert, rechtfertigt selbst dann keine Ausnahme, wenn die Tätigkeit dieses Unternehmens vollständig in der ausländischen Geschäftseinrichtung ausgeübt wurde.
Quelle | BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 47/21; BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 39/21; PM 26/25 vom 2.5.2025
| Die gesetzlichen Altersrenten werden im Rahmen der jährlichen Rentenanpassung zum 1.7.2025 um 3,74 % steigen. Der Bundesrat hat einer entsprechenden Verordnung zugestimmt. |
Beachten Sie | Die Rentenanpassung kann dazu führen, dass Rentner erstmals in die Steuerpflicht rutschen und eine Steuererklärung abgeben müssen. Eine Steuerpflicht tritt aber nur ein, wenn der steuerpflichtige Teil der Jahresbruttorente – zuzüglich weiterer Einkünfte (z. B. aus einer Vermietung) und unter Berücksichtigung etwaiger Freibeträge und sonstiger Abzugsbeträge – den steuerlichen Grundfreibetrag übersteigt. Für das Jahr 2024 beträgt der Grundfreibetrag 11.784 Euro pro Jahr, für 2025 sind es 12.096 Euro. Bei einer steuerlichen Zusammenveranlagung von Eheleuten gelten die doppelten Werte.
Quelle | Rentenwertbestimmungsverordnung 2025, BR-Drs.190/25
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hatte 2023 entschieden: Überträgt der Steuerpflichtige schenkweise einen Miteigentumsanteil an einem Vermietungsobjekt, ohne auch die Finanzierungsdarlehen anteilig zu übertragen, kann er die Schuldzinsen nur noch anteilig entsprechend seinem verbliebenen Miteigentumsanteil abziehen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat diese Sichtweise nun bestätigt, sodass die auf den übertragenen Miteigentumsanteil entfallenden Schuldzinsen nicht als (Sonder-)Werbungskosten zu berücksichtigen sind. |
Das war geschehen
Der Alleineigentümer (Vater) einer vermieteten Immobilie hatte einen ideellen 2/5-Miteigentumsanteil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich auf seinen Sohn übertragen. Die Grundschuld wurde von dem Sohn entsprechend seinem Miteigentumsanteil zur dinglichen Haftung übernommen. Zu einer schuldrechtlichen Schuldübernahme bzw. einem Schuldbeitritt zur Darlehensschuld gegenüber der Bank kam es jedoch nicht.
In der Feststellungserklärung für die Grundstücksgemeinschaft bzw. die Vermietungs-GbR wurden Darlehenszinsen in voller Höhe geltend gemacht. Diese berücksichtigte das Finanzamt allerdings nur zu 3/5 (= Anteil des Vaters).
Die hiergegen gerichtete Klage blieb ebenso erfolglos wie die Revision.
Von Finanzierung der Einkünfteerzielungstätigkeit zur Finanzierung der Schenkung
Durch die unentgeltliche Übertragung des Miteigentumsanteils wurde insoweit der (objektive) wirtschaftliche Zusammenhang der zur Finanzierung der Anschaffung der Immobilie aufgenommenen Darlehen zur bisherigen Einkünfteerzielungstätigkeit gelöst. Fortan dienten die Darlehen der Finanzierung der Schenkung.
Beachten Sie | Das FG Niedersachsen hatte die Revision im Hinblick auf folgende Frage zugelassen: Ist es gerechtfertigt, den Sachverhalt bei einer vermögensverwaltenden GbR (wie im Streitfall) anders zu behandeln als bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb? Und das hat der BFH eindeutig mit „ja“ beantwortet.
Die Begründung: Das Einkommensteuerrecht wird vom Dualismus der Einkunftsarten (Gewinn- und Überschusseinkünfte) bestimmt. Die unterschiedliche Erfassung von Wertsteigerungen bzw. -minderungen im Betriebs- und Privatvermögen ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar.
Quelle | BFH, Urteile vom 3.12.2024, IX R 2/24 und IX R 3/24
| Eine Frau muslimischen Glaubens ist vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin mit einer Klage gescheitert, mit der sie eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kraftfahrzeugs mit einem Gesichtsschleier erstreiten wollte. |
Nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) dürfen Personen, die ein Kraftfahrzeug führen, ihr Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken, dass sie nicht mehr erkennbar sind (Verhüllungsverbot). Die Klägerin hatte geltend gemacht, ihr muslimischer Glaube gebiete es, dass sie sich außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Auch im Auto sei sie den Blicken fremder Menschen ausgesetzt. Daher müsse ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Ihren Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Ausnahmegenehmigung hatte das Land Berlin abgelehnt. Dagegen richtete sich die Klage.
Das VG hat die Klage abgewiesen. Eine Ausnahmegenehmigung könne die Klägerin auch mit Blick auf ihre grundrechtlich geschützte Religionsfreiheit nicht beanspruchen. Diese müsse nach Abwägung aller widerstreitenden Interessen hinter anderen Verfassungsgütern zurücktreten. Das Verhüllungsverbot gewährleiste eine effektive Verfolgung von Rechtsverstößen im Straßenverkehr, indem es die Identifikation der Verkehrsteilnehmer ermögliche, etwa im Rahmen von automatisierten Verkehrskontrollen. Es diene zudem dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums Dritter, weil Kraftfahrzeugführer, die damit rechnen müssten, bei Regelverstößen herangezogen zu werden, sich eher verkehrsgerecht verhalten würden als nicht ermittelbare Autofahrer.
Demgegenüber wiege der Eingriff in die Religionsfreiheit der Klägerin weniger schwer. Ein gleich wirksames, aber mit geringeren Grundrechtseinschränkungen verbundenes Mittel zur Erreichung der mit dem Verhüllungsverbot verfolgten Zwecke stehe nicht zur Verfügung. So könne etwa eine Fahrtenbuchauflage nur dem Halter eines Fahrzeugs auferlegt werden; die Klägerin begehre jedoch eine Ausnahme in ihrer Eigenschaft als Führerin eines Fahrzeugs. Gleichermaßen ungeeignet erscheine der Vorschlag der Klägerin, einen Niqab mit einem „einzigartigen, fälschungssicheren QR-Code“ zu versehen und die Ausnahme vom Verhüllungsverbot mit einer solchen Auflage zu verbinden. Denn dadurch sei nicht sichergestellt, dass die Person, die den Niqab trage, auch tatsächlich die Person sei, für die der QR-Code kreiert wurde.
Gegen das Urteil kann der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg gestellt werden.
Quelle | VG Berlin, Urteil vom 27.1.2025, VG 11 K 61/24, PM 5/25
| Ein Motorradfahrer wollte einen Auffahrunfall vermeiden. Er bremste deshalb sehr stark. Weil die Maschine kein Antiblockiersystem (ABS) hatte, blockierte das Vorderrad und der Motorradfahrer stürzte. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in diesem Fall kompakte Ausführungen zum „Idealfahrer“ hinsichtlich der Unabwendbarkeit gemacht. Besonders wichtig: Er bezieht die Situation vor dem Unfallgeschehen mit ein. |
Es kommt nicht nur auf die konkrete Situation an, …
Ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein „Idealfahrer“ reagiert hat, ist nicht allein entscheidend. Vielmehr ist zu berücksichtigen, ob ein „Idealfahrer“ überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre. Der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr nun (zu spät) „ideal“ verhält. Der „Idealfahrer“ hat in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind,Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden.
… sondern darauf, ob der Fahrer vorausschauend gehandelt hat
Dahinstehen kann also, ob der Sturz des Klägers noch im Zeitpunkt des Abbremsens durch kontrolliertes Betätigen der Vorderradbremse vermeidbar gewesen wäre. Denn ein Idealfahrer, der weiß, dass sein Motorrad nicht über ein ABS verfügt und bei einer reflexhaften Vollbremsung ein Sturz droht, hätte von vornherein eine Fahrweise gewählt, mit der ein reflexhaftes Bremsen in der Situation des Klägers vermieden worden wäre. Er hätte den Abstand zum Vorausfahrenden und die Geschwindigkeit so bemessen, dass er selbst im Fall plötzlich scharfen Bremsens des Vorausfahrenden – das er stets einkalkulieren muss – noch hätte kontrolliert bremsen und sowohl einen Sturz als auch eine Kollision mit dem Vorausfahrenden hätte vermeiden können.
Quelle | BGH, Urteil vom 3.12.2024, VI ZR 18/24
| Besuchen Halbgeschwister, die mit dem gemeinsamen Elternteil zusammenleben, gleichzeitig im Stadtgebiet Kindertageseinrichtungen, sind bei der Festsetzung von Elternbeiträgen hierfür satzungsrechtliche Geschwisterermäßigungen oder -befreiungen zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Halbgeschwister neben dem gemeinsamen Elternteil auch mit dem anderen Elternteil des einen Kindes in häuslicher Gemeinschaft zusammenleben. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden. |
Beitragsbefreiung oder nicht?
Die gemeinsame, im Juli 2019 geborene Tochter der Kläger nahm im Schuljahr 2021/2022 das Betreuungsangebot einer Kindertageseinrichtung in der beklagten Stadt wahr. Mit ihr und ihren Eltern lebte seinerzeit ein weiteres von der Klägerin, nicht aber vom Kläger abstammendes Kind in der gemeinsamen Wohnung, das dieselbe Kindertageseinrichtung besuchte, wofür wegen Vollendung des vierten Lebensjahres aufgrund einer landesrechtlichen Bestimmung kein Elternbeitrag zu leisten war. Die Stadt setzte gegenüber den Klägern auf Basis ihres gemeinsamen Jahreseinkommens einen monatlichen Elternbeitrag in Höhe von 313 Euro fest. Hiergegen wandten sich die Kläger und beriefen sich auf eine Vorschrift der Elternbeitragssatzung (im Folgenden nur: Satzung) der beklagten Stadt. Danach entfällt bei Eingreifen einer landesrechtlich – für die letzte Zeit in Tagesbetreuung vor der Einschulung – im Kinderbildungsgesetz (KiBiz) angeordneten Beitragsbefreiung „auch der Beitrag für das zweite und jedes weitere Kind“. Diese Regelung folgt auf eine in sonstigen Fällen maßgebliche „Geschwisterregelung“ in der Satzung, wonach „nur ein Beitrag zul eisten“ ist, wenn „aus einer Familie […] mehr als ein Kind Betreuungsangebote […] in Anspruch“ nimmt.
Die auf Aufhebung der Beitragsfestsetzung gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht (VG) Arnsberg ab. Die dagegen eingelegte Berufung der Kläger hatte vor dem OVG Erfolg.
Gemeinsames Kind als weiteres Kind zu berücksichtigen
Das OVG hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen angeführt: Das gemeinsame Kind der Kläger ist als weiteres Kind der Familie im Sinne der Geschwisterregelungen in der Satzung zu berücksichtigen. Die Gemeinschaft zweier leiblicher Kinder derselben Mutter mitdieser und deren neuem Partner, der Vater nur eines der beiden Kinder ist, istbereits unter Zugrundelegung eines verfassungsrechtlichenBegriffsverständnisses als eine Familie anzusehen. Ein anderes Verständnis desFamilien- bzw. Geschwisterbegriffs lässt sich weder der städtischen Satzungnoch höherrangigem Recht entnehmen. Die auf einer Ermächtigung desLandesgesetzgebers beruhende allgemeine Geschwisterregelung in der Satzung –bei mehreren Kindern nur ein Elternbeitrag – entspricht im Kern einer früherenlandesgesetzlichen Regelung. Dieser lag allgemein eine Entlastung von Familienmit mehreren Kindern zugrunde, ohne dass etwa nach Voll- oder Halbgeschwisternunterschieden wurde. Bei dem Umstand, dass mehrere mit einem oder beidenElternteilen in einem Haushalt zusammenlebende Kinder Angebote derTagesbetreuung in Anspruch nehmen, für die jedenfalls der gemeinsame Elternteilgrundsätzlich beitragspflichtig wäre, handelt es sich um einen Gesichtspunktder sozialen Staffelung der Kostenbeiträge. Diese ist sowohl im Bundes- alsauch im Landesrecht angelegt und ermöglicht neben der – mit dem Einkommenkorrespondierenden – wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit derBeitragspflichtigen auch die Berücksichtigung anderer Aspekte, wie die Zahl derim gemeinsamen Haushalt lebenden und in Kindertageseinrichtungen zu betreuendenKinder. Vor diesem Hintergrund kommt eine Differenzierung danach, dass beideKläger für das mit ihnen zusammenlebende gemeinsame Kind beitragspflichtigsind, während das ältere Kind allein von der Klägerin abstammt und nur dieseinsoweit beitragspflichtig sein kann, nicht in Betracht.
Quelle | OVG Münster, Urteil vom 27.11.2024, 12 A 1627/22, PM vom 12.12.2024
| Die auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage einer 66-jährigen Großmutter, die mit ihrem Enkelkind an einem Straßenumzug teilgenommen hatte und gestürzt war, hatte vor dem Landgericht (LG) Frankenthal keinen Erfolg. Das LG hat festgestellt: Die zuständige Gemeinde muss eine Straße wegen einer nur einmal jährlich stattfindenden Veranstaltung nicht besonders absichern. Es gelten vielmehr die üblichen Maßstäbe der Verkehrssicherungspflicht bei Straßen und Plätzen. |
Über Gullydeckel gestolpert
Die verletzte Frau gab an, bei einem Straßenumzug über einen bis zu drei Zentimeter über das Straßenniveau ragenden Gullydeckel gestolpert und gestürzt zu sein. Durch den Sturz habe sie sich das linke Handgelenk und das rechte Schultergelenk gebrochen. Sie war der Ansicht, vor dem Umzug hätte die zuständige Verbandsgemeinde die Strecke besonders kontrollieren und absichern, Stolpergefahren beseitigen und etwa den hochstehenden Gullydeckel mit einer Gummimatte sichern müssen. Sie verlangte rund 1.700 Euro Schadenersatz und ein Schmerzensgeld in Höhe von 13.000 Euro.
Mit Unebenheiten muss man rechnen
Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit der Unebenheit von deutlich unter drei Zentimetern habe die Frau rechnen müssen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei es auch jedem Teilnehmer bekannt und spätestens bei Beginn des Umzugs ersichtlich, dass die Sicht auf die Straße wegen der Menschenansammlung eingeschränkt sei. Eine besondere Absicherung der Straße aufgrund des einmal jährlich stattfindenden Großereignisses sei daher nicht geboten gewesen. Die Abdeckung des Gullydeckels mit einer Gummimatte hätte den Höhenunterschied und die Stolpergefahr möglicherweise nur zusätzlich erhöht. Im Übrigen treffe die Frau ein überwiegendes Mitverschulden, was die geltend gemachten Ansprüche ebenfalls ausschließe.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 15.8.2024, 3 O 88/24, PM vom 27.2.2025
| Hat der Versicherer im Policenbegleitschreiben auf das Bestehen eines Widerspruchsrechts und die hierfür geltenden Anforderungen allgemein hingewiesen und diese an einer genau bezeichneten Stelle im Einzelnen näher erläutert, sind die jeweiligen Textstellen nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr ist dann eine Gesamtwürdigung beider Textstellen – als einheitliche Belehrung – geboten. So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken. |
Begründung: Angesichts des konkreten Verweises auf die einschlägige Bestimmung in der Verbraucherinformation seien auch die dortigen weiteren Informationen für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne Weiteres auffindbar. Im Fall des OLG galt dies insbesondere, da der Verbraucherinformation ein Inhaltsverzeichnis vorangestellt war. Aus dem ergab sich, dass die im Policenbegleitschreiben zitierte Textstelle „Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Vertrag noch widersprechen?“ sich unter Ziffer 6 befindet, die ihrerseits auf der betreffenden Seite mit der fettgedruckten Überschrift „6. Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Vertrag noch widersprechen?“ hervorgehoben war.
Quelle | OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.1.2024, 5 U 60/23
| Werden in einem Wohnhaus tragende Wände entfernt und durch eine Stahlträgerkonstruktion ersetzt, muss dies einem potenziellen Käufer der Immobilie ungefragt mitgeteilt werden. Verschweigt der Verkäufer diesen Umstand, stellt dies eine arglistige Täuschung dar, die den Käufer zur Anfechtung des Kaufvertrags berechtigt. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken in einer aktuellen Entscheidung festgestellt und der Klage eines Ehepaars gerichtet auf die Rückabwicklung eines Immobilienkaufvertrags stattgegeben. |
Verkäufer verheimlichten Umbau
Ein Ehepaar aus Pirmasens entschloss sich, das von ihnen etwa 10 Jahre lang selbst bewohnte Wohnhaus zu verkaufen. Was es dem kaufinteressierten Ehepaar nicht erzählte, war, dass es vor einigen Jahren ihr Wohnzimmer vergrößert, und dazu durch eine im Ausland ansässige Firma tragende Trennwände im 1. OG des Hauses hatte entfernen lassen. Nach Entfernung der Wände wurde die Decke nur noch durch zwei Eisenträger gestützt, die direkt auf das Mauerwerk aufgelegt und zusätzlich durch Baustützen gestützt wurden, die eigentlich nur für den vorübergehenden Gebrauch gedacht sind. Diese Trägerkonstruktion wurde anschließend durch Verblendungen verdeckt und war nicht mehr ohne Weiteres sichtbar. Um einen Nachweis über die Statik hatten sich die Eigentümer im Nachgang nicht bemüht.
Käufer fochten Kaufvertrag erfolgreich an
Als die neuen Eigentümer dann selbst einige bauliche Veränderungen an dem Haus durchführen wollten, beauftragten sie u. a. einen Statiker. Dieser stellte fest, dass die Trägerkonstruktion im 1. OG unzulässig und nicht dauerhaft tragfähig sei. Das Ehepaar hat den Kaufvertrag über das Hausgrundstück daraufhin angefochten und das Verkäuferehepaar auf Rückabwicklung verklagt. Mit Erfolg.
Das OLG gab dem Käuferehepaar Recht und verurteilte die Verkäufer zur Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückübereignung des Hausgrundstücks. Die Verkäufer seien in der Pflicht gewesen, auch ungefragt darüber zu informieren, dass tragende Wände entfernt, und damit in die Statik des Wohnhauses eingegriffen wurde. Erst recht hätten sie darüber aufklären müssen, dass kein Nachweis hinsichtlich der statischen Tragfähigkeit der Stahlträgerkonstruktion vorliege. Auch sei darüber zu informieren gewesen, dass die Arbeiten durch eine den Verkäufern kaum bekannte ausländische Firma durchgeführt wurden und zu den genauen Maßnahmen keinerlei Unterlagen vorlägen. Dies alles gälte auch, obwohl die Verkäufer wohl selbst von der ausreichenden Tragfähigkeit der Konstruktion ausgingen und auch obwohl die Käufer das Haus vor dem Kauf zusammen mit einer Bausachverständigen besichtigt hatten. Die Statik eines Wohnhauses sei im Hinblick auf mögliche Gefahren für die Gebäudesubstanz und auch für Leib und Leben der Bewohner von so wesentlichem Interesse, dass eine Veränderung an ihr einem Grundstückserwerber in jedem Fall ungefragt zu offenbaren sei.
Quelle | OLG Zweibrücken, Urteil vom 27.9.2024, 7 U 45/23, PM vom 25.2.2025
| Das Amtsgericht (AG) Flensburg hat entschieden: Der Mieter muss gesundheitliche Beeinträchtigungen für sich oder die seine Mitbewohner und die nachteiligen Auswirkungen eines Umzugs durch Vorlage fachärztlicher Atteste ausführlich darstellen. Sein Vortrag muss so konkret sein, dass das Gericht den Eintritt von relevanten Nachteilen als hinreichend wahrscheinlich annehmen kann. Dann ist das Gericht gehalten, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Der bloße unstreitige Umstand, dass die Kinder des Mieters einen Behindertenausweis und einen Pflegegrad zugesprochen bekommen haben, genügt nicht. Ohne Erläuterungen, welche Krankheiten oder Behinderungen die Kinder haben, kann das Gericht keinen Härtegrund annehmen. |
Der Vermieter kündigte den unbefristeten Wohnraummietvertrag wegen Eigenbedarf. Er begründete dies damit, er benötige das Objekt für sich und seine Lebensgefährtin als neuen Lebensmittelpunkt. Die Mieter widersprachen der Kündigung und beriefen sich insbesondere auf gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Mieterin leide an einer Angststörung und posttraumatischen Belastungsstörung und die beiden Kinder seien schwerbehindert und pflegebedürftig. Ein Umzug sei für die Familie unzumutbar.
Damit hatten sie vor dem AG keinen Erfolg. Das AG war nach der Zeugenvernehmung davon überzeugt, dass der Vermieter die Räume wegen der geplanten Familiensituation ernsthaft benötigte. Dass die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist, erkannte das AG nicht an. Denn die Mieter seien ihrer Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Härtegründe nicht nachgekommen.
Ein Härtegrund liege nur vor, wenn eine erhebliche Verschlechterung einer ernsten Erkrankung oder Lebensgefahr, die durch einen Sachverständigen zu klären ist, angenommen werden könne. Das Gericht hatte keine Anhaltspunkte, eine solche Verschlechterung des Gesundheitszustands der Kinder der Mieter anzunehmen. Der vorgelegte Behindertenausweis, das Pflegegutachten und das allgemeinärztliche Attest sprächen nur unkonkret von einer „gesundheitlichen Situation“ des Kindes. Das war dem Gericht zu unkonkret. Es fehle insbesondere vertiefter Vortrag dazu, wie sich die Erkrankung im Alltag auswirke und inwieweit mit einer Verschlechterung der Situation durch einen Umzug zu rechnen sei.
Quelle | AG Flensburg, Urteil vom 4.12.2024, 61 C 55/24
| Ein rechtlich beachtlicher Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses liegt nur vor, wenn sich der Anfechtende in einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses befunden hat, dagegen nicht, wenn lediglich falsche Vorstellungen von dem Wert der einzelnen Nachlassgegenstände vorgelegen haben. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschieden. |
Erblasserin wurde 106 Jahre alt
Die Erblasserin ist im Alter von 106 Jahren ohne Testament verstorben. Zuvor lebte sie seit längeren Jahren in einem Seniorenheim. Die Heim- und Pflegekostenkosten wurden aus Mitteln der Kriegsopferfürsorgestelle bestritten. Diese Leistungen wurden als Darlehen gewährt und durch eine Grundschuld an einem Haus der Erblasserin abgesichert. Der Ehemann der Erblasserin, ihre beiden Kinder und auch bereits ein Enkelkind waren vorverstorben. Gesetzliche Erben waren die Enkel und Urenkel der Erblasserin.
Enkelin schlug Erbschaft aus, Urenkel nicht
Nach dem Tod der Erblasserin hat u. a. die in gesetzlicher Erbfolge zur Erbin berufene Enkelin das Erbe ausgeschlagen und dabei angegeben, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Zwei Urenkel der Erblasserinnen haben das Erbe dagegen nicht ausgeschlagen. In der Folge wurde das Haus der Erblasserin unter Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Nachlasspflegerin an Dritte verkauft. Nach dem Verkauf des Hauses hat die Enkelin ihre Erklärung zur Erbausschlagung sodann wegen Irrtums angefochten. Danach hat sie die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der u. a. sie als Erbinzu 1/4 Anteil ausweisen sollte.
Das Nachlassgericht hat entschieden, dass der Erbschein wegen der angefochtenen Erbausschlagungserklärung der Enkelin, wie von ihr beantragt, erteilt werden müsse. Gegen diesen Beschluss wendete sich einer der Urenkel, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte, mit seiner Beschwerde.
Oberlandesgericht widersprach Nachlassgericht
Das OLG hat entschieden, dass der Erbscheinsantrag der Enkelin zurückzuweisen sei, da der von ihr beantragte Erbschein die eingetretene Erbfolge unzutreffend wiedergebe. Die Enkelin sei keine Erbin geworden, da sie die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und sie die Ausschlagungserklärung wegen Irrtums auch nicht wirksam anfechten könne.
Enkelin wusste nichts vom Bankkonto…
Soweit sie ihren Irrtum damit begründet habe, dass ihr erst im Nachhinein bekannt geworden sei, dass zum Nachlass ein Bankkonto bei der Kreissparkasse Köln mit einem vierstelligen Guthaben gehöre, läge zwar ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses vor. Dieser Irrtum hätte aber nicht ihre Ausschlagung der Erbschaft veranlasst. Denn selbst, wenn ihr das Konto bei der Kreissparkasse Köln bekannt gewesen wäre, hätte dies mangels wirtschaftlichem Gewicht des dortigen Guthabenbetrags gegenüber den restlichen Nachlasspositionen nichts an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses geändert.
… und unterschätzte den Verkaufserlös des Hauses
Soweit sich die Enkelin darauf berufe, sie habe sich geirrt, dass der Erlös aus dem Verkauf des Hauses der Erblasserin die Verbindlichkeiten aus dem mit der Grundschuld abgesicherten Darlehen für die Heim- undPflegekosten der Kriegsopferfürsorgestelle übersteige, liege kein Irrtum vor, der zur Anfechtung berechtige. Dieser Irrtum beruhe lediglich auf der unzutreffenden Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht über dessen Zusammensetzung.
Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14.8.2024, 8 W 102/23, PM vom 10.12.2024
| Beschränkt ein Bebauungsplan über ein Wochenendhausgebiet mittels sog. Baufenster die Bebaubarkeit von Flächen, kann für ein Grundstück, das außerhalb eines Baufensters gelegen ist, kein Bauvorbescheid erteilt werden. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Mainz. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist Pächterin eines Grundstücks, das im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, der ein Wochenendhausgebiet und hierfür überbaubare Flächen (sog. Baufenster) festsetzt. Das Pachtgrundstück ist danach nicht mit einem Wochenendhaus bebaubar, sondern nur mit Nebengebäuden, etwa zum Unterstellen von Gegenständen zur Freizeitnutzung.
Die Klägerin stellte einen Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheids zur Klärung der Frage, ob ihr Grundstück mit einem Wochenendhaus bebaubar sei, und beantragte hilfsweise eine Befreiung von der Festsetzung über die überbaubaren Flächen. Sie machte zur Begründung ihres Antrags geltend: Für jedes andere Grundstück in der Straße sehe der Bebauungsplan ein Baufenster vor, nicht aber für ihres – an vielen Stellen des Plangebiets seien nicht überbaubare Flächen zwischenzeitlich mit Gebäuden bebaut worden. Für ihr Grundstück sei sogar eine Hausnummer vergeben worden. Die Baugenehmigungsbehörde lehnte das Begehren ab. Das Widerspruchsverfahren blieb ohne Erfolg.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG wies die Klage ab. Die Errichtung eines Wochenendhauses auf dem Pachtgrundstück sei nicht genehmigungsfähig, denn für dieses sehe der Bebauungsplan keine Fläche vor, die mit einem solchen Gebäude bebaut werden dürfe.
Keine verdichtetete Bebauung im Erholungsgebiet gewünscht
Die Beschränkung der Bebaubarkeit der Flächen über das gesamte Plangebiet hinweg diene nach dem Willen der Gemeinde als Plangeberin der Verhinderung einer verdichteten Bebauung in dem Erholungsgebiet und dem Erhalt von Waldflächen. Damit liege eine städtebaulich legitimierte Planung vor, die auch das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) der von der Beschränkung betroffenen Eigentümer nicht verletze. Ohne den Bebauungsplan wären im Außenbereich Gebäude zur privaten Freizeitnutzung generell bauplanungsrechtlich unzulässig. Die Festsetzung über die beschränkte Bebaubarkeit, an deren Geltung die Gemeinde ausdrücklich weiter festhalte, sei auch nicht funktionslos geworden, sie könne die bauliche Entwicklung in dem Plangebiet auch künftig noch beeinflussen. Denn es gebe noch unbebaute Grundstücke, für die ebenfalls ein Baufenster festgesetzt sei. Der überwiegende Teil der Bebauung sei auch innerhalb der Baufenster verwirklicht worden.
Großer Teil hielt Regeln nicht ein: Bebauungsplan gilt trotzdem
Unerheblich sei hingegen, dass in einer Vielzahl von Fällen Grundstücke entgegen der Festsetzung zu den Baufenstern bebaut worden seien. Der Geltungsanspruch einer Norm, wie der eines Bebauungsplans, gehe nicht bereits dadurch unter, dass sich ein großer Teil der Betroffenen nicht an die Regelung halte. Die Vergabe einer Hausnummer diene allein ordnungsrechtlichen Belangen und begründe keine Baurechte für ein Grundstück. Eine Befreiung von der Festsetzung des Bebauungsplans über die beschränkte Bebaubarkeit der Grundstücke scheide aus, weil diese angesichts der Gesamtkonzeption einen Grundzug der Planung betreffe, über den die Baugenehmigungsbehörde – auch zur Vermeidung eines Präzedenzfalls – nicht hinweggehen könne. Allein die Gemeinde könne eine Umplanung des Bebauungsplans vornehmen.
Quelle | VG Mainz, Urteil vom 25.9.2024, 3 K 746/23.MZ, PM8/24
| Ein Energieberater schuldet zwar keinen Erfolg seiner Beratung in Form der tatsächlichen Förderung. Er muss aber korrekt beraten, sodass hieraus energetische Maßnahmen hervorgehen, die die Voraussetzungen der gesetzlichen Förderungsgrundlage erfüllen. Stellt er jedoch für die einzuhaltenden Wärmedurchgangskoeffizienten irrtümlicherweise auf die Werte des GEG ab, obwohl für die Förderung die Werte des BEG EM maßgeblich sind, sieht das Landgericht (LG) Berlin darin eine Verletzung seiner Beratungspflicht. Und das LG sieht den Berater sogar in der Pflicht, Schadenersatz zu leisten. |
Dienstvertragsrecht einschlägig
Das LG: Ein Energieberatungsvertrag ist als entgeltliche Geschäftsbesorgung einzuordnen, auf die Dienstvertragsrecht anzuwenden ist. Zwar wird angenommen, dass ein Energieberater in der Regel grundsätzlich keinen Erfolg in Form der tatsächlichen Förderung schulde oder dafür gar eine Garantie übernehme. Der Energieberater schuldet aber eine fachlich zutreffende Beratung, aus der energetische Maßnahmen hervorgehen, die die Voraussetzungen der gesetzlichen Förderungsgrundlage erfüllen.
Beratung zur Förderfähigkeit Hauptleistungspflicht
Diese Beratung im Hinblick auf förderfähige Maßnahmen stellt für den Verbraucher, der auf eine Förderung angewiesen ist, bei lebensnaher Betrachtung sogar eine Hauptleistungspflicht dar. Aufgabe einer Energie-Effizienz-Expertin im Rahmen der KfW-Förderung ist es regelmäßig, den Antragsteller über die passenden und aufeinander abgestimmten Sanierungsmaßnahmen für sein Gebäude zu beraten und gerade zu prüfen, ob diese technisch förderfähig sind, die Bestätigung zum Antrag und den späteren Verwendungsnachweis zu erstellen.
Konsequenzen
Gegenstand der Vertragsleistung war im Fall des LG die Beratung der energetischen Sanierung des Hauses in fachlicher Hinsicht und die Begleitung der Antragstellung beim Zuschussgeber mit dem Ziel der Förderungsfähigkeit der Baumaßnahmen. Der Energieberater hätte mithin geradezu treffend und vollständig dazu beraten und darauf hinwirken müssen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen auch wirklich förderungsfähig sind. Nicht umsonst hatte er ihr Honorar von einem Förderzuschuss abhängig gemacht und sogar unter die Bedingung einer Förderungsgewährung gestellt.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23
| Sichtbare Tätowierungen auf beiden Handrücken hindern die Zulassung zum Vorbereitungsdienst der Polizei nicht, wenn sie inhaltlich unbedenklich sind. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren entschieden. |
Tätowierungen auf den Handrücken
Die Antragstellerin begehrt die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst bei der Berliner Kriminalpolizei. Sie trägt unter anderem auf beiden Handrücken Tätowierungen. Bei den Motiven handelt es sich um Rosenblüten mit den Namen ihrer Kinder. Die Tattoos bedecken jeweils einen Großteil ihrer Handrücken. Die Berliner Polizei lehnte ihre Bewerbung deshalb ab. Hiergegen hat die Antragstellerin einen Eilantrag eingereicht.
Das VG hat dem Eilantrag teilweise stattgegeben und das Land Berlin verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Bewerbung der Antragstellerin zu entscheiden. Zur Begründung führt sie aus, das Tragen von Tätowierungen im sichtbaren Bereich könne einer Einstellung nur entgegenstehen, wenn die Tattoos über das übliche Maß hinausgingen und wegen ihrer besonders individualisierenden Art geeignet seien, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen.
Rosenblüten und Namen der Kinder: unkritischer Inhalt
Dies sei hier nicht der Fall. Es sei bereits zweifelhaft, ob die Tattoos der Antragstellerin über das übliche Maß hinausgingen. Vielfältige Tätowierungen, insbesondere von Blumen bzw. Pflanzen und persönlichen Daten, seien heutzutage weit verbreitet. Jedenfalls seien die Tattoos der Antragstellerin trotz ihrer Sichtbarkeit nicht geeignet, ihre amtliche Funktion in den Hintergrund zu drängen. Die klare Erkennbarkeit der Motive und deren unkritischer Inhalt böten Bürgerinnen und Bürgern keinen Anlass, über die persönlichen Überzeugungen der Antragstellerin als Privatperson zu spekulieren.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 27.2.2025, VG 26 L 288/24, PM 14/25
| Der professionelle Einsatz eines vollautomatischen Wanddruckers stellt kein zulassungspflichtiges Maler- und Lackiererhandwerk dar. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren entschieden. |
Laut Handwerkskammer bestand Meisterzwang
Die Antragstellerin stellt sog. Wanddrucker her, mit denen sich individuell vom Verwender programmierte Motive großflächig auf eine in der Regel vertikale Fläche auftragen lassen. Einer Käuferin des Wanddruckers wurde auf Nachfrage von der Handwerkskammer Berlin mitgeteilt, dass die gewerbliche Nutzung des Geräts zulassungspflichtig im Maler- und Lackierer-Handwerk sei und daher nur mit Fachkundenachweis und Eintrag in der Handwerksrolle gewerblich ausgeführt werden dürfe. Die Käuferin veröffentlichte die Auskunft auf ihrer Internetseite und erklärte, wegen des „Meisterzwangs“ keine Aufträge mehr für den Wanddrucker annehmen zu können.
Die Antragstellerin verlangte daraufhin von der Handwerkskammer insbesondere, diese – aus ihrer Sicht falsche – Auskunft zu widerrufen und zukünftig zu unterlassen. Die Veröffentlichung der Auskunft im Internet verursache ihr einen immensen wirtschaftlichen Schaden, weil die meisten ihrer Kunden über keinen entsprechenden Fähigkeitsnachweis verfügten. Nachdem die Handwerkskammer eine gesetzte Frist verstreichen ließ, hat die Antragstellerin bei Gericht einen Eilantrag und Klage eingereicht.
Verwaltungsgericht widersprach
Das VG hat dem Eilantrag stattgegeben. Begründung: Die Nutzung eines (vollautomatischen) Wanddruckers stelle für sich genommen regelmäßig keinen handwerklichen Betrieb eines Maler- und Lackierer-Handwerks dar. Sie sei vielmehr ohne Nachweis eines Fachkundenachweises oder einer Eintragung in die Handwerksrolle zulässig.
Weder Fachkundenachweis noch Eintragung in die Handwerksrolle notwendig
Die händischen Arbeitsschritte beim Bedienen des Wanddruckers beschränkten sich auf die Vorbereitung des Druckers und des Motivs sowie das Farbmanagement. Das Verbringen der Farbe auf die Oberfläche – als Kernbereich des Malerhandwerks – erfolge indes automatisiert. Angesichts der überschaubaren Komplexität und Schwierigkeit der Bedienung des Druckers genüge nach unbestrittener Darstellung der Antragstellerin eine zweitägige Schulung in aller Regel, um zufriedenstellende Ergebnisse mit dem Wanddrucker zu erzeugen. Die nötigen Vorbereitungshandlungen und das Mischen von Farben seien keine wesentlichen Tätigkeiten bei der Benutzung des Druckers, weil sie jedenfalls in unter drei Monaten erlernt werden könnten.
Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 19.2.2025, VG 4 L 847/24, PM vom 24.2.2025
| Verstößt der Arbeitgeber schuldhaft gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, dem Arbeitnehmer rechtzeitig für eine Zielperiode Ziele vorzugeben, an deren Erreichen die Zahlung einer variablen Vergütung geknüpft ist (Zielvorgabe), löst dies grundsätzlich einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadenersatz statt der Leistung aus. Voraussetzung: Eine nachträgliche Zielvorgabe kann ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen. So hat es das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Keine Vorgabe individueller Ziele
Der Kläger war bei der Beklagten bis zum 30.11.2019 als Mitarbeiter mit Führungsverantwortung beschäftigt. Arbeitsvertraglich war ein Anspruch auf eine variable Vergütung vereinbart. Eine ausgestaltende Betriebsvereinbarung bestimmt, dass bis zum 1.3. des Kalenderjahres eine Zielvorgabe zu erfolgen hat, die sich zu 70 % aus Unternehmenszielen und 30 % aus individuellen Zielen zusammensetzt, und sich die Höhe des variablen Gehaltsbestandteils nach der Zielerreichung des Mitarbeiters richtet. Am 26.9.2019 teilte der Geschäftsführer der Beklagten den Mitarbeitern mit Führungsverantwortung mit, für das Jahr 2019 werde, bezogen auf die individuellen Ziele, entsprechend der durchschnittlichen Zielerreichung aller Führungskräfte in den vergangenen drei Jahren von einem Zielerreichungsgrad von 142 % ausgegangen. Erstmals am 15.10.2019 wurden dem Kläger konkrete Zahlen zu den Unternehmenszielen einschließlich deren Gewichtung und des Zielkorridors genannt. Eine Vorgabe individueller Ziele für den Kläger erfolgte nicht. Die Beklagte zahlte an den Kläger für 2019 eine variable Vergütung von rund 15.600 Euro brutto.
Der Standpunkt der Parteien
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei ihm zum Schadenersatz verpflichtet, weil sie für das Jahr 2019 keine individuellen Ziele und die Unternehmensziele verspätet vorgegeben habe. Es sei davon auszugehen, dass er rechtzeitig vorgegebene, billigem Ermessen entsprechende Unternehmensziele zu 100 % und individuelle Ziele entsprechend dem Durchschnittswert von 142 % erreicht hätte. Deshalb stünden ihm unter Berücksichtigung der von der Beklagten geleisteten Zahlung weitere rund 16.000 Euro brutto als Schadenersatz zu. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Zielvorgabe sei rechtzeitig erfolgt und habe den Grundsätzen der Billigkeit entsprochen, weshalb ein Schadenersatzanspruch wegen verspäteter Zielvorgabe ausgeschlossen sei. Unabhängig davon könne der Kläger allenfalls eine Leistungsbestimmung durch Urteil nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 315 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 BGB) verlangen. Die Möglichkeit einer gerichtlichen Ersatzleistungsbestimmung schließe Schadenersatzansprüche wegen verspäteter Zielvorgabe aus. Im Übrigen sei die Höhe eines möglichen Schadens falsch berechnet.
Arbeitgeber verstieß gegen Pflicht aus Betriebsvereinbarung
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht (LAG) hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagte, wie vom LAG zu Recht erkannt, einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von rund 16.000 Euro brutto. Die Beklagte hat ihre Verpflichtung zu einer den Regelungen der Betriebsvereinbarung entsprechenden Zielvorgabe für das Jahr 2019 schuldhaft verletzt, indem sie dem Kläger keine individuellen Ziele vorgegeben und ihm die Unternehmensziele erst verbindlich mitgeteilt hat, nachdem bereits etwa ¾ der Zielperiode abgelaufen waren.
Arbeitnehmer siegt: kein Mitverschulden, keine Anrechnung
Eine ihrer Motivations- und Anreizfunktion gerecht werdende Zielvorgabe war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Deshalb kommt hinsichtlich der Ziele auch keine nachträgliche gerichtliche Leistungsbestimmung in Betracht. Bei der im Wege der Schätzung zu ermittelnden Höhe des zu ersetzenden Schadens war von der für den Fall der Zielerreichung zugesagten variablen Vergütung auszugehen und anzunehmen, dass der Kläger bei einer billigem Ermessen entsprechenden Zielvorgabe die Unternehmensziele zu 100 % und die individuellen Ziele entsprechend dem Durchschnittswert von 142 % erreicht hätte.
Besondere Umstände, die diese Annahme ausschließen, hat die Beklagte nicht dargetan. Der Kläger musste sich kein anspruchsminderndes Mitverschulden anrechnen lassen. Bei einer unterlassenen oder verspäteten Zielvorgabe des Arbeitgebers scheidet ein Mitverschulden des Arbeitnehmers wegen fehlender Mitwirkung regelmäßig aus, weil allein der Arbeitgeber die Initiativlast für die Vorgabe der Ziele trägt.
Quelle | BAG, Urteil vom 19.2.2025, 10 AZR 57/24, PM 7/25
| Säumniszuschläge werden festgesetzt, wenn die Zahlung nicht pünktlich erfolgt. Nach der Abgabenordnung (hier: § 240 AO) ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen Steuerbetrags zu entrichten, umgerechnet auf das Jahr also 12 %. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass wegen des deutlichen und nachhaltigen Anstiegs der Marktzinsen, der seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 zu verzeichnen ist, jedenfalls seit März 2022 keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Zuschläge bestehen. |
Darüber hinaus hat der BFH in diesem Verfahren Folgendes entschieden: Wenn das Finanzamt zwar Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt, deren Wirkung aber von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig macht, bewirkt die spätere Leistung der Sicherheit im Regelfall, dass die AdV mit (Rück-)Wirkung ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung eintritt und zuvor etwaig entstandene Säumniszuschläge entfallen.
Beachten Sie | Das Finanzamt kann allerdings ausdrücklich anordnen, dass die Wirkung der AdV erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung der Sicherheit beginnt.
Quelle | BFH, Beschluss vom 21.3.2025, X B 21/25 (AdV)
| Eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft steht der Anerkennung einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft grundsätzlich nicht entgegen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Eine Organschaft führt bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dazu, dass nicht mehr die Organgesellschaft ihren Gewinn zu versteuern hat, sondern der Organträger.
Beachten Sie | Die gemäß Körperschaftsteuergesetz (hier: §§ 14 ff. KStG) enthaltenen Regelungen für die Organschaft führen im Ergebnis dazu, dass z. B. in Konzernen die Konzernspitze (als Organträger) die Gewinne sämtlicher Tochtergesellschaften (als Organgesellschaften) zu versteuern hat, aber Verluste und Gewinne der verschiedenen Tochtergesellschaften dabei auch unmittelbar miteinander verrechnet werden können. Insbesondere dieser steuerliche Vorteil hat zu einer weiten Verbreitung der Organschaft in Deutschland geführt.
Das war geschehen
Im Streitfall hatte eine Kommanditgesellschaft (KG) mit einer GmbH einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, um eine Organschaft zu begründen. Danach war die „abhängige“ GmbH als Organgesellschaft verpflichtet, den ganzen von ihr erwirtschafteten Gewinn an die KG als Organträger abzuführen.
Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass an der GmbH als Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung bestand.
Bundesfinanzhof widerspricht Vorinstanzen
Da dem atypisch still Beteiligten ein Anteil von 10 % des Gewinns der GmbH zustand, vertraten das Finanzamt und nachfolgend auch das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern die Auffassung, dass lediglich 90 % des Gewinns an die KG als Organträger abgeführt worden sei, das Gesetz aber die Abführung des ganzen Gewinns fordere. Die Organschaft sei daher insgesamt nicht anzuerkennen. Dem ist der BFH aber nun entgegengetreten.
§ 14 Abs. 1 KStG setzt einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 des Aktiengesetzes (AktG) und die strikte Erfüllung der zivilrechtlichen Vertragspflichten voraus. Was als ganzer Gewinn abzuführen ist, bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Gewinnbeteiligungen, die einem stillen Gesellschafter zustehen, sind im Zivilrecht aber als Geschäftsunkosten vom Gewinn der GmbH abzusetzen. Dies betrifft sowohl die typische als auch die atypisch stille Gesellschaft.
Folglich ist der hiernach verbleibende „Rest-Gewinn“ (im Streitfall also die 90 %) der ganze Gewinn, der an den Organträger abgeführt werden muss. Dass eine (typische oder atypische) stille Beteiligung zivilrechtlich als Teilgewinnabführungsvertrag qualifiziert wird, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.12.2024, I R 33/22, PM 21/25 vom 3.4.2025
| Wenn eine per E-Mail versandte Werklohnrechnung gehackt und unbefugt verändert wird und der Kunde deshalb an einen unbekannten Dritten zahlt, muss er nicht noch einmal an den Werkunternehmer zahlen, wenn dieser die Rechnung ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung versandt hat und deshalb gegen ihn ein Schadenersatzanspruch gemäß Datenschutz-Grundverordnung (hier: Art. 82 DS-GVO) besteht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, erneut ihre Werklohnforderung zu zahlen, nachdem der Betrag wegen einer Manipulation der per E-Mail versandten Rechnung durch kriminell handelnde Dritte dem Konto eines Unbekannten gutgeschrieben wurde.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für die Installation von Haustechnik. Sie führte für die Beklagte Installationsarbeiten durch und rechnete die erbrachten Leistungen ihr gegenüber in drei Abschlagsrechnungen ab. Diese wurden jeweils als Anlage zu einer E-Mail im PDF-Format übersandt. Die ersten zwei Abschlagsrechnungen beglich die Beklagte per Überweisung an die auf den Rechnungen angegebenen Bankverbindungen der Klägerin.
Die dritte Abschlagsrechnung über rund 15.000 Euro, die zugleich die Schlussrechnung war, versandte die Klägerin ebenfalls als Anlage im PDF-Format per E-Mail. Diese Rechnung war jedoch auf ungeklärte Weise durch einen Dritten manipuliert worden, so dass die Beklagte den Rechnungsbetrag auf das Konto des unbekannten Dritten überwies. Auf dem Konto der Klägerin ging deshalb auf die Schlussrechnung keine Zahlung ein.
Keine Erfüllung durch Zahlung an unbekannten Dritten
Das Landgericht (LG) hat die Beklagte deshalb zur erneuten Zahlung verurteilt, weil eine Erfüllung durch die Zahlung an den unbekannten Dritten nicht eingetreten ist. Es hat ausgeführt, dass die Klägerin auch keine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat, sodass die Beklagte keinen Schadenersatzanspruch hat, den sie der Klageforderung gemäß § 242 BGB entgegenhalten kann. Die Klägerin hat nach Auffassung des LG keine Pflichtverletzung begangen, weil die von ihr vorgetragenen Schutzvorkehrungen in Form einer Transportverschlüsselung per SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) über TLS (Transport Layer Security) beim E-Mail-Verkehr mit Vertragspartnern ausreichend sind.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG hat in zweiter Instanz das Urteil des LG geändert und die Klage abgewiesen. Es hat entschieden, dass die Zahlung der Beklagten an einen Dritten zwar keine Erfüllung der Forderung bei der Klägerin bewirkt. Im Gegensatz zum Landgericht hat es jedoch einen Schadenersatzanspruch der Beklagten bejaht, den diese der Werklohnforderung der Klägerin nach § 242 BGB entgegenhalten kann, so dass sie die Forderung nicht noch einmal bezahlen muss.
Dieser Schadenersatzanspruch ergibt sich nach der Entscheidung des OLG aus Art. 82 Abs. 2 DS-GVO, weil die Klägerin im Zuge der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Beklagten bei Versand der streitgegenständlichen E-Mail mit Anhang gegen die Grundsätze der Art. 5, 24 und 32 DS-GVO verstoßen hat. Das OLG hält die Transportverschlüsselung, die beim Versand der streitgegenständlichen E-Mail in Form von SMTP über TLS verwendet worden sein soll, nicht für ausreichend und damit auch nicht als zum Schutz der Daten „geeignet“ im Sinne der DS-GVO.
Das OLG hob hervor, dass heute jedem Unternehmen, das personenbezogene Daten seiner Kunden computertechnisch verarbeitet, bewusst sein muss, dass der Schutz dieser Daten hohe Priorität – auch beim Versenden von E-Mails – genießt. Unternehmen müssen diesen Schutz durch entsprechende Maßnahmen so weit wie möglich gewährleisten.
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unabdingbar
Gerade bei sensiblen oder persönlichen Inhalten ist nach der Entscheidung des OLG nur eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Schutz im Sinne der DS-GVO geeignet, wenn ein hohes finanzielles Risiko durch Verfälschung der angehängten Rechnung für den Kunden besteht. Dass Kunden von Unternehmen bei einem Datenhacking Vermögenseinbußen drohen, ist ein Risiko, das dem Versand von Rechnungen per E-Mail immanent ist und deshalb eine entsprechende Voraussicht und ein proaktives Handeln erfordert. Der dafür erforderliche technische und finanzielle Aufwand kann auch von einem mittelständischen Handwerksbetrieb erwartet werden, wenn es seine Rechnungen nicht per Post versendet.
Quelle | OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.12.2024, 12 U 9/24, PM 1/25
| Wer im Zusammenhang mit seiner kommunalpolitischen Tätigkeit Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder erhält (im Streitfall ein ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats), erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Diese sind im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung zu verbeitragen. Dies hat jedenfalls das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen entschieden. |
Das LSG Nordrhein-Westfalen stellte heraus: Für die Zuordnung von Einnahmen zum Arbeitseinkommen ist die steuerliche Abgrenzung der Einkunftsarten maßgebend. Bei Anlegung dieser Maßstäbe handelt es sich auch bei den Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer kommunalpolitischen Tätigkeit in Gestalt von Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern erzielt werden, um Arbeitseinkommen nach dem Sozialgesetzbuch IV (hier: § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV).
Gegen dieses Urteil ist die Revision beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig.
Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.3.2024, L 5 KR 551/21, Rev. BSG: B 6 a/12 KR 12/24 R
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Die Verwendung von geschlechtsspezifischen Sterbetafeln bei der Bewertung lebenslänglicherNutzungen und Leistungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot. |
Hintergrund: Die Heranziehung geschlechterdifferenzierender Sterbetafeln dient dem Ziel, die Kapitalwerte lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen mit zutreffenden Werten zu erfassen und eine Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.
Da die statistische Lebenserwartung von Männern und Frauen unterschiedlich hoch ist, ermöglichen die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Vervielfältiger genauere und realitätsgerechtere Bewertungsergebnisse als geschlechtsneutrale Vervielfältiger.
Beachten Sie | Die Anwendung der geschlechtsspezifischen Sterbetafeln kann sich für den Steuerpflichtigen je nach Fallkonstellation günstiger oder ungünstiger auswirken und führt nicht per se zu einer Benachteiligung aufgrund des eigenen Geschlechts.
Der BFH musste nicht entscheiden, welche Auswirkungen sich aus dem am 1.11.2024 in Kraft getretenen Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) für die Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen ergeben.
Quelle | BFH, Urteile vom 20.11.2024, II R 38/22, II R 41/22, II R 42/22; PM 23/25 vom 10.4.2025
| Aufwendungen des Steuerpflichtigen für einen Umzug in eine andere Wohnung, um dort (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs(BFH) auch, wenn der Steuerpflichtige – wie in Zeiten der Corona-Pandemie – zwangsweise zum Arbeiten im häuslichen Bereich angehalten ist oder durch die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren sucht. |
Das war geschehen
Eheleute lebten mit ihrer Tochter in einer 3-Zimmer-Wohnung und arbeiteten nur in Ausnahmefällen im Homeoffice. Ab März des Streitjahrs 2020 (zunächst bedingt durch die Corona-Pandemie) arbeiteten sie überwiegend im Homeoffice, dort im Wesentlichen im Wohn-/Esszimmer. Ab Mai 2020 zogen sie in eine 5-Zimmer-Wohnung, in der sie zwei Zimmer als häusliches Arbeitszimmer einrichteten und nutzten.
Den Aufwand für die Nutzung der Arbeitszimmer und die Kosten für den Umzug in die neue Wohnung machten die Eheleute als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte zwar die Aufwendungen für die Arbeitszimmer an, mangels beruflicher Veranlassung lehnte es den Abzug der Kosten für den Umzug jedoch ab.
Demgegenüber bejahte das Finanzgericht (FG) Hamburg den Werbungskostenabzug auch für die Umzugskosten. Der Umzug in die größere Wohnung sei beruflich veranlasst gewesen, da er zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen geführt habe.
Dem folgte der BFH aber (aus Steuerzahlersicht „leider“) nicht und bestätigte die ablehnende Entscheidung des Finanzamts.
Wohnung: privater Lebensbereich
Die Wohnung ist grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Daher zählen die Kosten für einen Wohnungswechsel regelmäßig zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung. Etwas anderes gilt nur, wenn die berufliche Tätigkeit den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel dargestellt hat und private Umstände allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben.
Beachten Sie | Dies ist aber nur aufgrund außerhalb der Wohnung liegender Umstände zu bejahen, etwa wenn
- der Umzug Folge eines Arbeitsplatzwechsels gewesen ist oder
- sich die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit durch den Umzug um mindestens eine Stunde täglich vermindert
Die Möglichkeit, in der neuen Wohnung (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, genügt nicht zur Begründung einer beruflichen Veranlassung des Umzugs. Es fehlt insoweit an einem objektiven Kriterium, das nicht auch durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist.
Die Entscheidung, in der neuen, größeren Wohnung (erstmals) ein Zimmer als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer „Arbeitsecke“ auszuüben, beruht auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatz verfügt oder durch die Arbeit im Homeoffice versucht, das Berufs- und Familienleben zu vereinbaren.
Quelle | BFH, Urteil vom 5.2.2025, VI R 3/23, PM 24/25 vom 17.4.2025
| Ein mit einem Preisgeld dotierter Wissenschaftspreis kann nur dann Arbeitslohn darstellen, wenn er dem Arbeitnehmer für Leistungen verliehen wird, die er gegenüber seinem Dienstherrn erbracht hat. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Fall eines Professors entschieden. |
Der Professor hatte die Habilitationsschriften überwiegend vor der Berufung in das Professorendienstverhältnis verfasst. Der preisbewehrten Habilitation lag zwar eine wissenschaftliche Forschungsleistung zugrunde. Diese gründete aber nicht auf der Forschungstätigkeit als Hochschullehrer. Wissenschaftspreis und Preisgeld stellten sich daher nicht als „Frucht“ dieser Tätigkeit dar.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 12/22
| Kann in Deutschland steuerpflichtigen Personen eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen inder Schweiz gewährt werden? Das Finanzgericht (FG) Köln hält das für möglich und hat sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar mit deutscher und schweizerischer Staatsbürgerschaft wohnte in der Schweiz. Der Ehemann war als Arbeitnehmer in Deutschland tätig und unterhielt hierfür eine Wohnung in Deutschland. Für das gemeinsame Haus in der Schweiz beauftragten die Eheleute verschiedene Handwerks- und Gartenbauarbeiten i. S des Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 a EStG) und begehrten eine Ermäßigung ihrer Einkommensteuer.
Das Finanzamt lehnte dies jedoch ab, weil die Dienstleistungen in der Schweiz ausgeführt wurden (vgl. § 35 a Abs. 4 S. 1 EStG). Hiergegen erhoben die Eheleute erfolgreich Klage.
Freizügigkeitsabkommen
Das FG Köln bezweifelt, ob es mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist, dass die Steuerermäßigung nur für Dienstleistungen beansprucht werden kann, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt ausgeübt oder erbracht werden.
Beachten Sie | Bis zur Entscheidung des EuGH ist das Verfahren ausgesetzt.
Quelle | FG Köln, Beschluss vom 20.2.2025, 7 K 1204/22; PM vom 25.3.2025; EuGH: C-223/25
| Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen, z. B. Sachverständigengutachten, sind in der Regel nicht notwendig und werden daher nicht erstattet. Das ist der Grundsatz, von dem die Rechtsprechung ausgeht. Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme – wie eine Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Senftenberg anschaulich zeigt. |
Schwierige technische Fragestellungen
Ausnahmsweise werden nach dieser Entscheidung die Kosten z. B. für das Einholen eines privaten Sachverständigengutachtens unter anderem als notwendige Kosten anerkannt, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind. Gleiches gilt, wenn aus Sicht des Betroffenen aus einer Anfangsbetrachtung ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre.
Amtsgericht hält Kosten ausnahmsweise für erstattungsfähig
Diese Grundsätze hat das AG in seiner Entscheidung bestätigt. Es hat die Kosten für ein Sachverständigengutachten, mit dem die Messdaten einer Geschwindigkeitsmessung überprüft worden sind, daher als erstattungsfähig angesehen.
Quelle | AG Senftenberg, Urteil vom 28.2.2024, 50 OWi 1617 Js 22408/22
| Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h liegenden Tempo fährt, muss seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten. Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des Navigationssystems kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entschieden. |
Konzentrieren und Gerätebedienen ist gefährlich
Geklagt hatte eine Autovermieterin gegen den Fahrer eines vermieteten Pkw. Der Fahrer war auf der Autobahn verunfallt und hatte den Wagen beschädigt. Während er auf der linken Spur fuhr, bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs bei Tempo 200, um dort Informationen abzurufen. Dabei geriet das Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke.
Mietvertrag sah Kürzung der Haftungsfreistellung vor
Das Gericht verwies auf die Vereinbarung im Mietvertrag. Danach könne die Haftungsfreistellung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt werden. Der Fahrer habe hier grob fahrlässig gehandelt. Die Autovermieterin könne daher die Hälfte des Schadens – ca. 12.000 Euro – bei ihm geltend machen.
Für das Gericht war es dabei unerheblich, dass der Pkw einen sog. Spurhalteassistenten hatte. Zumindest bei derart hohen Geschwindigkeiten reduziere dieser den Schuldvorwurf nicht.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 2.5.2019, 13 U 1296/17
| Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie beschäftigt immer noch die Gerichte. Aktuell hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden: Die Mitglieder einer Fahrgemeinschaft waren auch in der Corona-Hochphase für gegenseitige Ansteckungen nicht verantwortlich zu machen. Eine auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage eines Mitfahrers hat das LG deshalb abgewiesen. |
Im Frühjahr 2022 stieg der Mitfahrer ohne Maske zu seinem Kollegen ins Auto, um gemeinsam zur Arbeit zu fahren. Am Abend desselben Tages schrieb er in die WhatsApp-Gruppe der Fahrgemeinschaft, dass er positiv getestet sei und sich in Quarantäne befinde.
Fahrer behauptete Ansteckung und verlangte Schmerzensgeld
Der schon zuvor an Asthma erkrankte Fahrer behauptete im Prozess, er habe sich während der gemeinsamen Fahrt mit dem Coronavirus infiziert und sei nun dauerhaft arbeitsunfähig („Post-Covid-Syndrom“). Der Mitfahrer schulde ihm daher Schmerzensgeld in Höhe von nicht unter 20.000 Euro, weitere 4.000 Euro Schadenersatz und müsse darüber hinaus für zukünftig auftretende Schäden einstehen.
Landgericht: Reine Gefälligkeit – keine Haftung
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Im Rahmen der wechselseitigen Gefälligkeit einer Fahrgemeinschaft sei bereits unter den Gesichtspunkten eines stillschweigenden Haftungsverzichts und des Handelns auf eigene Gefahr eine gegenseitige Haftung ausgeschlossen. Es sei zudem aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie allgemein bekannt gewesen, dass enger persönlicher Kontakt die Hauptinfektionsquelle darstellte. Obwohl der unter Asthma leidende Fahrer bemerkt habe, dass sein Kollege beim Einsteigen keine Maske trug, habe er ihn nicht gebeten, eine solche aufzusetzen. Er habe sich daher erkennbar trotz seiner Vorerkrankung dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Dass er sich keine Gedanken über einen ungünstigen Verlauf einer Infektion mit möglichen Dauer- und Folgeschäden gemacht habe, rechtfertige keine andere Beurteilung.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 16.12.2024, 7 O 110/24, PM vom 31.1.2025
| Mit der Frage, ob ein 13-jähriges Kind für einen Glasschaden an einem Schaufenster verantwortlich ist, hat sich das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. |
Glasbruch nach Nutzung eines Spielgeräts
Das Kind hatte in der Fußgängerzone von Frankenthal ein festmontiertes Spielgerät in Gestalt einer Drehscheibe genutzt und war beim Absteigen gegen ein daneben befindliches Schaufenster getaumelt. Für den dadurch entstandenen Glasbruch muss das Kind nicht haften, entschied das LG und hat die Klage der Ladenbesitzer abgewiesen.
Der Junge gab an, dass er auf dem Schulweg an dem Spielgerät vorbeigekommen sei. Er habe sich auf das Karussell gestellt, das ein Freund gedreht habe, zunächst langsam, dann immer schneller. Nachdem der Freund die Drehung gestoppt habe, sei er rückwärts gegen die keine drei Meter entfernte Fensterscheibe getaumelt, die daraufhin zerbrochen sei.
Schaden schuldhaft verursacht?
Die Ladenbesitzer warfen dem Jungen vor, den Schaden schuldhaft verursacht zu haben. Er sei bereits zu alt gewesen für das Karussell, zudem habe er sich damit zu schnell gedreht. Die Sturzgefahr und der mögliche Glasbruch seien für ihn erkennbar gewesen.
Landgericht: kein Verschulden des Kindes!
Das LG ging zwar davon aus, dass sich der 13-Jährige der grundsätzlichen Stolpergefahr durchaus bewusst und auch hinreichend einsichtsfähig war. Beides ist erforderlich, damit Minderjährige in diesem Alter überhaupt selbstständig haften. Gleichwohl konnte das LG das für einen Schadenersatzanspruch erforderliche Verschulden des Kindes nicht feststellen. Denn der Junge habe die Drehscheibe bestimmungsgemäß genutzt. Es sei gerade Sinn und Zweck des Karussells, trotz der Drehbewegung die Balance zu halten und der Gefahr des Herunterfallens zu trotzen. Das Kind sei weder zu alt noch zu groß für das Spielgerät gewesen.
Das Gericht hat nicht verkannt, dass die Ladenbesitzer nun auf ihrem Glasschaden sitzen bleiben. Dies resultiert gemäß LG jedoch daraus, dass unsere Rechtsordnung – von einigen hier nicht vorliegenden Sonderfällen abgesehen – dem Prinzip der Verschuldenshaftung folgt.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 29.11.2024, 9 O 27/24, PM vom 19.12.2024
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Bürgergeldempfänger gelten nicht als hilfebedürftig, wenn sie ein (zu) großes Einfamilienhaus gebaut haben und dessen Wert zur Sicherung des Lebensunterhalts nutzen können. |
Familie hatte während Bürgergeldbezug größeres Haus gebaut
Dem Verfahren lag ein Eilantrag einer Familie aus dem Emsland zugrunde. Diese hatte ihr selbstbewohntes Hausgrundstück für 514.000 Euro verkauft, nachdem sie während des Bürgergeldbezugs ein neues Haus gebaut hatte. Aufgrund des erzielten Verkaufserlöses hob der Grundsicherungsträger die Leistungsbewilligung auf.
Demgegenüber vertrat die Familie die Auffassung, das neue Haus sei geschütztes Vermögen und dürfe nicht zur Deckung des Lebensunterhalts herangezogen werden. Zudem berief sie sich auf die gesetzliche Karenzzeit von 12 Monaten, während der auch großzügige Wohnverhältnisse voll finanziert werden müssten.
Landessozialgericht: Familie nicht bedürftig
Das LSG bestätigte die Auffassung der Behörde. Die Familie sei nicht bedürftig, da das neue Hausgrundstück mit 254 m² Wohnfläche und sieben Bewohnern kein geschütztes Vermögen darstelle. Eine Verwertung des Vermögens zur Sicherung des Lebensunterhalts sei durch Beleihung möglich. Bei einem Verkehrswert von 590.000 Euro und einer Grundschuld von 150.000 Euro stehe ein unbelasteter Wert von 440.000 Euro zur Verfügung.
Die Berufung auf die gesetzliche Karenzzeit lehnte das Gericht ebenfalls ab. Die Regelung diene dem Zweck, dass Leistungsempfänger nicht sofort ihr angespartes Vermögen, etwa für die Altersvorsorge, aufbrauchen müssen, wenn sie nur vorübergehend auf Bürgergeld angewiesen sind. Die Karenzzeit solle dabei helfen, plötzliche Härten abzufedern.
Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um eine unerwartete Notlage, sondern um langjährige Leistungsbezieher, die ihre Wohnsituation und ihr Immobilienvermögen optimieren wollten. So habe die Familie als Verkaufsgrund des alten Hauses angegeben, die Entfernung zur Innenstadt sei ihnen zu weit gewesen.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.1.2025, L 11 AS 372/24 B ER, PM vom 20.1.2025
| Der gezahlte Reisepreis kann um 30 Prozent gemindert werden, wenn das Gepäck des Pauschalreisenden beim Hinflug zu spät ausgeliefert wird und deshalb während einer Kreuzfahrt in die Arktis nicht zur Verfügung steht. So entschied es das Landgericht (LG) München II zugunsten der Reisenden. |
Es ging um eine Expeditionsreise
Der Kläger und seine Mutter hatten im Jahr 2023 bei der Beklagten eine elftägige Pauschalreise nach Norwegen mit anschließender Kreuzfahrt „Auf den Spuren der Eisbären“ gebucht. Während des Hinflugs kam es zu einer verspäteten Auslieferung aller Gepäckstücke der Reisenden. Der Kläger und seine Mutter meldeten ihr Gepäck als verloren und erstatteten unverzüglich Schadensanzeige. Vor der Abfahrt des Schiffs kauften sie in Outdoor-Läden in Norwegen das Notwendigste ein. An Bord gab es eine Boutique und einen Wäscheservice. Schuhe und Parka für die Expeditionen an Land wurden gestellt. Die Beklagte erstattete den Reisenden außergerichtlich 25 Prozent vom gezahlten Reisepreis und 1.500 Euro (von 2.306,07 Euro) für die Ersatzbeschaffungen. Vor Gericht machte der Kläger den Restbetrag für die Ersatzbeschaffungen, weitere 15 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und einen „Schadenersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreuden“ geltend.
Landgericht sprach Minderung zu
Das LG sprach dem Kläger eine Minderung in Gesamthöhe von 30 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und für die Ersatzbeschaffungen weitere 516,20 Euro zu; einen Anspruch auf Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wies das LG jedoch ab.
Das LG begründete seine Entscheidung damit, dass das Fehlen von Gepäck mit persönlichen Gegenständen des Reisenden einen Reisemangel darstellt. Weil der Veranstalter jedoch keine besondere Kleiderordnung bei den Mahlzeiten und die Ausrüstung für die Expeditionen zur Verfügung gestellt hatte und es einen Wäscheservice an Bord gab, erachtete das Gericht eine Minderung von 30 Prozent des gezahlten Reisepreises als ausreichend und angemessen.
Bei den Ersatzbeschaffungen (Verbrauchsartikel, Grund- und Funktionsbekleidung) hatte der Reiseveranstalter unter anderem einen Abschlag für Vermögensvorteile vorgenommen, weil die Reisenden die Sachen nach der Rückkehr weiterhin nutzen können. Das Gericht folgte dem Argument der Beklagten nicht, soweit es sich um „Funktionskleidung“ handelte, denn der Kläger und seine Mutter hatten das Gericht davon überzeugt, dass sie die eigens für eine Expedition in die Arktis gekaufte Funktionsbekleidung nicht mehr benötigten. Anders sah es das Gericht bei den Verbrauchsartikeln (Waschmittel, Zahnpasta, etc.) – die Reisenden erhielten ihre Koffer bei der Rückkehr von der Reise zurück und konnten die darin enthaltenen Verbrauchsartikel (weiter) nutzen.
Schadenersatzanspruch abgelehnt
Einen Schadenersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit lehnte das Gericht ab, weil der Kläger und seine Mutter aufgrund der Möglichkeit von Ersatzbeschaffungen in Longyearbyen und an Bord sowie wegen der ihnen zur Verfügung gestellten Ausrüstungsgegenstände (Schuhe, Parka) an der Kreuzfahrt und den Expeditionen an Land teilnehmen konnten, was Sinn undZweck der gebuchten Expeditionsreise war.
Quelle | Landgericht München II, Endurteil vom 10.1.2025, 14 O 2061/24, PM 1/25
| Ein Ehemann kann nach der Trennung von seiner Frau verlangen, die Nutzungsverhältnisse an einem gemeinsamen Haus neu zu ordnen. Das stellte das Oberlandesgericht (OLG) Celle fest. |
Ärzteehepaar trennte sich
Nachdem sich ein Ärzteehepaar getrennt hatte, wollte der Mann in ein gemeinsames Haus des Paares ziehen. Doch dort wohnte seine Schwiegermutter. In der ihr allein gehörenden Ehewohnung lebte die Frau mit den gemeinsamen Kindern. Der Mann schlief zunächst in seiner Praxis, dann bei Bekannten. Schließlich wohnte er zur Untermiete.
Den Eheleuten gehörte aber hälftig noch das von der Schwiegermutter bewohnte Einfamilienhaus mit Garten. Dieser wollte der Mann wegen Eigenbedarf kündigen. Dazu war die Mitwirkung seiner Ehefrau erforderlich. Das lehnte sie ab. Sie meinte, der Mann wolle sie nur zwingen, ihrer Mutter zu kündigen. Auch habe er noch ein weiteres Haus. Der Mann klagte.
Amtsgericht: Eigenbedarf nicht genügend dargelegt
Das Amtsgericht (AG) wies seine Klage ab. Der Mann habe den Eigenbedarf nicht hinreichend dargelegt. Da die Schwiegermutter eine nahe Angehörige sei, könne ihre Tochter selbst Eigenbedarf anmelden. So zog der Mann vor das OLG.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG gab dem Mann Recht. Ihm sei seit der Trennung ein Festhalten am Mietverhältnis nicht länger zuzumuten. Auch habe er seinen Eigenbedarf ausreichend dargelegt. Er hatte vorgetragen, dass sein jetziges Mietverhältnis nur befristet war. Ein ständiges Wohnen in der Praxis sei ihm nicht zuzumuten. Ein Umzug in das andere Haus sei ihm ebenfalls nicht zuzumuten, da dieses noch ein Rohbau sei und er auch kein Geld für einen Umzug habe. Nach all dem sah das OLG den geltend gemachten Eigenbedarf nicht als „offensichtlich aussichtslos“ an. Vor allem sei die Frau in der Lage, ihre Mutter in der Ehewohnung und einer nicht genutzten Einliegerwohnung aufzunehmen.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 19.2.2025, 21 UF 237/24
| Wer einen überschuldeten Nachlass erbt, kann innerhalb einer Frist von sechs Wochen das Erbe ausschlagen. Sonst gilt die Erbschaft als angenommen und er haftet für die dem Nachlass zuzuordnenden Schulden. War dem Erben nicht bekannt, dass der Nachlass überschuldet ist, kann noch die Anfechtung wegen Irrtums helfen. Mit den Voraussetzungen dafür hat sich jetzt das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. Es hat entschieden, dass der als Erbe eingesetzte Sohn eines Verstorbenen nicht für die Beerdigungskosten aufkommen muss, weil er die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten hat. |
Witwe verlangte Bestattungskosten von Sohn des Verstorbenen
Der Verstorbene hatte seinen Sohn aus erster Ehe testamentarisch zu seinem Erben bestimmt. Die beiden pflegten zuletzt keinen Kontakt mehr zueinander. Nach dem Tod übernahm zunächst die Witwe die Bestattungskosten von rund 7.500 Euro und wollte diese vom Sohn erstattet haben, da dieser die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte. Daraufhin erklärte der Sohn die Anfechtung der Erbschaftsannahme. Er habe nicht gewusst, dass die Bestattungskosten zu den Nachlassverbindlichkeiten gehörten und der Nachlass damit überschuldet sei.
Irrtum über die Beerdigungskosten
Dieser Argumentation hat sich das LG angeschlossen. Der Sohn habe die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten und müsse daher nicht für die Beerdigungskosten aufkommen. Die Anfechtung wegen unerkannter Überschuldung eines Nachlasses sei ein in der Rechtsprechung anerkannter Anfechtungsgrund. Sie setze voraus, dass der Anfechtende eine wesentliche Forderung gegen den Nachlass irrtümlich übersieht. Hier seien die Bestattungskosten eine wesentliche Forderung, da der Nachlass überschuldet sei, wenn man sie berücksichtige. Es sei auch glaubhaft, dass sich der Sohn über die Beerdigungskosten geirrt habe. Denn die Witwe habe ihm noch zu Lebzeiten des Vaters mitgeteilt, für die Beerdigung könne der Erlös aus dem Verkauf eines Pkw verwendet werden. Daher durfte der Sohn davon ausgehen, als Erbe seines Vaters nicht für die Bestattung aufkommen zu müssen, so die Kammer. Wenn kein Erbe in Anspruch genommen werden kann, muss die Witwe als Ehefrau nach den Vorschriften des Landesrechts selbst für die Beerdigungskosten aufkommen, so das LG.
Quelle | Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 27.2.2025, 8 O 189/24, PM vom 31.3.2025
| Die Kosten eines Vaterschaftsanerkennungsverfahrens können zwischen dem im Verfahren ermittelten biologischen Vater und der Mutter hälftig geteilt werden. Weder der Umstand, dass der Vater nicht bereits auf Basis eines Privatgutachtens zur Anerkennung der Vaterschaft bereit war, noch, dass er nach Angaben der Mutter der einzige Verkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit war, rechtfertigen eine alleinige Kostenlast des Vaters. So entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |
Streit um Kosten
Die Beteiligten streiten über die Kosten eines Abstammungsverfahrens. Die Mutter des Kindes hatte angegeben, mit dem sog. Putativvater (also dem, der als möglicher Vater in Betracht kommt) in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehrs gehabt zu haben. Ein außergerichtlicher Vaterschaftstest hatte diesen als Vater festgestellt. Das Kind begehrte daraufhin, die Vaterschaft des Putativvaters gerichtlich festzustellen. Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens stellte das Amtsgericht (AG) die biologische Vaterschaft des Putativvaters fest und legte die Verfahrenskosten hälftig der Mutter und dem nun festgestellten Vater auf.
So sah es das Oberlandesgericht
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Mutter gegen die Auferlegung der Hälfte der Kosten. Dies hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das AG habe im Ergebnis zutreffend die Kosten nach billigem Ermessen zwischen der Kindesmutter und dem Kindesvater hälftig geteilt, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Bei einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren handele es sich nicht um ein echtes Streitverfahren. Neben dem Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens könnten deshalb weitere Umstände von Bedeutung sein. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten sei allerdings regelmäßig unbillig, da es selbst nicht zur Unsicherheit an der Vaterschaft beigetragen habe.
Hier sei es nicht angemessen, dem Vater die alleinigen Kosten aufzuerlegen. Er habe insbesondere nicht „grob schuldhaft“ das Verfahren veranlasst. Ihm sei es vielmehr nicht zumutbar gewesen, die Vaterschaft bereits außergerichtlich ohne gutachterliche Klärung der biologischen Abstammung durch Sachverständigengutachten anzuerkennen. Allein die Angabe der Mutter, sie habe in der Empfängniszeit nur mit dem Vater verkehrt, genüge zur Begründung eines groben Verschuldens nicht. Vielmehr habe der Vater berechtigte Zweifel ans einer Vaterschaft haben dürfen. Unwidersprochen habe er mit der Kindesmutter in der Empfängniszeit keine Beziehung geführt und auch nicht mit ihr zusammengelebt. Damit hätten ihm konkrete Einblicke in die Lebensverhältnisse der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit gefehlt. Für ihn habe damit auch keine Möglichkeit bestanden, abzuschätzen oder zu beurteilen, ob die Mutter des Kindes zu weiteren Männern eine intime Beziehung unterhalten habe.
Außergerichtlicher Vaterschaftstest schließt gerichtliche Überprüfung nicht aus
Auf den bereits außergerichtlich durchgeführten Vaterschaftstest habe er sich nicht verlassen müssen. Er könne vielmehr geltend machen, dass er angesichts der hohen rechtlichen Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Abstammungsgutachtens eine gerichtliche Überprüfung wünsche. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass „beide Eltern das Verfahren über eine Entscheidung über die Abstammung dadurch gleichermaßen veranlasst haben, dass sie innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben. Damit erscheint es in der Regel auch gerechtfertigt, die Kosten eines solchen Verfahrens gleichmäßig auf beide Eltern zu verteilen“, unterstrich das OLG.
Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 13.1.2025, 6 WF 155/24, PM 4/25
| Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung ist so zu verstehen, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, sofern diese nicht bereits von Dritten erbracht und dem Architekten zur Verfügung gestellt wurden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden. |
Ein Architekt war mündlich damit beauftragt worden, die Baugenehmigung für die Erweiterung eines Gasthofs einzuholen. Damit war klar, dass er die Leistungsphase 4 im Leistungsbild Gebäude und Innenräume sowie Tragwerksplanung erbringen musste. Da er vom Auftraggeber nur Bestandszeichnungen erhalten hatte, die nicht an eine Vor- oder Entwurfsplanung heranreichten, verlangte er auch das Honorar für diese notwendigen Leistungen. Der Auftraggeber weigerte sich. Er meinte, er habe nur die Genehmigungsplanung beauftragt.
Das OLG gab dem Architekten Recht und sprach ihm das Honorar für die Leistungsphasen 1 bis 4 zu. Es komme nicht auf die Regelungen der HOAI, sondern auf den Inhalt des konkreten Auftrags an. Nicht entscheidend sei, ob die Parteien einen schriftlichen oder mündlichen Vertrag geschlossen, sondern was sie tatsächlich vereinbart haben. Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung müsse dann so verstanden werden, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, da diese notwendige Voraussetzung für die Erstellung der Genehmigungsplanung ist. Etwas anderes gelte nur, wenn die vorangehenden Planungsleistungen bereits von Dritten erbracht wurden und dem Architekten zur Verfügung gestellt werden.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2022, 4 U 142/20
| Beauftragt ein Bauträger einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt vom Architekten nur die Überprüfung einzelner Maße, übernimmt der Bauträger das mit der begrenzten Überprüfung verbundene Risiko selbst. Er kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin als Bauträgerin machte gegen den beklagten Architekten im Wege einer Schadenersatzklage i. H. v. 100.000 Euro wegen mangelhafter Architektenleistungen bei der Planung einer Wohnungseigentumsanlage geltend. Die Klägerin ist der Auffassung, die die Pläne des Vermessungsingenieurs überarbeitende Wohnflächenberechnung des Beklagten für bestimmte Bestandsgebäude habe eine zu geringe Wohnfläche ausgewiesen. Der Beklagte habe zugesichert, dass die Abweichungen der Wohnflächen von den Bestandsplänen des Vermessers unter einem Prozent lägen, tatsächlich gebe es Abweichungen bis zu 8%. Zahlreiche Wohnungen seien daher mit zu geringer Flächenangabe verkauft worden und deshalb sei ein Mindererlös entstanden.
Der Beklagte bestreitet eine fehlerhafte Flächenermittlung, die sich ohnehin nur auf die örtliche Überprüfung der Maße aus den Bestandsplänen des Vermessers hinsichtlich der für die Werkplanung entscheidenden Stellen bezogen habe. Ein Auftrag zu einer kompletten Neuvermessung des Bestands sei gerade nicht erteilt worden.
Zudem meint die Klägerin, der Beklagte habe bei der Grundlagenermittlung übersehen, dass die Geschossdecken in einem Bestandsgebäude Betonhohlkörperdecken waren, die einen unerwartet hohen Sanierungsaufwand erforderten, und es versäumt, vor Baubeginn die Fundamente an der Seite zu einem anderen Grundstück zu überprüfen. Infolge dieser Planungsfehler hätten sich die Baukosten für das Bestandsgebäude deutlich erhöht. Die Umbaukosten beliefen sich somit auf mindestens 950.000 Euro. Ein vollständiger Abriss und Neubau hätte dagegen (nur) 752.499 Euro gekostet und wäre im Vergleich zu den tatsächlich entstandenen Kosten günstiger gewesen. Bei erzielbaren Verkaufserlösen abzüglich der Kosten für Abriss/Neubau hätte sich bei einem Neubau ein hoher sechsstelliger Überschuss ergeben. Der tatsächliche Überschuss durch den Umbau habe lediglich 107.000 Euro betragen.
Der Beklagte trägt hierzu vor, ihm sei vom Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt worden, dass es sich bei sämtlichen Bestandsdecken um Stahlbetonrippendecken handele. Eine Pflicht zur Überprüfung dieser Tatsache habe es nicht gegeben. Zudem habe sich die Klägerin in Kenntnis der Mehrkosten für eine Sanierung und gegen einen Abriss entschieden. Hinsichtlich des Fundaments sei die Klägerin bereits vor Beauftragung des Beklagten in Kenntnis gesetzt worden, dass dessen Tragfähigkeit ein Risiko darstelle. Sie habe dennoch entschieden, das Fundament erst im Zuge der Aushubarbeiten zu untersuchen, um Kosten einzusparen.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG stellte klar: Wie bei einem Bauvertrag kann auch zwischen einem Architekten und seinem Auftraggeber eine von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichende Ausführung vereinbart werden, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen.
Beauftragt eine Bauträgerin einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt sie vom Architekten, einzelne Maße zu überprüfen, übernimmt die Bauträgerin sehenden Auges das mit der begrenzten Überprüfung der Maße verbundene Risiko und kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Weist der Architekt seinen Auftraggeber darauf hin, dass die zu planende Wohnung ohne Sonnenschutz nicht funktioniert, muss der Auftraggeber erkennen, dass bei Umsetzung der Planung eine im Hinblick auf den Wärmeschutz nicht ausreichend funktionstüchtige Wohnung errichtet wird, und es bedarf keines weiteren Hinweises, dass dann (auch) die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten sind.
Macht der Auftraggeber eines Architekten geltend, dass er im Fall einer mangelfreien Beratung von der Sanierung eines Gebäudes abgesehen und einen profitableren Neubau errichtet hätte, schafft der Auftraggeber für eine Schadensschätzung bzw. Begutachtung nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn er nachvollziehbar darlegt, welches Gebäude mit welchen Eigenschaften er statt der Sanierung errichtet hätte.
Macht ein Auftraggeber geltend, bei einem mangelfreien Architektenwerk hätte er die zu errichtenden Wohnungen teurer verkaufen können, ist ein Schaden nur schlüssig dargelegt, wenn die Kalkulationsgrundlagen für den erzielten und den geltend gemachten Kaufpreis offengelegt werden und nachvollziehbar vorgetragen wird, dass ein höherer Kaufpreis am Markt hätte durchgesetzt werden können.
Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 17.12.2024, 10 U 38/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Aachen hat die Klage eines Realschullehrers auf Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Festsetzung von Erfahrungsstufen und mithin auf eine höhere Besoldung abgewiesen. |
Eine Tätigkeit als Anbieter von Cocktailkursen ist für die Tätigkeit als verbeamteter Lehrer nicht förderlich im besoldungsrechtlichen Sinne. Eine Tätigkeit ist allgemein förderlich, wenn sie für die Dienstausübung des Beamten nützlich bzw. von konkretem Interesse ist, d. h. wenn diese entweder erst aufgrund der früher gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht oder wenn sie jedenfalls erleichtert und verbessert wird.
Ausgehend hiervon kann die Tätigkeit als Betreiber einer Gesellschaft, die Cocktailkurse und Barcatering anbietet – auch wenn diese Tätigkeit über mehrere Jahre ausgeübt wurde – nicht als förderlich angesehen werden. Das Halten von Cocktailkursen ist weder qualitativ noch quantitativ mit der Tätigkeit eines Realschullehrers vergleichbar. So hat der Kläger im Rahmen seiner Cocktailschule insbesondere nicht mit Minderjährigen gearbeitet, sondern deren Angebot zielte auf die Schulung von Mitarbeitern aus dem Hotel-, Restaurant- und Cateringgewerbe. Auch sind die Anforderungen an die Erstellung eines Cocktailkurses nicht mit der Erstellung eines differenzierten Lehrplans für Schulunterricht in den Schulklassen 5 bis 10 vergleichbar.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 20.1.2025, 1 K 2377/23, PM vom 3.2.2025
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Ein Beschäftigungsverhältnis wird erst ab dem Beginn der Entgeltfortzahlung und nicht schon mit Abschluss des Arbeitsvertrags begründet. |
Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankgemeldet
Geklagt hatte ein 36-jähriger Arbeitsloser, dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld Ende Oktober 2023 auslief. Anfang Oktober unterschrieb der Mann einen Arbeitsvertrag als Lagerist bei einem Reinigungsunternehmen zu einem Monatslohn von 3.000 Euro brutto. Er trat die Arbeit jedoch nie an, da er sich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankmeldete. Zwei Wochen später kündigte die Firma innerhalb der Probezeit.
Krankenkasse zahlte kein Krankengeld
Die Krankenkasse des Mannes lehnte daraufhin die Zahlung von Krankengeld ab. Begründung: Es habe kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, da der Mann kein Einkommen erzielt habe.
Der Mann verklagte das Unternehmen und verlangte die Anmeldung zur Sozialversicherung ab dem Beginn des Arbeitsvertrags. Er vertrat dazu die Auffassung, dass bereits durch einen rechtsgültigen Vertrag, der eine Entgeltzahlung vorsehe, ein Beschäftigungsverhältnis zustande komme. Dies müsse auch gelten, wenn ihm der Arbeitsantritt krankheitsbedingt nicht möglich sei. Andernfalls würde er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit leer ausgehen.
Landessozialgericht gab Krankenkasse Recht
Das LSG vermochte sich der Rechtsauffassung des Klägers nicht anzuschließen. Der Arbeitgeber müsse ihn nicht zur Sozialversicherung anmelden, da ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht schon mit dem Beginn des Arbeitsvertrags entstanden sei. Erforderlich sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe. Dieser Anspruch entstehe jedoch bei neuen Arbeitsverhältnissen generell erst nach einer vierwöchigen Wartezeit.
Wartezeit war ohnehin nicht erfüllt
Diese gesetzliche Regelung solle verhindern, dass Arbeitgeber die Kosten der Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer tragen müssen, die direkt nach der Einstellung erkrankten. Der Gesetzgeber habe eine solche Konsequenz als unbillig angesehen.
Unabhängig davon müsse der Mann sich erst an seine Krankenkasse wenden, bevor er seinen Arbeitgeber verklage.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.1.2025, L16 KR 61/24
Abschließende Hinweise
| Auch in einem Minijob gibt es bezahlten Urlaub. Doch in diesem Zusammenhang stellen sich viele Fragen: Wie viele freie Tage stehen einem Minijobber zu? Was gilt bei unregelmäßiger Arbeitszeit? Wie wirkt sich das Urlaubsgeld auf den Minijob aus? Diese und weitere Fragen hat die Minijob-Zentrale jüngst beantwortet. |
So erläutert die Minijob-Zentrale beispielsweise, dass der Lohn während des Urlaubs weitergezahlt werden muss (Urlaubsentgelt). Das ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt. Zusätzlich kann es Urlaubsgeld geben (als freiwillige Zahlung zum Urlaub).
Quelle | Minijob-Zentrale vom 11.6.2025 „Urlaub im Minijob: Ihre Fragen – Wir antworten!"
| Es gibt steuerliche Betriebsprüfungen, die bereits nach kurzer Zeit abgeschlossen sind. Andere Prüfungen hingegen ziehen sich über Monate oder sogar über Jahre hin. Um die Betriebsprüfung zu beschleunigen, wurden nun mehrere gesetzliche Änderungen vorgenommen. |
Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen
Verzögerungen bei einer Betriebsprüfung können mitunter auf eine unzureichende Mitwirkung des Steuerpflichtigen zurückzuführen sein. Um dem entgegenzuwirken, sieht der neue § 200 a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) das qualifizierte Mitwirkungsverlangen vor, das sich auf die Mitwirkungspflichten nach § 200 AO stützt. Danach hat der Steuerpflichtige u. a. Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben.
Ermessensentscheidung des Prüfers
Das (neue) qualifizierte Mitwirkungsverlangen stellt eine Ermessensentscheidung des Prüfers dar, die frühestens nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ergehen darf. Entscheidet sich der Prüfer für ein solches Mitwirkungsverlangen, ist es schriftlich oder elektronisch (versehen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung) zu erteilen.
Beachten Sie | Der Steuerpflichtige muss in diesem Fall schnell handeln. Denn das Mitwirkungsverlangen ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe zu erfüllen. Nur in begründeten Einzelfällen kann die Frist verlängert werden.
Neu: Mitwirkungsverzögerungsgeld
Problematisch wird das qualifizierte Mitwirkungsverlangen für den Steuerpflichtigen, wenn es nicht oder nicht hinreichend innerhalb der Frist erfüllt wird. Denn in diesen Fällen wird das neu eingeführte Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt (§ 200 a Abs. 2 AO). Ausnahme: Die Mitwirkungsverzögerung erscheint entschuldbar, beispielsweise bei einer stark beeinträchtigenden Erkrankung.
Beachten Sie | Das Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung (also für jeden vollen Tag nach Verstreichen der im Mitwirkungsverlangen gesetzten Frist) 75 Euro. Gerechnet werden die Tage bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Mitwirkungsverlangen erfüllt wird – spätestens bis zum Tag der Schlussbesprechung. Denn nach der Schlussbesprechung gibt es keinen Bedarf mehr, eine Mitwirkung sicherzustellen.
Allerdings dürfen maximal 150 Tage zugrunde gelegt werden, sodass das Mitwirkungsverzögerungsgeld maximal 11.250 Euro betragen kann (150 Tage × 75 Euro).
Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld
Nicht immer bleibt es bei dem Mitwirkungsverzögerungsgeld. Denn es steht im Ermessen des Prüfers, nach § 200 a Abs. 3 AO zusätzlich einen Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzen. Voraussetzung ist, dass
- gegen den Steuerpflichtigen in den letzten fünf Jahren ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wurde und zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt oder
- wegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt. Davon ist auszugehen, wenn die Umsatzerlöse in einem der von der Prüfung umfassten Jahre mindestens 12 Mio. Euro betragen oder sich die konsolidierten Umsatzerlöse bei Konzernen auf mindestens 120 Mio. Euro belaufen.
Entscheidet sich der Prüfer für den Zuschlag, steht auch die Höhe in seinem Ermessen. Dabei darf der Zuschlag höchstens 25.000 Euro für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung betragen – ebenfalls für maximal 150 Tage (maximal somit 3,75 Mio. Euro).
Teilabschlussbescheid und Inkrafttreten
Um die Betriebsprüfungen zu beschleunigen, wurde auch der neue Teilabschlussbescheid eingeführt. Denn oft scheitert der zeitnahe Abschluss an einem einzelnen Sachverhalt, der nur durch intensiven Arbeitseinsatz aufgeklärt werden kann. Das Problem: So entsteht keine Rechtssicherheit bezüglich weiterer geprüfter Sachverhalte.
Durch den neuen § 202 Abs. 3 AO hat der Prüfer die Möglichkeit, bereits vor Abschluss der Prüfung einen Teilprüfungsbericht zu übermitteln und im Anschluss einen Teilabschlussbescheid zu erlassen. Hierdurch lassen sich einzelne im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte und abgrenzbare Feststellungen vor dem abschließenden Prüfungsbericht gesondert feststellen. Kann der Steuerpflichtige ein erhebliches Interesse an einem Teilabschlussbescheid glaubhaft machen, soll dieser auf Antrag ergehen.
Beachten Sie | Die Neuerungen gelten erst für Steuern und Steuervergütungen, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Sie sind aber auch für Steuern und Steuervergütungen anzuwenden, die vor dem 1.1.2025 entstehen, wenn für diese Steuern und Steuervergütungen nach dem 31.12.2024 eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde.
Quelle | Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie, BGBl I 2022, S. 2730
| Verlängert sich die dem Verbraucher gesetzlich eingeräumte 14-tägige Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge, wenn der Verkäufer in seiner Widerrufsbelehrung seine Telefonnummer nicht angibt? Diese Frage hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden. |
Kauf im Online-Shop über 62.000 Euro
Der Kläger hatte am 4.5.2022 über den Onlineshop der Beklagten ein Elektrofahrzeug zum Preis von rund 62.000 Euro erworben. Die Auslieferung des Fahrzeugs erfolgte am 20.12.2022. Am 14.8.2023 erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrags. Zu spät, entschied nun auch das OLG in zweiter Instanz und wies damit die Berufung des Klägers zurück.
Rechtlicher Hintergrund
Verbrauchern steht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: §§ 312 g Abs. 1, 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, im Normalfall beginnend ab Erhalt der Ware. Wird der Verbraucher jedoch nicht korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB). Die Informationspflichten des Unternehmers ergeben sich aus dem Einführungsgesetz zum BGB (hier: Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB). Der Unternehmer kann die Informationspflichten auch durch die Verwendung einer Musterwiderrufsbelehrung erfüllen, die sich in der Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB befindet.
Fehlende Telefonnummer ohne Auswirkungen
Hier hatte die Autohändlerin in ihrer selbst formulierten Widerrufsbelehrung, die sie dem Kläger übermittelte, keine Telefonnummer angegeben. Diese war jedoch auf der Internetseite der Beklagten zu finden. Das OLG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist geführt hat.
Widerruf eines Autokaufs wahrscheinlich eher schriftlich als per Telefon
Es entschied, dass die Widerrufsbelehrung auch ohne Angabe einer Telefonnummer den gesetzlichen Anforderungen genügt und sich die Widerrufsfrist daher nicht verlängert. Die Nichtangabe der Telefonnummer begründe bei einem Autokauf, der von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sei, nicht die Gefahr, dass der Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werde.
Ein typischer Kunde würde allein aus Beweiszwecken bei den hohen Summen eines Elektroautokaufs den Widerruf vernünftigerweise auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. per E-Mail) übermitteln.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 7.11.2024, 14 U 95/24, PM 8/25
| Hat sich der Übergeber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anlässlich der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ein Wohnungsrecht an einer Wohnung des übergebenen Vermögens vorbehalten, ist ein Sonderausgabenabzug des Mietwerts nach Meinung der Finanzverwaltung ausgeschlossen. Dieser Ansicht hat aber nun das Finanzgericht (FG) Nürnberg widersprochen. |
Hintergrund: Wird ein Betrieb gegen Versorgungsleistungen auf nahe Angehörige übertragen, kann der Betriebsübernehmer die Versorgungsleistungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 a Nr. 2 EStG) als Sonderausgaben abziehen, die der Empfänger versteuern muss (nach § 22 Nr. 1a EStG).
Das war geschehen
Anlässlich einer Hofübergabe wurde dem Übergeber ein Altenteil in Form eines vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts, Taschengelds und der Mitbenutzung von Gegenständen eingeräumt. Den vom Vermögensübernehmer als Sonderausgaben geltend gemachten Nutzungswert der Altenteilerwohnung erkannte das Finanzamt allerdings nicht an, da nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2010 nur die mit der Nutzungsüberlassung tatsächlich zusammenhängenden Aufwendungen (wie Strom, Heizung, Wasser und Instandhaltungskosten), nicht jedoch der Nutzungswert der Altenteilerwohnung berücksichtigt werden können.
Finanzgericht gibt Kläger Recht, Revision ist eingelegt
Die hiergegen eingelegte Klage war vor dem FG Nürnberg erfolgreich. Nach Auffassung des FG kann der Fall, dass der Versorgungsberechtigte mit dem ihm gewährten (höheren) Barunterhalt selbst eine Wohnung mietet, für den Bereich des Sonderausgabenabzugs nicht anders behandelt werden als der Fall, in dem sich die Versorgungsleistung aus (niedrigerem) Barunterhalt und unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zusammensetzt.
Da die Revision anhängig ist, muss nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden.
Quelle | FG Nürnberg, Urteil vom 6.2.2025, 4 K 1279/23, Rev. BFH: X R 5/25, BMF-Schreiben vom 11.3.2010, IV C 3 - S 2221/09/10004, Rz. 46
| Der Bundesfinanzhof (BFHZ) hat jüngst entschieden, dass die Erteilung von Reitunterricht nicht von der Umsatzsteuer befreit ist, es sei denn, der Unterricht dient der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung. |
Das war geschehen
Im Streitfall begehrte der Kläger die Steuerbefreiung verschiedener Reitkurse für Kinder und Jugendliche auf seinem Reiterhof in den Jahren 2007 bis 2011. In der „Ponygruppe“ wurden Kinder und Jugendliche und bei „Klassenfahrten“ wurden Schulklassen im Umgang mit Pferden unterrichtet.
Zudem wurden Kurse für eine „Große Pferdegruppe“ angeboten, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen gerichtet waren. Die unterrichteten Kinder und Jugendlichen wurden darüber hinaus verpflegt und übernachteten teilweise auch auf dem Reiterhof.
Uneinigkeit der gerichtlichen Instanzen
Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, dass sämtliche Leistungen steuerpflichtig seien. Das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein sah das aber größtenteils anders. So seien die Umsätze insoweit steuerfrei, als sie auf die Beherbergung und Verpflegung sowie auf den Teil des Reitunterrichts entfielen, mit dem die formalen Voraussetzungen dafür erlangt werden können, später den Beruf des Turniersportreiters auszuüben („Große Pferdegruppe“).
Der Meinung des Finanzgerichts hat sich der BFH aber nicht vollumfänglich angeschlossen.
Der BFH stellte klar, dass es sich bei der Beherbergung und Verpflegung von Kindern und Jugendlichen um selbstständige steuerbare Leistungen neben dem Reitunterricht handelt. Er hob weiter hervor, dass Reitunterricht (als spezialisierter Unterricht) kein „Schul- und Hochschulunterricht“ ist.
Beachten Sie | Entsprechendes ist bereits für Segel-, Fahr-, Schwimm-, Jagd- und Tanzschulen entschieden worden.
Anerkennung als Ausbildung an strenge Voraussetzungen geknüft
Die Einstufung von Reitunterricht als „Ausbildung“ oder „Fortbildung“ kommt nach Auffassung des BFH nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Reitunterricht, der typischerweise der Freizeitgestaltung dient, ist in der Regel keine Ausbildung oder Fortbildung, da er nicht auf einen bestimmten Beruf vorbereitet. Die Kurse der „Ponygruppe“ und für Schulklassen im Rahmen der „Klassenfahrten“ sind daher umsatzsteuerpflichtig.
Beachten Sie | Die Ansicht des BFH dürfte insoweit strenger sein als die Auffassung der Finanzverwaltung zu Ballett-, Tanz- oder Musikunterricht.
Spätere Turniersportreiter: umsatzsteuerfreie Kurse
Bei den Kursen der „Großen Pferdegruppe“ lagen hingegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme vor, da zahlreiche Teilnehmer später Turniersportreiter wurden. Diese Kurse sind folglich umsatzsteuerfrei.
Hinsichtlich der Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für die Kinder und Jugendlichen führte der BFH aus, dass die hierfür seinerzeit geltende Steuerbefreiung nur in Betracht kommt, wenn eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter vorliegt. Bereits hieran fehlte es aber im Streitfall. Denn der Kläger konnte eine solche Anerkennung nicht vorweisen.
Beachten Sie | Seit dem 1.1.2020 können nur noch die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben insoweit umsatzsteuerbefreit sein, was der Kläger aber nicht ist.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 9/22, PM 35/25 vom 30.5.2025
| Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen und übernimmt der neue Eigentümer die auf dem Grundstück lastenden Schulden, liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund : Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Spekulationsbesteuerung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 23 EStG).
Beachten Sie | Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die
- im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
Das war geschehen
Der Vater hatte im Jahr 2014 ein Grundstück für 143.950 Euro erworben und teilweise fremdfinanziert. 2019 übertrug er das Grundstück auf seine Tochter. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Grundstück einen Wert von 210.000 Euro. Die Tochter übernahm die am Übertragungstag bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 115.000 Euro.
Finanzamt: Aufteilung in entgeltlich und unentgeltlich
Das Finanzamt teilte den Vorgang (ausgehend vom Verkehrswert im Zeitpunkt der Übertragung) in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichenTeil auf. Soweit das Grundstück unter Übernahme der Verbindlichkeiten entgeltlich übertragen worden war, besteuerte das Finanzamt den Vorgang als privates Veräußerungsgeschäft.
Hiergegen klagte der Vater vor dem Finanzgericht (FG) Niedersachsen und bekam Recht. Die Begründung: Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten sind keine Veräußerungen (im Sinne des § 23 EStG).
Höchste Instanz bestätigt Vorgehen des Finanzamts
Doch die Freude währte nicht lange, denn der BFH schloss sich der Ansicht des Finanzamts an.
- Wird ein Wirtschaftsgut übertragen und werden damit zusammenhängende Verbindlichkeiten übernommen, liegt regelmäßig ein teilentgeltlicher Vorgang vor. In diesem Fall erfolgt eine Aufteilung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichenTeil.
- Wird das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen, unterfällt der Vorgang hinsichtlich des entgeltlichen Teils als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensteuer.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.3.2025, IX R 17/24, PM 37/25 vom 30.5.2025
| Frauen muslimischen Glaubens haben keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kfz mit einem Gesichtsschleier (Niqab). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin bestätigt. |
Antrag auf Ausnahmegenehmigung
Die Klägerin hatte ihren Antrag auf Ausnahmegenehmigung damit begründet, dass sie sich gemäß ihrem Glauben außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Da sie im Auto den Blicken fremder Menschen ausgesetzt sei, müsse es ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Das VG hatte die Klage abgewiesen.
Berufung nicht zugelassen
Das OVG hat den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Mit ihren Einwendungen hat die Klägerin es nicht vermocht, ernstliche Richtigkeitszweifel an der Entscheidung des VG zu wecken oder Verfahrensfehler offenzulegen.
Keine wesentliche Einschränkung der Religionsfreiheit
Die Annahme des VG, dass das Tragen einer Gesichtsverschleierung während des Autofahrens für die Religionsausübung typischerweise keine wesentliche Einschränkung bedeutet und angesichts der zeitlich und örtlich eingeschränkten Wirkung des Verbots hinzunehmen ist, konnte sie nicht durchgreifend in Frage stellen.
Dasselbe gilt für die Annahme des VG, dass das der zuständigen Behörde bei der Frage der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt wurde, weil der Eingriff zur Sicherstellung der effektiven automatisierten Verkehrsüberwachung gerechtfertigt ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Quelle | OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.4.2025, OVG 1 N 17/25 , PM 11/25
| Wer seine SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergibt, hat keinen Anspruch auf Rückzahlung abgebuchter Kreditkartenbeträge. So entschied es das Amtsgericht (AG) München. |
Das war geschehen
Der Ehemann der Klägerin wollte am Samstag, den 6.1.2024, für seine Ehefrau und sich eine Reise im Internet buchen. Hierzu gab er auf der Website „Check24“ die Daten der Kreditkarte seiner Ehefrau ein. Kurz darauf erschien eine Mitteilung, dass ein Betrag in Höhe von 318,99 Euro vorgemerkt sei, ehe weitere Mitteilungen über vergleichbare Vormerkungen erschienen. Die Klägerin veranlasste noch am selben Abend telefonisch die Sperrung der Kreditkarte. Am Montag, den 8.1.2024 sind sechs unberechtigte Abbuchungen zu je 318,99 Euro für Giftcards vom Konto der Klägerin erfolgt, insgesamt 1.953,29 Euro.
Zur Autorisierung der Transaktionen fand das Mastercard 3D-Secure-Verfahren Anwendung. Zur Aktivierung dieses Verfahrens auf einem weiteren Gerät übersandte die beklagte Bank am 6.1.2024 eine SMS-TAN an die von der Klägerin bei der Beklagten hinterlegte Mobilfunknummer. Die an die Klägerin versandte SMS-TAN wurde dann auf dem weiteren mobilen Endgerät, auf dem auch die Banking-App freigeschaltet wurde, am 6.1.2024 eingegeben und damit das Secure-Verfahren aktiviert.
Die Klägerin behauptete, dass sie diese Abbuchungen nicht autorisiert habe. Bei der Buchung sei sie nicht nach PIN oder Passwort gefragt worden, sie habe auch nirgendwo eine SMS-Tan eingegeben. Es sei nicht erkannt worden, dass es sich möglicherweise um eine „Fake“-Website handelte.
Die beklagte Bank ging davon aus, dass die Frau die SMS-Tan an einen Dritten weitergegeben haben muss, da eine Freigabe der Buchungen anders technisch nicht möglich gewesen sei und verweigerte die Zahlung. Die Klägerin verklagte die Bank daher vor dem AG auf Rückzahlung der 1.953,29 Euro.
So sah das Amtsgericht den Sachverhalt
Das AG wies die Klage ab. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Abbuchungen nicht von der Klägerin autorisiert waren, sondern von Dritten getätigt wurden. Aufgrund der Beweisaufnahme war das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin die SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergegeben haben muss, weshalb ein Schadenersatzanspruch der Bank gegen die Klägerin in gleicher Höhe bestehe, mit dem die Bank aufgerechnet habe.
Das AG: Der Vortrag der Bank, dass diese in ihren Systemen feststellen konnte, dass das Mastercard 3D-Secure Verfahren per Banking App für die Kreditkarte der Klägerin am 6.1.2024 um 13:30 Uhr aktiviert wurde, und zur Aktivierung dieses Verfahrens auf dem neuen Gerät eine SMS-TAN an die im Vertrag hinterlegte Mobilfunknummer der Klägerin versandt wurde, wurde durch Inaugenscheinnahme des Mobiltelefons der Klägerin bestätigt. Dort befindet sich eine SMS vom 6.1.2024 13:29 Uhr mit dem Inhalt: „ … ist Ihre TAN für die Aktivierung von Mastercard Identity Check vom 6.1.2024 13:44 Uhr.“ Der Eingang der SMS um 13:29 Uhr war im eingesehenen Nachrichtenverlauf um 13:29 Uhr dokumentiert und wird auch durch das vorgelegte IT-Protokoll belegt. Der Vortrag der Klägerin, keine SMS-TAN erhalten zu haben und dass ihr Mobiltelefon nicht in die Freigabe involviert war, erwies sich damit als widerlegt.
SMS-Tan war unzweifelhaft eingegeben worden
Die Bank hat unbestritten vorgetragen, dass aufgrund der manuellen Eingabe einer an die Mobilfunknummer der Klägerin versandten SMS-Tan ein Fremdzugriff technisch ausgeschlossen ist. Es wurde ein neues Gerät im Online-Banking der Klägerin als Freigabeinstrument im Rahmen des 2-Faktor-Authentifizierungsverfahrens hinterlegt. Hierzu war – technisch zwingend – die Eingabe der SMS-Tan erforderlich. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Klägerin durch Preisgabe der SMS-Tan Dritten eine Registrierung eines Geräts ermöglicht hat, wobei die Preisgabe persönlicher Sicherheitsmerkmale an Dritte gemäß den vertraglichen Bestimmungen untersagt war.
Verhalten der Klägerin war grob fahrlässig
Das Verhalten der Klägerin bewertet das Gericht als grob fahrlässig. Es ist eine Sache, wenn man seine Kreditkartendaten offenbart. Diese werden bei jeder Verwendung offenbart und können auch von der Karte abgelesen werden.
Die Weitergabe eines im Rahmen einer Zwei-Faktor-Autorisierung erhaltenden Zugangscodes kann nicht damit gleichgesetzt werden. Mit dieser Weitergabe hilft der Nutzer, die Sicherheitsarchitektur grundlegend auszuhebeln. Es muss jedem verständigen Nutzer solcher Kreditkarten klar sein, welches Risiko er mit der Weitergabe derartiger Daten schafft. Die Klägerin mag dies nicht bewusst getan haben und es mag auch nicht erinnerlich sein. Indessen lässt sich der Vorgang plausibel nicht anders erklären.
Quelle | AG München, Urteil vom 8.1.2025, 271 C 16677/24, PM 14/25
| Nach den Vorgaben des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes (FKAustG) werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates automatisch ausgetauscht. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun die Staatenaustauschliste 2025 bekanntgegeben. Enthalten sind die Staaten, mit denen der automatische Datenaustausch zum 30.9.2025 erfolgt. Weitere Informationen zum Informationsaustausch erhalten Sie u. a. auf der Website des Bundeszentralamts für Steuern (abrufbar unter www.iww.de/s2991). |
Quelle | BMF-Schreiben vom 3.6.2025, IV D 3 - S1315/00304/070/025
| Die Vermietung von Zimmerkontingenten an eine Kommune zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter überschreitet nicht den Nutzungszweck eines zum Hotelbetrieb gepachteten Gebäudes. Dies gilt jedenfalls, solange hiermit keine übermäßige Abnutzung oder sonstige Beeinträchtigung für den Verpächter verbunden ist, die über die übliche Nutzung durch Hotelgäste hinausgeht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die auf Räumung und Herausgabe des Hotels gerichtete Klage der Verpächterin abgewiesen. |
War die Unterbringung Geflüchteter vertragswidrig?
Die Klägerin schloss 2016 mit der Beklagten einen Vertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb des „Hotel F.“ in Gießen. Die Sache durfte vertraglich nur zum vereinbarten Nutzungszweck gebraucht werden. Seit Herbst 2022 buchte das Jugendamt der Stadt Gießen regelmäßig Zimmer für in seiner Obhut stehende Jugendliche. Nach Abmahnung kündigte die Klägerin 2023 fristlos. Sie hält die Unterbringung unbegleiteter Jugendlicher für vertragswidrig. Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt.
In der Berufung wies das OLG die Klage ab. Der Vertrag zwischen den Parteien sei nicht wirksam fristlos gekündigt worden. Die Beklagte habe nicht die Rechte der Klägerin durch eine unbefugte Überlassung an Dritte in erheblichem Maße verletzt. Dem Betrieb eines Hotels sei es immanent, dass es zu Beherbungsverträgen mit Dritten komme. Davon umfasst sei auch, dass bei der Buchung von Zimmerkontingenten durch Firmen o. Ä. ein ganzes Hotel faktisch durch denselben Mieter belegt werde. Der Abschluss von zeitlich begrenzten und auf bestimmte Zimmer bezogenen Beherbungsverträgen mit der Stadt Gießen sei folglich nicht unbefugt gewesen. Die Grenze zur unzulässigen Gebrauchsüberlassung wäre nur überschritten, wenn die Stadt das gesamte Gebäude übernommen und zu einem Flüchtlingsheim umgebaut hätte.
Keine Gefährdung der Mietsache, keine Pflichtverletzung
Eine zur Kündigung berechtigende Gefährdung der Mietsache durch unbegleitete minderjährige Geflüchtete sei nicht erkennbar. Es liege keine Pflichtverletzung wegen Überschreitung des Vertragszwecks vor, die zur Kündigung berechtigte. Die zeitweilige Vermietung zum o. g. Zweck überschreite nicht den Vertragszweck. Die vertraglich vereinbarte Nutzungsart als Hotel sei durch das Angebot von individueller Unterkunft, Service, Verpflegung und Nebenleistungen gekennzeichnet. Aufenthaltsdauer, -zweck und Motive für die Anmietung der Zimmer stellten keine entscheidenden Kriterien für die Bewertung als Hotelbetrieb dar. Es bestehe kein Anspruch darauf, „dass die Vermietung nur an einen bestimmten Personenkreis erfolgen darf, solange keine Beeinträchtigungen der Räumlichkeiten vorliegen bzw. zu befürchten sind“, unterstrich das OLG und es sei auch nicht vorgetragen, dass „Geflüchtete die Zimmer intensiver und nachlässiger nutzten als dies bei einer „normalen“ Vermietung an Hotelgäste der Fall wäre“.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.2.2025, 2 U 63/24, PM 21/25
| Das Landgericht (LG) Hanau hat entschieden: Die Anforderung von Belegkopien der Betriebskostenabrechnung ist kein wirksames Einsichtnahmeersuchen, wenn die Einsicht beim Vermieter zumutbar ist. Hierfür kommt es auf die Entfernung zur Mietwohnung an und nicht auf den Ort, an den der Mieter nach Mietende verzogen ist. |
Muss Mieter Belege einsehen oder muss Vermieter sie zuschicken?
Nach Mietvertragsende verlangte der Mieter die geleistete Kaution zurück. Die dann noch erstellte Betriebskostenabrechnung wies eine Nachforderung auf, die der Vermieter mit der Kaution verrechnete. Der inzwischen über 120 km weit weggezogene Mieter widersprach der Abrechnung, forderte die Übersendung von Belegkopien, um die Abrechnung zu prüfen, und klagte auf Rückzahlung der gesamten Kaution. Er bringt vor, keine Kopien erhalten zu haben, zumal der Vermieter für eine Einsichtnahme bei diesem nun zu weit entfernt sei.
So sahen es die Gerichte
Das Amtsgericht (AG) hat die Klage in Höhe der verrechneten Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das LG entschied, dass die Einwände gegen die Abrechnung zu unkonkret waren, weil der Mieter die Belege nicht geprüft hat. Der Vermieter habe die Belegeinsicht auch nicht verweigert, weil der Mieter unzulässigerweise die Übersendung von Kopien verlangte. Da die Belegprüfung grundsätzlich beim Vermieter erfolgen muss, lag schon kein wirksames Einsichtnahmeersuchen vor.
Kein Ausnahmefall
Der Mieter könne auch nicht ausnahmsweise die Zusendung von Kopien fordern. Das sei zwar möglich, wenn der Vermieter zu weit entfernt ansässig ist. Hierfür komme es jedoch auf die Entfernung der Mietsache zu diesem an, wobei eine Anreise von Hanau nach Frankfurt zumutbar sei. Dass der Mieter nun über 120 km entfernt wohnt, liege hingegen in seinem Risikobereich und führe nicht zu einem Recht auf Übersendung von Kopien.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | LG Hanau, Beschluss vom 24.3.2025, 2 S 43/24, PM vom 8.5.2025
| Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg bestätigte die Vorinstanz: Der kulturelle und familiäre Wert einer Sammlung aus Gemälden und historischen Gegenständen ist höher zu setzen als das Interesse einzelner Familienmitglieder an der Verwertung der Gegenstände. Letzteres hatte ein Teil der Familie aufgrund interner Differenzen verlangt. |
Das war geschehen
Die Nachfahren einer Nürnberger Patrizierfamilie stritten in einem Zivilprozess um den Erhalt ihrer Familiensammlung – einer Sammlung von Gemälden und historischen Gegenständen, die über Jahrzehnte als ungeteiltes Familienvermögen innerhalb der Familie über die Erbfolge weitergegeben wurde. Ein Teil der Familie begehrte den Pfandverkauf der historischen Sammlungsgegenstände, die teils in privater Nutzung sind, teils im Germanischen Nationalmuseum verwahrt werden, um die Erben- und Bruchteilsgemeinschaft auseinanderzusetzen. Die beklagten Familienmitglieder widersetzten sich dem und beriefen sich auf ein in einem Familienvertrag aus dem Jahr 1936 festgelegtes immerwährendes Teilungsverbot für das verfahrensgegenständliche Familienvermögen. Die Kläger verwiesen auf eine spätere Aufhebung sowie Nichtigkeit dieses Familienvertrags, denn dessen Regelungen sahen unter anderem die Weitergabe der Familiensammlung nur an männliche Nachkommen vor.
So sah es die erste Instanz
Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth hatte in erster Instanz die Klage abgewiesen. Es sah die Aufhebung des Familienvertrags nicht durch die vorhandenen Protokolle der Familienversammlungen belegt und erachtete das von der Familie im Jahr 1936 in Bezug auf die Familiensammlung vereinbarte dauerhafte Teilungsverbot als wirksam und fortbestehend an. Die Klagepartei habe auch keine Umstände vorgebracht, die als wichtiger Grund eine Aufhebung der Gemeinschaft rechtfertigen könne. Die im Verfahren vorgetragenen innerfamiliären Differenzen reichten hierfür nicht aus.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Hiergegen legte ein Familienmitglied der unterlegenen Klageseite Berufung zum OLG ein. Dieses hat das Ersturteil bestätigt und die zur Begründung des Aufhebungsanspruchs vorgebrachten Gründe und Einwendungen der Berufung für nicht durchgreifend erachtet. Wie das Erstgericht bewerte der Senat die erbrechtliche Regelung im Familienvertrag zum Ausschluss der weiblichen Nachkommen als nichtig, was aber die Wirksamkeit des dauerhaften Teilungsverbots nicht berühre. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kam das OLG zu dem Ergebnis, dass das beklagtenseits eingewandte familiäre als auch öffentliche Interesse am Erhalt der Gesamtheit der Sammlung als Kulturgut dem klägerischen Interesse an einer Aufhebung der Gemeinschaft und an einer damit verbundenen Zerschlagung der Sammlung überwiege.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 28.2.2025, 1 U 2451/23 Erb, PM 12/25
| Bauarbeiter, die auf Baustellen einfache Arbeiten verrichten, einen festen Stundenlohn erhalten und am Markt nicht erkennbar unternehmerisch auftreten, sind regelmäßig abhängig Beschäftigte, für die die Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen. Dies entschied in drei Urteilen das Hessische Landessozialgericht (LSG). |
Baufirmen müssenSozialversicherungsbeiträge nachzahlen
Die Deutsche Rentenversicherung entschied in mehreren Fällen, dass Bauarbeiter abhängig beschäftigt sind. In zwei Fällen forderte sie nach entsprechenden Betriebsprüfungen von den im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge in fünfstelliger Höhe. In einem weiteren Verfahren hatte sie zunächst über den Antrag auf Statusfeststellung zu entscheiden.
Weder schriftliche Verträge noch eigene Werkzeuge
In diesen Fällen hatten angeblich selbstständige Werkunternehmer auf Baustellen der jeweils klagenden Baufirma gearbeitet. Bei diesen Bauarbeitern handelte es sich um ausländische Staatsangehörige mit allenfalls geringen Deutschkenntnissen. Sie erledigten Abbrucharbeiten, Maurertätigkeiten und Pflasterarbeiten, sanierten Bäder oder arbeiteten im Trockenbau. Schriftliche Verträge oder Auftragsbestätigungen gab es nicht. Die Abrechnungen erfolgten auf Basis der aufgeschriebenen Stunden bei einem Stundenlohn zwischen 10 und 15 Euro. Die Materialien und Werkzeuge wurden bis auf Kleinwerkzeuge von den jeweiligen Baufirmen gestellt.
Scheinselbstständige statt Werkunternehmer
Das LSG folgte der Einschätzung der Rentenversicherung. In allen drei Verfahren liege Scheinselbständigkeit vor.
Bei einfachen, typischen Arbeitnehmerverrichtungen, die der Beschäftigte im Wesentlichen ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübe, spreche die Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis. Die betroffenen Bauarbeiter seien jeweils in den Betrieb der klagenden Baufirma eingegliedert gewesen und hätten einfache Bauarbeiten getätigt, wie sie typischerweise abhängig Beschäftigte verrichteten.
Kein unternehmerisches Auftreten
Werkvertragstypische Vereinbarungen einer unternehmerischen Leistung hätten nicht festgestellt werden können. Zudem seien die angeblichen „Werkunternehmer“ schon aufgrund ihrer geringen Deutschkenntnisse zu einem unternehmerischen Auftreten am Markt nicht in der Lage gewesen.
Zwischen den Baufirmen und den Bauarbeitern getroffene Vereinbarungen über eine (angeblich) selbstständige Tätigkeit seien nicht relevant und könnten die gesetzlich angeordnete Sozialversicherungspflicht nicht ausschließen.
Quelle | Hessisches LSG, Urteil vom 3.4.2025, L 8 BA 4/22, L 8 BA 62/22 und L 8 BA 64/21, PM vom 3.4.2025
| Wandhängende WCs und Handtuchheizkörper in Standardausführung sowie Balkone in der Größe von vier qm sind in Milieuschutzgebieten genehmigungsfähig, weil sie der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dienen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden. |
Bauliche Änderungen nicht ohne Genehmigung
Die Klägerinnen sind jeweils Eigentümerinnen von Wohngebäuden in Milieuschutzgebieten in Berlin-Mitte. Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen soziale Erhaltungsverordnungen (umgangssprachlich Milieuschutzverordnungen) gelten. Sie sollen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im jeweiligen Gebiet schützen. Bauliche Änderungen bedürfen in Milieuschutzgebieten grundsätzlich einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Den Erlass von Milieuschutzverordnungen erlaubt ein Bundesgesetz, nämlich das Baugesetzbuch. In Berlin sind dafür die Bezirke zuständig. Aktuell gelten in Berlin über 40 Milieuschutzverordnungen.
Eine Klägerin möchte im Badezimmer einer Wohnung ein Stand-WC durch ein wandhängendes WC ersetzen sowie einen Handtuchheizkörper einbauen. Eine weitere Klägerin begehrt den Anbau von dreizehn Balkonen in der Größe von jeweils vier qm an die Wohnungen ihres Mehrfamilienhauses. Die Maßnahmen stellen nach Ansicht der Klägerinnen einen zeitgemäßen Ausstattungszustand ihrer Wohnungen dar. Das Bezirksamt versagte den Klägerinnen die erhaltungsrechtlichen Genehmigungen. Die Vorhaben gingen über einen zeitgemäßen Ausstattungszustand hinaus und seien als wohnwerterhöhende bauliche Änderungen im Milieuschutzgebiet nicht zulässig.
Genehmigungen sind zu erteilen
Das VG gab den dagegen erhobenen Klagen statt und verpflichtete das Bezirksamt, die Genehmigungen zu erteilen. Der Gesetzgeber habe im Baugesetzbuch geregelt, dass eine erhaltungsrechtliche Genehmigung zu erteilen sei, wenn die bauliche Maßnahme der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen diene.
Mittlerer Standard nicht wohnwerterhöhend
Der Gesetzgeber habe den Genehmigungsanspruch auch nicht auf bauliche Maßnahmen beschränkt, die der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dienten. Vielmehr habe er zugelassen, dass darüber hinaus auch in Milieuschutzgebieten eine behutsame Anhebung des Ausstattungszustands auf den Standard mittlerer Wohnverhältnisse erfolgen könne. Daran sei ein bundeseinheitlicher Maßstab anzulegen. Bei wandhängenden WCs und Handtuchheizkörpern in einer Standardausführung sowie bei vier qm großen Balkonen werde dieser Standard nicht überschritten. Dafür sprächen unter anderem die Verbreitung dieser Ausstattungsmerkmale bundesweit sowie der Umstand, dass die Mietspiegel der größeren deutschen Städte sie überwiegend nicht als wohnwerterhöhend einstuften.
Quelle | VG Berlin, Urteile vom 2.4.2025, VG 19 K 17/22 und VG 19 K 351/23, PM 24/25
| Trotz erfolgreich absolviertem ersten juristischen Staatsexamen hat ein Antragsteller, der erwiesenermaßen die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft, keinen Anspruch darauf, den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) zu durchlaufen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz. |
Fehlende Verfassungstreue
Der Antragsteller wollte nach erfolgreichem Jurastudium als Rechtsreferendar in den juristischen Vorbereitungsdienst eintreten. Dies lehnte das Oberlandesgericht (OLG) wegen fehlender Verfassungstreue des Antragstellers ab. Dieser suchte daraufhin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um gerichtlichen Rechtsschutz mit dem Ziel nach, ihn im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses einzustellen.
Eindeutige Publikationen
Der Antrag blieb ohne Erfolg. Dem Antragsteller, so das VG, fehle der notwendige sog. Anordnungsanspruch. Aus den einschlägigen Vorschriften des Landesgesetzes über die juristische Ausbildung sowie des Landesbeamtengesetzes folge, dass die juristische Ausbildung am Leitbild einer dem Rechtsstaat verpflichteten Person zu orientieren sei. Rechtsreferendare müssten sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Der Antragsteller werde dem nicht gerecht, wie von ihm verfasste und publizierte Texte belegten.
In einem von ihm geschriebenen Roman würden beispielsweise schwarze Menschen durch die Verwendung menschenverachtender Bezeichnungen pauschal herabgewürdigt. Es werde hierin behauptet, ein – namentlich genannter – österreichischer Fußballspieler, der dunkelhäutig sei, könne kein Deutscher oder Österreicher sein. In einem anderen Text attestierte er dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Demontage des Volksbegriffs. Der von dem Antragsteller vertretene Volksbegriff mit der Forderung nach einer „positiven Erneuerung Deutschlands“ könne nur als Forderung nach einer Umkehrung eines vermeintlichen „Bevölkerungsaustauschs“ verstanden werden. Zudem sei der Antragsteller Mitglied bei der „Jungen Alternative für Deutschland“ und dem Verein „Ein Prozent e. V.“ gewesen. Er habe in beiden Organisationen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Frühjahr 2023 als gesichert rechtsextremistisch einstufe, zumindest zeitweise herausgehobene Funktionen übernommen.
Die Entscheidung ist bestandskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 9.5.2025, 5 L 416/25.KO, PM 14/25
| Eine Tätowierung ist heute typischer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Während sichtbare Tattoos im Arbeitsleben immer normaler werden, stellt sich damit aber zunehmend die Frage, wer eigentlich das finanzielle Risiko trägt, wenn beim Stechen des Tattoos nicht alles glatt verläuft. Dazu liegt nun eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vor: Wer sich tätowieren lässt, erhält bei Komplikationen keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das LAG bestätigt damit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Flensburg. |
Pflegekraft ließ sich tätowieren
Die als Pflegehilfskraft beschäftigte Klägerin ließ sich am Unterarm tätowieren. In der Folge entzündete sich die tätowierte Stelle. Die Klägerin wurde daraufhin für mehrere Tage krankgeschrieben. Die beklagte Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum ab.
Die Klägerin führte vor Gericht aus, dass sie ja nicht Entgeltfortzahlung für den Tätowierungsvorgang geltend mache, sondern für eine davon zu trennende zeitlich nachfolgende Entzündung der Haut. Ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen. Es habe sich ein sehr geringes Risiko verwirklicht, das nur bei ein bis fünf Prozent der Fälle von Tätowierungen auftrete. Tätowierungen seien als Teil der privaten Lebensführung geschützt und mittlerweile weit verbreitet.
Die Arbeitgeberin entgegnete, die Klägerin habe bei der Tätowierung in eine Körperverletzung eingewilligt. Das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre deshalb nicht zum normalen Krankheitsrisiko und könne dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden.
Arbeitsunfähigkeit verschuldet
Das LAG ist der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Diese war zwar arbeitsunfähig krank. Sie hat die Arbeitsunfähigkeit aber verschuldet. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz handelt ein Arbeitnehmer immer schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt.
Die Klägerin musste bei der Tätowierung damit rechnen, dass sich ihr Unterarm entzündet. Dieses Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen ihr eigenes Gesundheitsinteresse dar. Sie hat selbst vorgetragen, in bis zu 5 % der Fälle komme es nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut. Dies ist keine völlig fernliegende Komplikation. Bei Medikamenten wird eine Nebenwirkung als „häufig“ angegeben, wenn diese in mehr als einem, aber weniger als zehn Prozent der Fälle auftritt. Zudem ist die Komplikation in der Hautverletzung durch die Tätowierung selbst angelegt.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.5.2025, 5 Sa 284 a/24, PM vom 2.7.2025
| Wenn ein Arbeitnehmer sich beim Kaffeetrinken verschluckt und infolgedessen stürzt, kann das im Einzelfall einen Arbeitsunfall darstellen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden. |
Nasenbeinbruch während morgendlicher Besprechung
Der Kläger war als Vorarbeiter auf einer Baustellebeschäftigt. Beim Kaffeetrinken während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer verschluckte er sich, ging hustend zur Tür, um sich draußen auszuhusten, verlor kurz das Bewusstsein und stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter. Dabei brach er sich das Nasenbein.
Berufsgenossenschaft und Sozialgericht: kein Arbeitsunfall
Das sei kein Arbeitsunfall, befand die zuständige Berufsgenossenschaft, denn das Kaffeetrinken habe keinen betrieblichen Zwecken gedient. Es sei vielmehr dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen. So sah es auch das Sozialgericht (SG), das in erster Instanz über den Fall entschieden hatte.
Landessozialgericht: auch Nahrungsaufnahme geschützt
Zu Unrecht, befand nun das LSG. Zwar erstrecke sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit damit ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird. Im vorliegenden Fall sei das Kaffeetrinken aber nicht auf das Grundbedürfnis des Durstlöschens gerichtet gewesen, sondern habe (auch) betrieblichen Zwecken gedient. Der gemeinsame Kaffeegenuss während der verpflichtend vorgeschriebenen Besprechung habe eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft bewirkt.
Arbeitgeber stellte den Kaffee zur Verfügung
Zudem habe der Kaffee für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesorgt. Das sei auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, der sich teilweise selbst um das Auffüllen der Kaffeevorräte gekümmert habe. Deshalb sei der Fall auch anders zu beurteilen, als wenn sich ein Arbeitnehmer z. B. in der Frühstückspause an einem Kaffee verschluckt, den er selbst in der Thermoskanne mitgebracht hat.
Quelle | LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.5.2025, L 6 U 45/23, PM 2/25
| Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Hostprovider – hier Meta – muss nach einem Hinweis auf einen rechtsverletzenden Post auf der Social-Media-Plattform Facebook auch ohne weitere Hinweise sinngleiche Inhalte sperren. Sinngleich sind etwa Beiträge mit identischem Text und Bild, aber abweichender Gestaltung (Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung), bloßer Änderung typografischer Zeichen oder Hinzufügung von Elementen, etwa sog. Captions, die den Aussagegehalt nicht verändern. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Arzt und bewarb in der Vergangenheit u. a. die sog. „Hirschhausen Diät“. Der Kläger wies die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach auf sog. Fake-Werbe-Videos hin, in denen er vermeintlich u. a. für Abnehmmittel werbe.
Gegenstand dieses Eilverfahrens sind zwei weitere solcher Deep-Fake Videos: Nutzer haben zum einen ein Video unter Verwendung eines Ausschnitts aus der Sendung von Markus Lanz hergestellt, in denen der Name, das Bildnis und die Stimme des Klägers verwendet werden und in dem dieser vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme wirbt. Dieses Video entfernte die Beklagte zeitnah nach Abmahnung durch den Kläger. In einem nachfolgend erschienenen, nahezu inhaltsgleichen weiteren Deep-Fake Video warb der Kläger ebenfalls vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme. Dieses Video entfernte die Beklagte ebenfalls – erst – nach entsprechendem Hinweis durch den Kläger. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassen der Verbreitung dieser beiden Videos in Anspruch. Das Landgericht (LG) hat den Antrag zurückgewiesen.
So sah es das Oberlandesgericht
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hatte teilweise Erfolg. Hinsichtlich des ersten Videos bestehe kein Unterlassungsanspruch, entschied das OLG. Die Beklagte sei als Hostproviderin grundsätzlich nicht verpflichtet, von den Nutzern ins Netz gestellte Beiträge vor ihrer Veröffentlichung auf etwaige Rechtsverletzungen hin zu prüfen. Ihre Haftung setze die Verletzung von Prüf- und Verhaltenspflichten voraus. Vor der Abmahnung des Klägers betreffend das erste Video sei die Beklagte nicht zur Löschung verpflichtet gewesen. Eine Löschpflicht habe sich insbesondere nicht aus den vorausgegangenen Hinweisen des Klägers auf andere, nicht sinngleiche sog. Fake-Werbungen ergeben. Grundsätzlich lösten derartige Hinweise nur Prüfpflichten hinsichtlich „sinngleicher Inhalte“ aus. Darunter fielen Inhalte, die in Bild und Text identisch, aber bei gleichbleibendem Gesamteindruck etwa abweichend gestaltet seien. Dies könne sich etwa auf die Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung mit Rahmen oder Zufügung sog. Caption beziehen. Die vorausgegangenen Hinweise des Klägers hätten sich hier jedoch auf in Bild und Text abweichende Inhalte bezogen.
Prüfplicht des Providers bestand
Hinsichtlich des zweiten Videos habe die Beklagte dagegen schon aufgrund der Abmahnung des Klägers hinsichtlich des ersten Videos eine Prüfpflicht getroffen. Es habe keiner weiteren Abmahnung bedurft. Das zweite Video unterscheide sich allenfalls marginal vom ersten. Nach dem Eindruck des OLG wirkten die Videos – bei voneinander abweichender Überschrift – nahezu identisch. Es lägen damit sinngleiche Inhalte vor. Da die Beklagte das zweite Video nicht bereits ohne weitere Abmahnung gesperrt habe, habe sie gegen ihre Prüfpflichten verstoßen. Im Ergebnis bestehe daher ein Unterlassungsanspruch.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nich tanfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.3.2025, 16 W 10/25, PM 14/25
| Zahlreiche Betriebsprüfungen zeigen, dass die Kassenführung oft beanstandet wird. Das Problem dabei: Ist die Kassenführung nicht ordnungsmäßig, drohen erhebliche Hinzuschätzungen. So war es auch in einem Fall, der vom Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein zu entscheiden war. |
Im Streitfall hatte bei einem bargeldintensiven Imbiss mit Sitzgelegenheiten eine Betriebsprüfung stattgefunden. Der Betreiberin, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte, wurden dabei zahlreiche Mängel in der Kassenführung vorgeworfen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem FG blieb erfolglos.
Beachten Sie | Allerdings ist inzwischen die Revision anhängig, in der insbesondere diese interessanten Fragen zu klären sind:
- Ist bei bestehenden Zweifeln im Hinblick auf den Programmierzustand und das Vorhandensein von Manipulationsspuren an der Registrierkasse vom FG ein Sachverständigengutachten einzuholen?
- Rechtfertigen fehlende Programmierprotokolle für die verwendete Kasse eine Schätzung dem Grunde nach?
- Ergibt sich aus einer angeblichen Abweichung von der Richtsatzsammlung eine Schätzungsbefugnis?
Quelle | FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.8.2023, 3 K 25/22, Rev. BFH, X R 27/24
| Hat eine Gesellschaft ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr, ist für die Berechnung der Steuerermäßigung gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 EStG) nicht auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums abzustellen, sondern auf das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahrs. Für die Aufteilung des Steuerermäßigungsbetrags sind der Gewerbesteuer-Messbetrag und die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des Wirtschaftsjahrs an der Gesellschaft beteiligt waren. So lautet ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Hintergrund: Unter den Voraussetzungen des § 35 EStG wirddie Gewerbesteuerbelastung kompensiert, indem die tarifliche Einkommensteuer um das Vierfache des festgesetzten Steuermessbetrags gemindert wird.
Quelle | BFH, Urteil vom 10.4.2025, IV R 21/22
| Mit Wirkung ab 1.6.2025 wurden die Gebühren für Eintragungen im Handelsregister um 50 Prozent erhöht. Demzufolge werden auch Unternehmensgründungen teurer. |
In der Begründung der Verordnung wird hierzu u. a. ausgeführt: „Die daraus insgesamt resultierenden Gebühreneinnahmen sollen dazu dienen, den Aufwand der Länder für den Betrieb der Registergerichte weitgehend zu decken, damit die Gerichte den Anforderungen an eine moderne, effiziente und sichere Registerführung auch künftig gerecht werden können.“
Quelle | Dritte Verordnung zur Änderung der Handelsregistergebührenverordnung, BGBl I 2025, Nr. 127
| Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft wird nur bereit sein, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung einer Eigentumswohnung zu (privaten) Wohnzwecken (also im privaten Interesse) eines Gesellschafters zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe erstattet werden und sie zudem einen angemessenen Gewinnaufschlag erhält. Vor diesem Hintergrund hat es das Finanzgericht (FG) Niedersachsen im Streitfall als rechtmäßig beurteilt, dass das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) angesetzt hat. |
Zum Hintergrund: Bei einer vGA handelt es sich – vereinfacht – um Vermögensvorteile, die dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gewährt werden. Eine vGA darf den Gewinn der Gesellschaft nicht mindern.
Im Anschluss an ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahr 2016 führte das FG weiter aus: Eine Vermietung zu marktüblichen, aber nicht kostendeckenden Bedingungen würde ein gewissenhafter Geschäftsführer (ausnahmsweise) in Betracht ziehen, wenn er bezogen auf den jeweils zu beurteilenden Veranlagungszeitraum bereits von der Erzielbarkeit einer angemessenen Rendite ausgehen kann.
Beachten Sie | Die danach für den Fremdvergleich maßgebliche Kostenmiete ist auch dann als Maßstab heranzuziehen, wenn der Gegenstand des Unternehmens der Kapitalgesellschaft auch neben der an die Gesellschafterin vermieteten Wohnung in der Vermietung von Immobilien besteht.
Gegen das Urteil ist die Revision anhängig. Gleichwohl sollte in vergleichbaren Fällen eine vGA bedacht werden. Es empfiehlt sich, Mietverträge zu prüfen und ggf. anzupassen.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 15.8.2024, 10 K 255/21, Rev. BFH, I R 21/24
| Ein Freiwilliger Wehrdienst kann bei einem volljährigen Kind für sich genommen keinen Kindergeldanspruch begründen. Gleichwohl kann während der Zeit des Wehrdienstes ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, wenn das Kind einen der gesetzlichen Berücksichtigungstatbestände erfüllt, also z. B. während des Wehrdienstes für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dabei ist es unschädlich, wenn das Kind nach Abschluss der Grundausbildung im Rahmen des Freiwilligen Wehrdienstes Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad ausübt. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Das war geschehen
Der Sohn absolvierte nach seinem Abitur einen zehn Monate dauernden Freiwilligen Wehrdienst. Die Familienkasse bewilligte dem Vater für die Übergangszeit zwischen Abitur und Grundausbildung sowie für die Zeit der Grundausbildung Kindergeld. Nach der Grundausbildung verrichtete der Sohn Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad, eine weitere Ausbildung bei der Bundeswehr fand nicht statt. Nach dem Ende des Wehrdienstes studierte er an einer zivilen Hochschule. Den Entschluss dazu hatte er während des Wehrdienstes gefasst.
Die Familienkasse versagte für die Zeit nach Beendigung der Grundausbildung bis zum Beginn des Studiums die Festsetzung von Kindergeld. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Vater Klage vor dem Finanzgericht (FG) Bremen. Da das FG die Revision zugelassen hatte und diese auch eingelegt wurde, musste nun der BFH entscheiden.
Beachten Sie | Der Freiwillige Wehrdienst gehört – anders als ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr – nicht zu den im Einkommensteuergesetz (hier: § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG) genannten Berücksichtigungstatbeständen, die schon für sich genommen einen Kindergeldanspruch begründen können.
Bundesfinanzhof: Kindergeldanspruch bestand
Dennoch entschied der BFH, dass auch nach dem Ende der Grundausbildung und trotz einer Erwerbstätigkeit des Kindes als Soldat mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden ein Kindergeldanspruch bestehen kann, wenn das Kind (wie im Streitfall) eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.
Beachten Sie | Die drei Monate dauernde Grundausbildung war zwar Teil einer Ausbildung zum Offizier oder Unteroffizier. Ihre Beendigung führte jedoch nicht zu einem für den weiteren Kindergeldbezug ggf. schädlichen Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung (i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG).
Es kam auf den Zeitpunkt des Entschlusses an
Für einen Monat wies der BFH die Revision jedoch zurück, weil sich der Entschluss des Sohnes, sich um einen Studienplatz zu bemühen, erst im Folgemonat objektiviert hatte. Der bloße Vortrag des Kindergeldberechtigten und des Kindes, der Entschluss zu einer Ausbildung oder zu einem Studium sei früher gefasst worden, ist für die Begründung des Anspruchs nicht ausreichend.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.2.2025, III R 43/22, PM 28/2025 vom 2.5.2025
| Ab Mai 2025 setzen vier Pilotfinanzämter (Brühl, Bielefeld-Außenstadt, Hamm und Lübbecke) des Landes Nordrhein-Westfalen erstmals ein KI-Modul zur Unterstützung der Steuerveranlagung ein. Das Ziel: Steuererklärungen sollen effizienter, schneller und treffsicherer bearbeitet werden.
Das neue KI-Modul ergänzt das bewährte Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung. Es erkennt Muster in den Steuerdaten und kann gut nachvollziehbare Fälle mit geringem Prüfbedarf gezielt identifizieren. Diese werden automatisiert verarbeitet – und damit schneller abgeschlossen.
Gestartet wird mit Arbeitnehmerfällen (also Steuererklärungen mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalerträgen, Vorsorgeaufwendungen, Sonderausgaben, haushaltsnahen Dienstleistungen und ähnlichen Bereichen). Die Ausweitung auf weitere Fallkonstellationen ist bereits in Planung.
Nordrhein-Westfalen übernimmt die Vorreiterrolle. Nach erfolgreichem Testlauf ist die landesweite Einführung geplant.
Quelle | FinMin NRW, Mitteilung vom 22.4.2025
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der auf Dienstreisen seinen privaten Pkw einsetzt, die tatsächlichen Kosten für jeden gefahrenen Kilometer auch dann ansetzen kann (im Streitfall: 2,28 Euro/km für einen Sportwagen), wenn er von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt bekommt, den er grundsätzlich für dienstliche und private Fahrten nutzen kann. |
Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall jedoch den Nachweis erbringen, dass er das Privatfahrzeug tatsächlich beruflich eingesetzt hat. Eine Angemessenheitsprüfung dem Grunde nach (hier: berufliche Nutzung eines privaten Fahrzeugs durch einen Arbeitnehmer, dem von seinem Arbeitgeber ein Geschäftsfahrzeug überlassen wurde) findet nicht statt.
Beachten Sie | Das Finanzamt will diese Entscheidung aber nicht akzeptieren und hat Revision eingelegt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.9.2024, 9 K 183/23, Rev. BFH: VI R 30/24
| Kinderbetreuungskosten sind als Sonderausgaben abzugsfähig. Bei Aufwendungen für Unterricht, für die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen ist ein Sonderausgabenabzug allerdings gesetzlich ausgeschlossen. Mit dem Abzugsverbot hat sich nun der Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt. |
Hintergrund: Kinderbetreuungskosten können nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) als Sonderausgaben steuerlich absetzbar sein. Folgende Aspekte sind hier zu beachten:
- Abzug von 80 % der Betreuungsleistungen, maximal 4.800 Euro pro Jahr.
- Der Abzug ist zulässig für haushaltszugehörige Kinder unter 14 Jahren (oder aufgrund Behinderung, Eintritt vor dem 25. Lebensjahr, Übergangsregel 27. Lebensjahr).
- Grundsätzlicherforderlich: Rechnung und Überweisung.
- Nichtabziehbar: Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen.
Betreuungscharakter muss im Vordergrund stehen
Nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen vor, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbstständigten Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichts- oder Kurszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen (sprachlichen, musischen, sportlichen) Fähigkeiten in den Hintergrund rückt.
Nicht begünstigteAufwendungen
Entsprechendes gilt für sportliche und andere Freizeitbetätigungen. Nicht begünstigte Aufwendungen für derartige Aktivitäten liegen daher vor, wenn
- die Betätigung organisatorisch, zeitlich und räumlich getrennt von einer Kindertagesstätte, einem Schulhort oder einer ähnlichen Einrichtung stattfindet und
- dabei nicht die altersbedingt erforderliche Betreuung des Kindes, sondern die Aktivität im Vordergrund steht.
Quelle | BFH, Urteil vom 23.1.2025, III R 33/24 (III R 50/17)
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen hat die Stadt Marburg dazu verpflichtet, einer Studentin einen Bewohnerparkausweis zu erteilen, die ein in Tschechien zugelassenes Fahrzeug nutzt. |
Kfz in Tschechien zugelassen
Die Klägerin wohnt in einem Bewohnerparkgebiet der Beklagten. Sie nutzt ein Kraftfahrzeug ihres Vaters, der tschechischer Staatsangehöriger ist und das Fahrzeug in Tschechien zugelassen hat. Im Frühjahr 2024 beantragte sie bei der Stadt Marburg, ihr einen Bewohnerparkausweises zu erteilen. Dies lehnte die Stadt mit der Begründung ab, dass sie Bewohnerparkausweise für Fahrzeuge mit ausländischer Zulassung nicht erteilen könne. Im Rahmen des Klageverfahrens argumentierte die Stadt weiter, dass eine ausländische Zulassung gegen eine dauerhafte Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin spreche, weil ein im Ausland zugelassenes Kraftfahrzeug nur vorübergehend am Verkehr in Deutschland teilnehmen dürfe.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG bejahte hingegen den Anspruch der Studentin auf einen Bewohnerparkausweis. Bei der Klägerin handele es sich um eine Anwohnerin, die das betroffene Fahrzeug nachweislich dauerhaft nutze.
Gegen eine dauerhafte Nutzung spreche insbesondere nicht, dass Kraftfahrzeuge mit ausländischer Zulassung nur vorübergehend am Straßenverkehr in Deutschland teilnehmen dürfen. Es sei bereits nicht klar, ob das von der Klägerin genutzte Fahrzeug diese Voraussetzungen erfülle. Die Klägerin gab nämlich an, dass sie das Fahrzeug während der Semesterferien nicht in Deutschland nutze. Diese Prüfung obliege der Zulassungsbehörde, die je nach Einzelfall eine Untersagung des Betriebs im öffentlichen Straßenverkehr ohne deutsche Zulassung aussprechen könne.
Die Versagung eines Bewohnerparkausweises für im Ausland zugelassene Fahrzeuge entspreche nicht dem Zweck der Vorschriften. Ein Bewohnerparkgebiet diene dem Anwohnerinteresse, in innerstädtischen Wohnstraßen eine Abstellmöglichkeit für ein (dauerhaft) genutztes Kraftfahrzeug zu finden.
Quelle | VG Gießen, Urteil vom 13.11.2024, 6 K 2830/24.GI, PM vom 19.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Ein zur Nichtigkeit der entsprechenden Vereinbarung führender Verstoß gegen den im Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 656 d BGB) geregelten Grundsatz der hälftigen Teilung des Maklerlohns liegt vor, wenn ein Makler allein für den Verkäufer einer Immobilie tätig geworden ist und der Käufer zur Zahlung des vollen Honorars an den Makler verpflichtet wird. |
Das war geschehen
Die Kläger erwarben ein mit einer Doppelhaushälfte bebautesGrundstück. Mit der Vermittlung des Verkaufs hatte die Verkäuferin das beklagte Maklerunternehmen beauftragt. Für die Vermittlung der Immobilie entstand zugunsten der Beklagten gegenüber der Verkäuferin ein Maklerlohnanspruch in Höhe von 25.000 Euro. Der im Exposé zunächst vorgesehene Kaufpreis wurde um einen Betrag in dieser Höhe reduziert. Zugleich verpflichteten sich die Kläger gegenüber der Beklagten zur Zahlung eines Honorars in gleicher Höhe, das sie nach notarieller Beurkundung des Kaufvertrags bezahlten. Eine Maklerlohnzahlung durch die Verkäuferin erfolgte nicht. Die Kläger verlangten die Rückzahlung des geleisteten Betrags.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: § 656 d BGB ist nicht nur auf Vereinbarungen der Parteien des Kaufvertrags über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus untereinander anwendbar, sondern erfasst jegliche Art einer vertraglichen Vereinbarung, durch die unmittelbar oder mittelbar ein Anspruch des Maklers auf Zahlung oder Erstattung von Maklerlohn gegenüber der Partei des Kaufvertrags begründet wird, die nicht Partei des Maklervertrags ist. Umfasst sind daher auch alle auf eine Verpflichtung zur Zahlung oder Erstattung des Maklerlohns gerichteten Vereinbarungen des Maklers mit der Partei des Kaufvertrags, die nicht Partei des Maklervertrags ist.
Der Anwendbarkeit des § 656 d BGB steht es deshalb auch nicht entgegen, dass die Verkäuferin der Immobilie von der Pflicht, den vereinbarten Maklerlohn zu entrichten, gegenüber der Beklagten nicht entbunden war. Da die Käufer im Innenverhältnis zur Verkäuferin verpflichtet waren, den Maklerlohn in voller Höhe zu bezahlen, blieb die Verkäuferin als die Partei, die den Maklervertrag abgeschlossen hat, nicht zur Zahlung des Maklerlohns mindestens in gleicher Höhe verpflichtet.
Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung
Der Verstoß gegen § 656 d BGB führt zur Gesamtnichtigkeit einer entsprechenden Vereinbarung. Die Kläger können von der Beklagten die Rückzahlung des Maklerlohns in voller Höhe verlangen.
Quelle | BGH, Urteil vom 6.3.2025, I ZR 138/24, PM 45/25
| Eine 77-jährige Frau, die über einer Supermarktfiliale wohnt, tätigte dort ihre Einkäufe bis zu einem Hausverbot Anfang des Jahres 2024 durch die Filialleitung. Sie behauptet, das Hausverbot sei nach einer Beschwerde ihrerseits ohne ersichtlichen Grund erteilt worden. Sie sei gesundheitlich stark eingeschränkt und nicht in der Lage, längere Strecken zurückzulegen und daher auf die Filiale angewiesen. Ohne ein Betreten des Supermarkts sei ihr eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verwehrt. Das Amtsgericht (AG) München wies ihre Klage ab. |
Wiederholtes Fehlverhalten
Die Filialleitung begründete das Hausverbot mit wiederholtem Fehlverhalten. Die Münchnerin habe Kunden beim Betreten des Markts von ihrer Wohnung aus beschimpft, habe das Geschäft regelmäßig ohne Einkaufsabsicht aufgesucht, Mitarbeiter in Gespräche verwickelt und diese von der Arbeit abgehalten. Sie habe sich zudem immer wieder an der Frischetheke des Markts Ware aufschneiden lassen und diese dann, anstatt zu kaufen, im Laden abgelegt.
Da der Supermarkt sich weigerte, das Hausverbot zurückzunehmen, verklagte sie den Betreiber vor dem AG auf Gewährung des Zutritts zum Supermarkt – ohne Erfolg.
Hausrecht deckt Hausverbot
Der Beklagte ist als Betreiber des Supermarkts aufgrund seines Hausrechts grundsätzlich berechtigt, Kunden selbst ohne sachlichen Grund ein Hausverbot zu erteilen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein Fehlverhalten der Klägerin vorlag.
Dem Betreiber einer Einrichtung, die erhebliche Bedeutung für das gesellschaftliche und kulturelle Leben hat, wird eine besondere rechtliche Verantwortung zugewiesen, die es ihm verbietet, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund auszuschließen. Entgegen der Auffassung der Klägerin entscheidet die Verweigerung des Zutritts für sie nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Ein Supermarkt dient der Daseinsvorsorge in Form von Einkäufen des täglichen Bedarfs, insbesondere an Lebensmitteln, nicht der sozialen Interaktion oder des kulturellen Austauschs.
Klägerin konnte auf konkurrierenden Supermarkt ausweichen
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Monopolstellung oder sonstige strukturelle Überlegenheit des Beklagten vorliegt, die dazu führt, dass bestimmte Personen nicht ohne sachlichen Grund ausgeschlossen werden könnten. Eine solche Monopolstellung des Markts des Beklagten für die tägliche Daseinsvorsorge ist im konkreten Fall nicht gegeben. Der Beklagte hat unbestritten ausgeführt, dass in fußläufiger Entfernung (ab 500 Metern) weitere Supermärkte vorhanden sind, die somit auch für betagtere Kunden problemlos zu erreichen sind.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 11.10.2024, 142 C 18533/24, PM 12/25
| Legt beim Gebrauchtwagenkauf der Verkäufer den Fahrzeugbrief vor, kann sich der Käufer normalerweise darauf verlassen, dass er es auch tatsächlich mit dem Eigentümer und nicht mit einem Betrüger zu tun hat. Dieses Vertrauen kann aber erschüttert sein, wenn die Umstände des Verkaufs trotzdem Verdacht erregen müssen. Dann muss der Käufer im Betrugsfall das Fahrzeug dem wahren Eigentümer zurückgeben und bleibt auf dem gezahlten Kaufpreis als Schaden sitzen. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal (Pfalz) entschieden. Es hat die Klage eines Autokäufers abgewiesen, der auf einen Betrüger hereingefallen war. |
Autokäufer war auf Betrüger hereingefallen
Der Käufer hatte den PKW von einem Betrüger für mehr als 35.000 Euro erworben. Kurze Zeit nach dem Kauf beschlagnahmte die Polizei das Fahrzeug und gab es dem ursprünglichen Eigentümer zurück. Dieser verkaufte es anschließend für knapp 49.000 Euro weiter.
Den Kaufpreis reklamierte der betrogene Käufer für sich. Er sei trotz des Betrugs Eigentümer des Fahrzeugs geworden. Er sei im Internet auf das Fahrzeug gestoßen und habe sich im Saarland zur Besichtigung verabredet. Auf dem Weg dorthin habe er die Mitteilung erhalten, dass das Kind des Verkäufers einen Treppensturz erlitten habe und in einem Krankenhaus in Frankreich liege. Dorthin sei er nun umgeleitet worden, wo der Kauf auf dem Parkplatz durch Barzahlung auch abgewickelt worden sei. Der Betrüger habe einen vermeintlich echten Fahrzeugbrief und einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt. Er habe deshalb daran glauben dürfen, dass das Fahrzeug diesem auch gehört habe.
Umstände des Kaufs waren dubios, Zweifel daher angebracht
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Der Käufer habe trotz Vorlage des scheinbar echten Fahrzeugbriefs grob fahrlässig gehandelt und das Fahrzeug daher nicht gutgläubig erworben. Denn die Umstände des Verkaufs hätten beim Käufer Zweifel erregen müssen, dass er den wahren Eigentümer vor sich hatte. So habe dieser einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt, obwohl sein im Kaufvertrag genannter Wohnsitz Frankenthal gewesen sei und das Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen zugelassen war.
Kurzfristige Verlegung der Übergabe ins Ausland
Auffällig sei ferner, dass der Verkäufer ursprünglich als Treffpunkt das vom angegebenen Wohnort abweichende Dillingen/Saar genannt habe. Typisch für unlautere Automobilgeschäfte sei auch das Bargeschäft und die kurzfristige telefonische Verlegung des Verkaufsorts an einen fremden und noch dazu im Ausland befindlichen Ort. Nach alledem könne der Käufer dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entgehen und habe den Schaden selbst zu tragen, so der Richter.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 3.4.2025, 3 O 388/24, PM vom 22.5.2025
| Das Amtsgericht (AG) Berlin-Charlottenburg hat entschieden: Hatte der frühere Vermieter die Hundehaltung erlaubt, kann der in das Mietverhältnis eingetretene Vermieter diese Gestattung nur aus wichtigem Grund widerrufen. Dies gilt, auch wenn es sich um einen Kampfhund handeln sollte. Dass sich Mitmieter aufgrund der Größe und Kraft eines solchen Hundes subjektiv bedroht fühlen, reicht für den Widerruf nicht aus. |
Vorheriger Vermieter hatte Hundehaltung gestattet, neuer Vermieter widerrief Erlaubnis
Die Parteien eines Mietvertrags über ein möbliertes Apartment stritten um die Räumung und Herausgabe einer Wohnung. Der Kläger, der aktuelle Vermieter, war nachträglich in das Mietverhältnis eingetreten. Der beklagte Mieter hält einen Hund, was ihm ausdrücklich vom früheren Vermieter erlaubt worden war.
Der Kläger hat die Erlaubnis zur Hundehaltung im Juni 2023 widerrufen und die Haltung eines Kampfhundes untersagt. Der Beklagte sollte seinen Hund bis Ende Juni 2023 entfernen. Noch im Juni mahnte der Kläger den Beklagten wegen nicht gestatteter Tierhaltung ab. Anfang August 2023 kündigte der Kläger das Mietverhältnis ordentlich zum 30.11.2023 und begründete dies mit der weiteren Haltung eines Kampfhundes sowie des Einsetzens des Hundes als Druck- und Nötigungsmittel.
Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung
Der Kläger behauptete, bei dem vom Beklagten gehaltenen Tier würde es sich um einen Kampfhund handeln. Der Beklagte würde dieses Tier gegenüber Nachbarn im Objekt als Druck- und Nötigungsmittel einsetzen, um Vorrang auf Wegen oder im Treppenhaus zu erzwingen. Mehr als ein anderer Bewohner im Objekt habe Angst vor dem Hund, die wollten aber nicht namentlich genannt werden. Er verklagte den Mieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Der Mieter behauptete hingegen, es handele sich nicht um einen „Listenhund“, sondern um eine Mischung aus Old-English-Bulldog und Weimeraner. Er reichte dazu zwei Fotos sowie eine tierärztliche Bescheinigung und weitere Unterlagen ein.
So entschied das Amtsgericht
Der Vermieter kann das Mietverhältnis nur aus berechtigtem Interesse kündigen. Das ist z. B. der Fall, wenn der Mieter vertragliche Pflichten erheblich verletzt, indem er z. B. ein Tier trotz Abmahnung weiter hält.
Im Fall des AG war es aber anders: Der ursprüngliche Vermieter hatte die Hundehaltung erlaubt. Der – große und kräftige – Hund, war– ohne Maulkorb – stets an der Leine geführt worden. Beißvorfälle oder -versuche oder Bedrohungen von Nachbarn mit dem Hund konnten nicht bewiesen werden. Ein – subjektives – Bedrohtfühlen genügt nicht, um die Erlaubnis zu widerrufen.
Quelle | AG Charlottenburg, Urteil vom 30.5.2024, 218 C 243/23
| Ein Streit um einen Erbschein hat kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Eine Erbin hatte falsche Angaben gemacht – mit unangenehmen Folgen. |
Wahrheitswidrige Angaben zum Testament
Eine Frau hatte nach dem Tod ihrer Mutter einen Erbschein beantragt, um als Alleinerbin ausgewiesen zu werden. Sie berief sich dabei auf ein Testament, machte aber falsche Angaben: Sie versicherte eidesstattlich, dass das Testament von der Verstorbenen eigenhändig verfasst worden sei. In Wirklichkeit hatte jedoch die Tochter das Testament geschrieben und die Mutter nur ihre Unterschrift darunter gesetzt.
Testament muss eigenhändig geschrieben sein
Die falschen Angaben betrafen einen entscheidenden Punkt: Ein Testament muss eigenhändig geschrieben oder von einem Notar beurkundet werden. Eigenhändig heißt, dass der Erblasser es komplett selbst und von Hand niederschreiben muss. Die bloße Unterschrift der Mutter reichte deshalb nicht aus – das Testament war unwirksam. Statt des Testaments galt die gesetzliche Erbfolge, das heißt: Die Antragstellerin musste sich das Erbe mit ihren Geschwistern teilen.
Streit um Anwaltskosten
Im Erbscheinverfahren vor dem Amtsgericht (AG) wurden die falschen Angaben aufgeklärt. Der Streit war damit aber nicht erledigt. Denn die Geschwister hatten Anwälte beauftragt, um gegen den unberechtigten Antrag vorzugehen. Zwei Schwestern verlangten die Erstattung der angefallenen Anwaltskosten. Das OLG gab ihnen nun Recht.
Mögliche strafrechtliche Konsequenzen
Für die unterlegene Schwester hat dies nicht nur finanzielle Folgen: Die Akten werden nun der Staatsanwaltschaft übergeben, denn eine falsche eidesstattliche Versicherung ist strafbar. Das OLG sah einen entsprechenden Anfangsverdacht; bis zu einer möglichen Entscheidung im Strafverfahren gilt für die Betroffene die Unschuldsvermutung.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 9.1.2025, 6 W 156/24, PM vom 20.2.2025
| Das Zerreißen eines Testaments durch den Erblasser ist eine Widerrufshandlung. Es wird gesetzlich vermutet, dass dieser Widerrufshandlung eine Widerrufsabsicht zugrunde lag. Die Aufbewahrung des zerrissenen Testaments im Schließfach widerlegt diese Vermutung nicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die Beschwerde des in dem zerrissenen Testament Begünstigten gegen einen auf Basis gesetzlicher Erbfolge erteilten Erbschein zurückgewiesen. |
Testament zerrissen, aber aufbewahrt
Der Erblasser war mit seiner Frau in letzter Ehe kinderlos verheiratet. Nach seinem Versterben beantragte die Frau einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Das Nachlassgericht erteilte den Erbschein, der die Frau neben der Mutter des Erblassers als Erben auswies. Zwei Monate später öffneten die Frau und ein Vertreter der Mutter des Erblassers das Schließfach des Erblassers. Dort befand sich ein handschriftliches Testament, das eine andere Person begünstigte. Es war längs in der Mitte durchgerissen. Das Nachlassgericht hat den Antrag des Begünstigten abgelehnt, den bereits erteilten Erbschein im Hinblick auf das nun aufgefundene, zerrissene Testament einzuziehen.
Widerruf durch schlüssige Handlung
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das Nachlassgericht habe die Einziehung des Erbscheins zu Recht abgelehnt, da dieser nicht unrichtig geworden sei. Der Begünstigte sei nichttestamentarischer Erbe geworden. Der Erblasser habe das den Begünstigten alsErben einsetzende Testament durch schlüssige Handlung widerrufen.
Durch das Zerreißen des Testaments in der Mitte habe derErblasser das Testament vernichtet. Es liege insoweit eine Widerrufshandlungvor. Das Testament sei unzweifelhaft auch „nicht durch äußere Einflüsse „anderweitig“ in zwei Teile geraten“. Dafür spreche, dass das Papier mittig, aber nicht vollständig gerade getrennt worden sei. Die Trennränder seien zudem nicht glatt. Anhaltspunkte für ein – ggf. sachverständig aufzuklärendes – anderweitiges Trennen des Schriftstücks in zwei Teile lägen nicht vor. Es sei auch davon auszugehen, dass der Erblasser selbst das Testament zerrissen habe, da nur er Zugang zum Bankschließfach gehabt habe. Nach den Angaben der bei Öffnung des Schließfachs Anwesenden bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Testament beim Öffnen oder Schließen des Schließfachs versehentlich von einer dritten Person zerrissen worden sei.
Gesetzliche Vermutung nicht widerlegt
Es werde gesetzlich vermutet, dass diese Widerrufshandlung mit Widerrufsabsicht erfolgte. Indizien, die diese Vermutung widerlegen würden, seien nicht erkennbar. Warum der Erblasser das zerstörte Testament im Schließfach aufbewahrte, sei zwar nicht nachvollziehbar. Dies allein genüge aber nicht zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung. Der Erblasser habe ausweislich der dokumentierten 31 Öffnungen des Schließfachs dieses offensichtlich nicht ausschließlich zur Aufbewahrung eines ungültigenTestaments angemietet.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.4.2025, 21 W 26/25, PM 26/25
| Das Landgericht (LG) Berlin II hat eine Energieberatungsfirma zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von rund 6.000 Euro wegen einer Falschberatung verurteilt. Aufgrund der Falschberatung habe der Kläger – ein Verbraucher – Fenster und Dachfenster mit zu hohen Wärmedurchgangskoeffizienten einbauen lassen, die daher nicht förderfähig seien. |
Förderleistungen beantragt – Bundesamt lehnt ab
Der Kläger hatte die Beklagte mit der Energieberatung für die energetische Sanierung seines Einfamilienhauses beauftragt. In Zusammenarbeit mit der Beklagten beantragte er beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Förderleistungen gemäß der Richtlinie der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG-Richtlinie) und erhielt einen entsprechenden Zuwendungsbescheid. Anschließend holte er Angebote für die Sanierungsmaßnahmen ein und schickte sie der Beklagten, die diese nicht beanstandete.
Für den Verwendungsnachweis der Fördermittel gab der Kläger in Absprache mit der Beklagten die Wärmedurchgangskoeffizienten an, die mit den verbauten Dämmmaterialien an der Gebäudehülle erreicht werden konnten – für das Dach und die Geschossdecke einen Koeffizienten von 0,2, für die Fenster von 1,1 und für die Dachflächenfenster von 1,3. Das Bundesamt teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die technischen Mindestanforderungen bei der Sanierung nicht erreicht seien und hob den Förderbescheid teilweise auf. Die BEG-Richtlinie fordert Koeffizienten an Dachgebilden von 0,14 und an Fenstern von 0,95 bzw. 1,0 bei Dachflächenfenstern.
Energieberater muss Förderleistung zahlen
Das Gericht sprach dem Kläger nun Schadenersatz in Höhe der eigentlich zu gewährenden Förderungssumme zu. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur fachlich zutreffenden Beratung verletzt. Sie hätte insbesondere die vom Kläger vorgelegten Angebote auf ihre Förderungsfähigkeit prüfen müssen.
Der Verweis der Beklagten, der Kläger hätte sich selbst über die förderungsrelevanten Wärmedurchgangskoeffizienten informieren können, führe ihr Leistungsangebot ad absurdum. Es sei gerade ihre Hauptleistungspflicht, einen Verbraucher und Laien über die Richtlinien und Richtwerte fachlich zu beraten. Darüber hinaus habe die Beklagte den Kläger falsch beraten, weil sie selbst von falschen Werten ausgegangen sei. Rechtsirrig habe sie in E-Mails an den Kläger auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und nicht auf die Werte der BEG-Richtlinie verwiesen. Die Beratung sei auch deshalb unzureichend und fehlerhaft gewesen.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23, PM 3/25
| Bei einer mehr als unerheblichen Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks scheidet die Annahme eines faktischen Kerngebiets aus, also als Gebiet, das vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Stadt versagte Nutzung eines Gebäudes als Spielhalle
Die Klägerin begehrt einen Bauvorbescheid für die Nutzung eines Geschäftsgebäudes in der Innenstadt der Beklagten als Spielhalle. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, der Widerspruch blieb erfolglos.
Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht sahen das anders
Das Verwaltungsgericht (VG) gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) zurück. Das Vorhaben sei als Vergnügungsstätte zulässig. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Kerngebiet i. S. d. Baunutzungverordnung (hier: § 7 BauNVO). Die nicht unerhebliche, aber noch untergeordnete Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks stehe dieser Einordnung nicht entgegen, obwohl sie im vorhandenen Umfang nur aufgrund von Festsetzungen in einem Bebauungsplan zulässig wäre.
Bundesverwaltungsgericht rügte mangelnde Tatsachenfeststellung
Das BVerwG hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Auffassung des OVG, dass ein faktisches Kerngebiet auch bei einer nicht unerheblichen Wohnnutzung vorliegt, steht mit der Regelungssystematik der Baunutzungsverordnung nicht in Einklang. Die Verweisung in § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB auf die §§ 2 ff. BauNVO findet dort eine Grenze, wo die Baunutzungsverordnung eine planerische Entscheidung der Gemeinde vorsieht. Der Verordnungsgeber hat die Entscheidung darüber, ob die sonstige Wohnnutzung in einem Kerngebiet über Ausnahmen hinausgehen darf, der Gemeinde überlassen. Ihr Spielraum darf bei der Einordnung als faktisches Kerngebiet nicht übergangen werden. Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen konnte das BVerwG nicht abschließend entscheiden.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 20.5.2025, 4 C 2.24, PM 37/25
| Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf der Grundlage von über 2.300 geleisteten Mehrarbeitsstunden im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer für mehrere Monate frei, muss er ihm in diesen Monaten das Entgelt nach dem Lohnausfallprinzip zahlen, also das Entgelt, das zu zahlen gewesen wäre, wenn der Arbeitnehmer in diesen Monaten gearbeitet hätte. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |
Das LAG: Nichts anderes ergibt sich, wenn die unstreitige Mehrarbeit vor 20 Jahren geleistet worden war, also in einem Zeitraum, für den die Parteien ein viel geringeres Bruttomonatsentgelt vereinbart hatten.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 23.8.2024, 6 Sa 663/23
| Ein Bewerber um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugdienst kann verlangen, nicht wegen eines genetisch bedingten erhöhten Thromboserisikos vom Bewerbungsverfahren der Bundespolizei ausgeschlossen zu werden. Bei der beim Kläger diagnostizierten sog. Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich um einen angeborenen Gendefekt, bei dem es zu Störungen der Blutgerinnung kommt und der mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergeht. Die Entscheidung der Bundespolizeiakademie, die Bewerbung des Klägers um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst im Jahr 2023 aufgrund fehlender gesundheitlicher Eignung nicht zu berücksichtigen, hatte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Aachen keinen Bestand. Über die Bewerbung des Klägers muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden werden. |
Geringe Risiken
Zur Begründung hat das VG ausgeführt, dass es bereits in erheblichem Maße zweifelhaft ist, ob hinreichende sachliche Gründe für den Ausschluss von Beamten mit einem solchen Gendefekt bestehen. Denn das durch eine solche Mutation bedingte Thromboserisiko ist verhältnismäßig gering. In der beim Kläger vorliegenden Form ist es zwar gegenüber gesunden Menschen erhöht, entspricht jedoch ungefähr dem Thromboserisiko durch die Einnahme der Antibabypille bei Frauen und damit einem Risiko, das der Dienstherr als hinnehmbar ansieht.
Ergebnisse der genetischen Untersuchung durften nicht mitgeteilt werden
Unabhängig davon durfte der Gendefekt nicht zulasten des Klägers im Einstellungsverfahren berücksichtigt werden, weil er aufgrund einer genetischen Untersuchung diagnostiziert wurde. Die Mitteilung des diesbezüglichen Ergebnisses durfte die Bundespolizei aus Rechtsgründen nicht verlangen.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 10.3.2025, 1 K 1304/23, PM vom 10.3.2025
| Die Verwendung eines abstrakt gefährlichen Gegenstands – hier eines Klappmessers – zu einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch – hier Reparaturversuch an einer Uhr – läuft den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider und steht deshalb der Anerkennung eines Unfallereignisses als Dienstunfall entgegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Mit dem Messer versucht, Klemmfeder zu richten
Der mittlerweile pensionierte Kläger war Polizeivollzugsbeamter im saarländischen Landesdienst. Im April 2019 erstattete er bei seiner Dienststelle eine Dienstunfallanzeige. Danach habe er zu Dienstbeginn festgestellt, dass die sonst über der Tür hängende Wanduhr auf der Fensterbank gelegen habe. Es sei ihm aufgefallen, dass die Batterie der Uhr unsachgemäß im Batteriefach gesteckt habe und die Klemmfeder verbogen gewesen sei. Er habe mit seinem Klappmesser die verbogene Feder wieder richten wollen. Hierbei sei das Messer zugeschnappt und er habe sich einen tiefen Schnitt am kleinen Finger der rechten Hand zugezogen.
Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls
Sein Antrag auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall ist behördlich und in den beiden gerichtlichen Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwiderlaufe, wenn ein Beamter sich ohne Not einem Verletzungsrisiko durch Hantieren mit einem privaten, abstrakt gefährlichen Gegenstand aussetze, dessen Funktionstauglichkeit der Dienstherr nicht prüfen könne.
Keine dienstliche Aufgabe
Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall. Zwar hat sich der Unfall in einem Dienstgebäude zur Dienstzeit ereignet und ist damit grundsätzlich als „in Ausübung des Dienstes eingetreten“ vom Dienstunfallschutz erfasst. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Reparatur der Uhr nicht zu den dienstlichen Aufgaben des Klägers als Polizeibeamter gehörte. Dienstunfallschutz wird jedoch nicht gewährt, wenn dieTätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft. Das ist hier der Fall.
Entgegen den Interessen des Dienstherrn
Dabei kann dahinstehen, ob es sich um ein Einhandmesser im Sinne des Waffengesetzes handelte und das Führen des Messers bereits deshalb verboten war. Jedenfalls lief die Benutzung dieses Messers zum Zweck einer Uhrreparatur den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider. Das verwendete Messer ist ein abstrakt gefährlicher Gegenstand, der für den Zweck der Reparatur ersichtlich nicht bestimmt und nicht geeignet war.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 13.3.2025, 2 C 8.24, PM 16/25
| Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellt den Arbeitnehmer trotz dessen Beschäftigungsanspruchs von der Arbeit frei, unterlässt der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig in Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 615 S. 2 BGB) anderweitigen Verdienst, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis eingeht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Das war geschehen
Der Kläger war seit November 2019 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Senior Consultant gegen eine monatliche Vergütung von 6.440 Euro brutto. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.3.2023 ordentlich zum 30.6.2023 und stellte den Kläger unter Einbringung von Resturlaub unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht (ArbG) am 29.6.2023 statt, die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) am 11.6.2024 zurückgewiesen.
Arbeitgeber schlug Stellenangebote vor
Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Kläger Anfang April 2023 arbeitssuchend und erhielt von der Agentur für Arbeit erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge. Die Beklagte übersandte ihm hingegen schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote, die nach ihrer Einschätzung für den Kläger in Betracht gekommen wären.
Arbeitnehmer bewarb sich – aber erst zum Beschäftigungsende
Auf sieben davon bewarb sich der Kläger, allerdings erst ab Ende Juni 2023. Nachdem die Beklagte dem Kläger für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, hat er diese mit einer Klage geltend gemacht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewendet, der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bei der Beklagten bezogenen Gehalts anrechnen lassen.
Arbeitgeber war durch einseitige Freistellung im Annahmeverzug
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) ihr stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Beklagte befand sich aufgrund der von ihr einseitig erklärten Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug und schuldet dem Kläger (nach § 615 S. 1 BGB iVm. § 611 a Abs. 2 BGB) die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss sich der Kläger nicht (nach § 615 S. 2 BGB) anrechnen lassen. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil ist nur gerechtfertigt, wenn dieser wider Treu und Glauben (nach § 242 BGB) untätig geblieben ist. Weil § 615 S. 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend hiervon bestand für ihn keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Beklagten ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.
Quelle | BAG, Urteil vom 12.0.2025, 5 AZR 127/24, PM 6/2
| Mit dem vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) wurden die Aufzeichnungspflichten für Verrechnungspreiszwecke in der Abgabenordnung (hier: § 90 Abs. 3 und Abs. 4 AO) angepasst. Ein neuer Bestandteil ist die Transaktionsmatrix. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat hierzu nun Stellung bezogen. |
Transaktionsmatrix: Tabelle mit vorgegebenen Elementen
Die Transaktionsmatrix ist eine tabellarische Übersicht, die relevante Informationen zu grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen des Steuerpflichtigen mit nahestehenden Personen und Betriebsstätten enthält.
Das BMF führt auf, was in der Transaktionsmatrix anzugeben ist:
- Gegenstand und Art der Geschäftsvorfälle (z. B. Warenlieferung und Dauersachverhalt),
- an den Geschäftsvorfällen Beteiligte unter Kennzeichnung von Leistungsempfänger und Leistungserbringer,
- Volumen und Entgelt (in EUR) der Geschäftsvorfälle (z. B. Darlehensvolumen und Zins oder Entgelt für eine Warenlieferung oder Dienstleistung),
- vertragliche Grundlage (Benennung der Vertragsunterlage),
- angewandte Verrechnungspreismethode (z. B. Kostenaufschlagsmethode oder Preisvergleichsmethode),
- betroffene Steuerhoheitsgebiete und
- Angabe, ob Geschäftsvorfälle nicht der Regelbesteuerung im betreffenden Steuerhoheitsgebiet unterliegen
Zudem sind dem Schreiben als Anlage zwei Beispiele für eine Transaktionsmatrix angefügt. Abweichungen durch den Steuerpflichtigen sind nur unter den im Schreiben genannten (zeitlichen) Voraussetzungen zulässig.
Vorgaben ab 2025
Bei einer Außenprüfung sind ab 2025 (ohne gesondertes Verlangen) innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen: die Stammdokumentation bei Überschreiten der Größenklassen, Aufzeichnungen über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle und die Transaktionsmatrix.
Transaktionsmatrix auch für Vorjahreszeiträume
Da eine Prüfungsanordnung, die im Jahr 2025 ergeht, i. d. R. auch Prüfungszeiträume vor 2025 umfasst, muss eine Transaktionsmatrix in diesen Fällen auch für die Vorjahre erstellt werden. Die 30-Tage-Frist gilt für ein im Jahr 2025 gestelltes Vorlageverlangen hinsichtlich der Transaktionsmatrix, auch wenn die Prüfungsanordnung vor 2025 ergangen ist.
Beachten Sie | Werden keine ertragsteuerlichen Auslandssachverhalte geprüft, sind die o. g. Unterlagen nur auf gesondertes Verlangen vorzulegen.
Quelle | BMF, Schreiben vom 2.4.2025, IV B 3 - S 0225/00019/004/009
| In einem Verfahren vor dem Landgericht (LG) Frankfurt a. M. klagte ein Hersteller u. a. von Mobilfunkgeräten mit Niederlassung in Deutschland gegen ein in der Volksrepublik China ansässiges Unternehmen. Die chinesische Beklagte ist Inhaberin von Patenten, die für mehrere Mobilfunkstandards essenziell sind. Sie hat sich dazu verpflichtet, Lizenzen für diese Patente zu fairen Bedingungen zu erteilen. Die Klägerin wollte mit ihrer Klage erreichen, dass die chinesische Beklagte ihr Mobilfunklizenzen zu bestimmten Konditionen gewährt. |
Beschleunigung des Verfahrens
Zur Durchführung des Verfahrens bedarf es zunächst der förmlichen Zustellung der Klageschrift. Grundsätzlich wäre die Zustellung im Wege der Rechtshilfe unter Beteiligung chinesischer Stellen am Sitz der Beklagten in der Volksrepublik China vorzunehmen. In Ausnahmefällen kann nach der Zivilprozessordnung (ZPO) jedoch davon abgesehen werden und das Gericht eine öffentliche Zustellung anordnen, etwa wenn die Zustellung im Ausland keinen Erfolg verspricht. Das hat das LG hier für die Zustellung in der Volksrepublik China angenommen. Es hat eine öffentliche Zustellung bewilligt.
Das LG: Das Gebot eines wirkungsvollen Rechtsschutzes erfordert, dass dieser in angemessener Zeit zu erlangen ist. Keinen Erfolg verspricht die Zustellung daher, wenn die Durchführung einen derart langen Zeitraum in Anspruch nehmen würde, dass ein Zuwarten der betreibenden Partei billigerweise nicht zugemutet werden kann. Für die Entscheidung der Frage, ob die Dauer einer Zustellung im Wege der Rechtshilfe nicht mehr zumutbar ist, bedarf es einer Abwägung der beiderseitigen Interessen.
Der übliche Weg dauert zu lange
Die Klägerin, so das LG, habe dargelegt, dass die Auslandszustellung in der Volksrepublik China nicht stets gelingt und auch dann einen Zeitraum von deutlich mehr als einem Jahr in Anspruch nimmt. Nach der Erfahrung anderer deutscher Gerichte, die sich mit der Erfahrung der Kammer deckt, nimmt die Zustellung in der Volksrepublik China einen erheblichen Zeitraum in Anspruch. Bei dieser Sachlage überwiegen die Interessen der Klägerin auf effektiven Rechtsschutz die Interessen der Beklagten im Hinblick auf die Gefährdung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Das LG hat der Klägerin allerdings aufgegeben, die Beklagte auf nicht-förmlichem Weg zu informieren, dass hier in Deutschland die öffentliche Zustellung der Klage erfolgt.
Quelle | LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 15.1.2025, 2-06 O 426/24, PM vom 7.2.2025
| Das Landgericht (LG) München I hat im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass einem Online-Apotheken-Anbieter die Bewerbung der sog. „Abnehmspritze“ gegenüber Endverbrauchern in ihrer konkreten Form untersagt ist. |
Fragebogen ausfüllen, Medikament bekommen?
Eine Apothekenkammer wendete sich in ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dagegen, dass eine in den Niederlanden ansässige Online-Apotheke gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland für Fernbehandlungen mit dem Ziel der Verschreibung von Arzneimitteln zur Gewichtsreduktion/Adipositas wirbt, wobei die Behandlung lediglich in der ärztlichen Überprüfung eines durch den Nutzer auf einer Plattform ausgefüllten Fragebogens besteht. Für die Verschreibung des Medikaments durch die beklagte Online-Apotheke ist hierbei nach der Werbung zur Bestellung lediglich das Ausfüllen eines Fragebogens erforderlich, welcher nach Vortrag der Antragsgegnerin sodann von einem (nicht in Deutschland ansässigen) Arzt vor der Verschreibung überprüft wird.
Zulässige Fernbehandlung?
Die beklagte Apotheke hatte gegen ein Verbot eingewandt, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verspätet sei. Die Antragsstellerin kenne das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin bereits aus einem anderen Verfahren, dessen Gegenstand Medikamente zur Behandlung erektiler Dysfunktion waren. Beworben und umschrieben werde außerdem lediglich eine „Gewichtsverlustbehandlung“; dies lasse keinen zwingenden Schluss auf die Abnehmspritze zu. Dies sei zulässig und verstoße nicht gegen das Heilmittelwerbegesetz. Das Ausfüllen eines Fragebogens, der dann von einem Arzt überprüft werde, sei auch eine zulässige Fernbehandlung unter Verwendung von Kommunikationsmedien, bei der ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich sei.
Landgericht: kein allgemein anerkannter fachlicher Standard
Dem folgte das LG nicht: Die Fernbehandlung von Adipositas mittels Ausfüllens eines Fragebogens entspreche nicht allgemein anerkannten fachlichen Standards. Vielmehr sei vor der Verschreibung einer Abnehmspritze ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen erforderlich. Dies ergebe sich bereits aus den „Warnhinweisen“, die die beklagte Apotheke dem Gericht selbst vorgelegt habe: In diesen werde auf zahlreiche Nebenwirkungen, wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, Hypoglykämie (bei Patienten mit Typ-2-Diabetes) und Schwindel, auf das Risiko der Unterzuckerung und darauf hingewiesen, dass die Behandlung eingestellt werden sollte, wenn man in drei Monaten nach Behandlungsbeginn nicht mindestens 5 % seines Körpergewichts verliere.
Darüber hinaus werde in den von der Beklagten selbst vorgelegten Unterlagen ausgeführt, dass eine regelmäßige Nachsorge und Überwachung während einer Gewichtsreduktion unbedingt erforderlich sei. Gerade diese, von der beklagten Apotheke selbst für erforderlich gehaltene regelmäßige Nachsorge erfordere aber zwingend einen persönlichen ärztlichen Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen, welcher weder von der beklagten Apotheke noch von den verschreibenden Ärzten – schon aufgrund der räumlichen Distanz – geleistet werden könne.
Hinzu komme, dass ausweislich der Patientenleitlinie zur Diagnose und Behandlung der Adipositas der deutschen Adipositasgesellschaft zahlreiche Untersuchungen, u. a. des Bluts und des Urins, nötig seien, um Adipositas zu diagnostizieren und zu behandeln. Dies könne daher gerade nicht im Wege der Fernbehandlung erfolgen.
Werbung für den Absatz von Medikamenten
Es handele sich bei der Werbung der Beklagten ferner nicht um die Werbung für eine Behandlung als solche, wie diese vorgetragen habe, sondern um die Werbung für den Absatz von Medikamenten. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Werbung. Um welche Gruppe von Präparaten es sich hierbei handele, wüssten die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der Kammer gehörten, bereits deshalb, weil „die Abnahmespritze“ in jüngster Zeit starke mediale Aufmerksamkeit erfahren habe.
Quelle | LG München I, Beschluss vom 3.3.2025, 4 HK O 15458/24, PM 3/25
| Wann haben Leiharbeitnehmer beim Entleiher eine erste Tätigkeitsstätte? Zu dieser Frage gibt es neue Entwicklungen bzw. ist ein Verfahren beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig: Liegt bei Leiharbeitnehmern eine dauerhafte Zuordnung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 4 S. 3 Altern. 2 EStG, Zuordnung für die Dauer des Dienstverhältnisses) zu einer ersten Tätigkeitsstätte vor, wenn ein befristetes Beschäftigungsverhältnis zum Personaldienstleister (Verleiher) wiederholt vor Ablauf der Befristung bei unverändertem Vertragsinhalt verlängert wird und jeweils eine Verlängerung der befristeten Zuordnung zu demselben Entleiher bei unverändertem Einsatzort erfolgt? |
Hintergrund: Bei einer ersten Tätigkeitsstätte ist der Arbeitnehmer beim Kostenabzug auf die Entfernungspauschale beschränkt. Handelt es sich allerdings um eine Auswärtstätigkeit, kann er seine Fahrtkosten (ggf. auch Verpflegungsmehraufwand) nach Reisekostengrundsätzen geltend machen, was steuerlich günstiger ist.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.6.2024, 12 K 38/24, Rev. BFH: VI R 2/25
| Für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Baudenkmäler und in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen belegene Gebäude können unter bestimmten Voraussetzungen Abzugsbeträge nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 f EStG) über zehn Jahre wie Sonderausgaben geltend gemacht werden. Verstirbt nun der Steuerpflichtige vor Ablauf des zehnjährigen Abzugszeitraums, kann der Erbe die Abzugsbeträge des Erblassers nicht fortsetzen. Dies entschied das Finanzgericht (FG) Sachsen-Anhalt |
Das gilt selbst dann, wenn der Erbe das Gebäude zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Gegen dieses Urteil des FG Sachsen-Anhalt ist die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig. Bis zu einer Entscheidung des BFH können geeignete Fälle mit einem Einspruch somit offengehalten werden.
Quelle | FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.7.2024, 1 K 903/21; Rev. BFH, X R 23/24
| Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten stellt sich oft die Frage, wem das Besteuerungsrecht zusteht. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei Entscheidungen die Voraussetzungen konkretisiert, die im grenzüberschreitenden Sachverhalt im Anwendungsbereich eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) zu einer ausländischen Betriebsstätte führen. Aus einer solchen Betriebsstätte erzielt der Steuerpflichtige in der Regel Einkünfte, die im Inland steuerfrei sind und nur der ausländischen Besteuerung unterliegen. |
Taxiunternehmen mit Büro in der Schweiz
Ein in Deutschland lebender Taxiunternehmer hatte wegen seiner Mitgliedschaft in einer Schweizerischen Taxifunkzentrale Zugang zu deren Büroraum in der Schweiz. Dieser Raum war mit drei Arbeitsplätzen eingerichtet und stand insgesamt drei Taxiunternehmern zur Verfügung.
Der Taxiunternehmer nutzte den Büroraum (einschließlich eines abschließbaren Standcontainers) für geschäftsleitende Tätigkeiten sowie für die Personalverwaltung seiner angestellten Taxifahrer, die Vorbereitung der laufenden Buchführung, das Rechnungswesen, die Finanzkontrolle sowie die Kontrolle der Einhaltung behördlicher Auflagen.
Der BFH bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg, die Einkünfte des Taxiunternehmers in Deutschland unter Progressionsvorbehalt steuerfrei zu stellen, da in der Schweiz die Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte erfüllt sind.
„Verwurzelung“ mit dem im Ausland belegenen Ort bei Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit
Hierfür ist die „Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem im Ausland belegenen Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit maßgebend. Diese Verwurzelung folgt aus einer Gesamtwürdigung der in Wechselwirkung zueinander stehenden Merkmale der zeitlichen und örtlichen Festigkeit der Geschäftseinrichtung sowie der dauerhaften Verfügungsmacht des Unternehmens über diese Geschäftseinrichtung.
Der persönliche Standcontainer ist insoweit ein Indiz für die dauerhafte Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung (hier: den Büroraum). Darüber hinaus wurden in dem Büroraum nicht nur Hilfstätigkeiten ausgeübt.
Die Haupttätigkeit eines Taxiunternehmers mit mehreren angestellten Taxifahrern erschöpft sich nicht allein im Fahren von Taxis zum Zwecke der Personenbeförderung. Vielmehr gehören hierzu auch die geschäftsleitenden und zentralen unternehmerisch-administrativen Tätigkeiten, die der Taxiunternehmer in dem Büroraum in der Schweiz ausgeübt hat.
Zeitliche Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte
In einem weiteren Verfahren ging es um die zeitlichen Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte. Sowohl für das Innehaben der Geschäftseinrichtung als auch für die unternehmerische Tätigkeit, die in der Geschäftseinrichtung ausgeübt wird, hat der BFH eine Mindestdauer von sechs Monaten festgelegt.
Sechs Monate Mindestdauer ohne Ausnahme
Ein Unternehmen, das nur weniger als sechs Monate existiert, rechtfertigt selbst dann keine Ausnahme, wenn die Tätigkeit dieses Unternehmens vollständig in der ausländischen Geschäftseinrichtung ausgeübt wurde.
Quelle | BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 47/21; BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 39/21; PM 26/25 vom 2.5.2025
| Die gesetzlichen Altersrenten werden im Rahmen der jährlichen Rentenanpassung zum 1.7.2025 um 3,74 % steigen. Der Bundesrat hat einer entsprechenden Verordnung zugestimmt. |
Beachten Sie | Die Rentenanpassung kann dazu führen, dass Rentner erstmals in die Steuerpflicht rutschen und eine Steuererklärung abgeben müssen. Eine Steuerpflicht tritt aber nur ein, wenn der steuerpflichtige Teil der Jahresbruttorente – zuzüglich weiterer Einkünfte (z. B. aus einer Vermietung) und unter Berücksichtigung etwaiger Freibeträge und sonstiger Abzugsbeträge – den steuerlichen Grundfreibetrag übersteigt. Für das Jahr 2024 beträgt der Grundfreibetrag 11.784 Euro pro Jahr, für 2025 sind es 12.096 Euro. Bei einer steuerlichen Zusammenveranlagung von Eheleuten gelten die doppelten Werte.
Quelle | Rentenwertbestimmungsverordnung 2025, BR-Drs.190/25
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hatte 2023 entschieden: Überträgt der Steuerpflichtige schenkweise einen Miteigentumsanteil an einem Vermietungsobjekt, ohne auch die Finanzierungsdarlehen anteilig zu übertragen, kann er die Schuldzinsen nur noch anteilig entsprechend seinem verbliebenen Miteigentumsanteil abziehen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat diese Sichtweise nun bestätigt, sodass die auf den übertragenen Miteigentumsanteil entfallenden Schuldzinsen nicht als (Sonder-)Werbungskosten zu berücksichtigen sind. |
Das war geschehen
Der Alleineigentümer (Vater) einer vermieteten Immobilie hatte einen ideellen 2/5-Miteigentumsanteil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich auf seinen Sohn übertragen. Die Grundschuld wurde von dem Sohn entsprechend seinem Miteigentumsanteil zur dinglichen Haftung übernommen. Zu einer schuldrechtlichen Schuldübernahme bzw. einem Schuldbeitritt zur Darlehensschuld gegenüber der Bank kam es jedoch nicht.
In der Feststellungserklärung für die Grundstücksgemeinschaft bzw. die Vermietungs-GbR wurden Darlehenszinsen in voller Höhe geltend gemacht. Diese berücksichtigte das Finanzamt allerdings nur zu 3/5 (= Anteil des Vaters).
Die hiergegen gerichtete Klage blieb ebenso erfolglos wie die Revision.
Von Finanzierung der Einkünfteerzielungstätigkeit zur Finanzierung der Schenkung
Durch die unentgeltliche Übertragung des Miteigentumsanteils wurde insoweit der (objektive) wirtschaftliche Zusammenhang der zur Finanzierung der Anschaffung der Immobilie aufgenommenen Darlehen zur bisherigen Einkünfteerzielungstätigkeit gelöst. Fortan dienten die Darlehen der Finanzierung der Schenkung.
Beachten Sie | Das FG Niedersachsen hatte die Revision im Hinblick auf folgende Frage zugelassen: Ist es gerechtfertigt, den Sachverhalt bei einer vermögensverwaltenden GbR (wie im Streitfall) anders zu behandeln als bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb? Und das hat der BFH eindeutig mit „ja“ beantwortet.
Die Begründung: Das Einkommensteuerrecht wird vom Dualismus der Einkunftsarten (Gewinn- und Überschusseinkünfte) bestimmt. Die unterschiedliche Erfassung von Wertsteigerungen bzw. -minderungen im Betriebs- und Privatvermögen ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar.
Quelle | BFH, Urteile vom 3.12.2024, IX R 2/24 und IX R 3/24
| Eine Frau muslimischen Glaubens ist vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin mit einer Klage gescheitert, mit der sie eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kraftfahrzeugs mit einem Gesichtsschleier erstreiten wollte. |
Nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) dürfen Personen, die ein Kraftfahrzeug führen, ihr Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken, dass sie nicht mehr erkennbar sind (Verhüllungsverbot). Die Klägerin hatte geltend gemacht, ihr muslimischer Glaube gebiete es, dass sie sich außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Auch im Auto sei sie den Blicken fremder Menschen ausgesetzt. Daher müsse ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Ihren Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Ausnahmegenehmigung hatte das Land Berlin abgelehnt. Dagegen richtete sich die Klage.
Das VG hat die Klage abgewiesen. Eine Ausnahmegenehmigung könne die Klägerin auch mit Blick auf ihre grundrechtlich geschützte Religionsfreiheit nicht beanspruchen. Diese müsse nach Abwägung aller widerstreitenden Interessen hinter anderen Verfassungsgütern zurücktreten. Das Verhüllungsverbot gewährleiste eine effektive Verfolgung von Rechtsverstößen im Straßenverkehr, indem es die Identifikation der Verkehrsteilnehmer ermögliche, etwa im Rahmen von automatisierten Verkehrskontrollen. Es diene zudem dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums Dritter, weil Kraftfahrzeugführer, die damit rechnen müssten, bei Regelverstößen herangezogen zu werden, sich eher verkehrsgerecht verhalten würden als nicht ermittelbare Autofahrer.
Demgegenüber wiege der Eingriff in die Religionsfreiheit der Klägerin weniger schwer. Ein gleich wirksames, aber mit geringeren Grundrechtseinschränkungen verbundenes Mittel zur Erreichung der mit dem Verhüllungsverbot verfolgten Zwecke stehe nicht zur Verfügung. So könne etwa eine Fahrtenbuchauflage nur dem Halter eines Fahrzeugs auferlegt werden; die Klägerin begehre jedoch eine Ausnahme in ihrer Eigenschaft als Führerin eines Fahrzeugs. Gleichermaßen ungeeignet erscheine der Vorschlag der Klägerin, einen Niqab mit einem „einzigartigen, fälschungssicheren QR-Code“ zu versehen und die Ausnahme vom Verhüllungsverbot mit einer solchen Auflage zu verbinden. Denn dadurch sei nicht sichergestellt, dass die Person, die den Niqab trage, auch tatsächlich die Person sei, für die der QR-Code kreiert wurde.
Gegen das Urteil kann der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg gestellt werden.
Quelle | VG Berlin, Urteil vom 27.1.2025, VG 11 K 61/24, PM 5/25
| Ein Motorradfahrer wollte einen Auffahrunfall vermeiden. Er bremste deshalb sehr stark. Weil die Maschine kein Antiblockiersystem (ABS) hatte, blockierte das Vorderrad und der Motorradfahrer stürzte. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in diesem Fall kompakte Ausführungen zum „Idealfahrer“ hinsichtlich der Unabwendbarkeit gemacht. Besonders wichtig: Er bezieht die Situation vor dem Unfallgeschehen mit ein. |
Es kommt nicht nur auf die konkrete Situation an, …
Ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein „Idealfahrer“ reagiert hat, ist nicht allein entscheidend. Vielmehr ist zu berücksichtigen, ob ein „Idealfahrer“ überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre. Der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr nun (zu spät) „ideal“ verhält. Der „Idealfahrer“ hat in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind,Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden.
… sondern darauf, ob der Fahrer vorausschauend gehandelt hat
Dahinstehen kann also, ob der Sturz des Klägers noch im Zeitpunkt des Abbremsens durch kontrolliertes Betätigen der Vorderradbremse vermeidbar gewesen wäre. Denn ein Idealfahrer, der weiß, dass sein Motorrad nicht über ein ABS verfügt und bei einer reflexhaften Vollbremsung ein Sturz droht, hätte von vornherein eine Fahrweise gewählt, mit der ein reflexhaftes Bremsen in der Situation des Klägers vermieden worden wäre. Er hätte den Abstand zum Vorausfahrenden und die Geschwindigkeit so bemessen, dass er selbst im Fall plötzlich scharfen Bremsens des Vorausfahrenden – das er stets einkalkulieren muss – noch hätte kontrolliert bremsen und sowohl einen Sturz als auch eine Kollision mit dem Vorausfahrenden hätte vermeiden können.
Quelle | BGH, Urteil vom 3.12.2024, VI ZR 18/24
| Besuchen Halbgeschwister, die mit dem gemeinsamen Elternteil zusammenleben, gleichzeitig im Stadtgebiet Kindertageseinrichtungen, sind bei der Festsetzung von Elternbeiträgen hierfür satzungsrechtliche Geschwisterermäßigungen oder -befreiungen zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Halbgeschwister neben dem gemeinsamen Elternteil auch mit dem anderen Elternteil des einen Kindes in häuslicher Gemeinschaft zusammenleben. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden. |
Beitragsbefreiung oder nicht?
Die gemeinsame, im Juli 2019 geborene Tochter der Kläger nahm im Schuljahr 2021/2022 das Betreuungsangebot einer Kindertageseinrichtung in der beklagten Stadt wahr. Mit ihr und ihren Eltern lebte seinerzeit ein weiteres von der Klägerin, nicht aber vom Kläger abstammendes Kind in der gemeinsamen Wohnung, das dieselbe Kindertageseinrichtung besuchte, wofür wegen Vollendung des vierten Lebensjahres aufgrund einer landesrechtlichen Bestimmung kein Elternbeitrag zu leisten war. Die Stadt setzte gegenüber den Klägern auf Basis ihres gemeinsamen Jahreseinkommens einen monatlichen Elternbeitrag in Höhe von 313 Euro fest. Hiergegen wandten sich die Kläger und beriefen sich auf eine Vorschrift der Elternbeitragssatzung (im Folgenden nur: Satzung) der beklagten Stadt. Danach entfällt bei Eingreifen einer landesrechtlich – für die letzte Zeit in Tagesbetreuung vor der Einschulung – im Kinderbildungsgesetz (KiBiz) angeordneten Beitragsbefreiung „auch der Beitrag für das zweite und jedes weitere Kind“. Diese Regelung folgt auf eine in sonstigen Fällen maßgebliche „Geschwisterregelung“ in der Satzung, wonach „nur ein Beitrag zul eisten“ ist, wenn „aus einer Familie […] mehr als ein Kind Betreuungsangebote […] in Anspruch“ nimmt.
Die auf Aufhebung der Beitragsfestsetzung gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht (VG) Arnsberg ab. Die dagegen eingelegte Berufung der Kläger hatte vor dem OVG Erfolg.
Gemeinsames Kind als weiteres Kind zu berücksichtigen
Das OVG hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen angeführt: Das gemeinsame Kind der Kläger ist als weiteres Kind der Familie im Sinne der Geschwisterregelungen in der Satzung zu berücksichtigen. Die Gemeinschaft zweier leiblicher Kinder derselben Mutter mitdieser und deren neuem Partner, der Vater nur eines der beiden Kinder ist, istbereits unter Zugrundelegung eines verfassungsrechtlichenBegriffsverständnisses als eine Familie anzusehen. Ein anderes Verständnis desFamilien- bzw. Geschwisterbegriffs lässt sich weder der städtischen Satzungnoch höherrangigem Recht entnehmen. Die auf einer Ermächtigung desLandesgesetzgebers beruhende allgemeine Geschwisterregelung in der Satzung –bei mehreren Kindern nur ein Elternbeitrag – entspricht im Kern einer früherenlandesgesetzlichen Regelung. Dieser lag allgemein eine Entlastung von Familienmit mehreren Kindern zugrunde, ohne dass etwa nach Voll- oder Halbgeschwisternunterschieden wurde. Bei dem Umstand, dass mehrere mit einem oder beidenElternteilen in einem Haushalt zusammenlebende Kinder Angebote derTagesbetreuung in Anspruch nehmen, für die jedenfalls der gemeinsame Elternteilgrundsätzlich beitragspflichtig wäre, handelt es sich um einen Gesichtspunktder sozialen Staffelung der Kostenbeiträge. Diese ist sowohl im Bundes- alsauch im Landesrecht angelegt und ermöglicht neben der – mit dem Einkommenkorrespondierenden – wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit derBeitragspflichtigen auch die Berücksichtigung anderer Aspekte, wie die Zahl derim gemeinsamen Haushalt lebenden und in Kindertageseinrichtungen zu betreuendenKinder. Vor diesem Hintergrund kommt eine Differenzierung danach, dass beideKläger für das mit ihnen zusammenlebende gemeinsame Kind beitragspflichtigsind, während das ältere Kind allein von der Klägerin abstammt und nur dieseinsoweit beitragspflichtig sein kann, nicht in Betracht.
Quelle | OVG Münster, Urteil vom 27.11.2024, 12 A 1627/22, PM vom 12.12.2024
| Die auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage einer 66-jährigen Großmutter, die mit ihrem Enkelkind an einem Straßenumzug teilgenommen hatte und gestürzt war, hatte vor dem Landgericht (LG) Frankenthal keinen Erfolg. Das LG hat festgestellt: Die zuständige Gemeinde muss eine Straße wegen einer nur einmal jährlich stattfindenden Veranstaltung nicht besonders absichern. Es gelten vielmehr die üblichen Maßstäbe der Verkehrssicherungspflicht bei Straßen und Plätzen. |
Über Gullydeckel gestolpert
Die verletzte Frau gab an, bei einem Straßenumzug über einen bis zu drei Zentimeter über das Straßenniveau ragenden Gullydeckel gestolpert und gestürzt zu sein. Durch den Sturz habe sie sich das linke Handgelenk und das rechte Schultergelenk gebrochen. Sie war der Ansicht, vor dem Umzug hätte die zuständige Verbandsgemeinde die Strecke besonders kontrollieren und absichern, Stolpergefahren beseitigen und etwa den hochstehenden Gullydeckel mit einer Gummimatte sichern müssen. Sie verlangte rund 1.700 Euro Schadenersatz und ein Schmerzensgeld in Höhe von 13.000 Euro.
Mit Unebenheiten muss man rechnen
Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit der Unebenheit von deutlich unter drei Zentimetern habe die Frau rechnen müssen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei es auch jedem Teilnehmer bekannt und spätestens bei Beginn des Umzugs ersichtlich, dass die Sicht auf die Straße wegen der Menschenansammlung eingeschränkt sei. Eine besondere Absicherung der Straße aufgrund des einmal jährlich stattfindenden Großereignisses sei daher nicht geboten gewesen. Die Abdeckung des Gullydeckels mit einer Gummimatte hätte den Höhenunterschied und die Stolpergefahr möglicherweise nur zusätzlich erhöht. Im Übrigen treffe die Frau ein überwiegendes Mitverschulden, was die geltend gemachten Ansprüche ebenfalls ausschließe.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 15.8.2024, 3 O 88/24, PM vom 27.2.2025
| Hat der Versicherer im Policenbegleitschreiben auf das Bestehen eines Widerspruchsrechts und die hierfür geltenden Anforderungen allgemein hingewiesen und diese an einer genau bezeichneten Stelle im Einzelnen näher erläutert, sind die jeweiligen Textstellen nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr ist dann eine Gesamtwürdigung beider Textstellen – als einheitliche Belehrung – geboten. So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken. |
Begründung: Angesichts des konkreten Verweises auf die einschlägige Bestimmung in der Verbraucherinformation seien auch die dortigen weiteren Informationen für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne Weiteres auffindbar. Im Fall des OLG galt dies insbesondere, da der Verbraucherinformation ein Inhaltsverzeichnis vorangestellt war. Aus dem ergab sich, dass die im Policenbegleitschreiben zitierte Textstelle „Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Vertrag noch widersprechen?“ sich unter Ziffer 6 befindet, die ihrerseits auf der betreffenden Seite mit der fettgedruckten Überschrift „6. Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Vertrag noch widersprechen?“ hervorgehoben war.
Quelle | OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.1.2024, 5 U 60/23
| Werden in einem Wohnhaus tragende Wände entfernt und durch eine Stahlträgerkonstruktion ersetzt, muss dies einem potenziellen Käufer der Immobilie ungefragt mitgeteilt werden. Verschweigt der Verkäufer diesen Umstand, stellt dies eine arglistige Täuschung dar, die den Käufer zur Anfechtung des Kaufvertrags berechtigt. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken in einer aktuellen Entscheidung festgestellt und der Klage eines Ehepaars gerichtet auf die Rückabwicklung eines Immobilienkaufvertrags stattgegeben. |
Verkäufer verheimlichten Umbau
Ein Ehepaar aus Pirmasens entschloss sich, das von ihnen etwa 10 Jahre lang selbst bewohnte Wohnhaus zu verkaufen. Was es dem kaufinteressierten Ehepaar nicht erzählte, war, dass es vor einigen Jahren ihr Wohnzimmer vergrößert, und dazu durch eine im Ausland ansässige Firma tragende Trennwände im 1. OG des Hauses hatte entfernen lassen. Nach Entfernung der Wände wurde die Decke nur noch durch zwei Eisenträger gestützt, die direkt auf das Mauerwerk aufgelegt und zusätzlich durch Baustützen gestützt wurden, die eigentlich nur für den vorübergehenden Gebrauch gedacht sind. Diese Trägerkonstruktion wurde anschließend durch Verblendungen verdeckt und war nicht mehr ohne Weiteres sichtbar. Um einen Nachweis über die Statik hatten sich die Eigentümer im Nachgang nicht bemüht.
Käufer fochten Kaufvertrag erfolgreich an
Als die neuen Eigentümer dann selbst einige bauliche Veränderungen an dem Haus durchführen wollten, beauftragten sie u. a. einen Statiker. Dieser stellte fest, dass die Trägerkonstruktion im 1. OG unzulässig und nicht dauerhaft tragfähig sei. Das Ehepaar hat den Kaufvertrag über das Hausgrundstück daraufhin angefochten und das Verkäuferehepaar auf Rückabwicklung verklagt. Mit Erfolg.
Das OLG gab dem Käuferehepaar Recht und verurteilte die Verkäufer zur Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückübereignung des Hausgrundstücks. Die Verkäufer seien in der Pflicht gewesen, auch ungefragt darüber zu informieren, dass tragende Wände entfernt, und damit in die Statik des Wohnhauses eingegriffen wurde. Erst recht hätten sie darüber aufklären müssen, dass kein Nachweis hinsichtlich der statischen Tragfähigkeit der Stahlträgerkonstruktion vorliege. Auch sei darüber zu informieren gewesen, dass die Arbeiten durch eine den Verkäufern kaum bekannte ausländische Firma durchgeführt wurden und zu den genauen Maßnahmen keinerlei Unterlagen vorlägen. Dies alles gälte auch, obwohl die Verkäufer wohl selbst von der ausreichenden Tragfähigkeit der Konstruktion ausgingen und auch obwohl die Käufer das Haus vor dem Kauf zusammen mit einer Bausachverständigen besichtigt hatten. Die Statik eines Wohnhauses sei im Hinblick auf mögliche Gefahren für die Gebäudesubstanz und auch für Leib und Leben der Bewohner von so wesentlichem Interesse, dass eine Veränderung an ihr einem Grundstückserwerber in jedem Fall ungefragt zu offenbaren sei.
Quelle | OLG Zweibrücken, Urteil vom 27.9.2024, 7 U 45/23, PM vom 25.2.2025
| Das Amtsgericht (AG) Flensburg hat entschieden: Der Mieter muss gesundheitliche Beeinträchtigungen für sich oder die seine Mitbewohner und die nachteiligen Auswirkungen eines Umzugs durch Vorlage fachärztlicher Atteste ausführlich darstellen. Sein Vortrag muss so konkret sein, dass das Gericht den Eintritt von relevanten Nachteilen als hinreichend wahrscheinlich annehmen kann. Dann ist das Gericht gehalten, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Der bloße unstreitige Umstand, dass die Kinder des Mieters einen Behindertenausweis und einen Pflegegrad zugesprochen bekommen haben, genügt nicht. Ohne Erläuterungen, welche Krankheiten oder Behinderungen die Kinder haben, kann das Gericht keinen Härtegrund annehmen. |
Der Vermieter kündigte den unbefristeten Wohnraummietvertrag wegen Eigenbedarf. Er begründete dies damit, er benötige das Objekt für sich und seine Lebensgefährtin als neuen Lebensmittelpunkt. Die Mieter widersprachen der Kündigung und beriefen sich insbesondere auf gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Mieterin leide an einer Angststörung und posttraumatischen Belastungsstörung und die beiden Kinder seien schwerbehindert und pflegebedürftig. Ein Umzug sei für die Familie unzumutbar.
Damit hatten sie vor dem AG keinen Erfolg. Das AG war nach der Zeugenvernehmung davon überzeugt, dass der Vermieter die Räume wegen der geplanten Familiensituation ernsthaft benötigte. Dass die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist, erkannte das AG nicht an. Denn die Mieter seien ihrer Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Härtegründe nicht nachgekommen.
Ein Härtegrund liege nur vor, wenn eine erhebliche Verschlechterung einer ernsten Erkrankung oder Lebensgefahr, die durch einen Sachverständigen zu klären ist, angenommen werden könne. Das Gericht hatte keine Anhaltspunkte, eine solche Verschlechterung des Gesundheitszustands der Kinder der Mieter anzunehmen. Der vorgelegte Behindertenausweis, das Pflegegutachten und das allgemeinärztliche Attest sprächen nur unkonkret von einer „gesundheitlichen Situation“ des Kindes. Das war dem Gericht zu unkonkret. Es fehle insbesondere vertiefter Vortrag dazu, wie sich die Erkrankung im Alltag auswirke und inwieweit mit einer Verschlechterung der Situation durch einen Umzug zu rechnen sei.
Quelle | AG Flensburg, Urteil vom 4.12.2024, 61 C 55/24
| Ein rechtlich beachtlicher Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses liegt nur vor, wenn sich der Anfechtende in einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses befunden hat, dagegen nicht, wenn lediglich falsche Vorstellungen von dem Wert der einzelnen Nachlassgegenstände vorgelegen haben. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschieden. |
Erblasserin wurde 106 Jahre alt
Die Erblasserin ist im Alter von 106 Jahren ohne Testament verstorben. Zuvor lebte sie seit längeren Jahren in einem Seniorenheim. Die Heim- und Pflegekostenkosten wurden aus Mitteln der Kriegsopferfürsorgestelle bestritten. Diese Leistungen wurden als Darlehen gewährt und durch eine Grundschuld an einem Haus der Erblasserin abgesichert. Der Ehemann der Erblasserin, ihre beiden Kinder und auch bereits ein Enkelkind waren vorverstorben. Gesetzliche Erben waren die Enkel und Urenkel der Erblasserin.
Enkelin schlug Erbschaft aus, Urenkel nicht
Nach dem Tod der Erblasserin hat u. a. die in gesetzlicher Erbfolge zur Erbin berufene Enkelin das Erbe ausgeschlagen und dabei angegeben, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Zwei Urenkel der Erblasserinnen haben das Erbe dagegen nicht ausgeschlagen. In der Folge wurde das Haus der Erblasserin unter Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Nachlasspflegerin an Dritte verkauft. Nach dem Verkauf des Hauses hat die Enkelin ihre Erklärung zur Erbausschlagung sodann wegen Irrtums angefochten. Danach hat sie die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der u. a. sie als Erbinzu 1/4 Anteil ausweisen sollte.
Das Nachlassgericht hat entschieden, dass der Erbschein wegen der angefochtenen Erbausschlagungserklärung der Enkelin, wie von ihr beantragt, erteilt werden müsse. Gegen diesen Beschluss wendete sich einer der Urenkel, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte, mit seiner Beschwerde.
Oberlandesgericht widersprach Nachlassgericht
Das OLG hat entschieden, dass der Erbscheinsantrag der Enkelin zurückzuweisen sei, da der von ihr beantragte Erbschein die eingetretene Erbfolge unzutreffend wiedergebe. Die Enkelin sei keine Erbin geworden, da sie die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und sie die Ausschlagungserklärung wegen Irrtums auch nicht wirksam anfechten könne.
Enkelin wusste nichts vom Bankkonto…
Soweit sie ihren Irrtum damit begründet habe, dass ihr erst im Nachhinein bekannt geworden sei, dass zum Nachlass ein Bankkonto bei der Kreissparkasse Köln mit einem vierstelligen Guthaben gehöre, läge zwar ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses vor. Dieser Irrtum hätte aber nicht ihre Ausschlagung der Erbschaft veranlasst. Denn selbst, wenn ihr das Konto bei der Kreissparkasse Köln bekannt gewesen wäre, hätte dies mangels wirtschaftlichem Gewicht des dortigen Guthabenbetrags gegenüber den restlichen Nachlasspositionen nichts an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses geändert.
… und unterschätzte den Verkaufserlös des Hauses
Soweit sich die Enkelin darauf berufe, sie habe sich geirrt, dass der Erlös aus dem Verkauf des Hauses der Erblasserin die Verbindlichkeiten aus dem mit der Grundschuld abgesicherten Darlehen für die Heim- undPflegekosten der Kriegsopferfürsorgestelle übersteige, liege kein Irrtum vor, der zur Anfechtung berechtige. Dieser Irrtum beruhe lediglich auf der unzutreffenden Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht über dessen Zusammensetzung.
Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14.8.2024, 8 W 102/23, PM vom 10.12.2024
| Beschränkt ein Bebauungsplan über ein Wochenendhausgebiet mittels sog. Baufenster die Bebaubarkeit von Flächen, kann für ein Grundstück, das außerhalb eines Baufensters gelegen ist, kein Bauvorbescheid erteilt werden. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Mainz. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist Pächterin eines Grundstücks, das im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, der ein Wochenendhausgebiet und hierfür überbaubare Flächen (sog. Baufenster) festsetzt. Das Pachtgrundstück ist danach nicht mit einem Wochenendhaus bebaubar, sondern nur mit Nebengebäuden, etwa zum Unterstellen von Gegenständen zur Freizeitnutzung.
Die Klägerin stellte einen Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheids zur Klärung der Frage, ob ihr Grundstück mit einem Wochenendhaus bebaubar sei, und beantragte hilfsweise eine Befreiung von der Festsetzung über die überbaubaren Flächen. Sie machte zur Begründung ihres Antrags geltend: Für jedes andere Grundstück in der Straße sehe der Bebauungsplan ein Baufenster vor, nicht aber für ihres – an vielen Stellen des Plangebiets seien nicht überbaubare Flächen zwischenzeitlich mit Gebäuden bebaut worden. Für ihr Grundstück sei sogar eine Hausnummer vergeben worden. Die Baugenehmigungsbehörde lehnte das Begehren ab. Das Widerspruchsverfahren blieb ohne Erfolg.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG wies die Klage ab. Die Errichtung eines Wochenendhauses auf dem Pachtgrundstück sei nicht genehmigungsfähig, denn für dieses sehe der Bebauungsplan keine Fläche vor, die mit einem solchen Gebäude bebaut werden dürfe.
Keine verdichtetete Bebauung im Erholungsgebiet gewünscht
Die Beschränkung der Bebaubarkeit der Flächen über das gesamte Plangebiet hinweg diene nach dem Willen der Gemeinde als Plangeberin der Verhinderung einer verdichteten Bebauung in dem Erholungsgebiet und dem Erhalt von Waldflächen. Damit liege eine städtebaulich legitimierte Planung vor, die auch das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) der von der Beschränkung betroffenen Eigentümer nicht verletze. Ohne den Bebauungsplan wären im Außenbereich Gebäude zur privaten Freizeitnutzung generell bauplanungsrechtlich unzulässig. Die Festsetzung über die beschränkte Bebaubarkeit, an deren Geltung die Gemeinde ausdrücklich weiter festhalte, sei auch nicht funktionslos geworden, sie könne die bauliche Entwicklung in dem Plangebiet auch künftig noch beeinflussen. Denn es gebe noch unbebaute Grundstücke, für die ebenfalls ein Baufenster festgesetzt sei. Der überwiegende Teil der Bebauung sei auch innerhalb der Baufenster verwirklicht worden.
Großer Teil hielt Regeln nicht ein: Bebauungsplan gilt trotzdem
Unerheblich sei hingegen, dass in einer Vielzahl von Fällen Grundstücke entgegen der Festsetzung zu den Baufenstern bebaut worden seien. Der Geltungsanspruch einer Norm, wie der eines Bebauungsplans, gehe nicht bereits dadurch unter, dass sich ein großer Teil der Betroffenen nicht an die Regelung halte. Die Vergabe einer Hausnummer diene allein ordnungsrechtlichen Belangen und begründe keine Baurechte für ein Grundstück. Eine Befreiung von der Festsetzung des Bebauungsplans über die beschränkte Bebaubarkeit der Grundstücke scheide aus, weil diese angesichts der Gesamtkonzeption einen Grundzug der Planung betreffe, über den die Baugenehmigungsbehörde – auch zur Vermeidung eines Präzedenzfalls – nicht hinweggehen könne. Allein die Gemeinde könne eine Umplanung des Bebauungsplans vornehmen.
Quelle | VG Mainz, Urteil vom 25.9.2024, 3 K 746/23.MZ, PM8/24
| Ein Energieberater schuldet zwar keinen Erfolg seiner Beratung in Form der tatsächlichen Förderung. Er muss aber korrekt beraten, sodass hieraus energetische Maßnahmen hervorgehen, die die Voraussetzungen der gesetzlichen Förderungsgrundlage erfüllen. Stellt er jedoch für die einzuhaltenden Wärmedurchgangskoeffizienten irrtümlicherweise auf die Werte des GEG ab, obwohl für die Förderung die Werte des BEG EM maßgeblich sind, sieht das Landgericht (LG) Berlin darin eine Verletzung seiner Beratungspflicht. Und das LG sieht den Berater sogar in der Pflicht, Schadenersatz zu leisten. |
Dienstvertragsrecht einschlägig
Das LG: Ein Energieberatungsvertrag ist als entgeltliche Geschäftsbesorgung einzuordnen, auf die Dienstvertragsrecht anzuwenden ist. Zwar wird angenommen, dass ein Energieberater in der Regel grundsätzlich keinen Erfolg in Form der tatsächlichen Förderung schulde oder dafür gar eine Garantie übernehme. Der Energieberater schuldet aber eine fachlich zutreffende Beratung, aus der energetische Maßnahmen hervorgehen, die die Voraussetzungen der gesetzlichen Förderungsgrundlage erfüllen.
Beratung zur Förderfähigkeit Hauptleistungspflicht
Diese Beratung im Hinblick auf förderfähige Maßnahmen stellt für den Verbraucher, der auf eine Förderung angewiesen ist, bei lebensnaher Betrachtung sogar eine Hauptleistungspflicht dar. Aufgabe einer Energie-Effizienz-Expertin im Rahmen der KfW-Förderung ist es regelmäßig, den Antragsteller über die passenden und aufeinander abgestimmten Sanierungsmaßnahmen für sein Gebäude zu beraten und gerade zu prüfen, ob diese technisch förderfähig sind, die Bestätigung zum Antrag und den späteren Verwendungsnachweis zu erstellen.
Konsequenzen
Gegenstand der Vertragsleistung war im Fall des LG die Beratung der energetischen Sanierung des Hauses in fachlicher Hinsicht und die Begleitung der Antragstellung beim Zuschussgeber mit dem Ziel der Förderungsfähigkeit der Baumaßnahmen. Der Energieberater hätte mithin geradezu treffend und vollständig dazu beraten und darauf hinwirken müssen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen auch wirklich förderungsfähig sind. Nicht umsonst hatte er ihr Honorar von einem Förderzuschuss abhängig gemacht und sogar unter die Bedingung einer Förderungsgewährung gestellt.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23
| Sichtbare Tätowierungen auf beiden Handrücken hindern die Zulassung zum Vorbereitungsdienst der Polizei nicht, wenn sie inhaltlich unbedenklich sind. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren entschieden. |
Tätowierungen auf den Handrücken
Die Antragstellerin begehrt die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst bei der Berliner Kriminalpolizei. Sie trägt unter anderem auf beiden Handrücken Tätowierungen. Bei den Motiven handelt es sich um Rosenblüten mit den Namen ihrer Kinder. Die Tattoos bedecken jeweils einen Großteil ihrer Handrücken. Die Berliner Polizei lehnte ihre Bewerbung deshalb ab. Hiergegen hat die Antragstellerin einen Eilantrag eingereicht.
Das VG hat dem Eilantrag teilweise stattgegeben und das Land Berlin verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Bewerbung der Antragstellerin zu entscheiden. Zur Begründung führt sie aus, das Tragen von Tätowierungen im sichtbaren Bereich könne einer Einstellung nur entgegenstehen, wenn die Tattoos über das übliche Maß hinausgingen und wegen ihrer besonders individualisierenden Art geeignet seien, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen.
Rosenblüten und Namen der Kinder: unkritischer Inhalt
Dies sei hier nicht der Fall. Es sei bereits zweifelhaft, ob die Tattoos der Antragstellerin über das übliche Maß hinausgingen. Vielfältige Tätowierungen, insbesondere von Blumen bzw. Pflanzen und persönlichen Daten, seien heutzutage weit verbreitet. Jedenfalls seien die Tattoos der Antragstellerin trotz ihrer Sichtbarkeit nicht geeignet, ihre amtliche Funktion in den Hintergrund zu drängen. Die klare Erkennbarkeit der Motive und deren unkritischer Inhalt böten Bürgerinnen und Bürgern keinen Anlass, über die persönlichen Überzeugungen der Antragstellerin als Privatperson zu spekulieren.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 27.2.2025, VG 26 L 288/24, PM 14/25
| Der professionelle Einsatz eines vollautomatischen Wanddruckers stellt kein zulassungspflichtiges Maler- und Lackiererhandwerk dar. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren entschieden. |
Laut Handwerkskammer bestand Meisterzwang
Die Antragstellerin stellt sog. Wanddrucker her, mit denen sich individuell vom Verwender programmierte Motive großflächig auf eine in der Regel vertikale Fläche auftragen lassen. Einer Käuferin des Wanddruckers wurde auf Nachfrage von der Handwerkskammer Berlin mitgeteilt, dass die gewerbliche Nutzung des Geräts zulassungspflichtig im Maler- und Lackierer-Handwerk sei und daher nur mit Fachkundenachweis und Eintrag in der Handwerksrolle gewerblich ausgeführt werden dürfe. Die Käuferin veröffentlichte die Auskunft auf ihrer Internetseite und erklärte, wegen des „Meisterzwangs“ keine Aufträge mehr für den Wanddrucker annehmen zu können.
Die Antragstellerin verlangte daraufhin von der Handwerkskammer insbesondere, diese – aus ihrer Sicht falsche – Auskunft zu widerrufen und zukünftig zu unterlassen. Die Veröffentlichung der Auskunft im Internet verursache ihr einen immensen wirtschaftlichen Schaden, weil die meisten ihrer Kunden über keinen entsprechenden Fähigkeitsnachweis verfügten. Nachdem die Handwerkskammer eine gesetzte Frist verstreichen ließ, hat die Antragstellerin bei Gericht einen Eilantrag und Klage eingereicht.
Verwaltungsgericht widersprach
Das VG hat dem Eilantrag stattgegeben. Begründung: Die Nutzung eines (vollautomatischen) Wanddruckers stelle für sich genommen regelmäßig keinen handwerklichen Betrieb eines Maler- und Lackierer-Handwerks dar. Sie sei vielmehr ohne Nachweis eines Fachkundenachweises oder einer Eintragung in die Handwerksrolle zulässig.
Weder Fachkundenachweis noch Eintragung in die Handwerksrolle notwendig
Die händischen Arbeitsschritte beim Bedienen des Wanddruckers beschränkten sich auf die Vorbereitung des Druckers und des Motivs sowie das Farbmanagement. Das Verbringen der Farbe auf die Oberfläche – als Kernbereich des Malerhandwerks – erfolge indes automatisiert. Angesichts der überschaubaren Komplexität und Schwierigkeit der Bedienung des Druckers genüge nach unbestrittener Darstellung der Antragstellerin eine zweitägige Schulung in aller Regel, um zufriedenstellende Ergebnisse mit dem Wanddrucker zu erzeugen. Die nötigen Vorbereitungshandlungen und das Mischen von Farben seien keine wesentlichen Tätigkeiten bei der Benutzung des Druckers, weil sie jedenfalls in unter drei Monaten erlernt werden könnten.
Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 19.2.2025, VG 4 L 847/24, PM vom 24.2.2025
| Verstößt der Arbeitgeber schuldhaft gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, dem Arbeitnehmer rechtzeitig für eine Zielperiode Ziele vorzugeben, an deren Erreichen die Zahlung einer variablen Vergütung geknüpft ist (Zielvorgabe), löst dies grundsätzlich einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadenersatz statt der Leistung aus. Voraussetzung: Eine nachträgliche Zielvorgabe kann ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen. So hat es das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Keine Vorgabe individueller Ziele
Der Kläger war bei der Beklagten bis zum 30.11.2019 als Mitarbeiter mit Führungsverantwortung beschäftigt. Arbeitsvertraglich war ein Anspruch auf eine variable Vergütung vereinbart. Eine ausgestaltende Betriebsvereinbarung bestimmt, dass bis zum 1.3. des Kalenderjahres eine Zielvorgabe zu erfolgen hat, die sich zu 70 % aus Unternehmenszielen und 30 % aus individuellen Zielen zusammensetzt, und sich die Höhe des variablen Gehaltsbestandteils nach der Zielerreichung des Mitarbeiters richtet. Am 26.9.2019 teilte der Geschäftsführer der Beklagten den Mitarbeitern mit Führungsverantwortung mit, für das Jahr 2019 werde, bezogen auf die individuellen Ziele, entsprechend der durchschnittlichen Zielerreichung aller Führungskräfte in den vergangenen drei Jahren von einem Zielerreichungsgrad von 142 % ausgegangen. Erstmals am 15.10.2019 wurden dem Kläger konkrete Zahlen zu den Unternehmenszielen einschließlich deren Gewichtung und des Zielkorridors genannt. Eine Vorgabe individueller Ziele für den Kläger erfolgte nicht. Die Beklagte zahlte an den Kläger für 2019 eine variable Vergütung von rund 15.600 Euro brutto.
Der Standpunkt der Parteien
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei ihm zum Schadenersatz verpflichtet, weil sie für das Jahr 2019 keine individuellen Ziele und die Unternehmensziele verspätet vorgegeben habe. Es sei davon auszugehen, dass er rechtzeitig vorgegebene, billigem Ermessen entsprechende Unternehmensziele zu 100 % und individuelle Ziele entsprechend dem Durchschnittswert von 142 % erreicht hätte. Deshalb stünden ihm unter Berücksichtigung der von der Beklagten geleisteten Zahlung weitere rund 16.000 Euro brutto als Schadenersatz zu. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Zielvorgabe sei rechtzeitig erfolgt und habe den Grundsätzen der Billigkeit entsprochen, weshalb ein Schadenersatzanspruch wegen verspäteter Zielvorgabe ausgeschlossen sei. Unabhängig davon könne der Kläger allenfalls eine Leistungsbestimmung durch Urteil nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 315 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 BGB) verlangen. Die Möglichkeit einer gerichtlichen Ersatzleistungsbestimmung schließe Schadenersatzansprüche wegen verspäteter Zielvorgabe aus. Im Übrigen sei die Höhe eines möglichen Schadens falsch berechnet.
Arbeitgeber verstieß gegen Pflicht aus Betriebsvereinbarung
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht (LAG) hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagte, wie vom LAG zu Recht erkannt, einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von rund 16.000 Euro brutto. Die Beklagte hat ihre Verpflichtung zu einer den Regelungen der Betriebsvereinbarung entsprechenden Zielvorgabe für das Jahr 2019 schuldhaft verletzt, indem sie dem Kläger keine individuellen Ziele vorgegeben und ihm die Unternehmensziele erst verbindlich mitgeteilt hat, nachdem bereits etwa ¾ der Zielperiode abgelaufen waren.
Arbeitnehmer siegt: kein Mitverschulden, keine Anrechnung
Eine ihrer Motivations- und Anreizfunktion gerecht werdende Zielvorgabe war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Deshalb kommt hinsichtlich der Ziele auch keine nachträgliche gerichtliche Leistungsbestimmung in Betracht. Bei der im Wege der Schätzung zu ermittelnden Höhe des zu ersetzenden Schadens war von der für den Fall der Zielerreichung zugesagten variablen Vergütung auszugehen und anzunehmen, dass der Kläger bei einer billigem Ermessen entsprechenden Zielvorgabe die Unternehmensziele zu 100 % und die individuellen Ziele entsprechend dem Durchschnittswert von 142 % erreicht hätte.
Besondere Umstände, die diese Annahme ausschließen, hat die Beklagte nicht dargetan. Der Kläger musste sich kein anspruchsminderndes Mitverschulden anrechnen lassen. Bei einer unterlassenen oder verspäteten Zielvorgabe des Arbeitgebers scheidet ein Mitverschulden des Arbeitnehmers wegen fehlender Mitwirkung regelmäßig aus, weil allein der Arbeitgeber die Initiativlast für die Vorgabe der Ziele trägt.
Quelle | BAG, Urteil vom 19.2.2025, 10 AZR 57/24, PM 7/25
| Säumniszuschläge werden festgesetzt, wenn die Zahlung nicht pünktlich erfolgt. Nach der Abgabenordnung (hier: § 240 AO) ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen Steuerbetrags zu entrichten, umgerechnet auf das Jahr also 12 %. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass wegen des deutlichen und nachhaltigen Anstiegs der Marktzinsen, der seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 zu verzeichnen ist, jedenfalls seit März 2022 keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Zuschläge bestehen. |
Darüber hinaus hat der BFH in diesem Verfahren Folgendes entschieden: Wenn das Finanzamt zwar Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt, deren Wirkung aber von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig macht, bewirkt die spätere Leistung der Sicherheit im Regelfall, dass die AdV mit (Rück-)Wirkung ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung eintritt und zuvor etwaig entstandene Säumniszuschläge entfallen.
Beachten Sie | Das Finanzamt kann allerdings ausdrücklich anordnen, dass die Wirkung der AdV erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung der Sicherheit beginnt.
Quelle | BFH, Beschluss vom 21.3.2025, X B 21/25 (AdV)
| Eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft steht der Anerkennung einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft grundsätzlich nicht entgegen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Eine Organschaft führt bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dazu, dass nicht mehr die Organgesellschaft ihren Gewinn zu versteuern hat, sondern der Organträger.
Beachten Sie | Die gemäß Körperschaftsteuergesetz (hier: §§ 14 ff. KStG) enthaltenen Regelungen für die Organschaft führen im Ergebnis dazu, dass z. B. in Konzernen die Konzernspitze (als Organträger) die Gewinne sämtlicher Tochtergesellschaften (als Organgesellschaften) zu versteuern hat, aber Verluste und Gewinne der verschiedenen Tochtergesellschaften dabei auch unmittelbar miteinander verrechnet werden können. Insbesondere dieser steuerliche Vorteil hat zu einer weiten Verbreitung der Organschaft in Deutschland geführt.
Das war geschehen
Im Streitfall hatte eine Kommanditgesellschaft (KG) mit einer GmbH einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, um eine Organschaft zu begründen. Danach war die „abhängige“ GmbH als Organgesellschaft verpflichtet, den ganzen von ihr erwirtschafteten Gewinn an die KG als Organträger abzuführen.
Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass an der GmbH als Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung bestand.
Bundesfinanzhof widerspricht Vorinstanzen
Da dem atypisch still Beteiligten ein Anteil von 10 % des Gewinns der GmbH zustand, vertraten das Finanzamt und nachfolgend auch das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern die Auffassung, dass lediglich 90 % des Gewinns an die KG als Organträger abgeführt worden sei, das Gesetz aber die Abführung des ganzen Gewinns fordere. Die Organschaft sei daher insgesamt nicht anzuerkennen. Dem ist der BFH aber nun entgegengetreten.
§ 14 Abs. 1 KStG setzt einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 des Aktiengesetzes (AktG) und die strikte Erfüllung der zivilrechtlichen Vertragspflichten voraus. Was als ganzer Gewinn abzuführen ist, bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Gewinnbeteiligungen, die einem stillen Gesellschafter zustehen, sind im Zivilrecht aber als Geschäftsunkosten vom Gewinn der GmbH abzusetzen. Dies betrifft sowohl die typische als auch die atypisch stille Gesellschaft.
Folglich ist der hiernach verbleibende „Rest-Gewinn“ (im Streitfall also die 90 %) der ganze Gewinn, der an den Organträger abgeführt werden muss. Dass eine (typische oder atypische) stille Beteiligung zivilrechtlich als Teilgewinnabführungsvertrag qualifiziert wird, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.12.2024, I R 33/22, PM 21/25 vom 3.4.2025
| Wenn eine per E-Mail versandte Werklohnrechnung gehackt und unbefugt verändert wird und der Kunde deshalb an einen unbekannten Dritten zahlt, muss er nicht noch einmal an den Werkunternehmer zahlen, wenn dieser die Rechnung ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung versandt hat und deshalb gegen ihn ein Schadenersatzanspruch gemäß Datenschutz-Grundverordnung (hier: Art. 82 DS-GVO) besteht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, erneut ihre Werklohnforderung zu zahlen, nachdem der Betrag wegen einer Manipulation der per E-Mail versandten Rechnung durch kriminell handelnde Dritte dem Konto eines Unbekannten gutgeschrieben wurde.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für die Installation von Haustechnik. Sie führte für die Beklagte Installationsarbeiten durch und rechnete die erbrachten Leistungen ihr gegenüber in drei Abschlagsrechnungen ab. Diese wurden jeweils als Anlage zu einer E-Mail im PDF-Format übersandt. Die ersten zwei Abschlagsrechnungen beglich die Beklagte per Überweisung an die auf den Rechnungen angegebenen Bankverbindungen der Klägerin.
Die dritte Abschlagsrechnung über rund 15.000 Euro, die zugleich die Schlussrechnung war, versandte die Klägerin ebenfalls als Anlage im PDF-Format per E-Mail. Diese Rechnung war jedoch auf ungeklärte Weise durch einen Dritten manipuliert worden, so dass die Beklagte den Rechnungsbetrag auf das Konto des unbekannten Dritten überwies. Auf dem Konto der Klägerin ging deshalb auf die Schlussrechnung keine Zahlung ein.
Keine Erfüllung durch Zahlung an unbekannten Dritten
Das Landgericht (LG) hat die Beklagte deshalb zur erneuten Zahlung verurteilt, weil eine Erfüllung durch die Zahlung an den unbekannten Dritten nicht eingetreten ist. Es hat ausgeführt, dass die Klägerin auch keine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat, sodass die Beklagte keinen Schadenersatzanspruch hat, den sie der Klageforderung gemäß § 242 BGB entgegenhalten kann. Die Klägerin hat nach Auffassung des LG keine Pflichtverletzung begangen, weil die von ihr vorgetragenen Schutzvorkehrungen in Form einer Transportverschlüsselung per SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) über TLS (Transport Layer Security) beim E-Mail-Verkehr mit Vertragspartnern ausreichend sind.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG hat in zweiter Instanz das Urteil des LG geändert und die Klage abgewiesen. Es hat entschieden, dass die Zahlung der Beklagten an einen Dritten zwar keine Erfüllung der Forderung bei der Klägerin bewirkt. Im Gegensatz zum Landgericht hat es jedoch einen Schadenersatzanspruch der Beklagten bejaht, den diese der Werklohnforderung der Klägerin nach § 242 BGB entgegenhalten kann, so dass sie die Forderung nicht noch einmal bezahlen muss.
Dieser Schadenersatzanspruch ergibt sich nach der Entscheidung des OLG aus Art. 82 Abs. 2 DS-GVO, weil die Klägerin im Zuge der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Beklagten bei Versand der streitgegenständlichen E-Mail mit Anhang gegen die Grundsätze der Art. 5, 24 und 32 DS-GVO verstoßen hat. Das OLG hält die Transportverschlüsselung, die beim Versand der streitgegenständlichen E-Mail in Form von SMTP über TLS verwendet worden sein soll, nicht für ausreichend und damit auch nicht als zum Schutz der Daten „geeignet“ im Sinne der DS-GVO.
Das OLG hob hervor, dass heute jedem Unternehmen, das personenbezogene Daten seiner Kunden computertechnisch verarbeitet, bewusst sein muss, dass der Schutz dieser Daten hohe Priorität – auch beim Versenden von E-Mails – genießt. Unternehmen müssen diesen Schutz durch entsprechende Maßnahmen so weit wie möglich gewährleisten.
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unabdingbar
Gerade bei sensiblen oder persönlichen Inhalten ist nach der Entscheidung des OLG nur eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Schutz im Sinne der DS-GVO geeignet, wenn ein hohes finanzielles Risiko durch Verfälschung der angehängten Rechnung für den Kunden besteht. Dass Kunden von Unternehmen bei einem Datenhacking Vermögenseinbußen drohen, ist ein Risiko, das dem Versand von Rechnungen per E-Mail immanent ist und deshalb eine entsprechende Voraussicht und ein proaktives Handeln erfordert. Der dafür erforderliche technische und finanzielle Aufwand kann auch von einem mittelständischen Handwerksbetrieb erwartet werden, wenn es seine Rechnungen nicht per Post versendet.
Quelle | OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.12.2024, 12 U 9/24, PM 1/25
| Wer im Zusammenhang mit seiner kommunalpolitischen Tätigkeit Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder erhält (im Streitfall ein ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats), erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Diese sind im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung zu verbeitragen. Dies hat jedenfalls das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen entschieden. |
Das LSG Nordrhein-Westfalen stellte heraus: Für die Zuordnung von Einnahmen zum Arbeitseinkommen ist die steuerliche Abgrenzung der Einkunftsarten maßgebend. Bei Anlegung dieser Maßstäbe handelt es sich auch bei den Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer kommunalpolitischen Tätigkeit in Gestalt von Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern erzielt werden, um Arbeitseinkommen nach dem Sozialgesetzbuch IV (hier: § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV).
Gegen dieses Urteil ist die Revision beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig.
Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.3.2024, L 5 KR 551/21, Rev. BSG: B 6 a/12 KR 12/24 R
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Die Verwendung von geschlechtsspezifischen Sterbetafeln bei der Bewertung lebenslänglicherNutzungen und Leistungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot. |
Hintergrund: Die Heranziehung geschlechterdifferenzierender Sterbetafeln dient dem Ziel, die Kapitalwerte lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen mit zutreffenden Werten zu erfassen und eine Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.
Da die statistische Lebenserwartung von Männern und Frauen unterschiedlich hoch ist, ermöglichen die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Vervielfältiger genauere und realitätsgerechtere Bewertungsergebnisse als geschlechtsneutrale Vervielfältiger.
Beachten Sie | Die Anwendung der geschlechtsspezifischen Sterbetafeln kann sich für den Steuerpflichtigen je nach Fallkonstellation günstiger oder ungünstiger auswirken und führt nicht per se zu einer Benachteiligung aufgrund des eigenen Geschlechts.
Der BFH musste nicht entscheiden, welche Auswirkungen sich aus dem am 1.11.2024 in Kraft getretenen Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) für die Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen ergeben.
Quelle | BFH, Urteile vom 20.11.2024, II R 38/22, II R 41/22, II R 42/22; PM 23/25 vom 10.4.2025
| Aufwendungen des Steuerpflichtigen für einen Umzug in eine andere Wohnung, um dort (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs(BFH) auch, wenn der Steuerpflichtige – wie in Zeiten der Corona-Pandemie – zwangsweise zum Arbeiten im häuslichen Bereich angehalten ist oder durch die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren sucht. |
Das war geschehen
Eheleute lebten mit ihrer Tochter in einer 3-Zimmer-Wohnung und arbeiteten nur in Ausnahmefällen im Homeoffice. Ab März des Streitjahrs 2020 (zunächst bedingt durch die Corona-Pandemie) arbeiteten sie überwiegend im Homeoffice, dort im Wesentlichen im Wohn-/Esszimmer. Ab Mai 2020 zogen sie in eine 5-Zimmer-Wohnung, in der sie zwei Zimmer als häusliches Arbeitszimmer einrichteten und nutzten.
Den Aufwand für die Nutzung der Arbeitszimmer und die Kosten für den Umzug in die neue Wohnung machten die Eheleute als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte zwar die Aufwendungen für die Arbeitszimmer an, mangels beruflicher Veranlassung lehnte es den Abzug der Kosten für den Umzug jedoch ab.
Demgegenüber bejahte das Finanzgericht (FG) Hamburg den Werbungskostenabzug auch für die Umzugskosten. Der Umzug in die größere Wohnung sei beruflich veranlasst gewesen, da er zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen geführt habe.
Dem folgte der BFH aber (aus Steuerzahlersicht „leider“) nicht und bestätigte die ablehnende Entscheidung des Finanzamts.
Wohnung: privater Lebensbereich
Die Wohnung ist grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Daher zählen die Kosten für einen Wohnungswechsel regelmäßig zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung. Etwas anderes gilt nur, wenn die berufliche Tätigkeit den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel dargestellt hat und private Umstände allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben.
Beachten Sie | Dies ist aber nur aufgrund außerhalb der Wohnung liegender Umstände zu bejahen, etwa wenn
- der Umzug Folge eines Arbeitsplatzwechsels gewesen ist oder
- sich die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit durch den Umzug um mindestens eine Stunde täglich vermindert
Die Möglichkeit, in der neuen Wohnung (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, genügt nicht zur Begründung einer beruflichen Veranlassung des Umzugs. Es fehlt insoweit an einem objektiven Kriterium, das nicht auch durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist.
Die Entscheidung, in der neuen, größeren Wohnung (erstmals) ein Zimmer als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer „Arbeitsecke“ auszuüben, beruht auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatz verfügt oder durch die Arbeit im Homeoffice versucht, das Berufs- und Familienleben zu vereinbaren.
Quelle | BFH, Urteil vom 5.2.2025, VI R 3/23, PM 24/25 vom 17.4.2025
| Ein mit einem Preisgeld dotierter Wissenschaftspreis kann nur dann Arbeitslohn darstellen, wenn er dem Arbeitnehmer für Leistungen verliehen wird, die er gegenüber seinem Dienstherrn erbracht hat. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Fall eines Professors entschieden. |
Der Professor hatte die Habilitationsschriften überwiegend vor der Berufung in das Professorendienstverhältnis verfasst. Der preisbewehrten Habilitation lag zwar eine wissenschaftliche Forschungsleistung zugrunde. Diese gründete aber nicht auf der Forschungstätigkeit als Hochschullehrer. Wissenschaftspreis und Preisgeld stellten sich daher nicht als „Frucht“ dieser Tätigkeit dar.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 12/22
| Kann in Deutschland steuerpflichtigen Personen eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen inder Schweiz gewährt werden? Das Finanzgericht (FG) Köln hält das für möglich und hat sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar mit deutscher und schweizerischer Staatsbürgerschaft wohnte in der Schweiz. Der Ehemann war als Arbeitnehmer in Deutschland tätig und unterhielt hierfür eine Wohnung in Deutschland. Für das gemeinsame Haus in der Schweiz beauftragten die Eheleute verschiedene Handwerks- und Gartenbauarbeiten i. S des Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 a EStG) und begehrten eine Ermäßigung ihrer Einkommensteuer.
Das Finanzamt lehnte dies jedoch ab, weil die Dienstleistungen in der Schweiz ausgeführt wurden (vgl. § 35 a Abs. 4 S. 1 EStG). Hiergegen erhoben die Eheleute erfolgreich Klage.
Freizügigkeitsabkommen
Das FG Köln bezweifelt, ob es mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist, dass die Steuerermäßigung nur für Dienstleistungen beansprucht werden kann, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt ausgeübt oder erbracht werden.
Beachten Sie | Bis zur Entscheidung des EuGH ist das Verfahren ausgesetzt.
Quelle | FG Köln, Beschluss vom 20.2.2025, 7 K 1204/22; PM vom 25.3.2025; EuGH: C-223/25
| Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen, z. B. Sachverständigengutachten, sind in der Regel nicht notwendig und werden daher nicht erstattet. Das ist der Grundsatz, von dem die Rechtsprechung ausgeht. Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme – wie eine Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Senftenberg anschaulich zeigt. |
Schwierige technische Fragestellungen
Ausnahmsweise werden nach dieser Entscheidung die Kosten z. B. für das Einholen eines privaten Sachverständigengutachtens unter anderem als notwendige Kosten anerkannt, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind. Gleiches gilt, wenn aus Sicht des Betroffenen aus einer Anfangsbetrachtung ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre.
Amtsgericht hält Kosten ausnahmsweise für erstattungsfähig
Diese Grundsätze hat das AG in seiner Entscheidung bestätigt. Es hat die Kosten für ein Sachverständigengutachten, mit dem die Messdaten einer Geschwindigkeitsmessung überprüft worden sind, daher als erstattungsfähig angesehen.
Quelle | AG Senftenberg, Urteil vom 28.2.2024, 50 OWi 1617 Js 22408/22
| Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h liegenden Tempo fährt, muss seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten. Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des Navigationssystems kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entschieden. |
Konzentrieren und Gerätebedienen ist gefährlich
Geklagt hatte eine Autovermieterin gegen den Fahrer eines vermieteten Pkw. Der Fahrer war auf der Autobahn verunfallt und hatte den Wagen beschädigt. Während er auf der linken Spur fuhr, bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs bei Tempo 200, um dort Informationen abzurufen. Dabei geriet das Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke.
Mietvertrag sah Kürzung der Haftungsfreistellung vor
Das Gericht verwies auf die Vereinbarung im Mietvertrag. Danach könne die Haftungsfreistellung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt werden. Der Fahrer habe hier grob fahrlässig gehandelt. Die Autovermieterin könne daher die Hälfte des Schadens – ca. 12.000 Euro – bei ihm geltend machen.
Für das Gericht war es dabei unerheblich, dass der Pkw einen sog. Spurhalteassistenten hatte. Zumindest bei derart hohen Geschwindigkeiten reduziere dieser den Schuldvorwurf nicht.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 2.5.2019, 13 U 1296/17
| Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie beschäftigt immer noch die Gerichte. Aktuell hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden: Die Mitglieder einer Fahrgemeinschaft waren auch in der Corona-Hochphase für gegenseitige Ansteckungen nicht verantwortlich zu machen. Eine auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage eines Mitfahrers hat das LG deshalb abgewiesen. |
Im Frühjahr 2022 stieg der Mitfahrer ohne Maske zu seinem Kollegen ins Auto, um gemeinsam zur Arbeit zu fahren. Am Abend desselben Tages schrieb er in die WhatsApp-Gruppe der Fahrgemeinschaft, dass er positiv getestet sei und sich in Quarantäne befinde.
Fahrer behauptete Ansteckung und verlangte Schmerzensgeld
Der schon zuvor an Asthma erkrankte Fahrer behauptete im Prozess, er habe sich während der gemeinsamen Fahrt mit dem Coronavirus infiziert und sei nun dauerhaft arbeitsunfähig („Post-Covid-Syndrom“). Der Mitfahrer schulde ihm daher Schmerzensgeld in Höhe von nicht unter 20.000 Euro, weitere 4.000 Euro Schadenersatz und müsse darüber hinaus für zukünftig auftretende Schäden einstehen.
Landgericht: Reine Gefälligkeit – keine Haftung
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Im Rahmen der wechselseitigen Gefälligkeit einer Fahrgemeinschaft sei bereits unter den Gesichtspunkten eines stillschweigenden Haftungsverzichts und des Handelns auf eigene Gefahr eine gegenseitige Haftung ausgeschlossen. Es sei zudem aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie allgemein bekannt gewesen, dass enger persönlicher Kontakt die Hauptinfektionsquelle darstellte. Obwohl der unter Asthma leidende Fahrer bemerkt habe, dass sein Kollege beim Einsteigen keine Maske trug, habe er ihn nicht gebeten, eine solche aufzusetzen. Er habe sich daher erkennbar trotz seiner Vorerkrankung dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Dass er sich keine Gedanken über einen ungünstigen Verlauf einer Infektion mit möglichen Dauer- und Folgeschäden gemacht habe, rechtfertige keine andere Beurteilung.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 16.12.2024, 7 O 110/24, PM vom 31.1.2025
| Mit der Frage, ob ein 13-jähriges Kind für einen Glasschaden an einem Schaufenster verantwortlich ist, hat sich das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. |
Glasbruch nach Nutzung eines Spielgeräts
Das Kind hatte in der Fußgängerzone von Frankenthal ein festmontiertes Spielgerät in Gestalt einer Drehscheibe genutzt und war beim Absteigen gegen ein daneben befindliches Schaufenster getaumelt. Für den dadurch entstandenen Glasbruch muss das Kind nicht haften, entschied das LG und hat die Klage der Ladenbesitzer abgewiesen.
Der Junge gab an, dass er auf dem Schulweg an dem Spielgerät vorbeigekommen sei. Er habe sich auf das Karussell gestellt, das ein Freund gedreht habe, zunächst langsam, dann immer schneller. Nachdem der Freund die Drehung gestoppt habe, sei er rückwärts gegen die keine drei Meter entfernte Fensterscheibe getaumelt, die daraufhin zerbrochen sei.
Schaden schuldhaft verursacht?
Die Ladenbesitzer warfen dem Jungen vor, den Schaden schuldhaft verursacht zu haben. Er sei bereits zu alt gewesen für das Karussell, zudem habe er sich damit zu schnell gedreht. Die Sturzgefahr und der mögliche Glasbruch seien für ihn erkennbar gewesen.
Landgericht: kein Verschulden des Kindes!
Das LG ging zwar davon aus, dass sich der 13-Jährige der grundsätzlichen Stolpergefahr durchaus bewusst und auch hinreichend einsichtsfähig war. Beides ist erforderlich, damit Minderjährige in diesem Alter überhaupt selbstständig haften. Gleichwohl konnte das LG das für einen Schadenersatzanspruch erforderliche Verschulden des Kindes nicht feststellen. Denn der Junge habe die Drehscheibe bestimmungsgemäß genutzt. Es sei gerade Sinn und Zweck des Karussells, trotz der Drehbewegung die Balance zu halten und der Gefahr des Herunterfallens zu trotzen. Das Kind sei weder zu alt noch zu groß für das Spielgerät gewesen.
Das Gericht hat nicht verkannt, dass die Ladenbesitzer nun auf ihrem Glasschaden sitzen bleiben. Dies resultiert gemäß LG jedoch daraus, dass unsere Rechtsordnung – von einigen hier nicht vorliegenden Sonderfällen abgesehen – dem Prinzip der Verschuldenshaftung folgt.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 29.11.2024, 9 O 27/24, PM vom 19.12.2024
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Bürgergeldempfänger gelten nicht als hilfebedürftig, wenn sie ein (zu) großes Einfamilienhaus gebaut haben und dessen Wert zur Sicherung des Lebensunterhalts nutzen können. |
Familie hatte während Bürgergeldbezug größeres Haus gebaut
Dem Verfahren lag ein Eilantrag einer Familie aus dem Emsland zugrunde. Diese hatte ihr selbstbewohntes Hausgrundstück für 514.000 Euro verkauft, nachdem sie während des Bürgergeldbezugs ein neues Haus gebaut hatte. Aufgrund des erzielten Verkaufserlöses hob der Grundsicherungsträger die Leistungsbewilligung auf.
Demgegenüber vertrat die Familie die Auffassung, das neue Haus sei geschütztes Vermögen und dürfe nicht zur Deckung des Lebensunterhalts herangezogen werden. Zudem berief sie sich auf die gesetzliche Karenzzeit von 12 Monaten, während der auch großzügige Wohnverhältnisse voll finanziert werden müssten.
Landessozialgericht: Familie nicht bedürftig
Das LSG bestätigte die Auffassung der Behörde. Die Familie sei nicht bedürftig, da das neue Hausgrundstück mit 254 m² Wohnfläche und sieben Bewohnern kein geschütztes Vermögen darstelle. Eine Verwertung des Vermögens zur Sicherung des Lebensunterhalts sei durch Beleihung möglich. Bei einem Verkehrswert von 590.000 Euro und einer Grundschuld von 150.000 Euro stehe ein unbelasteter Wert von 440.000 Euro zur Verfügung.
Die Berufung auf die gesetzliche Karenzzeit lehnte das Gericht ebenfalls ab. Die Regelung diene dem Zweck, dass Leistungsempfänger nicht sofort ihr angespartes Vermögen, etwa für die Altersvorsorge, aufbrauchen müssen, wenn sie nur vorübergehend auf Bürgergeld angewiesen sind. Die Karenzzeit solle dabei helfen, plötzliche Härten abzufedern.
Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um eine unerwartete Notlage, sondern um langjährige Leistungsbezieher, die ihre Wohnsituation und ihr Immobilienvermögen optimieren wollten. So habe die Familie als Verkaufsgrund des alten Hauses angegeben, die Entfernung zur Innenstadt sei ihnen zu weit gewesen.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.1.2025, L 11 AS 372/24 B ER, PM vom 20.1.2025
| Der gezahlte Reisepreis kann um 30 Prozent gemindert werden, wenn das Gepäck des Pauschalreisenden beim Hinflug zu spät ausgeliefert wird und deshalb während einer Kreuzfahrt in die Arktis nicht zur Verfügung steht. So entschied es das Landgericht (LG) München II zugunsten der Reisenden. |
Es ging um eine Expeditionsreise
Der Kläger und seine Mutter hatten im Jahr 2023 bei der Beklagten eine elftägige Pauschalreise nach Norwegen mit anschließender Kreuzfahrt „Auf den Spuren der Eisbären“ gebucht. Während des Hinflugs kam es zu einer verspäteten Auslieferung aller Gepäckstücke der Reisenden. Der Kläger und seine Mutter meldeten ihr Gepäck als verloren und erstatteten unverzüglich Schadensanzeige. Vor der Abfahrt des Schiffs kauften sie in Outdoor-Läden in Norwegen das Notwendigste ein. An Bord gab es eine Boutique und einen Wäscheservice. Schuhe und Parka für die Expeditionen an Land wurden gestellt. Die Beklagte erstattete den Reisenden außergerichtlich 25 Prozent vom gezahlten Reisepreis und 1.500 Euro (von 2.306,07 Euro) für die Ersatzbeschaffungen. Vor Gericht machte der Kläger den Restbetrag für die Ersatzbeschaffungen, weitere 15 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und einen „Schadenersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreuden“ geltend.
Landgericht sprach Minderung zu
Das LG sprach dem Kläger eine Minderung in Gesamthöhe von 30 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und für die Ersatzbeschaffungen weitere 516,20 Euro zu; einen Anspruch auf Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wies das LG jedoch ab.
Das LG begründete seine Entscheidung damit, dass das Fehlen von Gepäck mit persönlichen Gegenständen des Reisenden einen Reisemangel darstellt. Weil der Veranstalter jedoch keine besondere Kleiderordnung bei den Mahlzeiten und die Ausrüstung für die Expeditionen zur Verfügung gestellt hatte und es einen Wäscheservice an Bord gab, erachtete das Gericht eine Minderung von 30 Prozent des gezahlten Reisepreises als ausreichend und angemessen.
Bei den Ersatzbeschaffungen (Verbrauchsartikel, Grund- und Funktionsbekleidung) hatte der Reiseveranstalter unter anderem einen Abschlag für Vermögensvorteile vorgenommen, weil die Reisenden die Sachen nach der Rückkehr weiterhin nutzen können. Das Gericht folgte dem Argument der Beklagten nicht, soweit es sich um „Funktionskleidung“ handelte, denn der Kläger und seine Mutter hatten das Gericht davon überzeugt, dass sie die eigens für eine Expedition in die Arktis gekaufte Funktionsbekleidung nicht mehr benötigten. Anders sah es das Gericht bei den Verbrauchsartikeln (Waschmittel, Zahnpasta, etc.) – die Reisenden erhielten ihre Koffer bei der Rückkehr von der Reise zurück und konnten die darin enthaltenen Verbrauchsartikel (weiter) nutzen.
Schadenersatzanspruch abgelehnt
Einen Schadenersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit lehnte das Gericht ab, weil der Kläger und seine Mutter aufgrund der Möglichkeit von Ersatzbeschaffungen in Longyearbyen und an Bord sowie wegen der ihnen zur Verfügung gestellten Ausrüstungsgegenstände (Schuhe, Parka) an der Kreuzfahrt und den Expeditionen an Land teilnehmen konnten, was Sinn undZweck der gebuchten Expeditionsreise war.
Quelle | Landgericht München II, Endurteil vom 10.1.2025, 14 O 2061/24, PM 1/25
| Ein Ehemann kann nach der Trennung von seiner Frau verlangen, die Nutzungsverhältnisse an einem gemeinsamen Haus neu zu ordnen. Das stellte das Oberlandesgericht (OLG) Celle fest. |
Ärzteehepaar trennte sich
Nachdem sich ein Ärzteehepaar getrennt hatte, wollte der Mann in ein gemeinsames Haus des Paares ziehen. Doch dort wohnte seine Schwiegermutter. In der ihr allein gehörenden Ehewohnung lebte die Frau mit den gemeinsamen Kindern. Der Mann schlief zunächst in seiner Praxis, dann bei Bekannten. Schließlich wohnte er zur Untermiete.
Den Eheleuten gehörte aber hälftig noch das von der Schwiegermutter bewohnte Einfamilienhaus mit Garten. Dieser wollte der Mann wegen Eigenbedarf kündigen. Dazu war die Mitwirkung seiner Ehefrau erforderlich. Das lehnte sie ab. Sie meinte, der Mann wolle sie nur zwingen, ihrer Mutter zu kündigen. Auch habe er noch ein weiteres Haus. Der Mann klagte.
Amtsgericht: Eigenbedarf nicht genügend dargelegt
Das Amtsgericht (AG) wies seine Klage ab. Der Mann habe den Eigenbedarf nicht hinreichend dargelegt. Da die Schwiegermutter eine nahe Angehörige sei, könne ihre Tochter selbst Eigenbedarf anmelden. So zog der Mann vor das OLG.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG gab dem Mann Recht. Ihm sei seit der Trennung ein Festhalten am Mietverhältnis nicht länger zuzumuten. Auch habe er seinen Eigenbedarf ausreichend dargelegt. Er hatte vorgetragen, dass sein jetziges Mietverhältnis nur befristet war. Ein ständiges Wohnen in der Praxis sei ihm nicht zuzumuten. Ein Umzug in das andere Haus sei ihm ebenfalls nicht zuzumuten, da dieses noch ein Rohbau sei und er auch kein Geld für einen Umzug habe. Nach all dem sah das OLG den geltend gemachten Eigenbedarf nicht als „offensichtlich aussichtslos“ an. Vor allem sei die Frau in der Lage, ihre Mutter in der Ehewohnung und einer nicht genutzten Einliegerwohnung aufzunehmen.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 19.2.2025, 21 UF 237/24
| Wer einen überschuldeten Nachlass erbt, kann innerhalb einer Frist von sechs Wochen das Erbe ausschlagen. Sonst gilt die Erbschaft als angenommen und er haftet für die dem Nachlass zuzuordnenden Schulden. War dem Erben nicht bekannt, dass der Nachlass überschuldet ist, kann noch die Anfechtung wegen Irrtums helfen. Mit den Voraussetzungen dafür hat sich jetzt das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. Es hat entschieden, dass der als Erbe eingesetzte Sohn eines Verstorbenen nicht für die Beerdigungskosten aufkommen muss, weil er die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten hat. |
Witwe verlangte Bestattungskosten von Sohn des Verstorbenen
Der Verstorbene hatte seinen Sohn aus erster Ehe testamentarisch zu seinem Erben bestimmt. Die beiden pflegten zuletzt keinen Kontakt mehr zueinander. Nach dem Tod übernahm zunächst die Witwe die Bestattungskosten von rund 7.500 Euro und wollte diese vom Sohn erstattet haben, da dieser die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte. Daraufhin erklärte der Sohn die Anfechtung der Erbschaftsannahme. Er habe nicht gewusst, dass die Bestattungskosten zu den Nachlassverbindlichkeiten gehörten und der Nachlass damit überschuldet sei.
Irrtum über die Beerdigungskosten
Dieser Argumentation hat sich das LG angeschlossen. Der Sohn habe die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten und müsse daher nicht für die Beerdigungskosten aufkommen. Die Anfechtung wegen unerkannter Überschuldung eines Nachlasses sei ein in der Rechtsprechung anerkannter Anfechtungsgrund. Sie setze voraus, dass der Anfechtende eine wesentliche Forderung gegen den Nachlass irrtümlich übersieht. Hier seien die Bestattungskosten eine wesentliche Forderung, da der Nachlass überschuldet sei, wenn man sie berücksichtige. Es sei auch glaubhaft, dass sich der Sohn über die Beerdigungskosten geirrt habe. Denn die Witwe habe ihm noch zu Lebzeiten des Vaters mitgeteilt, für die Beerdigung könne der Erlös aus dem Verkauf eines Pkw verwendet werden. Daher durfte der Sohn davon ausgehen, als Erbe seines Vaters nicht für die Bestattung aufkommen zu müssen, so die Kammer. Wenn kein Erbe in Anspruch genommen werden kann, muss die Witwe als Ehefrau nach den Vorschriften des Landesrechts selbst für die Beerdigungskosten aufkommen, so das LG.
Quelle | Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 27.2.2025, 8 O 189/24, PM vom 31.3.2025
| Die Kosten eines Vaterschaftsanerkennungsverfahrens können zwischen dem im Verfahren ermittelten biologischen Vater und der Mutter hälftig geteilt werden. Weder der Umstand, dass der Vater nicht bereits auf Basis eines Privatgutachtens zur Anerkennung der Vaterschaft bereit war, noch, dass er nach Angaben der Mutter der einzige Verkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit war, rechtfertigen eine alleinige Kostenlast des Vaters. So entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |
Streit um Kosten
Die Beteiligten streiten über die Kosten eines Abstammungsverfahrens. Die Mutter des Kindes hatte angegeben, mit dem sog. Putativvater (also dem, der als möglicher Vater in Betracht kommt) in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehrs gehabt zu haben. Ein außergerichtlicher Vaterschaftstest hatte diesen als Vater festgestellt. Das Kind begehrte daraufhin, die Vaterschaft des Putativvaters gerichtlich festzustellen. Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens stellte das Amtsgericht (AG) die biologische Vaterschaft des Putativvaters fest und legte die Verfahrenskosten hälftig der Mutter und dem nun festgestellten Vater auf.
So sah es das Oberlandesgericht
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Mutter gegen die Auferlegung der Hälfte der Kosten. Dies hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das AG habe im Ergebnis zutreffend die Kosten nach billigem Ermessen zwischen der Kindesmutter und dem Kindesvater hälftig geteilt, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Bei einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren handele es sich nicht um ein echtes Streitverfahren. Neben dem Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens könnten deshalb weitere Umstände von Bedeutung sein. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten sei allerdings regelmäßig unbillig, da es selbst nicht zur Unsicherheit an der Vaterschaft beigetragen habe.
Hier sei es nicht angemessen, dem Vater die alleinigen Kosten aufzuerlegen. Er habe insbesondere nicht „grob schuldhaft“ das Verfahren veranlasst. Ihm sei es vielmehr nicht zumutbar gewesen, die Vaterschaft bereits außergerichtlich ohne gutachterliche Klärung der biologischen Abstammung durch Sachverständigengutachten anzuerkennen. Allein die Angabe der Mutter, sie habe in der Empfängniszeit nur mit dem Vater verkehrt, genüge zur Begründung eines groben Verschuldens nicht. Vielmehr habe der Vater berechtigte Zweifel ans einer Vaterschaft haben dürfen. Unwidersprochen habe er mit der Kindesmutter in der Empfängniszeit keine Beziehung geführt und auch nicht mit ihr zusammengelebt. Damit hätten ihm konkrete Einblicke in die Lebensverhältnisse der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit gefehlt. Für ihn habe damit auch keine Möglichkeit bestanden, abzuschätzen oder zu beurteilen, ob die Mutter des Kindes zu weiteren Männern eine intime Beziehung unterhalten habe.
Außergerichtlicher Vaterschaftstest schließt gerichtliche Überprüfung nicht aus
Auf den bereits außergerichtlich durchgeführten Vaterschaftstest habe er sich nicht verlassen müssen. Er könne vielmehr geltend machen, dass er angesichts der hohen rechtlichen Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Abstammungsgutachtens eine gerichtliche Überprüfung wünsche. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass „beide Eltern das Verfahren über eine Entscheidung über die Abstammung dadurch gleichermaßen veranlasst haben, dass sie innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben. Damit erscheint es in der Regel auch gerechtfertigt, die Kosten eines solchen Verfahrens gleichmäßig auf beide Eltern zu verteilen“, unterstrich das OLG.
Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 13.1.2025, 6 WF 155/24, PM 4/25
| Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung ist so zu verstehen, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, sofern diese nicht bereits von Dritten erbracht und dem Architekten zur Verfügung gestellt wurden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden. |
Ein Architekt war mündlich damit beauftragt worden, die Baugenehmigung für die Erweiterung eines Gasthofs einzuholen. Damit war klar, dass er die Leistungsphase 4 im Leistungsbild Gebäude und Innenräume sowie Tragwerksplanung erbringen musste. Da er vom Auftraggeber nur Bestandszeichnungen erhalten hatte, die nicht an eine Vor- oder Entwurfsplanung heranreichten, verlangte er auch das Honorar für diese notwendigen Leistungen. Der Auftraggeber weigerte sich. Er meinte, er habe nur die Genehmigungsplanung beauftragt.
Das OLG gab dem Architekten Recht und sprach ihm das Honorar für die Leistungsphasen 1 bis 4 zu. Es komme nicht auf die Regelungen der HOAI, sondern auf den Inhalt des konkreten Auftrags an. Nicht entscheidend sei, ob die Parteien einen schriftlichen oder mündlichen Vertrag geschlossen, sondern was sie tatsächlich vereinbart haben. Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung müsse dann so verstanden werden, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, da diese notwendige Voraussetzung für die Erstellung der Genehmigungsplanung ist. Etwas anderes gelte nur, wenn die vorangehenden Planungsleistungen bereits von Dritten erbracht wurden und dem Architekten zur Verfügung gestellt werden.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2022, 4 U 142/20
| Beauftragt ein Bauträger einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt vom Architekten nur die Überprüfung einzelner Maße, übernimmt der Bauträger das mit der begrenzten Überprüfung verbundene Risiko selbst. Er kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin als Bauträgerin machte gegen den beklagten Architekten im Wege einer Schadenersatzklage i. H. v. 100.000 Euro wegen mangelhafter Architektenleistungen bei der Planung einer Wohnungseigentumsanlage geltend. Die Klägerin ist der Auffassung, die die Pläne des Vermessungsingenieurs überarbeitende Wohnflächenberechnung des Beklagten für bestimmte Bestandsgebäude habe eine zu geringe Wohnfläche ausgewiesen. Der Beklagte habe zugesichert, dass die Abweichungen der Wohnflächen von den Bestandsplänen des Vermessers unter einem Prozent lägen, tatsächlich gebe es Abweichungen bis zu 8%. Zahlreiche Wohnungen seien daher mit zu geringer Flächenangabe verkauft worden und deshalb sei ein Mindererlös entstanden.
Der Beklagte bestreitet eine fehlerhafte Flächenermittlung, die sich ohnehin nur auf die örtliche Überprüfung der Maße aus den Bestandsplänen des Vermessers hinsichtlich der für die Werkplanung entscheidenden Stellen bezogen habe. Ein Auftrag zu einer kompletten Neuvermessung des Bestands sei gerade nicht erteilt worden.
Zudem meint die Klägerin, der Beklagte habe bei der Grundlagenermittlung übersehen, dass die Geschossdecken in einem Bestandsgebäude Betonhohlkörperdecken waren, die einen unerwartet hohen Sanierungsaufwand erforderten, und es versäumt, vor Baubeginn die Fundamente an der Seite zu einem anderen Grundstück zu überprüfen. Infolge dieser Planungsfehler hätten sich die Baukosten für das Bestandsgebäude deutlich erhöht. Die Umbaukosten beliefen sich somit auf mindestens 950.000 Euro. Ein vollständiger Abriss und Neubau hätte dagegen (nur) 752.499 Euro gekostet und wäre im Vergleich zu den tatsächlich entstandenen Kosten günstiger gewesen. Bei erzielbaren Verkaufserlösen abzüglich der Kosten für Abriss/Neubau hätte sich bei einem Neubau ein hoher sechsstelliger Überschuss ergeben. Der tatsächliche Überschuss durch den Umbau habe lediglich 107.000 Euro betragen.
Der Beklagte trägt hierzu vor, ihm sei vom Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt worden, dass es sich bei sämtlichen Bestandsdecken um Stahlbetonrippendecken handele. Eine Pflicht zur Überprüfung dieser Tatsache habe es nicht gegeben. Zudem habe sich die Klägerin in Kenntnis der Mehrkosten für eine Sanierung und gegen einen Abriss entschieden. Hinsichtlich des Fundaments sei die Klägerin bereits vor Beauftragung des Beklagten in Kenntnis gesetzt worden, dass dessen Tragfähigkeit ein Risiko darstelle. Sie habe dennoch entschieden, das Fundament erst im Zuge der Aushubarbeiten zu untersuchen, um Kosten einzusparen.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG stellte klar: Wie bei einem Bauvertrag kann auch zwischen einem Architekten und seinem Auftraggeber eine von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichende Ausführung vereinbart werden, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen.
Beauftragt eine Bauträgerin einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt sie vom Architekten, einzelne Maße zu überprüfen, übernimmt die Bauträgerin sehenden Auges das mit der begrenzten Überprüfung der Maße verbundene Risiko und kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Weist der Architekt seinen Auftraggeber darauf hin, dass die zu planende Wohnung ohne Sonnenschutz nicht funktioniert, muss der Auftraggeber erkennen, dass bei Umsetzung der Planung eine im Hinblick auf den Wärmeschutz nicht ausreichend funktionstüchtige Wohnung errichtet wird, und es bedarf keines weiteren Hinweises, dass dann (auch) die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten sind.
Macht der Auftraggeber eines Architekten geltend, dass er im Fall einer mangelfreien Beratung von der Sanierung eines Gebäudes abgesehen und einen profitableren Neubau errichtet hätte, schafft der Auftraggeber für eine Schadensschätzung bzw. Begutachtung nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn er nachvollziehbar darlegt, welches Gebäude mit welchen Eigenschaften er statt der Sanierung errichtet hätte.
Macht ein Auftraggeber geltend, bei einem mangelfreien Architektenwerk hätte er die zu errichtenden Wohnungen teurer verkaufen können, ist ein Schaden nur schlüssig dargelegt, wenn die Kalkulationsgrundlagen für den erzielten und den geltend gemachten Kaufpreis offengelegt werden und nachvollziehbar vorgetragen wird, dass ein höherer Kaufpreis am Markt hätte durchgesetzt werden können.
Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 17.12.2024, 10 U 38/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Aachen hat die Klage eines Realschullehrers auf Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Festsetzung von Erfahrungsstufen und mithin auf eine höhere Besoldung abgewiesen. |
Eine Tätigkeit als Anbieter von Cocktailkursen ist für die Tätigkeit als verbeamteter Lehrer nicht förderlich im besoldungsrechtlichen Sinne. Eine Tätigkeit ist allgemein förderlich, wenn sie für die Dienstausübung des Beamten nützlich bzw. von konkretem Interesse ist, d. h. wenn diese entweder erst aufgrund der früher gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht oder wenn sie jedenfalls erleichtert und verbessert wird.
Ausgehend hiervon kann die Tätigkeit als Betreiber einer Gesellschaft, die Cocktailkurse und Barcatering anbietet – auch wenn diese Tätigkeit über mehrere Jahre ausgeübt wurde – nicht als förderlich angesehen werden. Das Halten von Cocktailkursen ist weder qualitativ noch quantitativ mit der Tätigkeit eines Realschullehrers vergleichbar. So hat der Kläger im Rahmen seiner Cocktailschule insbesondere nicht mit Minderjährigen gearbeitet, sondern deren Angebot zielte auf die Schulung von Mitarbeitern aus dem Hotel-, Restaurant- und Cateringgewerbe. Auch sind die Anforderungen an die Erstellung eines Cocktailkurses nicht mit der Erstellung eines differenzierten Lehrplans für Schulunterricht in den Schulklassen 5 bis 10 vergleichbar.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 20.1.2025, 1 K 2377/23, PM vom 3.2.2025
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Ein Beschäftigungsverhältnis wird erst ab dem Beginn der Entgeltfortzahlung und nicht schon mit Abschluss des Arbeitsvertrags begründet. |
Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankgemeldet
Geklagt hatte ein 36-jähriger Arbeitsloser, dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld Ende Oktober 2023 auslief. Anfang Oktober unterschrieb der Mann einen Arbeitsvertrag als Lagerist bei einem Reinigungsunternehmen zu einem Monatslohn von 3.000 Euro brutto. Er trat die Arbeit jedoch nie an, da er sich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankmeldete. Zwei Wochen später kündigte die Firma innerhalb der Probezeit.
Krankenkasse zahlte kein Krankengeld
Die Krankenkasse des Mannes lehnte daraufhin die Zahlung von Krankengeld ab. Begründung: Es habe kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, da der Mann kein Einkommen erzielt habe.
Der Mann verklagte das Unternehmen und verlangte die Anmeldung zur Sozialversicherung ab dem Beginn des Arbeitsvertrags. Er vertrat dazu die Auffassung, dass bereits durch einen rechtsgültigen Vertrag, der eine Entgeltzahlung vorsehe, ein Beschäftigungsverhältnis zustande komme. Dies müsse auch gelten, wenn ihm der Arbeitsantritt krankheitsbedingt nicht möglich sei. Andernfalls würde er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit leer ausgehen.
Landessozialgericht gab Krankenkasse Recht
Das LSG vermochte sich der Rechtsauffassung des Klägers nicht anzuschließen. Der Arbeitgeber müsse ihn nicht zur Sozialversicherung anmelden, da ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht schon mit dem Beginn des Arbeitsvertrags entstanden sei. Erforderlich sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe. Dieser Anspruch entstehe jedoch bei neuen Arbeitsverhältnissen generell erst nach einer vierwöchigen Wartezeit.
Wartezeit war ohnehin nicht erfüllt
Diese gesetzliche Regelung solle verhindern, dass Arbeitgeber die Kosten der Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer tragen müssen, die direkt nach der Einstellung erkrankten. Der Gesetzgeber habe eine solche Konsequenz als unbillig angesehen.
Unabhängig davon müsse der Mann sich erst an seine Krankenkasse wenden, bevor er seinen Arbeitgeber verklage.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.1.2025, L16 KR 61/24