Arbeitsrecht
| Ein Verkauf von Unternehmensvermögen unterliegt der Umsatzsteuer. Eine Entnahme kann hingegen ohne Umsatzsteuer bleiben, wenn der Gegenstand ohne Vorsteuerabzug Unternehmensvermögen wurde. Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Niedersachsen gelten für dieses „Entnahme-Verkauf-Modell“ aber strenge Voraussetzungen. |
Hintergrund: Wurde ein Wirtschaftsgut ohne Vorsteuerabzug erworben und in das Unternehmensvermögen eingelegt, kann es grundsätzlich nicht umsatzsteuerbar entnommen und anschließend ohne Umsatzsteuer verkauft werden. So hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Jahr 2002 Folgendes festgestellt: Entnimmt der Steuerpflichtige den Pkw, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hatte, vor der Veräußerung seinem Unternehmen, ist es unzulässig, die Entnahme zu besteuern. Wenn der Steuerpflichtige den Pkw dann veräußert, ist diese Leistung seinem privaten Bereich zuzurechnen. Sie unterliegt daher nicht der Umsatzsteuer. Zu den Voraussetzungen musste jüngst das FG entscheiden.
Das war geschehen
Ein Unternehmer hatte einen Pkw und ein Wohnmobil aus seinem Privatvermögen in das Betriebsvermögen eingelegt. Es erfolgte jeweils eine Zuordnung zum Unternehmensvermögen ohne Vorsteuerabzug. Aus den Reparaturaufwendungen wurde dann jedoch der Vorsteuerabzug geltend gemacht.
Später verkaufte der Unternehmer die Fahrzeuge ohne Umsatzsteuerausweis. Der Kaufvertrag für den Pkw datierte vom 22.10.2016 (Übergabe am 25.10.2016), der Kaufvertrag für das Wohnmobil vom 25.8.2018 (Übergabe am 29.8.2018). In der Buchhaltung wurde eine Entnahme des Pkw zum 25.10.2016 und eine Entnahme des Wohnmobils zum 25.8.2018 jeweils ohne Umsatzsteuer erfasst.
Das Finanzamt setzte für die Verkäufe Umsatzsteuer fest. Wegen der engen zeitlichen Zusammenhänge liege weder für den Pkw noch für das Wohnmobil ein ausreichender Nachweis einer Entnahmehandlung vor. Die buchhalterische Erfassung allein genüge nicht.
Die hiergegen gerichtete Klage war erfolglos.
So argumentiert das Finanzgericht
Für eine vorherige nicht umsatzsteuerbare Entnahme bedarf es objektiver Anhaltspunkte und einer gewissen Zeitspanne zwischen Entnahme und Verkauf. Der Umstand, dass die Entnahme zeitlich mit der Lieferung am gleichen Tag erfolgt sein soll, spricht gegen eine Entnahme.
Die nach außen erkennbare Entnahme eines Gegenstands aus dem unternehmerischen Bereich hat zeitlich vor dem Verkauf zu erfolgen, wobei es dabei zur erforderlichen eindeutigen Abgrenzung auf den Zeitpunkt des ersten Angebots zum Verkauf des Gegenstands bzw. die erste Verkaufsbemühung ankommt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 3.4.2025, 5 K 15/24
| Bei der Frage, ob die Sachbezugsfreigrenze gemäß Einkommensteuergesetz (hier: § 8 Abs. 2 S. 11 EStG) in Höhe von 50 Euro pro Monat überschritten wird, sind die vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten anteilig den für die Nutzung des Firmenfitnessprogramms registrierten Arbeitnehmern zuzurechnen. Auf die Anzahl der vom Arbeitgeber erworbenen Lizenzen kommt es nicht an, wenn diese nicht der Zahl der für das Programm registrierten Arbeit-nehmer entspricht. Dies hat das Finanzgericht (FG) Niedersachsen entschieden. |
Beispiel in Anlehnung an den Urteilssachverhalt
Die A-GmbH hat 100 Arbeitnehmer. Sie schließt mit dem Fitnessstudiobetreiber X eine Firmenfitness-Mitgliedschaftsvereinbarung, wonach die Arbeitnehmer der A-GmbH berechtigt sind, das Fitnessstudio des X zu nutzen.
Somit erwirbt die A-GmbH 50 Lizenzen für monatlich 4.000 Euro inkl. Umsatzsteuer. Die Anzahl wurde anhand der Personalstruktur als Kalkulationsgrundlage für X prognostiziert. Die Lizenzen haben keine Auswirkung auf die Menge der tatsächlich nutzungsberechtigten Arbeitnehmer.
Mitarbeiter, die das Angebot in Anspruch nehmen wollen, haben im Fitnessstudio eine Berechtigung vorzulegen, die X aufgrund der mitgeteilten Namen erstellte. Von den 100 Mitarbeitern haben sich 80 für das Fitnessprogramm angemeldet. Tatsächlich teilgenommen haben 50 Mitarbeiter.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind die Kosten auf die Anzahl der Lizenzen zu verteilen. Das würde im Beispiel bedeuten, dass je Arbeitnehmer 80 Euro (4.000 Euro/50 Lizenzen) zu berücksichtigen wären, mithin der Betrag in voller Höhe steuerpflichtig wäre.
Finanzgericht widersprach der Finanzverwaltung
Dem widersprach jedoch das FG: Entspricht die Anzahl der Lizenzen nicht der Zahl der für das Programm registrierten Mitarbeiter, kommt es auf die Menge der Lizenzen nicht an. Vielmehr sind dann die vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten anteilig den für die Nutzung des Firmenfitnessprogramms registrierten Mitarbeitern zuzurechnen. Im Beispiel ergeben sich somit 50 Euro je Arbeitnehmer (4.000 Euro/80 Arbeitnehmer). Da der Betrag nicht die Freigrenze übersteigt, ist er nicht zu versteuern.
Beachten Sie | Die Kosten sind nicht nur auf die Mitarbeiter zu verteilen, die das Angebot tatsächlich in Anspruch genommen haben. Denn die Arbeitnehmer haben den Nutzungsvorteil, dass für sie jederzeit eine Trainingsmöglichkeit vorgehalten wird.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 17.4.2024, 3 K 10/24
| Ein Steuerbescheid ist nach der Abgabenordnung (hier: § 175 b AO) zu ändern, wenn elektronische Daten von Dritten (z. B. dem Rentenversicherungsträger) bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Dies gilt laut Bundesfinanzhof (BFH) selbst dann, wenn diese Informationen bereits aus der Steuererklärung ersichtlich waren. |
Das war geschehen
Eheleute hatten eine korrekte Steuererklärung abgegeben. Darin hatten sie auch ihre Renteneinkünfte zutreffend erklärt. Das Finanzamt erließ allerdings einen Einkommensteuerbescheid, in dem die Renteneinkünfte nicht erfasst waren. Später erhielt das Finanzamt auch auf elektronischem Wege durch eine Datenübermittlung des Rentenversicherungsträgers von der Höhe der Renteneinkünfte Kenntnis und änderte daraufhin den Einkommensteuerbescheid zulasten der Eheleute und setzte erstmals die Renteneinkünfte an.
Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen und der BFH haben diese Handhabung nun bestätigt.
Abweichende Regelungen in der „analogen Welt“
In der analogen Welt war die Änderung eines einmal ergangenen Steuerbescheids (sowohl zugunsten als auch zulasten des Steuerpflichtigen) nur möglich, wenn hierfür besondere Voraussetzungen erfüllt waren (z. B. ausdrücklicher Vorbehalt der Nachprüfung im Steuerbescheid oder nachträglich bekannt gewordene Tatsachen).
Beachten Sie | Diese Voraussetzungen waren im Streitfall nicht erfüllt, da das Finanzamt die Rente trotz voller Kenntnis des Sachverhalts im ursprünglichen Steuerbescheid außer Ansatz gelassen hatte.
Digitalisierung: Änderung des Steuerbescheids, wenn Daten nicht berücksichtigt waren
Im Zuge der Digitalisierung erhalten aber auch die Finanzämter immer mehr besteuerungsrelevante Daten auf elektronischem Weg. Daher hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 2017 § 175 b AO eingeführt. Danach kann ein Steuerbescheid geändert werden, soweit Daten an das Finanzamt übermittelt werden, die bisher nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Weitere (insbesondere einschränkende) Voraussetzungen enthält diese Norm nicht.
Beachten Sie | Eine auf § 175 b AO gestützte Änderung ist somit auch vorzunehmen, wenn dem Finanzamt oder dem Steuerpflichtigen zuvor ein Fehler unterlaufen ist. Dies hat sich im Streitfall zugunsten des Finanzamts ausgewirkt, würde aber umgekehrt ebenso zugunsten des Steuerpflichtigen gelten.
Quelle | BFH, Urteil vom 27.11.2024, X R 25/22
| Liegt Arbeitslohn vor, wenn ein Teil eines Veräußerungspreises für Gesellschaftsanteile dafür gezahlt wird, dass der (dann ehemalige) Gesellschafter für einen bestimmten Zeitraum noch als Geschäftsführer tätig wird? Mit dieser Frage muss sich der Bundesfinanzhof (BFH) befassen. Das Finanzgericht (FG) Köln hatte auf Arbeitslohn plädiert. |
Das war geschehen
Der Steuerpflichtige A war an einer GmbH beteiligt und zugleich deren Geschäftsführer. Im Streitjahr verkaufte A seine Anteile. In dem Kaufpreis war vertragsgemäß ein Teilbetrag für die Fortsetzung der Geschäftsführung über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren enthalten.
Teileinkünfteverfahren oder Arbeitslohn?
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass es sich bei dem Teilbetrag um eine Gegenleistung für die mehrjährige Geschäftsführertätigkeit des A handle und diese nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 19 i. V. mit § 34 Abs. 1 EStG) als Arbeitslohn der Besteuerung unterliege.
Der Verkäufer A wandte dagegen ein, dass der Teilbetrag im Rahmen der Ermittlung des Gewinns i. S. des § 17 EStG („Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften“ unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens) zu berücksichtigen sei.
Das FG sprach sich im Klageverfahren unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls für Arbeitslohn aus.
Das spricht für Arbeitslohn
Für die Annahme von Arbeitslohn spricht insbesondere, dass der Verkäufer A den auf die Geschäftsführertätigkeit entfallenden Anteil nur behalten darf, wenn er weiter als Geschäftsführer tätig ist. Das Fortbestehen des Geschäftsführerverhältnisses ist nach dem Kaufvertrag notwendige Voraussetzung für die Vorteilsgewährung.
Beachten Sie | Diese Verknüpfung wird nicht durch die Anteilsübertragung überlagert, denn die prägende Gegenleistung für den Streitbetrag ist die Arbeitsleistung und nicht die Anteilsübertragung.
Höchstrichterliche Entscheidung gefragt
Das FG Köln hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Denn, soweit ersichtlich, ist die Abgrenzung zwischen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit i. S. des § 19 EStG und solchen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften i. S. des § 17 EStG bisher nicht höchstrichterlich geklärt.
Da die Revision auch eingelegt wurde, hat der BFH nun Gelegenheit, für Klarheit zu sorgen.
Quelle | FG Köln, Urteil vom 4.12.2024, 12 K 1271/23
| Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Münster kann eine Ferienwohnung, die der Einkünfteerzielung dient, eine erste Tätigkeitsstätte bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung darstellen, wenn der Vermieter mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit für das Objekt dort verrichtet. |
Hintergrund: Suchen Vermieter in (un)regelmäßigen Abständen ihre Vermietungsobjekte auf, um z. B. Reparaturen vorzunehmen oder mit dem Mieter in Kontakt zu treten, stehen die dabei entstehenden Fahrtkosten mit den Mieteinkünften im Zusammenhang und lassen sich als Werbungskosten absetzen.
Grundsätzlich sind die Fahrtkosten dann nach Reisekostengrundsätzen zu ermitteln, sodass die tatsächlichen Kosten bzw. 0,30 Euro je Kilometer für die Hin- und die Rückfahrt anzusetzen sind.
In dem Streitfall ging es nun u. a. um die Frage, ob eine Ferienwohnung auch eine erste Tätigkeitsstätte darstellen kann – mit der Folge, dass lediglich die Entfernungspauschale (0,30 Euro pro Entfernungskilometer bzw. 0,38 Euro ab dem 21. Kilometer) abgezogen werden kann.
Das war geschehen
Eine aus Vater und Sohn bestehende GbR erzielte Einkünfteaus der Vermietung zweier Ferienwohnungen. Für das Jahr 2019 machte die GbR u. a. Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen im Zusammenhang mit Reparatur- und Reinigungsarbeiten an den Wohnungen als Werbungskosten geltend.
Das Finanzamt stellte bei der Prüfung der Unterlagen und Belege Ungereimtheiten fest und erkannte die Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen wegen privater Mitveranlassung nicht an. Die hiergegen gerichtete Klage war vor dem FG teilweise erfolgreich.
Das Gericht begründete seine Entscheidung u. a. wie folgt: Die Fahrtkosten sind mit der Entfernungspauschale und unter Abzug eines Privatanteils zu berücksichtigen. Die beiden Wohnungen sind jeweils als erste Tätigkeitsstätte anzusehen.
Hier keine Zuordnung durch Arbeitgeber, sondern quantitative Kriterien
Der Verweis im Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 3 EStG) auf die vorrangig für Arbeitnehmer geltenden Regelungen führt bei den Vermietungseinkünften dazu, dass jedenfalls dann eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt, wenn der Steuerpflichtige mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit für das Mietobjekt dort selbst verrichtet. Maßgeblich sind in erster Linie quantitative Kriterien, da – anders als bei Arbeitnehmern – eine Zuordnung durch einen Arbeitgeber nicht in Betracht kommt.
Private Veranlassungsanteile
Da die Ferienwohnungen im Wesentlichen durch Dritte verwaltet wurden, während die Gesellschafter die Reparaturarbeiten selbst durchführten, ist die quantitative Grenze von einem Drittel im Streitfall deutlich überschritten. Für jede einzelne Reise hat das Gericht eine Aufteilung der Fahrtkosten vorgenommen und die privaten Veranlassungsanteile nicht als Werbungskosten anerkannt.
Die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen wären bestenfalls innerhalb der ersten drei Monate anzuerkennen. Im Streitfall war die Dreimonatsfrist aber bereits abgelaufen.
Beachten Sie | DasFG Münster hatte die Revision zugelassen, weil bis dato keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 9 Abs. 3 EStG vorliegt und hierzu im Streitfall entscheidungserhebliche Fragen grundsätzlich klärungsbedürftig sind. Da die Revision aber nicht eingelegt wurde, muss man vorerst weiter auf eine höchstrichterliche Entscheidung warten.
Allerdings zeigt der Streitfall, dass eine gute Beweisvorsorge unerlässlich ist. Das gilt nicht nur für die Anzahl der Fahrten,s ondern auch für den mit der Vermietung zusammenhängenden Hintergrund der Fahrten und der möglichst fehlenden privaten Mitveranlassung. Zudem wird deutlich, dass bei sehr vielen Fahrten zum Mietobjekt die Gefahr besteht, dass das Finanzamt nur die Entfernungspauschale gewährt.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 15.5.2025, 12 K 1916/21 F
| Eine Frau parkte in der Tiefgarage ihres Arbeitgebers. Beim Ausparken stieß sie mit der Beifahrertür ihres BMW versehentlich gegen einen rechteckigen, ca. kniehohen Sockel einer Säule. Der Sockel befand sich unterhalb der Sichtachse und war nicht gekennzeichnet oder markiert. Sie verlangte Schadenersatz. Ihre Klage wies das Amtsgericht (AG) München ab. |
Das verlangte die Klägerin
Die Klägerin behauptet, durch den Unfall sei ein Schaden an der Beifahrertür von über 3.200 Euro netto entstanden. Der Sockel sei bei Umbaumaßnahmen im Zeitraum 2019 bis 2022 errichtet worden. Die Klägerin habe erfahren, dass es mehrere Unfälle an dem Betonsockel gegeben habe. Sie verklagte daraufhin das Bauunternehmen, das die Verkehrssicherungspflicht für die von ihm durchgeführten Arbeiten übernommen hatte.
Die beklagte Baufirma gab an, der Sockel stünde dort bereits seit 50 Jahren. Sie bezweifelte, dass der Schaden vollständig auf einen Kontakt mit dem Sockel zurückzuführen sei.
So urteilte das Amtsgericht
Das AG wies die Klage ab. Begründung: Das Bauunternehmen habe bereits keine sog. Verkehrssicherungspflicht verletzt. Der Betonsockel stellte schon keine besondere Gefahrenquelle für Fahrzeuge in einer Parkgarage dar. Dabei sei zu berücksichtigen, dass jeder Kraftfahrer in einer Parkgarage ohnehin nur so schnell fahren darf, dass er im Hinblick auf die ständig zu erwartenden Ein- und Ausparkvorgänge, aber auch wegen des dort herrschenden Fußgängerverkehrs jederzeit anhalten kann. Beim Ein- und Ausparkvorgang sei es daher jederzeit möglich, anzuhalten, auszusteigen und sich zu vergewissern, wie breit die Fahrbahn oder der Parkplatz an dieser Stelle ist.
Dies gelte insbesondere hinsichtlich des streitgegenständlichen Betonsockels, der von allen Seiten gut sichtbar sei, da er breiter sei als die dahinterstehende Säule. Ein kniehoher Betonsockel sei auch kein überraschendes Hindernis für Parkgaragennutzer, da enge Parkbuchten in einer älteren Parkgarage durchaus üblich seien.
Altschäden auf Fahrfehler zurückzuführen
Selbst, wenn man unterstelle, dass mehrere Fahrer mit ihren Fahrzeugen den Betonsockel in der Vergangenheit gestreift haben sollen, was angesichts eines vorgelegten Fotos und den darauf sichtbaren Lackspuren durchaus plausibel erscheine, sei eine Gefahr, dass Rechtsgüter Dritter durch den statischen Betonsockel verletzte werden, für das Bauunternehmen nicht erkennbar gewesen. Dieses habe als sog. Verkehrssicherungspflichtige darauf vertrauen dürfen, dass die Parkgaragennutzer den gut sichtbaren Betonsockel erkennen und, sofern ihr Fahrzeug zu breit für den Parkplatz sei, eine andere noch freie Parkbucht ohne einen Betonsockel nutzen. Beschädigungen des Sockels durfte das Bauunternehmen daher auf Fahrfehler zurückführen.
Mitverschulden der Autofahrerin
Selbst, wenn man eine Verkehrssicherungspflicht annehmen würde, träfe die Frau ein Mitverschulden, das eine Haftung des Bauunternehmens vollständig entfallen ließe. Die Klägerin nutzte die Parkgarage ihres Arbeitgebers bereits fast zwei Monate nach den Umbaumaßnahmen. Ihr waren sowohl der Zustand der Parkgarage als auch ihre baulichen Merkmale aufgrund der längeren Nutzung bekannt oder sie hätten ihr bekannt sein müssen.
Quelle | AG München, Urteil vom 9.8.2024, 231 C 13838/24. PM 13/25
| Der im Land Berlin eingeführte Probeunterricht zur Eignungsfeststellung für das Gymnasium ab dem Schuljahr 2025/2026 bei Schülern, die nach der Förderprognose den erforderlichen Notendurchschnitt verfehlt haben, ist nicht zu beanstanden. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in mehreren Eilverfahren entschieden. |
Schulgesetz geändert
Im August 2024 änderte das Land Berlin die Regelungen des Schulgesetzes für die Aufnahme in das Gymnasium zur 7. Jahrgangsstufe. Nach der Neuregelung können die Erziehungsberechtigten ein Kind mit einem Notenschnitt zwischen 2,3 und 2,7 nur an einem Gymnasium anmelden, wenn die Eignung für den Besuch des Gymnasiums durch die Teilnahme an einem Probeunterricht nachgewiesen wird.
Die Antragsteller sind Schüler, die bei diesem Probeunterricht weniger als die geforderten mindestens 75 Prozent der erreichbaren Bewertungseinheiten erzielten. Im gerichtlichen Eilverfahren begehren sie dennoch die vorläufige Feststellung ihrer Eignung für das Gymnasium, weil sie die Einführung des Probeunterrichts für rechtswidrig halten.
Verwaltungsgericht: Probeunterricht nicht zu beanstanden
Das VG hat die Eilanträge zurückgewiesen. Die Ausgestaltung des Probeunterrichts und die jeweils konkreten Bewertungen seien rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar betreffe der Probeunterricht auch Kinder, die bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits in der 5. Klasse der Grundschule gewesen seien. Das sei aber verhältnismäßig, weil die legitimen Interessen des Gesetzgebers, insbesondere auch an einer zügigen neuen Aufnahmeregelung für Gymnasien, das Interesse der Betroffenen am Erhalt der bestehenden Regeln überwögen: Der Probeunterricht ermögliche eine prognostische, an allgemeingültigen Maßstäben ausgerichtete und zugleich auf den Einzelfall bezogene pädagogische Beurteilung, ob die Eignung für das Gymnasium vorliege. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des Probeunterrichts auf den Umstand reagiert, dass in der Vergangenheit durchschnittlich sieben Prozent das (mit der Neuregelung abgeschaffte) Probejahr am Gymnasium nicht bestanden hätten, im Schuljahr 2022/23 von den Schülerinnen und Schüler ohne Gymnasialempfehlung sogar 34 Prozent.
Der Probeunterricht trage den begrenzten Kapazitäten der Gymnasien und Lehrressourcen Rechnung, vermeide eine absehbare Überforderung der betroffenen Schülerinnen und Schüler und wirke durch rechtzeitige Prognose einem unnötigen Hin und Her entgegen. Die Aufgaben des Probeunterrichts seien anhand der Vorgaben des gemeinsamen Rahmenlehrplans für Berlin und Brandenburg entwickelt worden. Verbindliche Angaben der Schulaufsichtsbehörde zur Punkteverteilung im Erwartungshorizont hätten eine einheitliche Bewertung sichergestellt. Schließlich habe die zeitliche Ausgestaltung des Probeunterrichts mit ausreichenden Pausen zwischen den drei 45-minütigen Prüfungsteilen die besondere Prüfungssituation der Kinder berücksichtigt.
Quelle | VG Berlin, Beschlüsse vom 9.4.2025, VG 3 L 77/25 u. a., PM 25/25
| Die Universität Duisburg-Essen hat einer Studentin zu Recht diejenigen „Prüfungsleistungen“ aberkannt, die in dem System der Universität als bestanden ausgewiesen waren, weil die Studentin für diese Eintragung einer ehemaligen Mitarbeiterin des Prüfungsamts der Universität Geld gezahlt hatte. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen entschieden. |
Nicht zur Prüfung erschienen – Geldzahlungen an ehemalige Mitarbeiterin
Die Studentin war zu fünf Prüfungsterminen ihres Studiengangs Bachelor Wirtschaftswissenschaft, Katholische Religion und Bildungswissenschaften mit der Lehramtsoption Berufskolleg nicht erschienen. Dies war in den internen Notenlisten der Prüfer vermerkt. Eine ehemalige Mitarbeiterin des Prüfungsamts der Universität vermerkte gegen Geldzahlung in dem System der Universität, die Studentin habe die Prüfungen bestanden und trug dazu Noten ein. Im Masterstudiengang wiederholte sich dies bei vier Prüfungen. Der Prüfungsausschuss der Fakultät Wirtschaftswissenschaften beschloss, die Prüfungsleistungen jeweils als nicht bestanden (Note 5,0) zu bewerten, die von der Fakultät Bildungswissenschaften verliehenen Universitätsabschlüsse (Bachelor und Master) abzuerkennen, und forderte die Abschlusszeugnisse zurück.
Klagen gegen Aufhebung der Prüfungsleistungen
Die Klage gegen die Aufhebung der Prüfungsleistungen und ihre Bewertung als nicht bestanden hat das VG abgewiesen. Die Studentin hat die Prüfungsleistungen nicht bestanden, weil sie nicht an den Prüfungen teilgenommen hat. Die Aberkennung der Abschlüsse und die damit zusammenhängenden Anordnungen hob die Universität in der mündlichen Verhandlung auf, weil hierüber der unzuständige Prüfungsausschuss entschieden hatte. Zuständig ist der Prüfungsausschuss für Bildungswissenschaften, der die Abschlüsse verliehen hat.
Eine weitere Klage einer anderen Studentin im Studiengang Bachelor für das Lehramt Berufskolleg gegen die Bewertung von vier Prüfungsleistungen als nicht bestanden (Note 5,0) durch den Prüfungsausschuss hat das VG ebenfalls abgewiesen. Die Studentin hatte eine Prüfung nicht bestanden und war zu drei weiteren nicht erschienen. Gegen Geldzahlung an eine ehemalige Mitarbeiterin des Prüfungsamts wurden diese Prüfungen als bestanden in das System der Universität eingetragen.
Quelle | VG Gelsenkirchen, Urteile vom 28.4.2025, 4 K 1226/22 und 4 K 1227/22, PM vom 29.4.2025
| Ein Jäger, der im betrunkenen Zustand seine Jagdwaffe im Pkw transportiert, besitzt nicht die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit zur (Wieder-)Erteilung eines Jagdscheins – unabhängig davon, ob die mitgeführte Waffe geladen war oder nicht. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Münster entschieden. |
Jäger verursachte hohen Schaden
Der Jäger aus dem Kreis Coesfeld war im Jahr 2020 in Rheinland-Pfalz auf dem Rückweg von einer Jagdveranstaltung und transportierte seine Langwaffe im Fahrzeug. Dabei kam er von der Fahrbahn ab, fuhr zwei Verkehrsschilder um und in eine Hauswand. Es entstand ein Fremdschaden in Höhe von etwa 50.000 Euro. Ein Atemalkoholtest nach dem Unfall ergab einen Wert von 1,69 Promille, zwei Blutentnahmen Werte von 1,48 und 1,39 Promille. Nach dem Unfall nahm der Kläger seine in einem Futteral befindliche Langwaffe aus dem Fahrzeug und stellte sie in ein nahes Wartehäuschen, wo sie von der Polizei sichergestellt wurde.
Antrag auf erneutes Ausstellen eines Jagdscheins
Es kam zu einem Strafverfahren. Zudem wurde die Waffenbesitzkarte des Mannes widerrufen, sodass er seine Schusswaffen abgeben musste. In der Zwischenzeit lief die Gültigkeit seines Jagdscheins aus. Im Jahr 2022 beantragte der Kläger dann die erneute Ausstellung eines Jagdscheins, blieb damit bei der Behörde jedoch ohne Erfolg.
Die Klage hiergegen wies das Gericht nun ab, denn der Kläger sei waffenrechtlich unzuverlässig. Es rechtfertigten Tatsachen die Annahme, dass er mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehe oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werde. Bei der zu treffenden Prognose genüge es, wenn bei Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen bestehe. Im Bereich des Waffenrechts müsse kein Restrisiko hingenommen werden. Ob, wie zuletzt zwischen den Beteiligten streitig, die Waffe im Auto des Klägers bei der Trunkenheitsfahrt geladen war, und ob er sie nach dem Unfall genügend beaufsichtigt hat, könne offenbleiben. Genügende Anhaltspunkte für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang des Klägers mit Waffen ergäben sich bereits daraus, dass er seine Jagdwaffe bei einer Autofahrt mitgeführt hat, obwohl er eine Atemalkoholkonzentration von 1,69 Promille bzw. eine Blutalkoholkonzentration von 1,48 Promille aufwies und sich damit in einem Zustand befand, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können und vorliegend – in Form der zu dem Verkehrsunfall mit erheblichem Sachschaden führenden Unaufmerksamkeit – auch aufgetreten sind.
Als Waffenbesitzer unzuverlässig
Die Blutalkoholkonzentration übersteige den Grenzwert absoluter Fahruntüchtigkeit von Kraftfahrern (1,1 Promille). Mit einer Schusswaffe gehe nicht vorsichtig und sachgemäß um, wer diese in einem Zustand gebrauche, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können – unabhängig davon, ob solche auch tatsächlich aufträten. Das gelte auch für das Mitführen einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe bei einer Autofahrt in alkoholisiertem Zustand, das waffenrechtlich als „Führen der Schusswaffe“ einzuordnen sei.
Es bestehe zum einen die Gefahr, dass der Waffenbesitzer in einer Konfliktsituation mit anderen Verkehrsteilnehmern aufgrund alkoholbedingter Ausfallerscheinungen inadäquat reagieren und zur Konfliktlösung auf die von ihm mitgeführte Schusswaffe zurückgreifen könnte. Zum anderen bestehe beim Transport einer Schusswaffe im Straßenverkehr bei alkoholbedingten Ausfallerscheinungen des Waffenbesitzers die reale Möglichkeit des Abhandenkommens der Schusswaffe. Jedenfalls dann, wenn es – wie hier – zu einem Unfall kommt, bestehe das Risiko, dass der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, den Zugriff Dritter auf die Waffe auszuschließen. Dass der Kläger zwischenzeitlich seinen Führerschein wiedererlangt habe, ändere an dem Ergebnis nichts.
Quelle | VG Münster, Urteil vom 1.4.2025, 1 K 2756/22, PM vom 7.4.2025
| Die Ordnungsmaßnahme einer Gesamtschule im Rhein-Kreis-Neuss, einen Zehntklässler mit sofortiger Wirkung von der Schule zu entlassen, weil dieser mit weiteren Jugendlichen einen Obdachlosen angegriffen und auf den am Boden liegenden Mann eingetreten und -geschlagen hat, ist rechtmäßig. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf entschieden und den gegen die Schulentlassung gerichteten Eilantrag des Schülers abgelehnt. |
Schweres Fehlverhalten
Das VG: Die Voraussetzungen der Entlassung von der Schule liegen vor, da der Schüler durch schweres Fehlverhalten die Rechte des Obdachlosen ernstlich verletzt und hierdurch zugleich die Erfüllung der Aufgaben der Schule ernstlich gefährdet hat. Es ist unstreitig, dass der Schüler mit massiver, nahezu hemmungsloser Aggression mindestens achtmal auf den am Boden liegenden Obdachlosen (teils mit Anlauf) eingetreten und (teils mit voller Wucht) mit der Faust gegen dessen Körper und Kopf geschlagen hat, obgleich von dem Mann zu diesem Zeitpunkt erkennbar keinerlei Gefahr ausging und dieser sich – im Gegenteil – die Hände schützend vor seinen Kopf hielt.
Schulfrieden massiv beeinträchtigt
Zugleich hat der Schüler durch dieses Verhalten seine Pflicht verletzt, an der Erfüllung der Aufgaben der Schule mitzuarbeiten. Der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule hat keine festen räumlichen Grenzen. Vielmehr kommt es darauf an, ob das Fehlverhalten – wie hier – störend in den Schulbetrieb hineinwirkt. Dadurch, dass der Schüler während der Schulzeit in der Mittagspause zwischen zwei Unterrichtseinheiten in unmittelbarer Nähe des Schulgeländes den Obdachlosen gemeinsam mit weiteren Jugendlichen angegriffen hat, waren in den darauffolgenden Tagen der Schulfrieden und der Unterricht der Schule massiv beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund handelt es sich nicht um ein bloßes „außerschulisches Fehlverhalten“ des Schülers, sondern wurde der Konflikt in die Schule hineingetragen, da dieses ohne jeden Zweifel erheblich in das Unterrichtsgeschehen der nachfolgenden Tage hineingewirkt hat.
Keine vorherige Androhung erforderlich
Die Entlassung von der Schule ist angesichts des objektiven Schweregrades der Pflichtverletzung und der zeitnah bevorstehenden Zentralen Prüfungen zur Erlangung des Mittleren Schulabschlusses nach Ansicht des VG auch ohne vorherige Androhung der Entlassung von der Schule verhältnismäßig. Die Entlassung des Schülers von der Schule stellt angesichts der besonderen Schwere der Pflichtverletzung das einzig sichere Mittel dar, um weiteres Fehlverhalten des Schülers auszuschließen und den Schulfrieden der Schule wiederherzustellen.
Schüler war bereits vorher auffällig
Bei der Abwägung war insoweit zu berücksichtigen, dass der Schüler bereits im August 2023 einem Mitschüler einen Faustschlag in das Gesicht versetzt hatte, der Antragsteller seine Impulse in Ausnahme- oder Stresssituationen mithin nicht jederzeit unter Kontrolle hat, sondern zu gewalttätigen Reaktionen neigt, und dass zudem die seinerzeit ergriffene Ordnungsmaßnahme offenbar auch nicht die gewünschte nachhaltige positive Verhaltensänderung bei dem Schüler bewirkt hat. Zudem war zu berücksichtigen, dass der Schüler mit Blick auf die am 27.5.2025 beginnenden Zentralen Prüfungen am Ende der Klasse 10 nur noch kurze Zeit den Unterricht besucht.
Angesichts dessen erweisen sich andere, im Verhältnis zur Entlassung von der Schule mildere Ordnungsmaßnahmen – etwa die Überweisung in eine Parallelklasse oder die Androhung der Entlassung von der Schule – ersichtlich als zur Zweckerreichung nicht gleichermaßen geeignet. Denn sowohl die Androhung der Entlassung als auch die Überweisung in eine Parallelklasse können aus Sicht der Kammer bei lebensnaher Betrachtung im Hinblick auf die nur noch verbleibenden wenigen Unterrichtstage erkennbar keinen nennenswerten erzieherischen Einfluss auf den Schüler entfalten.
Quelle | VG Düsseldorf, Beschluss vom 4.4.2025, 18 L 1171/25, PM vom 4.4.2025
| Was dürfen Eigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft beim Thema Gestaltung ihrer Wohnung und was nicht? Diese Frage beschäftigt Gerichte immer wieder – so auch das Amtsgericht (AG) München in einem aktuellen Fall. |
Das beabsichtigten die Eigentümer
Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung in einem neunstöckigen Wohnkomplex. Die Balkone des Gebäudes sind mit einer Loggia ausgestattet. Die Eigentümer der Wohnung planten, zusätzlich zur bereits bestehenden Balkontür, in einem anderen Zimmer der Wohnung ein vorhandenes Fenster zur Balkontür umbauen zu lassen. Hierfür beantragten sie die Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Eigentümergemeinschaft verweigerte die Zustimmung
Diese verweigerte jedoch die Zustimmung aufgrund von Bedenken im Zusammenhang mit der konstruktiven Stabilität, der Gefahr von Kälte- und Wassereintritt und der Sorge, dass die Versetzung eines aktuell vor dem Fenster befindlichen Heizkörpers Auswirkungen auf das Heizungssystem des Gebäudes habe.
Klage vor dem Amtsgericht
Da die Eigentümer sich im Recht wähnten, verklagten sie die Eigentümergemeinschaft vor dem AG auf Zustimmung. Dieses gab den Klägern Recht. Es ersetzte die grundsätzliche Zustimmung zum geplanten Umbau und legte der Eigentümergemeinschaft auf, die Modalitäten und Einzelheiten in der Eigentümerversammlung zu beschließen.
Das AG sagt: Der Umbau eines Fensters stelle jedenfalls hinsichtlich des Mauerdurchbruchs durch die Außenwand eine auf Dauer angelegte gegenständliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums dar, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehe und damit eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums darstelle.
Das Wohnungseigentumsgesetz (hier: § 20 Abs. 3 WEG) begründe einen Anspruch auf Gestattung einer baulichen Veränderung, durch die kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt werde. Eine Beeinträchtigung sei rechtlich nicht relevant, wenn sie nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehe oder die über dieses Maß hinaus beeinträchtigten Wohnungseigentümer einverstanden seien.
Soweit nicht auszuschließen sein soll, dass durch den Einbau eines neuen Heizkörpers Nachteile für das übrige Heizungssystem entstehen könnten, mache die Beklagte keine konkrete und objektive Beeinträchtigung geltend, durch die ein Wohnungseigentümer sich beeinträchtigt fühlen könne.Vielmehr handele es sich hier um ein nicht zu berücksichtigendes hypothetisches Risiko. Auch dass sich der Wandausschnitt, der durch den Einbau einer Terrassentür vergrößert würde, in der Außenmauer des Gebäudes befinde, und damit Gemeinschaftseigentum verändert würde, stelle für sich genommen keine erhebliche Beeinträchtigung dar.
Vorliegend sei nicht ersichtlich, in welcher Weise die in Rede stehende Maßnahme andere Eigentümer konkret beeinträchtigen würde. Soweit die Beklagte geltend mache, es bestünden nicht auszuschließende Folgen für die Abgeschlossenheit der Wohnung sowie die statische Sicherheit, handele es sich wiederum um rein theoretische Bedenken, denen durch entsprechende Auflagen, wie dem Verlangen nach fachkundiger Planung und ggf. statischer Berechnung durch ein Fachunternehmen nach den Regeln der Baukunst, Rechnung getragen werden könne.
Soweit die Beklagte weiter geltend mache, durch eine Veränderung in der Außenhülle des Gebäudes bestehe die Gefahr von Kälte- oder Wassereintritt, sei nicht ersichtlich, inwiefern dies andere Wohnungseigentümer als die Kläger beeinträchtigen sollte. Zudem handele es sich im Hinblick darauf, dass der von dem Mauerdurchbruch betroffenen Wand die Loggia vorgelagert sei, um theoretische Befürchtungen und nicht um konkrete und objektive Beeinträchtigungen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 27.5.2025, 1293 C 26254/24, PM 27/25
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Bei Fehlen eines schriftlichen Energieversorgungsvertrags richtet sich das Leistungsangebot eines Strom- und Gasversorgungsunternehmens an den Vermieter (Eigentümer) – und nicht, wie sonst regelmäßig der Fall, an den Mieter. Dies gilt im Fall einer Wohnung, wenn die einzelnen Zimmer durch separate Mietverträge vermietet sind und diese lediglich über einen Zähler für Strom und Gas verfügt. |
Das war geschehen
Die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, nahm die beklagte Vermieterin auf Zahlung von Entgelt für die Belieferung mit Strom und Gas im Rahmen der Grundversorgung in Anspruch. Die Zimmer der Wohnung waren einzeln mit gesonderten Mietverträgen über unterschiedliche Laufzeiten vermietet, wobei sämtlichen Mietern das Recht zur Nutzung der Gemeinschaftsräume, wie Küche und Bad, eingeräumt wurde. Nur die Wohnung, nicht hingegen die einzelnen Zimmer, verfügte über einen Zähler für Strom und Gas und wurde von der Klägerin mit Strom und Gas beliefert. Ein schriftlicher Energieversorgungsvertrag bestand nicht. Die Parteien stritten, ob ein durch die Entnahme von Strom und Gas konkludent zustande gekommener Versorgungsvertrag mit der Vermieterin (Eigentümerin) oder mit den Mietern besteht.
Die auf Zahlung der Versorgungsentgelte für einen Zeitraum von fünf Jahren gerichtete Klage hat das Amtsgericht (AG) abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht (LG) das erstinstanzliche Urteil geändert und der Klage stattgegeben. Die Beklagte begehrte beim BGH daher, das klageabweisende erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Das Berufungsgericht, so der BGH, hat zu Recht angenommen, dass unter den hier gegebenen Umständen ein Versorgungsvertrag mit der beklagten Vermieterin der Wohnung besteht. Entgegen der Ansicht der Revision war das in der Bereitstellung von Strom und Gas liegende (konkludente) Angebot der Klägerin weder an die Mieter der einzelnen Zimmer noch an die Gesamtheit der Mieter gerichtet.
Zwar haben allein die Mieter Einfluss auf den Strom- und Gasverbrauch in der Wohnung. Jedoch lässt sich dieser Verbrauch – mangels separater Zähler – nicht den einzelnen vermieteten Zimmern zuordnen. Zudem haben die einzelnen Mieter bei objektiver Betrachtung typischerweise kein Interesse daran, auch für die Verbräuche der anderen Mieter einzustehen. Der Umstand, dass sich das konkludente Angebot des Energieversorgungsunternehmens daher an die Vermieterin richtete, ist Folge des von ihr gewählten besonderen Vermietungskonzepts.
Quelle | BGH, Beschluss vom 15.4.2025, VIII ZR 300/23, PM 79/25
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Eine Zuwendung von Todes wegen zugunsten des Hausarztes des Erblassers ist nicht unwirksam, weil sie gegen ein den Hausarzt treffendes berufsständisches Zuwendungsverbot verstößt. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Hausarztes, der den Erblasser seit 2015 behandelt hatte. Im Januar 2016 schloss der Erblasser mit dem Hausarzt sowie der ihn pflegenden Beklagten und deren Tochter vor einem Notar eine als „Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag“ bezeichnete Vereinbarung. In dieser verpflichtete sich der Hausarzt gegenüber dem Erblasser zu verschiedenen ärztlichen Leistungen, unter anderem zu medizinischer Beratung und Behandlung, zu Hausbesuchen und telefonischer Erreichbarkeit sowie zu Betreuungsleistungen im häuslichen Bereich. Als Gegenleistung sollte der Arzt im Falle des Todes des Erblassers das Eigentum an einem dem Erblasser gehörenden Grundstück erhalten. Im März 2016 verfügte der Erblasser in einem notariellen Testament, dass ihn die Beklagte hinsichtlich seines im Vertrag vom Januar 2016 nicht erfassten Vermögens allein beerben solle.
Im Januar 2018 verstarb der Erblasser. Die Pflegerin (Beklagte) nahm seinen Nachlass in Besitz. Im Dezember 2019 wurde über das Vermögen des Hausarztes das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger hat als Insolvenzverwalter die Beklagte auf Übertragung des dem Arzt in der Vereinbarung vom Januar 2016 zugewandten Grundstücks an die Insolvenzmasse in Anspruch genommen.
So sah es der Bundesgerichtshof
Die Zuwendung des Grundstücks an den Hausarzt im Wege des Vermächtnisses ist wirksam. Selbst, wenn der Arzt gegen seine Berufsordnung verstoßen hätte, indem er die Zuwendung annahm, führt dies nicht zur Unwirksamkeit des Vermächtnisses.
Die Berufsordnung für Ärzte (hier: § 32 Abs. 1 S. 1 BO-Ä) regelt als berufsständische Vorschrift das Verhältnis zwischen dem Arzt und der für ihn zuständigen Landesärztekammer. Die Vorschrift verbietet deshalb nur ein Verhalten des Arztes, dem es nicht gestattet ist, Geschenke oder andere Vorteile zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen. Nicht geschützt von diesem Verbot wird hingegen der zuwendende Patient oder die Erwartung seiner Angehörigen, diesen zu beerben. Die Vorschrift zielt darauf ab, die Unabhängigkeit des behandelnden Arztes sowie das Ansehen und die Integrität der Ärzteschaft zu sichern. Dies kann durch berufsrechtliche Sanktionen vonseiten der Ärztekammer ausreichend sichergestellt werden.
Patient hatte Testierfreiheit
Auch die Testierfreiheit des Patienten verbietet es, ein zugunsten des behandelnden Arztes angeordnetes Vermächtnis wegen Verstoßes gegen eine Berufsordnung für unwirksam zu halten. Für eine Beschränkung der Testierfreiheit des Patienten fehlt schon eine ausreichende gesetzliche Grundlage.
Berufungsgericht muss erneut prüfen
Der Senat hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben. Er hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das den Parteien noch Gelegenheit geben muss, zu einem von ihm bislang nicht geprüften Verstoß der Vereinbarung des Vermächtnisses in dem Erbvertrag gegen die guten Sitten vorzutragen.
Quelle | BGH, Urteil vom 2.7.2025, IV ZR 93/24, PM 122/25
| Verkauft eine Kommanditgesellschaft ein Grundstück an eine andere Kommanditgesellschaft, ist dies auch dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB in Verbindung mit § 463 BGB), wenn es sich auf Verkäufer- und Käuferseite jeweils um Einpersonen-GmbH & Co. KGs mit demselben alleinigen Anteilsinhaber handelt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in zwei Parallelverfahren entschieden. |
Das war geschehen
Die Klägerinnen, verschiedene GmbH & Co. KGs, wenden sich gegen die Ausübung von Vorkaufsrechten nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB. Mit notariellen Kaufverträgen von Mai 2021 veräußerten sie Grundstücke an zuvor neu gegründete GmbH & Co. KGs, hinter denen jeweils dieselbe natürliche Person steht, wie auf Verkäuferseite.
Mit Bescheiden von Juli 2021 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht aus, in einem Fall zugunsten der beigeladenen stadteigenen Entwicklungsgesellschaft. Im anderen Verfahren gab die Erstkäuferin (Klägerin zu 2) eine Abwendungserklärung ab.
Klagen zunächst erfolgreich
Die Klagen waren erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht (VG) habe zu Recht angenommen, dass es an dem für ein Vorkaufsrecht erforderlichen Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 463 BGB fehle. Der Begriff des Dritten müsse einschränkend ausgelegt werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei hier nur eine Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre derselben natürlichen Personen erfolgt.
So sah es das Bundesverwaltungsgericht
Das BVerwG hat die angefochtenen Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Die Grundstückskaufverträge sind Verträge mit einem Dritten.
Gesellschaftsrechtlich sind die Kommanditgesellschaften auf Verkäufer- und Käuferseite trotz des Umstands, dass hinter ihnen jeweils dieselbe natürliche Person steht, selbstständige Rechtsträger. Eine wirtschaftliche Betrachtung auf Gesellschafterebene ist weder nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts noch verfassungsrechtlich geboten. Die Klägerinnen haben sich aus eigenem Entschluss für diese Form der Grundstücksübertragung entschieden.
Das BVerwG konnte mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Vorkaufsrechte im Übrigen rechtmäßig ausgeübt wurden. Das erfordert die Zurückverweisung an die Vorinstanz.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 17.6.2025, 4 C 4.24, PM 46/25
| In Architekten- und Ingenieurkammern, in denen die Fortbildung eine Berufspflicht ist und kontrolliert wird, kann das Nichtvorweisen entsprechender Fortbildungspunkte zum Ausschluss aus der jeweiligen Kammer führen. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen klargestellt. |
Fortbildungspflicht nicht erfüllt – zunächst Verweis und Geldbuße
Ein Mitglied der Ingenieurkammer-Bau NRW hatte in einem Jahr seine Fortbildungspflicht nicht erfüllt. Er hatte deshalb einen Verweis erhalten und musste eine Geldbuße zahlen.
Erneuter Pflichtverstoß: Kammerausschluss
Drei und sechs Jahr später geschah das Gleiche. Weil der Ingenieur auch bei der nächsten Stichprobe erneut keine Teilnahmebescheinigungen für anerkannte Fortbildungsveranstaltungen vorlegen konnte, schloss ihn das Berufsgericht aus der Kammer aus.
Oberverwaltungsgericht bestätigt Kammerausschluss
Die Klage dagegen wies das OVG ab. Der Ausschluss sei die angemessene berufsgerichtliche Maßnahme, auch wenn es sich um die schärfste berufsgerichtliche Sanktion handele. Die nochmalige Festsetzung einer Geldbuße als mildere Maßnahme komme nicht in Betracht.
Quelle | OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.8.2025, 39 A 834/24
| Lange war es ruhig um das sog. Kopplungsverbot. Jetzt hat das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg einen solchen Fall entschieden. Dieses stellt klar: Tritt ein Architekt wie ein Bauträger auf, findet das Kopplungsverbot Anwendung. Der Vertrag ist – wie hier entschieden – nichtig. |
Das besagt das Kopplungsverbot
Das Kopplungsverbot im Architektenrecht verbietet es, den Erwerb eines Grundstücks mit der Pflicht zu verbinden, einen bestimmten Architekten oder Ingenieur damit zu beauftragen, ein Bauwerk zu planen oder auszuführen. So soll der freie Wettbewerb unter Architekten geschützt werden. Außerdem soll so verhindert werden, dass sich Einzelne durch die Verknüpfung von Grundstückserwerb und Architektenleistung eine monopolartige Stellung verschaffen.
Bauherren werden geschützt
Das Verbot richtet sich gegen jede mit dem Erwerb eines Grundstücks zusammenhängende Bindung, die den Wettbewerb von Ingenieuren und Architekten beeinträchtigt. Die Vorschrift soll der Gefahr entgegenwirken, dass ein Architekt oder Ingenieur sich bei knapp gewordenem Baugrund dadurch Wettbewerbsvorteile verschafft, dass er ein Grundstück an der Hand hat.
Geschützt wird die Entschließungsfreiheit des Bauherrn, durch den Kauf eines Grundstücks, auf dem gebaut werden soll, nicht an einen bestimmten Architekten oder Ingenieur gebunden zu sein.
Quelle | OLG Nürnberg, Beschluss vom 8.5.2025, 6 U 1787/24
| Diese Frage musste das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf klären. Es neigte dazu, sie negativ zu beantworten. Die Parteien haben sich daraufhin entsprechend einem Vorschlag des Gerichts verglichen. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist seit 2013 in Vollzeit und im Schichtdienst an fünf Tagen in der Woche als Spielhallenaufsicht bei der Beklagten beschäftigt. Diese betreibt Spielhallen mit üblichem Publikumsverkehr und bietet dort u. a. Getränke an. Ausweislich der arbeitsvertraglich vereinbarten Stellenbeschreibung sind Haustiere in der Spielhalle verboten.
Im Jahr 2019 schloss die Klägerin mit der Hundehilfe Deutschland e.V. einen Tierüberlassungsschutzvertrag. Nachdem zunächst auch der Vater der Klägerin auf die Hündin aufgepasst hatte, brachte sie das Tier jedenfalls nach dem Ende der Corona-Lockdowns regelmäßig mit zur Arbeit. Verschiedene wechselnde Vorgesetzte erhoben zunächst keine Einwände. Ihr aktueller Vorgesetzter teilte ihr mit, dass der Geschäftsführer das Mitbringen der Hündin an den Arbeitsplatz nicht dulden werde bzw. – so die Klägerin – würde. Der Geschäftsführer der Beklagten bat die Klägerin dann schriftlich unter Bezugnahme auf die Stellenbeschreibung, es künftig zu unterlassen, die Hündin mit zur Arbeit zu bringen.
So sah es das Landesarbeitsgericht
Mit ihrer einstweiligen Verfügung hat die Klägerin begehrt, der Beklagten aufzugeben, die Mitnahme der Hündin während ihrer Arbeitszeiten in die Spielhalle bis zur erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache zu dulden. Die Kammer hat dann in der mündlichen Verhandlung im Rechtsgespräch mitgeteilt, dass sie davon ausgehe, dass das vertragliche Verbot weiterbestehen dürfte.
Die bloße Nichtdurchsetzung eines Verbots führe nicht zu dessen Aufhebung. Es spreche viel dafür, dass die Arbeitgeberin berechtigt sei, dies durchzusetzen, weil Kunden die Spielhalle z. B. aufgrund einer Tierhaarallergie oder Angst vor Hunden ggf. erst gar nicht aufsuchten. In der Verhandlung hat die Arbeitgeberin zudem angeführt, dass Beschäftigte in anderen von ihr betriebenen Spielhallen begännen, sich auf die von der Klägerin gelebte Praxis zu berufen.
Vergleich geschlossen
Das LAG hat dann mitgeteilt, dass die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Düsseldorf, das den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen hatte, wenig Aussicht auf Erfolg habe. Um die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und eine Gewöhnung der Hündin an andere Betreuungsmöglichkeiten zu ermöglichen, haben die Parteien auf Vorschlag des Gerichts einen Vergleich – auch zur Erledigung der Hauptsache – geschlossen. Die Klägerin durfte ihre Hündin noch für eine Übergangszeit von knapp zwei Monaten an den Arbeitsplatz mitbringen, danach jedoch nicht mehr.
Quelle | LAG Düsseldorf, Vergleich vom 8.4.2025, 8 GLa 5/25, PM vom 8.4.2025
| Ein Arbeitsgericht (ArbG) hatte bereits im letzten Jahr entschieden, dass ein Leiharbeitnehmer nicht ohne Weiteres eine Inflationsausgleichsprämie erhält, die im Entleiherbetrieb den dort Beschäftigten gezahlt wird. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holsteinhat dies nun bestätigt. |
So sah es die Arbeitnehmerin
Die Klägerin wurde von ihrer Arbeitgeberin, einem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen, in einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie („Entleiherin“) eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis endete zum 31.7.2023. Der Arbeitsvertrag der Parteien verwies u. a. auf die für Leiharbeitnehmer geltenden Tarifverträge über Branchenzuschläge für die Metall- und Elektroindustrie („TV BZ ME“) sowie Inflationsausgleichsprämie („TV IAPME“). Die Entleiherin füllte der Beklagten einen „Fragebogen zur Ermittlung von Equal Pay sowie des Branchenzuschlags ab dem 16. Einsatzmonat“ aus.
Die Mitarbeiter im Betrieb der Entleiherin erhielten im Juni 2023 eine Inflationsausgleichsprämie i.H.v. 1.000 Euro, die Klägerin dagegen nicht. Sie macht nun gerichtlich diese 1.000 Euro sowie weitere 1.200 Euro geltend.
Für die erste Zahlung bestehe durch den Fragebogen eine Equal-Pay-Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin, der Beklagten. Im Übrigen sei die Gleichstellung nicht per Tarifvertrag ausgeschlossen worden.
Hinsichtlich der zweiten Zahlung könne die Inflationsausgleichsprämie nach dem TV IAP ME bereits verlangt werden, wenn deren Voraussetzungen nach Inkrafttreten des Tarifvertrags, aber vor dem ersten Auszahlungszeitpunkt im Januar 2024 erfüllt gewesen seien. Damit sei die Prämie auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszuzahlen.
Landesarbeitsgericht: keine Equal-Pay-Vereinbarung und fehlender Vortrag
Das LAG entschied, dass der o. g. ausgefüllte Fragenbogen keine Equal-Pay-Vereinbarung mit deren Arbeitnehmern darstellt. Die Klägerin hat auch nicht die Voraussetzungen für eine Gleichstellung mit den Mitarbeitern der Entleiherin vorgetragen.
Dazu muss sie als darlegungs- und beweisbelaste Klägerin einen Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum vornehmen. Dem wird sie nicht gerecht: Der Verweis, der Klägerin müsse die Inflationsausgleichsprämie schon deshalb gezahlt werden, weil die Stammarbeitnehmer der Entleiherin diese erhalten hätten, reicht dafür nicht aus.
Die Klägerin kann die Inflationsausgleichsprämien auch nicht aus dem TV IAP ME beanspruchen: Die Auslegung des Tarifvertrags ergibt, dass im jeweiligen Auszahlungsmonat (Januar bis November 2024) der tariflichen Inflationsausgleichsprämien – anders als die Klägerin meint – noch ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden haben muss. Hier endete das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin aber bereits im Jahr 2023.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6.3.2025, 5 Sa 222 d/24, PM des LAG
| Dem Arbeitgeber kann weder die Kenntnis der Schwerbehindertenvertretung noch die eines Fachvorgesetzten von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zugerechnet werden. So sieht es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln in einer aktuellen Entscheidung. |
Keine rechtsgeschäftlichen Vertreter
Weder die Schwerbehindertenvertretung noch der Fachvorgesetzte des Arbeitnehmers hätten eine Stellung, die einem rechtsgeschäftlichen Vertreter des Arbeitgebers ähnlich sei. Denn die Schwerbehindertenvertretung vertrete die Interessen der schwerbehinderten Menschen gegenüber dem Arbeitsgericht. Sie sei nicht seiner Sphäre zuzurechnen.
Schwerbehindertenvertretung kümmert sich nicht um personalrechtliche Belange
Sie kümmere sich auch nicht um personalrechtliche Belange aus der Sicht des Arbeitgebers, sondern allenfalls aus der Sicht der schwerbehinderten Mitarbeiter.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 7.5.2025, 4 SLa 438/24
| Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen einer Universität und des durch die Universität disziplinarrechtlich beklagten Universitätsprofessors gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Göttingen jeweils zurückgewiesen, mit dem dieses den Universitätsprofessor um zwei Besoldungsgruppen von W 3 auf W 1 zurückgestuft hat. |
Das war geschehen
Die Universität hatte mit der von ihr gegen den Professor erhobenen Disziplinarklage seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erstrebt. Das VG hat mit der von beiden Beteiligten angegriffenen Entscheidung hingegen auf eine Zurückstufung um zwei Besoldungsstufen erkannt.
Nach der Vernehmung von neun Zeugen und unter Berücksichtigung der bereits durch das VG erhobenen Beweise hat das OVG es als erwiesen angesehen, dass der Universitätsprofessor mehrfach und über Jahre hinweg Studentinnen, Doktorandinnen und Mitarbeiterinnen grenzüberschreitend berührt und sich ihnen gegenüber anzüglich geäußert hatte.
So sah es das Oberverwaltungsgericht
Das OVG hat die erstinstanzliche Entscheidung mit seinem Urteil bestätigt. Der Universitätsprofessor habe ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen, das den Ausspruch der zweithöchsten Disziplinarmaßnahme erfordere. Ihm würden daher für einen Zeitraum von fünf Jahren die Bezüge aus der niedrigeren Besoldungsgruppe W 1 gezahlt, wobei er sein Statusamt als Universitätsprofessor behalte.
Mit seinem Verhalten habe er seine beamtenrechtliche Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verletzt. Erschwerend hat das OVG berücksichtigt, dass akademische Nachwuchskräfte in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu Professoren stünden, das über das übliche Verhältnis von Vorgesetzten und Beschäftigten weit hinausgehe.
Der Beklagte sei seiner mit besonderer Verantwortung einhergehenden Stellung als Universitätsprofessor nicht gerecht geworden und habe diese vielmehr dazu ausgenutzt, seine Macht zu demonstrieren und die betroffenen weiblichen Nachwuchskräfte in ihrer Würde zu verletzen. Sein Verhalten habe er zudem insbesondere trotz der Pflichtenmahnung durch die damalige Präsidentin der Universität in den Jahren 2012 und 2013 nicht verändert. Mildernd berücksichtigt hat das OVG demgegenüber die Länge des Disziplinarverfahrens von ca. acht Jahren, die sich für den Beklagten belastend ausgewirkt habe.
Die Entscheidung des Senats ist rechtskräftig.
Quelle | OVG Lüneburg, Urteil vom 25.6.2025, 3 LD 1/24, PM vom 30.6.2025
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass eine Methode zur Aufteilung des Verkaufspreises eines Sparmenüs nicht sachgerecht ist, wenn sie dazu führt, dass auf ein Produkt des Sparmenüs (z. B. Burger) ein anteiliger Verkaufspreis entfällt, der höher ist als der Einzelverkaufspreis. |
Hintergrund: Bei Sparmenüs, die zum Pauschalpreis angeboten und als „Außer-Haus-Menüs“ verkauft werden, ist hinsichtlich der Speisenlieferung der ermäßigte Steuersatz (7 %) und hinsichtlich des Getränks der Regelsteuersatz (19 %) anzuwenden. Wird vor Ort verzehrt, stellt sich die Aufteilungsfrage grundsätzlich nicht, da es sich um eine Restaurationsleistung handelt, sodass auch die Speisen mit 19 % zu versteuern sind.
Beachten Sie | Dies könnte sich aber bald ändern. Denn im Koalitionsvertrag steht, dass die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie zum 1.1.2026 auf 7 % reduziert werden soll.
Das war geschehen
Zwei GmbHs betrieben als Franchisenehmer Schnellrestaurants, in denen u. a. Sparmenüs (z. B. Getränk, Burger und Pommes frites) zu einem einheitlichen Gesamtpreis zum Verzehr außer Haus verkauft wurden.
„Food-and-Paper“-Methode zur Aufteilung von Speisen und Getränken
Die GmbHs teilten den Gesamtpreis des Sparmenüs nach der „Food-and-Paper“-Methode auf die Speisen und das Getränk auf. Die Aufteilung erfolgt dabei anhand des Wareneinsatzes, das heißt, der Summe aller Aufwendungen für die Speisen bzw. für das Getränk. Da in der Gastronomie die Gewinnspanne auf Getränke typischerweise deutlich höher ist als die Gewinnspanne auf Speisen, ergibt sich hieraus eine niedrigere Umsatzsteuer als bei einer Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen.
Das Finanzamt hielt diese Aufteilungsmethode für unzulässig, weil sie nicht so einfach sei, wie eine Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen und außerdem nicht zu sachgerechten Ergebnissen führe. Demgegenüber hielt das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg die „Food-and-Paper“-Methode für zulässig, der BFH aber nicht.
Aufteilung muss sachgerecht sein
Der BFH führte zwar aus, dass (entgegen der Ansicht des Finanzamts) der Unternehmer nicht immer die einfachste Methode anwenden muss. Wenn eine andere Methode zumindest ebenso sachgerecht ist, wie die Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen, darf er auch die andere Methode anwenden.
Gleichwohl erkannte der BFH die „Food-and-Paper“-Methode nicht an, weil sie in manchen Fällen dazu führt, dass der Preis eines Burgers mit einem hohen Wareneinsatz im Menü über dem Einzelverkaufspreis des Burgers liegt. Es widerspricht der wirtschaftlichen Realität, dass der Verkaufspreis eines Produkts in einem mit Rabatt verkauften Menü höher sein kann als der Einzelverkaufspreis.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 19/23, PM 38/25 vom 5.6.2025
| Seit dem 1.1.2025 beträgt der gesetzliche Mindestlohn 12,82 Euro pro Stunde. Die Mindestlohnkommission hat nun eine stufenweise Erhöhung des Mindestlohns auf 13,90 Euro zum 1.1.2026 und auf 14,60 Euro zum 1.1.2027 beschlossen. |
Hintergrund: Mindestlohngesetz
Im Mindestlohngesetz ist geregelt, dass „die Mindestlohnkommission alle zwei Jahre über Anpassungen der Höhe des Mindestlohns zu beschließen“ hat. Diesem Auftrag ist die Kommission in ihrer Sitzung vom 27.6.2025 nun nachgekommen. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas hat bereits angekündigt, der Bundesregierung vorzuschlagen, die Anpassung durch Rechtsverordnung zum 1.1.2026 verbindlich zu machen.
Folge: Auch erhöhte Minijob-Grenze
Die Erhöhung hat auch Auswirkungen auf die Minijob-Grenze( derzeit 556 Euro monatlich), da diese an den Mindestlohn „gekoppelt“ ist.
Beachten Sie | Die Geringfügigkeitsgrenze bezeichnet das monatliche Arbeitsentgelt, das bei einer Arbeitszeit von zehn Wochenstunden zum Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (hier: § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG ) erzielt wird. Sie wird berechnet, indem der Mindestlohn mit 130 vervielfacht, durch drei geteilt und auf volle Euro aufgerundet wird.
Das bedeutet Folgendes: Bei einem gesetzlichen Mindestlohn von 13,90 Euro ergibt sich ab dem 1.1.2026 eine Geringfügigkeitsgrenze von 603 Euro (13,90 Euro × 130 ÷ 3). Ab dem 1.1.2027 sind es dann 633 Euro.
Quelle | BMAS, Mitteilung vom 27.6.2025: „Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1.1.2026“
| Verkauft eine Kommanditgesellschaft (KG) ein Grundstück an eine andere KG, ist dies auch dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB in Verbindung mit § 463 BGB), wenn es sich auf Verkäufer- und Käuferseite jeweils um Einpersonen-GmbH & Co. KG mit demselben alleinigen Anteilsinhaber handelt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in zwei Parallelverfahren entschieden. |
Das war geschehen
Die Klägerinnen, verschiedene GmbH & Co. KG, wenden sich gegen die Ausübung von Vorkaufsrechten nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB. Mit notariellen Kaufverträgen von Mai 2021 veräußerten sie Grundstücke an zuvor neu gegründete GmbH & Co. KG, hinter denen jeweils dieselbe natürliche Person steht wie auf Verkäuferseite. Mit Bescheiden von Juli 2021 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht aus, in einem Fall zugunsten der beigeladenen stadteigenen Entwicklungsgesellschaft. Im anderen Verfahren gab eine der Klägerinnen, die Erstkäuferin, eine Abwendungserklärung ab.
Die Klagen waren erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht (VG) habe zu Recht angenommen, dass es an dem für ein Vorkaufsrecht erforderlichen Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 463 BGB fehle. Der Begriff des Dritten müsse einschränkend ausgelegt werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei hier nur eine Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre derselben natürlichen Personen erfolgt.
So sieht es das Bundesverwaltungsgericht
Das BVerwG hat die angefochtenen Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Die Grundstückskaufverträge sind Verträge mit einem Dritten. Gesellschaftsrechtlich sind die KG auf Verkäufer- und Käuferseite trotz des Umstands, dass hinter ihnen jeweils dieselbe natürliche Person steht, selbstständige Rechtsträger.
Eine wirtschaftliche Betrachtung auf Gesellschafterebene ist weder nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts noch verfassungsrechtlich geboten. Die Klägerinnen haben sich aus eigenem Entschluss für diese Form der Grundstücksübertragung entschieden. Das BVerwG konnte mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Vorkaufsrechte im Übrigen rechtmäßig ausgeübt wurden. Das erfordert die Zurückverweisung an die Vorinstanz.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 17.6.2025, 4 C 4.24, PM 46/25
| Die Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) hat jüngst mitgeteilt, dass die Steuerfahndung ein Datenpaket mehrerer Social-Media-Plattformen analysiert. Ziel der Ermittlungen sind professionelle Influencer, die ihre steuerlichen Pflichten mit hoher krimineller Energie umgehen. |
300 Mio. Euro Steuervolumen
Das Influencer-Team des Landesamts zur Bekämpfung der Finanzkriminalität in NRW (LBF NRW) ist vorsätzlichen Steuerbetrügern in den sozialen Netzwerken auf der Spur. Derzeit werten die Experten ein Datenpaket von mehreren großen Plattformen aus. Darin enthalten sind 6.000 Datensätze, die auf nicht versteuerte Gewinne mit Werbung, Abos und Co. hinweisen. Sie beziehen sich nur auf Influencer aus NRW und umfassen ein strafrechtlich relevantes Steuervolumen in Höhe von rund 300 Mio. Euro.
Nur „Große Fische“ im Visier
Im Visier stehen die „großen Fische“. Stephanie Thien, Leiterin des LBF NRW, betont: „Im Fokus unseres Influencer-Teams stehen ausdrücklich nicht junge Menschen, die ein paar Follower gesammelt und ein paar Cremes oder Kleider beworben haben.“
Beachten Sie | Auch die Finanzämter in Hamburg nehmen die Influencer ins Visier. Bereits im Jahr 2022 wurde eine Expertengruppe zur Besteuerung von Influencern und anderen Social-Media-Akteuren gegründet. Seit 2024 wird die Branche im Zuge einer Branchenprüfung verstärkt in den Fokus genommen.
Quelle | Finanzverwaltung NRW, Mitteilung vom 15.7.2025: „Verdacht auf Steuerbetrug in großem Stil: LBF NRW wertet Influencer-Datenpaket aus“; Finanzbehörde Hamburg, Mitteilung vom 17.7.2025: „Auch Hamburger Finanzämter nehmen Influencerinnen und Influencer ins Visier“
| Die Übernachtungspauschale für Berufskraftfahrer mit mehrtägiger Auswärtstätigkeit setzt neben dem bestehenden Anspruch auf eine Verpflegungspauschale eine tatsächliche Übernachtung in dem Kraftfahrzeug voraus. Die Pauschale steht einem Berufskraftfahrer daher nicht für jeden An- und Abreisetag zu. So sieht es zumindest das Finanzgericht (FG) Thüringen. Wegen der anhängigen Revision ist nun der Bundesfinanzhof (BFH) gefragt. |
Werbungskostenabzug
Hintergrund: Entstehen einem Arbeitnehmer während seiner auswärtigen beruflichen Tätigkeit auf einem Kfz des Arbeitgebers oder eines vom Arbeitgeber beauftragten Dritten im Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kfz Aufwendungen (insbesondere Gebühren für die Toilettenbenutzung sowie Park- und Abstellgebühren), kann er diese als Werbungskosten abziehen.
Beachten Sie | Anstelle der tatsächlichen Aufwendungen ist allerdings auch eine Pauschale i. H. von 9 Euro für Kalendertage möglich, an denen der Arbeitnehmer in dem Kfz übernachtet und eine Pauschale für Verpflegungsmehraufwand geltend machen kann.
Bundesfinanzhof ist gefragt
Der BFH muss nun entscheiden, ob die Pauschale durch die Kopplung an die Verpflegungspauschalen auch für den An- und Abreisetag zu gewähren ist.
Oder anders ausgedrückt: Kann ein Arbeitnehmer, der am Montag seine Tour startet, auf dem Fahrzeug übernachtet und am Freitag zurückkehrt, die Pauschale für fünf oder nur für vier Tage absetzen? Denn für fünf Tage ist Verpflegungsmehraufwand abzugsfähig, er übernachtet in dem Fahrzeug jedoch nur viermal.
Quelle | FG Thüringen, Urteil vom 18.6.2024, 2 K 534/22, Rev. BFH: VI R 6/25
| Bisher konnten Anfragen an das Bundeszentralamt für Steuern zur Bestätigung ausländischer Umsatzsteuer-Identifikationsnummern schriftlich, über das Internet oder telefonisch erfolgen. Doch das hat sich seit dem 20.7.2025 geändert. Seitdem können etwaige Anfragen ausschließlich über die vom Bundeszentralamt für Steuern im Internet bereitgestellte Online-Abfrage durchgeführt werden. |
Hintergrund: Innergemeinschaftliche Lieferungen sind von der Umsatzsteuer befreit. Seit dem 1.1.2020 ist die Verwendung einer gültigen ausländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer durch den Kunden zwingende Voraussetzung für die Umsatzsteuerfreiheit. Dies ist im Umsatzsteuergesetz (hier: § 6 a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 4 UStG) geregelt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 6.6.2025, III C 5 - S 7427-d/00014/001/002
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat eine steuerzahlerfreundliche Entscheidung getroffen: Führt der Steuerpflichtige im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung am Ort des Lebensmittelpunkts einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung nicht. |
Hintergrund: Notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen, können als Werbungskosten steuerlich abgesetzt werden.
Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt. Hierbei darf sich der Lebensmittelpunkt nicht am Beschäftigungsort befinden.
Zudem ist die einschlägige Vorschrift des Einkommensteuergesetzes (hier: § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 3 EStG) zu beachten: „Das Vorliegen eines eigenen Hausstandes setzt das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus.“ Um diese Voraussetzung ging es im Fall des BGH.
Das war geschehen
Der 1986 geborene Steuerpflichtige bewohnte das Obergeschoss im Wohnhaus seiner Eltern – und zwar allein und unentgeltlich. Zudem hatte er am Ort seiner nichtselbstständigen wissenschaftlichen Tätigkeit eine Unterkunft und machte Kosten für eine doppelte Haushaltsführung geltend. Das Finanzamt erkannte die doppelte Haushaltsführung allerdings mangels finanzieller Beteiligung am Haushalt der Eltern nicht an und berücksichtigte nur Fahrtkosten als Werbungskosten. So sah das auch das Finanzgericht (FG) München, nicht aber der BFH, der die Vorentscheidung aufhob.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Wohnung, die der Steuerpflichtige außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte innehat, seinen Erst- oder Haupthaushalt darstellen muss (Stichwort: Lebensmittelpunkt). Es ist entscheidend, dass sich der Steuerpflichtige in dem Haushalt – im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit – aufhält. Allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte reicht nicht. Ferner darf der Steuerpflichtige nicht nur in einen anderen Hausstand eingegliedert sein, wie es regelmäßig bei jungen Arbeitnehmern der Fall ist, die nach Beendigung der Ausbildung weiterhin im elterlichen Haushalt ihre Zimmer bewohnen. Die elterliche Wohnung kann zwar, wie bisher, der Mittelpunkt der Lebensinteressen sein, sie ist aber kein vom Kind unterhaltener eigener Hausstand. Wird jedoch der Haushalt in einer in sich abgeschlossenen Wohnung geführt, die auch nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet, wird regelmäßig vom Unterhalten eines eigenen Hausstands ausgegangen.
Sohn wohnte noch zu Hause – aber in eigener Wohnung
Im Streitfall hatten die Eltern dem Steuerpflichtigen sämtliche Räumlichkeiten im Obergeschoss ihres Hauses zur Nutzung überlassen. Hierbei handelte es sich um eine Wohnung, die dem Steuerpflichtigen nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet. Der Umstand, dass es sich hierbei um eine (bloße) Nutzungsüberlassung und nicht um ein Mietverhältnis handelt, steht dem nicht entgegen. Ob die Wohnung im Obergeschoss gegenüber der von den Eltern bewohnten Wohnung im Erdgeschoss baulich abgeschlossen ist, ist für das Vorliegen eines eigenen Hausstands ebenfalls unerheblich. Für einen eigenen Hausstand ist es zudem erforderlich, dass eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung erfolgt – aber nur, soweit der Steuerpflichtige am Lebensmittelpunkt einem Mehrpersonenhaushalt (z. B. im Rahmen eines Mehrgenerationenhaushalts) angehört. Denn nur, wenn mehrere Personen einen gemeinsamen Haushalt führen, kann sich der Einzelne an den Kosten dieses Haushalts und damit den Kosten der Lebensführung beteiligen.
„Denknotwendig‘“: Ein-Personen-Haushalt trägt immer gesamte Kosten
Führt der Steuerpflichtige dagegen (wie im Streitfall) einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten dieses Haushalts nicht. Denn die Kosten der Lebensführung eines Ein-Personen-Haushalts werden denknotwendig von dieser einen Person getragen. Woher die hierfür erforderlichen Mittel stammen – ob aus eigenen Einkünften, staatlichen Transferleistungen, Darlehen, Unterhaltsleistungen oder familiären Geldgeschenken – ist unerheblich.
Quelle | BFH, Urteil vom 29.4.2025, VI R 12/23
| Aufwendungen für die eigene Bestattungsvorsorge sind nicht als außergewöhnliche Belastungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 33 Abs. 1 EStG) abziehbar. Das hat das Finanzgericht (FG) Münster entschieden. |
Das war geschehen
Ein Steuerpflichtiger hatte einen Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag abgeschlossen. Den Betrag in Höhe von 6.500 Euro machte er als außergewöhnliche Belastungen geltend. Begründung: Da die Übernahme der Beerdigungskosten auf Ebene des Erben zu außergewöhnlichen Belastungen führen könne, dürfe nichts anderes gelten, wenn er selbst einen Bestattungsvorsorgevertrag abschließe, um seinen Angehörigen die Beerdigungskosten zu ersparen. Das FG ist dieser Argumentation indes nicht gefolgt.
Vom Anwendungsbereich des § 33 EStG sind die üblichen Aufwendungen der Lebensführung ausgeschlossen, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind.
Argumentation: Eigener Sterbefall nicht „außergewöhnlich“…
Bei Aufwendungen für eine Bestattungsvorsorge handelt es sich nicht um Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf, die derart außergewöhnlich wären, dass sie sich einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Denn der Eintritt des Todes und damit die Notwendigkeit, bestattet zu werden, trifft jeden Steuerpflichtigen. Es handelt sich damit nicht um Aufwendungen, die größer sind als die, die einer Mehrzahl der Steuerpflichtigen erwachsen.
… Beerdigungskosten für Dritte hingegen schon
Der Unterschied zu den Aufwendungen für Beerdigungskosten naher Angehöriger besteht bereits darin, dass nicht jeder Steuerpflichtige irgendwann einmal solche Aufwendungen für einen nahen Angehörigen zu tragen hat und auch nicht jeder Steuerpflichtige etwa auch in der Anzahl und Höhe solcher Aufwendungen gleich belastet ist.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 23.6.2025, 10 K 1483/24 E
| Ein Verbrauchsgüterkauf und die Anforderungen an die vorvertragliche Informationspflicht des verkaufenden Unternehmers gegenüber dem kaufenden Verbraucher beschäftigte das Landgericht (LG) Kiel. |
In der Annonce war das Fahrzeug ohne Hinweis auf einen Unfallschaden angepriesen. Im Kaufvertrag und in der vorvertraglichen Information fand sich der Vermerk „entgegen der Annonce Unfallschaden lt. Vorbesitzer“. Genügt das für die wirksame negative Beschaffenheitsvereinbarung?
„Nein“, sagt das LG. Diese Angabe hätte zum einen hervorgehoben, also quasi unübersehbar gestaltet werden müssen. Zum anderen hätte genauer über Art und Umfang des Vorschadens aufgeklärt werden müssen.
Quelle | LG Kiel, Urteil vom 8.5.2025, 6 O 276/23
| Das Landgericht Frankenthal (LG) hat einen Fall entschieden, der in manchem Handwerksbetrieb für Aufsehen sorgen dürfte. Einem Handwerker, der einen Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, steht im Fall des Widerrufs auch nach vollständig erbrachter Arbeit kein Geld zu. Das LG hat deshalb die Klage eines Gartenbauers auf Zahlung des kompletten Werklohns abgewiesen. |
Streit um Rechnung
Im April 2024 bestellte der Besitzer eines großen Gartens den Gartenbauer auf sein Grundstück. Vor Ort gab der Gartenbesitzer umfangreiche Arbeiten an dem völlig verwilderten Gelände in Auftrag. Nach Abschluss der Arbeiten stellte der Gartenbauer seine Rechnung in Höhe von knapp 19.000 Euro. Es kam aber zum Streit über den vereinbarten Stundensatz sowie die Frage, ob die erstellte Rechnung prüffähig sei. Der Gartenbesitzer verweigerte schließlich die Zahlung und widerrief den Vertrag im September 2024.
Auftraggeber durfte sich auf Widerrufsrecht berufen
Das LG gab dem Gartenbesitzer vollumfänglich Recht. Da er als Verbraucher anzusehen sei und sämtliche Arbeiten außerhalb von Geschäftsräumen in Auftrag gegeben wurden, stehe ihm ein gesetzliches Widerrufsrecht zu. Die grundsätzlich mit Vertragsschluss beginnende vierzehntägige Widerrufsfrist habe nicht zu laufen begonnen, weil der Gartenbauer den Verbraucher nicht darüber belehrt habe. Es gelte in diesem Fall eine Höchstfrist von einem Jahr und vierzehn Tagen für den Widerruf, die vorliegend eingehalten worden sei. Der Anspruch des Werkunternehmers auf Werklohn sei dadurch vollständig entfallen. Wegen der unterlassenen Belehrung könne er auch keinen Wertersatz oder einen sonstigen Ausgleich für seine Arbeit verlangen. Denn das europäische Verbraucherschutzrecht verlange bei einer unterlassenen Widerrufsbelehrung eine Sanktion von Unternehmern, um sie zur ordnungsgemäßen Belehrung anzuhalten, so das LG unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 15.4.2025, 8 O 214/24, PM vom 29.4.2025; EuGH, Urteil vom 17.5.2023, C-91/22
| Das Landgericht (LG) Köln hat die Klage der Inhaberin einer Entrümpelungsfirma gerichtet auf Zahlung eines Teilbetrags (100.000 Euro) für in der Wohnung entdecktes Bargeld von über 600.000 Euro als auch Finderlohn abgewiesen. Insbesondere vertragliche Ansprüche würden ausscheiden, da eine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Entrümpelungsunternehmens unwirksam sei, dass mit Beginn der Tätigkeit alle in dem Auftragshaushalt befindlichen Gegenstände in das Eigentum des Auftragnehmers übergehen. Das LG hat zudem festgestellt, dass der Inhaberin auch keine weiteren Ansprüche auf Zahlung wegen des Bargeldes sowie auf Herausgabe von Schmuck und Münzen oder entsprechenden Wertersatz zustehen. |
Das war geschehen
Die Klägerin betreibt in Bayern ein Unternehmen zur Entrümpelung von Wohnungen. Die Beklagte, für die eine Betreuung angeordnet ist, lebte bis zum Jahr 2022 in Bayern. Nachdem der ebenfalls unter Betreuung stehende Lebensgefährte nicht mehr in der Wohnung leben konnte, wollte die Beklagte nach Köln ziehen. Die Beklagte, vertreten durch ihren Betreuer, beauftragte die Klägerin mit der Entrümpelung der im Eigentum der Beklagten stehenden Wohnung gegen Zahlung von knapp 2.900 Euro.
Vereinbarung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Die Parteien vereinbarten die Geltung der AGB der Klägerin. Darin ist u. a. geregelt: „Bei all unseren angebotenen Leistungen, […] sind in den Räumlichkeiten befindliche Wertgegenstände vorab vom Auftraggeber (Kunden) zu entfernen bzw. sicherzustellen. Mit Beginn der Tätigkeit gehen alle in dem Auftragshaushalt befindlichen Gegenstände in das Eigentum des Auftragnehmers über. Die weitere Verwertung obliegt dem Auftragnehmer.“
Erhebliche Bargeldsumme und Schmuck
Für den Betreuer der Beklagten übergab die Betreuerin des Lebensgefährten die von ihr durchgesehene Wohnung an die Klägerin. Die Klägerin und ihre Mitarbeiter räumten zunächst die Wohnung, in der sie unter anderem in Windelpackungen und an anderen streitigen Orten Bargeld in Höhe von 557.000 Euro sowie Schmuck und Münzen mit einem durchschnittlichen Verkehrswert von 29.017 Euro bis 32.017 Euro fanden. Bargeld, Schmuck und Münzen wurden auf Wunsch des Betreuers der Beklagten an die Betreuerin des Lebensgefährten herausgegeben. Ebenso geschah es mit später im Keller der Wohnung in einem Koffer aufgefundenem weiteren Bargeld in Höhe von 66.500 Euro. Die Parteien verständigten sich wegen des Mehraufwands der Klägerin bezüglich der Abwicklung von Bargeld, Schmuck und Münzen auf die Zahlung von Mehrvergütung in Höhe von 2.000 Euro zzgl. Umsatzsteuer. Außergerichtliche Aufforderungen der Klägerin auf Auszahlung des aufgefundenen Geldbetrags und des Schmucks seitens der Beklagten blieben erfolglos.
So sah es das Landgericht
Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagte wegen des aufgefundenen Bargelds und Finderlohns auf einen Teilbetrag von 100.000 Euro in Anspruch. Sie ist insbesondere der Ansicht, dass ihr ein Anspruch darauf aufgrund der Regelung in ihren AGB zustehe. Der Betreuer der Beklagten habe bei der Durchsicht der Wohnung vor Übergabe an die Klägerin seine Pflichten verletzt. Zudem behauptet sie, sie habe Geld, Schmuck und Münzen nur herausgegeben, um für eine sichere Verwahrung zu sorgen, nachdem – was die Beklagte in Abrede stellt – eine Bank die Annahme verweigert habe. Dieser Argumentation ist das LG nicht gefolgt. Zur Begründung führte das LG insbesondere aus, dass der Klägerin aus dem Vertrag keinerlei Ansprüche zustehen würden. Die in ihren AGB verwendete, o. g. Klausel sei unwirksam, weil sie eine Erklärung des Auftraggebers, hier die für einen Eigentumsübergang notwendige Übereignungserklärung fingiere, ohne dem Auftraggeber die Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung zu eröffnen und ihn unangemessen benachteilige.
Eigentumsverhältnisse eindeutig
Mögliche Ansprüche auf Herausgabe des Geldes aus Eigentumsgesichtspunkten nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 985 BGB) lehnt das LG ebenso ab, da die Klägerin ihr Eigentum jedenfalls aufgrund der Einzahlung des Bargelds bei einem Kreditinstitut verloren habe. § 985 BGB begründe keinen Anspruch auf einen entsprechenden Geldwert (sog. Geldwertvindikation). Bereicherungsansprüche stünden der Klägerin aufgrund der erläuterten Rechtslage ebenfalls nicht zu, weil der Beklagten als Eigentümerin von Bargeld, Schmuck und Münzen diese zugestanden hätten, die Übergabe durch die Klägerin also nicht ohne Rechtsgrund erfolgt sei und die Beklagte auch nichts auf Kosten der Klägerin erlangt habe.
Quelle | LG Köln, Urteil vom 8.5.2025, 15 O 56/25, PM vom 2.6.2025
| Online geschlossene Verträge beschäftigen die Rechtsprechung immer wieder. So wie in einem aktuellen Fall des Amtsgerichts (AG) München, das bereits den Vertragsschluss als nicht zustande gekommen betrachtete. |
Reisebuchung über Website
Eine Frau besuchte im November 2021 die Website der Beklagten, um nach Reisen im Dezember 2021 zu suchen. Unter den Suchergebnissen befand sich eine Reise nach Dubai für zwei Personen. Die Klägerin gab die Personendaten ein, um den endgültigen Reisepreis zu erfahren.
„Jetzt-kaufen“-Button
Anschließend wurde die Frau auf eine Website weitergeleitet, die Hinweise zur Unterrichtung von Reisenden bei einer Pauschalreise enthielt. Darunter befand sich ein farblich abgesetzter Kasten mit dem Text „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB […]. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben.“ Hierunter befand sich der Button „Jetzt kaufen“ mit dem Symbol eines Einkaufswagens daneben. Die Frau klickte auf die Schaltfläche „Jetzt kaufen“ und verließ anschließend die Website.
Am selben Abend erhielt die Frau eine Buchungsbestätigung und Zahlungsaufforderung der Beklagten für eine Reise nach Dubai zu einem Preis von 2.834 Euro. Da die Frau die Zahlung verweigerte, stornierte die Beklagte die Reise und stellte eine Storno-Gebühr in Höhe von 2.692,30 Euro in Rechnung. Diese bezahlte die Frau unter Vorbehalt.
War ein Vertrag geschlossen worden?
Die Frau meint, es sei kein Vertrag zwischen ihr und der Beklagten zustande gekommen, da die Gestaltung der Website nicht den gesetzlichen Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 312j Abs. 3 BGB) entspreche. Sie verklagte das Reiseunternehmen daher vor dem AG auf Rückzahlung der 2.692,30 Euro.
Amtsgericht gab der Frau Recht
Das AG gab der Frau Recht und verurteilte die Beklagte dazu, den Betrag nebst Zinsen zu zahlen. Zwischen den Parteien, so das AG, wurde schon kein wirksamer Vertrag im Sinne des § 651 a Abs. 1 BGB geschlossen. Für den Abschluss eines Vertrags bedarf es zweier übereinstimmender Willenserklärungen – Angebot und Annahme.
Es lag nach Ansicht des AG kein Angebot der Beklagten in dem Zurverfügungstellen der Internetseite mit dem Button „Jetzt kaufen“ vor. Unstreitig hat die Frau zwar auf diesen Button geklickt. Die Gestaltung der Website der Beklagten vor Bestellabschluss genügte aber nicht den Anforderungen des § 312 j Abs. 3 BGB. Denn zwar weist der Text des Buttons „Jetzt kaufen“ auf die Entgeltlichkeit des zu schließenden Vertrags hin. Allerdings kann das Symbol eines Einkaufswagens neben dem Schriftzug dahingehend verstanden werden, dass der Kunde durch das Klicken auf den Button erst seinen Warenkorb befüllt und sich nicht schon am Ende des Buchungsprozesses befindet.
Text war irreführend
Außerdem, so das AG, ist der Text „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben“ irreführend. Denn durch Auslegung ergibt sich, dass der Kunde durch das Klicken auf den „Jetzt kaufen“ - Button lediglich AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptiert, sowie die Richtigkeit der eingegebenen Daten [und] den Erhalt des Formblatts bestätigt. Von der Abgabe einer abschließenden Willenserklärung nach § 145 BGB wegen einer Reise ist dem Text nichts zu entnehmen. Vielmehr legt der Text nahe, dass bei Fortsetzung des Buchungsprozesses noch weitere Erklärungen abzugeben sind. Außerdem fehlt eine Übersicht über die zu buchenden Reise sowie eine Preisangabe.
Ein bindendes Angebot der Beklagten sah das Gericht jedoch in der übersandten Buchungsbestätigung. Dieses wurde aber von der Frau nicht angenommen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 26.1.2023, 191 C 1446/22, PM 15/25
| Das Amtsgericht (AG) Hanau hat entschieden: Der Inhalt eines Zustandsprotokolls hinsichtlich der Mietwohnung bei Ein- oder Auszug, das die Parteien unterschreiben, ist bindend. Sie können daher nicht später etwas anderes behaupten. |
Das war geschehen
Die Vermieter klagten gegen die Mieterin u. a. auf Zahlung mehrerer nicht geleisteter Mieten. Bei Rückgabe der Wohnung während des Prozesses unterschrieben beide Seiten ein Protokoll, in dem die Wohnung als mangelfrei bezeichnet wurde. Die Mieterin machte geltend, sie sei während der Mietzeit zur Mietminderung berechtigt gewesen, weil die Wohnung bis zuletzt mangelhaft gewesen sei. Sie widersprach zudem der Behauptung der Vermieter, dass frühere Mängel behoben worden wären.
Amtsgericht: Rückgabeprotokoll ist für beide Seiten verbindlich
Das AG hat die ehemalige Mieterin zur Zahlung der ausstehenden Mieten verurteilt. Diese könne sich auf Mängel der Wohnung nicht berufen. Dass solche, wie sie behauptete, bis zum Schluss vorlagen, sei schon aufgrund des von beiden Seiten unterzeichneten Protokolls widergelegt, aus dem sich ein mangelfreier Zustand bei Mietende ergebe. Denn ein solches Protokoll sei als Zustandsvereinbarung für die Parteien bindend. Dessen Zweck bestehe – gerade, weil die Erstellung freiwillig ist – darin, den dokumentierten Zustand festzuhalten, damit später keine Seite etwas anderes behaupten kann.
Dass die Mieterin, wie sie vorträgt, bestehende Mängel nur deshalb nicht aufgenommen habe, weil sie fürchtete, von den Vermietern selbst für diese verantwortlich gemacht zu werden, steht dem nicht entgegen, weil es für die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Erklärungen nicht auf die Motivation ankommt. Zugleich könne sie sich auch nicht darauf berufen, dass früher Mängel vorlagen, denn sie hat der Behauptung der Vermieter widersprochen, dass jemals Mängel behoben worden seien. Dann aber wären diese auch bei Mietende noch vorhanden gewesen, was durch das unterzeichnete Protokoll bindend widerlegt ist.
Quelle | AG Hanau, Urteil vom 11.4.2025, 32 C 37/24, PM vom 17.6.2025
| Vereinbaren Vermieter und Mieter mündlich, die Nebenkostenvorauszahlungen zu erhöhen, ist dies unwirksam. So sieht es der Bundesgerichtshof (BGH). |
Mietvertragsparteien beschlossen mündlich, die Vorauszahlungen zu erhöhen
Mieter und Vermieter vereinbarten, die Nebenkostenvorauszahlungen zu erhöhen. Dies geschah allerdings mündlich. Nachdem der Vermieter die Immobilie verkauft hatte, war der Erwerber mit der Erhöhung nicht einverstanden.
Erwerber war nicht einverstanden
Später verkaufte der Vermieter das Grundstück. Der Erwerber meinte jedoch, die o. g. Vereinbarung sei formunwirksam. Daher reduzierte er die Höhe der Vorauszahlungen.
Mieter klagte
Der Mieter wollte dies nicht akzeptieren. Schließlich musste der BGH entscheiden. Er sah die Veränderung der Nebenkostenvorauszahlungen als formbedürftig an, da sie wesentlicher Bestandteil der Miete sind.
Der BGH stellte klar, dass auch der Erwerber eines Grundstücks, der in einen bestehenden Mietvertrag eintritt, genau wissen muss, wie hoch die Miete inklusive der Nebenkostenvorauszahlung ist. Nur so kann er seine Rechte als Vermieter wahrnehmen. Der BGH nannte als Beispiel den Fall, dass ein Vermieter einem Mieter wegen Mietrückständen kündigen möchte. Dann muss er durch schriftliche Urkunden zuverlässig informiert sein.
Quelle | BGH, Beschluss vom 14.5.2025, XII ZR 88/23
| Ist eine echte Quadratmetermiete vereinbart – etwa durch Angabe eines Mietpreises pro m² – ist die Miete stets nach der tatsächlichen Fläche zu berechnen. Eine Flächenabweichung führt dann unabhängig vom Ausmaß zur Rückzahlung überzahlter Miete. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Dresden. |
Tatsächliche Fläche wich von vertraglich vereinbarter ab
Der Kläger hatte Büroräume gemietet. Der Vertrag wies eine Fläche von „ca. 70 qm“ aus und bestimmte eine Miete von „EUR 5,00/qm“. Die tatsächliche Fläche betrug jedoch nur 45,6 qm. Der Vermieter verlangte monatlich 350 EUR, der Kläger begehrte Rückzahlung der Überzahlung von 120 EUR monatlich.
Quadratmetermiete vereinbart
Das OLG Dresden stellte klar: Auch wenn die Flächenangabe laut Vertrag keine Sollbeschaffenheit festlege, wurde eine Quadratmetermiete vereinbart. In diesem Fall sei die Miete unabhängig von der Abweichung stets anhand der tatsächlichen Fläche zu berechnen.
Die Rückzahlung überzahlter Miete folge aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Das gelte unabhängig von der 10 Prozent-Grenze, die bei einem Mangel nach § 536 BGB zu beachten wäre.
Ein Wermutstropfen für den Mieter: Seine Ansprüche waren teilweise verjährt, soweit sie das Jahr 2020 betrafen.
Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 19.3.2025, 5 U 1633/24
| Die Anfechtung der Ausschlagung des Erbes wegen einer vermeintlichen Überschuldung des Nachlasses scheidet aus, wenn der Anfechtende seine Anfechtungsentscheidung nicht auf Basis von Fakten, sondern auf Basis von Spekulationen getroffen hat. Wird die Ausschlagung lediglich auf Verdacht hin erklärt, fehlt es letztlich auch an der erforderlichen Kausalität der Fehlvorstellung für die erklärte Ausschlagung. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschieden.
Erbschaft wegen Überschuldung ausgeschlagen
Die Tochter des Erblassers aus dessen erster Ehe sowie deren volljähriger Sohn haben nach dessen Tod wirksam die Ausschlagung der Erbschaft bei gesetzlicher Erbfolge wegen „Schulden/private Gründe“ erklärt. Etwa zwei Monate später hat die Tochter ihre Ausschlagungserklärung zu Protokoll des Nachlassgerichts mit der Begründung angefochten, dass sie bei der Ausschlagung der Erbschaft von der Überschuldung des Nachlasses ausgegangen sei. Dies habe ihr Bruder ihr so mitgeteilt. Sie selbst habe seit 20 Jahren keinen Kontakt zu ihrem Vater gehabt. Nun habe sie durch eigene Recherchen in Erfahrung gebracht, dass ihr Vater in einem eigenen Haus gelebt habe, was sie vorher nicht gewusst habe.
Ausschlagungsanfechtung wirksam?
Im Erbscheinsverfahren stellte die Tochter des Erblassers den Antrag, einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge zu erteilen. Die weiteren gesetzlichen Erben stellten den Antrag, einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge unter Ausschluss der Tochter zu erteilen, weil diese die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und die Anfechtungserklärung unwirksam und unbegründet sei. Diesem Antrag ist das Nachlassgericht nachgekommen und hat dabei erklärt, dass die Ausschlagungsanfechtung der Tochter des Erblassers unwirksam und unbegründet sei. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Tochter des Erblassers, der das Nachlassgericht nicht abgeholfen hat.
Oberlandesgericht: „Nein“!
Die vom Nachlassgericht dem OLG zur Entscheidung vorgelegte Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen, weil das Nachlassgericht zu Recht zu der Auffassung gelangt sei, dass die von der Tochter erklärte Ausschlagung der Erbschaft weiterhin wirksam ist.
Der Anfechtende sei bei einer Anfechtung einer erfolgten Erbausschlagung beweispflichtig für die Voraussetzungen der jeweiligen Anfechtungstatbestände. Hinsichtlich des geltend gemachten erheblichen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses im Hinblick auf eine angenommene Überschuldung sei es zwar richtig, dass die Überschuldung eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses darstellen könne. Jedoch werde eine Fehlvorstellung darüber, dass die (Nachlass-)Verbindlichkeiten den (Aktiv-)Wert des Nachlasses übersteigen, nur dann als relevant angesehen, wenn sie darauf beruhe, dass der Ausschlagende unrichtige Vorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses hatte.
Dagegen werde gemäß der vom Nachlassgericht in dem angefochtenen Beschluss zitierten Rechtsprechung ein erheblicher Irrtum über eine Überschuldung als eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses verneint und stattdessen ein nicht zu einer Anfechtung berechtigender Motivirrtum angenommen, wenn der Anfechtende zu seiner Vorstellung nicht aufgrund einer Bewertung ihm bekannter oder zugänglicher Fakten zu dem Ergebnis gelangt sei, sondern seine Entscheidung, die Erbschaft auszuschlagen, auf spekulativer, bewusst ungesicherter Grundlage getroffen habe.
Folge: Das Nachlassgericht habe zu Recht das Vorliegen eines zur Anfechtung berechtigten Irrtums bei der Tochter des Erblassers verneint, da diese keineswegs dargelegt und schon gar nicht bewiesen habe, dass sie die Ausschlagung wegen einer angeblichen Überschuldung des Nachlasses erst nach einer Bewertung der ihr bekannten und zugänglichen Fakten vorgenommen habe.
Quelle | OLG Zweibrücken, Urteil vom 7.3.2025, 8 W 20/24
| Die Suche nach einem Testament hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Das Fazit: Mit der richtigen Vorsorge lassen sich später Schwierigkeiten vermeiden. |
Nach dem Tod eines Mannes stritten seine Witwe und sein Sohn darüber, ob er ein Testament hinterlassen hatte: Die Witwe behauptete das – doch gefunden hatte sie das Testament nicht. In der ersten Instanz hatte das Landgericht (LG) deshalb zehn Zeugen vernommen, die aber keine endgültige Klärung brachten. Beim OLG nahm die Frau schließlich ihre Klage zurück und erkannte den Sohn als gesetzlichen Miterben an.
Mögliche Erben tragen die Beweislast
Der Fall ist keine Seltenheit: Viele Angehörige müssen sich nach dem Tod ihres Verwandten die Frage stellen, ob es ein Testament gibt und wo es sich befindet. Auf vermeintlich sichere Orte ist dabei nicht immer Verlass. In dem entschiedenen Fall wurde vergeblich nach einem Bankschließfach gesucht, in einem anderen aktuellen Fall ebenso erfolglos in einem Waffenschrank. Für die möglichen Erben kann das entscheidend sein: Wer sich auf ein Testament berufen will, muss auch dessen Existenz und Inhalt beweisen.
Amtsgerichte und Notare bieten Sicherheit
Schutz vor Ungewissheiten bieten die Amtsgerichte (AG) und Notare. Wenn ein Testament von einem Notar errichtet oder bei einem Amtsgericht hinterlegt wird, wird das im Zentralen Testamentsregister vermerkt. Im Todesfall gibt es einen Informationsaustausch zwischen dem Standesamt, dem Testamentsregister und der Stelle, die das Testament verwahrt. Das Testament wird dann automatisch an das zuständige AG weitergeleitet, das die Erben informiert und das Testament eröffnet. Eine Hinterlegung beim AG mit Registrierung kostet 93 Euro.
Quelle | OLG Celle, PM vom 11.4.2025
| Das Verwaltungsgericht (VG) Braunschweig hat die Klage zweier Hauseigentümer abgewiesen, die eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach ihres Gebäudes in der als Denkmal geschützten und von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannten Altstadt Goslars errichten wollten. |
Das VG stellte in seinem Urteil fest: Nach den geltenden Regelungen des Bundes- und Landesrechts müssen die Behörden Solaranlagen in aller Regel auf denkmalgeschützten Gebäuden genehmigen. Die Nutzung erneuerbarer Energien habe weitgehend Vorrang, in der weitaus größten Zahl der Fälle bestehe deswegen ein Rechtsanspruch auf Genehmigung von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden. Für „atypische Situationen“ sehe das Gesetz aber Ausnahmen vor. Das gelte für besonders wertvolle Denkmäler und bei besonders schwerwiegenden Eingriffen in ein Denkmal. In diesen Fällen sei eine Abwägung erforderlich. Ein solcher (seltener) Ausnahmefall liege hier vor: Das Gebäude der Kläger sei als Bestandteil des UNESCO-Weltkulturerbes in besonderem Maße schutzbedürftig. Zusätzlich liege in der Installation der Anlage nach der fachlichen Einschätzung des zum Verfahren beigeladenen Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege (NLD) auch ein besonders schwerer Eingriff in das Denkmal vor. Das Gesamterscheinungsbild der zusammenhängenden historischen Bebauung, die den Denkmalwert hier gerade ausmache, würde nach der Darstellung des NLD durch die Installation der Solaranlage erheblich gestört werden. Das Gebäudes ei aus dem öffentlichen Straßenraum heraus wahrnehmbar und die Solaranlage würde sich außerdem durch die vorgesehene dunkle Farbe deutlich von dem Dachgebilde abheben.
Das VG folgte dieser fachlichen Einschätzung. Weil hier ein besonders schutzwürdiges Denkmal (Goslarer Altstadt als Gruppendenkmal) beeinträchtigt sei und ein besonders schwerwiegender Eingriff vorliege, überwiege der Denkmalschutz in diesem besonderen Fall ausnahmsweise das Interesse an der Nutzung erneuerbarer Energien. Das VG wies auf die Präzedenzwirkung hin, die eine Genehmigung hätte: In allen Fällen dieser Art müssten dann Solaranlagen genehmigt werden; dies würde die historische Dachlandschaft der Altstadt weitgehend verändern.
Quelle | VG Braunschweig, Urteil vom 25.6.2025, 2 A 21/23, PM vom 25.6.2025
| Wie muss eine Baustelle abgesichert sein, damit der Bauherr seiner ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht genügt? Diese Frage musste das Landgericht (LG) Koblenz entscheiden. |
Das war geschehen
Die Parteien stritten über von der Klägerin geltend gemachte Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld aus einem Sturz im Bereich einer Straße. Diese Straße verfügt über keinen gesondert ausgewiesenen Gehweg.
Die Beklagte führte zu diesem Zeitpunkt Straßenbaumaßnahmen auf der teilweise deutlich erneuerungsbedürftigen Straße durch. Diese führten u. a. zu einer Fräskante auf der Straße. Der betroffene Streckenabschnitt war gemäß der behördlichen Anordnung beschildert. Die Klägerin stürzte an der Fräskante und erlitt eine distale Radiusfraktur links. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt habe. Auf die Fräskante sei nicht ordnungsgemäß hingewiesen worden. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass sie ihre Verkehrssicherungspflichten vollumfänglich erfüllt habe. Jedenfalls sei der Klägerin ein so erhebliches Mitverschulden anzulasten, dass schon aus diesem Grund der geltend gemachte Anspruch ausgeschlossen sei.
Amtsgericht: Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht, aber auch Mitverschulden
Das Amtsgericht (AG) hat die Beklagte verurteilt, rund 1.000 Euro sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 272,60 Euro, jeweils zuzüglich Zinsen, an die Klägerin zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits legte das AG den Parteien zu je 50 % auf.
Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte eine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Es fehle an einem Schild mit ausdrücklichem Bezug zu einer Baustelle oder an einem Schild mit dem Hinweis auf Fahrbahnunebenheiten. Das AG sah zulasten der Klägerin jedoch auch ein Mitverschulden, da sie nach Überqueren der ersten Fräskante eine weitere Fräskante habe erwarten müssen.
Hiergegen wenden sich beide Parteien jeweils mit dem Rechtsmittel der Berufung und dem Ziel, mit ihren jeweiligen Anträgen vollumfänglich zu obsiegen.
Landgericht: Klage abgewiesen
Das LG hat dem Antrag der Beklagten auf Klageabweisung vollumfänglich stattgegeben und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Schmerzensgeld oder materiellen Schadenersatz gegen die Beklagte. Der Beklagten könne bereits keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht vorgeworfen werden. Auf ein mögliches Mitverschulden der Klägerin komme es vor diesem Hintergrund schon nicht mehr an.
Grundsätzlich Verkehrssicherungspflicht bei Gefahrenquelle, ...
Im Grundsatz sei der, der eine Gefahrenquelle schafft, dazu verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu vermeiden. Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflicht beginne erst dort, wo auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintrete und nicht rechtzeitig erkennbar sei. Entscheidend seien daher auch die äußeren Gesamtumstände. Für Gefahrenstellen innerhalb eines erkennbaren Baustellenbereiches bedeute dies, dass nicht jede Unebenheit besonders gekennzeichnet werden müsse. Unebenheiten seien in Baustellenbereichen grundsätzlich zu erwarten. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte den Baustellenbereich ausreichend deutlich gekennzeichnet. Bei einer Fräskante handele es sich um eine typische Baustellenunebenheit, mit der ein Fußgänger im Bereich einer Baustelle zu rechnen hätte.
... aber erkennbarer Baustellenbereich und Dunkelheit erfordern erhöhte Aufmerksamkeit
Die Sturzstelle liege auf einer untergeordneten Straße mit deutlich erkennbaren erheblichen Beschädigungen, die vor allem dem Fahrzeugverkehr gewidmet sei. Fußgänger dürften hier keinen hindernisfreien Weg erwarten, wie beispielsweise bei einer Fußgängerzone. Die Straße sei zum Zeitpunkt des Vorfalls bei Dunkelheit (20:20 Uhr an einem Februartag) nicht durchgängig beleuchtet gewesen, weswegen Fußgänger in eigener Verantwortung besonders auf den Fahrbahnbelag zu achten hätten. Durch die Aufstellung der Warnbaken mit Blinklichtern und das erkennbar vorübergehend angeordnete Einfahrtsverbot für Fahrzeuge aller Art hätte der Klägerin bewusst sein müssen, dass sie einen Baustellenbereich betrete. Wie bereits ausgeführt, habe sich der Straßenbelag schon zuvor in einem schlechten Zustand befunden. Dass bei einer Baustelleneinrichtung daher (auch) Ausbesserungsarbeiten am Straßenbelag durchgeführt werden, sei zu erwarten. Dies schließe ebenfalls Abfräsarbeiten von altem Straßenbelag mit ein.
Quelle | LG Koblenz, Urteil vom 31.1.2025, 13 S 32/24, PM des LG
| Inflationsausgleichszahlungen für Beamte in Elternteilzeit zu kürzen, ist zulässig. So sieht es das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |
Das Landesgesetz zur Anpassung der Besoldung 2024/2025 in Rheinland-Pfalz sah eine einmalige Inflationsausgleichszahlung von 1.800 Euro vor. Teilzeitbeschäftigte Beamte erhielten den Betrag anteilig gemäß ihrer Arbeitszeit. Berechtigt waren Beamte mit Dienstverhältnis am 9.12.2023 und mindestens einem Tag Anspruch auf Dienstbezüge zwischen dem 1.8.2023 und dem Stichtag. Die Kläger, eine Beamtin und ein Beamter, arbeiteten während ihrer Elternzeit in Teilzeit und erhielten gekürzte Zahlungen, während vollzeitfreigestellte Kollegen die volle Summe erhielten. Diese Ungleichbehandlung wurde von ihnen als verfassungswidrig gesehen.
Das VG: Der Gesetzgeber verfügt bei solchen Sonderzahlungen über einen großen Gestaltungsspielraum. Die Differenzierung zwischen vollzeitfreigestellten und teilzeitbeschäftigten Beamten ist gerechtfertigt. Während man die Höhe der Sonderzahlung für Letztere anhand des (reduzierten) Umfangs ihrer Arbeitszeit am Stichtag des 9.12.2023 errechnen konnte, war dies bei den vollständig freigestellten Beamten nicht der Fall. Vollzeitfreigestellten Beamten ohne Dienstleistung hätte gemäß ihrer Arbeitszeit kein Anspruch zugestanden. Insoweit hat ein sachliches Bedürfnis bestanden, den Stichtag für sie zu verschieben. Aufgrund der unterschiedlichen Entlohnungssysteme kommt es ferner nicht darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen der Personengruppe der Tarifbeschäftigten Sonderzahlungen gewährt worden sind.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 1.4.2025, 5 K 967/24.KO
| Es ist Sache des Arbeitgebers, zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren will. Liegt in Gestalt einer Konfliktlage einhinreichender Anlass vor und ist eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, ist grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Der Arbeitgeber verletzt seinen Ermessensspielraum erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lässt. So hat es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden. |
Das war geschehen
Das LAG musste über die Versetzung eines Arbeitnehmers aufgrund des Vorwurfs der sexuellen Belästigung entscheiden. Dabei kam es zum Ergebnis, dass die örtliche Umsetzung dem billigen Ermessen entsprochen habe.
Mehrfache sexuelle Belästigung einer Arbeitskollegin stand im Raum
Der Vorwurf der mehrfachen sexuellen Belästigung einer Arbeitskollegin und die ausgesprochene Empfehlung der Antidiskriminierungsstelle, dem Arbeitnehmer für das Büro ein Betretungsverbot auszusprechen, waren zwar Auslöser für die Umsetzungsentscheidung des Arbeitgebers. Der gerichtliche Nachweis einer sexuellen Belästigung sei aber keine Tatbestandsvoraussetzung für die Umsetzung. Daher sei es unerheblich, dass der beklagte Arbeitgeber in der über einem Jahr später stattgefundenen Beweisaufnahme die sexuelle Belästigung nicht habe nachweisen können. Dies ergebe sich zudem daraus, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle der Zeitpunkt sei, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen habe.
Arbeitgeber hat Ermessensspielraum
Es sei Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren wolle. Er müsse dabei nicht zunächst die Ursachen und Verantwortlichkeiten für die entstandenen Konflikte im Einzelnen aufklären. Liege in Gestalt einer Konfliktlage ein hinreichender Anlass vor und sei eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, sei ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Seinen Ermessensspielraum verletze der Arbeitgeber erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lasse. Diese waren hier nicht gegeben.
Zwar möge der Arbeitnehmer die Umsetzung als „Strafe“ empfinden. Die Umsetzung diene aber der Befriedung des Konflikts und sei keine „Bestrafung“. Der Arbeitgeber habe sich bei der Entscheidung von zutreffenden Erwägungen leiten lassen. Eine räumliche Trennung der Protagonisten innerhalb des Projektbüros sei aufgrund dessen Größe und der gemeinsam genutzten Flächen nicht möglich. Es sei daher ermessensgerecht, dem Arbeitnehmer einen anderen Dienstort zuzuweisen.
Betriebsfrieden war gefährdet
Letztlich konnte sich das LAG nicht vorstellen, wie die Arbeitnehmerin und der Arbeitnehmer jemals wieder unbefangen hätten zusammenarbeiten können. Denn mindestens aus Sicht der Kollegin sei der Arbeitnehmer ein sexueller Belästiger. Und aus Sicht des Arbeitnehmers sei die Frau eine Falschbeschuldigerin. Dies beeinträchtige nicht nur das Verhältnis der Protagonisten untereinander, sondern in einem so kleinen Büro auch den Betriebsfrieden insgesamt.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 25.2.2025, 7 SLa 456/24
| Auch in einem Minijob gibt es bezahlten Urlaub. Doch in diesem Zusammenhang stellen sich viele Fragen: Wie viele freie Tage stehen einem Minijobber zu? Was gilt bei unregelmäßiger Arbeitszeit? Wie wirkt sich das Urlaubsgeld auf den Minijob aus? Diese und weitere Fragen hat die Minijob-Zentrale jüngst beantwortet. |
So erläutert die Minijob-Zentrale beispielsweise, dass der Lohn während des Urlaubs weitergezahlt werden muss (Urlaubsentgelt). Das ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt. Zusätzlich kann es Urlaubsgeld geben (als freiwillige Zahlung zum Urlaub).
Quelle | Minijob-Zentrale vom 11.6.2025 „Urlaub im Minijob: Ihre Fragen – Wir antworten!"
| Es gibt steuerliche Betriebsprüfungen, die bereits nach kurzer Zeit abgeschlossen sind. Andere Prüfungen hingegen ziehen sich über Monate oder sogar über Jahre hin. Um die Betriebsprüfung zu beschleunigen, wurden nun mehrere gesetzliche Änderungen vorgenommen. |
Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen
Verzögerungen bei einer Betriebsprüfung können mitunter auf eine unzureichende Mitwirkung des Steuerpflichtigen zurückzuführen sein. Um dem entgegenzuwirken, sieht der neue § 200 a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) das qualifizierte Mitwirkungsverlangen vor, das sich auf die Mitwirkungspflichten nach § 200 AO stützt. Danach hat der Steuerpflichtige u. a. Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben.
Ermessensentscheidung des Prüfers
Das (neue) qualifizierte Mitwirkungsverlangen stellt eine Ermessensentscheidung des Prüfers dar, die frühestens nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ergehen darf. Entscheidet sich der Prüfer für ein solches Mitwirkungsverlangen, ist es schriftlich oder elektronisch (versehen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung) zu erteilen.
Beachten Sie | Der Steuerpflichtige muss in diesem Fall schnell handeln. Denn das Mitwirkungsverlangen ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe zu erfüllen. Nur in begründeten Einzelfällen kann die Frist verlängert werden.
Neu: Mitwirkungsverzögerungsgeld
Problematisch wird das qualifizierte Mitwirkungsverlangen für den Steuerpflichtigen, wenn es nicht oder nicht hinreichend innerhalb der Frist erfüllt wird. Denn in diesen Fällen wird das neu eingeführte Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt (§ 200 a Abs. 2 AO). Ausnahme: Die Mitwirkungsverzögerung erscheint entschuldbar, beispielsweise bei einer stark beeinträchtigenden Erkrankung.
Beachten Sie | Das Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung (also für jeden vollen Tag nach Verstreichen der im Mitwirkungsverlangen gesetzten Frist) 75 Euro. Gerechnet werden die Tage bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Mitwirkungsverlangen erfüllt wird – spätestens bis zum Tag der Schlussbesprechung. Denn nach der Schlussbesprechung gibt es keinen Bedarf mehr, eine Mitwirkung sicherzustellen.
Allerdings dürfen maximal 150 Tage zugrunde gelegt werden, sodass das Mitwirkungsverzögerungsgeld maximal 11.250 Euro betragen kann (150 Tage × 75 Euro).
Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld
Nicht immer bleibt es bei dem Mitwirkungsverzögerungsgeld. Denn es steht im Ermessen des Prüfers, nach § 200 a Abs. 3 AO zusätzlich einen Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzen. Voraussetzung ist, dass
- gegen den Steuerpflichtigen in den letzten fünf Jahren ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wurde und zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt oder
- wegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt. Davon ist auszugehen, wenn die Umsatzerlöse in einem der von der Prüfung umfassten Jahre mindestens 12 Mio. Euro betragen oder sich die konsolidierten Umsatzerlöse bei Konzernen auf mindestens 120 Mio. Euro belaufen.
Entscheidet sich der Prüfer für den Zuschlag, steht auch die Höhe in seinem Ermessen. Dabei darf der Zuschlag höchstens 25.000 Euro für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung betragen – ebenfalls für maximal 150 Tage (maximal somit 3,75 Mio. Euro).
Teilabschlussbescheid und Inkrafttreten
Um die Betriebsprüfungen zu beschleunigen, wurde auch der neue Teilabschlussbescheid eingeführt. Denn oft scheitert der zeitnahe Abschluss an einem einzelnen Sachverhalt, der nur durch intensiven Arbeitseinsatz aufgeklärt werden kann. Das Problem: So entsteht keine Rechtssicherheit bezüglich weiterer geprüfter Sachverhalte.
Durch den neuen § 202 Abs. 3 AO hat der Prüfer die Möglichkeit, bereits vor Abschluss der Prüfung einen Teilprüfungsbericht zu übermitteln und im Anschluss einen Teilabschlussbescheid zu erlassen. Hierdurch lassen sich einzelne im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte und abgrenzbare Feststellungen vor dem abschließenden Prüfungsbericht gesondert feststellen. Kann der Steuerpflichtige ein erhebliches Interesse an einem Teilabschlussbescheid glaubhaft machen, soll dieser auf Antrag ergehen.
Beachten Sie | Die Neuerungen gelten erst für Steuern und Steuervergütungen, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Sie sind aber auch für Steuern und Steuervergütungen anzuwenden, die vor dem 1.1.2025 entstehen, wenn für diese Steuern und Steuervergütungen nach dem 31.12.2024 eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde.
Quelle | Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie, BGBl I 2022, S. 2730
| Verlängert sich die dem Verbraucher gesetzlich eingeräumte 14-tägige Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge, wenn der Verkäufer in seiner Widerrufsbelehrung seine Telefonnummer nicht angibt? Diese Frage hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden. |
Kauf im Online-Shop über 62.000 Euro
Der Kläger hatte am 4.5.2022 über den Onlineshop der Beklagten ein Elektrofahrzeug zum Preis von rund 62.000 Euro erworben. Die Auslieferung des Fahrzeugs erfolgte am 20.12.2022. Am 14.8.2023 erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrags. Zu spät, entschied nun auch das OLG in zweiter Instanz und wies damit die Berufung des Klägers zurück.
Rechtlicher Hintergrund
Verbrauchern steht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: §§ 312 g Abs. 1, 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, im Normalfall beginnend ab Erhalt der Ware. Wird der Verbraucher jedoch nicht korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB). Die Informationspflichten des Unternehmers ergeben sich aus dem Einführungsgesetz zum BGB (hier: Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB). Der Unternehmer kann die Informationspflichten auch durch die Verwendung einer Musterwiderrufsbelehrung erfüllen, die sich in der Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB befindet.
Fehlende Telefonnummer ohne Auswirkungen
Hier hatte die Autohändlerin in ihrer selbst formulierten Widerrufsbelehrung, die sie dem Kläger übermittelte, keine Telefonnummer angegeben. Diese war jedoch auf der Internetseite der Beklagten zu finden. Das OLG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist geführt hat.
Widerruf eines Autokaufs wahrscheinlich eher schriftlich als per Telefon
Es entschied, dass die Widerrufsbelehrung auch ohne Angabe einer Telefonnummer den gesetzlichen Anforderungen genügt und sich die Widerrufsfrist daher nicht verlängert. Die Nichtangabe der Telefonnummer begründe bei einem Autokauf, der von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sei, nicht die Gefahr, dass der Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werde.
Ein typischer Kunde würde allein aus Beweiszwecken bei den hohen Summen eines Elektroautokaufs den Widerruf vernünftigerweise auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. per E-Mail) übermitteln.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 7.11.2024, 14 U 95/24, PM 8/25
| Hat sich der Übergeber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anlässlich der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ein Wohnungsrecht an einer Wohnung des übergebenen Vermögens vorbehalten, ist ein Sonderausgabenabzug des Mietwerts nach Meinung der Finanzverwaltung ausgeschlossen. Dieser Ansicht hat aber nun das Finanzgericht (FG) Nürnberg widersprochen. |
Hintergrund: Wird ein Betrieb gegen Versorgungsleistungen auf nahe Angehörige übertragen, kann der Betriebsübernehmer die Versorgungsleistungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 a Nr. 2 EStG) als Sonderausgaben abziehen, die der Empfänger versteuern muss (nach § 22 Nr. 1a EStG).
Das war geschehen
Anlässlich einer Hofübergabe wurde dem Übergeber ein Altenteil in Form eines vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts, Taschengelds und der Mitbenutzung von Gegenständen eingeräumt. Den vom Vermögensübernehmer als Sonderausgaben geltend gemachten Nutzungswert der Altenteilerwohnung erkannte das Finanzamt allerdings nicht an, da nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2010 nur die mit der Nutzungsüberlassung tatsächlich zusammenhängenden Aufwendungen (wie Strom, Heizung, Wasser und Instandhaltungskosten), nicht jedoch der Nutzungswert der Altenteilerwohnung berücksichtigt werden können.
Finanzgericht gibt Kläger Recht, Revision ist eingelegt
Die hiergegen eingelegte Klage war vor dem FG Nürnberg erfolgreich. Nach Auffassung des FG kann der Fall, dass der Versorgungsberechtigte mit dem ihm gewährten (höheren) Barunterhalt selbst eine Wohnung mietet, für den Bereich des Sonderausgabenabzugs nicht anders behandelt werden als der Fall, in dem sich die Versorgungsleistung aus (niedrigerem) Barunterhalt und unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zusammensetzt.
Da die Revision anhängig ist, muss nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden.
Quelle | FG Nürnberg, Urteil vom 6.2.2025, 4 K 1279/23, Rev. BFH: X R 5/25, BMF-Schreiben vom 11.3.2010, IV C 3 - S 2221/09/10004, Rz. 46
| Der Bundesfinanzhof (BFHZ) hat jüngst entschieden, dass die Erteilung von Reitunterricht nicht von der Umsatzsteuer befreit ist, es sei denn, der Unterricht dient der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung. |
Das war geschehen
Im Streitfall begehrte der Kläger die Steuerbefreiung verschiedener Reitkurse für Kinder und Jugendliche auf seinem Reiterhof in den Jahren 2007 bis 2011. In der „Ponygruppe“ wurden Kinder und Jugendliche und bei „Klassenfahrten“ wurden Schulklassen im Umgang mit Pferden unterrichtet.
Zudem wurden Kurse für eine „Große Pferdegruppe“ angeboten, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen gerichtet waren. Die unterrichteten Kinder und Jugendlichen wurden darüber hinaus verpflegt und übernachteten teilweise auch auf dem Reiterhof.
Uneinigkeit der gerichtlichen Instanzen
Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, dass sämtliche Leistungen steuerpflichtig seien. Das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein sah das aber größtenteils anders. So seien die Umsätze insoweit steuerfrei, als sie auf die Beherbergung und Verpflegung sowie auf den Teil des Reitunterrichts entfielen, mit dem die formalen Voraussetzungen dafür erlangt werden können, später den Beruf des Turniersportreiters auszuüben („Große Pferdegruppe“).
Der Meinung des Finanzgerichts hat sich der BFH aber nicht vollumfänglich angeschlossen.
Der BFH stellte klar, dass es sich bei der Beherbergung und Verpflegung von Kindern und Jugendlichen um selbstständige steuerbare Leistungen neben dem Reitunterricht handelt. Er hob weiter hervor, dass Reitunterricht (als spezialisierter Unterricht) kein „Schul- und Hochschulunterricht“ ist.
Beachten Sie | Entsprechendes ist bereits für Segel-, Fahr-, Schwimm-, Jagd- und Tanzschulen entschieden worden.
Anerkennung als Ausbildung an strenge Voraussetzungen geknüft
Die Einstufung von Reitunterricht als „Ausbildung“ oder „Fortbildung“ kommt nach Auffassung des BFH nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Reitunterricht, der typischerweise der Freizeitgestaltung dient, ist in der Regel keine Ausbildung oder Fortbildung, da er nicht auf einen bestimmten Beruf vorbereitet. Die Kurse der „Ponygruppe“ und für Schulklassen im Rahmen der „Klassenfahrten“ sind daher umsatzsteuerpflichtig.
Beachten Sie | Die Ansicht des BFH dürfte insoweit strenger sein als die Auffassung der Finanzverwaltung zu Ballett-, Tanz- oder Musikunterricht.
Spätere Turniersportreiter: umsatzsteuerfreie Kurse
Bei den Kursen der „Großen Pferdegruppe“ lagen hingegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme vor, da zahlreiche Teilnehmer später Turniersportreiter wurden. Diese Kurse sind folglich umsatzsteuerfrei.
Hinsichtlich der Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für die Kinder und Jugendlichen führte der BFH aus, dass die hierfür seinerzeit geltende Steuerbefreiung nur in Betracht kommt, wenn eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter vorliegt. Bereits hieran fehlte es aber im Streitfall. Denn der Kläger konnte eine solche Anerkennung nicht vorweisen.
Beachten Sie | Seit dem 1.1.2020 können nur noch die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben insoweit umsatzsteuerbefreit sein, was der Kläger aber nicht ist.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 9/22, PM 35/25 vom 30.5.2025
| Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen und übernimmt der neue Eigentümer die auf dem Grundstück lastenden Schulden, liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund : Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Spekulationsbesteuerung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 23 EStG).
Beachten Sie | Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die
- im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
Das war geschehen
Der Vater hatte im Jahr 2014 ein Grundstück für 143.950 Euro erworben und teilweise fremdfinanziert. 2019 übertrug er das Grundstück auf seine Tochter. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Grundstück einen Wert von 210.000 Euro. Die Tochter übernahm die am Übertragungstag bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 115.000 Euro.
Finanzamt: Aufteilung in entgeltlich und unentgeltlich
Das Finanzamt teilte den Vorgang (ausgehend vom Verkehrswert im Zeitpunkt der Übertragung) in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichenTeil auf. Soweit das Grundstück unter Übernahme der Verbindlichkeiten entgeltlich übertragen worden war, besteuerte das Finanzamt den Vorgang als privates Veräußerungsgeschäft.
Hiergegen klagte der Vater vor dem Finanzgericht (FG) Niedersachsen und bekam Recht. Die Begründung: Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten sind keine Veräußerungen (im Sinne des § 23 EStG).
Höchste Instanz bestätigt Vorgehen des Finanzamts
Doch die Freude währte nicht lange, denn der BFH schloss sich der Ansicht des Finanzamts an.
- Wird ein Wirtschaftsgut übertragen und werden damit zusammenhängende Verbindlichkeiten übernommen, liegt regelmäßig ein teilentgeltlicher Vorgang vor. In diesem Fall erfolgt eine Aufteilung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichenTeil.
- Wird das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen, unterfällt der Vorgang hinsichtlich des entgeltlichen Teils als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensteuer.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.3.2025, IX R 17/24, PM 37/25 vom 30.5.2025
| Frauen muslimischen Glaubens haben keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kfz mit einem Gesichtsschleier (Niqab). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin bestätigt. |
Antrag auf Ausnahmegenehmigung
Die Klägerin hatte ihren Antrag auf Ausnahmegenehmigung damit begründet, dass sie sich gemäß ihrem Glauben außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Da sie im Auto den Blicken fremder Menschen ausgesetzt sei, müsse es ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Das VG hatte die Klage abgewiesen.
Berufung nicht zugelassen
Das OVG hat den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Mit ihren Einwendungen hat die Klägerin es nicht vermocht, ernstliche Richtigkeitszweifel an der Entscheidung des VG zu wecken oder Verfahrensfehler offenzulegen.
Keine wesentliche Einschränkung der Religionsfreiheit
Die Annahme des VG, dass das Tragen einer Gesichtsverschleierung während des Autofahrens für die Religionsausübung typischerweise keine wesentliche Einschränkung bedeutet und angesichts der zeitlich und örtlich eingeschränkten Wirkung des Verbots hinzunehmen ist, konnte sie nicht durchgreifend in Frage stellen.
Dasselbe gilt für die Annahme des VG, dass das der zuständigen Behörde bei der Frage der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt wurde, weil der Eingriff zur Sicherstellung der effektiven automatisierten Verkehrsüberwachung gerechtfertigt ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Quelle | OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.4.2025, OVG 1 N 17/25 , PM 11/25
| Wer seine SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergibt, hat keinen Anspruch auf Rückzahlung abgebuchter Kreditkartenbeträge. So entschied es das Amtsgericht (AG) München. |
Das war geschehen
Der Ehemann der Klägerin wollte am Samstag, den 6.1.2024, für seine Ehefrau und sich eine Reise im Internet buchen. Hierzu gab er auf der Website „Check24“ die Daten der Kreditkarte seiner Ehefrau ein. Kurz darauf erschien eine Mitteilung, dass ein Betrag in Höhe von 318,99 Euro vorgemerkt sei, ehe weitere Mitteilungen über vergleichbare Vormerkungen erschienen. Die Klägerin veranlasste noch am selben Abend telefonisch die Sperrung der Kreditkarte. Am Montag, den 8.1.2024 sind sechs unberechtigte Abbuchungen zu je 318,99 Euro für Giftcards vom Konto der Klägerin erfolgt, insgesamt 1.953,29 Euro.
Zur Autorisierung der Transaktionen fand das Mastercard 3D-Secure-Verfahren Anwendung. Zur Aktivierung dieses Verfahrens auf einem weiteren Gerät übersandte die beklagte Bank am 6.1.2024 eine SMS-TAN an die von der Klägerin bei der Beklagten hinterlegte Mobilfunknummer. Die an die Klägerin versandte SMS-TAN wurde dann auf dem weiteren mobilen Endgerät, auf dem auch die Banking-App freigeschaltet wurde, am 6.1.2024 eingegeben und damit das Secure-Verfahren aktiviert.
Die Klägerin behauptete, dass sie diese Abbuchungen nicht autorisiert habe. Bei der Buchung sei sie nicht nach PIN oder Passwort gefragt worden, sie habe auch nirgendwo eine SMS-Tan eingegeben. Es sei nicht erkannt worden, dass es sich möglicherweise um eine „Fake“-Website handelte.
Die beklagte Bank ging davon aus, dass die Frau die SMS-Tan an einen Dritten weitergegeben haben muss, da eine Freigabe der Buchungen anders technisch nicht möglich gewesen sei und verweigerte die Zahlung. Die Klägerin verklagte die Bank daher vor dem AG auf Rückzahlung der 1.953,29 Euro.
So sah das Amtsgericht den Sachverhalt
Das AG wies die Klage ab. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Abbuchungen nicht von der Klägerin autorisiert waren, sondern von Dritten getätigt wurden. Aufgrund der Beweisaufnahme war das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin die SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergegeben haben muss, weshalb ein Schadenersatzanspruch der Bank gegen die Klägerin in gleicher Höhe bestehe, mit dem die Bank aufgerechnet habe.
Das AG: Der Vortrag der Bank, dass diese in ihren Systemen feststellen konnte, dass das Mastercard 3D-Secure Verfahren per Banking App für die Kreditkarte der Klägerin am 6.1.2024 um 13:30 Uhr aktiviert wurde, und zur Aktivierung dieses Verfahrens auf dem neuen Gerät eine SMS-TAN an die im Vertrag hinterlegte Mobilfunknummer der Klägerin versandt wurde, wurde durch Inaugenscheinnahme des Mobiltelefons der Klägerin bestätigt. Dort befindet sich eine SMS vom 6.1.2024 13:29 Uhr mit dem Inhalt: „ … ist Ihre TAN für die Aktivierung von Mastercard Identity Check vom 6.1.2024 13:44 Uhr.“ Der Eingang der SMS um 13:29 Uhr war im eingesehenen Nachrichtenverlauf um 13:29 Uhr dokumentiert und wird auch durch das vorgelegte IT-Protokoll belegt. Der Vortrag der Klägerin, keine SMS-TAN erhalten zu haben und dass ihr Mobiltelefon nicht in die Freigabe involviert war, erwies sich damit als widerlegt.
SMS-Tan war unzweifelhaft eingegeben worden
Die Bank hat unbestritten vorgetragen, dass aufgrund der manuellen Eingabe einer an die Mobilfunknummer der Klägerin versandten SMS-Tan ein Fremdzugriff technisch ausgeschlossen ist. Es wurde ein neues Gerät im Online-Banking der Klägerin als Freigabeinstrument im Rahmen des 2-Faktor-Authentifizierungsverfahrens hinterlegt. Hierzu war – technisch zwingend – die Eingabe der SMS-Tan erforderlich. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Klägerin durch Preisgabe der SMS-Tan Dritten eine Registrierung eines Geräts ermöglicht hat, wobei die Preisgabe persönlicher Sicherheitsmerkmale an Dritte gemäß den vertraglichen Bestimmungen untersagt war.
Verhalten der Klägerin war grob fahrlässig
Das Verhalten der Klägerin bewertet das Gericht als grob fahrlässig. Es ist eine Sache, wenn man seine Kreditkartendaten offenbart. Diese werden bei jeder Verwendung offenbart und können auch von der Karte abgelesen werden.
Die Weitergabe eines im Rahmen einer Zwei-Faktor-Autorisierung erhaltenden Zugangscodes kann nicht damit gleichgesetzt werden. Mit dieser Weitergabe hilft der Nutzer, die Sicherheitsarchitektur grundlegend auszuhebeln. Es muss jedem verständigen Nutzer solcher Kreditkarten klar sein, welches Risiko er mit der Weitergabe derartiger Daten schafft. Die Klägerin mag dies nicht bewusst getan haben und es mag auch nicht erinnerlich sein. Indessen lässt sich der Vorgang plausibel nicht anders erklären.
Quelle | AG München, Urteil vom 8.1.2025, 271 C 16677/24, PM 14/25
| Nach den Vorgaben des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes (FKAustG) werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates automatisch ausgetauscht. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun die Staatenaustauschliste 2025 bekanntgegeben. Enthalten sind die Staaten, mit denen der automatische Datenaustausch zum 30.9.2025 erfolgt. Weitere Informationen zum Informationsaustausch erhalten Sie u. a. auf der Website des Bundeszentralamts für Steuern (abrufbar unter www.iww.de/s2991). |
Quelle | BMF-Schreiben vom 3.6.2025, IV D 3 - S1315/00304/070/025
| Die Vermietung von Zimmerkontingenten an eine Kommune zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter überschreitet nicht den Nutzungszweck eines zum Hotelbetrieb gepachteten Gebäudes. Dies gilt jedenfalls, solange hiermit keine übermäßige Abnutzung oder sonstige Beeinträchtigung für den Verpächter verbunden ist, die über die übliche Nutzung durch Hotelgäste hinausgeht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die auf Räumung und Herausgabe des Hotels gerichtete Klage der Verpächterin abgewiesen. |
War die Unterbringung Geflüchteter vertragswidrig?
Die Klägerin schloss 2016 mit der Beklagten einen Vertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb des „Hotel F.“ in Gießen. Die Sache durfte vertraglich nur zum vereinbarten Nutzungszweck gebraucht werden. Seit Herbst 2022 buchte das Jugendamt der Stadt Gießen regelmäßig Zimmer für in seiner Obhut stehende Jugendliche. Nach Abmahnung kündigte die Klägerin 2023 fristlos. Sie hält die Unterbringung unbegleiteter Jugendlicher für vertragswidrig. Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt.
In der Berufung wies das OLG die Klage ab. Der Vertrag zwischen den Parteien sei nicht wirksam fristlos gekündigt worden. Die Beklagte habe nicht die Rechte der Klägerin durch eine unbefugte Überlassung an Dritte in erheblichem Maße verletzt. Dem Betrieb eines Hotels sei es immanent, dass es zu Beherbungsverträgen mit Dritten komme. Davon umfasst sei auch, dass bei der Buchung von Zimmerkontingenten durch Firmen o. Ä. ein ganzes Hotel faktisch durch denselben Mieter belegt werde. Der Abschluss von zeitlich begrenzten und auf bestimmte Zimmer bezogenen Beherbungsverträgen mit der Stadt Gießen sei folglich nicht unbefugt gewesen. Die Grenze zur unzulässigen Gebrauchsüberlassung wäre nur überschritten, wenn die Stadt das gesamte Gebäude übernommen und zu einem Flüchtlingsheim umgebaut hätte.
Keine Gefährdung der Mietsache, keine Pflichtverletzung
Eine zur Kündigung berechtigende Gefährdung der Mietsache durch unbegleitete minderjährige Geflüchtete sei nicht erkennbar. Es liege keine Pflichtverletzung wegen Überschreitung des Vertragszwecks vor, die zur Kündigung berechtigte. Die zeitweilige Vermietung zum o. g. Zweck überschreite nicht den Vertragszweck. Die vertraglich vereinbarte Nutzungsart als Hotel sei durch das Angebot von individueller Unterkunft, Service, Verpflegung und Nebenleistungen gekennzeichnet. Aufenthaltsdauer, -zweck und Motive für die Anmietung der Zimmer stellten keine entscheidenden Kriterien für die Bewertung als Hotelbetrieb dar. Es bestehe kein Anspruch darauf, „dass die Vermietung nur an einen bestimmten Personenkreis erfolgen darf, solange keine Beeinträchtigungen der Räumlichkeiten vorliegen bzw. zu befürchten sind“, unterstrich das OLG und es sei auch nicht vorgetragen, dass „Geflüchtete die Zimmer intensiver und nachlässiger nutzten als dies bei einer „normalen“ Vermietung an Hotelgäste der Fall wäre“.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.2.2025, 2 U 63/24, PM 21/25
| Das Landgericht (LG) Hanau hat entschieden: Die Anforderung von Belegkopien der Betriebskostenabrechnung ist kein wirksames Einsichtnahmeersuchen, wenn die Einsicht beim Vermieter zumutbar ist. Hierfür kommt es auf die Entfernung zur Mietwohnung an und nicht auf den Ort, an den der Mieter nach Mietende verzogen ist. |
Muss Mieter Belege einsehen oder muss Vermieter sie zuschicken?
Nach Mietvertragsende verlangte der Mieter die geleistete Kaution zurück. Die dann noch erstellte Betriebskostenabrechnung wies eine Nachforderung auf, die der Vermieter mit der Kaution verrechnete. Der inzwischen über 120 km weit weggezogene Mieter widersprach der Abrechnung, forderte die Übersendung von Belegkopien, um die Abrechnung zu prüfen, und klagte auf Rückzahlung der gesamten Kaution. Er bringt vor, keine Kopien erhalten zu haben, zumal der Vermieter für eine Einsichtnahme bei diesem nun zu weit entfernt sei.
So sahen es die Gerichte
Das Amtsgericht (AG) hat die Klage in Höhe der verrechneten Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das LG entschied, dass die Einwände gegen die Abrechnung zu unkonkret waren, weil der Mieter die Belege nicht geprüft hat. Der Vermieter habe die Belegeinsicht auch nicht verweigert, weil der Mieter unzulässigerweise die Übersendung von Kopien verlangte. Da die Belegprüfung grundsätzlich beim Vermieter erfolgen muss, lag schon kein wirksames Einsichtnahmeersuchen vor.
Kein Ausnahmefall
Der Mieter könne auch nicht ausnahmsweise die Zusendung von Kopien fordern. Das sei zwar möglich, wenn der Vermieter zu weit entfernt ansässig ist. Hierfür komme es jedoch auf die Entfernung der Mietsache zu diesem an, wobei eine Anreise von Hanau nach Frankfurt zumutbar sei. Dass der Mieter nun über 120 km entfernt wohnt, liege hingegen in seinem Risikobereich und führe nicht zu einem Recht auf Übersendung von Kopien.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | LG Hanau, Beschluss vom 24.3.2025, 2 S 43/24, PM vom 8.5.2025
| Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg bestätigte die Vorinstanz: Der kulturelle und familiäre Wert einer Sammlung aus Gemälden und historischen Gegenständen ist höher zu setzen als das Interesse einzelner Familienmitglieder an der Verwertung der Gegenstände. Letzteres hatte ein Teil der Familie aufgrund interner Differenzen verlangt. |
Das war geschehen
Die Nachfahren einer Nürnberger Patrizierfamilie stritten in einem Zivilprozess um den Erhalt ihrer Familiensammlung – einer Sammlung von Gemälden und historischen Gegenständen, die über Jahrzehnte als ungeteiltes Familienvermögen innerhalb der Familie über die Erbfolge weitergegeben wurde. Ein Teil der Familie begehrte den Pfandverkauf der historischen Sammlungsgegenstände, die teils in privater Nutzung sind, teils im Germanischen Nationalmuseum verwahrt werden, um die Erben- und Bruchteilsgemeinschaft auseinanderzusetzen. Die beklagten Familienmitglieder widersetzten sich dem und beriefen sich auf ein in einem Familienvertrag aus dem Jahr 1936 festgelegtes immerwährendes Teilungsverbot für das verfahrensgegenständliche Familienvermögen. Die Kläger verwiesen auf eine spätere Aufhebung sowie Nichtigkeit dieses Familienvertrags, denn dessen Regelungen sahen unter anderem die Weitergabe der Familiensammlung nur an männliche Nachkommen vor.
So sah es die erste Instanz
Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth hatte in erster Instanz die Klage abgewiesen. Es sah die Aufhebung des Familienvertrags nicht durch die vorhandenen Protokolle der Familienversammlungen belegt und erachtete das von der Familie im Jahr 1936 in Bezug auf die Familiensammlung vereinbarte dauerhafte Teilungsverbot als wirksam und fortbestehend an. Die Klagepartei habe auch keine Umstände vorgebracht, die als wichtiger Grund eine Aufhebung der Gemeinschaft rechtfertigen könne. Die im Verfahren vorgetragenen innerfamiliären Differenzen reichten hierfür nicht aus.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Hiergegen legte ein Familienmitglied der unterlegenen Klageseite Berufung zum OLG ein. Dieses hat das Ersturteil bestätigt und die zur Begründung des Aufhebungsanspruchs vorgebrachten Gründe und Einwendungen der Berufung für nicht durchgreifend erachtet. Wie das Erstgericht bewerte der Senat die erbrechtliche Regelung im Familienvertrag zum Ausschluss der weiblichen Nachkommen als nichtig, was aber die Wirksamkeit des dauerhaften Teilungsverbots nicht berühre. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kam das OLG zu dem Ergebnis, dass das beklagtenseits eingewandte familiäre als auch öffentliche Interesse am Erhalt der Gesamtheit der Sammlung als Kulturgut dem klägerischen Interesse an einer Aufhebung der Gemeinschaft und an einer damit verbundenen Zerschlagung der Sammlung überwiege.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 28.2.2025, 1 U 2451/23 Erb, PM 12/25
| Bauarbeiter, die auf Baustellen einfache Arbeiten verrichten, einen festen Stundenlohn erhalten und am Markt nicht erkennbar unternehmerisch auftreten, sind regelmäßig abhängig Beschäftigte, für die die Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen. Dies entschied in drei Urteilen das Hessische Landessozialgericht (LSG). |
Baufirmen müssenSozialversicherungsbeiträge nachzahlen
Die Deutsche Rentenversicherung entschied in mehreren Fällen, dass Bauarbeiter abhängig beschäftigt sind. In zwei Fällen forderte sie nach entsprechenden Betriebsprüfungen von den im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge in fünfstelliger Höhe. In einem weiteren Verfahren hatte sie zunächst über den Antrag auf Statusfeststellung zu entscheiden.
Weder schriftliche Verträge noch eigene Werkzeuge
In diesen Fällen hatten angeblich selbstständige Werkunternehmer auf Baustellen der jeweils klagenden Baufirma gearbeitet. Bei diesen Bauarbeitern handelte es sich um ausländische Staatsangehörige mit allenfalls geringen Deutschkenntnissen. Sie erledigten Abbrucharbeiten, Maurertätigkeiten und Pflasterarbeiten, sanierten Bäder oder arbeiteten im Trockenbau. Schriftliche Verträge oder Auftragsbestätigungen gab es nicht. Die Abrechnungen erfolgten auf Basis der aufgeschriebenen Stunden bei einem Stundenlohn zwischen 10 und 15 Euro. Die Materialien und Werkzeuge wurden bis auf Kleinwerkzeuge von den jeweiligen Baufirmen gestellt.
Scheinselbstständige statt Werkunternehmer
Das LSG folgte der Einschätzung der Rentenversicherung. In allen drei Verfahren liege Scheinselbständigkeit vor.
Bei einfachen, typischen Arbeitnehmerverrichtungen, die der Beschäftigte im Wesentlichen ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübe, spreche die Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis. Die betroffenen Bauarbeiter seien jeweils in den Betrieb der klagenden Baufirma eingegliedert gewesen und hätten einfache Bauarbeiten getätigt, wie sie typischerweise abhängig Beschäftigte verrichteten.
Kein unternehmerisches Auftreten
Werkvertragstypische Vereinbarungen einer unternehmerischen Leistung hätten nicht festgestellt werden können. Zudem seien die angeblichen „Werkunternehmer“ schon aufgrund ihrer geringen Deutschkenntnisse zu einem unternehmerischen Auftreten am Markt nicht in der Lage gewesen.
Zwischen den Baufirmen und den Bauarbeitern getroffene Vereinbarungen über eine (angeblich) selbstständige Tätigkeit seien nicht relevant und könnten die gesetzlich angeordnete Sozialversicherungspflicht nicht ausschließen.
Quelle | Hessisches LSG, Urteil vom 3.4.2025, L 8 BA 4/22, L 8 BA 62/22 und L 8 BA 64/21, PM vom 3.4.2025
| Wandhängende WCs und Handtuchheizkörper in Standardausführung sowie Balkone in der Größe von vier qm sind in Milieuschutzgebieten genehmigungsfähig, weil sie der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dienen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden. |
Bauliche Änderungen nicht ohne Genehmigung
Die Klägerinnen sind jeweils Eigentümerinnen von Wohngebäuden in Milieuschutzgebieten in Berlin-Mitte. Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen soziale Erhaltungsverordnungen (umgangssprachlich Milieuschutzverordnungen) gelten. Sie sollen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im jeweiligen Gebiet schützen. Bauliche Änderungen bedürfen in Milieuschutzgebieten grundsätzlich einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Den Erlass von Milieuschutzverordnungen erlaubt ein Bundesgesetz, nämlich das Baugesetzbuch. In Berlin sind dafür die Bezirke zuständig. Aktuell gelten in Berlin über 40 Milieuschutzverordnungen.
Eine Klägerin möchte im Badezimmer einer Wohnung ein Stand-WC durch ein wandhängendes WC ersetzen sowie einen Handtuchheizkörper einbauen. Eine weitere Klägerin begehrt den Anbau von dreizehn Balkonen in der Größe von jeweils vier qm an die Wohnungen ihres Mehrfamilienhauses. Die Maßnahmen stellen nach Ansicht der Klägerinnen einen zeitgemäßen Ausstattungszustand ihrer Wohnungen dar. Das Bezirksamt versagte den Klägerinnen die erhaltungsrechtlichen Genehmigungen. Die Vorhaben gingen über einen zeitgemäßen Ausstattungszustand hinaus und seien als wohnwerterhöhende bauliche Änderungen im Milieuschutzgebiet nicht zulässig.
Genehmigungen sind zu erteilen
Das VG gab den dagegen erhobenen Klagen statt und verpflichtete das Bezirksamt, die Genehmigungen zu erteilen. Der Gesetzgeber habe im Baugesetzbuch geregelt, dass eine erhaltungsrechtliche Genehmigung zu erteilen sei, wenn die bauliche Maßnahme der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen diene.
Mittlerer Standard nicht wohnwerterhöhend
Der Gesetzgeber habe den Genehmigungsanspruch auch nicht auf bauliche Maßnahmen beschränkt, die der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dienten. Vielmehr habe er zugelassen, dass darüber hinaus auch in Milieuschutzgebieten eine behutsame Anhebung des Ausstattungszustands auf den Standard mittlerer Wohnverhältnisse erfolgen könne. Daran sei ein bundeseinheitlicher Maßstab anzulegen. Bei wandhängenden WCs und Handtuchheizkörpern in einer Standardausführung sowie bei vier qm großen Balkonen werde dieser Standard nicht überschritten. Dafür sprächen unter anderem die Verbreitung dieser Ausstattungsmerkmale bundesweit sowie der Umstand, dass die Mietspiegel der größeren deutschen Städte sie überwiegend nicht als wohnwerterhöhend einstuften.
Quelle | VG Berlin, Urteile vom 2.4.2025, VG 19 K 17/22 und VG 19 K 351/23, PM 24/25
| Trotz erfolgreich absolviertem ersten juristischen Staatsexamen hat ein Antragsteller, der erwiesenermaßen die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft, keinen Anspruch darauf, den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) zu durchlaufen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz. |
Fehlende Verfassungstreue
Der Antragsteller wollte nach erfolgreichem Jurastudium als Rechtsreferendar in den juristischen Vorbereitungsdienst eintreten. Dies lehnte das Oberlandesgericht (OLG) wegen fehlender Verfassungstreue des Antragstellers ab. Dieser suchte daraufhin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um gerichtlichen Rechtsschutz mit dem Ziel nach, ihn im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses einzustellen.
Eindeutige Publikationen
Der Antrag blieb ohne Erfolg. Dem Antragsteller, so das VG, fehle der notwendige sog. Anordnungsanspruch. Aus den einschlägigen Vorschriften des Landesgesetzes über die juristische Ausbildung sowie des Landesbeamtengesetzes folge, dass die juristische Ausbildung am Leitbild einer dem Rechtsstaat verpflichteten Person zu orientieren sei. Rechtsreferendare müssten sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Der Antragsteller werde dem nicht gerecht, wie von ihm verfasste und publizierte Texte belegten.
In einem von ihm geschriebenen Roman würden beispielsweise schwarze Menschen durch die Verwendung menschenverachtender Bezeichnungen pauschal herabgewürdigt. Es werde hierin behauptet, ein – namentlich genannter – österreichischer Fußballspieler, der dunkelhäutig sei, könne kein Deutscher oder Österreicher sein. In einem anderen Text attestierte er dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Demontage des Volksbegriffs. Der von dem Antragsteller vertretene Volksbegriff mit der Forderung nach einer „positiven Erneuerung Deutschlands“ könne nur als Forderung nach einer Umkehrung eines vermeintlichen „Bevölkerungsaustauschs“ verstanden werden. Zudem sei der Antragsteller Mitglied bei der „Jungen Alternative für Deutschland“ und dem Verein „Ein Prozent e. V.“ gewesen. Er habe in beiden Organisationen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Frühjahr 2023 als gesichert rechtsextremistisch einstufe, zumindest zeitweise herausgehobene Funktionen übernommen.
Die Entscheidung ist bestandskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 9.5.2025, 5 L 416/25.KO, PM 14/25
| Eine Tätowierung ist heute typischer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Während sichtbare Tattoos im Arbeitsleben immer normaler werden, stellt sich damit aber zunehmend die Frage, wer eigentlich das finanzielle Risiko trägt, wenn beim Stechen des Tattoos nicht alles glatt verläuft. Dazu liegt nun eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vor: Wer sich tätowieren lässt, erhält bei Komplikationen keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das LAG bestätigt damit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Flensburg. |
Pflegekraft ließ sich tätowieren
Die als Pflegehilfskraft beschäftigte Klägerin ließ sich am Unterarm tätowieren. In der Folge entzündete sich die tätowierte Stelle. Die Klägerin wurde daraufhin für mehrere Tage krankgeschrieben. Die beklagte Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum ab.
Die Klägerin führte vor Gericht aus, dass sie ja nicht Entgeltfortzahlung für den Tätowierungsvorgang geltend mache, sondern für eine davon zu trennende zeitlich nachfolgende Entzündung der Haut. Ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen. Es habe sich ein sehr geringes Risiko verwirklicht, das nur bei ein bis fünf Prozent der Fälle von Tätowierungen auftrete. Tätowierungen seien als Teil der privaten Lebensführung geschützt und mittlerweile weit verbreitet.
Die Arbeitgeberin entgegnete, die Klägerin habe bei der Tätowierung in eine Körperverletzung eingewilligt. Das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre deshalb nicht zum normalen Krankheitsrisiko und könne dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden.
Arbeitsunfähigkeit verschuldet
Das LAG ist der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Diese war zwar arbeitsunfähig krank. Sie hat die Arbeitsunfähigkeit aber verschuldet. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz handelt ein Arbeitnehmer immer schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt.
Die Klägerin musste bei der Tätowierung damit rechnen, dass sich ihr Unterarm entzündet. Dieses Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen ihr eigenes Gesundheitsinteresse dar. Sie hat selbst vorgetragen, in bis zu 5 % der Fälle komme es nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut. Dies ist keine völlig fernliegende Komplikation. Bei Medikamenten wird eine Nebenwirkung als „häufig“ angegeben, wenn diese in mehr als einem, aber weniger als zehn Prozent der Fälle auftritt. Zudem ist die Komplikation in der Hautverletzung durch die Tätowierung selbst angelegt.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.5.2025, 5 Sa 284 a/24, PM vom 2.7.2025
| Wenn ein Arbeitnehmer sich beim Kaffeetrinken verschluckt und infolgedessen stürzt, kann das im Einzelfall einen Arbeitsunfall darstellen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden. |
Nasenbeinbruch während morgendlicher Besprechung
Der Kläger war als Vorarbeiter auf einer Baustellebeschäftigt. Beim Kaffeetrinken während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer verschluckte er sich, ging hustend zur Tür, um sich draußen auszuhusten, verlor kurz das Bewusstsein und stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter. Dabei brach er sich das Nasenbein.
Berufsgenossenschaft und Sozialgericht: kein Arbeitsunfall
Das sei kein Arbeitsunfall, befand die zuständige Berufsgenossenschaft, denn das Kaffeetrinken habe keinen betrieblichen Zwecken gedient. Es sei vielmehr dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen. So sah es auch das Sozialgericht (SG), das in erster Instanz über den Fall entschieden hatte.
Landessozialgericht: auch Nahrungsaufnahme geschützt
Zu Unrecht, befand nun das LSG. Zwar erstrecke sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit damit ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird. Im vorliegenden Fall sei das Kaffeetrinken aber nicht auf das Grundbedürfnis des Durstlöschens gerichtet gewesen, sondern habe (auch) betrieblichen Zwecken gedient. Der gemeinsame Kaffeegenuss während der verpflichtend vorgeschriebenen Besprechung habe eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft bewirkt.
Arbeitgeber stellte den Kaffee zur Verfügung
Zudem habe der Kaffee für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesorgt. Das sei auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, der sich teilweise selbst um das Auffüllen der Kaffeevorräte gekümmert habe. Deshalb sei der Fall auch anders zu beurteilen, als wenn sich ein Arbeitnehmer z. B. in der Frühstückspause an einem Kaffee verschluckt, den er selbst in der Thermoskanne mitgebracht hat.
Quelle | LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.5.2025, L 6 U 45/23, PM 2/25
| Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Hostprovider – hier Meta – muss nach einem Hinweis auf einen rechtsverletzenden Post auf der Social-Media-Plattform Facebook auch ohne weitere Hinweise sinngleiche Inhalte sperren. Sinngleich sind etwa Beiträge mit identischem Text und Bild, aber abweichender Gestaltung (Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung), bloßer Änderung typografischer Zeichen oder Hinzufügung von Elementen, etwa sog. Captions, die den Aussagegehalt nicht verändern. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Arzt und bewarb in der Vergangenheit u. a. die sog. „Hirschhausen Diät“. Der Kläger wies die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach auf sog. Fake-Werbe-Videos hin, in denen er vermeintlich u. a. für Abnehmmittel werbe.
Gegenstand dieses Eilverfahrens sind zwei weitere solcher Deep-Fake Videos: Nutzer haben zum einen ein Video unter Verwendung eines Ausschnitts aus der Sendung von Markus Lanz hergestellt, in denen der Name, das Bildnis und die Stimme des Klägers verwendet werden und in dem dieser vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme wirbt. Dieses Video entfernte die Beklagte zeitnah nach Abmahnung durch den Kläger. In einem nachfolgend erschienenen, nahezu inhaltsgleichen weiteren Deep-Fake Video warb der Kläger ebenfalls vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme. Dieses Video entfernte die Beklagte ebenfalls – erst – nach entsprechendem Hinweis durch den Kläger. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassen der Verbreitung dieser beiden Videos in Anspruch. Das Landgericht (LG) hat den Antrag zurückgewiesen.
So sah es das Oberlandesgericht
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hatte teilweise Erfolg. Hinsichtlich des ersten Videos bestehe kein Unterlassungsanspruch, entschied das OLG. Die Beklagte sei als Hostproviderin grundsätzlich nicht verpflichtet, von den Nutzern ins Netz gestellte Beiträge vor ihrer Veröffentlichung auf etwaige Rechtsverletzungen hin zu prüfen. Ihre Haftung setze die Verletzung von Prüf- und Verhaltenspflichten voraus. Vor der Abmahnung des Klägers betreffend das erste Video sei die Beklagte nicht zur Löschung verpflichtet gewesen. Eine Löschpflicht habe sich insbesondere nicht aus den vorausgegangenen Hinweisen des Klägers auf andere, nicht sinngleiche sog. Fake-Werbungen ergeben. Grundsätzlich lösten derartige Hinweise nur Prüfpflichten hinsichtlich „sinngleicher Inhalte“ aus. Darunter fielen Inhalte, die in Bild und Text identisch, aber bei gleichbleibendem Gesamteindruck etwa abweichend gestaltet seien. Dies könne sich etwa auf die Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung mit Rahmen oder Zufügung sog. Caption beziehen. Die vorausgegangenen Hinweise des Klägers hätten sich hier jedoch auf in Bild und Text abweichende Inhalte bezogen.
Prüfplicht des Providers bestand
Hinsichtlich des zweiten Videos habe die Beklagte dagegen schon aufgrund der Abmahnung des Klägers hinsichtlich des ersten Videos eine Prüfpflicht getroffen. Es habe keiner weiteren Abmahnung bedurft. Das zweite Video unterscheide sich allenfalls marginal vom ersten. Nach dem Eindruck des OLG wirkten die Videos – bei voneinander abweichender Überschrift – nahezu identisch. Es lägen damit sinngleiche Inhalte vor. Da die Beklagte das zweite Video nicht bereits ohne weitere Abmahnung gesperrt habe, habe sie gegen ihre Prüfpflichten verstoßen. Im Ergebnis bestehe daher ein Unterlassungsanspruch.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nich tanfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.3.2025, 16 W 10/25, PM 14/25
| Zahlreiche Betriebsprüfungen zeigen, dass die Kassenführung oft beanstandet wird. Das Problem dabei: Ist die Kassenführung nicht ordnungsmäßig, drohen erhebliche Hinzuschätzungen. So war es auch in einem Fall, der vom Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein zu entscheiden war. |
Im Streitfall hatte bei einem bargeldintensiven Imbiss mit Sitzgelegenheiten eine Betriebsprüfung stattgefunden. Der Betreiberin, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte, wurden dabei zahlreiche Mängel in der Kassenführung vorgeworfen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem FG blieb erfolglos.
Beachten Sie | Allerdings ist inzwischen die Revision anhängig, in der insbesondere diese interessanten Fragen zu klären sind:
- Ist bei bestehenden Zweifeln im Hinblick auf den Programmierzustand und das Vorhandensein von Manipulationsspuren an der Registrierkasse vom FG ein Sachverständigengutachten einzuholen?
- Rechtfertigen fehlende Programmierprotokolle für die verwendete Kasse eine Schätzung dem Grunde nach?
- Ergibt sich aus einer angeblichen Abweichung von der Richtsatzsammlung eine Schätzungsbefugnis?
Quelle | FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.8.2023, 3 K 25/22, Rev. BFH, X R 27/24
| Hat eine Gesellschaft ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr, ist für die Berechnung der Steuerermäßigung gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 EStG) nicht auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums abzustellen, sondern auf das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahrs. Für die Aufteilung des Steuerermäßigungsbetrags sind der Gewerbesteuer-Messbetrag und die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des Wirtschaftsjahrs an der Gesellschaft beteiligt waren. So lautet ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Hintergrund: Unter den Voraussetzungen des § 35 EStG wirddie Gewerbesteuerbelastung kompensiert, indem die tarifliche Einkommensteuer um das Vierfache des festgesetzten Steuermessbetrags gemindert wird.
Quelle | BFH, Urteil vom 10.4.2025, IV R 21/22
| Mit Wirkung ab 1.6.2025 wurden die Gebühren für Eintragungen im Handelsregister um 50 Prozent erhöht. Demzufolge werden auch Unternehmensgründungen teurer. |
In der Begründung der Verordnung wird hierzu u. a. ausgeführt: „Die daraus insgesamt resultierenden Gebühreneinnahmen sollen dazu dienen, den Aufwand der Länder für den Betrieb der Registergerichte weitgehend zu decken, damit die Gerichte den Anforderungen an eine moderne, effiziente und sichere Registerführung auch künftig gerecht werden können.“
Quelle | Dritte Verordnung zur Änderung der Handelsregistergebührenverordnung, BGBl I 2025, Nr. 127
| Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft wird nur bereit sein, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung einer Eigentumswohnung zu (privaten) Wohnzwecken (also im privaten Interesse) eines Gesellschafters zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe erstattet werden und sie zudem einen angemessenen Gewinnaufschlag erhält. Vor diesem Hintergrund hat es das Finanzgericht (FG) Niedersachsen im Streitfall als rechtmäßig beurteilt, dass das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) angesetzt hat. |
Zum Hintergrund: Bei einer vGA handelt es sich – vereinfacht – um Vermögensvorteile, die dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gewährt werden. Eine vGA darf den Gewinn der Gesellschaft nicht mindern.
Im Anschluss an ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahr 2016 führte das FG weiter aus: Eine Vermietung zu marktüblichen, aber nicht kostendeckenden Bedingungen würde ein gewissenhafter Geschäftsführer (ausnahmsweise) in Betracht ziehen, wenn er bezogen auf den jeweils zu beurteilenden Veranlagungszeitraum bereits von der Erzielbarkeit einer angemessenen Rendite ausgehen kann.
Beachten Sie | Die danach für den Fremdvergleich maßgebliche Kostenmiete ist auch dann als Maßstab heranzuziehen, wenn der Gegenstand des Unternehmens der Kapitalgesellschaft auch neben der an die Gesellschafterin vermieteten Wohnung in der Vermietung von Immobilien besteht.
Gegen das Urteil ist die Revision anhängig. Gleichwohl sollte in vergleichbaren Fällen eine vGA bedacht werden. Es empfiehlt sich, Mietverträge zu prüfen und ggf. anzupassen.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 15.8.2024, 10 K 255/21, Rev. BFH, I R 21/24
| Ein Freiwilliger Wehrdienst kann bei einem volljährigen Kind für sich genommen keinen Kindergeldanspruch begründen. Gleichwohl kann während der Zeit des Wehrdienstes ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, wenn das Kind einen der gesetzlichen Berücksichtigungstatbestände erfüllt, also z. B. während des Wehrdienstes für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dabei ist es unschädlich, wenn das Kind nach Abschluss der Grundausbildung im Rahmen des Freiwilligen Wehrdienstes Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad ausübt. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Das war geschehen
Der Sohn absolvierte nach seinem Abitur einen zehn Monate dauernden Freiwilligen Wehrdienst. Die Familienkasse bewilligte dem Vater für die Übergangszeit zwischen Abitur und Grundausbildung sowie für die Zeit der Grundausbildung Kindergeld. Nach der Grundausbildung verrichtete der Sohn Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad, eine weitere Ausbildung bei der Bundeswehr fand nicht statt. Nach dem Ende des Wehrdienstes studierte er an einer zivilen Hochschule. Den Entschluss dazu hatte er während des Wehrdienstes gefasst.
Die Familienkasse versagte für die Zeit nach Beendigung der Grundausbildung bis zum Beginn des Studiums die Festsetzung von Kindergeld. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Vater Klage vor dem Finanzgericht (FG) Bremen. Da das FG die Revision zugelassen hatte und diese auch eingelegt wurde, musste nun der BFH entscheiden.
Beachten Sie | Der Freiwillige Wehrdienst gehört – anders als ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr – nicht zu den im Einkommensteuergesetz (hier: § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG) genannten Berücksichtigungstatbeständen, die schon für sich genommen einen Kindergeldanspruch begründen können.
Bundesfinanzhof: Kindergeldanspruch bestand
Dennoch entschied der BFH, dass auch nach dem Ende der Grundausbildung und trotz einer Erwerbstätigkeit des Kindes als Soldat mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden ein Kindergeldanspruch bestehen kann, wenn das Kind (wie im Streitfall) eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.
Beachten Sie | Die drei Monate dauernde Grundausbildung war zwar Teil einer Ausbildung zum Offizier oder Unteroffizier. Ihre Beendigung führte jedoch nicht zu einem für den weiteren Kindergeldbezug ggf. schädlichen Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung (i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG).
Es kam auf den Zeitpunkt des Entschlusses an
Für einen Monat wies der BFH die Revision jedoch zurück, weil sich der Entschluss des Sohnes, sich um einen Studienplatz zu bemühen, erst im Folgemonat objektiviert hatte. Der bloße Vortrag des Kindergeldberechtigten und des Kindes, der Entschluss zu einer Ausbildung oder zu einem Studium sei früher gefasst worden, ist für die Begründung des Anspruchs nicht ausreichend.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.2.2025, III R 43/22, PM 28/2025 vom 2.5.2025
| Ab Mai 2025 setzen vier Pilotfinanzämter (Brühl, Bielefeld-Außenstadt, Hamm und Lübbecke) des Landes Nordrhein-Westfalen erstmals ein KI-Modul zur Unterstützung der Steuerveranlagung ein. Das Ziel: Steuererklärungen sollen effizienter, schneller und treffsicherer bearbeitet werden.
Das neue KI-Modul ergänzt das bewährte Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung. Es erkennt Muster in den Steuerdaten und kann gut nachvollziehbare Fälle mit geringem Prüfbedarf gezielt identifizieren. Diese werden automatisiert verarbeitet – und damit schneller abgeschlossen.
Gestartet wird mit Arbeitnehmerfällen (also Steuererklärungen mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalerträgen, Vorsorgeaufwendungen, Sonderausgaben, haushaltsnahen Dienstleistungen und ähnlichen Bereichen). Die Ausweitung auf weitere Fallkonstellationen ist bereits in Planung.
Nordrhein-Westfalen übernimmt die Vorreiterrolle. Nach erfolgreichem Testlauf ist die landesweite Einführung geplant.
Quelle | FinMin NRW, Mitteilung vom 22.4.2025
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der auf Dienstreisen seinen privaten Pkw einsetzt, die tatsächlichen Kosten für jeden gefahrenen Kilometer auch dann ansetzen kann (im Streitfall: 2,28 Euro/km für einen Sportwagen), wenn er von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt bekommt, den er grundsätzlich für dienstliche und private Fahrten nutzen kann. |
Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall jedoch den Nachweis erbringen, dass er das Privatfahrzeug tatsächlich beruflich eingesetzt hat. Eine Angemessenheitsprüfung dem Grunde nach (hier: berufliche Nutzung eines privaten Fahrzeugs durch einen Arbeitnehmer, dem von seinem Arbeitgeber ein Geschäftsfahrzeug überlassen wurde) findet nicht statt.
Beachten Sie | Das Finanzamt will diese Entscheidung aber nicht akzeptieren und hat Revision eingelegt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.9.2024, 9 K 183/23, Rev. BFH: VI R 30/24
| Kinderbetreuungskosten sind als Sonderausgaben abzugsfähig. Bei Aufwendungen für Unterricht, für die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen ist ein Sonderausgabenabzug allerdings gesetzlich ausgeschlossen. Mit dem Abzugsverbot hat sich nun der Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt. |
Hintergrund: Kinderbetreuungskosten können nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) als Sonderausgaben steuerlich absetzbar sein. Folgende Aspekte sind hier zu beachten:
- Abzug von 80 % der Betreuungsleistungen, maximal 4.800 Euro pro Jahr.
- Der Abzug ist zulässig für haushaltszugehörige Kinder unter 14 Jahren (oder aufgrund Behinderung, Eintritt vor dem 25. Lebensjahr, Übergangsregel 27. Lebensjahr).
- Grundsätzlicherforderlich: Rechnung und Überweisung.
- Nichtabziehbar: Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen.
Betreuungscharakter muss im Vordergrund stehen
Nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen vor, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbstständigten Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichts- oder Kurszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen (sprachlichen, musischen, sportlichen) Fähigkeiten in den Hintergrund rückt.
Nicht begünstigteAufwendungen
Entsprechendes gilt für sportliche und andere Freizeitbetätigungen. Nicht begünstigte Aufwendungen für derartige Aktivitäten liegen daher vor, wenn
- die Betätigung organisatorisch, zeitlich und räumlich getrennt von einer Kindertagesstätte, einem Schulhort oder einer ähnlichen Einrichtung stattfindet und
- dabei nicht die altersbedingt erforderliche Betreuung des Kindes, sondern die Aktivität im Vordergrund steht.
Quelle | BFH, Urteil vom 23.1.2025, III R 33/24 (III R 50/17)
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen hat die Stadt Marburg dazu verpflichtet, einer Studentin einen Bewohnerparkausweis zu erteilen, die ein in Tschechien zugelassenes Fahrzeug nutzt. |
Kfz in Tschechien zugelassen
Die Klägerin wohnt in einem Bewohnerparkgebiet der Beklagten. Sie nutzt ein Kraftfahrzeug ihres Vaters, der tschechischer Staatsangehöriger ist und das Fahrzeug in Tschechien zugelassen hat. Im Frühjahr 2024 beantragte sie bei der Stadt Marburg, ihr einen Bewohnerparkausweises zu erteilen. Dies lehnte die Stadt mit der Begründung ab, dass sie Bewohnerparkausweise für Fahrzeuge mit ausländischer Zulassung nicht erteilen könne. Im Rahmen des Klageverfahrens argumentierte die Stadt weiter, dass eine ausländische Zulassung gegen eine dauerhafte Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin spreche, weil ein im Ausland zugelassenes Kraftfahrzeug nur vorübergehend am Verkehr in Deutschland teilnehmen dürfe.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG bejahte hingegen den Anspruch der Studentin auf einen Bewohnerparkausweis. Bei der Klägerin handele es sich um eine Anwohnerin, die das betroffene Fahrzeug nachweislich dauerhaft nutze.
Gegen eine dauerhafte Nutzung spreche insbesondere nicht, dass Kraftfahrzeuge mit ausländischer Zulassung nur vorübergehend am Straßenverkehr in Deutschland teilnehmen dürfen. Es sei bereits nicht klar, ob das von der Klägerin genutzte Fahrzeug diese Voraussetzungen erfülle. Die Klägerin gab nämlich an, dass sie das Fahrzeug während der Semesterferien nicht in Deutschland nutze. Diese Prüfung obliege der Zulassungsbehörde, die je nach Einzelfall eine Untersagung des Betriebs im öffentlichen Straßenverkehr ohne deutsche Zulassung aussprechen könne.
Die Versagung eines Bewohnerparkausweises für im Ausland zugelassene Fahrzeuge entspreche nicht dem Zweck der Vorschriften. Ein Bewohnerparkgebiet diene dem Anwohnerinteresse, in innerstädtischen Wohnstraßen eine Abstellmöglichkeit für ein (dauerhaft) genutztes Kraftfahrzeug zu finden.
Quelle | VG Gießen, Urteil vom 13.11.2024, 6 K 2830/24.GI, PM vom 19.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Ein zur Nichtigkeit der entsprechenden Vereinbarung führender Verstoß gegen den im Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 656 d BGB) geregelten Grundsatz der hälftigen Teilung des Maklerlohns liegt vor, wenn ein Makler allein für den Verkäufer einer Immobilie tätig geworden ist und der Käufer zur Zahlung des vollen Honorars an den Makler verpflichtet wird. |
Das war geschehen
Die Kläger erwarben ein mit einer Doppelhaushälfte bebautesGrundstück. Mit der Vermittlung des Verkaufs hatte die Verkäuferin das beklagte Maklerunternehmen beauftragt. Für die Vermittlung der Immobilie entstand zugunsten der Beklagten gegenüber der Verkäuferin ein Maklerlohnanspruch in Höhe von 25.000 Euro. Der im Exposé zunächst vorgesehene Kaufpreis wurde um einen Betrag in dieser Höhe reduziert. Zugleich verpflichteten sich die Kläger gegenüber der Beklagten zur Zahlung eines Honorars in gleicher Höhe, das sie nach notarieller Beurkundung des Kaufvertrags bezahlten. Eine Maklerlohnzahlung durch die Verkäuferin erfolgte nicht. Die Kläger verlangten die Rückzahlung des geleisteten Betrags.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: § 656 d BGB ist nicht nur auf Vereinbarungen der Parteien des Kaufvertrags über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus untereinander anwendbar, sondern erfasst jegliche Art einer vertraglichen Vereinbarung, durch die unmittelbar oder mittelbar ein Anspruch des Maklers auf Zahlung oder Erstattung von Maklerlohn gegenüber der Partei des Kaufvertrags begründet wird, die nicht Partei des Maklervertrags ist. Umfasst sind daher auch alle auf eine Verpflichtung zur Zahlung oder Erstattung des Maklerlohns gerichteten Vereinbarungen des Maklers mit der Partei des Kaufvertrags, die nicht Partei des Maklervertrags ist.
Der Anwendbarkeit des § 656 d BGB steht es deshalb auch nicht entgegen, dass die Verkäuferin der Immobilie von der Pflicht, den vereinbarten Maklerlohn zu entrichten, gegenüber der Beklagten nicht entbunden war. Da die Käufer im Innenverhältnis zur Verkäuferin verpflichtet waren, den Maklerlohn in voller Höhe zu bezahlen, blieb die Verkäuferin als die Partei, die den Maklervertrag abgeschlossen hat, nicht zur Zahlung des Maklerlohns mindestens in gleicher Höhe verpflichtet.
Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung
Der Verstoß gegen § 656 d BGB führt zur Gesamtnichtigkeit einer entsprechenden Vereinbarung. Die Kläger können von der Beklagten die Rückzahlung des Maklerlohns in voller Höhe verlangen.
Quelle | BGH, Urteil vom 6.3.2025, I ZR 138/24, PM 45/25
| Eine 77-jährige Frau, die über einer Supermarktfiliale wohnt, tätigte dort ihre Einkäufe bis zu einem Hausverbot Anfang des Jahres 2024 durch die Filialleitung. Sie behauptet, das Hausverbot sei nach einer Beschwerde ihrerseits ohne ersichtlichen Grund erteilt worden. Sie sei gesundheitlich stark eingeschränkt und nicht in der Lage, längere Strecken zurückzulegen und daher auf die Filiale angewiesen. Ohne ein Betreten des Supermarkts sei ihr eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verwehrt. Das Amtsgericht (AG) München wies ihre Klage ab. |
Wiederholtes Fehlverhalten
Die Filialleitung begründete das Hausverbot mit wiederholtem Fehlverhalten. Die Münchnerin habe Kunden beim Betreten des Markts von ihrer Wohnung aus beschimpft, habe das Geschäft regelmäßig ohne Einkaufsabsicht aufgesucht, Mitarbeiter in Gespräche verwickelt und diese von der Arbeit abgehalten. Sie habe sich zudem immer wieder an der Frischetheke des Markts Ware aufschneiden lassen und diese dann, anstatt zu kaufen, im Laden abgelegt.
Da der Supermarkt sich weigerte, das Hausverbot zurückzunehmen, verklagte sie den Betreiber vor dem AG auf Gewährung des Zutritts zum Supermarkt – ohne Erfolg.
Hausrecht deckt Hausverbot
Der Beklagte ist als Betreiber des Supermarkts aufgrund seines Hausrechts grundsätzlich berechtigt, Kunden selbst ohne sachlichen Grund ein Hausverbot zu erteilen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein Fehlverhalten der Klägerin vorlag.
Dem Betreiber einer Einrichtung, die erhebliche Bedeutung für das gesellschaftliche und kulturelle Leben hat, wird eine besondere rechtliche Verantwortung zugewiesen, die es ihm verbietet, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund auszuschließen. Entgegen der Auffassung der Klägerin entscheidet die Verweigerung des Zutritts für sie nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Ein Supermarkt dient der Daseinsvorsorge in Form von Einkäufen des täglichen Bedarfs, insbesondere an Lebensmitteln, nicht der sozialen Interaktion oder des kulturellen Austauschs.
Klägerin konnte auf konkurrierenden Supermarkt ausweichen
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Monopolstellung oder sonstige strukturelle Überlegenheit des Beklagten vorliegt, die dazu führt, dass bestimmte Personen nicht ohne sachlichen Grund ausgeschlossen werden könnten. Eine solche Monopolstellung des Markts des Beklagten für die tägliche Daseinsvorsorge ist im konkreten Fall nicht gegeben. Der Beklagte hat unbestritten ausgeführt, dass in fußläufiger Entfernung (ab 500 Metern) weitere Supermärkte vorhanden sind, die somit auch für betagtere Kunden problemlos zu erreichen sind.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 11.10.2024, 142 C 18533/24, PM 12/25
| Legt beim Gebrauchtwagenkauf der Verkäufer den Fahrzeugbrief vor, kann sich der Käufer normalerweise darauf verlassen, dass er es auch tatsächlich mit dem Eigentümer und nicht mit einem Betrüger zu tun hat. Dieses Vertrauen kann aber erschüttert sein, wenn die Umstände des Verkaufs trotzdem Verdacht erregen müssen. Dann muss der Käufer im Betrugsfall das Fahrzeug dem wahren Eigentümer zurückgeben und bleibt auf dem gezahlten Kaufpreis als Schaden sitzen. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal (Pfalz) entschieden. Es hat die Klage eines Autokäufers abgewiesen, der auf einen Betrüger hereingefallen war. |
Autokäufer war auf Betrüger hereingefallen
Der Käufer hatte den PKW von einem Betrüger für mehr als 35.000 Euro erworben. Kurze Zeit nach dem Kauf beschlagnahmte die Polizei das Fahrzeug und gab es dem ursprünglichen Eigentümer zurück. Dieser verkaufte es anschließend für knapp 49.000 Euro weiter.
Den Kaufpreis reklamierte der betrogene Käufer für sich. Er sei trotz des Betrugs Eigentümer des Fahrzeugs geworden. Er sei im Internet auf das Fahrzeug gestoßen und habe sich im Saarland zur Besichtigung verabredet. Auf dem Weg dorthin habe er die Mitteilung erhalten, dass das Kind des Verkäufers einen Treppensturz erlitten habe und in einem Krankenhaus in Frankreich liege. Dorthin sei er nun umgeleitet worden, wo der Kauf auf dem Parkplatz durch Barzahlung auch abgewickelt worden sei. Der Betrüger habe einen vermeintlich echten Fahrzeugbrief und einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt. Er habe deshalb daran glauben dürfen, dass das Fahrzeug diesem auch gehört habe.
Umstände des Kaufs waren dubios, Zweifel daher angebracht
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Der Käufer habe trotz Vorlage des scheinbar echten Fahrzeugbriefs grob fahrlässig gehandelt und das Fahrzeug daher nicht gutgläubig erworben. Denn die Umstände des Verkaufs hätten beim Käufer Zweifel erregen müssen, dass er den wahren Eigentümer vor sich hatte. So habe dieser einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt, obwohl sein im Kaufvertrag genannter Wohnsitz Frankenthal gewesen sei und das Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen zugelassen war.
Kurzfristige Verlegung der Übergabe ins Ausland
Auffällig sei ferner, dass der Verkäufer ursprünglich als Treffpunkt das vom angegebenen Wohnort abweichende Dillingen/Saar genannt habe. Typisch für unlautere Automobilgeschäfte sei auch das Bargeschäft und die kurzfristige telefonische Verlegung des Verkaufsorts an einen fremden und noch dazu im Ausland befindlichen Ort. Nach alledem könne der Käufer dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entgehen und habe den Schaden selbst zu tragen, so der Richter.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 3.4.2025, 3 O 388/24, PM vom 22.5.2025
| Das Amtsgericht (AG) Berlin-Charlottenburg hat entschieden: Hatte der frühere Vermieter die Hundehaltung erlaubt, kann der in das Mietverhältnis eingetretene Vermieter diese Gestattung nur aus wichtigem Grund widerrufen. Dies gilt, auch wenn es sich um einen Kampfhund handeln sollte. Dass sich Mitmieter aufgrund der Größe und Kraft eines solchen Hundes subjektiv bedroht fühlen, reicht für den Widerruf nicht aus. |
Vorheriger Vermieter hatte Hundehaltung gestattet, neuer Vermieter widerrief Erlaubnis
Die Parteien eines Mietvertrags über ein möbliertes Apartment stritten um die Räumung und Herausgabe einer Wohnung. Der Kläger, der aktuelle Vermieter, war nachträglich in das Mietverhältnis eingetreten. Der beklagte Mieter hält einen Hund, was ihm ausdrücklich vom früheren Vermieter erlaubt worden war.
Der Kläger hat die Erlaubnis zur Hundehaltung im Juni 2023 widerrufen und die Haltung eines Kampfhundes untersagt. Der Beklagte sollte seinen Hund bis Ende Juni 2023 entfernen. Noch im Juni mahnte der Kläger den Beklagten wegen nicht gestatteter Tierhaltung ab. Anfang August 2023 kündigte der Kläger das Mietverhältnis ordentlich zum 30.11.2023 und begründete dies mit der weiteren Haltung eines Kampfhundes sowie des Einsetzens des Hundes als Druck- und Nötigungsmittel.
Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung
Der Kläger behauptete, bei dem vom Beklagten gehaltenen Tier würde es sich um einen Kampfhund handeln. Der Beklagte würde dieses Tier gegenüber Nachbarn im Objekt als Druck- und Nötigungsmittel einsetzen, um Vorrang auf Wegen oder im Treppenhaus zu erzwingen. Mehr als ein anderer Bewohner im Objekt habe Angst vor dem Hund, die wollten aber nicht namentlich genannt werden. Er verklagte den Mieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Der Mieter behauptete hingegen, es handele sich nicht um einen „Listenhund“, sondern um eine Mischung aus Old-English-Bulldog und Weimeraner. Er reichte dazu zwei Fotos sowie eine tierärztliche Bescheinigung und weitere Unterlagen ein.
So entschied das Amtsgericht
Der Vermieter kann das Mietverhältnis nur aus berechtigtem Interesse kündigen. Das ist z. B. der Fall, wenn der Mieter vertragliche Pflichten erheblich verletzt, indem er z. B. ein Tier trotz Abmahnung weiter hält.
Im Fall des AG war es aber anders: Der ursprüngliche Vermieter hatte die Hundehaltung erlaubt. Der – große und kräftige – Hund, war– ohne Maulkorb – stets an der Leine geführt worden. Beißvorfälle oder -versuche oder Bedrohungen von Nachbarn mit dem Hund konnten nicht bewiesen werden. Ein – subjektives – Bedrohtfühlen genügt nicht, um die Erlaubnis zu widerrufen.
Quelle | AG Charlottenburg, Urteil vom 30.5.2024, 218 C 243/23
| Ein Streit um einen Erbschein hat kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Eine Erbin hatte falsche Angaben gemacht – mit unangenehmen Folgen. |
Wahrheitswidrige Angaben zum Testament
Eine Frau hatte nach dem Tod ihrer Mutter einen Erbschein beantragt, um als Alleinerbin ausgewiesen zu werden. Sie berief sich dabei auf ein Testament, machte aber falsche Angaben: Sie versicherte eidesstattlich, dass das Testament von der Verstorbenen eigenhändig verfasst worden sei. In Wirklichkeit hatte jedoch die Tochter das Testament geschrieben und die Mutter nur ihre Unterschrift darunter gesetzt.
Testament muss eigenhändig geschrieben sein
Die falschen Angaben betrafen einen entscheidenden Punkt: Ein Testament muss eigenhändig geschrieben oder von einem Notar beurkundet werden. Eigenhändig heißt, dass der Erblasser es komplett selbst und von Hand niederschreiben muss. Die bloße Unterschrift der Mutter reichte deshalb nicht aus – das Testament war unwirksam. Statt des Testaments galt die gesetzliche Erbfolge, das heißt: Die Antragstellerin musste sich das Erbe mit ihren Geschwistern teilen.
Streit um Anwaltskosten
Im Erbscheinverfahren vor dem Amtsgericht (AG) wurden die falschen Angaben aufgeklärt. Der Streit war damit aber nicht erledigt. Denn die Geschwister hatten Anwälte beauftragt, um gegen den unberechtigten Antrag vorzugehen. Zwei Schwestern verlangten die Erstattung der angefallenen Anwaltskosten. Das OLG gab ihnen nun Recht.
Mögliche strafrechtliche Konsequenzen
Für die unterlegene Schwester hat dies nicht nur finanzielle Folgen: Die Akten werden nun der Staatsanwaltschaft übergeben, denn eine falsche eidesstattliche Versicherung ist strafbar. Das OLG sah einen entsprechenden Anfangsverdacht; bis zu einer möglichen Entscheidung im Strafverfahren gilt für die Betroffene die Unschuldsvermutung.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 9.1.2025, 6 W 156/24, PM vom 20.2.2025
| Das Zerreißen eines Testaments durch den Erblasser ist eine Widerrufshandlung. Es wird gesetzlich vermutet, dass dieser Widerrufshandlung eine Widerrufsabsicht zugrunde lag. Die Aufbewahrung des zerrissenen Testaments im Schließfach widerlegt diese Vermutung nicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die Beschwerde des in dem zerrissenen Testament Begünstigten gegen einen auf Basis gesetzlicher Erbfolge erteilten Erbschein zurückgewiesen. |
Testament zerrissen, aber aufbewahrt
Der Erblasser war mit seiner Frau in letzter Ehe kinderlos verheiratet. Nach seinem Versterben beantragte die Frau einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Das Nachlassgericht erteilte den Erbschein, der die Frau neben der Mutter des Erblassers als Erben auswies. Zwei Monate später öffneten die Frau und ein Vertreter der Mutter des Erblassers das Schließfach des Erblassers. Dort befand sich ein handschriftliches Testament, das eine andere Person begünstigte. Es war längs in der Mitte durchgerissen. Das Nachlassgericht hat den Antrag des Begünstigten abgelehnt, den bereits erteilten Erbschein im Hinblick auf das nun aufgefundene, zerrissene Testament einzuziehen.
Widerruf durch schlüssige Handlung
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das Nachlassgericht habe die Einziehung des Erbscheins zu Recht abgelehnt, da dieser nicht unrichtig geworden sei. Der Begünstigte sei nichttestamentarischer Erbe geworden. Der Erblasser habe das den Begünstigten alsErben einsetzende Testament durch schlüssige Handlung widerrufen.
Durch das Zerreißen des Testaments in der Mitte habe derErblasser das Testament vernichtet. Es liege insoweit eine Widerrufshandlungvor. Das Testament sei unzweifelhaft auch „nicht durch äußere Einflüsse „anderweitig“ in zwei Teile geraten“. Dafür spreche, dass das Papier mittig, aber nicht vollständig gerade getrennt worden sei. Die Trennränder seien zudem nicht glatt. Anhaltspunkte für ein – ggf. sachverständig aufzuklärendes – anderweitiges Trennen des Schriftstücks in zwei Teile lägen nicht vor. Es sei auch davon auszugehen, dass der Erblasser selbst das Testament zerrissen habe, da nur er Zugang zum Bankschließfach gehabt habe. Nach den Angaben der bei Öffnung des Schließfachs Anwesenden bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Testament beim Öffnen oder Schließen des Schließfachs versehentlich von einer dritten Person zerrissen worden sei.
Gesetzliche Vermutung nicht widerlegt
Es werde gesetzlich vermutet, dass diese Widerrufshandlung mit Widerrufsabsicht erfolgte. Indizien, die diese Vermutung widerlegen würden, seien nicht erkennbar. Warum der Erblasser das zerstörte Testament im Schließfach aufbewahrte, sei zwar nicht nachvollziehbar. Dies allein genüge aber nicht zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung. Der Erblasser habe ausweislich der dokumentierten 31 Öffnungen des Schließfachs dieses offensichtlich nicht ausschließlich zur Aufbewahrung eines ungültigenTestaments angemietet.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.4.2025, 21 W 26/25, PM 26/25
| Das Landgericht (LG) Berlin II hat eine Energieberatungsfirma zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von rund 6.000 Euro wegen einer Falschberatung verurteilt. Aufgrund der Falschberatung habe der Kläger – ein Verbraucher – Fenster und Dachfenster mit zu hohen Wärmedurchgangskoeffizienten einbauen lassen, die daher nicht förderfähig seien. |
Förderleistungen beantragt – Bundesamt lehnt ab
Der Kläger hatte die Beklagte mit der Energieberatung für die energetische Sanierung seines Einfamilienhauses beauftragt. In Zusammenarbeit mit der Beklagten beantragte er beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Förderleistungen gemäß der Richtlinie der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG-Richtlinie) und erhielt einen entsprechenden Zuwendungsbescheid. Anschließend holte er Angebote für die Sanierungsmaßnahmen ein und schickte sie der Beklagten, die diese nicht beanstandete.
Für den Verwendungsnachweis der Fördermittel gab der Kläger in Absprache mit der Beklagten die Wärmedurchgangskoeffizienten an, die mit den verbauten Dämmmaterialien an der Gebäudehülle erreicht werden konnten – für das Dach und die Geschossdecke einen Koeffizienten von 0,2, für die Fenster von 1,1 und für die Dachflächenfenster von 1,3. Das Bundesamt teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die technischen Mindestanforderungen bei der Sanierung nicht erreicht seien und hob den Förderbescheid teilweise auf. Die BEG-Richtlinie fordert Koeffizienten an Dachgebilden von 0,14 und an Fenstern von 0,95 bzw. 1,0 bei Dachflächenfenstern.
Energieberater muss Förderleistung zahlen
Das Gericht sprach dem Kläger nun Schadenersatz in Höhe der eigentlich zu gewährenden Förderungssumme zu. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur fachlich zutreffenden Beratung verletzt. Sie hätte insbesondere die vom Kläger vorgelegten Angebote auf ihre Förderungsfähigkeit prüfen müssen.
Der Verweis der Beklagten, der Kläger hätte sich selbst über die förderungsrelevanten Wärmedurchgangskoeffizienten informieren können, führe ihr Leistungsangebot ad absurdum. Es sei gerade ihre Hauptleistungspflicht, einen Verbraucher und Laien über die Richtlinien und Richtwerte fachlich zu beraten. Darüber hinaus habe die Beklagte den Kläger falsch beraten, weil sie selbst von falschen Werten ausgegangen sei. Rechtsirrig habe sie in E-Mails an den Kläger auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und nicht auf die Werte der BEG-Richtlinie verwiesen. Die Beratung sei auch deshalb unzureichend und fehlerhaft gewesen.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23, PM 3/25
| Bei einer mehr als unerheblichen Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks scheidet die Annahme eines faktischen Kerngebiets aus, also als Gebiet, das vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Stadt versagte Nutzung eines Gebäudes als Spielhalle
Die Klägerin begehrt einen Bauvorbescheid für die Nutzung eines Geschäftsgebäudes in der Innenstadt der Beklagten als Spielhalle. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, der Widerspruch blieb erfolglos.
Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht sahen das anders
Das Verwaltungsgericht (VG) gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) zurück. Das Vorhaben sei als Vergnügungsstätte zulässig. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Kerngebiet i. S. d. Baunutzungverordnung (hier: § 7 BauNVO). Die nicht unerhebliche, aber noch untergeordnete Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks stehe dieser Einordnung nicht entgegen, obwohl sie im vorhandenen Umfang nur aufgrund von Festsetzungen in einem Bebauungsplan zulässig wäre.
Bundesverwaltungsgericht rügte mangelnde Tatsachenfeststellung
Das BVerwG hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Auffassung des OVG, dass ein faktisches Kerngebiet auch bei einer nicht unerheblichen Wohnnutzung vorliegt, steht mit der Regelungssystematik der Baunutzungsverordnung nicht in Einklang. Die Verweisung in § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB auf die §§ 2 ff. BauNVO findet dort eine Grenze, wo die Baunutzungsverordnung eine planerische Entscheidung der Gemeinde vorsieht. Der Verordnungsgeber hat die Entscheidung darüber, ob die sonstige Wohnnutzung in einem Kerngebiet über Ausnahmen hinausgehen darf, der Gemeinde überlassen. Ihr Spielraum darf bei der Einordnung als faktisches Kerngebiet nicht übergangen werden. Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen konnte das BVerwG nicht abschließend entscheiden.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 20.5.2025, 4 C 2.24, PM 37/25
| Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf der Grundlage von über 2.300 geleisteten Mehrarbeitsstunden im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer für mehrere Monate frei, muss er ihm in diesen Monaten das Entgelt nach dem Lohnausfallprinzip zahlen, also das Entgelt, das zu zahlen gewesen wäre, wenn der Arbeitnehmer in diesen Monaten gearbeitet hätte. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |
Das LAG: Nichts anderes ergibt sich, wenn die unstreitige Mehrarbeit vor 20 Jahren geleistet worden war, also in einem Zeitraum, für den die Parteien ein viel geringeres Bruttomonatsentgelt vereinbart hatten.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 23.8.2024, 6 Sa 663/23
| Ein Bewerber um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugdienst kann verlangen, nicht wegen eines genetisch bedingten erhöhten Thromboserisikos vom Bewerbungsverfahren der Bundespolizei ausgeschlossen zu werden. Bei der beim Kläger diagnostizierten sog. Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich um einen angeborenen Gendefekt, bei dem es zu Störungen der Blutgerinnung kommt und der mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergeht. Die Entscheidung der Bundespolizeiakademie, die Bewerbung des Klägers um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst im Jahr 2023 aufgrund fehlender gesundheitlicher Eignung nicht zu berücksichtigen, hatte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Aachen keinen Bestand. Über die Bewerbung des Klägers muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden werden. |
Geringe Risiken
Zur Begründung hat das VG ausgeführt, dass es bereits in erheblichem Maße zweifelhaft ist, ob hinreichende sachliche Gründe für den Ausschluss von Beamten mit einem solchen Gendefekt bestehen. Denn das durch eine solche Mutation bedingte Thromboserisiko ist verhältnismäßig gering. In der beim Kläger vorliegenden Form ist es zwar gegenüber gesunden Menschen erhöht, entspricht jedoch ungefähr dem Thromboserisiko durch die Einnahme der Antibabypille bei Frauen und damit einem Risiko, das der Dienstherr als hinnehmbar ansieht.
Ergebnisse der genetischen Untersuchung durften nicht mitgeteilt werden
Unabhängig davon durfte der Gendefekt nicht zulasten des Klägers im Einstellungsverfahren berücksichtigt werden, weil er aufgrund einer genetischen Untersuchung diagnostiziert wurde. Die Mitteilung des diesbezüglichen Ergebnisses durfte die Bundespolizei aus Rechtsgründen nicht verlangen.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 10.3.2025, 1 K 1304/23, PM vom 10.3.2025
| Die Verwendung eines abstrakt gefährlichen Gegenstands – hier eines Klappmessers – zu einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch – hier Reparaturversuch an einer Uhr – läuft den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider und steht deshalb der Anerkennung eines Unfallereignisses als Dienstunfall entgegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Mit dem Messer versucht, Klemmfeder zu richten
Der mittlerweile pensionierte Kläger war Polizeivollzugsbeamter im saarländischen Landesdienst. Im April 2019 erstattete er bei seiner Dienststelle eine Dienstunfallanzeige. Danach habe er zu Dienstbeginn festgestellt, dass die sonst über der Tür hängende Wanduhr auf der Fensterbank gelegen habe. Es sei ihm aufgefallen, dass die Batterie der Uhr unsachgemäß im Batteriefach gesteckt habe und die Klemmfeder verbogen gewesen sei. Er habe mit seinem Klappmesser die verbogene Feder wieder richten wollen. Hierbei sei das Messer zugeschnappt und er habe sich einen tiefen Schnitt am kleinen Finger der rechten Hand zugezogen.
Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls
Sein Antrag auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall ist behördlich und in den beiden gerichtlichen Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwiderlaufe, wenn ein Beamter sich ohne Not einem Verletzungsrisiko durch Hantieren mit einem privaten, abstrakt gefährlichen Gegenstand aussetze, dessen Funktionstauglichkeit der Dienstherr nicht prüfen könne.
Keine dienstliche Aufgabe
Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall. Zwar hat sich der Unfall in einem Dienstgebäude zur Dienstzeit ereignet und ist damit grundsätzlich als „in Ausübung des Dienstes eingetreten“ vom Dienstunfallschutz erfasst. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Reparatur der Uhr nicht zu den dienstlichen Aufgaben des Klägers als Polizeibeamter gehörte. Dienstunfallschutz wird jedoch nicht gewährt, wenn dieTätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft. Das ist hier der Fall.
Entgegen den Interessen des Dienstherrn
Dabei kann dahinstehen, ob es sich um ein Einhandmesser im Sinne des Waffengesetzes handelte und das Führen des Messers bereits deshalb verboten war. Jedenfalls lief die Benutzung dieses Messers zum Zweck einer Uhrreparatur den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider. Das verwendete Messer ist ein abstrakt gefährlicher Gegenstand, der für den Zweck der Reparatur ersichtlich nicht bestimmt und nicht geeignet war.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 13.3.2025, 2 C 8.24, PM 16/25
| Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellt den Arbeitnehmer trotz dessen Beschäftigungsanspruchs von der Arbeit frei, unterlässt der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig in Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 615 S. 2 BGB) anderweitigen Verdienst, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis eingeht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Das war geschehen
Der Kläger war seit November 2019 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Senior Consultant gegen eine monatliche Vergütung von 6.440 Euro brutto. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.3.2023 ordentlich zum 30.6.2023 und stellte den Kläger unter Einbringung von Resturlaub unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht (ArbG) am 29.6.2023 statt, die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) am 11.6.2024 zurückgewiesen.
Arbeitgeber schlug Stellenangebote vor
Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Kläger Anfang April 2023 arbeitssuchend und erhielt von der Agentur für Arbeit erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge. Die Beklagte übersandte ihm hingegen schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote, die nach ihrer Einschätzung für den Kläger in Betracht gekommen wären.
Arbeitnehmer bewarb sich – aber erst zum Beschäftigungsende
Auf sieben davon bewarb sich der Kläger, allerdings erst ab Ende Juni 2023. Nachdem die Beklagte dem Kläger für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, hat er diese mit einer Klage geltend gemacht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewendet, der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bei der Beklagten bezogenen Gehalts anrechnen lassen.
Arbeitgeber war durch einseitige Freistellung im Annahmeverzug
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) ihr stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Beklagte befand sich aufgrund der von ihr einseitig erklärten Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug und schuldet dem Kläger (nach § 615 S. 1 BGB iVm. § 611 a Abs. 2 BGB) die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss sich der Kläger nicht (nach § 615 S. 2 BGB) anrechnen lassen. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil ist nur gerechtfertigt, wenn dieser wider Treu und Glauben (nach § 242 BGB) untätig geblieben ist. Weil § 615 S. 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend hiervon bestand für ihn keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Beklagten ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.
Quelle | BAG, Urteil vom 12.0.2025, 5 AZR 127/24, PM 6/2
Baurecht
| Ein Verkauf von Unternehmensvermögen unterliegt der Umsatzsteuer. Eine Entnahme kann hingegen ohne Umsatzsteuer bleiben, wenn der Gegenstand ohne Vorsteuerabzug Unternehmensvermögen wurde. Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Niedersachsen gelten für dieses „Entnahme-Verkauf-Modell“ aber strenge Voraussetzungen. |
Hintergrund: Wurde ein Wirtschaftsgut ohne Vorsteuerabzug erworben und in das Unternehmensvermögen eingelegt, kann es grundsätzlich nicht umsatzsteuerbar entnommen und anschließend ohne Umsatzsteuer verkauft werden. So hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Jahr 2002 Folgendes festgestellt: Entnimmt der Steuerpflichtige den Pkw, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hatte, vor der Veräußerung seinem Unternehmen, ist es unzulässig, die Entnahme zu besteuern. Wenn der Steuerpflichtige den Pkw dann veräußert, ist diese Leistung seinem privaten Bereich zuzurechnen. Sie unterliegt daher nicht der Umsatzsteuer. Zu den Voraussetzungen musste jüngst das FG entscheiden.
Das war geschehen
Ein Unternehmer hatte einen Pkw und ein Wohnmobil aus seinem Privatvermögen in das Betriebsvermögen eingelegt. Es erfolgte jeweils eine Zuordnung zum Unternehmensvermögen ohne Vorsteuerabzug. Aus den Reparaturaufwendungen wurde dann jedoch der Vorsteuerabzug geltend gemacht.
Später verkaufte der Unternehmer die Fahrzeuge ohne Umsatzsteuerausweis. Der Kaufvertrag für den Pkw datierte vom 22.10.2016 (Übergabe am 25.10.2016), der Kaufvertrag für das Wohnmobil vom 25.8.2018 (Übergabe am 29.8.2018). In der Buchhaltung wurde eine Entnahme des Pkw zum 25.10.2016 und eine Entnahme des Wohnmobils zum 25.8.2018 jeweils ohne Umsatzsteuer erfasst.
Das Finanzamt setzte für die Verkäufe Umsatzsteuer fest. Wegen der engen zeitlichen Zusammenhänge liege weder für den Pkw noch für das Wohnmobil ein ausreichender Nachweis einer Entnahmehandlung vor. Die buchhalterische Erfassung allein genüge nicht.
Die hiergegen gerichtete Klage war erfolglos.
So argumentiert das Finanzgericht
Für eine vorherige nicht umsatzsteuerbare Entnahme bedarf es objektiver Anhaltspunkte und einer gewissen Zeitspanne zwischen Entnahme und Verkauf. Der Umstand, dass die Entnahme zeitlich mit der Lieferung am gleichen Tag erfolgt sein soll, spricht gegen eine Entnahme.
Die nach außen erkennbare Entnahme eines Gegenstands aus dem unternehmerischen Bereich hat zeitlich vor dem Verkauf zu erfolgen, wobei es dabei zur erforderlichen eindeutigen Abgrenzung auf den Zeitpunkt des ersten Angebots zum Verkauf des Gegenstands bzw. die erste Verkaufsbemühung ankommt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 3.4.2025, 5 K 15/24
| Bei der Frage, ob die Sachbezugsfreigrenze gemäß Einkommensteuergesetz (hier: § 8 Abs. 2 S. 11 EStG) in Höhe von 50 Euro pro Monat überschritten wird, sind die vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten anteilig den für die Nutzung des Firmenfitnessprogramms registrierten Arbeitnehmern zuzurechnen. Auf die Anzahl der vom Arbeitgeber erworbenen Lizenzen kommt es nicht an, wenn diese nicht der Zahl der für das Programm registrierten Arbeit-nehmer entspricht. Dies hat das Finanzgericht (FG) Niedersachsen entschieden. |
Beispiel in Anlehnung an den Urteilssachverhalt
Die A-GmbH hat 100 Arbeitnehmer. Sie schließt mit dem Fitnessstudiobetreiber X eine Firmenfitness-Mitgliedschaftsvereinbarung, wonach die Arbeitnehmer der A-GmbH berechtigt sind, das Fitnessstudio des X zu nutzen.
Somit erwirbt die A-GmbH 50 Lizenzen für monatlich 4.000 Euro inkl. Umsatzsteuer. Die Anzahl wurde anhand der Personalstruktur als Kalkulationsgrundlage für X prognostiziert. Die Lizenzen haben keine Auswirkung auf die Menge der tatsächlich nutzungsberechtigten Arbeitnehmer.
Mitarbeiter, die das Angebot in Anspruch nehmen wollen, haben im Fitnessstudio eine Berechtigung vorzulegen, die X aufgrund der mitgeteilten Namen erstellte. Von den 100 Mitarbeitern haben sich 80 für das Fitnessprogramm angemeldet. Tatsächlich teilgenommen haben 50 Mitarbeiter.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind die Kosten auf die Anzahl der Lizenzen zu verteilen. Das würde im Beispiel bedeuten, dass je Arbeitnehmer 80 Euro (4.000 Euro/50 Lizenzen) zu berücksichtigen wären, mithin der Betrag in voller Höhe steuerpflichtig wäre.
Finanzgericht widersprach der Finanzverwaltung
Dem widersprach jedoch das FG: Entspricht die Anzahl der Lizenzen nicht der Zahl der für das Programm registrierten Mitarbeiter, kommt es auf die Menge der Lizenzen nicht an. Vielmehr sind dann die vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten anteilig den für die Nutzung des Firmenfitnessprogramms registrierten Mitarbeitern zuzurechnen. Im Beispiel ergeben sich somit 50 Euro je Arbeitnehmer (4.000 Euro/80 Arbeitnehmer). Da der Betrag nicht die Freigrenze übersteigt, ist er nicht zu versteuern.
Beachten Sie | Die Kosten sind nicht nur auf die Mitarbeiter zu verteilen, die das Angebot tatsächlich in Anspruch genommen haben. Denn die Arbeitnehmer haben den Nutzungsvorteil, dass für sie jederzeit eine Trainingsmöglichkeit vorgehalten wird.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 17.4.2024, 3 K 10/24
| Ein Steuerbescheid ist nach der Abgabenordnung (hier: § 175 b AO) zu ändern, wenn elektronische Daten von Dritten (z. B. dem Rentenversicherungsträger) bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Dies gilt laut Bundesfinanzhof (BFH) selbst dann, wenn diese Informationen bereits aus der Steuererklärung ersichtlich waren. |
Das war geschehen
Eheleute hatten eine korrekte Steuererklärung abgegeben. Darin hatten sie auch ihre Renteneinkünfte zutreffend erklärt. Das Finanzamt erließ allerdings einen Einkommensteuerbescheid, in dem die Renteneinkünfte nicht erfasst waren. Später erhielt das Finanzamt auch auf elektronischem Wege durch eine Datenübermittlung des Rentenversicherungsträgers von der Höhe der Renteneinkünfte Kenntnis und änderte daraufhin den Einkommensteuerbescheid zulasten der Eheleute und setzte erstmals die Renteneinkünfte an.
Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen und der BFH haben diese Handhabung nun bestätigt.
Abweichende Regelungen in der „analogen Welt“
In der analogen Welt war die Änderung eines einmal ergangenen Steuerbescheids (sowohl zugunsten als auch zulasten des Steuerpflichtigen) nur möglich, wenn hierfür besondere Voraussetzungen erfüllt waren (z. B. ausdrücklicher Vorbehalt der Nachprüfung im Steuerbescheid oder nachträglich bekannt gewordene Tatsachen).
Beachten Sie | Diese Voraussetzungen waren im Streitfall nicht erfüllt, da das Finanzamt die Rente trotz voller Kenntnis des Sachverhalts im ursprünglichen Steuerbescheid außer Ansatz gelassen hatte.
Digitalisierung: Änderung des Steuerbescheids, wenn Daten nicht berücksichtigt waren
Im Zuge der Digitalisierung erhalten aber auch die Finanzämter immer mehr besteuerungsrelevante Daten auf elektronischem Weg. Daher hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 2017 § 175 b AO eingeführt. Danach kann ein Steuerbescheid geändert werden, soweit Daten an das Finanzamt übermittelt werden, die bisher nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Weitere (insbesondere einschränkende) Voraussetzungen enthält diese Norm nicht.
Beachten Sie | Eine auf § 175 b AO gestützte Änderung ist somit auch vorzunehmen, wenn dem Finanzamt oder dem Steuerpflichtigen zuvor ein Fehler unterlaufen ist. Dies hat sich im Streitfall zugunsten des Finanzamts ausgewirkt, würde aber umgekehrt ebenso zugunsten des Steuerpflichtigen gelten.
Quelle | BFH, Urteil vom 27.11.2024, X R 25/22
| Liegt Arbeitslohn vor, wenn ein Teil eines Veräußerungspreises für Gesellschaftsanteile dafür gezahlt wird, dass der (dann ehemalige) Gesellschafter für einen bestimmten Zeitraum noch als Geschäftsführer tätig wird? Mit dieser Frage muss sich der Bundesfinanzhof (BFH) befassen. Das Finanzgericht (FG) Köln hatte auf Arbeitslohn plädiert. |
Das war geschehen
Der Steuerpflichtige A war an einer GmbH beteiligt und zugleich deren Geschäftsführer. Im Streitjahr verkaufte A seine Anteile. In dem Kaufpreis war vertragsgemäß ein Teilbetrag für die Fortsetzung der Geschäftsführung über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren enthalten.
Teileinkünfteverfahren oder Arbeitslohn?
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass es sich bei dem Teilbetrag um eine Gegenleistung für die mehrjährige Geschäftsführertätigkeit des A handle und diese nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 19 i. V. mit § 34 Abs. 1 EStG) als Arbeitslohn der Besteuerung unterliege.
Der Verkäufer A wandte dagegen ein, dass der Teilbetrag im Rahmen der Ermittlung des Gewinns i. S. des § 17 EStG („Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften“ unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens) zu berücksichtigen sei.
Das FG sprach sich im Klageverfahren unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls für Arbeitslohn aus.
Das spricht für Arbeitslohn
Für die Annahme von Arbeitslohn spricht insbesondere, dass der Verkäufer A den auf die Geschäftsführertätigkeit entfallenden Anteil nur behalten darf, wenn er weiter als Geschäftsführer tätig ist. Das Fortbestehen des Geschäftsführerverhältnisses ist nach dem Kaufvertrag notwendige Voraussetzung für die Vorteilsgewährung.
Beachten Sie | Diese Verknüpfung wird nicht durch die Anteilsübertragung überlagert, denn die prägende Gegenleistung für den Streitbetrag ist die Arbeitsleistung und nicht die Anteilsübertragung.
Höchstrichterliche Entscheidung gefragt
Das FG Köln hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Denn, soweit ersichtlich, ist die Abgrenzung zwischen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit i. S. des § 19 EStG und solchen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften i. S. des § 17 EStG bisher nicht höchstrichterlich geklärt.
Da die Revision auch eingelegt wurde, hat der BFH nun Gelegenheit, für Klarheit zu sorgen.
Quelle | FG Köln, Urteil vom 4.12.2024, 12 K 1271/23
| Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Münster kann eine Ferienwohnung, die der Einkünfteerzielung dient, eine erste Tätigkeitsstätte bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung darstellen, wenn der Vermieter mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit für das Objekt dort verrichtet. |
Hintergrund: Suchen Vermieter in (un)regelmäßigen Abständen ihre Vermietungsobjekte auf, um z. B. Reparaturen vorzunehmen oder mit dem Mieter in Kontakt zu treten, stehen die dabei entstehenden Fahrtkosten mit den Mieteinkünften im Zusammenhang und lassen sich als Werbungskosten absetzen.
Grundsätzlich sind die Fahrtkosten dann nach Reisekostengrundsätzen zu ermitteln, sodass die tatsächlichen Kosten bzw. 0,30 Euro je Kilometer für die Hin- und die Rückfahrt anzusetzen sind.
In dem Streitfall ging es nun u. a. um die Frage, ob eine Ferienwohnung auch eine erste Tätigkeitsstätte darstellen kann – mit der Folge, dass lediglich die Entfernungspauschale (0,30 Euro pro Entfernungskilometer bzw. 0,38 Euro ab dem 21. Kilometer) abgezogen werden kann.
Das war geschehen
Eine aus Vater und Sohn bestehende GbR erzielte Einkünfteaus der Vermietung zweier Ferienwohnungen. Für das Jahr 2019 machte die GbR u. a. Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen im Zusammenhang mit Reparatur- und Reinigungsarbeiten an den Wohnungen als Werbungskosten geltend.
Das Finanzamt stellte bei der Prüfung der Unterlagen und Belege Ungereimtheiten fest und erkannte die Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen wegen privater Mitveranlassung nicht an. Die hiergegen gerichtete Klage war vor dem FG teilweise erfolgreich.
Das Gericht begründete seine Entscheidung u. a. wie folgt: Die Fahrtkosten sind mit der Entfernungspauschale und unter Abzug eines Privatanteils zu berücksichtigen. Die beiden Wohnungen sind jeweils als erste Tätigkeitsstätte anzusehen.
Hier keine Zuordnung durch Arbeitgeber, sondern quantitative Kriterien
Der Verweis im Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 3 EStG) auf die vorrangig für Arbeitnehmer geltenden Regelungen führt bei den Vermietungseinkünften dazu, dass jedenfalls dann eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt, wenn der Steuerpflichtige mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit für das Mietobjekt dort selbst verrichtet. Maßgeblich sind in erster Linie quantitative Kriterien, da – anders als bei Arbeitnehmern – eine Zuordnung durch einen Arbeitgeber nicht in Betracht kommt.
Private Veranlassungsanteile
Da die Ferienwohnungen im Wesentlichen durch Dritte verwaltet wurden, während die Gesellschafter die Reparaturarbeiten selbst durchführten, ist die quantitative Grenze von einem Drittel im Streitfall deutlich überschritten. Für jede einzelne Reise hat das Gericht eine Aufteilung der Fahrtkosten vorgenommen und die privaten Veranlassungsanteile nicht als Werbungskosten anerkannt.
Die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen wären bestenfalls innerhalb der ersten drei Monate anzuerkennen. Im Streitfall war die Dreimonatsfrist aber bereits abgelaufen.
Beachten Sie | DasFG Münster hatte die Revision zugelassen, weil bis dato keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 9 Abs. 3 EStG vorliegt und hierzu im Streitfall entscheidungserhebliche Fragen grundsätzlich klärungsbedürftig sind. Da die Revision aber nicht eingelegt wurde, muss man vorerst weiter auf eine höchstrichterliche Entscheidung warten.
Allerdings zeigt der Streitfall, dass eine gute Beweisvorsorge unerlässlich ist. Das gilt nicht nur für die Anzahl der Fahrten,s ondern auch für den mit der Vermietung zusammenhängenden Hintergrund der Fahrten und der möglichst fehlenden privaten Mitveranlassung. Zudem wird deutlich, dass bei sehr vielen Fahrten zum Mietobjekt die Gefahr besteht, dass das Finanzamt nur die Entfernungspauschale gewährt.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 15.5.2025, 12 K 1916/21 F
| Eine Frau parkte in der Tiefgarage ihres Arbeitgebers. Beim Ausparken stieß sie mit der Beifahrertür ihres BMW versehentlich gegen einen rechteckigen, ca. kniehohen Sockel einer Säule. Der Sockel befand sich unterhalb der Sichtachse und war nicht gekennzeichnet oder markiert. Sie verlangte Schadenersatz. Ihre Klage wies das Amtsgericht (AG) München ab. |
Das verlangte die Klägerin
Die Klägerin behauptet, durch den Unfall sei ein Schaden an der Beifahrertür von über 3.200 Euro netto entstanden. Der Sockel sei bei Umbaumaßnahmen im Zeitraum 2019 bis 2022 errichtet worden. Die Klägerin habe erfahren, dass es mehrere Unfälle an dem Betonsockel gegeben habe. Sie verklagte daraufhin das Bauunternehmen, das die Verkehrssicherungspflicht für die von ihm durchgeführten Arbeiten übernommen hatte.
Die beklagte Baufirma gab an, der Sockel stünde dort bereits seit 50 Jahren. Sie bezweifelte, dass der Schaden vollständig auf einen Kontakt mit dem Sockel zurückzuführen sei.
So urteilte das Amtsgericht
Das AG wies die Klage ab. Begründung: Das Bauunternehmen habe bereits keine sog. Verkehrssicherungspflicht verletzt. Der Betonsockel stellte schon keine besondere Gefahrenquelle für Fahrzeuge in einer Parkgarage dar. Dabei sei zu berücksichtigen, dass jeder Kraftfahrer in einer Parkgarage ohnehin nur so schnell fahren darf, dass er im Hinblick auf die ständig zu erwartenden Ein- und Ausparkvorgänge, aber auch wegen des dort herrschenden Fußgängerverkehrs jederzeit anhalten kann. Beim Ein- und Ausparkvorgang sei es daher jederzeit möglich, anzuhalten, auszusteigen und sich zu vergewissern, wie breit die Fahrbahn oder der Parkplatz an dieser Stelle ist.
Dies gelte insbesondere hinsichtlich des streitgegenständlichen Betonsockels, der von allen Seiten gut sichtbar sei, da er breiter sei als die dahinterstehende Säule. Ein kniehoher Betonsockel sei auch kein überraschendes Hindernis für Parkgaragennutzer, da enge Parkbuchten in einer älteren Parkgarage durchaus üblich seien.
Altschäden auf Fahrfehler zurückzuführen
Selbst, wenn man unterstelle, dass mehrere Fahrer mit ihren Fahrzeugen den Betonsockel in der Vergangenheit gestreift haben sollen, was angesichts eines vorgelegten Fotos und den darauf sichtbaren Lackspuren durchaus plausibel erscheine, sei eine Gefahr, dass Rechtsgüter Dritter durch den statischen Betonsockel verletzte werden, für das Bauunternehmen nicht erkennbar gewesen. Dieses habe als sog. Verkehrssicherungspflichtige darauf vertrauen dürfen, dass die Parkgaragennutzer den gut sichtbaren Betonsockel erkennen und, sofern ihr Fahrzeug zu breit für den Parkplatz sei, eine andere noch freie Parkbucht ohne einen Betonsockel nutzen. Beschädigungen des Sockels durfte das Bauunternehmen daher auf Fahrfehler zurückführen.
Mitverschulden der Autofahrerin
Selbst, wenn man eine Verkehrssicherungspflicht annehmen würde, träfe die Frau ein Mitverschulden, das eine Haftung des Bauunternehmens vollständig entfallen ließe. Die Klägerin nutzte die Parkgarage ihres Arbeitgebers bereits fast zwei Monate nach den Umbaumaßnahmen. Ihr waren sowohl der Zustand der Parkgarage als auch ihre baulichen Merkmale aufgrund der längeren Nutzung bekannt oder sie hätten ihr bekannt sein müssen.
Quelle | AG München, Urteil vom 9.8.2024, 231 C 13838/24. PM 13/25
| Der im Land Berlin eingeführte Probeunterricht zur Eignungsfeststellung für das Gymnasium ab dem Schuljahr 2025/2026 bei Schülern, die nach der Förderprognose den erforderlichen Notendurchschnitt verfehlt haben, ist nicht zu beanstanden. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in mehreren Eilverfahren entschieden. |
Schulgesetz geändert
Im August 2024 änderte das Land Berlin die Regelungen des Schulgesetzes für die Aufnahme in das Gymnasium zur 7. Jahrgangsstufe. Nach der Neuregelung können die Erziehungsberechtigten ein Kind mit einem Notenschnitt zwischen 2,3 und 2,7 nur an einem Gymnasium anmelden, wenn die Eignung für den Besuch des Gymnasiums durch die Teilnahme an einem Probeunterricht nachgewiesen wird.
Die Antragsteller sind Schüler, die bei diesem Probeunterricht weniger als die geforderten mindestens 75 Prozent der erreichbaren Bewertungseinheiten erzielten. Im gerichtlichen Eilverfahren begehren sie dennoch die vorläufige Feststellung ihrer Eignung für das Gymnasium, weil sie die Einführung des Probeunterrichts für rechtswidrig halten.
Verwaltungsgericht: Probeunterricht nicht zu beanstanden
Das VG hat die Eilanträge zurückgewiesen. Die Ausgestaltung des Probeunterrichts und die jeweils konkreten Bewertungen seien rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar betreffe der Probeunterricht auch Kinder, die bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits in der 5. Klasse der Grundschule gewesen seien. Das sei aber verhältnismäßig, weil die legitimen Interessen des Gesetzgebers, insbesondere auch an einer zügigen neuen Aufnahmeregelung für Gymnasien, das Interesse der Betroffenen am Erhalt der bestehenden Regeln überwögen: Der Probeunterricht ermögliche eine prognostische, an allgemeingültigen Maßstäben ausgerichtete und zugleich auf den Einzelfall bezogene pädagogische Beurteilung, ob die Eignung für das Gymnasium vorliege. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des Probeunterrichts auf den Umstand reagiert, dass in der Vergangenheit durchschnittlich sieben Prozent das (mit der Neuregelung abgeschaffte) Probejahr am Gymnasium nicht bestanden hätten, im Schuljahr 2022/23 von den Schülerinnen und Schüler ohne Gymnasialempfehlung sogar 34 Prozent.
Der Probeunterricht trage den begrenzten Kapazitäten der Gymnasien und Lehrressourcen Rechnung, vermeide eine absehbare Überforderung der betroffenen Schülerinnen und Schüler und wirke durch rechtzeitige Prognose einem unnötigen Hin und Her entgegen. Die Aufgaben des Probeunterrichts seien anhand der Vorgaben des gemeinsamen Rahmenlehrplans für Berlin und Brandenburg entwickelt worden. Verbindliche Angaben der Schulaufsichtsbehörde zur Punkteverteilung im Erwartungshorizont hätten eine einheitliche Bewertung sichergestellt. Schließlich habe die zeitliche Ausgestaltung des Probeunterrichts mit ausreichenden Pausen zwischen den drei 45-minütigen Prüfungsteilen die besondere Prüfungssituation der Kinder berücksichtigt.
Quelle | VG Berlin, Beschlüsse vom 9.4.2025, VG 3 L 77/25 u. a., PM 25/25
| Die Universität Duisburg-Essen hat einer Studentin zu Recht diejenigen „Prüfungsleistungen“ aberkannt, die in dem System der Universität als bestanden ausgewiesen waren, weil die Studentin für diese Eintragung einer ehemaligen Mitarbeiterin des Prüfungsamts der Universität Geld gezahlt hatte. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen entschieden. |
Nicht zur Prüfung erschienen – Geldzahlungen an ehemalige Mitarbeiterin
Die Studentin war zu fünf Prüfungsterminen ihres Studiengangs Bachelor Wirtschaftswissenschaft, Katholische Religion und Bildungswissenschaften mit der Lehramtsoption Berufskolleg nicht erschienen. Dies war in den internen Notenlisten der Prüfer vermerkt. Eine ehemalige Mitarbeiterin des Prüfungsamts der Universität vermerkte gegen Geldzahlung in dem System der Universität, die Studentin habe die Prüfungen bestanden und trug dazu Noten ein. Im Masterstudiengang wiederholte sich dies bei vier Prüfungen. Der Prüfungsausschuss der Fakultät Wirtschaftswissenschaften beschloss, die Prüfungsleistungen jeweils als nicht bestanden (Note 5,0) zu bewerten, die von der Fakultät Bildungswissenschaften verliehenen Universitätsabschlüsse (Bachelor und Master) abzuerkennen, und forderte die Abschlusszeugnisse zurück.
Klagen gegen Aufhebung der Prüfungsleistungen
Die Klage gegen die Aufhebung der Prüfungsleistungen und ihre Bewertung als nicht bestanden hat das VG abgewiesen. Die Studentin hat die Prüfungsleistungen nicht bestanden, weil sie nicht an den Prüfungen teilgenommen hat. Die Aberkennung der Abschlüsse und die damit zusammenhängenden Anordnungen hob die Universität in der mündlichen Verhandlung auf, weil hierüber der unzuständige Prüfungsausschuss entschieden hatte. Zuständig ist der Prüfungsausschuss für Bildungswissenschaften, der die Abschlüsse verliehen hat.
Eine weitere Klage einer anderen Studentin im Studiengang Bachelor für das Lehramt Berufskolleg gegen die Bewertung von vier Prüfungsleistungen als nicht bestanden (Note 5,0) durch den Prüfungsausschuss hat das VG ebenfalls abgewiesen. Die Studentin hatte eine Prüfung nicht bestanden und war zu drei weiteren nicht erschienen. Gegen Geldzahlung an eine ehemalige Mitarbeiterin des Prüfungsamts wurden diese Prüfungen als bestanden in das System der Universität eingetragen.
Quelle | VG Gelsenkirchen, Urteile vom 28.4.2025, 4 K 1226/22 und 4 K 1227/22, PM vom 29.4.2025
| Ein Jäger, der im betrunkenen Zustand seine Jagdwaffe im Pkw transportiert, besitzt nicht die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit zur (Wieder-)Erteilung eines Jagdscheins – unabhängig davon, ob die mitgeführte Waffe geladen war oder nicht. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Münster entschieden. |
Jäger verursachte hohen Schaden
Der Jäger aus dem Kreis Coesfeld war im Jahr 2020 in Rheinland-Pfalz auf dem Rückweg von einer Jagdveranstaltung und transportierte seine Langwaffe im Fahrzeug. Dabei kam er von der Fahrbahn ab, fuhr zwei Verkehrsschilder um und in eine Hauswand. Es entstand ein Fremdschaden in Höhe von etwa 50.000 Euro. Ein Atemalkoholtest nach dem Unfall ergab einen Wert von 1,69 Promille, zwei Blutentnahmen Werte von 1,48 und 1,39 Promille. Nach dem Unfall nahm der Kläger seine in einem Futteral befindliche Langwaffe aus dem Fahrzeug und stellte sie in ein nahes Wartehäuschen, wo sie von der Polizei sichergestellt wurde.
Antrag auf erneutes Ausstellen eines Jagdscheins
Es kam zu einem Strafverfahren. Zudem wurde die Waffenbesitzkarte des Mannes widerrufen, sodass er seine Schusswaffen abgeben musste. In der Zwischenzeit lief die Gültigkeit seines Jagdscheins aus. Im Jahr 2022 beantragte der Kläger dann die erneute Ausstellung eines Jagdscheins, blieb damit bei der Behörde jedoch ohne Erfolg.
Die Klage hiergegen wies das Gericht nun ab, denn der Kläger sei waffenrechtlich unzuverlässig. Es rechtfertigten Tatsachen die Annahme, dass er mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehe oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werde. Bei der zu treffenden Prognose genüge es, wenn bei Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen bestehe. Im Bereich des Waffenrechts müsse kein Restrisiko hingenommen werden. Ob, wie zuletzt zwischen den Beteiligten streitig, die Waffe im Auto des Klägers bei der Trunkenheitsfahrt geladen war, und ob er sie nach dem Unfall genügend beaufsichtigt hat, könne offenbleiben. Genügende Anhaltspunkte für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang des Klägers mit Waffen ergäben sich bereits daraus, dass er seine Jagdwaffe bei einer Autofahrt mitgeführt hat, obwohl er eine Atemalkoholkonzentration von 1,69 Promille bzw. eine Blutalkoholkonzentration von 1,48 Promille aufwies und sich damit in einem Zustand befand, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können und vorliegend – in Form der zu dem Verkehrsunfall mit erheblichem Sachschaden führenden Unaufmerksamkeit – auch aufgetreten sind.
Als Waffenbesitzer unzuverlässig
Die Blutalkoholkonzentration übersteige den Grenzwert absoluter Fahruntüchtigkeit von Kraftfahrern (1,1 Promille). Mit einer Schusswaffe gehe nicht vorsichtig und sachgemäß um, wer diese in einem Zustand gebrauche, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können – unabhängig davon, ob solche auch tatsächlich aufträten. Das gelte auch für das Mitführen einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe bei einer Autofahrt in alkoholisiertem Zustand, das waffenrechtlich als „Führen der Schusswaffe“ einzuordnen sei.
Es bestehe zum einen die Gefahr, dass der Waffenbesitzer in einer Konfliktsituation mit anderen Verkehrsteilnehmern aufgrund alkoholbedingter Ausfallerscheinungen inadäquat reagieren und zur Konfliktlösung auf die von ihm mitgeführte Schusswaffe zurückgreifen könnte. Zum anderen bestehe beim Transport einer Schusswaffe im Straßenverkehr bei alkoholbedingten Ausfallerscheinungen des Waffenbesitzers die reale Möglichkeit des Abhandenkommens der Schusswaffe. Jedenfalls dann, wenn es – wie hier – zu einem Unfall kommt, bestehe das Risiko, dass der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, den Zugriff Dritter auf die Waffe auszuschließen. Dass der Kläger zwischenzeitlich seinen Führerschein wiedererlangt habe, ändere an dem Ergebnis nichts.
Quelle | VG Münster, Urteil vom 1.4.2025, 1 K 2756/22, PM vom 7.4.2025
| Die Ordnungsmaßnahme einer Gesamtschule im Rhein-Kreis-Neuss, einen Zehntklässler mit sofortiger Wirkung von der Schule zu entlassen, weil dieser mit weiteren Jugendlichen einen Obdachlosen angegriffen und auf den am Boden liegenden Mann eingetreten und -geschlagen hat, ist rechtmäßig. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf entschieden und den gegen die Schulentlassung gerichteten Eilantrag des Schülers abgelehnt. |
Schweres Fehlverhalten
Das VG: Die Voraussetzungen der Entlassung von der Schule liegen vor, da der Schüler durch schweres Fehlverhalten die Rechte des Obdachlosen ernstlich verletzt und hierdurch zugleich die Erfüllung der Aufgaben der Schule ernstlich gefährdet hat. Es ist unstreitig, dass der Schüler mit massiver, nahezu hemmungsloser Aggression mindestens achtmal auf den am Boden liegenden Obdachlosen (teils mit Anlauf) eingetreten und (teils mit voller Wucht) mit der Faust gegen dessen Körper und Kopf geschlagen hat, obgleich von dem Mann zu diesem Zeitpunkt erkennbar keinerlei Gefahr ausging und dieser sich – im Gegenteil – die Hände schützend vor seinen Kopf hielt.
Schulfrieden massiv beeinträchtigt
Zugleich hat der Schüler durch dieses Verhalten seine Pflicht verletzt, an der Erfüllung der Aufgaben der Schule mitzuarbeiten. Der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule hat keine festen räumlichen Grenzen. Vielmehr kommt es darauf an, ob das Fehlverhalten – wie hier – störend in den Schulbetrieb hineinwirkt. Dadurch, dass der Schüler während der Schulzeit in der Mittagspause zwischen zwei Unterrichtseinheiten in unmittelbarer Nähe des Schulgeländes den Obdachlosen gemeinsam mit weiteren Jugendlichen angegriffen hat, waren in den darauffolgenden Tagen der Schulfrieden und der Unterricht der Schule massiv beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund handelt es sich nicht um ein bloßes „außerschulisches Fehlverhalten“ des Schülers, sondern wurde der Konflikt in die Schule hineingetragen, da dieses ohne jeden Zweifel erheblich in das Unterrichtsgeschehen der nachfolgenden Tage hineingewirkt hat.
Keine vorherige Androhung erforderlich
Die Entlassung von der Schule ist angesichts des objektiven Schweregrades der Pflichtverletzung und der zeitnah bevorstehenden Zentralen Prüfungen zur Erlangung des Mittleren Schulabschlusses nach Ansicht des VG auch ohne vorherige Androhung der Entlassung von der Schule verhältnismäßig. Die Entlassung des Schülers von der Schule stellt angesichts der besonderen Schwere der Pflichtverletzung das einzig sichere Mittel dar, um weiteres Fehlverhalten des Schülers auszuschließen und den Schulfrieden der Schule wiederherzustellen.
Schüler war bereits vorher auffällig
Bei der Abwägung war insoweit zu berücksichtigen, dass der Schüler bereits im August 2023 einem Mitschüler einen Faustschlag in das Gesicht versetzt hatte, der Antragsteller seine Impulse in Ausnahme- oder Stresssituationen mithin nicht jederzeit unter Kontrolle hat, sondern zu gewalttätigen Reaktionen neigt, und dass zudem die seinerzeit ergriffene Ordnungsmaßnahme offenbar auch nicht die gewünschte nachhaltige positive Verhaltensänderung bei dem Schüler bewirkt hat. Zudem war zu berücksichtigen, dass der Schüler mit Blick auf die am 27.5.2025 beginnenden Zentralen Prüfungen am Ende der Klasse 10 nur noch kurze Zeit den Unterricht besucht.
Angesichts dessen erweisen sich andere, im Verhältnis zur Entlassung von der Schule mildere Ordnungsmaßnahmen – etwa die Überweisung in eine Parallelklasse oder die Androhung der Entlassung von der Schule – ersichtlich als zur Zweckerreichung nicht gleichermaßen geeignet. Denn sowohl die Androhung der Entlassung als auch die Überweisung in eine Parallelklasse können aus Sicht der Kammer bei lebensnaher Betrachtung im Hinblick auf die nur noch verbleibenden wenigen Unterrichtstage erkennbar keinen nennenswerten erzieherischen Einfluss auf den Schüler entfalten.
Quelle | VG Düsseldorf, Beschluss vom 4.4.2025, 18 L 1171/25, PM vom 4.4.2025
| Was dürfen Eigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft beim Thema Gestaltung ihrer Wohnung und was nicht? Diese Frage beschäftigt Gerichte immer wieder – so auch das Amtsgericht (AG) München in einem aktuellen Fall. |
Das beabsichtigten die Eigentümer
Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung in einem neunstöckigen Wohnkomplex. Die Balkone des Gebäudes sind mit einer Loggia ausgestattet. Die Eigentümer der Wohnung planten, zusätzlich zur bereits bestehenden Balkontür, in einem anderen Zimmer der Wohnung ein vorhandenes Fenster zur Balkontür umbauen zu lassen. Hierfür beantragten sie die Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Eigentümergemeinschaft verweigerte die Zustimmung
Diese verweigerte jedoch die Zustimmung aufgrund von Bedenken im Zusammenhang mit der konstruktiven Stabilität, der Gefahr von Kälte- und Wassereintritt und der Sorge, dass die Versetzung eines aktuell vor dem Fenster befindlichen Heizkörpers Auswirkungen auf das Heizungssystem des Gebäudes habe.
Klage vor dem Amtsgericht
Da die Eigentümer sich im Recht wähnten, verklagten sie die Eigentümergemeinschaft vor dem AG auf Zustimmung. Dieses gab den Klägern Recht. Es ersetzte die grundsätzliche Zustimmung zum geplanten Umbau und legte der Eigentümergemeinschaft auf, die Modalitäten und Einzelheiten in der Eigentümerversammlung zu beschließen.
Das AG sagt: Der Umbau eines Fensters stelle jedenfalls hinsichtlich des Mauerdurchbruchs durch die Außenwand eine auf Dauer angelegte gegenständliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums dar, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehe und damit eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums darstelle.
Das Wohnungseigentumsgesetz (hier: § 20 Abs. 3 WEG) begründe einen Anspruch auf Gestattung einer baulichen Veränderung, durch die kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt werde. Eine Beeinträchtigung sei rechtlich nicht relevant, wenn sie nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehe oder die über dieses Maß hinaus beeinträchtigten Wohnungseigentümer einverstanden seien.
Soweit nicht auszuschließen sein soll, dass durch den Einbau eines neuen Heizkörpers Nachteile für das übrige Heizungssystem entstehen könnten, mache die Beklagte keine konkrete und objektive Beeinträchtigung geltend, durch die ein Wohnungseigentümer sich beeinträchtigt fühlen könne.Vielmehr handele es sich hier um ein nicht zu berücksichtigendes hypothetisches Risiko. Auch dass sich der Wandausschnitt, der durch den Einbau einer Terrassentür vergrößert würde, in der Außenmauer des Gebäudes befinde, und damit Gemeinschaftseigentum verändert würde, stelle für sich genommen keine erhebliche Beeinträchtigung dar.
Vorliegend sei nicht ersichtlich, in welcher Weise die in Rede stehende Maßnahme andere Eigentümer konkret beeinträchtigen würde. Soweit die Beklagte geltend mache, es bestünden nicht auszuschließende Folgen für die Abgeschlossenheit der Wohnung sowie die statische Sicherheit, handele es sich wiederum um rein theoretische Bedenken, denen durch entsprechende Auflagen, wie dem Verlangen nach fachkundiger Planung und ggf. statischer Berechnung durch ein Fachunternehmen nach den Regeln der Baukunst, Rechnung getragen werden könne.
Soweit die Beklagte weiter geltend mache, durch eine Veränderung in der Außenhülle des Gebäudes bestehe die Gefahr von Kälte- oder Wassereintritt, sei nicht ersichtlich, inwiefern dies andere Wohnungseigentümer als die Kläger beeinträchtigen sollte. Zudem handele es sich im Hinblick darauf, dass der von dem Mauerdurchbruch betroffenen Wand die Loggia vorgelagert sei, um theoretische Befürchtungen und nicht um konkrete und objektive Beeinträchtigungen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 27.5.2025, 1293 C 26254/24, PM 27/25
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Bei Fehlen eines schriftlichen Energieversorgungsvertrags richtet sich das Leistungsangebot eines Strom- und Gasversorgungsunternehmens an den Vermieter (Eigentümer) – und nicht, wie sonst regelmäßig der Fall, an den Mieter. Dies gilt im Fall einer Wohnung, wenn die einzelnen Zimmer durch separate Mietverträge vermietet sind und diese lediglich über einen Zähler für Strom und Gas verfügt. |
Das war geschehen
Die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, nahm die beklagte Vermieterin auf Zahlung von Entgelt für die Belieferung mit Strom und Gas im Rahmen der Grundversorgung in Anspruch. Die Zimmer der Wohnung waren einzeln mit gesonderten Mietverträgen über unterschiedliche Laufzeiten vermietet, wobei sämtlichen Mietern das Recht zur Nutzung der Gemeinschaftsräume, wie Küche und Bad, eingeräumt wurde. Nur die Wohnung, nicht hingegen die einzelnen Zimmer, verfügte über einen Zähler für Strom und Gas und wurde von der Klägerin mit Strom und Gas beliefert. Ein schriftlicher Energieversorgungsvertrag bestand nicht. Die Parteien stritten, ob ein durch die Entnahme von Strom und Gas konkludent zustande gekommener Versorgungsvertrag mit der Vermieterin (Eigentümerin) oder mit den Mietern besteht.
Die auf Zahlung der Versorgungsentgelte für einen Zeitraum von fünf Jahren gerichtete Klage hat das Amtsgericht (AG) abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht (LG) das erstinstanzliche Urteil geändert und der Klage stattgegeben. Die Beklagte begehrte beim BGH daher, das klageabweisende erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Das Berufungsgericht, so der BGH, hat zu Recht angenommen, dass unter den hier gegebenen Umständen ein Versorgungsvertrag mit der beklagten Vermieterin der Wohnung besteht. Entgegen der Ansicht der Revision war das in der Bereitstellung von Strom und Gas liegende (konkludente) Angebot der Klägerin weder an die Mieter der einzelnen Zimmer noch an die Gesamtheit der Mieter gerichtet.
Zwar haben allein die Mieter Einfluss auf den Strom- und Gasverbrauch in der Wohnung. Jedoch lässt sich dieser Verbrauch – mangels separater Zähler – nicht den einzelnen vermieteten Zimmern zuordnen. Zudem haben die einzelnen Mieter bei objektiver Betrachtung typischerweise kein Interesse daran, auch für die Verbräuche der anderen Mieter einzustehen. Der Umstand, dass sich das konkludente Angebot des Energieversorgungsunternehmens daher an die Vermieterin richtete, ist Folge des von ihr gewählten besonderen Vermietungskonzepts.
Quelle | BGH, Beschluss vom 15.4.2025, VIII ZR 300/23, PM 79/25
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Eine Zuwendung von Todes wegen zugunsten des Hausarztes des Erblassers ist nicht unwirksam, weil sie gegen ein den Hausarzt treffendes berufsständisches Zuwendungsverbot verstößt. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Hausarztes, der den Erblasser seit 2015 behandelt hatte. Im Januar 2016 schloss der Erblasser mit dem Hausarzt sowie der ihn pflegenden Beklagten und deren Tochter vor einem Notar eine als „Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag“ bezeichnete Vereinbarung. In dieser verpflichtete sich der Hausarzt gegenüber dem Erblasser zu verschiedenen ärztlichen Leistungen, unter anderem zu medizinischer Beratung und Behandlung, zu Hausbesuchen und telefonischer Erreichbarkeit sowie zu Betreuungsleistungen im häuslichen Bereich. Als Gegenleistung sollte der Arzt im Falle des Todes des Erblassers das Eigentum an einem dem Erblasser gehörenden Grundstück erhalten. Im März 2016 verfügte der Erblasser in einem notariellen Testament, dass ihn die Beklagte hinsichtlich seines im Vertrag vom Januar 2016 nicht erfassten Vermögens allein beerben solle.
Im Januar 2018 verstarb der Erblasser. Die Pflegerin (Beklagte) nahm seinen Nachlass in Besitz. Im Dezember 2019 wurde über das Vermögen des Hausarztes das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger hat als Insolvenzverwalter die Beklagte auf Übertragung des dem Arzt in der Vereinbarung vom Januar 2016 zugewandten Grundstücks an die Insolvenzmasse in Anspruch genommen.
So sah es der Bundesgerichtshof
Die Zuwendung des Grundstücks an den Hausarzt im Wege des Vermächtnisses ist wirksam. Selbst, wenn der Arzt gegen seine Berufsordnung verstoßen hätte, indem er die Zuwendung annahm, führt dies nicht zur Unwirksamkeit des Vermächtnisses.
Die Berufsordnung für Ärzte (hier: § 32 Abs. 1 S. 1 BO-Ä) regelt als berufsständische Vorschrift das Verhältnis zwischen dem Arzt und der für ihn zuständigen Landesärztekammer. Die Vorschrift verbietet deshalb nur ein Verhalten des Arztes, dem es nicht gestattet ist, Geschenke oder andere Vorteile zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen. Nicht geschützt von diesem Verbot wird hingegen der zuwendende Patient oder die Erwartung seiner Angehörigen, diesen zu beerben. Die Vorschrift zielt darauf ab, die Unabhängigkeit des behandelnden Arztes sowie das Ansehen und die Integrität der Ärzteschaft zu sichern. Dies kann durch berufsrechtliche Sanktionen vonseiten der Ärztekammer ausreichend sichergestellt werden.
Patient hatte Testierfreiheit
Auch die Testierfreiheit des Patienten verbietet es, ein zugunsten des behandelnden Arztes angeordnetes Vermächtnis wegen Verstoßes gegen eine Berufsordnung für unwirksam zu halten. Für eine Beschränkung der Testierfreiheit des Patienten fehlt schon eine ausreichende gesetzliche Grundlage.
Berufungsgericht muss erneut prüfen
Der Senat hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben. Er hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das den Parteien noch Gelegenheit geben muss, zu einem von ihm bislang nicht geprüften Verstoß der Vereinbarung des Vermächtnisses in dem Erbvertrag gegen die guten Sitten vorzutragen.
Quelle | BGH, Urteil vom 2.7.2025, IV ZR 93/24, PM 122/25
| Verkauft eine Kommanditgesellschaft ein Grundstück an eine andere Kommanditgesellschaft, ist dies auch dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB in Verbindung mit § 463 BGB), wenn es sich auf Verkäufer- und Käuferseite jeweils um Einpersonen-GmbH & Co. KGs mit demselben alleinigen Anteilsinhaber handelt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in zwei Parallelverfahren entschieden. |
Das war geschehen
Die Klägerinnen, verschiedene GmbH & Co. KGs, wenden sich gegen die Ausübung von Vorkaufsrechten nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB. Mit notariellen Kaufverträgen von Mai 2021 veräußerten sie Grundstücke an zuvor neu gegründete GmbH & Co. KGs, hinter denen jeweils dieselbe natürliche Person steht, wie auf Verkäuferseite.
Mit Bescheiden von Juli 2021 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht aus, in einem Fall zugunsten der beigeladenen stadteigenen Entwicklungsgesellschaft. Im anderen Verfahren gab die Erstkäuferin (Klägerin zu 2) eine Abwendungserklärung ab.
Klagen zunächst erfolgreich
Die Klagen waren erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht (VG) habe zu Recht angenommen, dass es an dem für ein Vorkaufsrecht erforderlichen Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 463 BGB fehle. Der Begriff des Dritten müsse einschränkend ausgelegt werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei hier nur eine Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre derselben natürlichen Personen erfolgt.
So sah es das Bundesverwaltungsgericht
Das BVerwG hat die angefochtenen Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Die Grundstückskaufverträge sind Verträge mit einem Dritten.
Gesellschaftsrechtlich sind die Kommanditgesellschaften auf Verkäufer- und Käuferseite trotz des Umstands, dass hinter ihnen jeweils dieselbe natürliche Person steht, selbstständige Rechtsträger. Eine wirtschaftliche Betrachtung auf Gesellschafterebene ist weder nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts noch verfassungsrechtlich geboten. Die Klägerinnen haben sich aus eigenem Entschluss für diese Form der Grundstücksübertragung entschieden.
Das BVerwG konnte mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Vorkaufsrechte im Übrigen rechtmäßig ausgeübt wurden. Das erfordert die Zurückverweisung an die Vorinstanz.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 17.6.2025, 4 C 4.24, PM 46/25
| In Architekten- und Ingenieurkammern, in denen die Fortbildung eine Berufspflicht ist und kontrolliert wird, kann das Nichtvorweisen entsprechender Fortbildungspunkte zum Ausschluss aus der jeweiligen Kammer führen. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen klargestellt. |
Fortbildungspflicht nicht erfüllt – zunächst Verweis und Geldbuße
Ein Mitglied der Ingenieurkammer-Bau NRW hatte in einem Jahr seine Fortbildungspflicht nicht erfüllt. Er hatte deshalb einen Verweis erhalten und musste eine Geldbuße zahlen.
Erneuter Pflichtverstoß: Kammerausschluss
Drei und sechs Jahr später geschah das Gleiche. Weil der Ingenieur auch bei der nächsten Stichprobe erneut keine Teilnahmebescheinigungen für anerkannte Fortbildungsveranstaltungen vorlegen konnte, schloss ihn das Berufsgericht aus der Kammer aus.
Oberverwaltungsgericht bestätigt Kammerausschluss
Die Klage dagegen wies das OVG ab. Der Ausschluss sei die angemessene berufsgerichtliche Maßnahme, auch wenn es sich um die schärfste berufsgerichtliche Sanktion handele. Die nochmalige Festsetzung einer Geldbuße als mildere Maßnahme komme nicht in Betracht.
Quelle | OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.8.2025, 39 A 834/24
| Lange war es ruhig um das sog. Kopplungsverbot. Jetzt hat das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg einen solchen Fall entschieden. Dieses stellt klar: Tritt ein Architekt wie ein Bauträger auf, findet das Kopplungsverbot Anwendung. Der Vertrag ist – wie hier entschieden – nichtig. |
Das besagt das Kopplungsverbot
Das Kopplungsverbot im Architektenrecht verbietet es, den Erwerb eines Grundstücks mit der Pflicht zu verbinden, einen bestimmten Architekten oder Ingenieur damit zu beauftragen, ein Bauwerk zu planen oder auszuführen. So soll der freie Wettbewerb unter Architekten geschützt werden. Außerdem soll so verhindert werden, dass sich Einzelne durch die Verknüpfung von Grundstückserwerb und Architektenleistung eine monopolartige Stellung verschaffen.
Bauherren werden geschützt
Das Verbot richtet sich gegen jede mit dem Erwerb eines Grundstücks zusammenhängende Bindung, die den Wettbewerb von Ingenieuren und Architekten beeinträchtigt. Die Vorschrift soll der Gefahr entgegenwirken, dass ein Architekt oder Ingenieur sich bei knapp gewordenem Baugrund dadurch Wettbewerbsvorteile verschafft, dass er ein Grundstück an der Hand hat.
Geschützt wird die Entschließungsfreiheit des Bauherrn, durch den Kauf eines Grundstücks, auf dem gebaut werden soll, nicht an einen bestimmten Architekten oder Ingenieur gebunden zu sein.
Quelle | OLG Nürnberg, Beschluss vom 8.5.2025, 6 U 1787/24
| Diese Frage musste das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf klären. Es neigte dazu, sie negativ zu beantworten. Die Parteien haben sich daraufhin entsprechend einem Vorschlag des Gerichts verglichen. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist seit 2013 in Vollzeit und im Schichtdienst an fünf Tagen in der Woche als Spielhallenaufsicht bei der Beklagten beschäftigt. Diese betreibt Spielhallen mit üblichem Publikumsverkehr und bietet dort u. a. Getränke an. Ausweislich der arbeitsvertraglich vereinbarten Stellenbeschreibung sind Haustiere in der Spielhalle verboten.
Im Jahr 2019 schloss die Klägerin mit der Hundehilfe Deutschland e.V. einen Tierüberlassungsschutzvertrag. Nachdem zunächst auch der Vater der Klägerin auf die Hündin aufgepasst hatte, brachte sie das Tier jedenfalls nach dem Ende der Corona-Lockdowns regelmäßig mit zur Arbeit. Verschiedene wechselnde Vorgesetzte erhoben zunächst keine Einwände. Ihr aktueller Vorgesetzter teilte ihr mit, dass der Geschäftsführer das Mitbringen der Hündin an den Arbeitsplatz nicht dulden werde bzw. – so die Klägerin – würde. Der Geschäftsführer der Beklagten bat die Klägerin dann schriftlich unter Bezugnahme auf die Stellenbeschreibung, es künftig zu unterlassen, die Hündin mit zur Arbeit zu bringen.
So sah es das Landesarbeitsgericht
Mit ihrer einstweiligen Verfügung hat die Klägerin begehrt, der Beklagten aufzugeben, die Mitnahme der Hündin während ihrer Arbeitszeiten in die Spielhalle bis zur erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache zu dulden. Die Kammer hat dann in der mündlichen Verhandlung im Rechtsgespräch mitgeteilt, dass sie davon ausgehe, dass das vertragliche Verbot weiterbestehen dürfte.
Die bloße Nichtdurchsetzung eines Verbots führe nicht zu dessen Aufhebung. Es spreche viel dafür, dass die Arbeitgeberin berechtigt sei, dies durchzusetzen, weil Kunden die Spielhalle z. B. aufgrund einer Tierhaarallergie oder Angst vor Hunden ggf. erst gar nicht aufsuchten. In der Verhandlung hat die Arbeitgeberin zudem angeführt, dass Beschäftigte in anderen von ihr betriebenen Spielhallen begännen, sich auf die von der Klägerin gelebte Praxis zu berufen.
Vergleich geschlossen
Das LAG hat dann mitgeteilt, dass die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Düsseldorf, das den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen hatte, wenig Aussicht auf Erfolg habe. Um die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und eine Gewöhnung der Hündin an andere Betreuungsmöglichkeiten zu ermöglichen, haben die Parteien auf Vorschlag des Gerichts einen Vergleich – auch zur Erledigung der Hauptsache – geschlossen. Die Klägerin durfte ihre Hündin noch für eine Übergangszeit von knapp zwei Monaten an den Arbeitsplatz mitbringen, danach jedoch nicht mehr.
Quelle | LAG Düsseldorf, Vergleich vom 8.4.2025, 8 GLa 5/25, PM vom 8.4.2025
| Ein Arbeitsgericht (ArbG) hatte bereits im letzten Jahr entschieden, dass ein Leiharbeitnehmer nicht ohne Weiteres eine Inflationsausgleichsprämie erhält, die im Entleiherbetrieb den dort Beschäftigten gezahlt wird. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holsteinhat dies nun bestätigt. |
So sah es die Arbeitnehmerin
Die Klägerin wurde von ihrer Arbeitgeberin, einem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen, in einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie („Entleiherin“) eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis endete zum 31.7.2023. Der Arbeitsvertrag der Parteien verwies u. a. auf die für Leiharbeitnehmer geltenden Tarifverträge über Branchenzuschläge für die Metall- und Elektroindustrie („TV BZ ME“) sowie Inflationsausgleichsprämie („TV IAPME“). Die Entleiherin füllte der Beklagten einen „Fragebogen zur Ermittlung von Equal Pay sowie des Branchenzuschlags ab dem 16. Einsatzmonat“ aus.
Die Mitarbeiter im Betrieb der Entleiherin erhielten im Juni 2023 eine Inflationsausgleichsprämie i.H.v. 1.000 Euro, die Klägerin dagegen nicht. Sie macht nun gerichtlich diese 1.000 Euro sowie weitere 1.200 Euro geltend.
Für die erste Zahlung bestehe durch den Fragebogen eine Equal-Pay-Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin, der Beklagten. Im Übrigen sei die Gleichstellung nicht per Tarifvertrag ausgeschlossen worden.
Hinsichtlich der zweiten Zahlung könne die Inflationsausgleichsprämie nach dem TV IAP ME bereits verlangt werden, wenn deren Voraussetzungen nach Inkrafttreten des Tarifvertrags, aber vor dem ersten Auszahlungszeitpunkt im Januar 2024 erfüllt gewesen seien. Damit sei die Prämie auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszuzahlen.
Landesarbeitsgericht: keine Equal-Pay-Vereinbarung und fehlender Vortrag
Das LAG entschied, dass der o. g. ausgefüllte Fragenbogen keine Equal-Pay-Vereinbarung mit deren Arbeitnehmern darstellt. Die Klägerin hat auch nicht die Voraussetzungen für eine Gleichstellung mit den Mitarbeitern der Entleiherin vorgetragen.
Dazu muss sie als darlegungs- und beweisbelaste Klägerin einen Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum vornehmen. Dem wird sie nicht gerecht: Der Verweis, der Klägerin müsse die Inflationsausgleichsprämie schon deshalb gezahlt werden, weil die Stammarbeitnehmer der Entleiherin diese erhalten hätten, reicht dafür nicht aus.
Die Klägerin kann die Inflationsausgleichsprämien auch nicht aus dem TV IAP ME beanspruchen: Die Auslegung des Tarifvertrags ergibt, dass im jeweiligen Auszahlungsmonat (Januar bis November 2024) der tariflichen Inflationsausgleichsprämien – anders als die Klägerin meint – noch ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden haben muss. Hier endete das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin aber bereits im Jahr 2023.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6.3.2025, 5 Sa 222 d/24, PM des LAG
| Dem Arbeitgeber kann weder die Kenntnis der Schwerbehindertenvertretung noch die eines Fachvorgesetzten von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zugerechnet werden. So sieht es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln in einer aktuellen Entscheidung. |
Keine rechtsgeschäftlichen Vertreter
Weder die Schwerbehindertenvertretung noch der Fachvorgesetzte des Arbeitnehmers hätten eine Stellung, die einem rechtsgeschäftlichen Vertreter des Arbeitgebers ähnlich sei. Denn die Schwerbehindertenvertretung vertrete die Interessen der schwerbehinderten Menschen gegenüber dem Arbeitsgericht. Sie sei nicht seiner Sphäre zuzurechnen.
Schwerbehindertenvertretung kümmert sich nicht um personalrechtliche Belange
Sie kümmere sich auch nicht um personalrechtliche Belange aus der Sicht des Arbeitgebers, sondern allenfalls aus der Sicht der schwerbehinderten Mitarbeiter.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 7.5.2025, 4 SLa 438/24
| Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen einer Universität und des durch die Universität disziplinarrechtlich beklagten Universitätsprofessors gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Göttingen jeweils zurückgewiesen, mit dem dieses den Universitätsprofessor um zwei Besoldungsgruppen von W 3 auf W 1 zurückgestuft hat. |
Das war geschehen
Die Universität hatte mit der von ihr gegen den Professor erhobenen Disziplinarklage seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erstrebt. Das VG hat mit der von beiden Beteiligten angegriffenen Entscheidung hingegen auf eine Zurückstufung um zwei Besoldungsstufen erkannt.
Nach der Vernehmung von neun Zeugen und unter Berücksichtigung der bereits durch das VG erhobenen Beweise hat das OVG es als erwiesen angesehen, dass der Universitätsprofessor mehrfach und über Jahre hinweg Studentinnen, Doktorandinnen und Mitarbeiterinnen grenzüberschreitend berührt und sich ihnen gegenüber anzüglich geäußert hatte.
So sah es das Oberverwaltungsgericht
Das OVG hat die erstinstanzliche Entscheidung mit seinem Urteil bestätigt. Der Universitätsprofessor habe ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen, das den Ausspruch der zweithöchsten Disziplinarmaßnahme erfordere. Ihm würden daher für einen Zeitraum von fünf Jahren die Bezüge aus der niedrigeren Besoldungsgruppe W 1 gezahlt, wobei er sein Statusamt als Universitätsprofessor behalte.
Mit seinem Verhalten habe er seine beamtenrechtliche Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verletzt. Erschwerend hat das OVG berücksichtigt, dass akademische Nachwuchskräfte in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu Professoren stünden, das über das übliche Verhältnis von Vorgesetzten und Beschäftigten weit hinausgehe.
Der Beklagte sei seiner mit besonderer Verantwortung einhergehenden Stellung als Universitätsprofessor nicht gerecht geworden und habe diese vielmehr dazu ausgenutzt, seine Macht zu demonstrieren und die betroffenen weiblichen Nachwuchskräfte in ihrer Würde zu verletzen. Sein Verhalten habe er zudem insbesondere trotz der Pflichtenmahnung durch die damalige Präsidentin der Universität in den Jahren 2012 und 2013 nicht verändert. Mildernd berücksichtigt hat das OVG demgegenüber die Länge des Disziplinarverfahrens von ca. acht Jahren, die sich für den Beklagten belastend ausgewirkt habe.
Die Entscheidung des Senats ist rechtskräftig.
Quelle | OVG Lüneburg, Urteil vom 25.6.2025, 3 LD 1/24, PM vom 30.6.2025
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass eine Methode zur Aufteilung des Verkaufspreises eines Sparmenüs nicht sachgerecht ist, wenn sie dazu führt, dass auf ein Produkt des Sparmenüs (z. B. Burger) ein anteiliger Verkaufspreis entfällt, der höher ist als der Einzelverkaufspreis. |
Hintergrund: Bei Sparmenüs, die zum Pauschalpreis angeboten und als „Außer-Haus-Menüs“ verkauft werden, ist hinsichtlich der Speisenlieferung der ermäßigte Steuersatz (7 %) und hinsichtlich des Getränks der Regelsteuersatz (19 %) anzuwenden. Wird vor Ort verzehrt, stellt sich die Aufteilungsfrage grundsätzlich nicht, da es sich um eine Restaurationsleistung handelt, sodass auch die Speisen mit 19 % zu versteuern sind.
Beachten Sie | Dies könnte sich aber bald ändern. Denn im Koalitionsvertrag steht, dass die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie zum 1.1.2026 auf 7 % reduziert werden soll.
Das war geschehen
Zwei GmbHs betrieben als Franchisenehmer Schnellrestaurants, in denen u. a. Sparmenüs (z. B. Getränk, Burger und Pommes frites) zu einem einheitlichen Gesamtpreis zum Verzehr außer Haus verkauft wurden.
„Food-and-Paper“-Methode zur Aufteilung von Speisen und Getränken
Die GmbHs teilten den Gesamtpreis des Sparmenüs nach der „Food-and-Paper“-Methode auf die Speisen und das Getränk auf. Die Aufteilung erfolgt dabei anhand des Wareneinsatzes, das heißt, der Summe aller Aufwendungen für die Speisen bzw. für das Getränk. Da in der Gastronomie die Gewinnspanne auf Getränke typischerweise deutlich höher ist als die Gewinnspanne auf Speisen, ergibt sich hieraus eine niedrigere Umsatzsteuer als bei einer Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen.
Das Finanzamt hielt diese Aufteilungsmethode für unzulässig, weil sie nicht so einfach sei, wie eine Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen und außerdem nicht zu sachgerechten Ergebnissen führe. Demgegenüber hielt das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg die „Food-and-Paper“-Methode für zulässig, der BFH aber nicht.
Aufteilung muss sachgerecht sein
Der BFH führte zwar aus, dass (entgegen der Ansicht des Finanzamts) der Unternehmer nicht immer die einfachste Methode anwenden muss. Wenn eine andere Methode zumindest ebenso sachgerecht ist, wie die Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen, darf er auch die andere Methode anwenden.
Gleichwohl erkannte der BFH die „Food-and-Paper“-Methode nicht an, weil sie in manchen Fällen dazu führt, dass der Preis eines Burgers mit einem hohen Wareneinsatz im Menü über dem Einzelverkaufspreis des Burgers liegt. Es widerspricht der wirtschaftlichen Realität, dass der Verkaufspreis eines Produkts in einem mit Rabatt verkauften Menü höher sein kann als der Einzelverkaufspreis.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 19/23, PM 38/25 vom 5.6.2025
| Seit dem 1.1.2025 beträgt der gesetzliche Mindestlohn 12,82 Euro pro Stunde. Die Mindestlohnkommission hat nun eine stufenweise Erhöhung des Mindestlohns auf 13,90 Euro zum 1.1.2026 und auf 14,60 Euro zum 1.1.2027 beschlossen. |
Hintergrund: Mindestlohngesetz
Im Mindestlohngesetz ist geregelt, dass „die Mindestlohnkommission alle zwei Jahre über Anpassungen der Höhe des Mindestlohns zu beschließen“ hat. Diesem Auftrag ist die Kommission in ihrer Sitzung vom 27.6.2025 nun nachgekommen. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas hat bereits angekündigt, der Bundesregierung vorzuschlagen, die Anpassung durch Rechtsverordnung zum 1.1.2026 verbindlich zu machen.
Folge: Auch erhöhte Minijob-Grenze
Die Erhöhung hat auch Auswirkungen auf die Minijob-Grenze( derzeit 556 Euro monatlich), da diese an den Mindestlohn „gekoppelt“ ist.
Beachten Sie | Die Geringfügigkeitsgrenze bezeichnet das monatliche Arbeitsentgelt, das bei einer Arbeitszeit von zehn Wochenstunden zum Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (hier: § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG ) erzielt wird. Sie wird berechnet, indem der Mindestlohn mit 130 vervielfacht, durch drei geteilt und auf volle Euro aufgerundet wird.
Das bedeutet Folgendes: Bei einem gesetzlichen Mindestlohn von 13,90 Euro ergibt sich ab dem 1.1.2026 eine Geringfügigkeitsgrenze von 603 Euro (13,90 Euro × 130 ÷ 3). Ab dem 1.1.2027 sind es dann 633 Euro.
Quelle | BMAS, Mitteilung vom 27.6.2025: „Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1.1.2026“
| Verkauft eine Kommanditgesellschaft (KG) ein Grundstück an eine andere KG, ist dies auch dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB in Verbindung mit § 463 BGB), wenn es sich auf Verkäufer- und Käuferseite jeweils um Einpersonen-GmbH & Co. KG mit demselben alleinigen Anteilsinhaber handelt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in zwei Parallelverfahren entschieden. |
Das war geschehen
Die Klägerinnen, verschiedene GmbH & Co. KG, wenden sich gegen die Ausübung von Vorkaufsrechten nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB. Mit notariellen Kaufverträgen von Mai 2021 veräußerten sie Grundstücke an zuvor neu gegründete GmbH & Co. KG, hinter denen jeweils dieselbe natürliche Person steht wie auf Verkäuferseite. Mit Bescheiden von Juli 2021 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht aus, in einem Fall zugunsten der beigeladenen stadteigenen Entwicklungsgesellschaft. Im anderen Verfahren gab eine der Klägerinnen, die Erstkäuferin, eine Abwendungserklärung ab.
Die Klagen waren erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht (VG) habe zu Recht angenommen, dass es an dem für ein Vorkaufsrecht erforderlichen Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 463 BGB fehle. Der Begriff des Dritten müsse einschränkend ausgelegt werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei hier nur eine Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre derselben natürlichen Personen erfolgt.
So sieht es das Bundesverwaltungsgericht
Das BVerwG hat die angefochtenen Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Die Grundstückskaufverträge sind Verträge mit einem Dritten. Gesellschaftsrechtlich sind die KG auf Verkäufer- und Käuferseite trotz des Umstands, dass hinter ihnen jeweils dieselbe natürliche Person steht, selbstständige Rechtsträger.
Eine wirtschaftliche Betrachtung auf Gesellschafterebene ist weder nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts noch verfassungsrechtlich geboten. Die Klägerinnen haben sich aus eigenem Entschluss für diese Form der Grundstücksübertragung entschieden. Das BVerwG konnte mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Vorkaufsrechte im Übrigen rechtmäßig ausgeübt wurden. Das erfordert die Zurückverweisung an die Vorinstanz.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 17.6.2025, 4 C 4.24, PM 46/25
| Die Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) hat jüngst mitgeteilt, dass die Steuerfahndung ein Datenpaket mehrerer Social-Media-Plattformen analysiert. Ziel der Ermittlungen sind professionelle Influencer, die ihre steuerlichen Pflichten mit hoher krimineller Energie umgehen. |
300 Mio. Euro Steuervolumen
Das Influencer-Team des Landesamts zur Bekämpfung der Finanzkriminalität in NRW (LBF NRW) ist vorsätzlichen Steuerbetrügern in den sozialen Netzwerken auf der Spur. Derzeit werten die Experten ein Datenpaket von mehreren großen Plattformen aus. Darin enthalten sind 6.000 Datensätze, die auf nicht versteuerte Gewinne mit Werbung, Abos und Co. hinweisen. Sie beziehen sich nur auf Influencer aus NRW und umfassen ein strafrechtlich relevantes Steuervolumen in Höhe von rund 300 Mio. Euro.
Nur „Große Fische“ im Visier
Im Visier stehen die „großen Fische“. Stephanie Thien, Leiterin des LBF NRW, betont: „Im Fokus unseres Influencer-Teams stehen ausdrücklich nicht junge Menschen, die ein paar Follower gesammelt und ein paar Cremes oder Kleider beworben haben.“
Beachten Sie | Auch die Finanzämter in Hamburg nehmen die Influencer ins Visier. Bereits im Jahr 2022 wurde eine Expertengruppe zur Besteuerung von Influencern und anderen Social-Media-Akteuren gegründet. Seit 2024 wird die Branche im Zuge einer Branchenprüfung verstärkt in den Fokus genommen.
Quelle | Finanzverwaltung NRW, Mitteilung vom 15.7.2025: „Verdacht auf Steuerbetrug in großem Stil: LBF NRW wertet Influencer-Datenpaket aus“; Finanzbehörde Hamburg, Mitteilung vom 17.7.2025: „Auch Hamburger Finanzämter nehmen Influencerinnen und Influencer ins Visier“
| Die Übernachtungspauschale für Berufskraftfahrer mit mehrtägiger Auswärtstätigkeit setzt neben dem bestehenden Anspruch auf eine Verpflegungspauschale eine tatsächliche Übernachtung in dem Kraftfahrzeug voraus. Die Pauschale steht einem Berufskraftfahrer daher nicht für jeden An- und Abreisetag zu. So sieht es zumindest das Finanzgericht (FG) Thüringen. Wegen der anhängigen Revision ist nun der Bundesfinanzhof (BFH) gefragt. |
Werbungskostenabzug
Hintergrund: Entstehen einem Arbeitnehmer während seiner auswärtigen beruflichen Tätigkeit auf einem Kfz des Arbeitgebers oder eines vom Arbeitgeber beauftragten Dritten im Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kfz Aufwendungen (insbesondere Gebühren für die Toilettenbenutzung sowie Park- und Abstellgebühren), kann er diese als Werbungskosten abziehen.
Beachten Sie | Anstelle der tatsächlichen Aufwendungen ist allerdings auch eine Pauschale i. H. von 9 Euro für Kalendertage möglich, an denen der Arbeitnehmer in dem Kfz übernachtet und eine Pauschale für Verpflegungsmehraufwand geltend machen kann.
Bundesfinanzhof ist gefragt
Der BFH muss nun entscheiden, ob die Pauschale durch die Kopplung an die Verpflegungspauschalen auch für den An- und Abreisetag zu gewähren ist.
Oder anders ausgedrückt: Kann ein Arbeitnehmer, der am Montag seine Tour startet, auf dem Fahrzeug übernachtet und am Freitag zurückkehrt, die Pauschale für fünf oder nur für vier Tage absetzen? Denn für fünf Tage ist Verpflegungsmehraufwand abzugsfähig, er übernachtet in dem Fahrzeug jedoch nur viermal.
Quelle | FG Thüringen, Urteil vom 18.6.2024, 2 K 534/22, Rev. BFH: VI R 6/25
| Bisher konnten Anfragen an das Bundeszentralamt für Steuern zur Bestätigung ausländischer Umsatzsteuer-Identifikationsnummern schriftlich, über das Internet oder telefonisch erfolgen. Doch das hat sich seit dem 20.7.2025 geändert. Seitdem können etwaige Anfragen ausschließlich über die vom Bundeszentralamt für Steuern im Internet bereitgestellte Online-Abfrage durchgeführt werden. |
Hintergrund: Innergemeinschaftliche Lieferungen sind von der Umsatzsteuer befreit. Seit dem 1.1.2020 ist die Verwendung einer gültigen ausländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer durch den Kunden zwingende Voraussetzung für die Umsatzsteuerfreiheit. Dies ist im Umsatzsteuergesetz (hier: § 6 a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 4 UStG) geregelt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 6.6.2025, III C 5 - S 7427-d/00014/001/002
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat eine steuerzahlerfreundliche Entscheidung getroffen: Führt der Steuerpflichtige im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung am Ort des Lebensmittelpunkts einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung nicht. |
Hintergrund: Notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen, können als Werbungskosten steuerlich abgesetzt werden.
Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt. Hierbei darf sich der Lebensmittelpunkt nicht am Beschäftigungsort befinden.
Zudem ist die einschlägige Vorschrift des Einkommensteuergesetzes (hier: § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 3 EStG) zu beachten: „Das Vorliegen eines eigenen Hausstandes setzt das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus.“ Um diese Voraussetzung ging es im Fall des BGH.
Das war geschehen
Der 1986 geborene Steuerpflichtige bewohnte das Obergeschoss im Wohnhaus seiner Eltern – und zwar allein und unentgeltlich. Zudem hatte er am Ort seiner nichtselbstständigen wissenschaftlichen Tätigkeit eine Unterkunft und machte Kosten für eine doppelte Haushaltsführung geltend. Das Finanzamt erkannte die doppelte Haushaltsführung allerdings mangels finanzieller Beteiligung am Haushalt der Eltern nicht an und berücksichtigte nur Fahrtkosten als Werbungskosten. So sah das auch das Finanzgericht (FG) München, nicht aber der BFH, der die Vorentscheidung aufhob.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Wohnung, die der Steuerpflichtige außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte innehat, seinen Erst- oder Haupthaushalt darstellen muss (Stichwort: Lebensmittelpunkt). Es ist entscheidend, dass sich der Steuerpflichtige in dem Haushalt – im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit – aufhält. Allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte reicht nicht. Ferner darf der Steuerpflichtige nicht nur in einen anderen Hausstand eingegliedert sein, wie es regelmäßig bei jungen Arbeitnehmern der Fall ist, die nach Beendigung der Ausbildung weiterhin im elterlichen Haushalt ihre Zimmer bewohnen. Die elterliche Wohnung kann zwar, wie bisher, der Mittelpunkt der Lebensinteressen sein, sie ist aber kein vom Kind unterhaltener eigener Hausstand. Wird jedoch der Haushalt in einer in sich abgeschlossenen Wohnung geführt, die auch nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet, wird regelmäßig vom Unterhalten eines eigenen Hausstands ausgegangen.
Sohn wohnte noch zu Hause – aber in eigener Wohnung
Im Streitfall hatten die Eltern dem Steuerpflichtigen sämtliche Räumlichkeiten im Obergeschoss ihres Hauses zur Nutzung überlassen. Hierbei handelte es sich um eine Wohnung, die dem Steuerpflichtigen nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet. Der Umstand, dass es sich hierbei um eine (bloße) Nutzungsüberlassung und nicht um ein Mietverhältnis handelt, steht dem nicht entgegen. Ob die Wohnung im Obergeschoss gegenüber der von den Eltern bewohnten Wohnung im Erdgeschoss baulich abgeschlossen ist, ist für das Vorliegen eines eigenen Hausstands ebenfalls unerheblich. Für einen eigenen Hausstand ist es zudem erforderlich, dass eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung erfolgt – aber nur, soweit der Steuerpflichtige am Lebensmittelpunkt einem Mehrpersonenhaushalt (z. B. im Rahmen eines Mehrgenerationenhaushalts) angehört. Denn nur, wenn mehrere Personen einen gemeinsamen Haushalt führen, kann sich der Einzelne an den Kosten dieses Haushalts und damit den Kosten der Lebensführung beteiligen.
„Denknotwendig‘“: Ein-Personen-Haushalt trägt immer gesamte Kosten
Führt der Steuerpflichtige dagegen (wie im Streitfall) einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten dieses Haushalts nicht. Denn die Kosten der Lebensführung eines Ein-Personen-Haushalts werden denknotwendig von dieser einen Person getragen. Woher die hierfür erforderlichen Mittel stammen – ob aus eigenen Einkünften, staatlichen Transferleistungen, Darlehen, Unterhaltsleistungen oder familiären Geldgeschenken – ist unerheblich.
Quelle | BFH, Urteil vom 29.4.2025, VI R 12/23
| Aufwendungen für die eigene Bestattungsvorsorge sind nicht als außergewöhnliche Belastungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 33 Abs. 1 EStG) abziehbar. Das hat das Finanzgericht (FG) Münster entschieden. |
Das war geschehen
Ein Steuerpflichtiger hatte einen Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag abgeschlossen. Den Betrag in Höhe von 6.500 Euro machte er als außergewöhnliche Belastungen geltend. Begründung: Da die Übernahme der Beerdigungskosten auf Ebene des Erben zu außergewöhnlichen Belastungen führen könne, dürfe nichts anderes gelten, wenn er selbst einen Bestattungsvorsorgevertrag abschließe, um seinen Angehörigen die Beerdigungskosten zu ersparen. Das FG ist dieser Argumentation indes nicht gefolgt.
Vom Anwendungsbereich des § 33 EStG sind die üblichen Aufwendungen der Lebensführung ausgeschlossen, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind.
Argumentation: Eigener Sterbefall nicht „außergewöhnlich“…
Bei Aufwendungen für eine Bestattungsvorsorge handelt es sich nicht um Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf, die derart außergewöhnlich wären, dass sie sich einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Denn der Eintritt des Todes und damit die Notwendigkeit, bestattet zu werden, trifft jeden Steuerpflichtigen. Es handelt sich damit nicht um Aufwendungen, die größer sind als die, die einer Mehrzahl der Steuerpflichtigen erwachsen.
… Beerdigungskosten für Dritte hingegen schon
Der Unterschied zu den Aufwendungen für Beerdigungskosten naher Angehöriger besteht bereits darin, dass nicht jeder Steuerpflichtige irgendwann einmal solche Aufwendungen für einen nahen Angehörigen zu tragen hat und auch nicht jeder Steuerpflichtige etwa auch in der Anzahl und Höhe solcher Aufwendungen gleich belastet ist.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 23.6.2025, 10 K 1483/24 E
| Ein Verbrauchsgüterkauf und die Anforderungen an die vorvertragliche Informationspflicht des verkaufenden Unternehmers gegenüber dem kaufenden Verbraucher beschäftigte das Landgericht (LG) Kiel. |
In der Annonce war das Fahrzeug ohne Hinweis auf einen Unfallschaden angepriesen. Im Kaufvertrag und in der vorvertraglichen Information fand sich der Vermerk „entgegen der Annonce Unfallschaden lt. Vorbesitzer“. Genügt das für die wirksame negative Beschaffenheitsvereinbarung?
„Nein“, sagt das LG. Diese Angabe hätte zum einen hervorgehoben, also quasi unübersehbar gestaltet werden müssen. Zum anderen hätte genauer über Art und Umfang des Vorschadens aufgeklärt werden müssen.
Quelle | LG Kiel, Urteil vom 8.5.2025, 6 O 276/23
| Das Landgericht Frankenthal (LG) hat einen Fall entschieden, der in manchem Handwerksbetrieb für Aufsehen sorgen dürfte. Einem Handwerker, der einen Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, steht im Fall des Widerrufs auch nach vollständig erbrachter Arbeit kein Geld zu. Das LG hat deshalb die Klage eines Gartenbauers auf Zahlung des kompletten Werklohns abgewiesen. |
Streit um Rechnung
Im April 2024 bestellte der Besitzer eines großen Gartens den Gartenbauer auf sein Grundstück. Vor Ort gab der Gartenbesitzer umfangreiche Arbeiten an dem völlig verwilderten Gelände in Auftrag. Nach Abschluss der Arbeiten stellte der Gartenbauer seine Rechnung in Höhe von knapp 19.000 Euro. Es kam aber zum Streit über den vereinbarten Stundensatz sowie die Frage, ob die erstellte Rechnung prüffähig sei. Der Gartenbesitzer verweigerte schließlich die Zahlung und widerrief den Vertrag im September 2024.
Auftraggeber durfte sich auf Widerrufsrecht berufen
Das LG gab dem Gartenbesitzer vollumfänglich Recht. Da er als Verbraucher anzusehen sei und sämtliche Arbeiten außerhalb von Geschäftsräumen in Auftrag gegeben wurden, stehe ihm ein gesetzliches Widerrufsrecht zu. Die grundsätzlich mit Vertragsschluss beginnende vierzehntägige Widerrufsfrist habe nicht zu laufen begonnen, weil der Gartenbauer den Verbraucher nicht darüber belehrt habe. Es gelte in diesem Fall eine Höchstfrist von einem Jahr und vierzehn Tagen für den Widerruf, die vorliegend eingehalten worden sei. Der Anspruch des Werkunternehmers auf Werklohn sei dadurch vollständig entfallen. Wegen der unterlassenen Belehrung könne er auch keinen Wertersatz oder einen sonstigen Ausgleich für seine Arbeit verlangen. Denn das europäische Verbraucherschutzrecht verlange bei einer unterlassenen Widerrufsbelehrung eine Sanktion von Unternehmern, um sie zur ordnungsgemäßen Belehrung anzuhalten, so das LG unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 15.4.2025, 8 O 214/24, PM vom 29.4.2025; EuGH, Urteil vom 17.5.2023, C-91/22
| Das Landgericht (LG) Köln hat die Klage der Inhaberin einer Entrümpelungsfirma gerichtet auf Zahlung eines Teilbetrags (100.000 Euro) für in der Wohnung entdecktes Bargeld von über 600.000 Euro als auch Finderlohn abgewiesen. Insbesondere vertragliche Ansprüche würden ausscheiden, da eine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Entrümpelungsunternehmens unwirksam sei, dass mit Beginn der Tätigkeit alle in dem Auftragshaushalt befindlichen Gegenstände in das Eigentum des Auftragnehmers übergehen. Das LG hat zudem festgestellt, dass der Inhaberin auch keine weiteren Ansprüche auf Zahlung wegen des Bargeldes sowie auf Herausgabe von Schmuck und Münzen oder entsprechenden Wertersatz zustehen. |
Das war geschehen
Die Klägerin betreibt in Bayern ein Unternehmen zur Entrümpelung von Wohnungen. Die Beklagte, für die eine Betreuung angeordnet ist, lebte bis zum Jahr 2022 in Bayern. Nachdem der ebenfalls unter Betreuung stehende Lebensgefährte nicht mehr in der Wohnung leben konnte, wollte die Beklagte nach Köln ziehen. Die Beklagte, vertreten durch ihren Betreuer, beauftragte die Klägerin mit der Entrümpelung der im Eigentum der Beklagten stehenden Wohnung gegen Zahlung von knapp 2.900 Euro.
Vereinbarung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Die Parteien vereinbarten die Geltung der AGB der Klägerin. Darin ist u. a. geregelt: „Bei all unseren angebotenen Leistungen, […] sind in den Räumlichkeiten befindliche Wertgegenstände vorab vom Auftraggeber (Kunden) zu entfernen bzw. sicherzustellen. Mit Beginn der Tätigkeit gehen alle in dem Auftragshaushalt befindlichen Gegenstände in das Eigentum des Auftragnehmers über. Die weitere Verwertung obliegt dem Auftragnehmer.“
Erhebliche Bargeldsumme und Schmuck
Für den Betreuer der Beklagten übergab die Betreuerin des Lebensgefährten die von ihr durchgesehene Wohnung an die Klägerin. Die Klägerin und ihre Mitarbeiter räumten zunächst die Wohnung, in der sie unter anderem in Windelpackungen und an anderen streitigen Orten Bargeld in Höhe von 557.000 Euro sowie Schmuck und Münzen mit einem durchschnittlichen Verkehrswert von 29.017 Euro bis 32.017 Euro fanden. Bargeld, Schmuck und Münzen wurden auf Wunsch des Betreuers der Beklagten an die Betreuerin des Lebensgefährten herausgegeben. Ebenso geschah es mit später im Keller der Wohnung in einem Koffer aufgefundenem weiteren Bargeld in Höhe von 66.500 Euro. Die Parteien verständigten sich wegen des Mehraufwands der Klägerin bezüglich der Abwicklung von Bargeld, Schmuck und Münzen auf die Zahlung von Mehrvergütung in Höhe von 2.000 Euro zzgl. Umsatzsteuer. Außergerichtliche Aufforderungen der Klägerin auf Auszahlung des aufgefundenen Geldbetrags und des Schmucks seitens der Beklagten blieben erfolglos.
So sah es das Landgericht
Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagte wegen des aufgefundenen Bargelds und Finderlohns auf einen Teilbetrag von 100.000 Euro in Anspruch. Sie ist insbesondere der Ansicht, dass ihr ein Anspruch darauf aufgrund der Regelung in ihren AGB zustehe. Der Betreuer der Beklagten habe bei der Durchsicht der Wohnung vor Übergabe an die Klägerin seine Pflichten verletzt. Zudem behauptet sie, sie habe Geld, Schmuck und Münzen nur herausgegeben, um für eine sichere Verwahrung zu sorgen, nachdem – was die Beklagte in Abrede stellt – eine Bank die Annahme verweigert habe. Dieser Argumentation ist das LG nicht gefolgt. Zur Begründung führte das LG insbesondere aus, dass der Klägerin aus dem Vertrag keinerlei Ansprüche zustehen würden. Die in ihren AGB verwendete, o. g. Klausel sei unwirksam, weil sie eine Erklärung des Auftraggebers, hier die für einen Eigentumsübergang notwendige Übereignungserklärung fingiere, ohne dem Auftraggeber die Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung zu eröffnen und ihn unangemessen benachteilige.
Eigentumsverhältnisse eindeutig
Mögliche Ansprüche auf Herausgabe des Geldes aus Eigentumsgesichtspunkten nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 985 BGB) lehnt das LG ebenso ab, da die Klägerin ihr Eigentum jedenfalls aufgrund der Einzahlung des Bargelds bei einem Kreditinstitut verloren habe. § 985 BGB begründe keinen Anspruch auf einen entsprechenden Geldwert (sog. Geldwertvindikation). Bereicherungsansprüche stünden der Klägerin aufgrund der erläuterten Rechtslage ebenfalls nicht zu, weil der Beklagten als Eigentümerin von Bargeld, Schmuck und Münzen diese zugestanden hätten, die Übergabe durch die Klägerin also nicht ohne Rechtsgrund erfolgt sei und die Beklagte auch nichts auf Kosten der Klägerin erlangt habe.
Quelle | LG Köln, Urteil vom 8.5.2025, 15 O 56/25, PM vom 2.6.2025
| Online geschlossene Verträge beschäftigen die Rechtsprechung immer wieder. So wie in einem aktuellen Fall des Amtsgerichts (AG) München, das bereits den Vertragsschluss als nicht zustande gekommen betrachtete. |
Reisebuchung über Website
Eine Frau besuchte im November 2021 die Website der Beklagten, um nach Reisen im Dezember 2021 zu suchen. Unter den Suchergebnissen befand sich eine Reise nach Dubai für zwei Personen. Die Klägerin gab die Personendaten ein, um den endgültigen Reisepreis zu erfahren.
„Jetzt-kaufen“-Button
Anschließend wurde die Frau auf eine Website weitergeleitet, die Hinweise zur Unterrichtung von Reisenden bei einer Pauschalreise enthielt. Darunter befand sich ein farblich abgesetzter Kasten mit dem Text „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB […]. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben.“ Hierunter befand sich der Button „Jetzt kaufen“ mit dem Symbol eines Einkaufswagens daneben. Die Frau klickte auf die Schaltfläche „Jetzt kaufen“ und verließ anschließend die Website.
Am selben Abend erhielt die Frau eine Buchungsbestätigung und Zahlungsaufforderung der Beklagten für eine Reise nach Dubai zu einem Preis von 2.834 Euro. Da die Frau die Zahlung verweigerte, stornierte die Beklagte die Reise und stellte eine Storno-Gebühr in Höhe von 2.692,30 Euro in Rechnung. Diese bezahlte die Frau unter Vorbehalt.
War ein Vertrag geschlossen worden?
Die Frau meint, es sei kein Vertrag zwischen ihr und der Beklagten zustande gekommen, da die Gestaltung der Website nicht den gesetzlichen Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 312j Abs. 3 BGB) entspreche. Sie verklagte das Reiseunternehmen daher vor dem AG auf Rückzahlung der 2.692,30 Euro.
Amtsgericht gab der Frau Recht
Das AG gab der Frau Recht und verurteilte die Beklagte dazu, den Betrag nebst Zinsen zu zahlen. Zwischen den Parteien, so das AG, wurde schon kein wirksamer Vertrag im Sinne des § 651 a Abs. 1 BGB geschlossen. Für den Abschluss eines Vertrags bedarf es zweier übereinstimmender Willenserklärungen – Angebot und Annahme.
Es lag nach Ansicht des AG kein Angebot der Beklagten in dem Zurverfügungstellen der Internetseite mit dem Button „Jetzt kaufen“ vor. Unstreitig hat die Frau zwar auf diesen Button geklickt. Die Gestaltung der Website der Beklagten vor Bestellabschluss genügte aber nicht den Anforderungen des § 312 j Abs. 3 BGB. Denn zwar weist der Text des Buttons „Jetzt kaufen“ auf die Entgeltlichkeit des zu schließenden Vertrags hin. Allerdings kann das Symbol eines Einkaufswagens neben dem Schriftzug dahingehend verstanden werden, dass der Kunde durch das Klicken auf den Button erst seinen Warenkorb befüllt und sich nicht schon am Ende des Buchungsprozesses befindet.
Text war irreführend
Außerdem, so das AG, ist der Text „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben“ irreführend. Denn durch Auslegung ergibt sich, dass der Kunde durch das Klicken auf den „Jetzt kaufen“ - Button lediglich AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptiert, sowie die Richtigkeit der eingegebenen Daten [und] den Erhalt des Formblatts bestätigt. Von der Abgabe einer abschließenden Willenserklärung nach § 145 BGB wegen einer Reise ist dem Text nichts zu entnehmen. Vielmehr legt der Text nahe, dass bei Fortsetzung des Buchungsprozesses noch weitere Erklärungen abzugeben sind. Außerdem fehlt eine Übersicht über die zu buchenden Reise sowie eine Preisangabe.
Ein bindendes Angebot der Beklagten sah das Gericht jedoch in der übersandten Buchungsbestätigung. Dieses wurde aber von der Frau nicht angenommen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 26.1.2023, 191 C 1446/22, PM 15/25
| Das Amtsgericht (AG) Hanau hat entschieden: Der Inhalt eines Zustandsprotokolls hinsichtlich der Mietwohnung bei Ein- oder Auszug, das die Parteien unterschreiben, ist bindend. Sie können daher nicht später etwas anderes behaupten. |
Das war geschehen
Die Vermieter klagten gegen die Mieterin u. a. auf Zahlung mehrerer nicht geleisteter Mieten. Bei Rückgabe der Wohnung während des Prozesses unterschrieben beide Seiten ein Protokoll, in dem die Wohnung als mangelfrei bezeichnet wurde. Die Mieterin machte geltend, sie sei während der Mietzeit zur Mietminderung berechtigt gewesen, weil die Wohnung bis zuletzt mangelhaft gewesen sei. Sie widersprach zudem der Behauptung der Vermieter, dass frühere Mängel behoben worden wären.
Amtsgericht: Rückgabeprotokoll ist für beide Seiten verbindlich
Das AG hat die ehemalige Mieterin zur Zahlung der ausstehenden Mieten verurteilt. Diese könne sich auf Mängel der Wohnung nicht berufen. Dass solche, wie sie behauptete, bis zum Schluss vorlagen, sei schon aufgrund des von beiden Seiten unterzeichneten Protokolls widergelegt, aus dem sich ein mangelfreier Zustand bei Mietende ergebe. Denn ein solches Protokoll sei als Zustandsvereinbarung für die Parteien bindend. Dessen Zweck bestehe – gerade, weil die Erstellung freiwillig ist – darin, den dokumentierten Zustand festzuhalten, damit später keine Seite etwas anderes behaupten kann.
Dass die Mieterin, wie sie vorträgt, bestehende Mängel nur deshalb nicht aufgenommen habe, weil sie fürchtete, von den Vermietern selbst für diese verantwortlich gemacht zu werden, steht dem nicht entgegen, weil es für die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Erklärungen nicht auf die Motivation ankommt. Zugleich könne sie sich auch nicht darauf berufen, dass früher Mängel vorlagen, denn sie hat der Behauptung der Vermieter widersprochen, dass jemals Mängel behoben worden seien. Dann aber wären diese auch bei Mietende noch vorhanden gewesen, was durch das unterzeichnete Protokoll bindend widerlegt ist.
Quelle | AG Hanau, Urteil vom 11.4.2025, 32 C 37/24, PM vom 17.6.2025
| Vereinbaren Vermieter und Mieter mündlich, die Nebenkostenvorauszahlungen zu erhöhen, ist dies unwirksam. So sieht es der Bundesgerichtshof (BGH). |
Mietvertragsparteien beschlossen mündlich, die Vorauszahlungen zu erhöhen
Mieter und Vermieter vereinbarten, die Nebenkostenvorauszahlungen zu erhöhen. Dies geschah allerdings mündlich. Nachdem der Vermieter die Immobilie verkauft hatte, war der Erwerber mit der Erhöhung nicht einverstanden.
Erwerber war nicht einverstanden
Später verkaufte der Vermieter das Grundstück. Der Erwerber meinte jedoch, die o. g. Vereinbarung sei formunwirksam. Daher reduzierte er die Höhe der Vorauszahlungen.
Mieter klagte
Der Mieter wollte dies nicht akzeptieren. Schließlich musste der BGH entscheiden. Er sah die Veränderung der Nebenkostenvorauszahlungen als formbedürftig an, da sie wesentlicher Bestandteil der Miete sind.
Der BGH stellte klar, dass auch der Erwerber eines Grundstücks, der in einen bestehenden Mietvertrag eintritt, genau wissen muss, wie hoch die Miete inklusive der Nebenkostenvorauszahlung ist. Nur so kann er seine Rechte als Vermieter wahrnehmen. Der BGH nannte als Beispiel den Fall, dass ein Vermieter einem Mieter wegen Mietrückständen kündigen möchte. Dann muss er durch schriftliche Urkunden zuverlässig informiert sein.
Quelle | BGH, Beschluss vom 14.5.2025, XII ZR 88/23
| Ist eine echte Quadratmetermiete vereinbart – etwa durch Angabe eines Mietpreises pro m² – ist die Miete stets nach der tatsächlichen Fläche zu berechnen. Eine Flächenabweichung führt dann unabhängig vom Ausmaß zur Rückzahlung überzahlter Miete. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Dresden. |
Tatsächliche Fläche wich von vertraglich vereinbarter ab
Der Kläger hatte Büroräume gemietet. Der Vertrag wies eine Fläche von „ca. 70 qm“ aus und bestimmte eine Miete von „EUR 5,00/qm“. Die tatsächliche Fläche betrug jedoch nur 45,6 qm. Der Vermieter verlangte monatlich 350 EUR, der Kläger begehrte Rückzahlung der Überzahlung von 120 EUR monatlich.
Quadratmetermiete vereinbart
Das OLG Dresden stellte klar: Auch wenn die Flächenangabe laut Vertrag keine Sollbeschaffenheit festlege, wurde eine Quadratmetermiete vereinbart. In diesem Fall sei die Miete unabhängig von der Abweichung stets anhand der tatsächlichen Fläche zu berechnen.
Die Rückzahlung überzahlter Miete folge aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Das gelte unabhängig von der 10 Prozent-Grenze, die bei einem Mangel nach § 536 BGB zu beachten wäre.
Ein Wermutstropfen für den Mieter: Seine Ansprüche waren teilweise verjährt, soweit sie das Jahr 2020 betrafen.
Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 19.3.2025, 5 U 1633/24
| Die Anfechtung der Ausschlagung des Erbes wegen einer vermeintlichen Überschuldung des Nachlasses scheidet aus, wenn der Anfechtende seine Anfechtungsentscheidung nicht auf Basis von Fakten, sondern auf Basis von Spekulationen getroffen hat. Wird die Ausschlagung lediglich auf Verdacht hin erklärt, fehlt es letztlich auch an der erforderlichen Kausalität der Fehlvorstellung für die erklärte Ausschlagung. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschieden.
Erbschaft wegen Überschuldung ausgeschlagen
Die Tochter des Erblassers aus dessen erster Ehe sowie deren volljähriger Sohn haben nach dessen Tod wirksam die Ausschlagung der Erbschaft bei gesetzlicher Erbfolge wegen „Schulden/private Gründe“ erklärt. Etwa zwei Monate später hat die Tochter ihre Ausschlagungserklärung zu Protokoll des Nachlassgerichts mit der Begründung angefochten, dass sie bei der Ausschlagung der Erbschaft von der Überschuldung des Nachlasses ausgegangen sei. Dies habe ihr Bruder ihr so mitgeteilt. Sie selbst habe seit 20 Jahren keinen Kontakt zu ihrem Vater gehabt. Nun habe sie durch eigene Recherchen in Erfahrung gebracht, dass ihr Vater in einem eigenen Haus gelebt habe, was sie vorher nicht gewusst habe.
Ausschlagungsanfechtung wirksam?
Im Erbscheinsverfahren stellte die Tochter des Erblassers den Antrag, einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge zu erteilen. Die weiteren gesetzlichen Erben stellten den Antrag, einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge unter Ausschluss der Tochter zu erteilen, weil diese die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und die Anfechtungserklärung unwirksam und unbegründet sei. Diesem Antrag ist das Nachlassgericht nachgekommen und hat dabei erklärt, dass die Ausschlagungsanfechtung der Tochter des Erblassers unwirksam und unbegründet sei. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Tochter des Erblassers, der das Nachlassgericht nicht abgeholfen hat.
Oberlandesgericht: „Nein“!
Die vom Nachlassgericht dem OLG zur Entscheidung vorgelegte Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen, weil das Nachlassgericht zu Recht zu der Auffassung gelangt sei, dass die von der Tochter erklärte Ausschlagung der Erbschaft weiterhin wirksam ist.
Der Anfechtende sei bei einer Anfechtung einer erfolgten Erbausschlagung beweispflichtig für die Voraussetzungen der jeweiligen Anfechtungstatbestände. Hinsichtlich des geltend gemachten erheblichen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses im Hinblick auf eine angenommene Überschuldung sei es zwar richtig, dass die Überschuldung eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses darstellen könne. Jedoch werde eine Fehlvorstellung darüber, dass die (Nachlass-)Verbindlichkeiten den (Aktiv-)Wert des Nachlasses übersteigen, nur dann als relevant angesehen, wenn sie darauf beruhe, dass der Ausschlagende unrichtige Vorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses hatte.
Dagegen werde gemäß der vom Nachlassgericht in dem angefochtenen Beschluss zitierten Rechtsprechung ein erheblicher Irrtum über eine Überschuldung als eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses verneint und stattdessen ein nicht zu einer Anfechtung berechtigender Motivirrtum angenommen, wenn der Anfechtende zu seiner Vorstellung nicht aufgrund einer Bewertung ihm bekannter oder zugänglicher Fakten zu dem Ergebnis gelangt sei, sondern seine Entscheidung, die Erbschaft auszuschlagen, auf spekulativer, bewusst ungesicherter Grundlage getroffen habe.
Folge: Das Nachlassgericht habe zu Recht das Vorliegen eines zur Anfechtung berechtigten Irrtums bei der Tochter des Erblassers verneint, da diese keineswegs dargelegt und schon gar nicht bewiesen habe, dass sie die Ausschlagung wegen einer angeblichen Überschuldung des Nachlasses erst nach einer Bewertung der ihr bekannten und zugänglichen Fakten vorgenommen habe.
Quelle | OLG Zweibrücken, Urteil vom 7.3.2025, 8 W 20/24
| Die Suche nach einem Testament hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Das Fazit: Mit der richtigen Vorsorge lassen sich später Schwierigkeiten vermeiden. |
Nach dem Tod eines Mannes stritten seine Witwe und sein Sohn darüber, ob er ein Testament hinterlassen hatte: Die Witwe behauptete das – doch gefunden hatte sie das Testament nicht. In der ersten Instanz hatte das Landgericht (LG) deshalb zehn Zeugen vernommen, die aber keine endgültige Klärung brachten. Beim OLG nahm die Frau schließlich ihre Klage zurück und erkannte den Sohn als gesetzlichen Miterben an.
Mögliche Erben tragen die Beweislast
Der Fall ist keine Seltenheit: Viele Angehörige müssen sich nach dem Tod ihres Verwandten die Frage stellen, ob es ein Testament gibt und wo es sich befindet. Auf vermeintlich sichere Orte ist dabei nicht immer Verlass. In dem entschiedenen Fall wurde vergeblich nach einem Bankschließfach gesucht, in einem anderen aktuellen Fall ebenso erfolglos in einem Waffenschrank. Für die möglichen Erben kann das entscheidend sein: Wer sich auf ein Testament berufen will, muss auch dessen Existenz und Inhalt beweisen.
Amtsgerichte und Notare bieten Sicherheit
Schutz vor Ungewissheiten bieten die Amtsgerichte (AG) und Notare. Wenn ein Testament von einem Notar errichtet oder bei einem Amtsgericht hinterlegt wird, wird das im Zentralen Testamentsregister vermerkt. Im Todesfall gibt es einen Informationsaustausch zwischen dem Standesamt, dem Testamentsregister und der Stelle, die das Testament verwahrt. Das Testament wird dann automatisch an das zuständige AG weitergeleitet, das die Erben informiert und das Testament eröffnet. Eine Hinterlegung beim AG mit Registrierung kostet 93 Euro.
Quelle | OLG Celle, PM vom 11.4.2025
| Das Verwaltungsgericht (VG) Braunschweig hat die Klage zweier Hauseigentümer abgewiesen, die eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach ihres Gebäudes in der als Denkmal geschützten und von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannten Altstadt Goslars errichten wollten. |
Das VG stellte in seinem Urteil fest: Nach den geltenden Regelungen des Bundes- und Landesrechts müssen die Behörden Solaranlagen in aller Regel auf denkmalgeschützten Gebäuden genehmigen. Die Nutzung erneuerbarer Energien habe weitgehend Vorrang, in der weitaus größten Zahl der Fälle bestehe deswegen ein Rechtsanspruch auf Genehmigung von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden. Für „atypische Situationen“ sehe das Gesetz aber Ausnahmen vor. Das gelte für besonders wertvolle Denkmäler und bei besonders schwerwiegenden Eingriffen in ein Denkmal. In diesen Fällen sei eine Abwägung erforderlich. Ein solcher (seltener) Ausnahmefall liege hier vor: Das Gebäude der Kläger sei als Bestandteil des UNESCO-Weltkulturerbes in besonderem Maße schutzbedürftig. Zusätzlich liege in der Installation der Anlage nach der fachlichen Einschätzung des zum Verfahren beigeladenen Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege (NLD) auch ein besonders schwerer Eingriff in das Denkmal vor. Das Gesamterscheinungsbild der zusammenhängenden historischen Bebauung, die den Denkmalwert hier gerade ausmache, würde nach der Darstellung des NLD durch die Installation der Solaranlage erheblich gestört werden. Das Gebäudes ei aus dem öffentlichen Straßenraum heraus wahrnehmbar und die Solaranlage würde sich außerdem durch die vorgesehene dunkle Farbe deutlich von dem Dachgebilde abheben.
Das VG folgte dieser fachlichen Einschätzung. Weil hier ein besonders schutzwürdiges Denkmal (Goslarer Altstadt als Gruppendenkmal) beeinträchtigt sei und ein besonders schwerwiegender Eingriff vorliege, überwiege der Denkmalschutz in diesem besonderen Fall ausnahmsweise das Interesse an der Nutzung erneuerbarer Energien. Das VG wies auf die Präzedenzwirkung hin, die eine Genehmigung hätte: In allen Fällen dieser Art müssten dann Solaranlagen genehmigt werden; dies würde die historische Dachlandschaft der Altstadt weitgehend verändern.
Quelle | VG Braunschweig, Urteil vom 25.6.2025, 2 A 21/23, PM vom 25.6.2025
| Wie muss eine Baustelle abgesichert sein, damit der Bauherr seiner ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht genügt? Diese Frage musste das Landgericht (LG) Koblenz entscheiden. |
Das war geschehen
Die Parteien stritten über von der Klägerin geltend gemachte Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld aus einem Sturz im Bereich einer Straße. Diese Straße verfügt über keinen gesondert ausgewiesenen Gehweg.
Die Beklagte führte zu diesem Zeitpunkt Straßenbaumaßnahmen auf der teilweise deutlich erneuerungsbedürftigen Straße durch. Diese führten u. a. zu einer Fräskante auf der Straße. Der betroffene Streckenabschnitt war gemäß der behördlichen Anordnung beschildert. Die Klägerin stürzte an der Fräskante und erlitt eine distale Radiusfraktur links. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt habe. Auf die Fräskante sei nicht ordnungsgemäß hingewiesen worden. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass sie ihre Verkehrssicherungspflichten vollumfänglich erfüllt habe. Jedenfalls sei der Klägerin ein so erhebliches Mitverschulden anzulasten, dass schon aus diesem Grund der geltend gemachte Anspruch ausgeschlossen sei.
Amtsgericht: Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht, aber auch Mitverschulden
Das Amtsgericht (AG) hat die Beklagte verurteilt, rund 1.000 Euro sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 272,60 Euro, jeweils zuzüglich Zinsen, an die Klägerin zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits legte das AG den Parteien zu je 50 % auf.
Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte eine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Es fehle an einem Schild mit ausdrücklichem Bezug zu einer Baustelle oder an einem Schild mit dem Hinweis auf Fahrbahnunebenheiten. Das AG sah zulasten der Klägerin jedoch auch ein Mitverschulden, da sie nach Überqueren der ersten Fräskante eine weitere Fräskante habe erwarten müssen.
Hiergegen wenden sich beide Parteien jeweils mit dem Rechtsmittel der Berufung und dem Ziel, mit ihren jeweiligen Anträgen vollumfänglich zu obsiegen.
Landgericht: Klage abgewiesen
Das LG hat dem Antrag der Beklagten auf Klageabweisung vollumfänglich stattgegeben und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Schmerzensgeld oder materiellen Schadenersatz gegen die Beklagte. Der Beklagten könne bereits keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht vorgeworfen werden. Auf ein mögliches Mitverschulden der Klägerin komme es vor diesem Hintergrund schon nicht mehr an.
Grundsätzlich Verkehrssicherungspflicht bei Gefahrenquelle, ...
Im Grundsatz sei der, der eine Gefahrenquelle schafft, dazu verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu vermeiden. Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflicht beginne erst dort, wo auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintrete und nicht rechtzeitig erkennbar sei. Entscheidend seien daher auch die äußeren Gesamtumstände. Für Gefahrenstellen innerhalb eines erkennbaren Baustellenbereiches bedeute dies, dass nicht jede Unebenheit besonders gekennzeichnet werden müsse. Unebenheiten seien in Baustellenbereichen grundsätzlich zu erwarten. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte den Baustellenbereich ausreichend deutlich gekennzeichnet. Bei einer Fräskante handele es sich um eine typische Baustellenunebenheit, mit der ein Fußgänger im Bereich einer Baustelle zu rechnen hätte.
... aber erkennbarer Baustellenbereich und Dunkelheit erfordern erhöhte Aufmerksamkeit
Die Sturzstelle liege auf einer untergeordneten Straße mit deutlich erkennbaren erheblichen Beschädigungen, die vor allem dem Fahrzeugverkehr gewidmet sei. Fußgänger dürften hier keinen hindernisfreien Weg erwarten, wie beispielsweise bei einer Fußgängerzone. Die Straße sei zum Zeitpunkt des Vorfalls bei Dunkelheit (20:20 Uhr an einem Februartag) nicht durchgängig beleuchtet gewesen, weswegen Fußgänger in eigener Verantwortung besonders auf den Fahrbahnbelag zu achten hätten. Durch die Aufstellung der Warnbaken mit Blinklichtern und das erkennbar vorübergehend angeordnete Einfahrtsverbot für Fahrzeuge aller Art hätte der Klägerin bewusst sein müssen, dass sie einen Baustellenbereich betrete. Wie bereits ausgeführt, habe sich der Straßenbelag schon zuvor in einem schlechten Zustand befunden. Dass bei einer Baustelleneinrichtung daher (auch) Ausbesserungsarbeiten am Straßenbelag durchgeführt werden, sei zu erwarten. Dies schließe ebenfalls Abfräsarbeiten von altem Straßenbelag mit ein.
Quelle | LG Koblenz, Urteil vom 31.1.2025, 13 S 32/24, PM des LG
| Inflationsausgleichszahlungen für Beamte in Elternteilzeit zu kürzen, ist zulässig. So sieht es das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |
Das Landesgesetz zur Anpassung der Besoldung 2024/2025 in Rheinland-Pfalz sah eine einmalige Inflationsausgleichszahlung von 1.800 Euro vor. Teilzeitbeschäftigte Beamte erhielten den Betrag anteilig gemäß ihrer Arbeitszeit. Berechtigt waren Beamte mit Dienstverhältnis am 9.12.2023 und mindestens einem Tag Anspruch auf Dienstbezüge zwischen dem 1.8.2023 und dem Stichtag. Die Kläger, eine Beamtin und ein Beamter, arbeiteten während ihrer Elternzeit in Teilzeit und erhielten gekürzte Zahlungen, während vollzeitfreigestellte Kollegen die volle Summe erhielten. Diese Ungleichbehandlung wurde von ihnen als verfassungswidrig gesehen.
Das VG: Der Gesetzgeber verfügt bei solchen Sonderzahlungen über einen großen Gestaltungsspielraum. Die Differenzierung zwischen vollzeitfreigestellten und teilzeitbeschäftigten Beamten ist gerechtfertigt. Während man die Höhe der Sonderzahlung für Letztere anhand des (reduzierten) Umfangs ihrer Arbeitszeit am Stichtag des 9.12.2023 errechnen konnte, war dies bei den vollständig freigestellten Beamten nicht der Fall. Vollzeitfreigestellten Beamten ohne Dienstleistung hätte gemäß ihrer Arbeitszeit kein Anspruch zugestanden. Insoweit hat ein sachliches Bedürfnis bestanden, den Stichtag für sie zu verschieben. Aufgrund der unterschiedlichen Entlohnungssysteme kommt es ferner nicht darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen der Personengruppe der Tarifbeschäftigten Sonderzahlungen gewährt worden sind.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 1.4.2025, 5 K 967/24.KO
| Es ist Sache des Arbeitgebers, zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren will. Liegt in Gestalt einer Konfliktlage einhinreichender Anlass vor und ist eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, ist grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Der Arbeitgeber verletzt seinen Ermessensspielraum erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lässt. So hat es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden. |
Das war geschehen
Das LAG musste über die Versetzung eines Arbeitnehmers aufgrund des Vorwurfs der sexuellen Belästigung entscheiden. Dabei kam es zum Ergebnis, dass die örtliche Umsetzung dem billigen Ermessen entsprochen habe.
Mehrfache sexuelle Belästigung einer Arbeitskollegin stand im Raum
Der Vorwurf der mehrfachen sexuellen Belästigung einer Arbeitskollegin und die ausgesprochene Empfehlung der Antidiskriminierungsstelle, dem Arbeitnehmer für das Büro ein Betretungsverbot auszusprechen, waren zwar Auslöser für die Umsetzungsentscheidung des Arbeitgebers. Der gerichtliche Nachweis einer sexuellen Belästigung sei aber keine Tatbestandsvoraussetzung für die Umsetzung. Daher sei es unerheblich, dass der beklagte Arbeitgeber in der über einem Jahr später stattgefundenen Beweisaufnahme die sexuelle Belästigung nicht habe nachweisen können. Dies ergebe sich zudem daraus, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle der Zeitpunkt sei, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen habe.
Arbeitgeber hat Ermessensspielraum
Es sei Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren wolle. Er müsse dabei nicht zunächst die Ursachen und Verantwortlichkeiten für die entstandenen Konflikte im Einzelnen aufklären. Liege in Gestalt einer Konfliktlage ein hinreichender Anlass vor und sei eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, sei ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Seinen Ermessensspielraum verletze der Arbeitgeber erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lasse. Diese waren hier nicht gegeben.
Zwar möge der Arbeitnehmer die Umsetzung als „Strafe“ empfinden. Die Umsetzung diene aber der Befriedung des Konflikts und sei keine „Bestrafung“. Der Arbeitgeber habe sich bei der Entscheidung von zutreffenden Erwägungen leiten lassen. Eine räumliche Trennung der Protagonisten innerhalb des Projektbüros sei aufgrund dessen Größe und der gemeinsam genutzten Flächen nicht möglich. Es sei daher ermessensgerecht, dem Arbeitnehmer einen anderen Dienstort zuzuweisen.
Betriebsfrieden war gefährdet
Letztlich konnte sich das LAG nicht vorstellen, wie die Arbeitnehmerin und der Arbeitnehmer jemals wieder unbefangen hätten zusammenarbeiten können. Denn mindestens aus Sicht der Kollegin sei der Arbeitnehmer ein sexueller Belästiger. Und aus Sicht des Arbeitnehmers sei die Frau eine Falschbeschuldigerin. Dies beeinträchtige nicht nur das Verhältnis der Protagonisten untereinander, sondern in einem so kleinen Büro auch den Betriebsfrieden insgesamt.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 25.2.2025, 7 SLa 456/24
| Auch in einem Minijob gibt es bezahlten Urlaub. Doch in diesem Zusammenhang stellen sich viele Fragen: Wie viele freie Tage stehen einem Minijobber zu? Was gilt bei unregelmäßiger Arbeitszeit? Wie wirkt sich das Urlaubsgeld auf den Minijob aus? Diese und weitere Fragen hat die Minijob-Zentrale jüngst beantwortet. |
So erläutert die Minijob-Zentrale beispielsweise, dass der Lohn während des Urlaubs weitergezahlt werden muss (Urlaubsentgelt). Das ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt. Zusätzlich kann es Urlaubsgeld geben (als freiwillige Zahlung zum Urlaub).
Quelle | Minijob-Zentrale vom 11.6.2025 „Urlaub im Minijob: Ihre Fragen – Wir antworten!"
| Es gibt steuerliche Betriebsprüfungen, die bereits nach kurzer Zeit abgeschlossen sind. Andere Prüfungen hingegen ziehen sich über Monate oder sogar über Jahre hin. Um die Betriebsprüfung zu beschleunigen, wurden nun mehrere gesetzliche Änderungen vorgenommen. |
Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen
Verzögerungen bei einer Betriebsprüfung können mitunter auf eine unzureichende Mitwirkung des Steuerpflichtigen zurückzuführen sein. Um dem entgegenzuwirken, sieht der neue § 200 a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) das qualifizierte Mitwirkungsverlangen vor, das sich auf die Mitwirkungspflichten nach § 200 AO stützt. Danach hat der Steuerpflichtige u. a. Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben.
Ermessensentscheidung des Prüfers
Das (neue) qualifizierte Mitwirkungsverlangen stellt eine Ermessensentscheidung des Prüfers dar, die frühestens nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ergehen darf. Entscheidet sich der Prüfer für ein solches Mitwirkungsverlangen, ist es schriftlich oder elektronisch (versehen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung) zu erteilen.
Beachten Sie | Der Steuerpflichtige muss in diesem Fall schnell handeln. Denn das Mitwirkungsverlangen ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe zu erfüllen. Nur in begründeten Einzelfällen kann die Frist verlängert werden.
Neu: Mitwirkungsverzögerungsgeld
Problematisch wird das qualifizierte Mitwirkungsverlangen für den Steuerpflichtigen, wenn es nicht oder nicht hinreichend innerhalb der Frist erfüllt wird. Denn in diesen Fällen wird das neu eingeführte Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt (§ 200 a Abs. 2 AO). Ausnahme: Die Mitwirkungsverzögerung erscheint entschuldbar, beispielsweise bei einer stark beeinträchtigenden Erkrankung.
Beachten Sie | Das Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung (also für jeden vollen Tag nach Verstreichen der im Mitwirkungsverlangen gesetzten Frist) 75 Euro. Gerechnet werden die Tage bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Mitwirkungsverlangen erfüllt wird – spätestens bis zum Tag der Schlussbesprechung. Denn nach der Schlussbesprechung gibt es keinen Bedarf mehr, eine Mitwirkung sicherzustellen.
Allerdings dürfen maximal 150 Tage zugrunde gelegt werden, sodass das Mitwirkungsverzögerungsgeld maximal 11.250 Euro betragen kann (150 Tage × 75 Euro).
Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld
Nicht immer bleibt es bei dem Mitwirkungsverzögerungsgeld. Denn es steht im Ermessen des Prüfers, nach § 200 a Abs. 3 AO zusätzlich einen Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzen. Voraussetzung ist, dass
- gegen den Steuerpflichtigen in den letzten fünf Jahren ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wurde und zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt oder
- wegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt. Davon ist auszugehen, wenn die Umsatzerlöse in einem der von der Prüfung umfassten Jahre mindestens 12 Mio. Euro betragen oder sich die konsolidierten Umsatzerlöse bei Konzernen auf mindestens 120 Mio. Euro belaufen.
Entscheidet sich der Prüfer für den Zuschlag, steht auch die Höhe in seinem Ermessen. Dabei darf der Zuschlag höchstens 25.000 Euro für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung betragen – ebenfalls für maximal 150 Tage (maximal somit 3,75 Mio. Euro).
Teilabschlussbescheid und Inkrafttreten
Um die Betriebsprüfungen zu beschleunigen, wurde auch der neue Teilabschlussbescheid eingeführt. Denn oft scheitert der zeitnahe Abschluss an einem einzelnen Sachverhalt, der nur durch intensiven Arbeitseinsatz aufgeklärt werden kann. Das Problem: So entsteht keine Rechtssicherheit bezüglich weiterer geprüfter Sachverhalte.
Durch den neuen § 202 Abs. 3 AO hat der Prüfer die Möglichkeit, bereits vor Abschluss der Prüfung einen Teilprüfungsbericht zu übermitteln und im Anschluss einen Teilabschlussbescheid zu erlassen. Hierdurch lassen sich einzelne im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte und abgrenzbare Feststellungen vor dem abschließenden Prüfungsbericht gesondert feststellen. Kann der Steuerpflichtige ein erhebliches Interesse an einem Teilabschlussbescheid glaubhaft machen, soll dieser auf Antrag ergehen.
Beachten Sie | Die Neuerungen gelten erst für Steuern und Steuervergütungen, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Sie sind aber auch für Steuern und Steuervergütungen anzuwenden, die vor dem 1.1.2025 entstehen, wenn für diese Steuern und Steuervergütungen nach dem 31.12.2024 eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde.
Quelle | Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie, BGBl I 2022, S. 2730
| Verlängert sich die dem Verbraucher gesetzlich eingeräumte 14-tägige Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge, wenn der Verkäufer in seiner Widerrufsbelehrung seine Telefonnummer nicht angibt? Diese Frage hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden. |
Kauf im Online-Shop über 62.000 Euro
Der Kläger hatte am 4.5.2022 über den Onlineshop der Beklagten ein Elektrofahrzeug zum Preis von rund 62.000 Euro erworben. Die Auslieferung des Fahrzeugs erfolgte am 20.12.2022. Am 14.8.2023 erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrags. Zu spät, entschied nun auch das OLG in zweiter Instanz und wies damit die Berufung des Klägers zurück.
Rechtlicher Hintergrund
Verbrauchern steht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: §§ 312 g Abs. 1, 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, im Normalfall beginnend ab Erhalt der Ware. Wird der Verbraucher jedoch nicht korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB). Die Informationspflichten des Unternehmers ergeben sich aus dem Einführungsgesetz zum BGB (hier: Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB). Der Unternehmer kann die Informationspflichten auch durch die Verwendung einer Musterwiderrufsbelehrung erfüllen, die sich in der Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB befindet.
Fehlende Telefonnummer ohne Auswirkungen
Hier hatte die Autohändlerin in ihrer selbst formulierten Widerrufsbelehrung, die sie dem Kläger übermittelte, keine Telefonnummer angegeben. Diese war jedoch auf der Internetseite der Beklagten zu finden. Das OLG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist geführt hat.
Widerruf eines Autokaufs wahrscheinlich eher schriftlich als per Telefon
Es entschied, dass die Widerrufsbelehrung auch ohne Angabe einer Telefonnummer den gesetzlichen Anforderungen genügt und sich die Widerrufsfrist daher nicht verlängert. Die Nichtangabe der Telefonnummer begründe bei einem Autokauf, der von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sei, nicht die Gefahr, dass der Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werde.
Ein typischer Kunde würde allein aus Beweiszwecken bei den hohen Summen eines Elektroautokaufs den Widerruf vernünftigerweise auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. per E-Mail) übermitteln.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 7.11.2024, 14 U 95/24, PM 8/25
| Hat sich der Übergeber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anlässlich der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ein Wohnungsrecht an einer Wohnung des übergebenen Vermögens vorbehalten, ist ein Sonderausgabenabzug des Mietwerts nach Meinung der Finanzverwaltung ausgeschlossen. Dieser Ansicht hat aber nun das Finanzgericht (FG) Nürnberg widersprochen. |
Hintergrund: Wird ein Betrieb gegen Versorgungsleistungen auf nahe Angehörige übertragen, kann der Betriebsübernehmer die Versorgungsleistungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 a Nr. 2 EStG) als Sonderausgaben abziehen, die der Empfänger versteuern muss (nach § 22 Nr. 1a EStG).
Das war geschehen
Anlässlich einer Hofübergabe wurde dem Übergeber ein Altenteil in Form eines vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts, Taschengelds und der Mitbenutzung von Gegenständen eingeräumt. Den vom Vermögensübernehmer als Sonderausgaben geltend gemachten Nutzungswert der Altenteilerwohnung erkannte das Finanzamt allerdings nicht an, da nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2010 nur die mit der Nutzungsüberlassung tatsächlich zusammenhängenden Aufwendungen (wie Strom, Heizung, Wasser und Instandhaltungskosten), nicht jedoch der Nutzungswert der Altenteilerwohnung berücksichtigt werden können.
Finanzgericht gibt Kläger Recht, Revision ist eingelegt
Die hiergegen eingelegte Klage war vor dem FG Nürnberg erfolgreich. Nach Auffassung des FG kann der Fall, dass der Versorgungsberechtigte mit dem ihm gewährten (höheren) Barunterhalt selbst eine Wohnung mietet, für den Bereich des Sonderausgabenabzugs nicht anders behandelt werden als der Fall, in dem sich die Versorgungsleistung aus (niedrigerem) Barunterhalt und unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zusammensetzt.
Da die Revision anhängig ist, muss nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden.
Quelle | FG Nürnberg, Urteil vom 6.2.2025, 4 K 1279/23, Rev. BFH: X R 5/25, BMF-Schreiben vom 11.3.2010, IV C 3 - S 2221/09/10004, Rz. 46
| Der Bundesfinanzhof (BFHZ) hat jüngst entschieden, dass die Erteilung von Reitunterricht nicht von der Umsatzsteuer befreit ist, es sei denn, der Unterricht dient der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung. |
Das war geschehen
Im Streitfall begehrte der Kläger die Steuerbefreiung verschiedener Reitkurse für Kinder und Jugendliche auf seinem Reiterhof in den Jahren 2007 bis 2011. In der „Ponygruppe“ wurden Kinder und Jugendliche und bei „Klassenfahrten“ wurden Schulklassen im Umgang mit Pferden unterrichtet.
Zudem wurden Kurse für eine „Große Pferdegruppe“ angeboten, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen gerichtet waren. Die unterrichteten Kinder und Jugendlichen wurden darüber hinaus verpflegt und übernachteten teilweise auch auf dem Reiterhof.
Uneinigkeit der gerichtlichen Instanzen
Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, dass sämtliche Leistungen steuerpflichtig seien. Das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein sah das aber größtenteils anders. So seien die Umsätze insoweit steuerfrei, als sie auf die Beherbergung und Verpflegung sowie auf den Teil des Reitunterrichts entfielen, mit dem die formalen Voraussetzungen dafür erlangt werden können, später den Beruf des Turniersportreiters auszuüben („Große Pferdegruppe“).
Der Meinung des Finanzgerichts hat sich der BFH aber nicht vollumfänglich angeschlossen.
Der BFH stellte klar, dass es sich bei der Beherbergung und Verpflegung von Kindern und Jugendlichen um selbstständige steuerbare Leistungen neben dem Reitunterricht handelt. Er hob weiter hervor, dass Reitunterricht (als spezialisierter Unterricht) kein „Schul- und Hochschulunterricht“ ist.
Beachten Sie | Entsprechendes ist bereits für Segel-, Fahr-, Schwimm-, Jagd- und Tanzschulen entschieden worden.
Anerkennung als Ausbildung an strenge Voraussetzungen geknüft
Die Einstufung von Reitunterricht als „Ausbildung“ oder „Fortbildung“ kommt nach Auffassung des BFH nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Reitunterricht, der typischerweise der Freizeitgestaltung dient, ist in der Regel keine Ausbildung oder Fortbildung, da er nicht auf einen bestimmten Beruf vorbereitet. Die Kurse der „Ponygruppe“ und für Schulklassen im Rahmen der „Klassenfahrten“ sind daher umsatzsteuerpflichtig.
Beachten Sie | Die Ansicht des BFH dürfte insoweit strenger sein als die Auffassung der Finanzverwaltung zu Ballett-, Tanz- oder Musikunterricht.
Spätere Turniersportreiter: umsatzsteuerfreie Kurse
Bei den Kursen der „Großen Pferdegruppe“ lagen hingegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme vor, da zahlreiche Teilnehmer später Turniersportreiter wurden. Diese Kurse sind folglich umsatzsteuerfrei.
Hinsichtlich der Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für die Kinder und Jugendlichen führte der BFH aus, dass die hierfür seinerzeit geltende Steuerbefreiung nur in Betracht kommt, wenn eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter vorliegt. Bereits hieran fehlte es aber im Streitfall. Denn der Kläger konnte eine solche Anerkennung nicht vorweisen.
Beachten Sie | Seit dem 1.1.2020 können nur noch die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben insoweit umsatzsteuerbefreit sein, was der Kläger aber nicht ist.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 9/22, PM 35/25 vom 30.5.2025
| Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen und übernimmt der neue Eigentümer die auf dem Grundstück lastenden Schulden, liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund : Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Spekulationsbesteuerung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 23 EStG).
Beachten Sie | Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die
- im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
Das war geschehen
Der Vater hatte im Jahr 2014 ein Grundstück für 143.950 Euro erworben und teilweise fremdfinanziert. 2019 übertrug er das Grundstück auf seine Tochter. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Grundstück einen Wert von 210.000 Euro. Die Tochter übernahm die am Übertragungstag bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 115.000 Euro.
Finanzamt: Aufteilung in entgeltlich und unentgeltlich
Das Finanzamt teilte den Vorgang (ausgehend vom Verkehrswert im Zeitpunkt der Übertragung) in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichenTeil auf. Soweit das Grundstück unter Übernahme der Verbindlichkeiten entgeltlich übertragen worden war, besteuerte das Finanzamt den Vorgang als privates Veräußerungsgeschäft.
Hiergegen klagte der Vater vor dem Finanzgericht (FG) Niedersachsen und bekam Recht. Die Begründung: Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten sind keine Veräußerungen (im Sinne des § 23 EStG).
Höchste Instanz bestätigt Vorgehen des Finanzamts
Doch die Freude währte nicht lange, denn der BFH schloss sich der Ansicht des Finanzamts an.
- Wird ein Wirtschaftsgut übertragen und werden damit zusammenhängende Verbindlichkeiten übernommen, liegt regelmäßig ein teilentgeltlicher Vorgang vor. In diesem Fall erfolgt eine Aufteilung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichenTeil.
- Wird das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen, unterfällt der Vorgang hinsichtlich des entgeltlichen Teils als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensteuer.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.3.2025, IX R 17/24, PM 37/25 vom 30.5.2025
| Frauen muslimischen Glaubens haben keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kfz mit einem Gesichtsschleier (Niqab). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin bestätigt. |
Antrag auf Ausnahmegenehmigung
Die Klägerin hatte ihren Antrag auf Ausnahmegenehmigung damit begründet, dass sie sich gemäß ihrem Glauben außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Da sie im Auto den Blicken fremder Menschen ausgesetzt sei, müsse es ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Das VG hatte die Klage abgewiesen.
Berufung nicht zugelassen
Das OVG hat den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Mit ihren Einwendungen hat die Klägerin es nicht vermocht, ernstliche Richtigkeitszweifel an der Entscheidung des VG zu wecken oder Verfahrensfehler offenzulegen.
Keine wesentliche Einschränkung der Religionsfreiheit
Die Annahme des VG, dass das Tragen einer Gesichtsverschleierung während des Autofahrens für die Religionsausübung typischerweise keine wesentliche Einschränkung bedeutet und angesichts der zeitlich und örtlich eingeschränkten Wirkung des Verbots hinzunehmen ist, konnte sie nicht durchgreifend in Frage stellen.
Dasselbe gilt für die Annahme des VG, dass das der zuständigen Behörde bei der Frage der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt wurde, weil der Eingriff zur Sicherstellung der effektiven automatisierten Verkehrsüberwachung gerechtfertigt ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Quelle | OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.4.2025, OVG 1 N 17/25 , PM 11/25
| Wer seine SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergibt, hat keinen Anspruch auf Rückzahlung abgebuchter Kreditkartenbeträge. So entschied es das Amtsgericht (AG) München. |
Das war geschehen
Der Ehemann der Klägerin wollte am Samstag, den 6.1.2024, für seine Ehefrau und sich eine Reise im Internet buchen. Hierzu gab er auf der Website „Check24“ die Daten der Kreditkarte seiner Ehefrau ein. Kurz darauf erschien eine Mitteilung, dass ein Betrag in Höhe von 318,99 Euro vorgemerkt sei, ehe weitere Mitteilungen über vergleichbare Vormerkungen erschienen. Die Klägerin veranlasste noch am selben Abend telefonisch die Sperrung der Kreditkarte. Am Montag, den 8.1.2024 sind sechs unberechtigte Abbuchungen zu je 318,99 Euro für Giftcards vom Konto der Klägerin erfolgt, insgesamt 1.953,29 Euro.
Zur Autorisierung der Transaktionen fand das Mastercard 3D-Secure-Verfahren Anwendung. Zur Aktivierung dieses Verfahrens auf einem weiteren Gerät übersandte die beklagte Bank am 6.1.2024 eine SMS-TAN an die von der Klägerin bei der Beklagten hinterlegte Mobilfunknummer. Die an die Klägerin versandte SMS-TAN wurde dann auf dem weiteren mobilen Endgerät, auf dem auch die Banking-App freigeschaltet wurde, am 6.1.2024 eingegeben und damit das Secure-Verfahren aktiviert.
Die Klägerin behauptete, dass sie diese Abbuchungen nicht autorisiert habe. Bei der Buchung sei sie nicht nach PIN oder Passwort gefragt worden, sie habe auch nirgendwo eine SMS-Tan eingegeben. Es sei nicht erkannt worden, dass es sich möglicherweise um eine „Fake“-Website handelte.
Die beklagte Bank ging davon aus, dass die Frau die SMS-Tan an einen Dritten weitergegeben haben muss, da eine Freigabe der Buchungen anders technisch nicht möglich gewesen sei und verweigerte die Zahlung. Die Klägerin verklagte die Bank daher vor dem AG auf Rückzahlung der 1.953,29 Euro.
So sah das Amtsgericht den Sachverhalt
Das AG wies die Klage ab. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Abbuchungen nicht von der Klägerin autorisiert waren, sondern von Dritten getätigt wurden. Aufgrund der Beweisaufnahme war das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin die SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergegeben haben muss, weshalb ein Schadenersatzanspruch der Bank gegen die Klägerin in gleicher Höhe bestehe, mit dem die Bank aufgerechnet habe.
Das AG: Der Vortrag der Bank, dass diese in ihren Systemen feststellen konnte, dass das Mastercard 3D-Secure Verfahren per Banking App für die Kreditkarte der Klägerin am 6.1.2024 um 13:30 Uhr aktiviert wurde, und zur Aktivierung dieses Verfahrens auf dem neuen Gerät eine SMS-TAN an die im Vertrag hinterlegte Mobilfunknummer der Klägerin versandt wurde, wurde durch Inaugenscheinnahme des Mobiltelefons der Klägerin bestätigt. Dort befindet sich eine SMS vom 6.1.2024 13:29 Uhr mit dem Inhalt: „ … ist Ihre TAN für die Aktivierung von Mastercard Identity Check vom 6.1.2024 13:44 Uhr.“ Der Eingang der SMS um 13:29 Uhr war im eingesehenen Nachrichtenverlauf um 13:29 Uhr dokumentiert und wird auch durch das vorgelegte IT-Protokoll belegt. Der Vortrag der Klägerin, keine SMS-TAN erhalten zu haben und dass ihr Mobiltelefon nicht in die Freigabe involviert war, erwies sich damit als widerlegt.
SMS-Tan war unzweifelhaft eingegeben worden
Die Bank hat unbestritten vorgetragen, dass aufgrund der manuellen Eingabe einer an die Mobilfunknummer der Klägerin versandten SMS-Tan ein Fremdzugriff technisch ausgeschlossen ist. Es wurde ein neues Gerät im Online-Banking der Klägerin als Freigabeinstrument im Rahmen des 2-Faktor-Authentifizierungsverfahrens hinterlegt. Hierzu war – technisch zwingend – die Eingabe der SMS-Tan erforderlich. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Klägerin durch Preisgabe der SMS-Tan Dritten eine Registrierung eines Geräts ermöglicht hat, wobei die Preisgabe persönlicher Sicherheitsmerkmale an Dritte gemäß den vertraglichen Bestimmungen untersagt war.
Verhalten der Klägerin war grob fahrlässig
Das Verhalten der Klägerin bewertet das Gericht als grob fahrlässig. Es ist eine Sache, wenn man seine Kreditkartendaten offenbart. Diese werden bei jeder Verwendung offenbart und können auch von der Karte abgelesen werden.
Die Weitergabe eines im Rahmen einer Zwei-Faktor-Autorisierung erhaltenden Zugangscodes kann nicht damit gleichgesetzt werden. Mit dieser Weitergabe hilft der Nutzer, die Sicherheitsarchitektur grundlegend auszuhebeln. Es muss jedem verständigen Nutzer solcher Kreditkarten klar sein, welches Risiko er mit der Weitergabe derartiger Daten schafft. Die Klägerin mag dies nicht bewusst getan haben und es mag auch nicht erinnerlich sein. Indessen lässt sich der Vorgang plausibel nicht anders erklären.
Quelle | AG München, Urteil vom 8.1.2025, 271 C 16677/24, PM 14/25
| Nach den Vorgaben des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes (FKAustG) werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates automatisch ausgetauscht. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun die Staatenaustauschliste 2025 bekanntgegeben. Enthalten sind die Staaten, mit denen der automatische Datenaustausch zum 30.9.2025 erfolgt. Weitere Informationen zum Informationsaustausch erhalten Sie u. a. auf der Website des Bundeszentralamts für Steuern (abrufbar unter www.iww.de/s2991). |
Quelle | BMF-Schreiben vom 3.6.2025, IV D 3 - S1315/00304/070/025
| Die Vermietung von Zimmerkontingenten an eine Kommune zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter überschreitet nicht den Nutzungszweck eines zum Hotelbetrieb gepachteten Gebäudes. Dies gilt jedenfalls, solange hiermit keine übermäßige Abnutzung oder sonstige Beeinträchtigung für den Verpächter verbunden ist, die über die übliche Nutzung durch Hotelgäste hinausgeht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die auf Räumung und Herausgabe des Hotels gerichtete Klage der Verpächterin abgewiesen. |
War die Unterbringung Geflüchteter vertragswidrig?
Die Klägerin schloss 2016 mit der Beklagten einen Vertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb des „Hotel F.“ in Gießen. Die Sache durfte vertraglich nur zum vereinbarten Nutzungszweck gebraucht werden. Seit Herbst 2022 buchte das Jugendamt der Stadt Gießen regelmäßig Zimmer für in seiner Obhut stehende Jugendliche. Nach Abmahnung kündigte die Klägerin 2023 fristlos. Sie hält die Unterbringung unbegleiteter Jugendlicher für vertragswidrig. Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt.
In der Berufung wies das OLG die Klage ab. Der Vertrag zwischen den Parteien sei nicht wirksam fristlos gekündigt worden. Die Beklagte habe nicht die Rechte der Klägerin durch eine unbefugte Überlassung an Dritte in erheblichem Maße verletzt. Dem Betrieb eines Hotels sei es immanent, dass es zu Beherbungsverträgen mit Dritten komme. Davon umfasst sei auch, dass bei der Buchung von Zimmerkontingenten durch Firmen o. Ä. ein ganzes Hotel faktisch durch denselben Mieter belegt werde. Der Abschluss von zeitlich begrenzten und auf bestimmte Zimmer bezogenen Beherbungsverträgen mit der Stadt Gießen sei folglich nicht unbefugt gewesen. Die Grenze zur unzulässigen Gebrauchsüberlassung wäre nur überschritten, wenn die Stadt das gesamte Gebäude übernommen und zu einem Flüchtlingsheim umgebaut hätte.
Keine Gefährdung der Mietsache, keine Pflichtverletzung
Eine zur Kündigung berechtigende Gefährdung der Mietsache durch unbegleitete minderjährige Geflüchtete sei nicht erkennbar. Es liege keine Pflichtverletzung wegen Überschreitung des Vertragszwecks vor, die zur Kündigung berechtigte. Die zeitweilige Vermietung zum o. g. Zweck überschreite nicht den Vertragszweck. Die vertraglich vereinbarte Nutzungsart als Hotel sei durch das Angebot von individueller Unterkunft, Service, Verpflegung und Nebenleistungen gekennzeichnet. Aufenthaltsdauer, -zweck und Motive für die Anmietung der Zimmer stellten keine entscheidenden Kriterien für die Bewertung als Hotelbetrieb dar. Es bestehe kein Anspruch darauf, „dass die Vermietung nur an einen bestimmten Personenkreis erfolgen darf, solange keine Beeinträchtigungen der Räumlichkeiten vorliegen bzw. zu befürchten sind“, unterstrich das OLG und es sei auch nicht vorgetragen, dass „Geflüchtete die Zimmer intensiver und nachlässiger nutzten als dies bei einer „normalen“ Vermietung an Hotelgäste der Fall wäre“.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.2.2025, 2 U 63/24, PM 21/25
| Das Landgericht (LG) Hanau hat entschieden: Die Anforderung von Belegkopien der Betriebskostenabrechnung ist kein wirksames Einsichtnahmeersuchen, wenn die Einsicht beim Vermieter zumutbar ist. Hierfür kommt es auf die Entfernung zur Mietwohnung an und nicht auf den Ort, an den der Mieter nach Mietende verzogen ist. |
Muss Mieter Belege einsehen oder muss Vermieter sie zuschicken?
Nach Mietvertragsende verlangte der Mieter die geleistete Kaution zurück. Die dann noch erstellte Betriebskostenabrechnung wies eine Nachforderung auf, die der Vermieter mit der Kaution verrechnete. Der inzwischen über 120 km weit weggezogene Mieter widersprach der Abrechnung, forderte die Übersendung von Belegkopien, um die Abrechnung zu prüfen, und klagte auf Rückzahlung der gesamten Kaution. Er bringt vor, keine Kopien erhalten zu haben, zumal der Vermieter für eine Einsichtnahme bei diesem nun zu weit entfernt sei.
So sahen es die Gerichte
Das Amtsgericht (AG) hat die Klage in Höhe der verrechneten Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das LG entschied, dass die Einwände gegen die Abrechnung zu unkonkret waren, weil der Mieter die Belege nicht geprüft hat. Der Vermieter habe die Belegeinsicht auch nicht verweigert, weil der Mieter unzulässigerweise die Übersendung von Kopien verlangte. Da die Belegprüfung grundsätzlich beim Vermieter erfolgen muss, lag schon kein wirksames Einsichtnahmeersuchen vor.
Kein Ausnahmefall
Der Mieter könne auch nicht ausnahmsweise die Zusendung von Kopien fordern. Das sei zwar möglich, wenn der Vermieter zu weit entfernt ansässig ist. Hierfür komme es jedoch auf die Entfernung der Mietsache zu diesem an, wobei eine Anreise von Hanau nach Frankfurt zumutbar sei. Dass der Mieter nun über 120 km entfernt wohnt, liege hingegen in seinem Risikobereich und führe nicht zu einem Recht auf Übersendung von Kopien.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | LG Hanau, Beschluss vom 24.3.2025, 2 S 43/24, PM vom 8.5.2025
| Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg bestätigte die Vorinstanz: Der kulturelle und familiäre Wert einer Sammlung aus Gemälden und historischen Gegenständen ist höher zu setzen als das Interesse einzelner Familienmitglieder an der Verwertung der Gegenstände. Letzteres hatte ein Teil der Familie aufgrund interner Differenzen verlangt. |
Das war geschehen
Die Nachfahren einer Nürnberger Patrizierfamilie stritten in einem Zivilprozess um den Erhalt ihrer Familiensammlung – einer Sammlung von Gemälden und historischen Gegenständen, die über Jahrzehnte als ungeteiltes Familienvermögen innerhalb der Familie über die Erbfolge weitergegeben wurde. Ein Teil der Familie begehrte den Pfandverkauf der historischen Sammlungsgegenstände, die teils in privater Nutzung sind, teils im Germanischen Nationalmuseum verwahrt werden, um die Erben- und Bruchteilsgemeinschaft auseinanderzusetzen. Die beklagten Familienmitglieder widersetzten sich dem und beriefen sich auf ein in einem Familienvertrag aus dem Jahr 1936 festgelegtes immerwährendes Teilungsverbot für das verfahrensgegenständliche Familienvermögen. Die Kläger verwiesen auf eine spätere Aufhebung sowie Nichtigkeit dieses Familienvertrags, denn dessen Regelungen sahen unter anderem die Weitergabe der Familiensammlung nur an männliche Nachkommen vor.
So sah es die erste Instanz
Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth hatte in erster Instanz die Klage abgewiesen. Es sah die Aufhebung des Familienvertrags nicht durch die vorhandenen Protokolle der Familienversammlungen belegt und erachtete das von der Familie im Jahr 1936 in Bezug auf die Familiensammlung vereinbarte dauerhafte Teilungsverbot als wirksam und fortbestehend an. Die Klagepartei habe auch keine Umstände vorgebracht, die als wichtiger Grund eine Aufhebung der Gemeinschaft rechtfertigen könne. Die im Verfahren vorgetragenen innerfamiliären Differenzen reichten hierfür nicht aus.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Hiergegen legte ein Familienmitglied der unterlegenen Klageseite Berufung zum OLG ein. Dieses hat das Ersturteil bestätigt und die zur Begründung des Aufhebungsanspruchs vorgebrachten Gründe und Einwendungen der Berufung für nicht durchgreifend erachtet. Wie das Erstgericht bewerte der Senat die erbrechtliche Regelung im Familienvertrag zum Ausschluss der weiblichen Nachkommen als nichtig, was aber die Wirksamkeit des dauerhaften Teilungsverbots nicht berühre. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kam das OLG zu dem Ergebnis, dass das beklagtenseits eingewandte familiäre als auch öffentliche Interesse am Erhalt der Gesamtheit der Sammlung als Kulturgut dem klägerischen Interesse an einer Aufhebung der Gemeinschaft und an einer damit verbundenen Zerschlagung der Sammlung überwiege.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 28.2.2025, 1 U 2451/23 Erb, PM 12/25
| Bauarbeiter, die auf Baustellen einfache Arbeiten verrichten, einen festen Stundenlohn erhalten und am Markt nicht erkennbar unternehmerisch auftreten, sind regelmäßig abhängig Beschäftigte, für die die Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen. Dies entschied in drei Urteilen das Hessische Landessozialgericht (LSG). |
Baufirmen müssenSozialversicherungsbeiträge nachzahlen
Die Deutsche Rentenversicherung entschied in mehreren Fällen, dass Bauarbeiter abhängig beschäftigt sind. In zwei Fällen forderte sie nach entsprechenden Betriebsprüfungen von den im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge in fünfstelliger Höhe. In einem weiteren Verfahren hatte sie zunächst über den Antrag auf Statusfeststellung zu entscheiden.
Weder schriftliche Verträge noch eigene Werkzeuge
In diesen Fällen hatten angeblich selbstständige Werkunternehmer auf Baustellen der jeweils klagenden Baufirma gearbeitet. Bei diesen Bauarbeitern handelte es sich um ausländische Staatsangehörige mit allenfalls geringen Deutschkenntnissen. Sie erledigten Abbrucharbeiten, Maurertätigkeiten und Pflasterarbeiten, sanierten Bäder oder arbeiteten im Trockenbau. Schriftliche Verträge oder Auftragsbestätigungen gab es nicht. Die Abrechnungen erfolgten auf Basis der aufgeschriebenen Stunden bei einem Stundenlohn zwischen 10 und 15 Euro. Die Materialien und Werkzeuge wurden bis auf Kleinwerkzeuge von den jeweiligen Baufirmen gestellt.
Scheinselbstständige statt Werkunternehmer
Das LSG folgte der Einschätzung der Rentenversicherung. In allen drei Verfahren liege Scheinselbständigkeit vor.
Bei einfachen, typischen Arbeitnehmerverrichtungen, die der Beschäftigte im Wesentlichen ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübe, spreche die Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis. Die betroffenen Bauarbeiter seien jeweils in den Betrieb der klagenden Baufirma eingegliedert gewesen und hätten einfache Bauarbeiten getätigt, wie sie typischerweise abhängig Beschäftigte verrichteten.
Kein unternehmerisches Auftreten
Werkvertragstypische Vereinbarungen einer unternehmerischen Leistung hätten nicht festgestellt werden können. Zudem seien die angeblichen „Werkunternehmer“ schon aufgrund ihrer geringen Deutschkenntnisse zu einem unternehmerischen Auftreten am Markt nicht in der Lage gewesen.
Zwischen den Baufirmen und den Bauarbeitern getroffene Vereinbarungen über eine (angeblich) selbstständige Tätigkeit seien nicht relevant und könnten die gesetzlich angeordnete Sozialversicherungspflicht nicht ausschließen.
Quelle | Hessisches LSG, Urteil vom 3.4.2025, L 8 BA 4/22, L 8 BA 62/22 und L 8 BA 64/21, PM vom 3.4.2025
| Wandhängende WCs und Handtuchheizkörper in Standardausführung sowie Balkone in der Größe von vier qm sind in Milieuschutzgebieten genehmigungsfähig, weil sie der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dienen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden. |
Bauliche Änderungen nicht ohne Genehmigung
Die Klägerinnen sind jeweils Eigentümerinnen von Wohngebäuden in Milieuschutzgebieten in Berlin-Mitte. Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen soziale Erhaltungsverordnungen (umgangssprachlich Milieuschutzverordnungen) gelten. Sie sollen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im jeweiligen Gebiet schützen. Bauliche Änderungen bedürfen in Milieuschutzgebieten grundsätzlich einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Den Erlass von Milieuschutzverordnungen erlaubt ein Bundesgesetz, nämlich das Baugesetzbuch. In Berlin sind dafür die Bezirke zuständig. Aktuell gelten in Berlin über 40 Milieuschutzverordnungen.
Eine Klägerin möchte im Badezimmer einer Wohnung ein Stand-WC durch ein wandhängendes WC ersetzen sowie einen Handtuchheizkörper einbauen. Eine weitere Klägerin begehrt den Anbau von dreizehn Balkonen in der Größe von jeweils vier qm an die Wohnungen ihres Mehrfamilienhauses. Die Maßnahmen stellen nach Ansicht der Klägerinnen einen zeitgemäßen Ausstattungszustand ihrer Wohnungen dar. Das Bezirksamt versagte den Klägerinnen die erhaltungsrechtlichen Genehmigungen. Die Vorhaben gingen über einen zeitgemäßen Ausstattungszustand hinaus und seien als wohnwerterhöhende bauliche Änderungen im Milieuschutzgebiet nicht zulässig.
Genehmigungen sind zu erteilen
Das VG gab den dagegen erhobenen Klagen statt und verpflichtete das Bezirksamt, die Genehmigungen zu erteilen. Der Gesetzgeber habe im Baugesetzbuch geregelt, dass eine erhaltungsrechtliche Genehmigung zu erteilen sei, wenn die bauliche Maßnahme der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen diene.
Mittlerer Standard nicht wohnwerterhöhend
Der Gesetzgeber habe den Genehmigungsanspruch auch nicht auf bauliche Maßnahmen beschränkt, die der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dienten. Vielmehr habe er zugelassen, dass darüber hinaus auch in Milieuschutzgebieten eine behutsame Anhebung des Ausstattungszustands auf den Standard mittlerer Wohnverhältnisse erfolgen könne. Daran sei ein bundeseinheitlicher Maßstab anzulegen. Bei wandhängenden WCs und Handtuchheizkörpern in einer Standardausführung sowie bei vier qm großen Balkonen werde dieser Standard nicht überschritten. Dafür sprächen unter anderem die Verbreitung dieser Ausstattungsmerkmale bundesweit sowie der Umstand, dass die Mietspiegel der größeren deutschen Städte sie überwiegend nicht als wohnwerterhöhend einstuften.
Quelle | VG Berlin, Urteile vom 2.4.2025, VG 19 K 17/22 und VG 19 K 351/23, PM 24/25
| Trotz erfolgreich absolviertem ersten juristischen Staatsexamen hat ein Antragsteller, der erwiesenermaßen die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft, keinen Anspruch darauf, den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) zu durchlaufen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz. |
Fehlende Verfassungstreue
Der Antragsteller wollte nach erfolgreichem Jurastudium als Rechtsreferendar in den juristischen Vorbereitungsdienst eintreten. Dies lehnte das Oberlandesgericht (OLG) wegen fehlender Verfassungstreue des Antragstellers ab. Dieser suchte daraufhin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um gerichtlichen Rechtsschutz mit dem Ziel nach, ihn im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses einzustellen.
Eindeutige Publikationen
Der Antrag blieb ohne Erfolg. Dem Antragsteller, so das VG, fehle der notwendige sog. Anordnungsanspruch. Aus den einschlägigen Vorschriften des Landesgesetzes über die juristische Ausbildung sowie des Landesbeamtengesetzes folge, dass die juristische Ausbildung am Leitbild einer dem Rechtsstaat verpflichteten Person zu orientieren sei. Rechtsreferendare müssten sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Der Antragsteller werde dem nicht gerecht, wie von ihm verfasste und publizierte Texte belegten.
In einem von ihm geschriebenen Roman würden beispielsweise schwarze Menschen durch die Verwendung menschenverachtender Bezeichnungen pauschal herabgewürdigt. Es werde hierin behauptet, ein – namentlich genannter – österreichischer Fußballspieler, der dunkelhäutig sei, könne kein Deutscher oder Österreicher sein. In einem anderen Text attestierte er dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Demontage des Volksbegriffs. Der von dem Antragsteller vertretene Volksbegriff mit der Forderung nach einer „positiven Erneuerung Deutschlands“ könne nur als Forderung nach einer Umkehrung eines vermeintlichen „Bevölkerungsaustauschs“ verstanden werden. Zudem sei der Antragsteller Mitglied bei der „Jungen Alternative für Deutschland“ und dem Verein „Ein Prozent e. V.“ gewesen. Er habe in beiden Organisationen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Frühjahr 2023 als gesichert rechtsextremistisch einstufe, zumindest zeitweise herausgehobene Funktionen übernommen.
Die Entscheidung ist bestandskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 9.5.2025, 5 L 416/25.KO, PM 14/25
| Eine Tätowierung ist heute typischer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Während sichtbare Tattoos im Arbeitsleben immer normaler werden, stellt sich damit aber zunehmend die Frage, wer eigentlich das finanzielle Risiko trägt, wenn beim Stechen des Tattoos nicht alles glatt verläuft. Dazu liegt nun eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vor: Wer sich tätowieren lässt, erhält bei Komplikationen keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das LAG bestätigt damit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Flensburg. |
Pflegekraft ließ sich tätowieren
Die als Pflegehilfskraft beschäftigte Klägerin ließ sich am Unterarm tätowieren. In der Folge entzündete sich die tätowierte Stelle. Die Klägerin wurde daraufhin für mehrere Tage krankgeschrieben. Die beklagte Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum ab.
Die Klägerin führte vor Gericht aus, dass sie ja nicht Entgeltfortzahlung für den Tätowierungsvorgang geltend mache, sondern für eine davon zu trennende zeitlich nachfolgende Entzündung der Haut. Ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen. Es habe sich ein sehr geringes Risiko verwirklicht, das nur bei ein bis fünf Prozent der Fälle von Tätowierungen auftrete. Tätowierungen seien als Teil der privaten Lebensführung geschützt und mittlerweile weit verbreitet.
Die Arbeitgeberin entgegnete, die Klägerin habe bei der Tätowierung in eine Körperverletzung eingewilligt. Das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre deshalb nicht zum normalen Krankheitsrisiko und könne dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden.
Arbeitsunfähigkeit verschuldet
Das LAG ist der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Diese war zwar arbeitsunfähig krank. Sie hat die Arbeitsunfähigkeit aber verschuldet. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz handelt ein Arbeitnehmer immer schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt.
Die Klägerin musste bei der Tätowierung damit rechnen, dass sich ihr Unterarm entzündet. Dieses Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen ihr eigenes Gesundheitsinteresse dar. Sie hat selbst vorgetragen, in bis zu 5 % der Fälle komme es nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut. Dies ist keine völlig fernliegende Komplikation. Bei Medikamenten wird eine Nebenwirkung als „häufig“ angegeben, wenn diese in mehr als einem, aber weniger als zehn Prozent der Fälle auftritt. Zudem ist die Komplikation in der Hautverletzung durch die Tätowierung selbst angelegt.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.5.2025, 5 Sa 284 a/24, PM vom 2.7.2025
| Wenn ein Arbeitnehmer sich beim Kaffeetrinken verschluckt und infolgedessen stürzt, kann das im Einzelfall einen Arbeitsunfall darstellen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden. |
Nasenbeinbruch während morgendlicher Besprechung
Der Kläger war als Vorarbeiter auf einer Baustellebeschäftigt. Beim Kaffeetrinken während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer verschluckte er sich, ging hustend zur Tür, um sich draußen auszuhusten, verlor kurz das Bewusstsein und stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter. Dabei brach er sich das Nasenbein.
Berufsgenossenschaft und Sozialgericht: kein Arbeitsunfall
Das sei kein Arbeitsunfall, befand die zuständige Berufsgenossenschaft, denn das Kaffeetrinken habe keinen betrieblichen Zwecken gedient. Es sei vielmehr dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen. So sah es auch das Sozialgericht (SG), das in erster Instanz über den Fall entschieden hatte.
Landessozialgericht: auch Nahrungsaufnahme geschützt
Zu Unrecht, befand nun das LSG. Zwar erstrecke sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit damit ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird. Im vorliegenden Fall sei das Kaffeetrinken aber nicht auf das Grundbedürfnis des Durstlöschens gerichtet gewesen, sondern habe (auch) betrieblichen Zwecken gedient. Der gemeinsame Kaffeegenuss während der verpflichtend vorgeschriebenen Besprechung habe eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft bewirkt.
Arbeitgeber stellte den Kaffee zur Verfügung
Zudem habe der Kaffee für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesorgt. Das sei auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, der sich teilweise selbst um das Auffüllen der Kaffeevorräte gekümmert habe. Deshalb sei der Fall auch anders zu beurteilen, als wenn sich ein Arbeitnehmer z. B. in der Frühstückspause an einem Kaffee verschluckt, den er selbst in der Thermoskanne mitgebracht hat.
Quelle | LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.5.2025, L 6 U 45/23, PM 2/25
| Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Hostprovider – hier Meta – muss nach einem Hinweis auf einen rechtsverletzenden Post auf der Social-Media-Plattform Facebook auch ohne weitere Hinweise sinngleiche Inhalte sperren. Sinngleich sind etwa Beiträge mit identischem Text und Bild, aber abweichender Gestaltung (Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung), bloßer Änderung typografischer Zeichen oder Hinzufügung von Elementen, etwa sog. Captions, die den Aussagegehalt nicht verändern. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Arzt und bewarb in der Vergangenheit u. a. die sog. „Hirschhausen Diät“. Der Kläger wies die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach auf sog. Fake-Werbe-Videos hin, in denen er vermeintlich u. a. für Abnehmmittel werbe.
Gegenstand dieses Eilverfahrens sind zwei weitere solcher Deep-Fake Videos: Nutzer haben zum einen ein Video unter Verwendung eines Ausschnitts aus der Sendung von Markus Lanz hergestellt, in denen der Name, das Bildnis und die Stimme des Klägers verwendet werden und in dem dieser vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme wirbt. Dieses Video entfernte die Beklagte zeitnah nach Abmahnung durch den Kläger. In einem nachfolgend erschienenen, nahezu inhaltsgleichen weiteren Deep-Fake Video warb der Kläger ebenfalls vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme. Dieses Video entfernte die Beklagte ebenfalls – erst – nach entsprechendem Hinweis durch den Kläger. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassen der Verbreitung dieser beiden Videos in Anspruch. Das Landgericht (LG) hat den Antrag zurückgewiesen.
So sah es das Oberlandesgericht
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hatte teilweise Erfolg. Hinsichtlich des ersten Videos bestehe kein Unterlassungsanspruch, entschied das OLG. Die Beklagte sei als Hostproviderin grundsätzlich nicht verpflichtet, von den Nutzern ins Netz gestellte Beiträge vor ihrer Veröffentlichung auf etwaige Rechtsverletzungen hin zu prüfen. Ihre Haftung setze die Verletzung von Prüf- und Verhaltenspflichten voraus. Vor der Abmahnung des Klägers betreffend das erste Video sei die Beklagte nicht zur Löschung verpflichtet gewesen. Eine Löschpflicht habe sich insbesondere nicht aus den vorausgegangenen Hinweisen des Klägers auf andere, nicht sinngleiche sog. Fake-Werbungen ergeben. Grundsätzlich lösten derartige Hinweise nur Prüfpflichten hinsichtlich „sinngleicher Inhalte“ aus. Darunter fielen Inhalte, die in Bild und Text identisch, aber bei gleichbleibendem Gesamteindruck etwa abweichend gestaltet seien. Dies könne sich etwa auf die Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung mit Rahmen oder Zufügung sog. Caption beziehen. Die vorausgegangenen Hinweise des Klägers hätten sich hier jedoch auf in Bild und Text abweichende Inhalte bezogen.
Prüfplicht des Providers bestand
Hinsichtlich des zweiten Videos habe die Beklagte dagegen schon aufgrund der Abmahnung des Klägers hinsichtlich des ersten Videos eine Prüfpflicht getroffen. Es habe keiner weiteren Abmahnung bedurft. Das zweite Video unterscheide sich allenfalls marginal vom ersten. Nach dem Eindruck des OLG wirkten die Videos – bei voneinander abweichender Überschrift – nahezu identisch. Es lägen damit sinngleiche Inhalte vor. Da die Beklagte das zweite Video nicht bereits ohne weitere Abmahnung gesperrt habe, habe sie gegen ihre Prüfpflichten verstoßen. Im Ergebnis bestehe daher ein Unterlassungsanspruch.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nich tanfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.3.2025, 16 W 10/25, PM 14/25
| Zahlreiche Betriebsprüfungen zeigen, dass die Kassenführung oft beanstandet wird. Das Problem dabei: Ist die Kassenführung nicht ordnungsmäßig, drohen erhebliche Hinzuschätzungen. So war es auch in einem Fall, der vom Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein zu entscheiden war. |
Im Streitfall hatte bei einem bargeldintensiven Imbiss mit Sitzgelegenheiten eine Betriebsprüfung stattgefunden. Der Betreiberin, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte, wurden dabei zahlreiche Mängel in der Kassenführung vorgeworfen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem FG blieb erfolglos.
Beachten Sie | Allerdings ist inzwischen die Revision anhängig, in der insbesondere diese interessanten Fragen zu klären sind:
- Ist bei bestehenden Zweifeln im Hinblick auf den Programmierzustand und das Vorhandensein von Manipulationsspuren an der Registrierkasse vom FG ein Sachverständigengutachten einzuholen?
- Rechtfertigen fehlende Programmierprotokolle für die verwendete Kasse eine Schätzung dem Grunde nach?
- Ergibt sich aus einer angeblichen Abweichung von der Richtsatzsammlung eine Schätzungsbefugnis?
Quelle | FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.8.2023, 3 K 25/22, Rev. BFH, X R 27/24
| Hat eine Gesellschaft ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr, ist für die Berechnung der Steuerermäßigung gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 EStG) nicht auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums abzustellen, sondern auf das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahrs. Für die Aufteilung des Steuerermäßigungsbetrags sind der Gewerbesteuer-Messbetrag und die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des Wirtschaftsjahrs an der Gesellschaft beteiligt waren. So lautet ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Hintergrund: Unter den Voraussetzungen des § 35 EStG wirddie Gewerbesteuerbelastung kompensiert, indem die tarifliche Einkommensteuer um das Vierfache des festgesetzten Steuermessbetrags gemindert wird.
Quelle | BFH, Urteil vom 10.4.2025, IV R 21/22
| Mit Wirkung ab 1.6.2025 wurden die Gebühren für Eintragungen im Handelsregister um 50 Prozent erhöht. Demzufolge werden auch Unternehmensgründungen teurer. |
In der Begründung der Verordnung wird hierzu u. a. ausgeführt: „Die daraus insgesamt resultierenden Gebühreneinnahmen sollen dazu dienen, den Aufwand der Länder für den Betrieb der Registergerichte weitgehend zu decken, damit die Gerichte den Anforderungen an eine moderne, effiziente und sichere Registerführung auch künftig gerecht werden können.“
Quelle | Dritte Verordnung zur Änderung der Handelsregistergebührenverordnung, BGBl I 2025, Nr. 127
| Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft wird nur bereit sein, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung einer Eigentumswohnung zu (privaten) Wohnzwecken (also im privaten Interesse) eines Gesellschafters zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe erstattet werden und sie zudem einen angemessenen Gewinnaufschlag erhält. Vor diesem Hintergrund hat es das Finanzgericht (FG) Niedersachsen im Streitfall als rechtmäßig beurteilt, dass das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) angesetzt hat. |
Zum Hintergrund: Bei einer vGA handelt es sich – vereinfacht – um Vermögensvorteile, die dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gewährt werden. Eine vGA darf den Gewinn der Gesellschaft nicht mindern.
Im Anschluss an ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahr 2016 führte das FG weiter aus: Eine Vermietung zu marktüblichen, aber nicht kostendeckenden Bedingungen würde ein gewissenhafter Geschäftsführer (ausnahmsweise) in Betracht ziehen, wenn er bezogen auf den jeweils zu beurteilenden Veranlagungszeitraum bereits von der Erzielbarkeit einer angemessenen Rendite ausgehen kann.
Beachten Sie | Die danach für den Fremdvergleich maßgebliche Kostenmiete ist auch dann als Maßstab heranzuziehen, wenn der Gegenstand des Unternehmens der Kapitalgesellschaft auch neben der an die Gesellschafterin vermieteten Wohnung in der Vermietung von Immobilien besteht.
Gegen das Urteil ist die Revision anhängig. Gleichwohl sollte in vergleichbaren Fällen eine vGA bedacht werden. Es empfiehlt sich, Mietverträge zu prüfen und ggf. anzupassen.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 15.8.2024, 10 K 255/21, Rev. BFH, I R 21/24
| Ein Freiwilliger Wehrdienst kann bei einem volljährigen Kind für sich genommen keinen Kindergeldanspruch begründen. Gleichwohl kann während der Zeit des Wehrdienstes ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, wenn das Kind einen der gesetzlichen Berücksichtigungstatbestände erfüllt, also z. B. während des Wehrdienstes für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dabei ist es unschädlich, wenn das Kind nach Abschluss der Grundausbildung im Rahmen des Freiwilligen Wehrdienstes Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad ausübt. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Das war geschehen
Der Sohn absolvierte nach seinem Abitur einen zehn Monate dauernden Freiwilligen Wehrdienst. Die Familienkasse bewilligte dem Vater für die Übergangszeit zwischen Abitur und Grundausbildung sowie für die Zeit der Grundausbildung Kindergeld. Nach der Grundausbildung verrichtete der Sohn Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad, eine weitere Ausbildung bei der Bundeswehr fand nicht statt. Nach dem Ende des Wehrdienstes studierte er an einer zivilen Hochschule. Den Entschluss dazu hatte er während des Wehrdienstes gefasst.
Die Familienkasse versagte für die Zeit nach Beendigung der Grundausbildung bis zum Beginn des Studiums die Festsetzung von Kindergeld. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Vater Klage vor dem Finanzgericht (FG) Bremen. Da das FG die Revision zugelassen hatte und diese auch eingelegt wurde, musste nun der BFH entscheiden.
Beachten Sie | Der Freiwillige Wehrdienst gehört – anders als ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr – nicht zu den im Einkommensteuergesetz (hier: § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG) genannten Berücksichtigungstatbeständen, die schon für sich genommen einen Kindergeldanspruch begründen können.
Bundesfinanzhof: Kindergeldanspruch bestand
Dennoch entschied der BFH, dass auch nach dem Ende der Grundausbildung und trotz einer Erwerbstätigkeit des Kindes als Soldat mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden ein Kindergeldanspruch bestehen kann, wenn das Kind (wie im Streitfall) eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.
Beachten Sie | Die drei Monate dauernde Grundausbildung war zwar Teil einer Ausbildung zum Offizier oder Unteroffizier. Ihre Beendigung führte jedoch nicht zu einem für den weiteren Kindergeldbezug ggf. schädlichen Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung (i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG).
Es kam auf den Zeitpunkt des Entschlusses an
Für einen Monat wies der BFH die Revision jedoch zurück, weil sich der Entschluss des Sohnes, sich um einen Studienplatz zu bemühen, erst im Folgemonat objektiviert hatte. Der bloße Vortrag des Kindergeldberechtigten und des Kindes, der Entschluss zu einer Ausbildung oder zu einem Studium sei früher gefasst worden, ist für die Begründung des Anspruchs nicht ausreichend.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.2.2025, III R 43/22, PM 28/2025 vom 2.5.2025
| Ab Mai 2025 setzen vier Pilotfinanzämter (Brühl, Bielefeld-Außenstadt, Hamm und Lübbecke) des Landes Nordrhein-Westfalen erstmals ein KI-Modul zur Unterstützung der Steuerveranlagung ein. Das Ziel: Steuererklärungen sollen effizienter, schneller und treffsicherer bearbeitet werden.
Das neue KI-Modul ergänzt das bewährte Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung. Es erkennt Muster in den Steuerdaten und kann gut nachvollziehbare Fälle mit geringem Prüfbedarf gezielt identifizieren. Diese werden automatisiert verarbeitet – und damit schneller abgeschlossen.
Gestartet wird mit Arbeitnehmerfällen (also Steuererklärungen mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalerträgen, Vorsorgeaufwendungen, Sonderausgaben, haushaltsnahen Dienstleistungen und ähnlichen Bereichen). Die Ausweitung auf weitere Fallkonstellationen ist bereits in Planung.
Nordrhein-Westfalen übernimmt die Vorreiterrolle. Nach erfolgreichem Testlauf ist die landesweite Einführung geplant.
Quelle | FinMin NRW, Mitteilung vom 22.4.2025
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der auf Dienstreisen seinen privaten Pkw einsetzt, die tatsächlichen Kosten für jeden gefahrenen Kilometer auch dann ansetzen kann (im Streitfall: 2,28 Euro/km für einen Sportwagen), wenn er von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt bekommt, den er grundsätzlich für dienstliche und private Fahrten nutzen kann. |
Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall jedoch den Nachweis erbringen, dass er das Privatfahrzeug tatsächlich beruflich eingesetzt hat. Eine Angemessenheitsprüfung dem Grunde nach (hier: berufliche Nutzung eines privaten Fahrzeugs durch einen Arbeitnehmer, dem von seinem Arbeitgeber ein Geschäftsfahrzeug überlassen wurde) findet nicht statt.
Beachten Sie | Das Finanzamt will diese Entscheidung aber nicht akzeptieren und hat Revision eingelegt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.9.2024, 9 K 183/23, Rev. BFH: VI R 30/24
| Kinderbetreuungskosten sind als Sonderausgaben abzugsfähig. Bei Aufwendungen für Unterricht, für die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen ist ein Sonderausgabenabzug allerdings gesetzlich ausgeschlossen. Mit dem Abzugsverbot hat sich nun der Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt. |
Hintergrund: Kinderbetreuungskosten können nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) als Sonderausgaben steuerlich absetzbar sein. Folgende Aspekte sind hier zu beachten:
- Abzug von 80 % der Betreuungsleistungen, maximal 4.800 Euro pro Jahr.
- Der Abzug ist zulässig für haushaltszugehörige Kinder unter 14 Jahren (oder aufgrund Behinderung, Eintritt vor dem 25. Lebensjahr, Übergangsregel 27. Lebensjahr).
- Grundsätzlicherforderlich: Rechnung und Überweisung.
- Nichtabziehbar: Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen.
Betreuungscharakter muss im Vordergrund stehen
Nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen vor, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbstständigten Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichts- oder Kurszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen (sprachlichen, musischen, sportlichen) Fähigkeiten in den Hintergrund rückt.
Nicht begünstigteAufwendungen
Entsprechendes gilt für sportliche und andere Freizeitbetätigungen. Nicht begünstigte Aufwendungen für derartige Aktivitäten liegen daher vor, wenn
- die Betätigung organisatorisch, zeitlich und räumlich getrennt von einer Kindertagesstätte, einem Schulhort oder einer ähnlichen Einrichtung stattfindet und
- dabei nicht die altersbedingt erforderliche Betreuung des Kindes, sondern die Aktivität im Vordergrund steht.
Quelle | BFH, Urteil vom 23.1.2025, III R 33/24 (III R 50/17)
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen hat die Stadt Marburg dazu verpflichtet, einer Studentin einen Bewohnerparkausweis zu erteilen, die ein in Tschechien zugelassenes Fahrzeug nutzt. |
Kfz in Tschechien zugelassen
Die Klägerin wohnt in einem Bewohnerparkgebiet der Beklagten. Sie nutzt ein Kraftfahrzeug ihres Vaters, der tschechischer Staatsangehöriger ist und das Fahrzeug in Tschechien zugelassen hat. Im Frühjahr 2024 beantragte sie bei der Stadt Marburg, ihr einen Bewohnerparkausweises zu erteilen. Dies lehnte die Stadt mit der Begründung ab, dass sie Bewohnerparkausweise für Fahrzeuge mit ausländischer Zulassung nicht erteilen könne. Im Rahmen des Klageverfahrens argumentierte die Stadt weiter, dass eine ausländische Zulassung gegen eine dauerhafte Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin spreche, weil ein im Ausland zugelassenes Kraftfahrzeug nur vorübergehend am Verkehr in Deutschland teilnehmen dürfe.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG bejahte hingegen den Anspruch der Studentin auf einen Bewohnerparkausweis. Bei der Klägerin handele es sich um eine Anwohnerin, die das betroffene Fahrzeug nachweislich dauerhaft nutze.
Gegen eine dauerhafte Nutzung spreche insbesondere nicht, dass Kraftfahrzeuge mit ausländischer Zulassung nur vorübergehend am Straßenverkehr in Deutschland teilnehmen dürfen. Es sei bereits nicht klar, ob das von der Klägerin genutzte Fahrzeug diese Voraussetzungen erfülle. Die Klägerin gab nämlich an, dass sie das Fahrzeug während der Semesterferien nicht in Deutschland nutze. Diese Prüfung obliege der Zulassungsbehörde, die je nach Einzelfall eine Untersagung des Betriebs im öffentlichen Straßenverkehr ohne deutsche Zulassung aussprechen könne.
Die Versagung eines Bewohnerparkausweises für im Ausland zugelassene Fahrzeuge entspreche nicht dem Zweck der Vorschriften. Ein Bewohnerparkgebiet diene dem Anwohnerinteresse, in innerstädtischen Wohnstraßen eine Abstellmöglichkeit für ein (dauerhaft) genutztes Kraftfahrzeug zu finden.
Quelle | VG Gießen, Urteil vom 13.11.2024, 6 K 2830/24.GI, PM vom 19.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Ein zur Nichtigkeit der entsprechenden Vereinbarung führender Verstoß gegen den im Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 656 d BGB) geregelten Grundsatz der hälftigen Teilung des Maklerlohns liegt vor, wenn ein Makler allein für den Verkäufer einer Immobilie tätig geworden ist und der Käufer zur Zahlung des vollen Honorars an den Makler verpflichtet wird. |
Das war geschehen
Die Kläger erwarben ein mit einer Doppelhaushälfte bebautesGrundstück. Mit der Vermittlung des Verkaufs hatte die Verkäuferin das beklagte Maklerunternehmen beauftragt. Für die Vermittlung der Immobilie entstand zugunsten der Beklagten gegenüber der Verkäuferin ein Maklerlohnanspruch in Höhe von 25.000 Euro. Der im Exposé zunächst vorgesehene Kaufpreis wurde um einen Betrag in dieser Höhe reduziert. Zugleich verpflichteten sich die Kläger gegenüber der Beklagten zur Zahlung eines Honorars in gleicher Höhe, das sie nach notarieller Beurkundung des Kaufvertrags bezahlten. Eine Maklerlohnzahlung durch die Verkäuferin erfolgte nicht. Die Kläger verlangten die Rückzahlung des geleisteten Betrags.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: § 656 d BGB ist nicht nur auf Vereinbarungen der Parteien des Kaufvertrags über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus untereinander anwendbar, sondern erfasst jegliche Art einer vertraglichen Vereinbarung, durch die unmittelbar oder mittelbar ein Anspruch des Maklers auf Zahlung oder Erstattung von Maklerlohn gegenüber der Partei des Kaufvertrags begründet wird, die nicht Partei des Maklervertrags ist. Umfasst sind daher auch alle auf eine Verpflichtung zur Zahlung oder Erstattung des Maklerlohns gerichteten Vereinbarungen des Maklers mit der Partei des Kaufvertrags, die nicht Partei des Maklervertrags ist.
Der Anwendbarkeit des § 656 d BGB steht es deshalb auch nicht entgegen, dass die Verkäuferin der Immobilie von der Pflicht, den vereinbarten Maklerlohn zu entrichten, gegenüber der Beklagten nicht entbunden war. Da die Käufer im Innenverhältnis zur Verkäuferin verpflichtet waren, den Maklerlohn in voller Höhe zu bezahlen, blieb die Verkäuferin als die Partei, die den Maklervertrag abgeschlossen hat, nicht zur Zahlung des Maklerlohns mindestens in gleicher Höhe verpflichtet.
Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung
Der Verstoß gegen § 656 d BGB führt zur Gesamtnichtigkeit einer entsprechenden Vereinbarung. Die Kläger können von der Beklagten die Rückzahlung des Maklerlohns in voller Höhe verlangen.
Quelle | BGH, Urteil vom 6.3.2025, I ZR 138/24, PM 45/25
| Eine 77-jährige Frau, die über einer Supermarktfiliale wohnt, tätigte dort ihre Einkäufe bis zu einem Hausverbot Anfang des Jahres 2024 durch die Filialleitung. Sie behauptet, das Hausverbot sei nach einer Beschwerde ihrerseits ohne ersichtlichen Grund erteilt worden. Sie sei gesundheitlich stark eingeschränkt und nicht in der Lage, längere Strecken zurückzulegen und daher auf die Filiale angewiesen. Ohne ein Betreten des Supermarkts sei ihr eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verwehrt. Das Amtsgericht (AG) München wies ihre Klage ab. |
Wiederholtes Fehlverhalten
Die Filialleitung begründete das Hausverbot mit wiederholtem Fehlverhalten. Die Münchnerin habe Kunden beim Betreten des Markts von ihrer Wohnung aus beschimpft, habe das Geschäft regelmäßig ohne Einkaufsabsicht aufgesucht, Mitarbeiter in Gespräche verwickelt und diese von der Arbeit abgehalten. Sie habe sich zudem immer wieder an der Frischetheke des Markts Ware aufschneiden lassen und diese dann, anstatt zu kaufen, im Laden abgelegt.
Da der Supermarkt sich weigerte, das Hausverbot zurückzunehmen, verklagte sie den Betreiber vor dem AG auf Gewährung des Zutritts zum Supermarkt – ohne Erfolg.
Hausrecht deckt Hausverbot
Der Beklagte ist als Betreiber des Supermarkts aufgrund seines Hausrechts grundsätzlich berechtigt, Kunden selbst ohne sachlichen Grund ein Hausverbot zu erteilen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein Fehlverhalten der Klägerin vorlag.
Dem Betreiber einer Einrichtung, die erhebliche Bedeutung für das gesellschaftliche und kulturelle Leben hat, wird eine besondere rechtliche Verantwortung zugewiesen, die es ihm verbietet, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund auszuschließen. Entgegen der Auffassung der Klägerin entscheidet die Verweigerung des Zutritts für sie nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Ein Supermarkt dient der Daseinsvorsorge in Form von Einkäufen des täglichen Bedarfs, insbesondere an Lebensmitteln, nicht der sozialen Interaktion oder des kulturellen Austauschs.
Klägerin konnte auf konkurrierenden Supermarkt ausweichen
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Monopolstellung oder sonstige strukturelle Überlegenheit des Beklagten vorliegt, die dazu führt, dass bestimmte Personen nicht ohne sachlichen Grund ausgeschlossen werden könnten. Eine solche Monopolstellung des Markts des Beklagten für die tägliche Daseinsvorsorge ist im konkreten Fall nicht gegeben. Der Beklagte hat unbestritten ausgeführt, dass in fußläufiger Entfernung (ab 500 Metern) weitere Supermärkte vorhanden sind, die somit auch für betagtere Kunden problemlos zu erreichen sind.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 11.10.2024, 142 C 18533/24, PM 12/25
| Legt beim Gebrauchtwagenkauf der Verkäufer den Fahrzeugbrief vor, kann sich der Käufer normalerweise darauf verlassen, dass er es auch tatsächlich mit dem Eigentümer und nicht mit einem Betrüger zu tun hat. Dieses Vertrauen kann aber erschüttert sein, wenn die Umstände des Verkaufs trotzdem Verdacht erregen müssen. Dann muss der Käufer im Betrugsfall das Fahrzeug dem wahren Eigentümer zurückgeben und bleibt auf dem gezahlten Kaufpreis als Schaden sitzen. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal (Pfalz) entschieden. Es hat die Klage eines Autokäufers abgewiesen, der auf einen Betrüger hereingefallen war. |
Autokäufer war auf Betrüger hereingefallen
Der Käufer hatte den PKW von einem Betrüger für mehr als 35.000 Euro erworben. Kurze Zeit nach dem Kauf beschlagnahmte die Polizei das Fahrzeug und gab es dem ursprünglichen Eigentümer zurück. Dieser verkaufte es anschließend für knapp 49.000 Euro weiter.
Den Kaufpreis reklamierte der betrogene Käufer für sich. Er sei trotz des Betrugs Eigentümer des Fahrzeugs geworden. Er sei im Internet auf das Fahrzeug gestoßen und habe sich im Saarland zur Besichtigung verabredet. Auf dem Weg dorthin habe er die Mitteilung erhalten, dass das Kind des Verkäufers einen Treppensturz erlitten habe und in einem Krankenhaus in Frankreich liege. Dorthin sei er nun umgeleitet worden, wo der Kauf auf dem Parkplatz durch Barzahlung auch abgewickelt worden sei. Der Betrüger habe einen vermeintlich echten Fahrzeugbrief und einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt. Er habe deshalb daran glauben dürfen, dass das Fahrzeug diesem auch gehört habe.
Umstände des Kaufs waren dubios, Zweifel daher angebracht
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Der Käufer habe trotz Vorlage des scheinbar echten Fahrzeugbriefs grob fahrlässig gehandelt und das Fahrzeug daher nicht gutgläubig erworben. Denn die Umstände des Verkaufs hätten beim Käufer Zweifel erregen müssen, dass er den wahren Eigentümer vor sich hatte. So habe dieser einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt, obwohl sein im Kaufvertrag genannter Wohnsitz Frankenthal gewesen sei und das Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen zugelassen war.
Kurzfristige Verlegung der Übergabe ins Ausland
Auffällig sei ferner, dass der Verkäufer ursprünglich als Treffpunkt das vom angegebenen Wohnort abweichende Dillingen/Saar genannt habe. Typisch für unlautere Automobilgeschäfte sei auch das Bargeschäft und die kurzfristige telefonische Verlegung des Verkaufsorts an einen fremden und noch dazu im Ausland befindlichen Ort. Nach alledem könne der Käufer dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entgehen und habe den Schaden selbst zu tragen, so der Richter.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 3.4.2025, 3 O 388/24, PM vom 22.5.2025
| Das Amtsgericht (AG) Berlin-Charlottenburg hat entschieden: Hatte der frühere Vermieter die Hundehaltung erlaubt, kann der in das Mietverhältnis eingetretene Vermieter diese Gestattung nur aus wichtigem Grund widerrufen. Dies gilt, auch wenn es sich um einen Kampfhund handeln sollte. Dass sich Mitmieter aufgrund der Größe und Kraft eines solchen Hundes subjektiv bedroht fühlen, reicht für den Widerruf nicht aus. |
Vorheriger Vermieter hatte Hundehaltung gestattet, neuer Vermieter widerrief Erlaubnis
Die Parteien eines Mietvertrags über ein möbliertes Apartment stritten um die Räumung und Herausgabe einer Wohnung. Der Kläger, der aktuelle Vermieter, war nachträglich in das Mietverhältnis eingetreten. Der beklagte Mieter hält einen Hund, was ihm ausdrücklich vom früheren Vermieter erlaubt worden war.
Der Kläger hat die Erlaubnis zur Hundehaltung im Juni 2023 widerrufen und die Haltung eines Kampfhundes untersagt. Der Beklagte sollte seinen Hund bis Ende Juni 2023 entfernen. Noch im Juni mahnte der Kläger den Beklagten wegen nicht gestatteter Tierhaltung ab. Anfang August 2023 kündigte der Kläger das Mietverhältnis ordentlich zum 30.11.2023 und begründete dies mit der weiteren Haltung eines Kampfhundes sowie des Einsetzens des Hundes als Druck- und Nötigungsmittel.
Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung
Der Kläger behauptete, bei dem vom Beklagten gehaltenen Tier würde es sich um einen Kampfhund handeln. Der Beklagte würde dieses Tier gegenüber Nachbarn im Objekt als Druck- und Nötigungsmittel einsetzen, um Vorrang auf Wegen oder im Treppenhaus zu erzwingen. Mehr als ein anderer Bewohner im Objekt habe Angst vor dem Hund, die wollten aber nicht namentlich genannt werden. Er verklagte den Mieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Der Mieter behauptete hingegen, es handele sich nicht um einen „Listenhund“, sondern um eine Mischung aus Old-English-Bulldog und Weimeraner. Er reichte dazu zwei Fotos sowie eine tierärztliche Bescheinigung und weitere Unterlagen ein.
So entschied das Amtsgericht
Der Vermieter kann das Mietverhältnis nur aus berechtigtem Interesse kündigen. Das ist z. B. der Fall, wenn der Mieter vertragliche Pflichten erheblich verletzt, indem er z. B. ein Tier trotz Abmahnung weiter hält.
Im Fall des AG war es aber anders: Der ursprüngliche Vermieter hatte die Hundehaltung erlaubt. Der – große und kräftige – Hund, war– ohne Maulkorb – stets an der Leine geführt worden. Beißvorfälle oder -versuche oder Bedrohungen von Nachbarn mit dem Hund konnten nicht bewiesen werden. Ein – subjektives – Bedrohtfühlen genügt nicht, um die Erlaubnis zu widerrufen.
Quelle | AG Charlottenburg, Urteil vom 30.5.2024, 218 C 243/23
| Ein Streit um einen Erbschein hat kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Eine Erbin hatte falsche Angaben gemacht – mit unangenehmen Folgen. |
Wahrheitswidrige Angaben zum Testament
Eine Frau hatte nach dem Tod ihrer Mutter einen Erbschein beantragt, um als Alleinerbin ausgewiesen zu werden. Sie berief sich dabei auf ein Testament, machte aber falsche Angaben: Sie versicherte eidesstattlich, dass das Testament von der Verstorbenen eigenhändig verfasst worden sei. In Wirklichkeit hatte jedoch die Tochter das Testament geschrieben und die Mutter nur ihre Unterschrift darunter gesetzt.
Testament muss eigenhändig geschrieben sein
Die falschen Angaben betrafen einen entscheidenden Punkt: Ein Testament muss eigenhändig geschrieben oder von einem Notar beurkundet werden. Eigenhändig heißt, dass der Erblasser es komplett selbst und von Hand niederschreiben muss. Die bloße Unterschrift der Mutter reichte deshalb nicht aus – das Testament war unwirksam. Statt des Testaments galt die gesetzliche Erbfolge, das heißt: Die Antragstellerin musste sich das Erbe mit ihren Geschwistern teilen.
Streit um Anwaltskosten
Im Erbscheinverfahren vor dem Amtsgericht (AG) wurden die falschen Angaben aufgeklärt. Der Streit war damit aber nicht erledigt. Denn die Geschwister hatten Anwälte beauftragt, um gegen den unberechtigten Antrag vorzugehen. Zwei Schwestern verlangten die Erstattung der angefallenen Anwaltskosten. Das OLG gab ihnen nun Recht.
Mögliche strafrechtliche Konsequenzen
Für die unterlegene Schwester hat dies nicht nur finanzielle Folgen: Die Akten werden nun der Staatsanwaltschaft übergeben, denn eine falsche eidesstattliche Versicherung ist strafbar. Das OLG sah einen entsprechenden Anfangsverdacht; bis zu einer möglichen Entscheidung im Strafverfahren gilt für die Betroffene die Unschuldsvermutung.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 9.1.2025, 6 W 156/24, PM vom 20.2.2025
| Das Zerreißen eines Testaments durch den Erblasser ist eine Widerrufshandlung. Es wird gesetzlich vermutet, dass dieser Widerrufshandlung eine Widerrufsabsicht zugrunde lag. Die Aufbewahrung des zerrissenen Testaments im Schließfach widerlegt diese Vermutung nicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die Beschwerde des in dem zerrissenen Testament Begünstigten gegen einen auf Basis gesetzlicher Erbfolge erteilten Erbschein zurückgewiesen. |
Testament zerrissen, aber aufbewahrt
Der Erblasser war mit seiner Frau in letzter Ehe kinderlos verheiratet. Nach seinem Versterben beantragte die Frau einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Das Nachlassgericht erteilte den Erbschein, der die Frau neben der Mutter des Erblassers als Erben auswies. Zwei Monate später öffneten die Frau und ein Vertreter der Mutter des Erblassers das Schließfach des Erblassers. Dort befand sich ein handschriftliches Testament, das eine andere Person begünstigte. Es war längs in der Mitte durchgerissen. Das Nachlassgericht hat den Antrag des Begünstigten abgelehnt, den bereits erteilten Erbschein im Hinblick auf das nun aufgefundene, zerrissene Testament einzuziehen.
Widerruf durch schlüssige Handlung
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das Nachlassgericht habe die Einziehung des Erbscheins zu Recht abgelehnt, da dieser nicht unrichtig geworden sei. Der Begünstigte sei nichttestamentarischer Erbe geworden. Der Erblasser habe das den Begünstigten alsErben einsetzende Testament durch schlüssige Handlung widerrufen.
Durch das Zerreißen des Testaments in der Mitte habe derErblasser das Testament vernichtet. Es liege insoweit eine Widerrufshandlungvor. Das Testament sei unzweifelhaft auch „nicht durch äußere Einflüsse „anderweitig“ in zwei Teile geraten“. Dafür spreche, dass das Papier mittig, aber nicht vollständig gerade getrennt worden sei. Die Trennränder seien zudem nicht glatt. Anhaltspunkte für ein – ggf. sachverständig aufzuklärendes – anderweitiges Trennen des Schriftstücks in zwei Teile lägen nicht vor. Es sei auch davon auszugehen, dass der Erblasser selbst das Testament zerrissen habe, da nur er Zugang zum Bankschließfach gehabt habe. Nach den Angaben der bei Öffnung des Schließfachs Anwesenden bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Testament beim Öffnen oder Schließen des Schließfachs versehentlich von einer dritten Person zerrissen worden sei.
Gesetzliche Vermutung nicht widerlegt
Es werde gesetzlich vermutet, dass diese Widerrufshandlung mit Widerrufsabsicht erfolgte. Indizien, die diese Vermutung widerlegen würden, seien nicht erkennbar. Warum der Erblasser das zerstörte Testament im Schließfach aufbewahrte, sei zwar nicht nachvollziehbar. Dies allein genüge aber nicht zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung. Der Erblasser habe ausweislich der dokumentierten 31 Öffnungen des Schließfachs dieses offensichtlich nicht ausschließlich zur Aufbewahrung eines ungültigenTestaments angemietet.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.4.2025, 21 W 26/25, PM 26/25
| Das Landgericht (LG) Berlin II hat eine Energieberatungsfirma zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von rund 6.000 Euro wegen einer Falschberatung verurteilt. Aufgrund der Falschberatung habe der Kläger – ein Verbraucher – Fenster und Dachfenster mit zu hohen Wärmedurchgangskoeffizienten einbauen lassen, die daher nicht förderfähig seien. |
Förderleistungen beantragt – Bundesamt lehnt ab
Der Kläger hatte die Beklagte mit der Energieberatung für die energetische Sanierung seines Einfamilienhauses beauftragt. In Zusammenarbeit mit der Beklagten beantragte er beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Förderleistungen gemäß der Richtlinie der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG-Richtlinie) und erhielt einen entsprechenden Zuwendungsbescheid. Anschließend holte er Angebote für die Sanierungsmaßnahmen ein und schickte sie der Beklagten, die diese nicht beanstandete.
Für den Verwendungsnachweis der Fördermittel gab der Kläger in Absprache mit der Beklagten die Wärmedurchgangskoeffizienten an, die mit den verbauten Dämmmaterialien an der Gebäudehülle erreicht werden konnten – für das Dach und die Geschossdecke einen Koeffizienten von 0,2, für die Fenster von 1,1 und für die Dachflächenfenster von 1,3. Das Bundesamt teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die technischen Mindestanforderungen bei der Sanierung nicht erreicht seien und hob den Förderbescheid teilweise auf. Die BEG-Richtlinie fordert Koeffizienten an Dachgebilden von 0,14 und an Fenstern von 0,95 bzw. 1,0 bei Dachflächenfenstern.
Energieberater muss Förderleistung zahlen
Das Gericht sprach dem Kläger nun Schadenersatz in Höhe der eigentlich zu gewährenden Förderungssumme zu. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur fachlich zutreffenden Beratung verletzt. Sie hätte insbesondere die vom Kläger vorgelegten Angebote auf ihre Förderungsfähigkeit prüfen müssen.
Der Verweis der Beklagten, der Kläger hätte sich selbst über die förderungsrelevanten Wärmedurchgangskoeffizienten informieren können, führe ihr Leistungsangebot ad absurdum. Es sei gerade ihre Hauptleistungspflicht, einen Verbraucher und Laien über die Richtlinien und Richtwerte fachlich zu beraten. Darüber hinaus habe die Beklagte den Kläger falsch beraten, weil sie selbst von falschen Werten ausgegangen sei. Rechtsirrig habe sie in E-Mails an den Kläger auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und nicht auf die Werte der BEG-Richtlinie verwiesen. Die Beratung sei auch deshalb unzureichend und fehlerhaft gewesen.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23, PM 3/25
| Bei einer mehr als unerheblichen Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks scheidet die Annahme eines faktischen Kerngebiets aus, also als Gebiet, das vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Stadt versagte Nutzung eines Gebäudes als Spielhalle
Die Klägerin begehrt einen Bauvorbescheid für die Nutzung eines Geschäftsgebäudes in der Innenstadt der Beklagten als Spielhalle. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, der Widerspruch blieb erfolglos.
Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht sahen das anders
Das Verwaltungsgericht (VG) gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) zurück. Das Vorhaben sei als Vergnügungsstätte zulässig. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Kerngebiet i. S. d. Baunutzungverordnung (hier: § 7 BauNVO). Die nicht unerhebliche, aber noch untergeordnete Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks stehe dieser Einordnung nicht entgegen, obwohl sie im vorhandenen Umfang nur aufgrund von Festsetzungen in einem Bebauungsplan zulässig wäre.
Bundesverwaltungsgericht rügte mangelnde Tatsachenfeststellung
Das BVerwG hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Auffassung des OVG, dass ein faktisches Kerngebiet auch bei einer nicht unerheblichen Wohnnutzung vorliegt, steht mit der Regelungssystematik der Baunutzungsverordnung nicht in Einklang. Die Verweisung in § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB auf die §§ 2 ff. BauNVO findet dort eine Grenze, wo die Baunutzungsverordnung eine planerische Entscheidung der Gemeinde vorsieht. Der Verordnungsgeber hat die Entscheidung darüber, ob die sonstige Wohnnutzung in einem Kerngebiet über Ausnahmen hinausgehen darf, der Gemeinde überlassen. Ihr Spielraum darf bei der Einordnung als faktisches Kerngebiet nicht übergangen werden. Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen konnte das BVerwG nicht abschließend entscheiden.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 20.5.2025, 4 C 2.24, PM 37/25
| Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf der Grundlage von über 2.300 geleisteten Mehrarbeitsstunden im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer für mehrere Monate frei, muss er ihm in diesen Monaten das Entgelt nach dem Lohnausfallprinzip zahlen, also das Entgelt, das zu zahlen gewesen wäre, wenn der Arbeitnehmer in diesen Monaten gearbeitet hätte. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |
Das LAG: Nichts anderes ergibt sich, wenn die unstreitige Mehrarbeit vor 20 Jahren geleistet worden war, also in einem Zeitraum, für den die Parteien ein viel geringeres Bruttomonatsentgelt vereinbart hatten.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 23.8.2024, 6 Sa 663/23
| Ein Bewerber um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugdienst kann verlangen, nicht wegen eines genetisch bedingten erhöhten Thromboserisikos vom Bewerbungsverfahren der Bundespolizei ausgeschlossen zu werden. Bei der beim Kläger diagnostizierten sog. Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich um einen angeborenen Gendefekt, bei dem es zu Störungen der Blutgerinnung kommt und der mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergeht. Die Entscheidung der Bundespolizeiakademie, die Bewerbung des Klägers um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst im Jahr 2023 aufgrund fehlender gesundheitlicher Eignung nicht zu berücksichtigen, hatte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Aachen keinen Bestand. Über die Bewerbung des Klägers muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden werden. |
Geringe Risiken
Zur Begründung hat das VG ausgeführt, dass es bereits in erheblichem Maße zweifelhaft ist, ob hinreichende sachliche Gründe für den Ausschluss von Beamten mit einem solchen Gendefekt bestehen. Denn das durch eine solche Mutation bedingte Thromboserisiko ist verhältnismäßig gering. In der beim Kläger vorliegenden Form ist es zwar gegenüber gesunden Menschen erhöht, entspricht jedoch ungefähr dem Thromboserisiko durch die Einnahme der Antibabypille bei Frauen und damit einem Risiko, das der Dienstherr als hinnehmbar ansieht.
Ergebnisse der genetischen Untersuchung durften nicht mitgeteilt werden
Unabhängig davon durfte der Gendefekt nicht zulasten des Klägers im Einstellungsverfahren berücksichtigt werden, weil er aufgrund einer genetischen Untersuchung diagnostiziert wurde. Die Mitteilung des diesbezüglichen Ergebnisses durfte die Bundespolizei aus Rechtsgründen nicht verlangen.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 10.3.2025, 1 K 1304/23, PM vom 10.3.2025
| Die Verwendung eines abstrakt gefährlichen Gegenstands – hier eines Klappmessers – zu einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch – hier Reparaturversuch an einer Uhr – läuft den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider und steht deshalb der Anerkennung eines Unfallereignisses als Dienstunfall entgegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Mit dem Messer versucht, Klemmfeder zu richten
Der mittlerweile pensionierte Kläger war Polizeivollzugsbeamter im saarländischen Landesdienst. Im April 2019 erstattete er bei seiner Dienststelle eine Dienstunfallanzeige. Danach habe er zu Dienstbeginn festgestellt, dass die sonst über der Tür hängende Wanduhr auf der Fensterbank gelegen habe. Es sei ihm aufgefallen, dass die Batterie der Uhr unsachgemäß im Batteriefach gesteckt habe und die Klemmfeder verbogen gewesen sei. Er habe mit seinem Klappmesser die verbogene Feder wieder richten wollen. Hierbei sei das Messer zugeschnappt und er habe sich einen tiefen Schnitt am kleinen Finger der rechten Hand zugezogen.
Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls
Sein Antrag auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall ist behördlich und in den beiden gerichtlichen Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwiderlaufe, wenn ein Beamter sich ohne Not einem Verletzungsrisiko durch Hantieren mit einem privaten, abstrakt gefährlichen Gegenstand aussetze, dessen Funktionstauglichkeit der Dienstherr nicht prüfen könne.
Keine dienstliche Aufgabe
Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall. Zwar hat sich der Unfall in einem Dienstgebäude zur Dienstzeit ereignet und ist damit grundsätzlich als „in Ausübung des Dienstes eingetreten“ vom Dienstunfallschutz erfasst. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Reparatur der Uhr nicht zu den dienstlichen Aufgaben des Klägers als Polizeibeamter gehörte. Dienstunfallschutz wird jedoch nicht gewährt, wenn dieTätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft. Das ist hier der Fall.
Entgegen den Interessen des Dienstherrn
Dabei kann dahinstehen, ob es sich um ein Einhandmesser im Sinne des Waffengesetzes handelte und das Führen des Messers bereits deshalb verboten war. Jedenfalls lief die Benutzung dieses Messers zum Zweck einer Uhrreparatur den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider. Das verwendete Messer ist ein abstrakt gefährlicher Gegenstand, der für den Zweck der Reparatur ersichtlich nicht bestimmt und nicht geeignet war.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 13.3.2025, 2 C 8.24, PM 16/25
| Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellt den Arbeitnehmer trotz dessen Beschäftigungsanspruchs von der Arbeit frei, unterlässt der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig in Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 615 S. 2 BGB) anderweitigen Verdienst, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis eingeht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Das war geschehen
Der Kläger war seit November 2019 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Senior Consultant gegen eine monatliche Vergütung von 6.440 Euro brutto. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.3.2023 ordentlich zum 30.6.2023 und stellte den Kläger unter Einbringung von Resturlaub unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht (ArbG) am 29.6.2023 statt, die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) am 11.6.2024 zurückgewiesen.
Arbeitgeber schlug Stellenangebote vor
Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Kläger Anfang April 2023 arbeitssuchend und erhielt von der Agentur für Arbeit erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge. Die Beklagte übersandte ihm hingegen schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote, die nach ihrer Einschätzung für den Kläger in Betracht gekommen wären.
Arbeitnehmer bewarb sich – aber erst zum Beschäftigungsende
Auf sieben davon bewarb sich der Kläger, allerdings erst ab Ende Juni 2023. Nachdem die Beklagte dem Kläger für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, hat er diese mit einer Klage geltend gemacht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewendet, der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bei der Beklagten bezogenen Gehalts anrechnen lassen.
Arbeitgeber war durch einseitige Freistellung im Annahmeverzug
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) ihr stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Beklagte befand sich aufgrund der von ihr einseitig erklärten Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug und schuldet dem Kläger (nach § 615 S. 1 BGB iVm. § 611 a Abs. 2 BGB) die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss sich der Kläger nicht (nach § 615 S. 2 BGB) anrechnen lassen. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil ist nur gerechtfertigt, wenn dieser wider Treu und Glauben (nach § 242 BGB) untätig geblieben ist. Weil § 615 S. 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend hiervon bestand für ihn keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Beklagten ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.
Quelle | BAG, Urteil vom 12.0.2025, 5 AZR 127/24, PM 6/2
Erbrecht
| Ein Verkauf von Unternehmensvermögen unterliegt der Umsatzsteuer. Eine Entnahme kann hingegen ohne Umsatzsteuer bleiben, wenn der Gegenstand ohne Vorsteuerabzug Unternehmensvermögen wurde. Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Niedersachsen gelten für dieses „Entnahme-Verkauf-Modell“ aber strenge Voraussetzungen. |
Hintergrund: Wurde ein Wirtschaftsgut ohne Vorsteuerabzug erworben und in das Unternehmensvermögen eingelegt, kann es grundsätzlich nicht umsatzsteuerbar entnommen und anschließend ohne Umsatzsteuer verkauft werden. So hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Jahr 2002 Folgendes festgestellt: Entnimmt der Steuerpflichtige den Pkw, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hatte, vor der Veräußerung seinem Unternehmen, ist es unzulässig, die Entnahme zu besteuern. Wenn der Steuerpflichtige den Pkw dann veräußert, ist diese Leistung seinem privaten Bereich zuzurechnen. Sie unterliegt daher nicht der Umsatzsteuer. Zu den Voraussetzungen musste jüngst das FG entscheiden.
Das war geschehen
Ein Unternehmer hatte einen Pkw und ein Wohnmobil aus seinem Privatvermögen in das Betriebsvermögen eingelegt. Es erfolgte jeweils eine Zuordnung zum Unternehmensvermögen ohne Vorsteuerabzug. Aus den Reparaturaufwendungen wurde dann jedoch der Vorsteuerabzug geltend gemacht.
Später verkaufte der Unternehmer die Fahrzeuge ohne Umsatzsteuerausweis. Der Kaufvertrag für den Pkw datierte vom 22.10.2016 (Übergabe am 25.10.2016), der Kaufvertrag für das Wohnmobil vom 25.8.2018 (Übergabe am 29.8.2018). In der Buchhaltung wurde eine Entnahme des Pkw zum 25.10.2016 und eine Entnahme des Wohnmobils zum 25.8.2018 jeweils ohne Umsatzsteuer erfasst.
Das Finanzamt setzte für die Verkäufe Umsatzsteuer fest. Wegen der engen zeitlichen Zusammenhänge liege weder für den Pkw noch für das Wohnmobil ein ausreichender Nachweis einer Entnahmehandlung vor. Die buchhalterische Erfassung allein genüge nicht.
Die hiergegen gerichtete Klage war erfolglos.
So argumentiert das Finanzgericht
Für eine vorherige nicht umsatzsteuerbare Entnahme bedarf es objektiver Anhaltspunkte und einer gewissen Zeitspanne zwischen Entnahme und Verkauf. Der Umstand, dass die Entnahme zeitlich mit der Lieferung am gleichen Tag erfolgt sein soll, spricht gegen eine Entnahme.
Die nach außen erkennbare Entnahme eines Gegenstands aus dem unternehmerischen Bereich hat zeitlich vor dem Verkauf zu erfolgen, wobei es dabei zur erforderlichen eindeutigen Abgrenzung auf den Zeitpunkt des ersten Angebots zum Verkauf des Gegenstands bzw. die erste Verkaufsbemühung ankommt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 3.4.2025, 5 K 15/24
| Bei der Frage, ob die Sachbezugsfreigrenze gemäß Einkommensteuergesetz (hier: § 8 Abs. 2 S. 11 EStG) in Höhe von 50 Euro pro Monat überschritten wird, sind die vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten anteilig den für die Nutzung des Firmenfitnessprogramms registrierten Arbeitnehmern zuzurechnen. Auf die Anzahl der vom Arbeitgeber erworbenen Lizenzen kommt es nicht an, wenn diese nicht der Zahl der für das Programm registrierten Arbeit-nehmer entspricht. Dies hat das Finanzgericht (FG) Niedersachsen entschieden. |
Beispiel in Anlehnung an den Urteilssachverhalt
Die A-GmbH hat 100 Arbeitnehmer. Sie schließt mit dem Fitnessstudiobetreiber X eine Firmenfitness-Mitgliedschaftsvereinbarung, wonach die Arbeitnehmer der A-GmbH berechtigt sind, das Fitnessstudio des X zu nutzen.
Somit erwirbt die A-GmbH 50 Lizenzen für monatlich 4.000 Euro inkl. Umsatzsteuer. Die Anzahl wurde anhand der Personalstruktur als Kalkulationsgrundlage für X prognostiziert. Die Lizenzen haben keine Auswirkung auf die Menge der tatsächlich nutzungsberechtigten Arbeitnehmer.
Mitarbeiter, die das Angebot in Anspruch nehmen wollen, haben im Fitnessstudio eine Berechtigung vorzulegen, die X aufgrund der mitgeteilten Namen erstellte. Von den 100 Mitarbeitern haben sich 80 für das Fitnessprogramm angemeldet. Tatsächlich teilgenommen haben 50 Mitarbeiter.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind die Kosten auf die Anzahl der Lizenzen zu verteilen. Das würde im Beispiel bedeuten, dass je Arbeitnehmer 80 Euro (4.000 Euro/50 Lizenzen) zu berücksichtigen wären, mithin der Betrag in voller Höhe steuerpflichtig wäre.
Finanzgericht widersprach der Finanzverwaltung
Dem widersprach jedoch das FG: Entspricht die Anzahl der Lizenzen nicht der Zahl der für das Programm registrierten Mitarbeiter, kommt es auf die Menge der Lizenzen nicht an. Vielmehr sind dann die vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten anteilig den für die Nutzung des Firmenfitnessprogramms registrierten Mitarbeitern zuzurechnen. Im Beispiel ergeben sich somit 50 Euro je Arbeitnehmer (4.000 Euro/80 Arbeitnehmer). Da der Betrag nicht die Freigrenze übersteigt, ist er nicht zu versteuern.
Beachten Sie | Die Kosten sind nicht nur auf die Mitarbeiter zu verteilen, die das Angebot tatsächlich in Anspruch genommen haben. Denn die Arbeitnehmer haben den Nutzungsvorteil, dass für sie jederzeit eine Trainingsmöglichkeit vorgehalten wird.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 17.4.2024, 3 K 10/24
| Ein Steuerbescheid ist nach der Abgabenordnung (hier: § 175 b AO) zu ändern, wenn elektronische Daten von Dritten (z. B. dem Rentenversicherungsträger) bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Dies gilt laut Bundesfinanzhof (BFH) selbst dann, wenn diese Informationen bereits aus der Steuererklärung ersichtlich waren. |
Das war geschehen
Eheleute hatten eine korrekte Steuererklärung abgegeben. Darin hatten sie auch ihre Renteneinkünfte zutreffend erklärt. Das Finanzamt erließ allerdings einen Einkommensteuerbescheid, in dem die Renteneinkünfte nicht erfasst waren. Später erhielt das Finanzamt auch auf elektronischem Wege durch eine Datenübermittlung des Rentenversicherungsträgers von der Höhe der Renteneinkünfte Kenntnis und änderte daraufhin den Einkommensteuerbescheid zulasten der Eheleute und setzte erstmals die Renteneinkünfte an.
Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen und der BFH haben diese Handhabung nun bestätigt.
Abweichende Regelungen in der „analogen Welt“
In der analogen Welt war die Änderung eines einmal ergangenen Steuerbescheids (sowohl zugunsten als auch zulasten des Steuerpflichtigen) nur möglich, wenn hierfür besondere Voraussetzungen erfüllt waren (z. B. ausdrücklicher Vorbehalt der Nachprüfung im Steuerbescheid oder nachträglich bekannt gewordene Tatsachen).
Beachten Sie | Diese Voraussetzungen waren im Streitfall nicht erfüllt, da das Finanzamt die Rente trotz voller Kenntnis des Sachverhalts im ursprünglichen Steuerbescheid außer Ansatz gelassen hatte.
Digitalisierung: Änderung des Steuerbescheids, wenn Daten nicht berücksichtigt waren
Im Zuge der Digitalisierung erhalten aber auch die Finanzämter immer mehr besteuerungsrelevante Daten auf elektronischem Weg. Daher hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 2017 § 175 b AO eingeführt. Danach kann ein Steuerbescheid geändert werden, soweit Daten an das Finanzamt übermittelt werden, die bisher nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Weitere (insbesondere einschränkende) Voraussetzungen enthält diese Norm nicht.
Beachten Sie | Eine auf § 175 b AO gestützte Änderung ist somit auch vorzunehmen, wenn dem Finanzamt oder dem Steuerpflichtigen zuvor ein Fehler unterlaufen ist. Dies hat sich im Streitfall zugunsten des Finanzamts ausgewirkt, würde aber umgekehrt ebenso zugunsten des Steuerpflichtigen gelten.
Quelle | BFH, Urteil vom 27.11.2024, X R 25/22
| Liegt Arbeitslohn vor, wenn ein Teil eines Veräußerungspreises für Gesellschaftsanteile dafür gezahlt wird, dass der (dann ehemalige) Gesellschafter für einen bestimmten Zeitraum noch als Geschäftsführer tätig wird? Mit dieser Frage muss sich der Bundesfinanzhof (BFH) befassen. Das Finanzgericht (FG) Köln hatte auf Arbeitslohn plädiert. |
Das war geschehen
Der Steuerpflichtige A war an einer GmbH beteiligt und zugleich deren Geschäftsführer. Im Streitjahr verkaufte A seine Anteile. In dem Kaufpreis war vertragsgemäß ein Teilbetrag für die Fortsetzung der Geschäftsführung über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren enthalten.
Teileinkünfteverfahren oder Arbeitslohn?
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass es sich bei dem Teilbetrag um eine Gegenleistung für die mehrjährige Geschäftsführertätigkeit des A handle und diese nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 19 i. V. mit § 34 Abs. 1 EStG) als Arbeitslohn der Besteuerung unterliege.
Der Verkäufer A wandte dagegen ein, dass der Teilbetrag im Rahmen der Ermittlung des Gewinns i. S. des § 17 EStG („Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften“ unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens) zu berücksichtigen sei.
Das FG sprach sich im Klageverfahren unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls für Arbeitslohn aus.
Das spricht für Arbeitslohn
Für die Annahme von Arbeitslohn spricht insbesondere, dass der Verkäufer A den auf die Geschäftsführertätigkeit entfallenden Anteil nur behalten darf, wenn er weiter als Geschäftsführer tätig ist. Das Fortbestehen des Geschäftsführerverhältnisses ist nach dem Kaufvertrag notwendige Voraussetzung für die Vorteilsgewährung.
Beachten Sie | Diese Verknüpfung wird nicht durch die Anteilsübertragung überlagert, denn die prägende Gegenleistung für den Streitbetrag ist die Arbeitsleistung und nicht die Anteilsübertragung.
Höchstrichterliche Entscheidung gefragt
Das FG Köln hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Denn, soweit ersichtlich, ist die Abgrenzung zwischen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit i. S. des § 19 EStG und solchen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften i. S. des § 17 EStG bisher nicht höchstrichterlich geklärt.
Da die Revision auch eingelegt wurde, hat der BFH nun Gelegenheit, für Klarheit zu sorgen.
Quelle | FG Köln, Urteil vom 4.12.2024, 12 K 1271/23
| Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Münster kann eine Ferienwohnung, die der Einkünfteerzielung dient, eine erste Tätigkeitsstätte bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung darstellen, wenn der Vermieter mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit für das Objekt dort verrichtet. |
Hintergrund: Suchen Vermieter in (un)regelmäßigen Abständen ihre Vermietungsobjekte auf, um z. B. Reparaturen vorzunehmen oder mit dem Mieter in Kontakt zu treten, stehen die dabei entstehenden Fahrtkosten mit den Mieteinkünften im Zusammenhang und lassen sich als Werbungskosten absetzen.
Grundsätzlich sind die Fahrtkosten dann nach Reisekostengrundsätzen zu ermitteln, sodass die tatsächlichen Kosten bzw. 0,30 Euro je Kilometer für die Hin- und die Rückfahrt anzusetzen sind.
In dem Streitfall ging es nun u. a. um die Frage, ob eine Ferienwohnung auch eine erste Tätigkeitsstätte darstellen kann – mit der Folge, dass lediglich die Entfernungspauschale (0,30 Euro pro Entfernungskilometer bzw. 0,38 Euro ab dem 21. Kilometer) abgezogen werden kann.
Das war geschehen
Eine aus Vater und Sohn bestehende GbR erzielte Einkünfteaus der Vermietung zweier Ferienwohnungen. Für das Jahr 2019 machte die GbR u. a. Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen im Zusammenhang mit Reparatur- und Reinigungsarbeiten an den Wohnungen als Werbungskosten geltend.
Das Finanzamt stellte bei der Prüfung der Unterlagen und Belege Ungereimtheiten fest und erkannte die Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen wegen privater Mitveranlassung nicht an. Die hiergegen gerichtete Klage war vor dem FG teilweise erfolgreich.
Das Gericht begründete seine Entscheidung u. a. wie folgt: Die Fahrtkosten sind mit der Entfernungspauschale und unter Abzug eines Privatanteils zu berücksichtigen. Die beiden Wohnungen sind jeweils als erste Tätigkeitsstätte anzusehen.
Hier keine Zuordnung durch Arbeitgeber, sondern quantitative Kriterien
Der Verweis im Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 3 EStG) auf die vorrangig für Arbeitnehmer geltenden Regelungen führt bei den Vermietungseinkünften dazu, dass jedenfalls dann eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt, wenn der Steuerpflichtige mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit für das Mietobjekt dort selbst verrichtet. Maßgeblich sind in erster Linie quantitative Kriterien, da – anders als bei Arbeitnehmern – eine Zuordnung durch einen Arbeitgeber nicht in Betracht kommt.
Private Veranlassungsanteile
Da die Ferienwohnungen im Wesentlichen durch Dritte verwaltet wurden, während die Gesellschafter die Reparaturarbeiten selbst durchführten, ist die quantitative Grenze von einem Drittel im Streitfall deutlich überschritten. Für jede einzelne Reise hat das Gericht eine Aufteilung der Fahrtkosten vorgenommen und die privaten Veranlassungsanteile nicht als Werbungskosten anerkannt.
Die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen wären bestenfalls innerhalb der ersten drei Monate anzuerkennen. Im Streitfall war die Dreimonatsfrist aber bereits abgelaufen.
Beachten Sie | DasFG Münster hatte die Revision zugelassen, weil bis dato keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 9 Abs. 3 EStG vorliegt und hierzu im Streitfall entscheidungserhebliche Fragen grundsätzlich klärungsbedürftig sind. Da die Revision aber nicht eingelegt wurde, muss man vorerst weiter auf eine höchstrichterliche Entscheidung warten.
Allerdings zeigt der Streitfall, dass eine gute Beweisvorsorge unerlässlich ist. Das gilt nicht nur für die Anzahl der Fahrten,s ondern auch für den mit der Vermietung zusammenhängenden Hintergrund der Fahrten und der möglichst fehlenden privaten Mitveranlassung. Zudem wird deutlich, dass bei sehr vielen Fahrten zum Mietobjekt die Gefahr besteht, dass das Finanzamt nur die Entfernungspauschale gewährt.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 15.5.2025, 12 K 1916/21 F
| Eine Frau parkte in der Tiefgarage ihres Arbeitgebers. Beim Ausparken stieß sie mit der Beifahrertür ihres BMW versehentlich gegen einen rechteckigen, ca. kniehohen Sockel einer Säule. Der Sockel befand sich unterhalb der Sichtachse und war nicht gekennzeichnet oder markiert. Sie verlangte Schadenersatz. Ihre Klage wies das Amtsgericht (AG) München ab. |
Das verlangte die Klägerin
Die Klägerin behauptet, durch den Unfall sei ein Schaden an der Beifahrertür von über 3.200 Euro netto entstanden. Der Sockel sei bei Umbaumaßnahmen im Zeitraum 2019 bis 2022 errichtet worden. Die Klägerin habe erfahren, dass es mehrere Unfälle an dem Betonsockel gegeben habe. Sie verklagte daraufhin das Bauunternehmen, das die Verkehrssicherungspflicht für die von ihm durchgeführten Arbeiten übernommen hatte.
Die beklagte Baufirma gab an, der Sockel stünde dort bereits seit 50 Jahren. Sie bezweifelte, dass der Schaden vollständig auf einen Kontakt mit dem Sockel zurückzuführen sei.
So urteilte das Amtsgericht
Das AG wies die Klage ab. Begründung: Das Bauunternehmen habe bereits keine sog. Verkehrssicherungspflicht verletzt. Der Betonsockel stellte schon keine besondere Gefahrenquelle für Fahrzeuge in einer Parkgarage dar. Dabei sei zu berücksichtigen, dass jeder Kraftfahrer in einer Parkgarage ohnehin nur so schnell fahren darf, dass er im Hinblick auf die ständig zu erwartenden Ein- und Ausparkvorgänge, aber auch wegen des dort herrschenden Fußgängerverkehrs jederzeit anhalten kann. Beim Ein- und Ausparkvorgang sei es daher jederzeit möglich, anzuhalten, auszusteigen und sich zu vergewissern, wie breit die Fahrbahn oder der Parkplatz an dieser Stelle ist.
Dies gelte insbesondere hinsichtlich des streitgegenständlichen Betonsockels, der von allen Seiten gut sichtbar sei, da er breiter sei als die dahinterstehende Säule. Ein kniehoher Betonsockel sei auch kein überraschendes Hindernis für Parkgaragennutzer, da enge Parkbuchten in einer älteren Parkgarage durchaus üblich seien.
Altschäden auf Fahrfehler zurückzuführen
Selbst, wenn man unterstelle, dass mehrere Fahrer mit ihren Fahrzeugen den Betonsockel in der Vergangenheit gestreift haben sollen, was angesichts eines vorgelegten Fotos und den darauf sichtbaren Lackspuren durchaus plausibel erscheine, sei eine Gefahr, dass Rechtsgüter Dritter durch den statischen Betonsockel verletzte werden, für das Bauunternehmen nicht erkennbar gewesen. Dieses habe als sog. Verkehrssicherungspflichtige darauf vertrauen dürfen, dass die Parkgaragennutzer den gut sichtbaren Betonsockel erkennen und, sofern ihr Fahrzeug zu breit für den Parkplatz sei, eine andere noch freie Parkbucht ohne einen Betonsockel nutzen. Beschädigungen des Sockels durfte das Bauunternehmen daher auf Fahrfehler zurückführen.
Mitverschulden der Autofahrerin
Selbst, wenn man eine Verkehrssicherungspflicht annehmen würde, träfe die Frau ein Mitverschulden, das eine Haftung des Bauunternehmens vollständig entfallen ließe. Die Klägerin nutzte die Parkgarage ihres Arbeitgebers bereits fast zwei Monate nach den Umbaumaßnahmen. Ihr waren sowohl der Zustand der Parkgarage als auch ihre baulichen Merkmale aufgrund der längeren Nutzung bekannt oder sie hätten ihr bekannt sein müssen.
Quelle | AG München, Urteil vom 9.8.2024, 231 C 13838/24. PM 13/25
| Der im Land Berlin eingeführte Probeunterricht zur Eignungsfeststellung für das Gymnasium ab dem Schuljahr 2025/2026 bei Schülern, die nach der Förderprognose den erforderlichen Notendurchschnitt verfehlt haben, ist nicht zu beanstanden. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in mehreren Eilverfahren entschieden. |
Schulgesetz geändert
Im August 2024 änderte das Land Berlin die Regelungen des Schulgesetzes für die Aufnahme in das Gymnasium zur 7. Jahrgangsstufe. Nach der Neuregelung können die Erziehungsberechtigten ein Kind mit einem Notenschnitt zwischen 2,3 und 2,7 nur an einem Gymnasium anmelden, wenn die Eignung für den Besuch des Gymnasiums durch die Teilnahme an einem Probeunterricht nachgewiesen wird.
Die Antragsteller sind Schüler, die bei diesem Probeunterricht weniger als die geforderten mindestens 75 Prozent der erreichbaren Bewertungseinheiten erzielten. Im gerichtlichen Eilverfahren begehren sie dennoch die vorläufige Feststellung ihrer Eignung für das Gymnasium, weil sie die Einführung des Probeunterrichts für rechtswidrig halten.
Verwaltungsgericht: Probeunterricht nicht zu beanstanden
Das VG hat die Eilanträge zurückgewiesen. Die Ausgestaltung des Probeunterrichts und die jeweils konkreten Bewertungen seien rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar betreffe der Probeunterricht auch Kinder, die bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits in der 5. Klasse der Grundschule gewesen seien. Das sei aber verhältnismäßig, weil die legitimen Interessen des Gesetzgebers, insbesondere auch an einer zügigen neuen Aufnahmeregelung für Gymnasien, das Interesse der Betroffenen am Erhalt der bestehenden Regeln überwögen: Der Probeunterricht ermögliche eine prognostische, an allgemeingültigen Maßstäben ausgerichtete und zugleich auf den Einzelfall bezogene pädagogische Beurteilung, ob die Eignung für das Gymnasium vorliege. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des Probeunterrichts auf den Umstand reagiert, dass in der Vergangenheit durchschnittlich sieben Prozent das (mit der Neuregelung abgeschaffte) Probejahr am Gymnasium nicht bestanden hätten, im Schuljahr 2022/23 von den Schülerinnen und Schüler ohne Gymnasialempfehlung sogar 34 Prozent.
Der Probeunterricht trage den begrenzten Kapazitäten der Gymnasien und Lehrressourcen Rechnung, vermeide eine absehbare Überforderung der betroffenen Schülerinnen und Schüler und wirke durch rechtzeitige Prognose einem unnötigen Hin und Her entgegen. Die Aufgaben des Probeunterrichts seien anhand der Vorgaben des gemeinsamen Rahmenlehrplans für Berlin und Brandenburg entwickelt worden. Verbindliche Angaben der Schulaufsichtsbehörde zur Punkteverteilung im Erwartungshorizont hätten eine einheitliche Bewertung sichergestellt. Schließlich habe die zeitliche Ausgestaltung des Probeunterrichts mit ausreichenden Pausen zwischen den drei 45-minütigen Prüfungsteilen die besondere Prüfungssituation der Kinder berücksichtigt.
Quelle | VG Berlin, Beschlüsse vom 9.4.2025, VG 3 L 77/25 u. a., PM 25/25
| Die Universität Duisburg-Essen hat einer Studentin zu Recht diejenigen „Prüfungsleistungen“ aberkannt, die in dem System der Universität als bestanden ausgewiesen waren, weil die Studentin für diese Eintragung einer ehemaligen Mitarbeiterin des Prüfungsamts der Universität Geld gezahlt hatte. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen entschieden. |
Nicht zur Prüfung erschienen – Geldzahlungen an ehemalige Mitarbeiterin
Die Studentin war zu fünf Prüfungsterminen ihres Studiengangs Bachelor Wirtschaftswissenschaft, Katholische Religion und Bildungswissenschaften mit der Lehramtsoption Berufskolleg nicht erschienen. Dies war in den internen Notenlisten der Prüfer vermerkt. Eine ehemalige Mitarbeiterin des Prüfungsamts der Universität vermerkte gegen Geldzahlung in dem System der Universität, die Studentin habe die Prüfungen bestanden und trug dazu Noten ein. Im Masterstudiengang wiederholte sich dies bei vier Prüfungen. Der Prüfungsausschuss der Fakultät Wirtschaftswissenschaften beschloss, die Prüfungsleistungen jeweils als nicht bestanden (Note 5,0) zu bewerten, die von der Fakultät Bildungswissenschaften verliehenen Universitätsabschlüsse (Bachelor und Master) abzuerkennen, und forderte die Abschlusszeugnisse zurück.
Klagen gegen Aufhebung der Prüfungsleistungen
Die Klage gegen die Aufhebung der Prüfungsleistungen und ihre Bewertung als nicht bestanden hat das VG abgewiesen. Die Studentin hat die Prüfungsleistungen nicht bestanden, weil sie nicht an den Prüfungen teilgenommen hat. Die Aberkennung der Abschlüsse und die damit zusammenhängenden Anordnungen hob die Universität in der mündlichen Verhandlung auf, weil hierüber der unzuständige Prüfungsausschuss entschieden hatte. Zuständig ist der Prüfungsausschuss für Bildungswissenschaften, der die Abschlüsse verliehen hat.
Eine weitere Klage einer anderen Studentin im Studiengang Bachelor für das Lehramt Berufskolleg gegen die Bewertung von vier Prüfungsleistungen als nicht bestanden (Note 5,0) durch den Prüfungsausschuss hat das VG ebenfalls abgewiesen. Die Studentin hatte eine Prüfung nicht bestanden und war zu drei weiteren nicht erschienen. Gegen Geldzahlung an eine ehemalige Mitarbeiterin des Prüfungsamts wurden diese Prüfungen als bestanden in das System der Universität eingetragen.
Quelle | VG Gelsenkirchen, Urteile vom 28.4.2025, 4 K 1226/22 und 4 K 1227/22, PM vom 29.4.2025
| Ein Jäger, der im betrunkenen Zustand seine Jagdwaffe im Pkw transportiert, besitzt nicht die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit zur (Wieder-)Erteilung eines Jagdscheins – unabhängig davon, ob die mitgeführte Waffe geladen war oder nicht. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Münster entschieden. |
Jäger verursachte hohen Schaden
Der Jäger aus dem Kreis Coesfeld war im Jahr 2020 in Rheinland-Pfalz auf dem Rückweg von einer Jagdveranstaltung und transportierte seine Langwaffe im Fahrzeug. Dabei kam er von der Fahrbahn ab, fuhr zwei Verkehrsschilder um und in eine Hauswand. Es entstand ein Fremdschaden in Höhe von etwa 50.000 Euro. Ein Atemalkoholtest nach dem Unfall ergab einen Wert von 1,69 Promille, zwei Blutentnahmen Werte von 1,48 und 1,39 Promille. Nach dem Unfall nahm der Kläger seine in einem Futteral befindliche Langwaffe aus dem Fahrzeug und stellte sie in ein nahes Wartehäuschen, wo sie von der Polizei sichergestellt wurde.
Antrag auf erneutes Ausstellen eines Jagdscheins
Es kam zu einem Strafverfahren. Zudem wurde die Waffenbesitzkarte des Mannes widerrufen, sodass er seine Schusswaffen abgeben musste. In der Zwischenzeit lief die Gültigkeit seines Jagdscheins aus. Im Jahr 2022 beantragte der Kläger dann die erneute Ausstellung eines Jagdscheins, blieb damit bei der Behörde jedoch ohne Erfolg.
Die Klage hiergegen wies das Gericht nun ab, denn der Kläger sei waffenrechtlich unzuverlässig. Es rechtfertigten Tatsachen die Annahme, dass er mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehe oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werde. Bei der zu treffenden Prognose genüge es, wenn bei Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen bestehe. Im Bereich des Waffenrechts müsse kein Restrisiko hingenommen werden. Ob, wie zuletzt zwischen den Beteiligten streitig, die Waffe im Auto des Klägers bei der Trunkenheitsfahrt geladen war, und ob er sie nach dem Unfall genügend beaufsichtigt hat, könne offenbleiben. Genügende Anhaltspunkte für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang des Klägers mit Waffen ergäben sich bereits daraus, dass er seine Jagdwaffe bei einer Autofahrt mitgeführt hat, obwohl er eine Atemalkoholkonzentration von 1,69 Promille bzw. eine Blutalkoholkonzentration von 1,48 Promille aufwies und sich damit in einem Zustand befand, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können und vorliegend – in Form der zu dem Verkehrsunfall mit erheblichem Sachschaden führenden Unaufmerksamkeit – auch aufgetreten sind.
Als Waffenbesitzer unzuverlässig
Die Blutalkoholkonzentration übersteige den Grenzwert absoluter Fahruntüchtigkeit von Kraftfahrern (1,1 Promille). Mit einer Schusswaffe gehe nicht vorsichtig und sachgemäß um, wer diese in einem Zustand gebrauche, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können – unabhängig davon, ob solche auch tatsächlich aufträten. Das gelte auch für das Mitführen einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe bei einer Autofahrt in alkoholisiertem Zustand, das waffenrechtlich als „Führen der Schusswaffe“ einzuordnen sei.
Es bestehe zum einen die Gefahr, dass der Waffenbesitzer in einer Konfliktsituation mit anderen Verkehrsteilnehmern aufgrund alkoholbedingter Ausfallerscheinungen inadäquat reagieren und zur Konfliktlösung auf die von ihm mitgeführte Schusswaffe zurückgreifen könnte. Zum anderen bestehe beim Transport einer Schusswaffe im Straßenverkehr bei alkoholbedingten Ausfallerscheinungen des Waffenbesitzers die reale Möglichkeit des Abhandenkommens der Schusswaffe. Jedenfalls dann, wenn es – wie hier – zu einem Unfall kommt, bestehe das Risiko, dass der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, den Zugriff Dritter auf die Waffe auszuschließen. Dass der Kläger zwischenzeitlich seinen Führerschein wiedererlangt habe, ändere an dem Ergebnis nichts.
Quelle | VG Münster, Urteil vom 1.4.2025, 1 K 2756/22, PM vom 7.4.2025
| Die Ordnungsmaßnahme einer Gesamtschule im Rhein-Kreis-Neuss, einen Zehntklässler mit sofortiger Wirkung von der Schule zu entlassen, weil dieser mit weiteren Jugendlichen einen Obdachlosen angegriffen und auf den am Boden liegenden Mann eingetreten und -geschlagen hat, ist rechtmäßig. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf entschieden und den gegen die Schulentlassung gerichteten Eilantrag des Schülers abgelehnt. |
Schweres Fehlverhalten
Das VG: Die Voraussetzungen der Entlassung von der Schule liegen vor, da der Schüler durch schweres Fehlverhalten die Rechte des Obdachlosen ernstlich verletzt und hierdurch zugleich die Erfüllung der Aufgaben der Schule ernstlich gefährdet hat. Es ist unstreitig, dass der Schüler mit massiver, nahezu hemmungsloser Aggression mindestens achtmal auf den am Boden liegenden Obdachlosen (teils mit Anlauf) eingetreten und (teils mit voller Wucht) mit der Faust gegen dessen Körper und Kopf geschlagen hat, obgleich von dem Mann zu diesem Zeitpunkt erkennbar keinerlei Gefahr ausging und dieser sich – im Gegenteil – die Hände schützend vor seinen Kopf hielt.
Schulfrieden massiv beeinträchtigt
Zugleich hat der Schüler durch dieses Verhalten seine Pflicht verletzt, an der Erfüllung der Aufgaben der Schule mitzuarbeiten. Der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule hat keine festen räumlichen Grenzen. Vielmehr kommt es darauf an, ob das Fehlverhalten – wie hier – störend in den Schulbetrieb hineinwirkt. Dadurch, dass der Schüler während der Schulzeit in der Mittagspause zwischen zwei Unterrichtseinheiten in unmittelbarer Nähe des Schulgeländes den Obdachlosen gemeinsam mit weiteren Jugendlichen angegriffen hat, waren in den darauffolgenden Tagen der Schulfrieden und der Unterricht der Schule massiv beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund handelt es sich nicht um ein bloßes „außerschulisches Fehlverhalten“ des Schülers, sondern wurde der Konflikt in die Schule hineingetragen, da dieses ohne jeden Zweifel erheblich in das Unterrichtsgeschehen der nachfolgenden Tage hineingewirkt hat.
Keine vorherige Androhung erforderlich
Die Entlassung von der Schule ist angesichts des objektiven Schweregrades der Pflichtverletzung und der zeitnah bevorstehenden Zentralen Prüfungen zur Erlangung des Mittleren Schulabschlusses nach Ansicht des VG auch ohne vorherige Androhung der Entlassung von der Schule verhältnismäßig. Die Entlassung des Schülers von der Schule stellt angesichts der besonderen Schwere der Pflichtverletzung das einzig sichere Mittel dar, um weiteres Fehlverhalten des Schülers auszuschließen und den Schulfrieden der Schule wiederherzustellen.
Schüler war bereits vorher auffällig
Bei der Abwägung war insoweit zu berücksichtigen, dass der Schüler bereits im August 2023 einem Mitschüler einen Faustschlag in das Gesicht versetzt hatte, der Antragsteller seine Impulse in Ausnahme- oder Stresssituationen mithin nicht jederzeit unter Kontrolle hat, sondern zu gewalttätigen Reaktionen neigt, und dass zudem die seinerzeit ergriffene Ordnungsmaßnahme offenbar auch nicht die gewünschte nachhaltige positive Verhaltensänderung bei dem Schüler bewirkt hat. Zudem war zu berücksichtigen, dass der Schüler mit Blick auf die am 27.5.2025 beginnenden Zentralen Prüfungen am Ende der Klasse 10 nur noch kurze Zeit den Unterricht besucht.
Angesichts dessen erweisen sich andere, im Verhältnis zur Entlassung von der Schule mildere Ordnungsmaßnahmen – etwa die Überweisung in eine Parallelklasse oder die Androhung der Entlassung von der Schule – ersichtlich als zur Zweckerreichung nicht gleichermaßen geeignet. Denn sowohl die Androhung der Entlassung als auch die Überweisung in eine Parallelklasse können aus Sicht der Kammer bei lebensnaher Betrachtung im Hinblick auf die nur noch verbleibenden wenigen Unterrichtstage erkennbar keinen nennenswerten erzieherischen Einfluss auf den Schüler entfalten.
Quelle | VG Düsseldorf, Beschluss vom 4.4.2025, 18 L 1171/25, PM vom 4.4.2025
| Was dürfen Eigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft beim Thema Gestaltung ihrer Wohnung und was nicht? Diese Frage beschäftigt Gerichte immer wieder – so auch das Amtsgericht (AG) München in einem aktuellen Fall. |
Das beabsichtigten die Eigentümer
Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung in einem neunstöckigen Wohnkomplex. Die Balkone des Gebäudes sind mit einer Loggia ausgestattet. Die Eigentümer der Wohnung planten, zusätzlich zur bereits bestehenden Balkontür, in einem anderen Zimmer der Wohnung ein vorhandenes Fenster zur Balkontür umbauen zu lassen. Hierfür beantragten sie die Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Eigentümergemeinschaft verweigerte die Zustimmung
Diese verweigerte jedoch die Zustimmung aufgrund von Bedenken im Zusammenhang mit der konstruktiven Stabilität, der Gefahr von Kälte- und Wassereintritt und der Sorge, dass die Versetzung eines aktuell vor dem Fenster befindlichen Heizkörpers Auswirkungen auf das Heizungssystem des Gebäudes habe.
Klage vor dem Amtsgericht
Da die Eigentümer sich im Recht wähnten, verklagten sie die Eigentümergemeinschaft vor dem AG auf Zustimmung. Dieses gab den Klägern Recht. Es ersetzte die grundsätzliche Zustimmung zum geplanten Umbau und legte der Eigentümergemeinschaft auf, die Modalitäten und Einzelheiten in der Eigentümerversammlung zu beschließen.
Das AG sagt: Der Umbau eines Fensters stelle jedenfalls hinsichtlich des Mauerdurchbruchs durch die Außenwand eine auf Dauer angelegte gegenständliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums dar, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehe und damit eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums darstelle.
Das Wohnungseigentumsgesetz (hier: § 20 Abs. 3 WEG) begründe einen Anspruch auf Gestattung einer baulichen Veränderung, durch die kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt werde. Eine Beeinträchtigung sei rechtlich nicht relevant, wenn sie nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehe oder die über dieses Maß hinaus beeinträchtigten Wohnungseigentümer einverstanden seien.
Soweit nicht auszuschließen sein soll, dass durch den Einbau eines neuen Heizkörpers Nachteile für das übrige Heizungssystem entstehen könnten, mache die Beklagte keine konkrete und objektive Beeinträchtigung geltend, durch die ein Wohnungseigentümer sich beeinträchtigt fühlen könne.Vielmehr handele es sich hier um ein nicht zu berücksichtigendes hypothetisches Risiko. Auch dass sich der Wandausschnitt, der durch den Einbau einer Terrassentür vergrößert würde, in der Außenmauer des Gebäudes befinde, und damit Gemeinschaftseigentum verändert würde, stelle für sich genommen keine erhebliche Beeinträchtigung dar.
Vorliegend sei nicht ersichtlich, in welcher Weise die in Rede stehende Maßnahme andere Eigentümer konkret beeinträchtigen würde. Soweit die Beklagte geltend mache, es bestünden nicht auszuschließende Folgen für die Abgeschlossenheit der Wohnung sowie die statische Sicherheit, handele es sich wiederum um rein theoretische Bedenken, denen durch entsprechende Auflagen, wie dem Verlangen nach fachkundiger Planung und ggf. statischer Berechnung durch ein Fachunternehmen nach den Regeln der Baukunst, Rechnung getragen werden könne.
Soweit die Beklagte weiter geltend mache, durch eine Veränderung in der Außenhülle des Gebäudes bestehe die Gefahr von Kälte- oder Wassereintritt, sei nicht ersichtlich, inwiefern dies andere Wohnungseigentümer als die Kläger beeinträchtigen sollte. Zudem handele es sich im Hinblick darauf, dass der von dem Mauerdurchbruch betroffenen Wand die Loggia vorgelagert sei, um theoretische Befürchtungen und nicht um konkrete und objektive Beeinträchtigungen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 27.5.2025, 1293 C 26254/24, PM 27/25
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Bei Fehlen eines schriftlichen Energieversorgungsvertrags richtet sich das Leistungsangebot eines Strom- und Gasversorgungsunternehmens an den Vermieter (Eigentümer) – und nicht, wie sonst regelmäßig der Fall, an den Mieter. Dies gilt im Fall einer Wohnung, wenn die einzelnen Zimmer durch separate Mietverträge vermietet sind und diese lediglich über einen Zähler für Strom und Gas verfügt. |
Das war geschehen
Die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, nahm die beklagte Vermieterin auf Zahlung von Entgelt für die Belieferung mit Strom und Gas im Rahmen der Grundversorgung in Anspruch. Die Zimmer der Wohnung waren einzeln mit gesonderten Mietverträgen über unterschiedliche Laufzeiten vermietet, wobei sämtlichen Mietern das Recht zur Nutzung der Gemeinschaftsräume, wie Küche und Bad, eingeräumt wurde. Nur die Wohnung, nicht hingegen die einzelnen Zimmer, verfügte über einen Zähler für Strom und Gas und wurde von der Klägerin mit Strom und Gas beliefert. Ein schriftlicher Energieversorgungsvertrag bestand nicht. Die Parteien stritten, ob ein durch die Entnahme von Strom und Gas konkludent zustande gekommener Versorgungsvertrag mit der Vermieterin (Eigentümerin) oder mit den Mietern besteht.
Die auf Zahlung der Versorgungsentgelte für einen Zeitraum von fünf Jahren gerichtete Klage hat das Amtsgericht (AG) abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht (LG) das erstinstanzliche Urteil geändert und der Klage stattgegeben. Die Beklagte begehrte beim BGH daher, das klageabweisende erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Das Berufungsgericht, so der BGH, hat zu Recht angenommen, dass unter den hier gegebenen Umständen ein Versorgungsvertrag mit der beklagten Vermieterin der Wohnung besteht. Entgegen der Ansicht der Revision war das in der Bereitstellung von Strom und Gas liegende (konkludente) Angebot der Klägerin weder an die Mieter der einzelnen Zimmer noch an die Gesamtheit der Mieter gerichtet.
Zwar haben allein die Mieter Einfluss auf den Strom- und Gasverbrauch in der Wohnung. Jedoch lässt sich dieser Verbrauch – mangels separater Zähler – nicht den einzelnen vermieteten Zimmern zuordnen. Zudem haben die einzelnen Mieter bei objektiver Betrachtung typischerweise kein Interesse daran, auch für die Verbräuche der anderen Mieter einzustehen. Der Umstand, dass sich das konkludente Angebot des Energieversorgungsunternehmens daher an die Vermieterin richtete, ist Folge des von ihr gewählten besonderen Vermietungskonzepts.
Quelle | BGH, Beschluss vom 15.4.2025, VIII ZR 300/23, PM 79/25
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Eine Zuwendung von Todes wegen zugunsten des Hausarztes des Erblassers ist nicht unwirksam, weil sie gegen ein den Hausarzt treffendes berufsständisches Zuwendungsverbot verstößt. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Hausarztes, der den Erblasser seit 2015 behandelt hatte. Im Januar 2016 schloss der Erblasser mit dem Hausarzt sowie der ihn pflegenden Beklagten und deren Tochter vor einem Notar eine als „Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag“ bezeichnete Vereinbarung. In dieser verpflichtete sich der Hausarzt gegenüber dem Erblasser zu verschiedenen ärztlichen Leistungen, unter anderem zu medizinischer Beratung und Behandlung, zu Hausbesuchen und telefonischer Erreichbarkeit sowie zu Betreuungsleistungen im häuslichen Bereich. Als Gegenleistung sollte der Arzt im Falle des Todes des Erblassers das Eigentum an einem dem Erblasser gehörenden Grundstück erhalten. Im März 2016 verfügte der Erblasser in einem notariellen Testament, dass ihn die Beklagte hinsichtlich seines im Vertrag vom Januar 2016 nicht erfassten Vermögens allein beerben solle.
Im Januar 2018 verstarb der Erblasser. Die Pflegerin (Beklagte) nahm seinen Nachlass in Besitz. Im Dezember 2019 wurde über das Vermögen des Hausarztes das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger hat als Insolvenzverwalter die Beklagte auf Übertragung des dem Arzt in der Vereinbarung vom Januar 2016 zugewandten Grundstücks an die Insolvenzmasse in Anspruch genommen.
So sah es der Bundesgerichtshof
Die Zuwendung des Grundstücks an den Hausarzt im Wege des Vermächtnisses ist wirksam. Selbst, wenn der Arzt gegen seine Berufsordnung verstoßen hätte, indem er die Zuwendung annahm, führt dies nicht zur Unwirksamkeit des Vermächtnisses.
Die Berufsordnung für Ärzte (hier: § 32 Abs. 1 S. 1 BO-Ä) regelt als berufsständische Vorschrift das Verhältnis zwischen dem Arzt und der für ihn zuständigen Landesärztekammer. Die Vorschrift verbietet deshalb nur ein Verhalten des Arztes, dem es nicht gestattet ist, Geschenke oder andere Vorteile zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen. Nicht geschützt von diesem Verbot wird hingegen der zuwendende Patient oder die Erwartung seiner Angehörigen, diesen zu beerben. Die Vorschrift zielt darauf ab, die Unabhängigkeit des behandelnden Arztes sowie das Ansehen und die Integrität der Ärzteschaft zu sichern. Dies kann durch berufsrechtliche Sanktionen vonseiten der Ärztekammer ausreichend sichergestellt werden.
Patient hatte Testierfreiheit
Auch die Testierfreiheit des Patienten verbietet es, ein zugunsten des behandelnden Arztes angeordnetes Vermächtnis wegen Verstoßes gegen eine Berufsordnung für unwirksam zu halten. Für eine Beschränkung der Testierfreiheit des Patienten fehlt schon eine ausreichende gesetzliche Grundlage.
Berufungsgericht muss erneut prüfen
Der Senat hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben. Er hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das den Parteien noch Gelegenheit geben muss, zu einem von ihm bislang nicht geprüften Verstoß der Vereinbarung des Vermächtnisses in dem Erbvertrag gegen die guten Sitten vorzutragen.
Quelle | BGH, Urteil vom 2.7.2025, IV ZR 93/24, PM 122/25
| Verkauft eine Kommanditgesellschaft ein Grundstück an eine andere Kommanditgesellschaft, ist dies auch dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB in Verbindung mit § 463 BGB), wenn es sich auf Verkäufer- und Käuferseite jeweils um Einpersonen-GmbH & Co. KGs mit demselben alleinigen Anteilsinhaber handelt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in zwei Parallelverfahren entschieden. |
Das war geschehen
Die Klägerinnen, verschiedene GmbH & Co. KGs, wenden sich gegen die Ausübung von Vorkaufsrechten nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB. Mit notariellen Kaufverträgen von Mai 2021 veräußerten sie Grundstücke an zuvor neu gegründete GmbH & Co. KGs, hinter denen jeweils dieselbe natürliche Person steht, wie auf Verkäuferseite.
Mit Bescheiden von Juli 2021 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht aus, in einem Fall zugunsten der beigeladenen stadteigenen Entwicklungsgesellschaft. Im anderen Verfahren gab die Erstkäuferin (Klägerin zu 2) eine Abwendungserklärung ab.
Klagen zunächst erfolgreich
Die Klagen waren erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht (VG) habe zu Recht angenommen, dass es an dem für ein Vorkaufsrecht erforderlichen Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 463 BGB fehle. Der Begriff des Dritten müsse einschränkend ausgelegt werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei hier nur eine Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre derselben natürlichen Personen erfolgt.
So sah es das Bundesverwaltungsgericht
Das BVerwG hat die angefochtenen Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Die Grundstückskaufverträge sind Verträge mit einem Dritten.
Gesellschaftsrechtlich sind die Kommanditgesellschaften auf Verkäufer- und Käuferseite trotz des Umstands, dass hinter ihnen jeweils dieselbe natürliche Person steht, selbstständige Rechtsträger. Eine wirtschaftliche Betrachtung auf Gesellschafterebene ist weder nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts noch verfassungsrechtlich geboten. Die Klägerinnen haben sich aus eigenem Entschluss für diese Form der Grundstücksübertragung entschieden.
Das BVerwG konnte mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Vorkaufsrechte im Übrigen rechtmäßig ausgeübt wurden. Das erfordert die Zurückverweisung an die Vorinstanz.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 17.6.2025, 4 C 4.24, PM 46/25
| In Architekten- und Ingenieurkammern, in denen die Fortbildung eine Berufspflicht ist und kontrolliert wird, kann das Nichtvorweisen entsprechender Fortbildungspunkte zum Ausschluss aus der jeweiligen Kammer führen. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen klargestellt. |
Fortbildungspflicht nicht erfüllt – zunächst Verweis und Geldbuße
Ein Mitglied der Ingenieurkammer-Bau NRW hatte in einem Jahr seine Fortbildungspflicht nicht erfüllt. Er hatte deshalb einen Verweis erhalten und musste eine Geldbuße zahlen.
Erneuter Pflichtverstoß: Kammerausschluss
Drei und sechs Jahr später geschah das Gleiche. Weil der Ingenieur auch bei der nächsten Stichprobe erneut keine Teilnahmebescheinigungen für anerkannte Fortbildungsveranstaltungen vorlegen konnte, schloss ihn das Berufsgericht aus der Kammer aus.
Oberverwaltungsgericht bestätigt Kammerausschluss
Die Klage dagegen wies das OVG ab. Der Ausschluss sei die angemessene berufsgerichtliche Maßnahme, auch wenn es sich um die schärfste berufsgerichtliche Sanktion handele. Die nochmalige Festsetzung einer Geldbuße als mildere Maßnahme komme nicht in Betracht.
Quelle | OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.8.2025, 39 A 834/24
| Lange war es ruhig um das sog. Kopplungsverbot. Jetzt hat das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg einen solchen Fall entschieden. Dieses stellt klar: Tritt ein Architekt wie ein Bauträger auf, findet das Kopplungsverbot Anwendung. Der Vertrag ist – wie hier entschieden – nichtig. |
Das besagt das Kopplungsverbot
Das Kopplungsverbot im Architektenrecht verbietet es, den Erwerb eines Grundstücks mit der Pflicht zu verbinden, einen bestimmten Architekten oder Ingenieur damit zu beauftragen, ein Bauwerk zu planen oder auszuführen. So soll der freie Wettbewerb unter Architekten geschützt werden. Außerdem soll so verhindert werden, dass sich Einzelne durch die Verknüpfung von Grundstückserwerb und Architektenleistung eine monopolartige Stellung verschaffen.
Bauherren werden geschützt
Das Verbot richtet sich gegen jede mit dem Erwerb eines Grundstücks zusammenhängende Bindung, die den Wettbewerb von Ingenieuren und Architekten beeinträchtigt. Die Vorschrift soll der Gefahr entgegenwirken, dass ein Architekt oder Ingenieur sich bei knapp gewordenem Baugrund dadurch Wettbewerbsvorteile verschafft, dass er ein Grundstück an der Hand hat.
Geschützt wird die Entschließungsfreiheit des Bauherrn, durch den Kauf eines Grundstücks, auf dem gebaut werden soll, nicht an einen bestimmten Architekten oder Ingenieur gebunden zu sein.
Quelle | OLG Nürnberg, Beschluss vom 8.5.2025, 6 U 1787/24
| Diese Frage musste das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf klären. Es neigte dazu, sie negativ zu beantworten. Die Parteien haben sich daraufhin entsprechend einem Vorschlag des Gerichts verglichen. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist seit 2013 in Vollzeit und im Schichtdienst an fünf Tagen in der Woche als Spielhallenaufsicht bei der Beklagten beschäftigt. Diese betreibt Spielhallen mit üblichem Publikumsverkehr und bietet dort u. a. Getränke an. Ausweislich der arbeitsvertraglich vereinbarten Stellenbeschreibung sind Haustiere in der Spielhalle verboten.
Im Jahr 2019 schloss die Klägerin mit der Hundehilfe Deutschland e.V. einen Tierüberlassungsschutzvertrag. Nachdem zunächst auch der Vater der Klägerin auf die Hündin aufgepasst hatte, brachte sie das Tier jedenfalls nach dem Ende der Corona-Lockdowns regelmäßig mit zur Arbeit. Verschiedene wechselnde Vorgesetzte erhoben zunächst keine Einwände. Ihr aktueller Vorgesetzter teilte ihr mit, dass der Geschäftsführer das Mitbringen der Hündin an den Arbeitsplatz nicht dulden werde bzw. – so die Klägerin – würde. Der Geschäftsführer der Beklagten bat die Klägerin dann schriftlich unter Bezugnahme auf die Stellenbeschreibung, es künftig zu unterlassen, die Hündin mit zur Arbeit zu bringen.
So sah es das Landesarbeitsgericht
Mit ihrer einstweiligen Verfügung hat die Klägerin begehrt, der Beklagten aufzugeben, die Mitnahme der Hündin während ihrer Arbeitszeiten in die Spielhalle bis zur erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache zu dulden. Die Kammer hat dann in der mündlichen Verhandlung im Rechtsgespräch mitgeteilt, dass sie davon ausgehe, dass das vertragliche Verbot weiterbestehen dürfte.
Die bloße Nichtdurchsetzung eines Verbots führe nicht zu dessen Aufhebung. Es spreche viel dafür, dass die Arbeitgeberin berechtigt sei, dies durchzusetzen, weil Kunden die Spielhalle z. B. aufgrund einer Tierhaarallergie oder Angst vor Hunden ggf. erst gar nicht aufsuchten. In der Verhandlung hat die Arbeitgeberin zudem angeführt, dass Beschäftigte in anderen von ihr betriebenen Spielhallen begännen, sich auf die von der Klägerin gelebte Praxis zu berufen.
Vergleich geschlossen
Das LAG hat dann mitgeteilt, dass die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Düsseldorf, das den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen hatte, wenig Aussicht auf Erfolg habe. Um die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und eine Gewöhnung der Hündin an andere Betreuungsmöglichkeiten zu ermöglichen, haben die Parteien auf Vorschlag des Gerichts einen Vergleich – auch zur Erledigung der Hauptsache – geschlossen. Die Klägerin durfte ihre Hündin noch für eine Übergangszeit von knapp zwei Monaten an den Arbeitsplatz mitbringen, danach jedoch nicht mehr.
Quelle | LAG Düsseldorf, Vergleich vom 8.4.2025, 8 GLa 5/25, PM vom 8.4.2025
| Ein Arbeitsgericht (ArbG) hatte bereits im letzten Jahr entschieden, dass ein Leiharbeitnehmer nicht ohne Weiteres eine Inflationsausgleichsprämie erhält, die im Entleiherbetrieb den dort Beschäftigten gezahlt wird. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holsteinhat dies nun bestätigt. |
So sah es die Arbeitnehmerin
Die Klägerin wurde von ihrer Arbeitgeberin, einem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen, in einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie („Entleiherin“) eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis endete zum 31.7.2023. Der Arbeitsvertrag der Parteien verwies u. a. auf die für Leiharbeitnehmer geltenden Tarifverträge über Branchenzuschläge für die Metall- und Elektroindustrie („TV BZ ME“) sowie Inflationsausgleichsprämie („TV IAPME“). Die Entleiherin füllte der Beklagten einen „Fragebogen zur Ermittlung von Equal Pay sowie des Branchenzuschlags ab dem 16. Einsatzmonat“ aus.
Die Mitarbeiter im Betrieb der Entleiherin erhielten im Juni 2023 eine Inflationsausgleichsprämie i.H.v. 1.000 Euro, die Klägerin dagegen nicht. Sie macht nun gerichtlich diese 1.000 Euro sowie weitere 1.200 Euro geltend.
Für die erste Zahlung bestehe durch den Fragebogen eine Equal-Pay-Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin, der Beklagten. Im Übrigen sei die Gleichstellung nicht per Tarifvertrag ausgeschlossen worden.
Hinsichtlich der zweiten Zahlung könne die Inflationsausgleichsprämie nach dem TV IAP ME bereits verlangt werden, wenn deren Voraussetzungen nach Inkrafttreten des Tarifvertrags, aber vor dem ersten Auszahlungszeitpunkt im Januar 2024 erfüllt gewesen seien. Damit sei die Prämie auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszuzahlen.
Landesarbeitsgericht: keine Equal-Pay-Vereinbarung und fehlender Vortrag
Das LAG entschied, dass der o. g. ausgefüllte Fragenbogen keine Equal-Pay-Vereinbarung mit deren Arbeitnehmern darstellt. Die Klägerin hat auch nicht die Voraussetzungen für eine Gleichstellung mit den Mitarbeitern der Entleiherin vorgetragen.
Dazu muss sie als darlegungs- und beweisbelaste Klägerin einen Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum vornehmen. Dem wird sie nicht gerecht: Der Verweis, der Klägerin müsse die Inflationsausgleichsprämie schon deshalb gezahlt werden, weil die Stammarbeitnehmer der Entleiherin diese erhalten hätten, reicht dafür nicht aus.
Die Klägerin kann die Inflationsausgleichsprämien auch nicht aus dem TV IAP ME beanspruchen: Die Auslegung des Tarifvertrags ergibt, dass im jeweiligen Auszahlungsmonat (Januar bis November 2024) der tariflichen Inflationsausgleichsprämien – anders als die Klägerin meint – noch ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden haben muss. Hier endete das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin aber bereits im Jahr 2023.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6.3.2025, 5 Sa 222 d/24, PM des LAG
| Dem Arbeitgeber kann weder die Kenntnis der Schwerbehindertenvertretung noch die eines Fachvorgesetzten von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zugerechnet werden. So sieht es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln in einer aktuellen Entscheidung. |
Keine rechtsgeschäftlichen Vertreter
Weder die Schwerbehindertenvertretung noch der Fachvorgesetzte des Arbeitnehmers hätten eine Stellung, die einem rechtsgeschäftlichen Vertreter des Arbeitgebers ähnlich sei. Denn die Schwerbehindertenvertretung vertrete die Interessen der schwerbehinderten Menschen gegenüber dem Arbeitsgericht. Sie sei nicht seiner Sphäre zuzurechnen.
Schwerbehindertenvertretung kümmert sich nicht um personalrechtliche Belange
Sie kümmere sich auch nicht um personalrechtliche Belange aus der Sicht des Arbeitgebers, sondern allenfalls aus der Sicht der schwerbehinderten Mitarbeiter.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 7.5.2025, 4 SLa 438/24
| Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen einer Universität und des durch die Universität disziplinarrechtlich beklagten Universitätsprofessors gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Göttingen jeweils zurückgewiesen, mit dem dieses den Universitätsprofessor um zwei Besoldungsgruppen von W 3 auf W 1 zurückgestuft hat. |
Das war geschehen
Die Universität hatte mit der von ihr gegen den Professor erhobenen Disziplinarklage seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erstrebt. Das VG hat mit der von beiden Beteiligten angegriffenen Entscheidung hingegen auf eine Zurückstufung um zwei Besoldungsstufen erkannt.
Nach der Vernehmung von neun Zeugen und unter Berücksichtigung der bereits durch das VG erhobenen Beweise hat das OVG es als erwiesen angesehen, dass der Universitätsprofessor mehrfach und über Jahre hinweg Studentinnen, Doktorandinnen und Mitarbeiterinnen grenzüberschreitend berührt und sich ihnen gegenüber anzüglich geäußert hatte.
So sah es das Oberverwaltungsgericht
Das OVG hat die erstinstanzliche Entscheidung mit seinem Urteil bestätigt. Der Universitätsprofessor habe ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen, das den Ausspruch der zweithöchsten Disziplinarmaßnahme erfordere. Ihm würden daher für einen Zeitraum von fünf Jahren die Bezüge aus der niedrigeren Besoldungsgruppe W 1 gezahlt, wobei er sein Statusamt als Universitätsprofessor behalte.
Mit seinem Verhalten habe er seine beamtenrechtliche Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verletzt. Erschwerend hat das OVG berücksichtigt, dass akademische Nachwuchskräfte in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu Professoren stünden, das über das übliche Verhältnis von Vorgesetzten und Beschäftigten weit hinausgehe.
Der Beklagte sei seiner mit besonderer Verantwortung einhergehenden Stellung als Universitätsprofessor nicht gerecht geworden und habe diese vielmehr dazu ausgenutzt, seine Macht zu demonstrieren und die betroffenen weiblichen Nachwuchskräfte in ihrer Würde zu verletzen. Sein Verhalten habe er zudem insbesondere trotz der Pflichtenmahnung durch die damalige Präsidentin der Universität in den Jahren 2012 und 2013 nicht verändert. Mildernd berücksichtigt hat das OVG demgegenüber die Länge des Disziplinarverfahrens von ca. acht Jahren, die sich für den Beklagten belastend ausgewirkt habe.
Die Entscheidung des Senats ist rechtskräftig.
Quelle | OVG Lüneburg, Urteil vom 25.6.2025, 3 LD 1/24, PM vom 30.6.2025
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass eine Methode zur Aufteilung des Verkaufspreises eines Sparmenüs nicht sachgerecht ist, wenn sie dazu führt, dass auf ein Produkt des Sparmenüs (z. B. Burger) ein anteiliger Verkaufspreis entfällt, der höher ist als der Einzelverkaufspreis. |
Hintergrund: Bei Sparmenüs, die zum Pauschalpreis angeboten und als „Außer-Haus-Menüs“ verkauft werden, ist hinsichtlich der Speisenlieferung der ermäßigte Steuersatz (7 %) und hinsichtlich des Getränks der Regelsteuersatz (19 %) anzuwenden. Wird vor Ort verzehrt, stellt sich die Aufteilungsfrage grundsätzlich nicht, da es sich um eine Restaurationsleistung handelt, sodass auch die Speisen mit 19 % zu versteuern sind.
Beachten Sie | Dies könnte sich aber bald ändern. Denn im Koalitionsvertrag steht, dass die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie zum 1.1.2026 auf 7 % reduziert werden soll.
Das war geschehen
Zwei GmbHs betrieben als Franchisenehmer Schnellrestaurants, in denen u. a. Sparmenüs (z. B. Getränk, Burger und Pommes frites) zu einem einheitlichen Gesamtpreis zum Verzehr außer Haus verkauft wurden.
„Food-and-Paper“-Methode zur Aufteilung von Speisen und Getränken
Die GmbHs teilten den Gesamtpreis des Sparmenüs nach der „Food-and-Paper“-Methode auf die Speisen und das Getränk auf. Die Aufteilung erfolgt dabei anhand des Wareneinsatzes, das heißt, der Summe aller Aufwendungen für die Speisen bzw. für das Getränk. Da in der Gastronomie die Gewinnspanne auf Getränke typischerweise deutlich höher ist als die Gewinnspanne auf Speisen, ergibt sich hieraus eine niedrigere Umsatzsteuer als bei einer Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen.
Das Finanzamt hielt diese Aufteilungsmethode für unzulässig, weil sie nicht so einfach sei, wie eine Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen und außerdem nicht zu sachgerechten Ergebnissen führe. Demgegenüber hielt das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg die „Food-and-Paper“-Methode für zulässig, der BFH aber nicht.
Aufteilung muss sachgerecht sein
Der BFH führte zwar aus, dass (entgegen der Ansicht des Finanzamts) der Unternehmer nicht immer die einfachste Methode anwenden muss. Wenn eine andere Methode zumindest ebenso sachgerecht ist, wie die Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen, darf er auch die andere Methode anwenden.
Gleichwohl erkannte der BFH die „Food-and-Paper“-Methode nicht an, weil sie in manchen Fällen dazu führt, dass der Preis eines Burgers mit einem hohen Wareneinsatz im Menü über dem Einzelverkaufspreis des Burgers liegt. Es widerspricht der wirtschaftlichen Realität, dass der Verkaufspreis eines Produkts in einem mit Rabatt verkauften Menü höher sein kann als der Einzelverkaufspreis.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 19/23, PM 38/25 vom 5.6.2025
| Seit dem 1.1.2025 beträgt der gesetzliche Mindestlohn 12,82 Euro pro Stunde. Die Mindestlohnkommission hat nun eine stufenweise Erhöhung des Mindestlohns auf 13,90 Euro zum 1.1.2026 und auf 14,60 Euro zum 1.1.2027 beschlossen. |
Hintergrund: Mindestlohngesetz
Im Mindestlohngesetz ist geregelt, dass „die Mindestlohnkommission alle zwei Jahre über Anpassungen der Höhe des Mindestlohns zu beschließen“ hat. Diesem Auftrag ist die Kommission in ihrer Sitzung vom 27.6.2025 nun nachgekommen. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas hat bereits angekündigt, der Bundesregierung vorzuschlagen, die Anpassung durch Rechtsverordnung zum 1.1.2026 verbindlich zu machen.
Folge: Auch erhöhte Minijob-Grenze
Die Erhöhung hat auch Auswirkungen auf die Minijob-Grenze( derzeit 556 Euro monatlich), da diese an den Mindestlohn „gekoppelt“ ist.
Beachten Sie | Die Geringfügigkeitsgrenze bezeichnet das monatliche Arbeitsentgelt, das bei einer Arbeitszeit von zehn Wochenstunden zum Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (hier: § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG ) erzielt wird. Sie wird berechnet, indem der Mindestlohn mit 130 vervielfacht, durch drei geteilt und auf volle Euro aufgerundet wird.
Das bedeutet Folgendes: Bei einem gesetzlichen Mindestlohn von 13,90 Euro ergibt sich ab dem 1.1.2026 eine Geringfügigkeitsgrenze von 603 Euro (13,90 Euro × 130 ÷ 3). Ab dem 1.1.2027 sind es dann 633 Euro.
Quelle | BMAS, Mitteilung vom 27.6.2025: „Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1.1.2026“
| Verkauft eine Kommanditgesellschaft (KG) ein Grundstück an eine andere KG, ist dies auch dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB in Verbindung mit § 463 BGB), wenn es sich auf Verkäufer- und Käuferseite jeweils um Einpersonen-GmbH & Co. KG mit demselben alleinigen Anteilsinhaber handelt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in zwei Parallelverfahren entschieden. |
Das war geschehen
Die Klägerinnen, verschiedene GmbH & Co. KG, wenden sich gegen die Ausübung von Vorkaufsrechten nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB. Mit notariellen Kaufverträgen von Mai 2021 veräußerten sie Grundstücke an zuvor neu gegründete GmbH & Co. KG, hinter denen jeweils dieselbe natürliche Person steht wie auf Verkäuferseite. Mit Bescheiden von Juli 2021 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht aus, in einem Fall zugunsten der beigeladenen stadteigenen Entwicklungsgesellschaft. Im anderen Verfahren gab eine der Klägerinnen, die Erstkäuferin, eine Abwendungserklärung ab.
Die Klagen waren erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht (VG) habe zu Recht angenommen, dass es an dem für ein Vorkaufsrecht erforderlichen Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 463 BGB fehle. Der Begriff des Dritten müsse einschränkend ausgelegt werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei hier nur eine Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre derselben natürlichen Personen erfolgt.
So sieht es das Bundesverwaltungsgericht
Das BVerwG hat die angefochtenen Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Die Grundstückskaufverträge sind Verträge mit einem Dritten. Gesellschaftsrechtlich sind die KG auf Verkäufer- und Käuferseite trotz des Umstands, dass hinter ihnen jeweils dieselbe natürliche Person steht, selbstständige Rechtsträger.
Eine wirtschaftliche Betrachtung auf Gesellschafterebene ist weder nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts noch verfassungsrechtlich geboten. Die Klägerinnen haben sich aus eigenem Entschluss für diese Form der Grundstücksübertragung entschieden. Das BVerwG konnte mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Vorkaufsrechte im Übrigen rechtmäßig ausgeübt wurden. Das erfordert die Zurückverweisung an die Vorinstanz.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 17.6.2025, 4 C 4.24, PM 46/25
| Die Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) hat jüngst mitgeteilt, dass die Steuerfahndung ein Datenpaket mehrerer Social-Media-Plattformen analysiert. Ziel der Ermittlungen sind professionelle Influencer, die ihre steuerlichen Pflichten mit hoher krimineller Energie umgehen. |
300 Mio. Euro Steuervolumen
Das Influencer-Team des Landesamts zur Bekämpfung der Finanzkriminalität in NRW (LBF NRW) ist vorsätzlichen Steuerbetrügern in den sozialen Netzwerken auf der Spur. Derzeit werten die Experten ein Datenpaket von mehreren großen Plattformen aus. Darin enthalten sind 6.000 Datensätze, die auf nicht versteuerte Gewinne mit Werbung, Abos und Co. hinweisen. Sie beziehen sich nur auf Influencer aus NRW und umfassen ein strafrechtlich relevantes Steuervolumen in Höhe von rund 300 Mio. Euro.
Nur „Große Fische“ im Visier
Im Visier stehen die „großen Fische“. Stephanie Thien, Leiterin des LBF NRW, betont: „Im Fokus unseres Influencer-Teams stehen ausdrücklich nicht junge Menschen, die ein paar Follower gesammelt und ein paar Cremes oder Kleider beworben haben.“
Beachten Sie | Auch die Finanzämter in Hamburg nehmen die Influencer ins Visier. Bereits im Jahr 2022 wurde eine Expertengruppe zur Besteuerung von Influencern und anderen Social-Media-Akteuren gegründet. Seit 2024 wird die Branche im Zuge einer Branchenprüfung verstärkt in den Fokus genommen.
Quelle | Finanzverwaltung NRW, Mitteilung vom 15.7.2025: „Verdacht auf Steuerbetrug in großem Stil: LBF NRW wertet Influencer-Datenpaket aus“; Finanzbehörde Hamburg, Mitteilung vom 17.7.2025: „Auch Hamburger Finanzämter nehmen Influencerinnen und Influencer ins Visier“
| Die Übernachtungspauschale für Berufskraftfahrer mit mehrtägiger Auswärtstätigkeit setzt neben dem bestehenden Anspruch auf eine Verpflegungspauschale eine tatsächliche Übernachtung in dem Kraftfahrzeug voraus. Die Pauschale steht einem Berufskraftfahrer daher nicht für jeden An- und Abreisetag zu. So sieht es zumindest das Finanzgericht (FG) Thüringen. Wegen der anhängigen Revision ist nun der Bundesfinanzhof (BFH) gefragt. |
Werbungskostenabzug
Hintergrund: Entstehen einem Arbeitnehmer während seiner auswärtigen beruflichen Tätigkeit auf einem Kfz des Arbeitgebers oder eines vom Arbeitgeber beauftragten Dritten im Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kfz Aufwendungen (insbesondere Gebühren für die Toilettenbenutzung sowie Park- und Abstellgebühren), kann er diese als Werbungskosten abziehen.
Beachten Sie | Anstelle der tatsächlichen Aufwendungen ist allerdings auch eine Pauschale i. H. von 9 Euro für Kalendertage möglich, an denen der Arbeitnehmer in dem Kfz übernachtet und eine Pauschale für Verpflegungsmehraufwand geltend machen kann.
Bundesfinanzhof ist gefragt
Der BFH muss nun entscheiden, ob die Pauschale durch die Kopplung an die Verpflegungspauschalen auch für den An- und Abreisetag zu gewähren ist.
Oder anders ausgedrückt: Kann ein Arbeitnehmer, der am Montag seine Tour startet, auf dem Fahrzeug übernachtet und am Freitag zurückkehrt, die Pauschale für fünf oder nur für vier Tage absetzen? Denn für fünf Tage ist Verpflegungsmehraufwand abzugsfähig, er übernachtet in dem Fahrzeug jedoch nur viermal.
Quelle | FG Thüringen, Urteil vom 18.6.2024, 2 K 534/22, Rev. BFH: VI R 6/25
| Bisher konnten Anfragen an das Bundeszentralamt für Steuern zur Bestätigung ausländischer Umsatzsteuer-Identifikationsnummern schriftlich, über das Internet oder telefonisch erfolgen. Doch das hat sich seit dem 20.7.2025 geändert. Seitdem können etwaige Anfragen ausschließlich über die vom Bundeszentralamt für Steuern im Internet bereitgestellte Online-Abfrage durchgeführt werden. |
Hintergrund: Innergemeinschaftliche Lieferungen sind von der Umsatzsteuer befreit. Seit dem 1.1.2020 ist die Verwendung einer gültigen ausländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer durch den Kunden zwingende Voraussetzung für die Umsatzsteuerfreiheit. Dies ist im Umsatzsteuergesetz (hier: § 6 a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 4 UStG) geregelt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 6.6.2025, III C 5 - S 7427-d/00014/001/002
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat eine steuerzahlerfreundliche Entscheidung getroffen: Führt der Steuerpflichtige im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung am Ort des Lebensmittelpunkts einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung nicht. |
Hintergrund: Notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen, können als Werbungskosten steuerlich abgesetzt werden.
Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt. Hierbei darf sich der Lebensmittelpunkt nicht am Beschäftigungsort befinden.
Zudem ist die einschlägige Vorschrift des Einkommensteuergesetzes (hier: § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 3 EStG) zu beachten: „Das Vorliegen eines eigenen Hausstandes setzt das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus.“ Um diese Voraussetzung ging es im Fall des BGH.
Das war geschehen
Der 1986 geborene Steuerpflichtige bewohnte das Obergeschoss im Wohnhaus seiner Eltern – und zwar allein und unentgeltlich. Zudem hatte er am Ort seiner nichtselbstständigen wissenschaftlichen Tätigkeit eine Unterkunft und machte Kosten für eine doppelte Haushaltsführung geltend. Das Finanzamt erkannte die doppelte Haushaltsführung allerdings mangels finanzieller Beteiligung am Haushalt der Eltern nicht an und berücksichtigte nur Fahrtkosten als Werbungskosten. So sah das auch das Finanzgericht (FG) München, nicht aber der BFH, der die Vorentscheidung aufhob.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Wohnung, die der Steuerpflichtige außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte innehat, seinen Erst- oder Haupthaushalt darstellen muss (Stichwort: Lebensmittelpunkt). Es ist entscheidend, dass sich der Steuerpflichtige in dem Haushalt – im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit – aufhält. Allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte reicht nicht. Ferner darf der Steuerpflichtige nicht nur in einen anderen Hausstand eingegliedert sein, wie es regelmäßig bei jungen Arbeitnehmern der Fall ist, die nach Beendigung der Ausbildung weiterhin im elterlichen Haushalt ihre Zimmer bewohnen. Die elterliche Wohnung kann zwar, wie bisher, der Mittelpunkt der Lebensinteressen sein, sie ist aber kein vom Kind unterhaltener eigener Hausstand. Wird jedoch der Haushalt in einer in sich abgeschlossenen Wohnung geführt, die auch nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet, wird regelmäßig vom Unterhalten eines eigenen Hausstands ausgegangen.
Sohn wohnte noch zu Hause – aber in eigener Wohnung
Im Streitfall hatten die Eltern dem Steuerpflichtigen sämtliche Räumlichkeiten im Obergeschoss ihres Hauses zur Nutzung überlassen. Hierbei handelte es sich um eine Wohnung, die dem Steuerpflichtigen nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet. Der Umstand, dass es sich hierbei um eine (bloße) Nutzungsüberlassung und nicht um ein Mietverhältnis handelt, steht dem nicht entgegen. Ob die Wohnung im Obergeschoss gegenüber der von den Eltern bewohnten Wohnung im Erdgeschoss baulich abgeschlossen ist, ist für das Vorliegen eines eigenen Hausstands ebenfalls unerheblich. Für einen eigenen Hausstand ist es zudem erforderlich, dass eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung erfolgt – aber nur, soweit der Steuerpflichtige am Lebensmittelpunkt einem Mehrpersonenhaushalt (z. B. im Rahmen eines Mehrgenerationenhaushalts) angehört. Denn nur, wenn mehrere Personen einen gemeinsamen Haushalt führen, kann sich der Einzelne an den Kosten dieses Haushalts und damit den Kosten der Lebensführung beteiligen.
„Denknotwendig‘“: Ein-Personen-Haushalt trägt immer gesamte Kosten
Führt der Steuerpflichtige dagegen (wie im Streitfall) einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten dieses Haushalts nicht. Denn die Kosten der Lebensführung eines Ein-Personen-Haushalts werden denknotwendig von dieser einen Person getragen. Woher die hierfür erforderlichen Mittel stammen – ob aus eigenen Einkünften, staatlichen Transferleistungen, Darlehen, Unterhaltsleistungen oder familiären Geldgeschenken – ist unerheblich.
Quelle | BFH, Urteil vom 29.4.2025, VI R 12/23
| Aufwendungen für die eigene Bestattungsvorsorge sind nicht als außergewöhnliche Belastungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 33 Abs. 1 EStG) abziehbar. Das hat das Finanzgericht (FG) Münster entschieden. |
Das war geschehen
Ein Steuerpflichtiger hatte einen Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag abgeschlossen. Den Betrag in Höhe von 6.500 Euro machte er als außergewöhnliche Belastungen geltend. Begründung: Da die Übernahme der Beerdigungskosten auf Ebene des Erben zu außergewöhnlichen Belastungen führen könne, dürfe nichts anderes gelten, wenn er selbst einen Bestattungsvorsorgevertrag abschließe, um seinen Angehörigen die Beerdigungskosten zu ersparen. Das FG ist dieser Argumentation indes nicht gefolgt.
Vom Anwendungsbereich des § 33 EStG sind die üblichen Aufwendungen der Lebensführung ausgeschlossen, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind.
Argumentation: Eigener Sterbefall nicht „außergewöhnlich“…
Bei Aufwendungen für eine Bestattungsvorsorge handelt es sich nicht um Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf, die derart außergewöhnlich wären, dass sie sich einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Denn der Eintritt des Todes und damit die Notwendigkeit, bestattet zu werden, trifft jeden Steuerpflichtigen. Es handelt sich damit nicht um Aufwendungen, die größer sind als die, die einer Mehrzahl der Steuerpflichtigen erwachsen.
… Beerdigungskosten für Dritte hingegen schon
Der Unterschied zu den Aufwendungen für Beerdigungskosten naher Angehöriger besteht bereits darin, dass nicht jeder Steuerpflichtige irgendwann einmal solche Aufwendungen für einen nahen Angehörigen zu tragen hat und auch nicht jeder Steuerpflichtige etwa auch in der Anzahl und Höhe solcher Aufwendungen gleich belastet ist.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 23.6.2025, 10 K 1483/24 E
| Ein Verbrauchsgüterkauf und die Anforderungen an die vorvertragliche Informationspflicht des verkaufenden Unternehmers gegenüber dem kaufenden Verbraucher beschäftigte das Landgericht (LG) Kiel. |
In der Annonce war das Fahrzeug ohne Hinweis auf einen Unfallschaden angepriesen. Im Kaufvertrag und in der vorvertraglichen Information fand sich der Vermerk „entgegen der Annonce Unfallschaden lt. Vorbesitzer“. Genügt das für die wirksame negative Beschaffenheitsvereinbarung?
„Nein“, sagt das LG. Diese Angabe hätte zum einen hervorgehoben, also quasi unübersehbar gestaltet werden müssen. Zum anderen hätte genauer über Art und Umfang des Vorschadens aufgeklärt werden müssen.
Quelle | LG Kiel, Urteil vom 8.5.2025, 6 O 276/23
| Das Landgericht Frankenthal (LG) hat einen Fall entschieden, der in manchem Handwerksbetrieb für Aufsehen sorgen dürfte. Einem Handwerker, der einen Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, steht im Fall des Widerrufs auch nach vollständig erbrachter Arbeit kein Geld zu. Das LG hat deshalb die Klage eines Gartenbauers auf Zahlung des kompletten Werklohns abgewiesen. |
Streit um Rechnung
Im April 2024 bestellte der Besitzer eines großen Gartens den Gartenbauer auf sein Grundstück. Vor Ort gab der Gartenbesitzer umfangreiche Arbeiten an dem völlig verwilderten Gelände in Auftrag. Nach Abschluss der Arbeiten stellte der Gartenbauer seine Rechnung in Höhe von knapp 19.000 Euro. Es kam aber zum Streit über den vereinbarten Stundensatz sowie die Frage, ob die erstellte Rechnung prüffähig sei. Der Gartenbesitzer verweigerte schließlich die Zahlung und widerrief den Vertrag im September 2024.
Auftraggeber durfte sich auf Widerrufsrecht berufen
Das LG gab dem Gartenbesitzer vollumfänglich Recht. Da er als Verbraucher anzusehen sei und sämtliche Arbeiten außerhalb von Geschäftsräumen in Auftrag gegeben wurden, stehe ihm ein gesetzliches Widerrufsrecht zu. Die grundsätzlich mit Vertragsschluss beginnende vierzehntägige Widerrufsfrist habe nicht zu laufen begonnen, weil der Gartenbauer den Verbraucher nicht darüber belehrt habe. Es gelte in diesem Fall eine Höchstfrist von einem Jahr und vierzehn Tagen für den Widerruf, die vorliegend eingehalten worden sei. Der Anspruch des Werkunternehmers auf Werklohn sei dadurch vollständig entfallen. Wegen der unterlassenen Belehrung könne er auch keinen Wertersatz oder einen sonstigen Ausgleich für seine Arbeit verlangen. Denn das europäische Verbraucherschutzrecht verlange bei einer unterlassenen Widerrufsbelehrung eine Sanktion von Unternehmern, um sie zur ordnungsgemäßen Belehrung anzuhalten, so das LG unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 15.4.2025, 8 O 214/24, PM vom 29.4.2025; EuGH, Urteil vom 17.5.2023, C-91/22
| Das Landgericht (LG) Köln hat die Klage der Inhaberin einer Entrümpelungsfirma gerichtet auf Zahlung eines Teilbetrags (100.000 Euro) für in der Wohnung entdecktes Bargeld von über 600.000 Euro als auch Finderlohn abgewiesen. Insbesondere vertragliche Ansprüche würden ausscheiden, da eine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Entrümpelungsunternehmens unwirksam sei, dass mit Beginn der Tätigkeit alle in dem Auftragshaushalt befindlichen Gegenstände in das Eigentum des Auftragnehmers übergehen. Das LG hat zudem festgestellt, dass der Inhaberin auch keine weiteren Ansprüche auf Zahlung wegen des Bargeldes sowie auf Herausgabe von Schmuck und Münzen oder entsprechenden Wertersatz zustehen. |
Das war geschehen
Die Klägerin betreibt in Bayern ein Unternehmen zur Entrümpelung von Wohnungen. Die Beklagte, für die eine Betreuung angeordnet ist, lebte bis zum Jahr 2022 in Bayern. Nachdem der ebenfalls unter Betreuung stehende Lebensgefährte nicht mehr in der Wohnung leben konnte, wollte die Beklagte nach Köln ziehen. Die Beklagte, vertreten durch ihren Betreuer, beauftragte die Klägerin mit der Entrümpelung der im Eigentum der Beklagten stehenden Wohnung gegen Zahlung von knapp 2.900 Euro.
Vereinbarung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Die Parteien vereinbarten die Geltung der AGB der Klägerin. Darin ist u. a. geregelt: „Bei all unseren angebotenen Leistungen, […] sind in den Räumlichkeiten befindliche Wertgegenstände vorab vom Auftraggeber (Kunden) zu entfernen bzw. sicherzustellen. Mit Beginn der Tätigkeit gehen alle in dem Auftragshaushalt befindlichen Gegenstände in das Eigentum des Auftragnehmers über. Die weitere Verwertung obliegt dem Auftragnehmer.“
Erhebliche Bargeldsumme und Schmuck
Für den Betreuer der Beklagten übergab die Betreuerin des Lebensgefährten die von ihr durchgesehene Wohnung an die Klägerin. Die Klägerin und ihre Mitarbeiter räumten zunächst die Wohnung, in der sie unter anderem in Windelpackungen und an anderen streitigen Orten Bargeld in Höhe von 557.000 Euro sowie Schmuck und Münzen mit einem durchschnittlichen Verkehrswert von 29.017 Euro bis 32.017 Euro fanden. Bargeld, Schmuck und Münzen wurden auf Wunsch des Betreuers der Beklagten an die Betreuerin des Lebensgefährten herausgegeben. Ebenso geschah es mit später im Keller der Wohnung in einem Koffer aufgefundenem weiteren Bargeld in Höhe von 66.500 Euro. Die Parteien verständigten sich wegen des Mehraufwands der Klägerin bezüglich der Abwicklung von Bargeld, Schmuck und Münzen auf die Zahlung von Mehrvergütung in Höhe von 2.000 Euro zzgl. Umsatzsteuer. Außergerichtliche Aufforderungen der Klägerin auf Auszahlung des aufgefundenen Geldbetrags und des Schmucks seitens der Beklagten blieben erfolglos.
So sah es das Landgericht
Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagte wegen des aufgefundenen Bargelds und Finderlohns auf einen Teilbetrag von 100.000 Euro in Anspruch. Sie ist insbesondere der Ansicht, dass ihr ein Anspruch darauf aufgrund der Regelung in ihren AGB zustehe. Der Betreuer der Beklagten habe bei der Durchsicht der Wohnung vor Übergabe an die Klägerin seine Pflichten verletzt. Zudem behauptet sie, sie habe Geld, Schmuck und Münzen nur herausgegeben, um für eine sichere Verwahrung zu sorgen, nachdem – was die Beklagte in Abrede stellt – eine Bank die Annahme verweigert habe. Dieser Argumentation ist das LG nicht gefolgt. Zur Begründung führte das LG insbesondere aus, dass der Klägerin aus dem Vertrag keinerlei Ansprüche zustehen würden. Die in ihren AGB verwendete, o. g. Klausel sei unwirksam, weil sie eine Erklärung des Auftraggebers, hier die für einen Eigentumsübergang notwendige Übereignungserklärung fingiere, ohne dem Auftraggeber die Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung zu eröffnen und ihn unangemessen benachteilige.
Eigentumsverhältnisse eindeutig
Mögliche Ansprüche auf Herausgabe des Geldes aus Eigentumsgesichtspunkten nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 985 BGB) lehnt das LG ebenso ab, da die Klägerin ihr Eigentum jedenfalls aufgrund der Einzahlung des Bargelds bei einem Kreditinstitut verloren habe. § 985 BGB begründe keinen Anspruch auf einen entsprechenden Geldwert (sog. Geldwertvindikation). Bereicherungsansprüche stünden der Klägerin aufgrund der erläuterten Rechtslage ebenfalls nicht zu, weil der Beklagten als Eigentümerin von Bargeld, Schmuck und Münzen diese zugestanden hätten, die Übergabe durch die Klägerin also nicht ohne Rechtsgrund erfolgt sei und die Beklagte auch nichts auf Kosten der Klägerin erlangt habe.
Quelle | LG Köln, Urteil vom 8.5.2025, 15 O 56/25, PM vom 2.6.2025
| Online geschlossene Verträge beschäftigen die Rechtsprechung immer wieder. So wie in einem aktuellen Fall des Amtsgerichts (AG) München, das bereits den Vertragsschluss als nicht zustande gekommen betrachtete. |
Reisebuchung über Website
Eine Frau besuchte im November 2021 die Website der Beklagten, um nach Reisen im Dezember 2021 zu suchen. Unter den Suchergebnissen befand sich eine Reise nach Dubai für zwei Personen. Die Klägerin gab die Personendaten ein, um den endgültigen Reisepreis zu erfahren.
„Jetzt-kaufen“-Button
Anschließend wurde die Frau auf eine Website weitergeleitet, die Hinweise zur Unterrichtung von Reisenden bei einer Pauschalreise enthielt. Darunter befand sich ein farblich abgesetzter Kasten mit dem Text „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB […]. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben.“ Hierunter befand sich der Button „Jetzt kaufen“ mit dem Symbol eines Einkaufswagens daneben. Die Frau klickte auf die Schaltfläche „Jetzt kaufen“ und verließ anschließend die Website.
Am selben Abend erhielt die Frau eine Buchungsbestätigung und Zahlungsaufforderung der Beklagten für eine Reise nach Dubai zu einem Preis von 2.834 Euro. Da die Frau die Zahlung verweigerte, stornierte die Beklagte die Reise und stellte eine Storno-Gebühr in Höhe von 2.692,30 Euro in Rechnung. Diese bezahlte die Frau unter Vorbehalt.
War ein Vertrag geschlossen worden?
Die Frau meint, es sei kein Vertrag zwischen ihr und der Beklagten zustande gekommen, da die Gestaltung der Website nicht den gesetzlichen Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 312j Abs. 3 BGB) entspreche. Sie verklagte das Reiseunternehmen daher vor dem AG auf Rückzahlung der 2.692,30 Euro.
Amtsgericht gab der Frau Recht
Das AG gab der Frau Recht und verurteilte die Beklagte dazu, den Betrag nebst Zinsen zu zahlen. Zwischen den Parteien, so das AG, wurde schon kein wirksamer Vertrag im Sinne des § 651 a Abs. 1 BGB geschlossen. Für den Abschluss eines Vertrags bedarf es zweier übereinstimmender Willenserklärungen – Angebot und Annahme.
Es lag nach Ansicht des AG kein Angebot der Beklagten in dem Zurverfügungstellen der Internetseite mit dem Button „Jetzt kaufen“ vor. Unstreitig hat die Frau zwar auf diesen Button geklickt. Die Gestaltung der Website der Beklagten vor Bestellabschluss genügte aber nicht den Anforderungen des § 312 j Abs. 3 BGB. Denn zwar weist der Text des Buttons „Jetzt kaufen“ auf die Entgeltlichkeit des zu schließenden Vertrags hin. Allerdings kann das Symbol eines Einkaufswagens neben dem Schriftzug dahingehend verstanden werden, dass der Kunde durch das Klicken auf den Button erst seinen Warenkorb befüllt und sich nicht schon am Ende des Buchungsprozesses befindet.
Text war irreführend
Außerdem, so das AG, ist der Text „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben“ irreführend. Denn durch Auslegung ergibt sich, dass der Kunde durch das Klicken auf den „Jetzt kaufen“ - Button lediglich AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptiert, sowie die Richtigkeit der eingegebenen Daten [und] den Erhalt des Formblatts bestätigt. Von der Abgabe einer abschließenden Willenserklärung nach § 145 BGB wegen einer Reise ist dem Text nichts zu entnehmen. Vielmehr legt der Text nahe, dass bei Fortsetzung des Buchungsprozesses noch weitere Erklärungen abzugeben sind. Außerdem fehlt eine Übersicht über die zu buchenden Reise sowie eine Preisangabe.
Ein bindendes Angebot der Beklagten sah das Gericht jedoch in der übersandten Buchungsbestätigung. Dieses wurde aber von der Frau nicht angenommen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 26.1.2023, 191 C 1446/22, PM 15/25
| Das Amtsgericht (AG) Hanau hat entschieden: Der Inhalt eines Zustandsprotokolls hinsichtlich der Mietwohnung bei Ein- oder Auszug, das die Parteien unterschreiben, ist bindend. Sie können daher nicht später etwas anderes behaupten. |
Das war geschehen
Die Vermieter klagten gegen die Mieterin u. a. auf Zahlung mehrerer nicht geleisteter Mieten. Bei Rückgabe der Wohnung während des Prozesses unterschrieben beide Seiten ein Protokoll, in dem die Wohnung als mangelfrei bezeichnet wurde. Die Mieterin machte geltend, sie sei während der Mietzeit zur Mietminderung berechtigt gewesen, weil die Wohnung bis zuletzt mangelhaft gewesen sei. Sie widersprach zudem der Behauptung der Vermieter, dass frühere Mängel behoben worden wären.
Amtsgericht: Rückgabeprotokoll ist für beide Seiten verbindlich
Das AG hat die ehemalige Mieterin zur Zahlung der ausstehenden Mieten verurteilt. Diese könne sich auf Mängel der Wohnung nicht berufen. Dass solche, wie sie behauptete, bis zum Schluss vorlagen, sei schon aufgrund des von beiden Seiten unterzeichneten Protokolls widergelegt, aus dem sich ein mangelfreier Zustand bei Mietende ergebe. Denn ein solches Protokoll sei als Zustandsvereinbarung für die Parteien bindend. Dessen Zweck bestehe – gerade, weil die Erstellung freiwillig ist – darin, den dokumentierten Zustand festzuhalten, damit später keine Seite etwas anderes behaupten kann.
Dass die Mieterin, wie sie vorträgt, bestehende Mängel nur deshalb nicht aufgenommen habe, weil sie fürchtete, von den Vermietern selbst für diese verantwortlich gemacht zu werden, steht dem nicht entgegen, weil es für die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Erklärungen nicht auf die Motivation ankommt. Zugleich könne sie sich auch nicht darauf berufen, dass früher Mängel vorlagen, denn sie hat der Behauptung der Vermieter widersprochen, dass jemals Mängel behoben worden seien. Dann aber wären diese auch bei Mietende noch vorhanden gewesen, was durch das unterzeichnete Protokoll bindend widerlegt ist.
Quelle | AG Hanau, Urteil vom 11.4.2025, 32 C 37/24, PM vom 17.6.2025
| Vereinbaren Vermieter und Mieter mündlich, die Nebenkostenvorauszahlungen zu erhöhen, ist dies unwirksam. So sieht es der Bundesgerichtshof (BGH). |
Mietvertragsparteien beschlossen mündlich, die Vorauszahlungen zu erhöhen
Mieter und Vermieter vereinbarten, die Nebenkostenvorauszahlungen zu erhöhen. Dies geschah allerdings mündlich. Nachdem der Vermieter die Immobilie verkauft hatte, war der Erwerber mit der Erhöhung nicht einverstanden.
Erwerber war nicht einverstanden
Später verkaufte der Vermieter das Grundstück. Der Erwerber meinte jedoch, die o. g. Vereinbarung sei formunwirksam. Daher reduzierte er die Höhe der Vorauszahlungen.
Mieter klagte
Der Mieter wollte dies nicht akzeptieren. Schließlich musste der BGH entscheiden. Er sah die Veränderung der Nebenkostenvorauszahlungen als formbedürftig an, da sie wesentlicher Bestandteil der Miete sind.
Der BGH stellte klar, dass auch der Erwerber eines Grundstücks, der in einen bestehenden Mietvertrag eintritt, genau wissen muss, wie hoch die Miete inklusive der Nebenkostenvorauszahlung ist. Nur so kann er seine Rechte als Vermieter wahrnehmen. Der BGH nannte als Beispiel den Fall, dass ein Vermieter einem Mieter wegen Mietrückständen kündigen möchte. Dann muss er durch schriftliche Urkunden zuverlässig informiert sein.
Quelle | BGH, Beschluss vom 14.5.2025, XII ZR 88/23
| Ist eine echte Quadratmetermiete vereinbart – etwa durch Angabe eines Mietpreises pro m² – ist die Miete stets nach der tatsächlichen Fläche zu berechnen. Eine Flächenabweichung führt dann unabhängig vom Ausmaß zur Rückzahlung überzahlter Miete. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Dresden. |
Tatsächliche Fläche wich von vertraglich vereinbarter ab
Der Kläger hatte Büroräume gemietet. Der Vertrag wies eine Fläche von „ca. 70 qm“ aus und bestimmte eine Miete von „EUR 5,00/qm“. Die tatsächliche Fläche betrug jedoch nur 45,6 qm. Der Vermieter verlangte monatlich 350 EUR, der Kläger begehrte Rückzahlung der Überzahlung von 120 EUR monatlich.
Quadratmetermiete vereinbart
Das OLG Dresden stellte klar: Auch wenn die Flächenangabe laut Vertrag keine Sollbeschaffenheit festlege, wurde eine Quadratmetermiete vereinbart. In diesem Fall sei die Miete unabhängig von der Abweichung stets anhand der tatsächlichen Fläche zu berechnen.
Die Rückzahlung überzahlter Miete folge aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Das gelte unabhängig von der 10 Prozent-Grenze, die bei einem Mangel nach § 536 BGB zu beachten wäre.
Ein Wermutstropfen für den Mieter: Seine Ansprüche waren teilweise verjährt, soweit sie das Jahr 2020 betrafen.
Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 19.3.2025, 5 U 1633/24
| Die Anfechtung der Ausschlagung des Erbes wegen einer vermeintlichen Überschuldung des Nachlasses scheidet aus, wenn der Anfechtende seine Anfechtungsentscheidung nicht auf Basis von Fakten, sondern auf Basis von Spekulationen getroffen hat. Wird die Ausschlagung lediglich auf Verdacht hin erklärt, fehlt es letztlich auch an der erforderlichen Kausalität der Fehlvorstellung für die erklärte Ausschlagung. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschieden.
Erbschaft wegen Überschuldung ausgeschlagen
Die Tochter des Erblassers aus dessen erster Ehe sowie deren volljähriger Sohn haben nach dessen Tod wirksam die Ausschlagung der Erbschaft bei gesetzlicher Erbfolge wegen „Schulden/private Gründe“ erklärt. Etwa zwei Monate später hat die Tochter ihre Ausschlagungserklärung zu Protokoll des Nachlassgerichts mit der Begründung angefochten, dass sie bei der Ausschlagung der Erbschaft von der Überschuldung des Nachlasses ausgegangen sei. Dies habe ihr Bruder ihr so mitgeteilt. Sie selbst habe seit 20 Jahren keinen Kontakt zu ihrem Vater gehabt. Nun habe sie durch eigene Recherchen in Erfahrung gebracht, dass ihr Vater in einem eigenen Haus gelebt habe, was sie vorher nicht gewusst habe.
Ausschlagungsanfechtung wirksam?
Im Erbscheinsverfahren stellte die Tochter des Erblassers den Antrag, einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge zu erteilen. Die weiteren gesetzlichen Erben stellten den Antrag, einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge unter Ausschluss der Tochter zu erteilen, weil diese die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und die Anfechtungserklärung unwirksam und unbegründet sei. Diesem Antrag ist das Nachlassgericht nachgekommen und hat dabei erklärt, dass die Ausschlagungsanfechtung der Tochter des Erblassers unwirksam und unbegründet sei. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Tochter des Erblassers, der das Nachlassgericht nicht abgeholfen hat.
Oberlandesgericht: „Nein“!
Die vom Nachlassgericht dem OLG zur Entscheidung vorgelegte Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen, weil das Nachlassgericht zu Recht zu der Auffassung gelangt sei, dass die von der Tochter erklärte Ausschlagung der Erbschaft weiterhin wirksam ist.
Der Anfechtende sei bei einer Anfechtung einer erfolgten Erbausschlagung beweispflichtig für die Voraussetzungen der jeweiligen Anfechtungstatbestände. Hinsichtlich des geltend gemachten erheblichen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses im Hinblick auf eine angenommene Überschuldung sei es zwar richtig, dass die Überschuldung eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses darstellen könne. Jedoch werde eine Fehlvorstellung darüber, dass die (Nachlass-)Verbindlichkeiten den (Aktiv-)Wert des Nachlasses übersteigen, nur dann als relevant angesehen, wenn sie darauf beruhe, dass der Ausschlagende unrichtige Vorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses hatte.
Dagegen werde gemäß der vom Nachlassgericht in dem angefochtenen Beschluss zitierten Rechtsprechung ein erheblicher Irrtum über eine Überschuldung als eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses verneint und stattdessen ein nicht zu einer Anfechtung berechtigender Motivirrtum angenommen, wenn der Anfechtende zu seiner Vorstellung nicht aufgrund einer Bewertung ihm bekannter oder zugänglicher Fakten zu dem Ergebnis gelangt sei, sondern seine Entscheidung, die Erbschaft auszuschlagen, auf spekulativer, bewusst ungesicherter Grundlage getroffen habe.
Folge: Das Nachlassgericht habe zu Recht das Vorliegen eines zur Anfechtung berechtigten Irrtums bei der Tochter des Erblassers verneint, da diese keineswegs dargelegt und schon gar nicht bewiesen habe, dass sie die Ausschlagung wegen einer angeblichen Überschuldung des Nachlasses erst nach einer Bewertung der ihr bekannten und zugänglichen Fakten vorgenommen habe.
Quelle | OLG Zweibrücken, Urteil vom 7.3.2025, 8 W 20/24
| Die Suche nach einem Testament hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Das Fazit: Mit der richtigen Vorsorge lassen sich später Schwierigkeiten vermeiden. |
Nach dem Tod eines Mannes stritten seine Witwe und sein Sohn darüber, ob er ein Testament hinterlassen hatte: Die Witwe behauptete das – doch gefunden hatte sie das Testament nicht. In der ersten Instanz hatte das Landgericht (LG) deshalb zehn Zeugen vernommen, die aber keine endgültige Klärung brachten. Beim OLG nahm die Frau schließlich ihre Klage zurück und erkannte den Sohn als gesetzlichen Miterben an.
Mögliche Erben tragen die Beweislast
Der Fall ist keine Seltenheit: Viele Angehörige müssen sich nach dem Tod ihres Verwandten die Frage stellen, ob es ein Testament gibt und wo es sich befindet. Auf vermeintlich sichere Orte ist dabei nicht immer Verlass. In dem entschiedenen Fall wurde vergeblich nach einem Bankschließfach gesucht, in einem anderen aktuellen Fall ebenso erfolglos in einem Waffenschrank. Für die möglichen Erben kann das entscheidend sein: Wer sich auf ein Testament berufen will, muss auch dessen Existenz und Inhalt beweisen.
Amtsgerichte und Notare bieten Sicherheit
Schutz vor Ungewissheiten bieten die Amtsgerichte (AG) und Notare. Wenn ein Testament von einem Notar errichtet oder bei einem Amtsgericht hinterlegt wird, wird das im Zentralen Testamentsregister vermerkt. Im Todesfall gibt es einen Informationsaustausch zwischen dem Standesamt, dem Testamentsregister und der Stelle, die das Testament verwahrt. Das Testament wird dann automatisch an das zuständige AG weitergeleitet, das die Erben informiert und das Testament eröffnet. Eine Hinterlegung beim AG mit Registrierung kostet 93 Euro.
Quelle | OLG Celle, PM vom 11.4.2025
| Das Verwaltungsgericht (VG) Braunschweig hat die Klage zweier Hauseigentümer abgewiesen, die eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach ihres Gebäudes in der als Denkmal geschützten und von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannten Altstadt Goslars errichten wollten. |
Das VG stellte in seinem Urteil fest: Nach den geltenden Regelungen des Bundes- und Landesrechts müssen die Behörden Solaranlagen in aller Regel auf denkmalgeschützten Gebäuden genehmigen. Die Nutzung erneuerbarer Energien habe weitgehend Vorrang, in der weitaus größten Zahl der Fälle bestehe deswegen ein Rechtsanspruch auf Genehmigung von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden. Für „atypische Situationen“ sehe das Gesetz aber Ausnahmen vor. Das gelte für besonders wertvolle Denkmäler und bei besonders schwerwiegenden Eingriffen in ein Denkmal. In diesen Fällen sei eine Abwägung erforderlich. Ein solcher (seltener) Ausnahmefall liege hier vor: Das Gebäude der Kläger sei als Bestandteil des UNESCO-Weltkulturerbes in besonderem Maße schutzbedürftig. Zusätzlich liege in der Installation der Anlage nach der fachlichen Einschätzung des zum Verfahren beigeladenen Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege (NLD) auch ein besonders schwerer Eingriff in das Denkmal vor. Das Gesamterscheinungsbild der zusammenhängenden historischen Bebauung, die den Denkmalwert hier gerade ausmache, würde nach der Darstellung des NLD durch die Installation der Solaranlage erheblich gestört werden. Das Gebäudes ei aus dem öffentlichen Straßenraum heraus wahrnehmbar und die Solaranlage würde sich außerdem durch die vorgesehene dunkle Farbe deutlich von dem Dachgebilde abheben.
Das VG folgte dieser fachlichen Einschätzung. Weil hier ein besonders schutzwürdiges Denkmal (Goslarer Altstadt als Gruppendenkmal) beeinträchtigt sei und ein besonders schwerwiegender Eingriff vorliege, überwiege der Denkmalschutz in diesem besonderen Fall ausnahmsweise das Interesse an der Nutzung erneuerbarer Energien. Das VG wies auf die Präzedenzwirkung hin, die eine Genehmigung hätte: In allen Fällen dieser Art müssten dann Solaranlagen genehmigt werden; dies würde die historische Dachlandschaft der Altstadt weitgehend verändern.
Quelle | VG Braunschweig, Urteil vom 25.6.2025, 2 A 21/23, PM vom 25.6.2025
| Wie muss eine Baustelle abgesichert sein, damit der Bauherr seiner ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht genügt? Diese Frage musste das Landgericht (LG) Koblenz entscheiden. |
Das war geschehen
Die Parteien stritten über von der Klägerin geltend gemachte Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld aus einem Sturz im Bereich einer Straße. Diese Straße verfügt über keinen gesondert ausgewiesenen Gehweg.
Die Beklagte führte zu diesem Zeitpunkt Straßenbaumaßnahmen auf der teilweise deutlich erneuerungsbedürftigen Straße durch. Diese führten u. a. zu einer Fräskante auf der Straße. Der betroffene Streckenabschnitt war gemäß der behördlichen Anordnung beschildert. Die Klägerin stürzte an der Fräskante und erlitt eine distale Radiusfraktur links. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt habe. Auf die Fräskante sei nicht ordnungsgemäß hingewiesen worden. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass sie ihre Verkehrssicherungspflichten vollumfänglich erfüllt habe. Jedenfalls sei der Klägerin ein so erhebliches Mitverschulden anzulasten, dass schon aus diesem Grund der geltend gemachte Anspruch ausgeschlossen sei.
Amtsgericht: Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht, aber auch Mitverschulden
Das Amtsgericht (AG) hat die Beklagte verurteilt, rund 1.000 Euro sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 272,60 Euro, jeweils zuzüglich Zinsen, an die Klägerin zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits legte das AG den Parteien zu je 50 % auf.
Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte eine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Es fehle an einem Schild mit ausdrücklichem Bezug zu einer Baustelle oder an einem Schild mit dem Hinweis auf Fahrbahnunebenheiten. Das AG sah zulasten der Klägerin jedoch auch ein Mitverschulden, da sie nach Überqueren der ersten Fräskante eine weitere Fräskante habe erwarten müssen.
Hiergegen wenden sich beide Parteien jeweils mit dem Rechtsmittel der Berufung und dem Ziel, mit ihren jeweiligen Anträgen vollumfänglich zu obsiegen.
Landgericht: Klage abgewiesen
Das LG hat dem Antrag der Beklagten auf Klageabweisung vollumfänglich stattgegeben und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Schmerzensgeld oder materiellen Schadenersatz gegen die Beklagte. Der Beklagten könne bereits keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht vorgeworfen werden. Auf ein mögliches Mitverschulden der Klägerin komme es vor diesem Hintergrund schon nicht mehr an.
Grundsätzlich Verkehrssicherungspflicht bei Gefahrenquelle, ...
Im Grundsatz sei der, der eine Gefahrenquelle schafft, dazu verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu vermeiden. Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflicht beginne erst dort, wo auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintrete und nicht rechtzeitig erkennbar sei. Entscheidend seien daher auch die äußeren Gesamtumstände. Für Gefahrenstellen innerhalb eines erkennbaren Baustellenbereiches bedeute dies, dass nicht jede Unebenheit besonders gekennzeichnet werden müsse. Unebenheiten seien in Baustellenbereichen grundsätzlich zu erwarten. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte den Baustellenbereich ausreichend deutlich gekennzeichnet. Bei einer Fräskante handele es sich um eine typische Baustellenunebenheit, mit der ein Fußgänger im Bereich einer Baustelle zu rechnen hätte.
... aber erkennbarer Baustellenbereich und Dunkelheit erfordern erhöhte Aufmerksamkeit
Die Sturzstelle liege auf einer untergeordneten Straße mit deutlich erkennbaren erheblichen Beschädigungen, die vor allem dem Fahrzeugverkehr gewidmet sei. Fußgänger dürften hier keinen hindernisfreien Weg erwarten, wie beispielsweise bei einer Fußgängerzone. Die Straße sei zum Zeitpunkt des Vorfalls bei Dunkelheit (20:20 Uhr an einem Februartag) nicht durchgängig beleuchtet gewesen, weswegen Fußgänger in eigener Verantwortung besonders auf den Fahrbahnbelag zu achten hätten. Durch die Aufstellung der Warnbaken mit Blinklichtern und das erkennbar vorübergehend angeordnete Einfahrtsverbot für Fahrzeuge aller Art hätte der Klägerin bewusst sein müssen, dass sie einen Baustellenbereich betrete. Wie bereits ausgeführt, habe sich der Straßenbelag schon zuvor in einem schlechten Zustand befunden. Dass bei einer Baustelleneinrichtung daher (auch) Ausbesserungsarbeiten am Straßenbelag durchgeführt werden, sei zu erwarten. Dies schließe ebenfalls Abfräsarbeiten von altem Straßenbelag mit ein.
Quelle | LG Koblenz, Urteil vom 31.1.2025, 13 S 32/24, PM des LG
| Inflationsausgleichszahlungen für Beamte in Elternteilzeit zu kürzen, ist zulässig. So sieht es das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |
Das Landesgesetz zur Anpassung der Besoldung 2024/2025 in Rheinland-Pfalz sah eine einmalige Inflationsausgleichszahlung von 1.800 Euro vor. Teilzeitbeschäftigte Beamte erhielten den Betrag anteilig gemäß ihrer Arbeitszeit. Berechtigt waren Beamte mit Dienstverhältnis am 9.12.2023 und mindestens einem Tag Anspruch auf Dienstbezüge zwischen dem 1.8.2023 und dem Stichtag. Die Kläger, eine Beamtin und ein Beamter, arbeiteten während ihrer Elternzeit in Teilzeit und erhielten gekürzte Zahlungen, während vollzeitfreigestellte Kollegen die volle Summe erhielten. Diese Ungleichbehandlung wurde von ihnen als verfassungswidrig gesehen.
Das VG: Der Gesetzgeber verfügt bei solchen Sonderzahlungen über einen großen Gestaltungsspielraum. Die Differenzierung zwischen vollzeitfreigestellten und teilzeitbeschäftigten Beamten ist gerechtfertigt. Während man die Höhe der Sonderzahlung für Letztere anhand des (reduzierten) Umfangs ihrer Arbeitszeit am Stichtag des 9.12.2023 errechnen konnte, war dies bei den vollständig freigestellten Beamten nicht der Fall. Vollzeitfreigestellten Beamten ohne Dienstleistung hätte gemäß ihrer Arbeitszeit kein Anspruch zugestanden. Insoweit hat ein sachliches Bedürfnis bestanden, den Stichtag für sie zu verschieben. Aufgrund der unterschiedlichen Entlohnungssysteme kommt es ferner nicht darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen der Personengruppe der Tarifbeschäftigten Sonderzahlungen gewährt worden sind.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 1.4.2025, 5 K 967/24.KO
| Es ist Sache des Arbeitgebers, zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren will. Liegt in Gestalt einer Konfliktlage einhinreichender Anlass vor und ist eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, ist grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Der Arbeitgeber verletzt seinen Ermessensspielraum erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lässt. So hat es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden. |
Das war geschehen
Das LAG musste über die Versetzung eines Arbeitnehmers aufgrund des Vorwurfs der sexuellen Belästigung entscheiden. Dabei kam es zum Ergebnis, dass die örtliche Umsetzung dem billigen Ermessen entsprochen habe.
Mehrfache sexuelle Belästigung einer Arbeitskollegin stand im Raum
Der Vorwurf der mehrfachen sexuellen Belästigung einer Arbeitskollegin und die ausgesprochene Empfehlung der Antidiskriminierungsstelle, dem Arbeitnehmer für das Büro ein Betretungsverbot auszusprechen, waren zwar Auslöser für die Umsetzungsentscheidung des Arbeitgebers. Der gerichtliche Nachweis einer sexuellen Belästigung sei aber keine Tatbestandsvoraussetzung für die Umsetzung. Daher sei es unerheblich, dass der beklagte Arbeitgeber in der über einem Jahr später stattgefundenen Beweisaufnahme die sexuelle Belästigung nicht habe nachweisen können. Dies ergebe sich zudem daraus, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle der Zeitpunkt sei, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen habe.
Arbeitgeber hat Ermessensspielraum
Es sei Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren wolle. Er müsse dabei nicht zunächst die Ursachen und Verantwortlichkeiten für die entstandenen Konflikte im Einzelnen aufklären. Liege in Gestalt einer Konfliktlage ein hinreichender Anlass vor und sei eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, sei ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Seinen Ermessensspielraum verletze der Arbeitgeber erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lasse. Diese waren hier nicht gegeben.
Zwar möge der Arbeitnehmer die Umsetzung als „Strafe“ empfinden. Die Umsetzung diene aber der Befriedung des Konflikts und sei keine „Bestrafung“. Der Arbeitgeber habe sich bei der Entscheidung von zutreffenden Erwägungen leiten lassen. Eine räumliche Trennung der Protagonisten innerhalb des Projektbüros sei aufgrund dessen Größe und der gemeinsam genutzten Flächen nicht möglich. Es sei daher ermessensgerecht, dem Arbeitnehmer einen anderen Dienstort zuzuweisen.
Betriebsfrieden war gefährdet
Letztlich konnte sich das LAG nicht vorstellen, wie die Arbeitnehmerin und der Arbeitnehmer jemals wieder unbefangen hätten zusammenarbeiten können. Denn mindestens aus Sicht der Kollegin sei der Arbeitnehmer ein sexueller Belästiger. Und aus Sicht des Arbeitnehmers sei die Frau eine Falschbeschuldigerin. Dies beeinträchtige nicht nur das Verhältnis der Protagonisten untereinander, sondern in einem so kleinen Büro auch den Betriebsfrieden insgesamt.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 25.2.2025, 7 SLa 456/24
| Auch in einem Minijob gibt es bezahlten Urlaub. Doch in diesem Zusammenhang stellen sich viele Fragen: Wie viele freie Tage stehen einem Minijobber zu? Was gilt bei unregelmäßiger Arbeitszeit? Wie wirkt sich das Urlaubsgeld auf den Minijob aus? Diese und weitere Fragen hat die Minijob-Zentrale jüngst beantwortet. |
So erläutert die Minijob-Zentrale beispielsweise, dass der Lohn während des Urlaubs weitergezahlt werden muss (Urlaubsentgelt). Das ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt. Zusätzlich kann es Urlaubsgeld geben (als freiwillige Zahlung zum Urlaub).
Quelle | Minijob-Zentrale vom 11.6.2025 „Urlaub im Minijob: Ihre Fragen – Wir antworten!"
| Es gibt steuerliche Betriebsprüfungen, die bereits nach kurzer Zeit abgeschlossen sind. Andere Prüfungen hingegen ziehen sich über Monate oder sogar über Jahre hin. Um die Betriebsprüfung zu beschleunigen, wurden nun mehrere gesetzliche Änderungen vorgenommen. |
Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen
Verzögerungen bei einer Betriebsprüfung können mitunter auf eine unzureichende Mitwirkung des Steuerpflichtigen zurückzuführen sein. Um dem entgegenzuwirken, sieht der neue § 200 a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) das qualifizierte Mitwirkungsverlangen vor, das sich auf die Mitwirkungspflichten nach § 200 AO stützt. Danach hat der Steuerpflichtige u. a. Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben.
Ermessensentscheidung des Prüfers
Das (neue) qualifizierte Mitwirkungsverlangen stellt eine Ermessensentscheidung des Prüfers dar, die frühestens nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ergehen darf. Entscheidet sich der Prüfer für ein solches Mitwirkungsverlangen, ist es schriftlich oder elektronisch (versehen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung) zu erteilen.
Beachten Sie | Der Steuerpflichtige muss in diesem Fall schnell handeln. Denn das Mitwirkungsverlangen ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe zu erfüllen. Nur in begründeten Einzelfällen kann die Frist verlängert werden.
Neu: Mitwirkungsverzögerungsgeld
Problematisch wird das qualifizierte Mitwirkungsverlangen für den Steuerpflichtigen, wenn es nicht oder nicht hinreichend innerhalb der Frist erfüllt wird. Denn in diesen Fällen wird das neu eingeführte Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt (§ 200 a Abs. 2 AO). Ausnahme: Die Mitwirkungsverzögerung erscheint entschuldbar, beispielsweise bei einer stark beeinträchtigenden Erkrankung.
Beachten Sie | Das Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung (also für jeden vollen Tag nach Verstreichen der im Mitwirkungsverlangen gesetzten Frist) 75 Euro. Gerechnet werden die Tage bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Mitwirkungsverlangen erfüllt wird – spätestens bis zum Tag der Schlussbesprechung. Denn nach der Schlussbesprechung gibt es keinen Bedarf mehr, eine Mitwirkung sicherzustellen.
Allerdings dürfen maximal 150 Tage zugrunde gelegt werden, sodass das Mitwirkungsverzögerungsgeld maximal 11.250 Euro betragen kann (150 Tage × 75 Euro).
Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld
Nicht immer bleibt es bei dem Mitwirkungsverzögerungsgeld. Denn es steht im Ermessen des Prüfers, nach § 200 a Abs. 3 AO zusätzlich einen Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzen. Voraussetzung ist, dass
- gegen den Steuerpflichtigen in den letzten fünf Jahren ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wurde und zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt oder
- wegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt. Davon ist auszugehen, wenn die Umsatzerlöse in einem der von der Prüfung umfassten Jahre mindestens 12 Mio. Euro betragen oder sich die konsolidierten Umsatzerlöse bei Konzernen auf mindestens 120 Mio. Euro belaufen.
Entscheidet sich der Prüfer für den Zuschlag, steht auch die Höhe in seinem Ermessen. Dabei darf der Zuschlag höchstens 25.000 Euro für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung betragen – ebenfalls für maximal 150 Tage (maximal somit 3,75 Mio. Euro).
Teilabschlussbescheid und Inkrafttreten
Um die Betriebsprüfungen zu beschleunigen, wurde auch der neue Teilabschlussbescheid eingeführt. Denn oft scheitert der zeitnahe Abschluss an einem einzelnen Sachverhalt, der nur durch intensiven Arbeitseinsatz aufgeklärt werden kann. Das Problem: So entsteht keine Rechtssicherheit bezüglich weiterer geprüfter Sachverhalte.
Durch den neuen § 202 Abs. 3 AO hat der Prüfer die Möglichkeit, bereits vor Abschluss der Prüfung einen Teilprüfungsbericht zu übermitteln und im Anschluss einen Teilabschlussbescheid zu erlassen. Hierdurch lassen sich einzelne im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte und abgrenzbare Feststellungen vor dem abschließenden Prüfungsbericht gesondert feststellen. Kann der Steuerpflichtige ein erhebliches Interesse an einem Teilabschlussbescheid glaubhaft machen, soll dieser auf Antrag ergehen.
Beachten Sie | Die Neuerungen gelten erst für Steuern und Steuervergütungen, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Sie sind aber auch für Steuern und Steuervergütungen anzuwenden, die vor dem 1.1.2025 entstehen, wenn für diese Steuern und Steuervergütungen nach dem 31.12.2024 eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde.
Quelle | Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie, BGBl I 2022, S. 2730
| Verlängert sich die dem Verbraucher gesetzlich eingeräumte 14-tägige Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge, wenn der Verkäufer in seiner Widerrufsbelehrung seine Telefonnummer nicht angibt? Diese Frage hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden. |
Kauf im Online-Shop über 62.000 Euro
Der Kläger hatte am 4.5.2022 über den Onlineshop der Beklagten ein Elektrofahrzeug zum Preis von rund 62.000 Euro erworben. Die Auslieferung des Fahrzeugs erfolgte am 20.12.2022. Am 14.8.2023 erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrags. Zu spät, entschied nun auch das OLG in zweiter Instanz und wies damit die Berufung des Klägers zurück.
Rechtlicher Hintergrund
Verbrauchern steht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: §§ 312 g Abs. 1, 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, im Normalfall beginnend ab Erhalt der Ware. Wird der Verbraucher jedoch nicht korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB). Die Informationspflichten des Unternehmers ergeben sich aus dem Einführungsgesetz zum BGB (hier: Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB). Der Unternehmer kann die Informationspflichten auch durch die Verwendung einer Musterwiderrufsbelehrung erfüllen, die sich in der Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB befindet.
Fehlende Telefonnummer ohne Auswirkungen
Hier hatte die Autohändlerin in ihrer selbst formulierten Widerrufsbelehrung, die sie dem Kläger übermittelte, keine Telefonnummer angegeben. Diese war jedoch auf der Internetseite der Beklagten zu finden. Das OLG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist geführt hat.
Widerruf eines Autokaufs wahrscheinlich eher schriftlich als per Telefon
Es entschied, dass die Widerrufsbelehrung auch ohne Angabe einer Telefonnummer den gesetzlichen Anforderungen genügt und sich die Widerrufsfrist daher nicht verlängert. Die Nichtangabe der Telefonnummer begründe bei einem Autokauf, der von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sei, nicht die Gefahr, dass der Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werde.
Ein typischer Kunde würde allein aus Beweiszwecken bei den hohen Summen eines Elektroautokaufs den Widerruf vernünftigerweise auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. per E-Mail) übermitteln.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 7.11.2024, 14 U 95/24, PM 8/25
| Hat sich der Übergeber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anlässlich der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ein Wohnungsrecht an einer Wohnung des übergebenen Vermögens vorbehalten, ist ein Sonderausgabenabzug des Mietwerts nach Meinung der Finanzverwaltung ausgeschlossen. Dieser Ansicht hat aber nun das Finanzgericht (FG) Nürnberg widersprochen. |
Hintergrund: Wird ein Betrieb gegen Versorgungsleistungen auf nahe Angehörige übertragen, kann der Betriebsübernehmer die Versorgungsleistungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 a Nr. 2 EStG) als Sonderausgaben abziehen, die der Empfänger versteuern muss (nach § 22 Nr. 1a EStG).
Das war geschehen
Anlässlich einer Hofübergabe wurde dem Übergeber ein Altenteil in Form eines vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts, Taschengelds und der Mitbenutzung von Gegenständen eingeräumt. Den vom Vermögensübernehmer als Sonderausgaben geltend gemachten Nutzungswert der Altenteilerwohnung erkannte das Finanzamt allerdings nicht an, da nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2010 nur die mit der Nutzungsüberlassung tatsächlich zusammenhängenden Aufwendungen (wie Strom, Heizung, Wasser und Instandhaltungskosten), nicht jedoch der Nutzungswert der Altenteilerwohnung berücksichtigt werden können.
Finanzgericht gibt Kläger Recht, Revision ist eingelegt
Die hiergegen eingelegte Klage war vor dem FG Nürnberg erfolgreich. Nach Auffassung des FG kann der Fall, dass der Versorgungsberechtigte mit dem ihm gewährten (höheren) Barunterhalt selbst eine Wohnung mietet, für den Bereich des Sonderausgabenabzugs nicht anders behandelt werden als der Fall, in dem sich die Versorgungsleistung aus (niedrigerem) Barunterhalt und unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zusammensetzt.
Da die Revision anhängig ist, muss nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden.
Quelle | FG Nürnberg, Urteil vom 6.2.2025, 4 K 1279/23, Rev. BFH: X R 5/25, BMF-Schreiben vom 11.3.2010, IV C 3 - S 2221/09/10004, Rz. 46
| Der Bundesfinanzhof (BFHZ) hat jüngst entschieden, dass die Erteilung von Reitunterricht nicht von der Umsatzsteuer befreit ist, es sei denn, der Unterricht dient der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung. |
Das war geschehen
Im Streitfall begehrte der Kläger die Steuerbefreiung verschiedener Reitkurse für Kinder und Jugendliche auf seinem Reiterhof in den Jahren 2007 bis 2011. In der „Ponygruppe“ wurden Kinder und Jugendliche und bei „Klassenfahrten“ wurden Schulklassen im Umgang mit Pferden unterrichtet.
Zudem wurden Kurse für eine „Große Pferdegruppe“ angeboten, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen gerichtet waren. Die unterrichteten Kinder und Jugendlichen wurden darüber hinaus verpflegt und übernachteten teilweise auch auf dem Reiterhof.
Uneinigkeit der gerichtlichen Instanzen
Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, dass sämtliche Leistungen steuerpflichtig seien. Das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein sah das aber größtenteils anders. So seien die Umsätze insoweit steuerfrei, als sie auf die Beherbergung und Verpflegung sowie auf den Teil des Reitunterrichts entfielen, mit dem die formalen Voraussetzungen dafür erlangt werden können, später den Beruf des Turniersportreiters auszuüben („Große Pferdegruppe“).
Der Meinung des Finanzgerichts hat sich der BFH aber nicht vollumfänglich angeschlossen.
Der BFH stellte klar, dass es sich bei der Beherbergung und Verpflegung von Kindern und Jugendlichen um selbstständige steuerbare Leistungen neben dem Reitunterricht handelt. Er hob weiter hervor, dass Reitunterricht (als spezialisierter Unterricht) kein „Schul- und Hochschulunterricht“ ist.
Beachten Sie | Entsprechendes ist bereits für Segel-, Fahr-, Schwimm-, Jagd- und Tanzschulen entschieden worden.
Anerkennung als Ausbildung an strenge Voraussetzungen geknüft
Die Einstufung von Reitunterricht als „Ausbildung“ oder „Fortbildung“ kommt nach Auffassung des BFH nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Reitunterricht, der typischerweise der Freizeitgestaltung dient, ist in der Regel keine Ausbildung oder Fortbildung, da er nicht auf einen bestimmten Beruf vorbereitet. Die Kurse der „Ponygruppe“ und für Schulklassen im Rahmen der „Klassenfahrten“ sind daher umsatzsteuerpflichtig.
Beachten Sie | Die Ansicht des BFH dürfte insoweit strenger sein als die Auffassung der Finanzverwaltung zu Ballett-, Tanz- oder Musikunterricht.
Spätere Turniersportreiter: umsatzsteuerfreie Kurse
Bei den Kursen der „Großen Pferdegruppe“ lagen hingegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme vor, da zahlreiche Teilnehmer später Turniersportreiter wurden. Diese Kurse sind folglich umsatzsteuerfrei.
Hinsichtlich der Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für die Kinder und Jugendlichen führte der BFH aus, dass die hierfür seinerzeit geltende Steuerbefreiung nur in Betracht kommt, wenn eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter vorliegt. Bereits hieran fehlte es aber im Streitfall. Denn der Kläger konnte eine solche Anerkennung nicht vorweisen.
Beachten Sie | Seit dem 1.1.2020 können nur noch die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben insoweit umsatzsteuerbefreit sein, was der Kläger aber nicht ist.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 9/22, PM 35/25 vom 30.5.2025
| Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen und übernimmt der neue Eigentümer die auf dem Grundstück lastenden Schulden, liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund : Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Spekulationsbesteuerung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 23 EStG).
Beachten Sie | Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die
- im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
Das war geschehen
Der Vater hatte im Jahr 2014 ein Grundstück für 143.950 Euro erworben und teilweise fremdfinanziert. 2019 übertrug er das Grundstück auf seine Tochter. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Grundstück einen Wert von 210.000 Euro. Die Tochter übernahm die am Übertragungstag bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 115.000 Euro.
Finanzamt: Aufteilung in entgeltlich und unentgeltlich
Das Finanzamt teilte den Vorgang (ausgehend vom Verkehrswert im Zeitpunkt der Übertragung) in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichenTeil auf. Soweit das Grundstück unter Übernahme der Verbindlichkeiten entgeltlich übertragen worden war, besteuerte das Finanzamt den Vorgang als privates Veräußerungsgeschäft.
Hiergegen klagte der Vater vor dem Finanzgericht (FG) Niedersachsen und bekam Recht. Die Begründung: Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten sind keine Veräußerungen (im Sinne des § 23 EStG).
Höchste Instanz bestätigt Vorgehen des Finanzamts
Doch die Freude währte nicht lange, denn der BFH schloss sich der Ansicht des Finanzamts an.
- Wird ein Wirtschaftsgut übertragen und werden damit zusammenhängende Verbindlichkeiten übernommen, liegt regelmäßig ein teilentgeltlicher Vorgang vor. In diesem Fall erfolgt eine Aufteilung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichenTeil.
- Wird das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen, unterfällt der Vorgang hinsichtlich des entgeltlichen Teils als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensteuer.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.3.2025, IX R 17/24, PM 37/25 vom 30.5.2025
| Frauen muslimischen Glaubens haben keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kfz mit einem Gesichtsschleier (Niqab). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin bestätigt. |
Antrag auf Ausnahmegenehmigung
Die Klägerin hatte ihren Antrag auf Ausnahmegenehmigung damit begründet, dass sie sich gemäß ihrem Glauben außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Da sie im Auto den Blicken fremder Menschen ausgesetzt sei, müsse es ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Das VG hatte die Klage abgewiesen.
Berufung nicht zugelassen
Das OVG hat den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Mit ihren Einwendungen hat die Klägerin es nicht vermocht, ernstliche Richtigkeitszweifel an der Entscheidung des VG zu wecken oder Verfahrensfehler offenzulegen.
Keine wesentliche Einschränkung der Religionsfreiheit
Die Annahme des VG, dass das Tragen einer Gesichtsverschleierung während des Autofahrens für die Religionsausübung typischerweise keine wesentliche Einschränkung bedeutet und angesichts der zeitlich und örtlich eingeschränkten Wirkung des Verbots hinzunehmen ist, konnte sie nicht durchgreifend in Frage stellen.
Dasselbe gilt für die Annahme des VG, dass das der zuständigen Behörde bei der Frage der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt wurde, weil der Eingriff zur Sicherstellung der effektiven automatisierten Verkehrsüberwachung gerechtfertigt ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Quelle | OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.4.2025, OVG 1 N 17/25 , PM 11/25
| Wer seine SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergibt, hat keinen Anspruch auf Rückzahlung abgebuchter Kreditkartenbeträge. So entschied es das Amtsgericht (AG) München. |
Das war geschehen
Der Ehemann der Klägerin wollte am Samstag, den 6.1.2024, für seine Ehefrau und sich eine Reise im Internet buchen. Hierzu gab er auf der Website „Check24“ die Daten der Kreditkarte seiner Ehefrau ein. Kurz darauf erschien eine Mitteilung, dass ein Betrag in Höhe von 318,99 Euro vorgemerkt sei, ehe weitere Mitteilungen über vergleichbare Vormerkungen erschienen. Die Klägerin veranlasste noch am selben Abend telefonisch die Sperrung der Kreditkarte. Am Montag, den 8.1.2024 sind sechs unberechtigte Abbuchungen zu je 318,99 Euro für Giftcards vom Konto der Klägerin erfolgt, insgesamt 1.953,29 Euro.
Zur Autorisierung der Transaktionen fand das Mastercard 3D-Secure-Verfahren Anwendung. Zur Aktivierung dieses Verfahrens auf einem weiteren Gerät übersandte die beklagte Bank am 6.1.2024 eine SMS-TAN an die von der Klägerin bei der Beklagten hinterlegte Mobilfunknummer. Die an die Klägerin versandte SMS-TAN wurde dann auf dem weiteren mobilen Endgerät, auf dem auch die Banking-App freigeschaltet wurde, am 6.1.2024 eingegeben und damit das Secure-Verfahren aktiviert.
Die Klägerin behauptete, dass sie diese Abbuchungen nicht autorisiert habe. Bei der Buchung sei sie nicht nach PIN oder Passwort gefragt worden, sie habe auch nirgendwo eine SMS-Tan eingegeben. Es sei nicht erkannt worden, dass es sich möglicherweise um eine „Fake“-Website handelte.
Die beklagte Bank ging davon aus, dass die Frau die SMS-Tan an einen Dritten weitergegeben haben muss, da eine Freigabe der Buchungen anders technisch nicht möglich gewesen sei und verweigerte die Zahlung. Die Klägerin verklagte die Bank daher vor dem AG auf Rückzahlung der 1.953,29 Euro.
So sah das Amtsgericht den Sachverhalt
Das AG wies die Klage ab. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Abbuchungen nicht von der Klägerin autorisiert waren, sondern von Dritten getätigt wurden. Aufgrund der Beweisaufnahme war das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin die SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergegeben haben muss, weshalb ein Schadenersatzanspruch der Bank gegen die Klägerin in gleicher Höhe bestehe, mit dem die Bank aufgerechnet habe.
Das AG: Der Vortrag der Bank, dass diese in ihren Systemen feststellen konnte, dass das Mastercard 3D-Secure Verfahren per Banking App für die Kreditkarte der Klägerin am 6.1.2024 um 13:30 Uhr aktiviert wurde, und zur Aktivierung dieses Verfahrens auf dem neuen Gerät eine SMS-TAN an die im Vertrag hinterlegte Mobilfunknummer der Klägerin versandt wurde, wurde durch Inaugenscheinnahme des Mobiltelefons der Klägerin bestätigt. Dort befindet sich eine SMS vom 6.1.2024 13:29 Uhr mit dem Inhalt: „ … ist Ihre TAN für die Aktivierung von Mastercard Identity Check vom 6.1.2024 13:44 Uhr.“ Der Eingang der SMS um 13:29 Uhr war im eingesehenen Nachrichtenverlauf um 13:29 Uhr dokumentiert und wird auch durch das vorgelegte IT-Protokoll belegt. Der Vortrag der Klägerin, keine SMS-TAN erhalten zu haben und dass ihr Mobiltelefon nicht in die Freigabe involviert war, erwies sich damit als widerlegt.
SMS-Tan war unzweifelhaft eingegeben worden
Die Bank hat unbestritten vorgetragen, dass aufgrund der manuellen Eingabe einer an die Mobilfunknummer der Klägerin versandten SMS-Tan ein Fremdzugriff technisch ausgeschlossen ist. Es wurde ein neues Gerät im Online-Banking der Klägerin als Freigabeinstrument im Rahmen des 2-Faktor-Authentifizierungsverfahrens hinterlegt. Hierzu war – technisch zwingend – die Eingabe der SMS-Tan erforderlich. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Klägerin durch Preisgabe der SMS-Tan Dritten eine Registrierung eines Geräts ermöglicht hat, wobei die Preisgabe persönlicher Sicherheitsmerkmale an Dritte gemäß den vertraglichen Bestimmungen untersagt war.
Verhalten der Klägerin war grob fahrlässig
Das Verhalten der Klägerin bewertet das Gericht als grob fahrlässig. Es ist eine Sache, wenn man seine Kreditkartendaten offenbart. Diese werden bei jeder Verwendung offenbart und können auch von der Karte abgelesen werden.
Die Weitergabe eines im Rahmen einer Zwei-Faktor-Autorisierung erhaltenden Zugangscodes kann nicht damit gleichgesetzt werden. Mit dieser Weitergabe hilft der Nutzer, die Sicherheitsarchitektur grundlegend auszuhebeln. Es muss jedem verständigen Nutzer solcher Kreditkarten klar sein, welches Risiko er mit der Weitergabe derartiger Daten schafft. Die Klägerin mag dies nicht bewusst getan haben und es mag auch nicht erinnerlich sein. Indessen lässt sich der Vorgang plausibel nicht anders erklären.
Quelle | AG München, Urteil vom 8.1.2025, 271 C 16677/24, PM 14/25
| Nach den Vorgaben des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes (FKAustG) werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates automatisch ausgetauscht. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun die Staatenaustauschliste 2025 bekanntgegeben. Enthalten sind die Staaten, mit denen der automatische Datenaustausch zum 30.9.2025 erfolgt. Weitere Informationen zum Informationsaustausch erhalten Sie u. a. auf der Website des Bundeszentralamts für Steuern (abrufbar unter www.iww.de/s2991). |
Quelle | BMF-Schreiben vom 3.6.2025, IV D 3 - S1315/00304/070/025
| Die Vermietung von Zimmerkontingenten an eine Kommune zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter überschreitet nicht den Nutzungszweck eines zum Hotelbetrieb gepachteten Gebäudes. Dies gilt jedenfalls, solange hiermit keine übermäßige Abnutzung oder sonstige Beeinträchtigung für den Verpächter verbunden ist, die über die übliche Nutzung durch Hotelgäste hinausgeht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die auf Räumung und Herausgabe des Hotels gerichtete Klage der Verpächterin abgewiesen. |
War die Unterbringung Geflüchteter vertragswidrig?
Die Klägerin schloss 2016 mit der Beklagten einen Vertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb des „Hotel F.“ in Gießen. Die Sache durfte vertraglich nur zum vereinbarten Nutzungszweck gebraucht werden. Seit Herbst 2022 buchte das Jugendamt der Stadt Gießen regelmäßig Zimmer für in seiner Obhut stehende Jugendliche. Nach Abmahnung kündigte die Klägerin 2023 fristlos. Sie hält die Unterbringung unbegleiteter Jugendlicher für vertragswidrig. Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt.
In der Berufung wies das OLG die Klage ab. Der Vertrag zwischen den Parteien sei nicht wirksam fristlos gekündigt worden. Die Beklagte habe nicht die Rechte der Klägerin durch eine unbefugte Überlassung an Dritte in erheblichem Maße verletzt. Dem Betrieb eines Hotels sei es immanent, dass es zu Beherbungsverträgen mit Dritten komme. Davon umfasst sei auch, dass bei der Buchung von Zimmerkontingenten durch Firmen o. Ä. ein ganzes Hotel faktisch durch denselben Mieter belegt werde. Der Abschluss von zeitlich begrenzten und auf bestimmte Zimmer bezogenen Beherbungsverträgen mit der Stadt Gießen sei folglich nicht unbefugt gewesen. Die Grenze zur unzulässigen Gebrauchsüberlassung wäre nur überschritten, wenn die Stadt das gesamte Gebäude übernommen und zu einem Flüchtlingsheim umgebaut hätte.
Keine Gefährdung der Mietsache, keine Pflichtverletzung
Eine zur Kündigung berechtigende Gefährdung der Mietsache durch unbegleitete minderjährige Geflüchtete sei nicht erkennbar. Es liege keine Pflichtverletzung wegen Überschreitung des Vertragszwecks vor, die zur Kündigung berechtigte. Die zeitweilige Vermietung zum o. g. Zweck überschreite nicht den Vertragszweck. Die vertraglich vereinbarte Nutzungsart als Hotel sei durch das Angebot von individueller Unterkunft, Service, Verpflegung und Nebenleistungen gekennzeichnet. Aufenthaltsdauer, -zweck und Motive für die Anmietung der Zimmer stellten keine entscheidenden Kriterien für die Bewertung als Hotelbetrieb dar. Es bestehe kein Anspruch darauf, „dass die Vermietung nur an einen bestimmten Personenkreis erfolgen darf, solange keine Beeinträchtigungen der Räumlichkeiten vorliegen bzw. zu befürchten sind“, unterstrich das OLG und es sei auch nicht vorgetragen, dass „Geflüchtete die Zimmer intensiver und nachlässiger nutzten als dies bei einer „normalen“ Vermietung an Hotelgäste der Fall wäre“.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.2.2025, 2 U 63/24, PM 21/25
| Das Landgericht (LG) Hanau hat entschieden: Die Anforderung von Belegkopien der Betriebskostenabrechnung ist kein wirksames Einsichtnahmeersuchen, wenn die Einsicht beim Vermieter zumutbar ist. Hierfür kommt es auf die Entfernung zur Mietwohnung an und nicht auf den Ort, an den der Mieter nach Mietende verzogen ist. |
Muss Mieter Belege einsehen oder muss Vermieter sie zuschicken?
Nach Mietvertragsende verlangte der Mieter die geleistete Kaution zurück. Die dann noch erstellte Betriebskostenabrechnung wies eine Nachforderung auf, die der Vermieter mit der Kaution verrechnete. Der inzwischen über 120 km weit weggezogene Mieter widersprach der Abrechnung, forderte die Übersendung von Belegkopien, um die Abrechnung zu prüfen, und klagte auf Rückzahlung der gesamten Kaution. Er bringt vor, keine Kopien erhalten zu haben, zumal der Vermieter für eine Einsichtnahme bei diesem nun zu weit entfernt sei.
So sahen es die Gerichte
Das Amtsgericht (AG) hat die Klage in Höhe der verrechneten Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das LG entschied, dass die Einwände gegen die Abrechnung zu unkonkret waren, weil der Mieter die Belege nicht geprüft hat. Der Vermieter habe die Belegeinsicht auch nicht verweigert, weil der Mieter unzulässigerweise die Übersendung von Kopien verlangte. Da die Belegprüfung grundsätzlich beim Vermieter erfolgen muss, lag schon kein wirksames Einsichtnahmeersuchen vor.
Kein Ausnahmefall
Der Mieter könne auch nicht ausnahmsweise die Zusendung von Kopien fordern. Das sei zwar möglich, wenn der Vermieter zu weit entfernt ansässig ist. Hierfür komme es jedoch auf die Entfernung der Mietsache zu diesem an, wobei eine Anreise von Hanau nach Frankfurt zumutbar sei. Dass der Mieter nun über 120 km entfernt wohnt, liege hingegen in seinem Risikobereich und führe nicht zu einem Recht auf Übersendung von Kopien.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | LG Hanau, Beschluss vom 24.3.2025, 2 S 43/24, PM vom 8.5.2025
| Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg bestätigte die Vorinstanz: Der kulturelle und familiäre Wert einer Sammlung aus Gemälden und historischen Gegenständen ist höher zu setzen als das Interesse einzelner Familienmitglieder an der Verwertung der Gegenstände. Letzteres hatte ein Teil der Familie aufgrund interner Differenzen verlangt. |
Das war geschehen
Die Nachfahren einer Nürnberger Patrizierfamilie stritten in einem Zivilprozess um den Erhalt ihrer Familiensammlung – einer Sammlung von Gemälden und historischen Gegenständen, die über Jahrzehnte als ungeteiltes Familienvermögen innerhalb der Familie über die Erbfolge weitergegeben wurde. Ein Teil der Familie begehrte den Pfandverkauf der historischen Sammlungsgegenstände, die teils in privater Nutzung sind, teils im Germanischen Nationalmuseum verwahrt werden, um die Erben- und Bruchteilsgemeinschaft auseinanderzusetzen. Die beklagten Familienmitglieder widersetzten sich dem und beriefen sich auf ein in einem Familienvertrag aus dem Jahr 1936 festgelegtes immerwährendes Teilungsverbot für das verfahrensgegenständliche Familienvermögen. Die Kläger verwiesen auf eine spätere Aufhebung sowie Nichtigkeit dieses Familienvertrags, denn dessen Regelungen sahen unter anderem die Weitergabe der Familiensammlung nur an männliche Nachkommen vor.
So sah es die erste Instanz
Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth hatte in erster Instanz die Klage abgewiesen. Es sah die Aufhebung des Familienvertrags nicht durch die vorhandenen Protokolle der Familienversammlungen belegt und erachtete das von der Familie im Jahr 1936 in Bezug auf die Familiensammlung vereinbarte dauerhafte Teilungsverbot als wirksam und fortbestehend an. Die Klagepartei habe auch keine Umstände vorgebracht, die als wichtiger Grund eine Aufhebung der Gemeinschaft rechtfertigen könne. Die im Verfahren vorgetragenen innerfamiliären Differenzen reichten hierfür nicht aus.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Hiergegen legte ein Familienmitglied der unterlegenen Klageseite Berufung zum OLG ein. Dieses hat das Ersturteil bestätigt und die zur Begründung des Aufhebungsanspruchs vorgebrachten Gründe und Einwendungen der Berufung für nicht durchgreifend erachtet. Wie das Erstgericht bewerte der Senat die erbrechtliche Regelung im Familienvertrag zum Ausschluss der weiblichen Nachkommen als nichtig, was aber die Wirksamkeit des dauerhaften Teilungsverbots nicht berühre. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kam das OLG zu dem Ergebnis, dass das beklagtenseits eingewandte familiäre als auch öffentliche Interesse am Erhalt der Gesamtheit der Sammlung als Kulturgut dem klägerischen Interesse an einer Aufhebung der Gemeinschaft und an einer damit verbundenen Zerschlagung der Sammlung überwiege.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 28.2.2025, 1 U 2451/23 Erb, PM 12/25
| Bauarbeiter, die auf Baustellen einfache Arbeiten verrichten, einen festen Stundenlohn erhalten und am Markt nicht erkennbar unternehmerisch auftreten, sind regelmäßig abhängig Beschäftigte, für die die Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen. Dies entschied in drei Urteilen das Hessische Landessozialgericht (LSG). |
Baufirmen müssenSozialversicherungsbeiträge nachzahlen
Die Deutsche Rentenversicherung entschied in mehreren Fällen, dass Bauarbeiter abhängig beschäftigt sind. In zwei Fällen forderte sie nach entsprechenden Betriebsprüfungen von den im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge in fünfstelliger Höhe. In einem weiteren Verfahren hatte sie zunächst über den Antrag auf Statusfeststellung zu entscheiden.
Weder schriftliche Verträge noch eigene Werkzeuge
In diesen Fällen hatten angeblich selbstständige Werkunternehmer auf Baustellen der jeweils klagenden Baufirma gearbeitet. Bei diesen Bauarbeitern handelte es sich um ausländische Staatsangehörige mit allenfalls geringen Deutschkenntnissen. Sie erledigten Abbrucharbeiten, Maurertätigkeiten und Pflasterarbeiten, sanierten Bäder oder arbeiteten im Trockenbau. Schriftliche Verträge oder Auftragsbestätigungen gab es nicht. Die Abrechnungen erfolgten auf Basis der aufgeschriebenen Stunden bei einem Stundenlohn zwischen 10 und 15 Euro. Die Materialien und Werkzeuge wurden bis auf Kleinwerkzeuge von den jeweiligen Baufirmen gestellt.
Scheinselbstständige statt Werkunternehmer
Das LSG folgte der Einschätzung der Rentenversicherung. In allen drei Verfahren liege Scheinselbständigkeit vor.
Bei einfachen, typischen Arbeitnehmerverrichtungen, die der Beschäftigte im Wesentlichen ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübe, spreche die Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis. Die betroffenen Bauarbeiter seien jeweils in den Betrieb der klagenden Baufirma eingegliedert gewesen und hätten einfache Bauarbeiten getätigt, wie sie typischerweise abhängig Beschäftigte verrichteten.
Kein unternehmerisches Auftreten
Werkvertragstypische Vereinbarungen einer unternehmerischen Leistung hätten nicht festgestellt werden können. Zudem seien die angeblichen „Werkunternehmer“ schon aufgrund ihrer geringen Deutschkenntnisse zu einem unternehmerischen Auftreten am Markt nicht in der Lage gewesen.
Zwischen den Baufirmen und den Bauarbeitern getroffene Vereinbarungen über eine (angeblich) selbstständige Tätigkeit seien nicht relevant und könnten die gesetzlich angeordnete Sozialversicherungspflicht nicht ausschließen.
Quelle | Hessisches LSG, Urteil vom 3.4.2025, L 8 BA 4/22, L 8 BA 62/22 und L 8 BA 64/21, PM vom 3.4.2025
| Wandhängende WCs und Handtuchheizkörper in Standardausführung sowie Balkone in der Größe von vier qm sind in Milieuschutzgebieten genehmigungsfähig, weil sie der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dienen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden. |
Bauliche Änderungen nicht ohne Genehmigung
Die Klägerinnen sind jeweils Eigentümerinnen von Wohngebäuden in Milieuschutzgebieten in Berlin-Mitte. Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen soziale Erhaltungsverordnungen (umgangssprachlich Milieuschutzverordnungen) gelten. Sie sollen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im jeweiligen Gebiet schützen. Bauliche Änderungen bedürfen in Milieuschutzgebieten grundsätzlich einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Den Erlass von Milieuschutzverordnungen erlaubt ein Bundesgesetz, nämlich das Baugesetzbuch. In Berlin sind dafür die Bezirke zuständig. Aktuell gelten in Berlin über 40 Milieuschutzverordnungen.
Eine Klägerin möchte im Badezimmer einer Wohnung ein Stand-WC durch ein wandhängendes WC ersetzen sowie einen Handtuchheizkörper einbauen. Eine weitere Klägerin begehrt den Anbau von dreizehn Balkonen in der Größe von jeweils vier qm an die Wohnungen ihres Mehrfamilienhauses. Die Maßnahmen stellen nach Ansicht der Klägerinnen einen zeitgemäßen Ausstattungszustand ihrer Wohnungen dar. Das Bezirksamt versagte den Klägerinnen die erhaltungsrechtlichen Genehmigungen. Die Vorhaben gingen über einen zeitgemäßen Ausstattungszustand hinaus und seien als wohnwerterhöhende bauliche Änderungen im Milieuschutzgebiet nicht zulässig.
Genehmigungen sind zu erteilen
Das VG gab den dagegen erhobenen Klagen statt und verpflichtete das Bezirksamt, die Genehmigungen zu erteilen. Der Gesetzgeber habe im Baugesetzbuch geregelt, dass eine erhaltungsrechtliche Genehmigung zu erteilen sei, wenn die bauliche Maßnahme der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen diene.
Mittlerer Standard nicht wohnwerterhöhend
Der Gesetzgeber habe den Genehmigungsanspruch auch nicht auf bauliche Maßnahmen beschränkt, die der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dienten. Vielmehr habe er zugelassen, dass darüber hinaus auch in Milieuschutzgebieten eine behutsame Anhebung des Ausstattungszustands auf den Standard mittlerer Wohnverhältnisse erfolgen könne. Daran sei ein bundeseinheitlicher Maßstab anzulegen. Bei wandhängenden WCs und Handtuchheizkörpern in einer Standardausführung sowie bei vier qm großen Balkonen werde dieser Standard nicht überschritten. Dafür sprächen unter anderem die Verbreitung dieser Ausstattungsmerkmale bundesweit sowie der Umstand, dass die Mietspiegel der größeren deutschen Städte sie überwiegend nicht als wohnwerterhöhend einstuften.
Quelle | VG Berlin, Urteile vom 2.4.2025, VG 19 K 17/22 und VG 19 K 351/23, PM 24/25
| Trotz erfolgreich absolviertem ersten juristischen Staatsexamen hat ein Antragsteller, der erwiesenermaßen die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft, keinen Anspruch darauf, den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) zu durchlaufen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz. |
Fehlende Verfassungstreue
Der Antragsteller wollte nach erfolgreichem Jurastudium als Rechtsreferendar in den juristischen Vorbereitungsdienst eintreten. Dies lehnte das Oberlandesgericht (OLG) wegen fehlender Verfassungstreue des Antragstellers ab. Dieser suchte daraufhin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um gerichtlichen Rechtsschutz mit dem Ziel nach, ihn im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses einzustellen.
Eindeutige Publikationen
Der Antrag blieb ohne Erfolg. Dem Antragsteller, so das VG, fehle der notwendige sog. Anordnungsanspruch. Aus den einschlägigen Vorschriften des Landesgesetzes über die juristische Ausbildung sowie des Landesbeamtengesetzes folge, dass die juristische Ausbildung am Leitbild einer dem Rechtsstaat verpflichteten Person zu orientieren sei. Rechtsreferendare müssten sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Der Antragsteller werde dem nicht gerecht, wie von ihm verfasste und publizierte Texte belegten.
In einem von ihm geschriebenen Roman würden beispielsweise schwarze Menschen durch die Verwendung menschenverachtender Bezeichnungen pauschal herabgewürdigt. Es werde hierin behauptet, ein – namentlich genannter – österreichischer Fußballspieler, der dunkelhäutig sei, könne kein Deutscher oder Österreicher sein. In einem anderen Text attestierte er dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Demontage des Volksbegriffs. Der von dem Antragsteller vertretene Volksbegriff mit der Forderung nach einer „positiven Erneuerung Deutschlands“ könne nur als Forderung nach einer Umkehrung eines vermeintlichen „Bevölkerungsaustauschs“ verstanden werden. Zudem sei der Antragsteller Mitglied bei der „Jungen Alternative für Deutschland“ und dem Verein „Ein Prozent e. V.“ gewesen. Er habe in beiden Organisationen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Frühjahr 2023 als gesichert rechtsextremistisch einstufe, zumindest zeitweise herausgehobene Funktionen übernommen.
Die Entscheidung ist bestandskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 9.5.2025, 5 L 416/25.KO, PM 14/25
| Eine Tätowierung ist heute typischer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Während sichtbare Tattoos im Arbeitsleben immer normaler werden, stellt sich damit aber zunehmend die Frage, wer eigentlich das finanzielle Risiko trägt, wenn beim Stechen des Tattoos nicht alles glatt verläuft. Dazu liegt nun eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vor: Wer sich tätowieren lässt, erhält bei Komplikationen keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das LAG bestätigt damit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Flensburg. |
Pflegekraft ließ sich tätowieren
Die als Pflegehilfskraft beschäftigte Klägerin ließ sich am Unterarm tätowieren. In der Folge entzündete sich die tätowierte Stelle. Die Klägerin wurde daraufhin für mehrere Tage krankgeschrieben. Die beklagte Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum ab.
Die Klägerin führte vor Gericht aus, dass sie ja nicht Entgeltfortzahlung für den Tätowierungsvorgang geltend mache, sondern für eine davon zu trennende zeitlich nachfolgende Entzündung der Haut. Ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen. Es habe sich ein sehr geringes Risiko verwirklicht, das nur bei ein bis fünf Prozent der Fälle von Tätowierungen auftrete. Tätowierungen seien als Teil der privaten Lebensführung geschützt und mittlerweile weit verbreitet.
Die Arbeitgeberin entgegnete, die Klägerin habe bei der Tätowierung in eine Körperverletzung eingewilligt. Das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre deshalb nicht zum normalen Krankheitsrisiko und könne dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden.
Arbeitsunfähigkeit verschuldet
Das LAG ist der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Diese war zwar arbeitsunfähig krank. Sie hat die Arbeitsunfähigkeit aber verschuldet. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz handelt ein Arbeitnehmer immer schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt.
Die Klägerin musste bei der Tätowierung damit rechnen, dass sich ihr Unterarm entzündet. Dieses Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen ihr eigenes Gesundheitsinteresse dar. Sie hat selbst vorgetragen, in bis zu 5 % der Fälle komme es nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut. Dies ist keine völlig fernliegende Komplikation. Bei Medikamenten wird eine Nebenwirkung als „häufig“ angegeben, wenn diese in mehr als einem, aber weniger als zehn Prozent der Fälle auftritt. Zudem ist die Komplikation in der Hautverletzung durch die Tätowierung selbst angelegt.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.5.2025, 5 Sa 284 a/24, PM vom 2.7.2025
| Wenn ein Arbeitnehmer sich beim Kaffeetrinken verschluckt und infolgedessen stürzt, kann das im Einzelfall einen Arbeitsunfall darstellen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden. |
Nasenbeinbruch während morgendlicher Besprechung
Der Kläger war als Vorarbeiter auf einer Baustellebeschäftigt. Beim Kaffeetrinken während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer verschluckte er sich, ging hustend zur Tür, um sich draußen auszuhusten, verlor kurz das Bewusstsein und stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter. Dabei brach er sich das Nasenbein.
Berufsgenossenschaft und Sozialgericht: kein Arbeitsunfall
Das sei kein Arbeitsunfall, befand die zuständige Berufsgenossenschaft, denn das Kaffeetrinken habe keinen betrieblichen Zwecken gedient. Es sei vielmehr dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen. So sah es auch das Sozialgericht (SG), das in erster Instanz über den Fall entschieden hatte.
Landessozialgericht: auch Nahrungsaufnahme geschützt
Zu Unrecht, befand nun das LSG. Zwar erstrecke sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit damit ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird. Im vorliegenden Fall sei das Kaffeetrinken aber nicht auf das Grundbedürfnis des Durstlöschens gerichtet gewesen, sondern habe (auch) betrieblichen Zwecken gedient. Der gemeinsame Kaffeegenuss während der verpflichtend vorgeschriebenen Besprechung habe eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft bewirkt.
Arbeitgeber stellte den Kaffee zur Verfügung
Zudem habe der Kaffee für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesorgt. Das sei auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, der sich teilweise selbst um das Auffüllen der Kaffeevorräte gekümmert habe. Deshalb sei der Fall auch anders zu beurteilen, als wenn sich ein Arbeitnehmer z. B. in der Frühstückspause an einem Kaffee verschluckt, den er selbst in der Thermoskanne mitgebracht hat.
Quelle | LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.5.2025, L 6 U 45/23, PM 2/25
| Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Hostprovider – hier Meta – muss nach einem Hinweis auf einen rechtsverletzenden Post auf der Social-Media-Plattform Facebook auch ohne weitere Hinweise sinngleiche Inhalte sperren. Sinngleich sind etwa Beiträge mit identischem Text und Bild, aber abweichender Gestaltung (Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung), bloßer Änderung typografischer Zeichen oder Hinzufügung von Elementen, etwa sog. Captions, die den Aussagegehalt nicht verändern. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Arzt und bewarb in der Vergangenheit u. a. die sog. „Hirschhausen Diät“. Der Kläger wies die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach auf sog. Fake-Werbe-Videos hin, in denen er vermeintlich u. a. für Abnehmmittel werbe.
Gegenstand dieses Eilverfahrens sind zwei weitere solcher Deep-Fake Videos: Nutzer haben zum einen ein Video unter Verwendung eines Ausschnitts aus der Sendung von Markus Lanz hergestellt, in denen der Name, das Bildnis und die Stimme des Klägers verwendet werden und in dem dieser vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme wirbt. Dieses Video entfernte die Beklagte zeitnah nach Abmahnung durch den Kläger. In einem nachfolgend erschienenen, nahezu inhaltsgleichen weiteren Deep-Fake Video warb der Kläger ebenfalls vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme. Dieses Video entfernte die Beklagte ebenfalls – erst – nach entsprechendem Hinweis durch den Kläger. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassen der Verbreitung dieser beiden Videos in Anspruch. Das Landgericht (LG) hat den Antrag zurückgewiesen.
So sah es das Oberlandesgericht
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hatte teilweise Erfolg. Hinsichtlich des ersten Videos bestehe kein Unterlassungsanspruch, entschied das OLG. Die Beklagte sei als Hostproviderin grundsätzlich nicht verpflichtet, von den Nutzern ins Netz gestellte Beiträge vor ihrer Veröffentlichung auf etwaige Rechtsverletzungen hin zu prüfen. Ihre Haftung setze die Verletzung von Prüf- und Verhaltenspflichten voraus. Vor der Abmahnung des Klägers betreffend das erste Video sei die Beklagte nicht zur Löschung verpflichtet gewesen. Eine Löschpflicht habe sich insbesondere nicht aus den vorausgegangenen Hinweisen des Klägers auf andere, nicht sinngleiche sog. Fake-Werbungen ergeben. Grundsätzlich lösten derartige Hinweise nur Prüfpflichten hinsichtlich „sinngleicher Inhalte“ aus. Darunter fielen Inhalte, die in Bild und Text identisch, aber bei gleichbleibendem Gesamteindruck etwa abweichend gestaltet seien. Dies könne sich etwa auf die Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung mit Rahmen oder Zufügung sog. Caption beziehen. Die vorausgegangenen Hinweise des Klägers hätten sich hier jedoch auf in Bild und Text abweichende Inhalte bezogen.
Prüfplicht des Providers bestand
Hinsichtlich des zweiten Videos habe die Beklagte dagegen schon aufgrund der Abmahnung des Klägers hinsichtlich des ersten Videos eine Prüfpflicht getroffen. Es habe keiner weiteren Abmahnung bedurft. Das zweite Video unterscheide sich allenfalls marginal vom ersten. Nach dem Eindruck des OLG wirkten die Videos – bei voneinander abweichender Überschrift – nahezu identisch. Es lägen damit sinngleiche Inhalte vor. Da die Beklagte das zweite Video nicht bereits ohne weitere Abmahnung gesperrt habe, habe sie gegen ihre Prüfpflichten verstoßen. Im Ergebnis bestehe daher ein Unterlassungsanspruch.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nich tanfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.3.2025, 16 W 10/25, PM 14/25
| Zahlreiche Betriebsprüfungen zeigen, dass die Kassenführung oft beanstandet wird. Das Problem dabei: Ist die Kassenführung nicht ordnungsmäßig, drohen erhebliche Hinzuschätzungen. So war es auch in einem Fall, der vom Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein zu entscheiden war. |
Im Streitfall hatte bei einem bargeldintensiven Imbiss mit Sitzgelegenheiten eine Betriebsprüfung stattgefunden. Der Betreiberin, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte, wurden dabei zahlreiche Mängel in der Kassenführung vorgeworfen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem FG blieb erfolglos.
Beachten Sie | Allerdings ist inzwischen die Revision anhängig, in der insbesondere diese interessanten Fragen zu klären sind:
- Ist bei bestehenden Zweifeln im Hinblick auf den Programmierzustand und das Vorhandensein von Manipulationsspuren an der Registrierkasse vom FG ein Sachverständigengutachten einzuholen?
- Rechtfertigen fehlende Programmierprotokolle für die verwendete Kasse eine Schätzung dem Grunde nach?
- Ergibt sich aus einer angeblichen Abweichung von der Richtsatzsammlung eine Schätzungsbefugnis?
Quelle | FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.8.2023, 3 K 25/22, Rev. BFH, X R 27/24
| Hat eine Gesellschaft ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr, ist für die Berechnung der Steuerermäßigung gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 EStG) nicht auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums abzustellen, sondern auf das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahrs. Für die Aufteilung des Steuerermäßigungsbetrags sind der Gewerbesteuer-Messbetrag und die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des Wirtschaftsjahrs an der Gesellschaft beteiligt waren. So lautet ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Hintergrund: Unter den Voraussetzungen des § 35 EStG wirddie Gewerbesteuerbelastung kompensiert, indem die tarifliche Einkommensteuer um das Vierfache des festgesetzten Steuermessbetrags gemindert wird.
Quelle | BFH, Urteil vom 10.4.2025, IV R 21/22
| Mit Wirkung ab 1.6.2025 wurden die Gebühren für Eintragungen im Handelsregister um 50 Prozent erhöht. Demzufolge werden auch Unternehmensgründungen teurer. |
In der Begründung der Verordnung wird hierzu u. a. ausgeführt: „Die daraus insgesamt resultierenden Gebühreneinnahmen sollen dazu dienen, den Aufwand der Länder für den Betrieb der Registergerichte weitgehend zu decken, damit die Gerichte den Anforderungen an eine moderne, effiziente und sichere Registerführung auch künftig gerecht werden können.“
Quelle | Dritte Verordnung zur Änderung der Handelsregistergebührenverordnung, BGBl I 2025, Nr. 127
| Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft wird nur bereit sein, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung einer Eigentumswohnung zu (privaten) Wohnzwecken (also im privaten Interesse) eines Gesellschafters zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe erstattet werden und sie zudem einen angemessenen Gewinnaufschlag erhält. Vor diesem Hintergrund hat es das Finanzgericht (FG) Niedersachsen im Streitfall als rechtmäßig beurteilt, dass das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) angesetzt hat. |
Zum Hintergrund: Bei einer vGA handelt es sich – vereinfacht – um Vermögensvorteile, die dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gewährt werden. Eine vGA darf den Gewinn der Gesellschaft nicht mindern.
Im Anschluss an ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahr 2016 führte das FG weiter aus: Eine Vermietung zu marktüblichen, aber nicht kostendeckenden Bedingungen würde ein gewissenhafter Geschäftsführer (ausnahmsweise) in Betracht ziehen, wenn er bezogen auf den jeweils zu beurteilenden Veranlagungszeitraum bereits von der Erzielbarkeit einer angemessenen Rendite ausgehen kann.
Beachten Sie | Die danach für den Fremdvergleich maßgebliche Kostenmiete ist auch dann als Maßstab heranzuziehen, wenn der Gegenstand des Unternehmens der Kapitalgesellschaft auch neben der an die Gesellschafterin vermieteten Wohnung in der Vermietung von Immobilien besteht.
Gegen das Urteil ist die Revision anhängig. Gleichwohl sollte in vergleichbaren Fällen eine vGA bedacht werden. Es empfiehlt sich, Mietverträge zu prüfen und ggf. anzupassen.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 15.8.2024, 10 K 255/21, Rev. BFH, I R 21/24
| Ein Freiwilliger Wehrdienst kann bei einem volljährigen Kind für sich genommen keinen Kindergeldanspruch begründen. Gleichwohl kann während der Zeit des Wehrdienstes ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, wenn das Kind einen der gesetzlichen Berücksichtigungstatbestände erfüllt, also z. B. während des Wehrdienstes für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dabei ist es unschädlich, wenn das Kind nach Abschluss der Grundausbildung im Rahmen des Freiwilligen Wehrdienstes Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad ausübt. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Das war geschehen
Der Sohn absolvierte nach seinem Abitur einen zehn Monate dauernden Freiwilligen Wehrdienst. Die Familienkasse bewilligte dem Vater für die Übergangszeit zwischen Abitur und Grundausbildung sowie für die Zeit der Grundausbildung Kindergeld. Nach der Grundausbildung verrichtete der Sohn Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad, eine weitere Ausbildung bei der Bundeswehr fand nicht statt. Nach dem Ende des Wehrdienstes studierte er an einer zivilen Hochschule. Den Entschluss dazu hatte er während des Wehrdienstes gefasst.
Die Familienkasse versagte für die Zeit nach Beendigung der Grundausbildung bis zum Beginn des Studiums die Festsetzung von Kindergeld. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Vater Klage vor dem Finanzgericht (FG) Bremen. Da das FG die Revision zugelassen hatte und diese auch eingelegt wurde, musste nun der BFH entscheiden.
Beachten Sie | Der Freiwillige Wehrdienst gehört – anders als ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr – nicht zu den im Einkommensteuergesetz (hier: § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG) genannten Berücksichtigungstatbeständen, die schon für sich genommen einen Kindergeldanspruch begründen können.
Bundesfinanzhof: Kindergeldanspruch bestand
Dennoch entschied der BFH, dass auch nach dem Ende der Grundausbildung und trotz einer Erwerbstätigkeit des Kindes als Soldat mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden ein Kindergeldanspruch bestehen kann, wenn das Kind (wie im Streitfall) eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.
Beachten Sie | Die drei Monate dauernde Grundausbildung war zwar Teil einer Ausbildung zum Offizier oder Unteroffizier. Ihre Beendigung führte jedoch nicht zu einem für den weiteren Kindergeldbezug ggf. schädlichen Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung (i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG).
Es kam auf den Zeitpunkt des Entschlusses an
Für einen Monat wies der BFH die Revision jedoch zurück, weil sich der Entschluss des Sohnes, sich um einen Studienplatz zu bemühen, erst im Folgemonat objektiviert hatte. Der bloße Vortrag des Kindergeldberechtigten und des Kindes, der Entschluss zu einer Ausbildung oder zu einem Studium sei früher gefasst worden, ist für die Begründung des Anspruchs nicht ausreichend.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.2.2025, III R 43/22, PM 28/2025 vom 2.5.2025
| Ab Mai 2025 setzen vier Pilotfinanzämter (Brühl, Bielefeld-Außenstadt, Hamm und Lübbecke) des Landes Nordrhein-Westfalen erstmals ein KI-Modul zur Unterstützung der Steuerveranlagung ein. Das Ziel: Steuererklärungen sollen effizienter, schneller und treffsicherer bearbeitet werden.
Das neue KI-Modul ergänzt das bewährte Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung. Es erkennt Muster in den Steuerdaten und kann gut nachvollziehbare Fälle mit geringem Prüfbedarf gezielt identifizieren. Diese werden automatisiert verarbeitet – und damit schneller abgeschlossen.
Gestartet wird mit Arbeitnehmerfällen (also Steuererklärungen mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalerträgen, Vorsorgeaufwendungen, Sonderausgaben, haushaltsnahen Dienstleistungen und ähnlichen Bereichen). Die Ausweitung auf weitere Fallkonstellationen ist bereits in Planung.
Nordrhein-Westfalen übernimmt die Vorreiterrolle. Nach erfolgreichem Testlauf ist die landesweite Einführung geplant.
Quelle | FinMin NRW, Mitteilung vom 22.4.2025
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der auf Dienstreisen seinen privaten Pkw einsetzt, die tatsächlichen Kosten für jeden gefahrenen Kilometer auch dann ansetzen kann (im Streitfall: 2,28 Euro/km für einen Sportwagen), wenn er von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt bekommt, den er grundsätzlich für dienstliche und private Fahrten nutzen kann. |
Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall jedoch den Nachweis erbringen, dass er das Privatfahrzeug tatsächlich beruflich eingesetzt hat. Eine Angemessenheitsprüfung dem Grunde nach (hier: berufliche Nutzung eines privaten Fahrzeugs durch einen Arbeitnehmer, dem von seinem Arbeitgeber ein Geschäftsfahrzeug überlassen wurde) findet nicht statt.
Beachten Sie | Das Finanzamt will diese Entscheidung aber nicht akzeptieren und hat Revision eingelegt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.9.2024, 9 K 183/23, Rev. BFH: VI R 30/24
| Kinderbetreuungskosten sind als Sonderausgaben abzugsfähig. Bei Aufwendungen für Unterricht, für die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen ist ein Sonderausgabenabzug allerdings gesetzlich ausgeschlossen. Mit dem Abzugsverbot hat sich nun der Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt. |
Hintergrund: Kinderbetreuungskosten können nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) als Sonderausgaben steuerlich absetzbar sein. Folgende Aspekte sind hier zu beachten:
- Abzug von 80 % der Betreuungsleistungen, maximal 4.800 Euro pro Jahr.
- Der Abzug ist zulässig für haushaltszugehörige Kinder unter 14 Jahren (oder aufgrund Behinderung, Eintritt vor dem 25. Lebensjahr, Übergangsregel 27. Lebensjahr).
- Grundsätzlicherforderlich: Rechnung und Überweisung.
- Nichtabziehbar: Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen.
Betreuungscharakter muss im Vordergrund stehen
Nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen vor, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbstständigten Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichts- oder Kurszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen (sprachlichen, musischen, sportlichen) Fähigkeiten in den Hintergrund rückt.
Nicht begünstigteAufwendungen
Entsprechendes gilt für sportliche und andere Freizeitbetätigungen. Nicht begünstigte Aufwendungen für derartige Aktivitäten liegen daher vor, wenn
- die Betätigung organisatorisch, zeitlich und räumlich getrennt von einer Kindertagesstätte, einem Schulhort oder einer ähnlichen Einrichtung stattfindet und
- dabei nicht die altersbedingt erforderliche Betreuung des Kindes, sondern die Aktivität im Vordergrund steht.
Quelle | BFH, Urteil vom 23.1.2025, III R 33/24 (III R 50/17)
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen hat die Stadt Marburg dazu verpflichtet, einer Studentin einen Bewohnerparkausweis zu erteilen, die ein in Tschechien zugelassenes Fahrzeug nutzt. |
Kfz in Tschechien zugelassen
Die Klägerin wohnt in einem Bewohnerparkgebiet der Beklagten. Sie nutzt ein Kraftfahrzeug ihres Vaters, der tschechischer Staatsangehöriger ist und das Fahrzeug in Tschechien zugelassen hat. Im Frühjahr 2024 beantragte sie bei der Stadt Marburg, ihr einen Bewohnerparkausweises zu erteilen. Dies lehnte die Stadt mit der Begründung ab, dass sie Bewohnerparkausweise für Fahrzeuge mit ausländischer Zulassung nicht erteilen könne. Im Rahmen des Klageverfahrens argumentierte die Stadt weiter, dass eine ausländische Zulassung gegen eine dauerhafte Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin spreche, weil ein im Ausland zugelassenes Kraftfahrzeug nur vorübergehend am Verkehr in Deutschland teilnehmen dürfe.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG bejahte hingegen den Anspruch der Studentin auf einen Bewohnerparkausweis. Bei der Klägerin handele es sich um eine Anwohnerin, die das betroffene Fahrzeug nachweislich dauerhaft nutze.
Gegen eine dauerhafte Nutzung spreche insbesondere nicht, dass Kraftfahrzeuge mit ausländischer Zulassung nur vorübergehend am Straßenverkehr in Deutschland teilnehmen dürfen. Es sei bereits nicht klar, ob das von der Klägerin genutzte Fahrzeug diese Voraussetzungen erfülle. Die Klägerin gab nämlich an, dass sie das Fahrzeug während der Semesterferien nicht in Deutschland nutze. Diese Prüfung obliege der Zulassungsbehörde, die je nach Einzelfall eine Untersagung des Betriebs im öffentlichen Straßenverkehr ohne deutsche Zulassung aussprechen könne.
Die Versagung eines Bewohnerparkausweises für im Ausland zugelassene Fahrzeuge entspreche nicht dem Zweck der Vorschriften. Ein Bewohnerparkgebiet diene dem Anwohnerinteresse, in innerstädtischen Wohnstraßen eine Abstellmöglichkeit für ein (dauerhaft) genutztes Kraftfahrzeug zu finden.
Quelle | VG Gießen, Urteil vom 13.11.2024, 6 K 2830/24.GI, PM vom 19.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Ein zur Nichtigkeit der entsprechenden Vereinbarung führender Verstoß gegen den im Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 656 d BGB) geregelten Grundsatz der hälftigen Teilung des Maklerlohns liegt vor, wenn ein Makler allein für den Verkäufer einer Immobilie tätig geworden ist und der Käufer zur Zahlung des vollen Honorars an den Makler verpflichtet wird. |
Das war geschehen
Die Kläger erwarben ein mit einer Doppelhaushälfte bebautesGrundstück. Mit der Vermittlung des Verkaufs hatte die Verkäuferin das beklagte Maklerunternehmen beauftragt. Für die Vermittlung der Immobilie entstand zugunsten der Beklagten gegenüber der Verkäuferin ein Maklerlohnanspruch in Höhe von 25.000 Euro. Der im Exposé zunächst vorgesehene Kaufpreis wurde um einen Betrag in dieser Höhe reduziert. Zugleich verpflichteten sich die Kläger gegenüber der Beklagten zur Zahlung eines Honorars in gleicher Höhe, das sie nach notarieller Beurkundung des Kaufvertrags bezahlten. Eine Maklerlohnzahlung durch die Verkäuferin erfolgte nicht. Die Kläger verlangten die Rückzahlung des geleisteten Betrags.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: § 656 d BGB ist nicht nur auf Vereinbarungen der Parteien des Kaufvertrags über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus untereinander anwendbar, sondern erfasst jegliche Art einer vertraglichen Vereinbarung, durch die unmittelbar oder mittelbar ein Anspruch des Maklers auf Zahlung oder Erstattung von Maklerlohn gegenüber der Partei des Kaufvertrags begründet wird, die nicht Partei des Maklervertrags ist. Umfasst sind daher auch alle auf eine Verpflichtung zur Zahlung oder Erstattung des Maklerlohns gerichteten Vereinbarungen des Maklers mit der Partei des Kaufvertrags, die nicht Partei des Maklervertrags ist.
Der Anwendbarkeit des § 656 d BGB steht es deshalb auch nicht entgegen, dass die Verkäuferin der Immobilie von der Pflicht, den vereinbarten Maklerlohn zu entrichten, gegenüber der Beklagten nicht entbunden war. Da die Käufer im Innenverhältnis zur Verkäuferin verpflichtet waren, den Maklerlohn in voller Höhe zu bezahlen, blieb die Verkäuferin als die Partei, die den Maklervertrag abgeschlossen hat, nicht zur Zahlung des Maklerlohns mindestens in gleicher Höhe verpflichtet.
Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung
Der Verstoß gegen § 656 d BGB führt zur Gesamtnichtigkeit einer entsprechenden Vereinbarung. Die Kläger können von der Beklagten die Rückzahlung des Maklerlohns in voller Höhe verlangen.
Quelle | BGH, Urteil vom 6.3.2025, I ZR 138/24, PM 45/25
| Eine 77-jährige Frau, die über einer Supermarktfiliale wohnt, tätigte dort ihre Einkäufe bis zu einem Hausverbot Anfang des Jahres 2024 durch die Filialleitung. Sie behauptet, das Hausverbot sei nach einer Beschwerde ihrerseits ohne ersichtlichen Grund erteilt worden. Sie sei gesundheitlich stark eingeschränkt und nicht in der Lage, längere Strecken zurückzulegen und daher auf die Filiale angewiesen. Ohne ein Betreten des Supermarkts sei ihr eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verwehrt. Das Amtsgericht (AG) München wies ihre Klage ab. |
Wiederholtes Fehlverhalten
Die Filialleitung begründete das Hausverbot mit wiederholtem Fehlverhalten. Die Münchnerin habe Kunden beim Betreten des Markts von ihrer Wohnung aus beschimpft, habe das Geschäft regelmäßig ohne Einkaufsabsicht aufgesucht, Mitarbeiter in Gespräche verwickelt und diese von der Arbeit abgehalten. Sie habe sich zudem immer wieder an der Frischetheke des Markts Ware aufschneiden lassen und diese dann, anstatt zu kaufen, im Laden abgelegt.
Da der Supermarkt sich weigerte, das Hausverbot zurückzunehmen, verklagte sie den Betreiber vor dem AG auf Gewährung des Zutritts zum Supermarkt – ohne Erfolg.
Hausrecht deckt Hausverbot
Der Beklagte ist als Betreiber des Supermarkts aufgrund seines Hausrechts grundsätzlich berechtigt, Kunden selbst ohne sachlichen Grund ein Hausverbot zu erteilen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein Fehlverhalten der Klägerin vorlag.
Dem Betreiber einer Einrichtung, die erhebliche Bedeutung für das gesellschaftliche und kulturelle Leben hat, wird eine besondere rechtliche Verantwortung zugewiesen, die es ihm verbietet, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund auszuschließen. Entgegen der Auffassung der Klägerin entscheidet die Verweigerung des Zutritts für sie nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Ein Supermarkt dient der Daseinsvorsorge in Form von Einkäufen des täglichen Bedarfs, insbesondere an Lebensmitteln, nicht der sozialen Interaktion oder des kulturellen Austauschs.
Klägerin konnte auf konkurrierenden Supermarkt ausweichen
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Monopolstellung oder sonstige strukturelle Überlegenheit des Beklagten vorliegt, die dazu führt, dass bestimmte Personen nicht ohne sachlichen Grund ausgeschlossen werden könnten. Eine solche Monopolstellung des Markts des Beklagten für die tägliche Daseinsvorsorge ist im konkreten Fall nicht gegeben. Der Beklagte hat unbestritten ausgeführt, dass in fußläufiger Entfernung (ab 500 Metern) weitere Supermärkte vorhanden sind, die somit auch für betagtere Kunden problemlos zu erreichen sind.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 11.10.2024, 142 C 18533/24, PM 12/25
| Legt beim Gebrauchtwagenkauf der Verkäufer den Fahrzeugbrief vor, kann sich der Käufer normalerweise darauf verlassen, dass er es auch tatsächlich mit dem Eigentümer und nicht mit einem Betrüger zu tun hat. Dieses Vertrauen kann aber erschüttert sein, wenn die Umstände des Verkaufs trotzdem Verdacht erregen müssen. Dann muss der Käufer im Betrugsfall das Fahrzeug dem wahren Eigentümer zurückgeben und bleibt auf dem gezahlten Kaufpreis als Schaden sitzen. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal (Pfalz) entschieden. Es hat die Klage eines Autokäufers abgewiesen, der auf einen Betrüger hereingefallen war. |
Autokäufer war auf Betrüger hereingefallen
Der Käufer hatte den PKW von einem Betrüger für mehr als 35.000 Euro erworben. Kurze Zeit nach dem Kauf beschlagnahmte die Polizei das Fahrzeug und gab es dem ursprünglichen Eigentümer zurück. Dieser verkaufte es anschließend für knapp 49.000 Euro weiter.
Den Kaufpreis reklamierte der betrogene Käufer für sich. Er sei trotz des Betrugs Eigentümer des Fahrzeugs geworden. Er sei im Internet auf das Fahrzeug gestoßen und habe sich im Saarland zur Besichtigung verabredet. Auf dem Weg dorthin habe er die Mitteilung erhalten, dass das Kind des Verkäufers einen Treppensturz erlitten habe und in einem Krankenhaus in Frankreich liege. Dorthin sei er nun umgeleitet worden, wo der Kauf auf dem Parkplatz durch Barzahlung auch abgewickelt worden sei. Der Betrüger habe einen vermeintlich echten Fahrzeugbrief und einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt. Er habe deshalb daran glauben dürfen, dass das Fahrzeug diesem auch gehört habe.
Umstände des Kaufs waren dubios, Zweifel daher angebracht
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Der Käufer habe trotz Vorlage des scheinbar echten Fahrzeugbriefs grob fahrlässig gehandelt und das Fahrzeug daher nicht gutgläubig erworben. Denn die Umstände des Verkaufs hätten beim Käufer Zweifel erregen müssen, dass er den wahren Eigentümer vor sich hatte. So habe dieser einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt, obwohl sein im Kaufvertrag genannter Wohnsitz Frankenthal gewesen sei und das Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen zugelassen war.
Kurzfristige Verlegung der Übergabe ins Ausland
Auffällig sei ferner, dass der Verkäufer ursprünglich als Treffpunkt das vom angegebenen Wohnort abweichende Dillingen/Saar genannt habe. Typisch für unlautere Automobilgeschäfte sei auch das Bargeschäft und die kurzfristige telefonische Verlegung des Verkaufsorts an einen fremden und noch dazu im Ausland befindlichen Ort. Nach alledem könne der Käufer dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entgehen und habe den Schaden selbst zu tragen, so der Richter.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 3.4.2025, 3 O 388/24, PM vom 22.5.2025
| Das Amtsgericht (AG) Berlin-Charlottenburg hat entschieden: Hatte der frühere Vermieter die Hundehaltung erlaubt, kann der in das Mietverhältnis eingetretene Vermieter diese Gestattung nur aus wichtigem Grund widerrufen. Dies gilt, auch wenn es sich um einen Kampfhund handeln sollte. Dass sich Mitmieter aufgrund der Größe und Kraft eines solchen Hundes subjektiv bedroht fühlen, reicht für den Widerruf nicht aus. |
Vorheriger Vermieter hatte Hundehaltung gestattet, neuer Vermieter widerrief Erlaubnis
Die Parteien eines Mietvertrags über ein möbliertes Apartment stritten um die Räumung und Herausgabe einer Wohnung. Der Kläger, der aktuelle Vermieter, war nachträglich in das Mietverhältnis eingetreten. Der beklagte Mieter hält einen Hund, was ihm ausdrücklich vom früheren Vermieter erlaubt worden war.
Der Kläger hat die Erlaubnis zur Hundehaltung im Juni 2023 widerrufen und die Haltung eines Kampfhundes untersagt. Der Beklagte sollte seinen Hund bis Ende Juni 2023 entfernen. Noch im Juni mahnte der Kläger den Beklagten wegen nicht gestatteter Tierhaltung ab. Anfang August 2023 kündigte der Kläger das Mietverhältnis ordentlich zum 30.11.2023 und begründete dies mit der weiteren Haltung eines Kampfhundes sowie des Einsetzens des Hundes als Druck- und Nötigungsmittel.
Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung
Der Kläger behauptete, bei dem vom Beklagten gehaltenen Tier würde es sich um einen Kampfhund handeln. Der Beklagte würde dieses Tier gegenüber Nachbarn im Objekt als Druck- und Nötigungsmittel einsetzen, um Vorrang auf Wegen oder im Treppenhaus zu erzwingen. Mehr als ein anderer Bewohner im Objekt habe Angst vor dem Hund, die wollten aber nicht namentlich genannt werden. Er verklagte den Mieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Der Mieter behauptete hingegen, es handele sich nicht um einen „Listenhund“, sondern um eine Mischung aus Old-English-Bulldog und Weimeraner. Er reichte dazu zwei Fotos sowie eine tierärztliche Bescheinigung und weitere Unterlagen ein.
So entschied das Amtsgericht
Der Vermieter kann das Mietverhältnis nur aus berechtigtem Interesse kündigen. Das ist z. B. der Fall, wenn der Mieter vertragliche Pflichten erheblich verletzt, indem er z. B. ein Tier trotz Abmahnung weiter hält.
Im Fall des AG war es aber anders: Der ursprüngliche Vermieter hatte die Hundehaltung erlaubt. Der – große und kräftige – Hund, war– ohne Maulkorb – stets an der Leine geführt worden. Beißvorfälle oder -versuche oder Bedrohungen von Nachbarn mit dem Hund konnten nicht bewiesen werden. Ein – subjektives – Bedrohtfühlen genügt nicht, um die Erlaubnis zu widerrufen.
Quelle | AG Charlottenburg, Urteil vom 30.5.2024, 218 C 243/23
| Ein Streit um einen Erbschein hat kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Eine Erbin hatte falsche Angaben gemacht – mit unangenehmen Folgen. |
Wahrheitswidrige Angaben zum Testament
Eine Frau hatte nach dem Tod ihrer Mutter einen Erbschein beantragt, um als Alleinerbin ausgewiesen zu werden. Sie berief sich dabei auf ein Testament, machte aber falsche Angaben: Sie versicherte eidesstattlich, dass das Testament von der Verstorbenen eigenhändig verfasst worden sei. In Wirklichkeit hatte jedoch die Tochter das Testament geschrieben und die Mutter nur ihre Unterschrift darunter gesetzt.
Testament muss eigenhändig geschrieben sein
Die falschen Angaben betrafen einen entscheidenden Punkt: Ein Testament muss eigenhändig geschrieben oder von einem Notar beurkundet werden. Eigenhändig heißt, dass der Erblasser es komplett selbst und von Hand niederschreiben muss. Die bloße Unterschrift der Mutter reichte deshalb nicht aus – das Testament war unwirksam. Statt des Testaments galt die gesetzliche Erbfolge, das heißt: Die Antragstellerin musste sich das Erbe mit ihren Geschwistern teilen.
Streit um Anwaltskosten
Im Erbscheinverfahren vor dem Amtsgericht (AG) wurden die falschen Angaben aufgeklärt. Der Streit war damit aber nicht erledigt. Denn die Geschwister hatten Anwälte beauftragt, um gegen den unberechtigten Antrag vorzugehen. Zwei Schwestern verlangten die Erstattung der angefallenen Anwaltskosten. Das OLG gab ihnen nun Recht.
Mögliche strafrechtliche Konsequenzen
Für die unterlegene Schwester hat dies nicht nur finanzielle Folgen: Die Akten werden nun der Staatsanwaltschaft übergeben, denn eine falsche eidesstattliche Versicherung ist strafbar. Das OLG sah einen entsprechenden Anfangsverdacht; bis zu einer möglichen Entscheidung im Strafverfahren gilt für die Betroffene die Unschuldsvermutung.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 9.1.2025, 6 W 156/24, PM vom 20.2.2025
| Das Zerreißen eines Testaments durch den Erblasser ist eine Widerrufshandlung. Es wird gesetzlich vermutet, dass dieser Widerrufshandlung eine Widerrufsabsicht zugrunde lag. Die Aufbewahrung des zerrissenen Testaments im Schließfach widerlegt diese Vermutung nicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die Beschwerde des in dem zerrissenen Testament Begünstigten gegen einen auf Basis gesetzlicher Erbfolge erteilten Erbschein zurückgewiesen. |
Testament zerrissen, aber aufbewahrt
Der Erblasser war mit seiner Frau in letzter Ehe kinderlos verheiratet. Nach seinem Versterben beantragte die Frau einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Das Nachlassgericht erteilte den Erbschein, der die Frau neben der Mutter des Erblassers als Erben auswies. Zwei Monate später öffneten die Frau und ein Vertreter der Mutter des Erblassers das Schließfach des Erblassers. Dort befand sich ein handschriftliches Testament, das eine andere Person begünstigte. Es war längs in der Mitte durchgerissen. Das Nachlassgericht hat den Antrag des Begünstigten abgelehnt, den bereits erteilten Erbschein im Hinblick auf das nun aufgefundene, zerrissene Testament einzuziehen.
Widerruf durch schlüssige Handlung
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das Nachlassgericht habe die Einziehung des Erbscheins zu Recht abgelehnt, da dieser nicht unrichtig geworden sei. Der Begünstigte sei nichttestamentarischer Erbe geworden. Der Erblasser habe das den Begünstigten alsErben einsetzende Testament durch schlüssige Handlung widerrufen.
Durch das Zerreißen des Testaments in der Mitte habe derErblasser das Testament vernichtet. Es liege insoweit eine Widerrufshandlungvor. Das Testament sei unzweifelhaft auch „nicht durch äußere Einflüsse „anderweitig“ in zwei Teile geraten“. Dafür spreche, dass das Papier mittig, aber nicht vollständig gerade getrennt worden sei. Die Trennränder seien zudem nicht glatt. Anhaltspunkte für ein – ggf. sachverständig aufzuklärendes – anderweitiges Trennen des Schriftstücks in zwei Teile lägen nicht vor. Es sei auch davon auszugehen, dass der Erblasser selbst das Testament zerrissen habe, da nur er Zugang zum Bankschließfach gehabt habe. Nach den Angaben der bei Öffnung des Schließfachs Anwesenden bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Testament beim Öffnen oder Schließen des Schließfachs versehentlich von einer dritten Person zerrissen worden sei.
Gesetzliche Vermutung nicht widerlegt
Es werde gesetzlich vermutet, dass diese Widerrufshandlung mit Widerrufsabsicht erfolgte. Indizien, die diese Vermutung widerlegen würden, seien nicht erkennbar. Warum der Erblasser das zerstörte Testament im Schließfach aufbewahrte, sei zwar nicht nachvollziehbar. Dies allein genüge aber nicht zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung. Der Erblasser habe ausweislich der dokumentierten 31 Öffnungen des Schließfachs dieses offensichtlich nicht ausschließlich zur Aufbewahrung eines ungültigenTestaments angemietet.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.4.2025, 21 W 26/25, PM 26/25
| Das Landgericht (LG) Berlin II hat eine Energieberatungsfirma zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von rund 6.000 Euro wegen einer Falschberatung verurteilt. Aufgrund der Falschberatung habe der Kläger – ein Verbraucher – Fenster und Dachfenster mit zu hohen Wärmedurchgangskoeffizienten einbauen lassen, die daher nicht förderfähig seien. |
Förderleistungen beantragt – Bundesamt lehnt ab
Der Kläger hatte die Beklagte mit der Energieberatung für die energetische Sanierung seines Einfamilienhauses beauftragt. In Zusammenarbeit mit der Beklagten beantragte er beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Förderleistungen gemäß der Richtlinie der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG-Richtlinie) und erhielt einen entsprechenden Zuwendungsbescheid. Anschließend holte er Angebote für die Sanierungsmaßnahmen ein und schickte sie der Beklagten, die diese nicht beanstandete.
Für den Verwendungsnachweis der Fördermittel gab der Kläger in Absprache mit der Beklagten die Wärmedurchgangskoeffizienten an, die mit den verbauten Dämmmaterialien an der Gebäudehülle erreicht werden konnten – für das Dach und die Geschossdecke einen Koeffizienten von 0,2, für die Fenster von 1,1 und für die Dachflächenfenster von 1,3. Das Bundesamt teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die technischen Mindestanforderungen bei der Sanierung nicht erreicht seien und hob den Förderbescheid teilweise auf. Die BEG-Richtlinie fordert Koeffizienten an Dachgebilden von 0,14 und an Fenstern von 0,95 bzw. 1,0 bei Dachflächenfenstern.
Energieberater muss Förderleistung zahlen
Das Gericht sprach dem Kläger nun Schadenersatz in Höhe der eigentlich zu gewährenden Förderungssumme zu. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur fachlich zutreffenden Beratung verletzt. Sie hätte insbesondere die vom Kläger vorgelegten Angebote auf ihre Förderungsfähigkeit prüfen müssen.
Der Verweis der Beklagten, der Kläger hätte sich selbst über die förderungsrelevanten Wärmedurchgangskoeffizienten informieren können, führe ihr Leistungsangebot ad absurdum. Es sei gerade ihre Hauptleistungspflicht, einen Verbraucher und Laien über die Richtlinien und Richtwerte fachlich zu beraten. Darüber hinaus habe die Beklagte den Kläger falsch beraten, weil sie selbst von falschen Werten ausgegangen sei. Rechtsirrig habe sie in E-Mails an den Kläger auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und nicht auf die Werte der BEG-Richtlinie verwiesen. Die Beratung sei auch deshalb unzureichend und fehlerhaft gewesen.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23, PM 3/25
| Bei einer mehr als unerheblichen Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks scheidet die Annahme eines faktischen Kerngebiets aus, also als Gebiet, das vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Stadt versagte Nutzung eines Gebäudes als Spielhalle
Die Klägerin begehrt einen Bauvorbescheid für die Nutzung eines Geschäftsgebäudes in der Innenstadt der Beklagten als Spielhalle. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, der Widerspruch blieb erfolglos.
Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht sahen das anders
Das Verwaltungsgericht (VG) gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) zurück. Das Vorhaben sei als Vergnügungsstätte zulässig. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Kerngebiet i. S. d. Baunutzungverordnung (hier: § 7 BauNVO). Die nicht unerhebliche, aber noch untergeordnete Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks stehe dieser Einordnung nicht entgegen, obwohl sie im vorhandenen Umfang nur aufgrund von Festsetzungen in einem Bebauungsplan zulässig wäre.
Bundesverwaltungsgericht rügte mangelnde Tatsachenfeststellung
Das BVerwG hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Auffassung des OVG, dass ein faktisches Kerngebiet auch bei einer nicht unerheblichen Wohnnutzung vorliegt, steht mit der Regelungssystematik der Baunutzungsverordnung nicht in Einklang. Die Verweisung in § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB auf die §§ 2 ff. BauNVO findet dort eine Grenze, wo die Baunutzungsverordnung eine planerische Entscheidung der Gemeinde vorsieht. Der Verordnungsgeber hat die Entscheidung darüber, ob die sonstige Wohnnutzung in einem Kerngebiet über Ausnahmen hinausgehen darf, der Gemeinde überlassen. Ihr Spielraum darf bei der Einordnung als faktisches Kerngebiet nicht übergangen werden. Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen konnte das BVerwG nicht abschließend entscheiden.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 20.5.2025, 4 C 2.24, PM 37/25
| Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf der Grundlage von über 2.300 geleisteten Mehrarbeitsstunden im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer für mehrere Monate frei, muss er ihm in diesen Monaten das Entgelt nach dem Lohnausfallprinzip zahlen, also das Entgelt, das zu zahlen gewesen wäre, wenn der Arbeitnehmer in diesen Monaten gearbeitet hätte. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |
Das LAG: Nichts anderes ergibt sich, wenn die unstreitige Mehrarbeit vor 20 Jahren geleistet worden war, also in einem Zeitraum, für den die Parteien ein viel geringeres Bruttomonatsentgelt vereinbart hatten.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 23.8.2024, 6 Sa 663/23
| Ein Bewerber um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugdienst kann verlangen, nicht wegen eines genetisch bedingten erhöhten Thromboserisikos vom Bewerbungsverfahren der Bundespolizei ausgeschlossen zu werden. Bei der beim Kläger diagnostizierten sog. Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich um einen angeborenen Gendefekt, bei dem es zu Störungen der Blutgerinnung kommt und der mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergeht. Die Entscheidung der Bundespolizeiakademie, die Bewerbung des Klägers um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst im Jahr 2023 aufgrund fehlender gesundheitlicher Eignung nicht zu berücksichtigen, hatte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Aachen keinen Bestand. Über die Bewerbung des Klägers muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden werden. |
Geringe Risiken
Zur Begründung hat das VG ausgeführt, dass es bereits in erheblichem Maße zweifelhaft ist, ob hinreichende sachliche Gründe für den Ausschluss von Beamten mit einem solchen Gendefekt bestehen. Denn das durch eine solche Mutation bedingte Thromboserisiko ist verhältnismäßig gering. In der beim Kläger vorliegenden Form ist es zwar gegenüber gesunden Menschen erhöht, entspricht jedoch ungefähr dem Thromboserisiko durch die Einnahme der Antibabypille bei Frauen und damit einem Risiko, das der Dienstherr als hinnehmbar ansieht.
Ergebnisse der genetischen Untersuchung durften nicht mitgeteilt werden
Unabhängig davon durfte der Gendefekt nicht zulasten des Klägers im Einstellungsverfahren berücksichtigt werden, weil er aufgrund einer genetischen Untersuchung diagnostiziert wurde. Die Mitteilung des diesbezüglichen Ergebnisses durfte die Bundespolizei aus Rechtsgründen nicht verlangen.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 10.3.2025, 1 K 1304/23, PM vom 10.3.2025
| Die Verwendung eines abstrakt gefährlichen Gegenstands – hier eines Klappmessers – zu einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch – hier Reparaturversuch an einer Uhr – läuft den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider und steht deshalb der Anerkennung eines Unfallereignisses als Dienstunfall entgegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Mit dem Messer versucht, Klemmfeder zu richten
Der mittlerweile pensionierte Kläger war Polizeivollzugsbeamter im saarländischen Landesdienst. Im April 2019 erstattete er bei seiner Dienststelle eine Dienstunfallanzeige. Danach habe er zu Dienstbeginn festgestellt, dass die sonst über der Tür hängende Wanduhr auf der Fensterbank gelegen habe. Es sei ihm aufgefallen, dass die Batterie der Uhr unsachgemäß im Batteriefach gesteckt habe und die Klemmfeder verbogen gewesen sei. Er habe mit seinem Klappmesser die verbogene Feder wieder richten wollen. Hierbei sei das Messer zugeschnappt und er habe sich einen tiefen Schnitt am kleinen Finger der rechten Hand zugezogen.
Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls
Sein Antrag auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall ist behördlich und in den beiden gerichtlichen Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwiderlaufe, wenn ein Beamter sich ohne Not einem Verletzungsrisiko durch Hantieren mit einem privaten, abstrakt gefährlichen Gegenstand aussetze, dessen Funktionstauglichkeit der Dienstherr nicht prüfen könne.
Keine dienstliche Aufgabe
Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall. Zwar hat sich der Unfall in einem Dienstgebäude zur Dienstzeit ereignet und ist damit grundsätzlich als „in Ausübung des Dienstes eingetreten“ vom Dienstunfallschutz erfasst. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Reparatur der Uhr nicht zu den dienstlichen Aufgaben des Klägers als Polizeibeamter gehörte. Dienstunfallschutz wird jedoch nicht gewährt, wenn dieTätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft. Das ist hier der Fall.
Entgegen den Interessen des Dienstherrn
Dabei kann dahinstehen, ob es sich um ein Einhandmesser im Sinne des Waffengesetzes handelte und das Führen des Messers bereits deshalb verboten war. Jedenfalls lief die Benutzung dieses Messers zum Zweck einer Uhrreparatur den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider. Das verwendete Messer ist ein abstrakt gefährlicher Gegenstand, der für den Zweck der Reparatur ersichtlich nicht bestimmt und nicht geeignet war.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 13.3.2025, 2 C 8.24, PM 16/25
| Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellt den Arbeitnehmer trotz dessen Beschäftigungsanspruchs von der Arbeit frei, unterlässt der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig in Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 615 S. 2 BGB) anderweitigen Verdienst, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis eingeht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Das war geschehen
Der Kläger war seit November 2019 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Senior Consultant gegen eine monatliche Vergütung von 6.440 Euro brutto. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.3.2023 ordentlich zum 30.6.2023 und stellte den Kläger unter Einbringung von Resturlaub unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht (ArbG) am 29.6.2023 statt, die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) am 11.6.2024 zurückgewiesen.
Arbeitgeber schlug Stellenangebote vor
Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Kläger Anfang April 2023 arbeitssuchend und erhielt von der Agentur für Arbeit erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge. Die Beklagte übersandte ihm hingegen schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote, die nach ihrer Einschätzung für den Kläger in Betracht gekommen wären.
Arbeitnehmer bewarb sich – aber erst zum Beschäftigungsende
Auf sieben davon bewarb sich der Kläger, allerdings erst ab Ende Juni 2023. Nachdem die Beklagte dem Kläger für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, hat er diese mit einer Klage geltend gemacht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewendet, der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bei der Beklagten bezogenen Gehalts anrechnen lassen.
Arbeitgeber war durch einseitige Freistellung im Annahmeverzug
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) ihr stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Beklagte befand sich aufgrund der von ihr einseitig erklärten Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug und schuldet dem Kläger (nach § 615 S. 1 BGB iVm. § 611 a Abs. 2 BGB) die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss sich der Kläger nicht (nach § 615 S. 2 BGB) anrechnen lassen. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil ist nur gerechtfertigt, wenn dieser wider Treu und Glauben (nach § 242 BGB) untätig geblieben ist. Weil § 615 S. 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend hiervon bestand für ihn keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Beklagten ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.
Quelle | BAG, Urteil vom 12.0.2025, 5 AZR 127/24, PM 6/2
Mietrecht
| Ein Verkauf von Unternehmensvermögen unterliegt der Umsatzsteuer. Eine Entnahme kann hingegen ohne Umsatzsteuer bleiben, wenn der Gegenstand ohne Vorsteuerabzug Unternehmensvermögen wurde. Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Niedersachsen gelten für dieses „Entnahme-Verkauf-Modell“ aber strenge Voraussetzungen. |
Hintergrund: Wurde ein Wirtschaftsgut ohne Vorsteuerabzug erworben und in das Unternehmensvermögen eingelegt, kann es grundsätzlich nicht umsatzsteuerbar entnommen und anschließend ohne Umsatzsteuer verkauft werden. So hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Jahr 2002 Folgendes festgestellt: Entnimmt der Steuerpflichtige den Pkw, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hatte, vor der Veräußerung seinem Unternehmen, ist es unzulässig, die Entnahme zu besteuern. Wenn der Steuerpflichtige den Pkw dann veräußert, ist diese Leistung seinem privaten Bereich zuzurechnen. Sie unterliegt daher nicht der Umsatzsteuer. Zu den Voraussetzungen musste jüngst das FG entscheiden.
Das war geschehen
Ein Unternehmer hatte einen Pkw und ein Wohnmobil aus seinem Privatvermögen in das Betriebsvermögen eingelegt. Es erfolgte jeweils eine Zuordnung zum Unternehmensvermögen ohne Vorsteuerabzug. Aus den Reparaturaufwendungen wurde dann jedoch der Vorsteuerabzug geltend gemacht.
Später verkaufte der Unternehmer die Fahrzeuge ohne Umsatzsteuerausweis. Der Kaufvertrag für den Pkw datierte vom 22.10.2016 (Übergabe am 25.10.2016), der Kaufvertrag für das Wohnmobil vom 25.8.2018 (Übergabe am 29.8.2018). In der Buchhaltung wurde eine Entnahme des Pkw zum 25.10.2016 und eine Entnahme des Wohnmobils zum 25.8.2018 jeweils ohne Umsatzsteuer erfasst.
Das Finanzamt setzte für die Verkäufe Umsatzsteuer fest. Wegen der engen zeitlichen Zusammenhänge liege weder für den Pkw noch für das Wohnmobil ein ausreichender Nachweis einer Entnahmehandlung vor. Die buchhalterische Erfassung allein genüge nicht.
Die hiergegen gerichtete Klage war erfolglos.
So argumentiert das Finanzgericht
Für eine vorherige nicht umsatzsteuerbare Entnahme bedarf es objektiver Anhaltspunkte und einer gewissen Zeitspanne zwischen Entnahme und Verkauf. Der Umstand, dass die Entnahme zeitlich mit der Lieferung am gleichen Tag erfolgt sein soll, spricht gegen eine Entnahme.
Die nach außen erkennbare Entnahme eines Gegenstands aus dem unternehmerischen Bereich hat zeitlich vor dem Verkauf zu erfolgen, wobei es dabei zur erforderlichen eindeutigen Abgrenzung auf den Zeitpunkt des ersten Angebots zum Verkauf des Gegenstands bzw. die erste Verkaufsbemühung ankommt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 3.4.2025, 5 K 15/24
| Bei der Frage, ob die Sachbezugsfreigrenze gemäß Einkommensteuergesetz (hier: § 8 Abs. 2 S. 11 EStG) in Höhe von 50 Euro pro Monat überschritten wird, sind die vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten anteilig den für die Nutzung des Firmenfitnessprogramms registrierten Arbeitnehmern zuzurechnen. Auf die Anzahl der vom Arbeitgeber erworbenen Lizenzen kommt es nicht an, wenn diese nicht der Zahl der für das Programm registrierten Arbeit-nehmer entspricht. Dies hat das Finanzgericht (FG) Niedersachsen entschieden. |
Beispiel in Anlehnung an den Urteilssachverhalt
Die A-GmbH hat 100 Arbeitnehmer. Sie schließt mit dem Fitnessstudiobetreiber X eine Firmenfitness-Mitgliedschaftsvereinbarung, wonach die Arbeitnehmer der A-GmbH berechtigt sind, das Fitnessstudio des X zu nutzen.
Somit erwirbt die A-GmbH 50 Lizenzen für monatlich 4.000 Euro inkl. Umsatzsteuer. Die Anzahl wurde anhand der Personalstruktur als Kalkulationsgrundlage für X prognostiziert. Die Lizenzen haben keine Auswirkung auf die Menge der tatsächlich nutzungsberechtigten Arbeitnehmer.
Mitarbeiter, die das Angebot in Anspruch nehmen wollen, haben im Fitnessstudio eine Berechtigung vorzulegen, die X aufgrund der mitgeteilten Namen erstellte. Von den 100 Mitarbeitern haben sich 80 für das Fitnessprogramm angemeldet. Tatsächlich teilgenommen haben 50 Mitarbeiter.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind die Kosten auf die Anzahl der Lizenzen zu verteilen. Das würde im Beispiel bedeuten, dass je Arbeitnehmer 80 Euro (4.000 Euro/50 Lizenzen) zu berücksichtigen wären, mithin der Betrag in voller Höhe steuerpflichtig wäre.
Finanzgericht widersprach der Finanzverwaltung
Dem widersprach jedoch das FG: Entspricht die Anzahl der Lizenzen nicht der Zahl der für das Programm registrierten Mitarbeiter, kommt es auf die Menge der Lizenzen nicht an. Vielmehr sind dann die vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten anteilig den für die Nutzung des Firmenfitnessprogramms registrierten Mitarbeitern zuzurechnen. Im Beispiel ergeben sich somit 50 Euro je Arbeitnehmer (4.000 Euro/80 Arbeitnehmer). Da der Betrag nicht die Freigrenze übersteigt, ist er nicht zu versteuern.
Beachten Sie | Die Kosten sind nicht nur auf die Mitarbeiter zu verteilen, die das Angebot tatsächlich in Anspruch genommen haben. Denn die Arbeitnehmer haben den Nutzungsvorteil, dass für sie jederzeit eine Trainingsmöglichkeit vorgehalten wird.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 17.4.2024, 3 K 10/24
| Ein Steuerbescheid ist nach der Abgabenordnung (hier: § 175 b AO) zu ändern, wenn elektronische Daten von Dritten (z. B. dem Rentenversicherungsträger) bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Dies gilt laut Bundesfinanzhof (BFH) selbst dann, wenn diese Informationen bereits aus der Steuererklärung ersichtlich waren. |
Das war geschehen
Eheleute hatten eine korrekte Steuererklärung abgegeben. Darin hatten sie auch ihre Renteneinkünfte zutreffend erklärt. Das Finanzamt erließ allerdings einen Einkommensteuerbescheid, in dem die Renteneinkünfte nicht erfasst waren. Später erhielt das Finanzamt auch auf elektronischem Wege durch eine Datenübermittlung des Rentenversicherungsträgers von der Höhe der Renteneinkünfte Kenntnis und änderte daraufhin den Einkommensteuerbescheid zulasten der Eheleute und setzte erstmals die Renteneinkünfte an.
Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen und der BFH haben diese Handhabung nun bestätigt.
Abweichende Regelungen in der „analogen Welt“
In der analogen Welt war die Änderung eines einmal ergangenen Steuerbescheids (sowohl zugunsten als auch zulasten des Steuerpflichtigen) nur möglich, wenn hierfür besondere Voraussetzungen erfüllt waren (z. B. ausdrücklicher Vorbehalt der Nachprüfung im Steuerbescheid oder nachträglich bekannt gewordene Tatsachen).
Beachten Sie | Diese Voraussetzungen waren im Streitfall nicht erfüllt, da das Finanzamt die Rente trotz voller Kenntnis des Sachverhalts im ursprünglichen Steuerbescheid außer Ansatz gelassen hatte.
Digitalisierung: Änderung des Steuerbescheids, wenn Daten nicht berücksichtigt waren
Im Zuge der Digitalisierung erhalten aber auch die Finanzämter immer mehr besteuerungsrelevante Daten auf elektronischem Weg. Daher hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 2017 § 175 b AO eingeführt. Danach kann ein Steuerbescheid geändert werden, soweit Daten an das Finanzamt übermittelt werden, die bisher nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Weitere (insbesondere einschränkende) Voraussetzungen enthält diese Norm nicht.
Beachten Sie | Eine auf § 175 b AO gestützte Änderung ist somit auch vorzunehmen, wenn dem Finanzamt oder dem Steuerpflichtigen zuvor ein Fehler unterlaufen ist. Dies hat sich im Streitfall zugunsten des Finanzamts ausgewirkt, würde aber umgekehrt ebenso zugunsten des Steuerpflichtigen gelten.
Quelle | BFH, Urteil vom 27.11.2024, X R 25/22
| Liegt Arbeitslohn vor, wenn ein Teil eines Veräußerungspreises für Gesellschaftsanteile dafür gezahlt wird, dass der (dann ehemalige) Gesellschafter für einen bestimmten Zeitraum noch als Geschäftsführer tätig wird? Mit dieser Frage muss sich der Bundesfinanzhof (BFH) befassen. Das Finanzgericht (FG) Köln hatte auf Arbeitslohn plädiert. |
Das war geschehen
Der Steuerpflichtige A war an einer GmbH beteiligt und zugleich deren Geschäftsführer. Im Streitjahr verkaufte A seine Anteile. In dem Kaufpreis war vertragsgemäß ein Teilbetrag für die Fortsetzung der Geschäftsführung über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren enthalten.
Teileinkünfteverfahren oder Arbeitslohn?
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass es sich bei dem Teilbetrag um eine Gegenleistung für die mehrjährige Geschäftsführertätigkeit des A handle und diese nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 19 i. V. mit § 34 Abs. 1 EStG) als Arbeitslohn der Besteuerung unterliege.
Der Verkäufer A wandte dagegen ein, dass der Teilbetrag im Rahmen der Ermittlung des Gewinns i. S. des § 17 EStG („Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften“ unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens) zu berücksichtigen sei.
Das FG sprach sich im Klageverfahren unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls für Arbeitslohn aus.
Das spricht für Arbeitslohn
Für die Annahme von Arbeitslohn spricht insbesondere, dass der Verkäufer A den auf die Geschäftsführertätigkeit entfallenden Anteil nur behalten darf, wenn er weiter als Geschäftsführer tätig ist. Das Fortbestehen des Geschäftsführerverhältnisses ist nach dem Kaufvertrag notwendige Voraussetzung für die Vorteilsgewährung.
Beachten Sie | Diese Verknüpfung wird nicht durch die Anteilsübertragung überlagert, denn die prägende Gegenleistung für den Streitbetrag ist die Arbeitsleistung und nicht die Anteilsübertragung.
Höchstrichterliche Entscheidung gefragt
Das FG Köln hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Denn, soweit ersichtlich, ist die Abgrenzung zwischen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit i. S. des § 19 EStG und solchen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften i. S. des § 17 EStG bisher nicht höchstrichterlich geklärt.
Da die Revision auch eingelegt wurde, hat der BFH nun Gelegenheit, für Klarheit zu sorgen.
Quelle | FG Köln, Urteil vom 4.12.2024, 12 K 1271/23
| Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Münster kann eine Ferienwohnung, die der Einkünfteerzielung dient, eine erste Tätigkeitsstätte bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung darstellen, wenn der Vermieter mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit für das Objekt dort verrichtet. |
Hintergrund: Suchen Vermieter in (un)regelmäßigen Abständen ihre Vermietungsobjekte auf, um z. B. Reparaturen vorzunehmen oder mit dem Mieter in Kontakt zu treten, stehen die dabei entstehenden Fahrtkosten mit den Mieteinkünften im Zusammenhang und lassen sich als Werbungskosten absetzen.
Grundsätzlich sind die Fahrtkosten dann nach Reisekostengrundsätzen zu ermitteln, sodass die tatsächlichen Kosten bzw. 0,30 Euro je Kilometer für die Hin- und die Rückfahrt anzusetzen sind.
In dem Streitfall ging es nun u. a. um die Frage, ob eine Ferienwohnung auch eine erste Tätigkeitsstätte darstellen kann – mit der Folge, dass lediglich die Entfernungspauschale (0,30 Euro pro Entfernungskilometer bzw. 0,38 Euro ab dem 21. Kilometer) abgezogen werden kann.
Das war geschehen
Eine aus Vater und Sohn bestehende GbR erzielte Einkünfteaus der Vermietung zweier Ferienwohnungen. Für das Jahr 2019 machte die GbR u. a. Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen im Zusammenhang mit Reparatur- und Reinigungsarbeiten an den Wohnungen als Werbungskosten geltend.
Das Finanzamt stellte bei der Prüfung der Unterlagen und Belege Ungereimtheiten fest und erkannte die Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen wegen privater Mitveranlassung nicht an. Die hiergegen gerichtete Klage war vor dem FG teilweise erfolgreich.
Das Gericht begründete seine Entscheidung u. a. wie folgt: Die Fahrtkosten sind mit der Entfernungspauschale und unter Abzug eines Privatanteils zu berücksichtigen. Die beiden Wohnungen sind jeweils als erste Tätigkeitsstätte anzusehen.
Hier keine Zuordnung durch Arbeitgeber, sondern quantitative Kriterien
Der Verweis im Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 3 EStG) auf die vorrangig für Arbeitnehmer geltenden Regelungen führt bei den Vermietungseinkünften dazu, dass jedenfalls dann eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt, wenn der Steuerpflichtige mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit für das Mietobjekt dort selbst verrichtet. Maßgeblich sind in erster Linie quantitative Kriterien, da – anders als bei Arbeitnehmern – eine Zuordnung durch einen Arbeitgeber nicht in Betracht kommt.
Private Veranlassungsanteile
Da die Ferienwohnungen im Wesentlichen durch Dritte verwaltet wurden, während die Gesellschafter die Reparaturarbeiten selbst durchführten, ist die quantitative Grenze von einem Drittel im Streitfall deutlich überschritten. Für jede einzelne Reise hat das Gericht eine Aufteilung der Fahrtkosten vorgenommen und die privaten Veranlassungsanteile nicht als Werbungskosten anerkannt.
Die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen wären bestenfalls innerhalb der ersten drei Monate anzuerkennen. Im Streitfall war die Dreimonatsfrist aber bereits abgelaufen.
Beachten Sie | DasFG Münster hatte die Revision zugelassen, weil bis dato keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 9 Abs. 3 EStG vorliegt und hierzu im Streitfall entscheidungserhebliche Fragen grundsätzlich klärungsbedürftig sind. Da die Revision aber nicht eingelegt wurde, muss man vorerst weiter auf eine höchstrichterliche Entscheidung warten.
Allerdings zeigt der Streitfall, dass eine gute Beweisvorsorge unerlässlich ist. Das gilt nicht nur für die Anzahl der Fahrten,s ondern auch für den mit der Vermietung zusammenhängenden Hintergrund der Fahrten und der möglichst fehlenden privaten Mitveranlassung. Zudem wird deutlich, dass bei sehr vielen Fahrten zum Mietobjekt die Gefahr besteht, dass das Finanzamt nur die Entfernungspauschale gewährt.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 15.5.2025, 12 K 1916/21 F
| Eine Frau parkte in der Tiefgarage ihres Arbeitgebers. Beim Ausparken stieß sie mit der Beifahrertür ihres BMW versehentlich gegen einen rechteckigen, ca. kniehohen Sockel einer Säule. Der Sockel befand sich unterhalb der Sichtachse und war nicht gekennzeichnet oder markiert. Sie verlangte Schadenersatz. Ihre Klage wies das Amtsgericht (AG) München ab. |
Das verlangte die Klägerin
Die Klägerin behauptet, durch den Unfall sei ein Schaden an der Beifahrertür von über 3.200 Euro netto entstanden. Der Sockel sei bei Umbaumaßnahmen im Zeitraum 2019 bis 2022 errichtet worden. Die Klägerin habe erfahren, dass es mehrere Unfälle an dem Betonsockel gegeben habe. Sie verklagte daraufhin das Bauunternehmen, das die Verkehrssicherungspflicht für die von ihm durchgeführten Arbeiten übernommen hatte.
Die beklagte Baufirma gab an, der Sockel stünde dort bereits seit 50 Jahren. Sie bezweifelte, dass der Schaden vollständig auf einen Kontakt mit dem Sockel zurückzuführen sei.
So urteilte das Amtsgericht
Das AG wies die Klage ab. Begründung: Das Bauunternehmen habe bereits keine sog. Verkehrssicherungspflicht verletzt. Der Betonsockel stellte schon keine besondere Gefahrenquelle für Fahrzeuge in einer Parkgarage dar. Dabei sei zu berücksichtigen, dass jeder Kraftfahrer in einer Parkgarage ohnehin nur so schnell fahren darf, dass er im Hinblick auf die ständig zu erwartenden Ein- und Ausparkvorgänge, aber auch wegen des dort herrschenden Fußgängerverkehrs jederzeit anhalten kann. Beim Ein- und Ausparkvorgang sei es daher jederzeit möglich, anzuhalten, auszusteigen und sich zu vergewissern, wie breit die Fahrbahn oder der Parkplatz an dieser Stelle ist.
Dies gelte insbesondere hinsichtlich des streitgegenständlichen Betonsockels, der von allen Seiten gut sichtbar sei, da er breiter sei als die dahinterstehende Säule. Ein kniehoher Betonsockel sei auch kein überraschendes Hindernis für Parkgaragennutzer, da enge Parkbuchten in einer älteren Parkgarage durchaus üblich seien.
Altschäden auf Fahrfehler zurückzuführen
Selbst, wenn man unterstelle, dass mehrere Fahrer mit ihren Fahrzeugen den Betonsockel in der Vergangenheit gestreift haben sollen, was angesichts eines vorgelegten Fotos und den darauf sichtbaren Lackspuren durchaus plausibel erscheine, sei eine Gefahr, dass Rechtsgüter Dritter durch den statischen Betonsockel verletzte werden, für das Bauunternehmen nicht erkennbar gewesen. Dieses habe als sog. Verkehrssicherungspflichtige darauf vertrauen dürfen, dass die Parkgaragennutzer den gut sichtbaren Betonsockel erkennen und, sofern ihr Fahrzeug zu breit für den Parkplatz sei, eine andere noch freie Parkbucht ohne einen Betonsockel nutzen. Beschädigungen des Sockels durfte das Bauunternehmen daher auf Fahrfehler zurückführen.
Mitverschulden der Autofahrerin
Selbst, wenn man eine Verkehrssicherungspflicht annehmen würde, träfe die Frau ein Mitverschulden, das eine Haftung des Bauunternehmens vollständig entfallen ließe. Die Klägerin nutzte die Parkgarage ihres Arbeitgebers bereits fast zwei Monate nach den Umbaumaßnahmen. Ihr waren sowohl der Zustand der Parkgarage als auch ihre baulichen Merkmale aufgrund der längeren Nutzung bekannt oder sie hätten ihr bekannt sein müssen.
Quelle | AG München, Urteil vom 9.8.2024, 231 C 13838/24. PM 13/25
| Der im Land Berlin eingeführte Probeunterricht zur Eignungsfeststellung für das Gymnasium ab dem Schuljahr 2025/2026 bei Schülern, die nach der Förderprognose den erforderlichen Notendurchschnitt verfehlt haben, ist nicht zu beanstanden. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in mehreren Eilverfahren entschieden. |
Schulgesetz geändert
Im August 2024 änderte das Land Berlin die Regelungen des Schulgesetzes für die Aufnahme in das Gymnasium zur 7. Jahrgangsstufe. Nach der Neuregelung können die Erziehungsberechtigten ein Kind mit einem Notenschnitt zwischen 2,3 und 2,7 nur an einem Gymnasium anmelden, wenn die Eignung für den Besuch des Gymnasiums durch die Teilnahme an einem Probeunterricht nachgewiesen wird.
Die Antragsteller sind Schüler, die bei diesem Probeunterricht weniger als die geforderten mindestens 75 Prozent der erreichbaren Bewertungseinheiten erzielten. Im gerichtlichen Eilverfahren begehren sie dennoch die vorläufige Feststellung ihrer Eignung für das Gymnasium, weil sie die Einführung des Probeunterrichts für rechtswidrig halten.
Verwaltungsgericht: Probeunterricht nicht zu beanstanden
Das VG hat die Eilanträge zurückgewiesen. Die Ausgestaltung des Probeunterrichts und die jeweils konkreten Bewertungen seien rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar betreffe der Probeunterricht auch Kinder, die bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits in der 5. Klasse der Grundschule gewesen seien. Das sei aber verhältnismäßig, weil die legitimen Interessen des Gesetzgebers, insbesondere auch an einer zügigen neuen Aufnahmeregelung für Gymnasien, das Interesse der Betroffenen am Erhalt der bestehenden Regeln überwögen: Der Probeunterricht ermögliche eine prognostische, an allgemeingültigen Maßstäben ausgerichtete und zugleich auf den Einzelfall bezogene pädagogische Beurteilung, ob die Eignung für das Gymnasium vorliege. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des Probeunterrichts auf den Umstand reagiert, dass in der Vergangenheit durchschnittlich sieben Prozent das (mit der Neuregelung abgeschaffte) Probejahr am Gymnasium nicht bestanden hätten, im Schuljahr 2022/23 von den Schülerinnen und Schüler ohne Gymnasialempfehlung sogar 34 Prozent.
Der Probeunterricht trage den begrenzten Kapazitäten der Gymnasien und Lehrressourcen Rechnung, vermeide eine absehbare Überforderung der betroffenen Schülerinnen und Schüler und wirke durch rechtzeitige Prognose einem unnötigen Hin und Her entgegen. Die Aufgaben des Probeunterrichts seien anhand der Vorgaben des gemeinsamen Rahmenlehrplans für Berlin und Brandenburg entwickelt worden. Verbindliche Angaben der Schulaufsichtsbehörde zur Punkteverteilung im Erwartungshorizont hätten eine einheitliche Bewertung sichergestellt. Schließlich habe die zeitliche Ausgestaltung des Probeunterrichts mit ausreichenden Pausen zwischen den drei 45-minütigen Prüfungsteilen die besondere Prüfungssituation der Kinder berücksichtigt.
Quelle | VG Berlin, Beschlüsse vom 9.4.2025, VG 3 L 77/25 u. a., PM 25/25
| Die Universität Duisburg-Essen hat einer Studentin zu Recht diejenigen „Prüfungsleistungen“ aberkannt, die in dem System der Universität als bestanden ausgewiesen waren, weil die Studentin für diese Eintragung einer ehemaligen Mitarbeiterin des Prüfungsamts der Universität Geld gezahlt hatte. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen entschieden. |
Nicht zur Prüfung erschienen – Geldzahlungen an ehemalige Mitarbeiterin
Die Studentin war zu fünf Prüfungsterminen ihres Studiengangs Bachelor Wirtschaftswissenschaft, Katholische Religion und Bildungswissenschaften mit der Lehramtsoption Berufskolleg nicht erschienen. Dies war in den internen Notenlisten der Prüfer vermerkt. Eine ehemalige Mitarbeiterin des Prüfungsamts der Universität vermerkte gegen Geldzahlung in dem System der Universität, die Studentin habe die Prüfungen bestanden und trug dazu Noten ein. Im Masterstudiengang wiederholte sich dies bei vier Prüfungen. Der Prüfungsausschuss der Fakultät Wirtschaftswissenschaften beschloss, die Prüfungsleistungen jeweils als nicht bestanden (Note 5,0) zu bewerten, die von der Fakultät Bildungswissenschaften verliehenen Universitätsabschlüsse (Bachelor und Master) abzuerkennen, und forderte die Abschlusszeugnisse zurück.
Klagen gegen Aufhebung der Prüfungsleistungen
Die Klage gegen die Aufhebung der Prüfungsleistungen und ihre Bewertung als nicht bestanden hat das VG abgewiesen. Die Studentin hat die Prüfungsleistungen nicht bestanden, weil sie nicht an den Prüfungen teilgenommen hat. Die Aberkennung der Abschlüsse und die damit zusammenhängenden Anordnungen hob die Universität in der mündlichen Verhandlung auf, weil hierüber der unzuständige Prüfungsausschuss entschieden hatte. Zuständig ist der Prüfungsausschuss für Bildungswissenschaften, der die Abschlüsse verliehen hat.
Eine weitere Klage einer anderen Studentin im Studiengang Bachelor für das Lehramt Berufskolleg gegen die Bewertung von vier Prüfungsleistungen als nicht bestanden (Note 5,0) durch den Prüfungsausschuss hat das VG ebenfalls abgewiesen. Die Studentin hatte eine Prüfung nicht bestanden und war zu drei weiteren nicht erschienen. Gegen Geldzahlung an eine ehemalige Mitarbeiterin des Prüfungsamts wurden diese Prüfungen als bestanden in das System der Universität eingetragen.
Quelle | VG Gelsenkirchen, Urteile vom 28.4.2025, 4 K 1226/22 und 4 K 1227/22, PM vom 29.4.2025
| Ein Jäger, der im betrunkenen Zustand seine Jagdwaffe im Pkw transportiert, besitzt nicht die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit zur (Wieder-)Erteilung eines Jagdscheins – unabhängig davon, ob die mitgeführte Waffe geladen war oder nicht. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Münster entschieden. |
Jäger verursachte hohen Schaden
Der Jäger aus dem Kreis Coesfeld war im Jahr 2020 in Rheinland-Pfalz auf dem Rückweg von einer Jagdveranstaltung und transportierte seine Langwaffe im Fahrzeug. Dabei kam er von der Fahrbahn ab, fuhr zwei Verkehrsschilder um und in eine Hauswand. Es entstand ein Fremdschaden in Höhe von etwa 50.000 Euro. Ein Atemalkoholtest nach dem Unfall ergab einen Wert von 1,69 Promille, zwei Blutentnahmen Werte von 1,48 und 1,39 Promille. Nach dem Unfall nahm der Kläger seine in einem Futteral befindliche Langwaffe aus dem Fahrzeug und stellte sie in ein nahes Wartehäuschen, wo sie von der Polizei sichergestellt wurde.
Antrag auf erneutes Ausstellen eines Jagdscheins
Es kam zu einem Strafverfahren. Zudem wurde die Waffenbesitzkarte des Mannes widerrufen, sodass er seine Schusswaffen abgeben musste. In der Zwischenzeit lief die Gültigkeit seines Jagdscheins aus. Im Jahr 2022 beantragte der Kläger dann die erneute Ausstellung eines Jagdscheins, blieb damit bei der Behörde jedoch ohne Erfolg.
Die Klage hiergegen wies das Gericht nun ab, denn der Kläger sei waffenrechtlich unzuverlässig. Es rechtfertigten Tatsachen die Annahme, dass er mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehe oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werde. Bei der zu treffenden Prognose genüge es, wenn bei Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen bestehe. Im Bereich des Waffenrechts müsse kein Restrisiko hingenommen werden. Ob, wie zuletzt zwischen den Beteiligten streitig, die Waffe im Auto des Klägers bei der Trunkenheitsfahrt geladen war, und ob er sie nach dem Unfall genügend beaufsichtigt hat, könne offenbleiben. Genügende Anhaltspunkte für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang des Klägers mit Waffen ergäben sich bereits daraus, dass er seine Jagdwaffe bei einer Autofahrt mitgeführt hat, obwohl er eine Atemalkoholkonzentration von 1,69 Promille bzw. eine Blutalkoholkonzentration von 1,48 Promille aufwies und sich damit in einem Zustand befand, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können und vorliegend – in Form der zu dem Verkehrsunfall mit erheblichem Sachschaden führenden Unaufmerksamkeit – auch aufgetreten sind.
Als Waffenbesitzer unzuverlässig
Die Blutalkoholkonzentration übersteige den Grenzwert absoluter Fahruntüchtigkeit von Kraftfahrern (1,1 Promille). Mit einer Schusswaffe gehe nicht vorsichtig und sachgemäß um, wer diese in einem Zustand gebrauche, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können – unabhängig davon, ob solche auch tatsächlich aufträten. Das gelte auch für das Mitführen einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe bei einer Autofahrt in alkoholisiertem Zustand, das waffenrechtlich als „Führen der Schusswaffe“ einzuordnen sei.
Es bestehe zum einen die Gefahr, dass der Waffenbesitzer in einer Konfliktsituation mit anderen Verkehrsteilnehmern aufgrund alkoholbedingter Ausfallerscheinungen inadäquat reagieren und zur Konfliktlösung auf die von ihm mitgeführte Schusswaffe zurückgreifen könnte. Zum anderen bestehe beim Transport einer Schusswaffe im Straßenverkehr bei alkoholbedingten Ausfallerscheinungen des Waffenbesitzers die reale Möglichkeit des Abhandenkommens der Schusswaffe. Jedenfalls dann, wenn es – wie hier – zu einem Unfall kommt, bestehe das Risiko, dass der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, den Zugriff Dritter auf die Waffe auszuschließen. Dass der Kläger zwischenzeitlich seinen Führerschein wiedererlangt habe, ändere an dem Ergebnis nichts.
Quelle | VG Münster, Urteil vom 1.4.2025, 1 K 2756/22, PM vom 7.4.2025
| Die Ordnungsmaßnahme einer Gesamtschule im Rhein-Kreis-Neuss, einen Zehntklässler mit sofortiger Wirkung von der Schule zu entlassen, weil dieser mit weiteren Jugendlichen einen Obdachlosen angegriffen und auf den am Boden liegenden Mann eingetreten und -geschlagen hat, ist rechtmäßig. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf entschieden und den gegen die Schulentlassung gerichteten Eilantrag des Schülers abgelehnt. |
Schweres Fehlverhalten
Das VG: Die Voraussetzungen der Entlassung von der Schule liegen vor, da der Schüler durch schweres Fehlverhalten die Rechte des Obdachlosen ernstlich verletzt und hierdurch zugleich die Erfüllung der Aufgaben der Schule ernstlich gefährdet hat. Es ist unstreitig, dass der Schüler mit massiver, nahezu hemmungsloser Aggression mindestens achtmal auf den am Boden liegenden Obdachlosen (teils mit Anlauf) eingetreten und (teils mit voller Wucht) mit der Faust gegen dessen Körper und Kopf geschlagen hat, obgleich von dem Mann zu diesem Zeitpunkt erkennbar keinerlei Gefahr ausging und dieser sich – im Gegenteil – die Hände schützend vor seinen Kopf hielt.
Schulfrieden massiv beeinträchtigt
Zugleich hat der Schüler durch dieses Verhalten seine Pflicht verletzt, an der Erfüllung der Aufgaben der Schule mitzuarbeiten. Der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule hat keine festen räumlichen Grenzen. Vielmehr kommt es darauf an, ob das Fehlverhalten – wie hier – störend in den Schulbetrieb hineinwirkt. Dadurch, dass der Schüler während der Schulzeit in der Mittagspause zwischen zwei Unterrichtseinheiten in unmittelbarer Nähe des Schulgeländes den Obdachlosen gemeinsam mit weiteren Jugendlichen angegriffen hat, waren in den darauffolgenden Tagen der Schulfrieden und der Unterricht der Schule massiv beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund handelt es sich nicht um ein bloßes „außerschulisches Fehlverhalten“ des Schülers, sondern wurde der Konflikt in die Schule hineingetragen, da dieses ohne jeden Zweifel erheblich in das Unterrichtsgeschehen der nachfolgenden Tage hineingewirkt hat.
Keine vorherige Androhung erforderlich
Die Entlassung von der Schule ist angesichts des objektiven Schweregrades der Pflichtverletzung und der zeitnah bevorstehenden Zentralen Prüfungen zur Erlangung des Mittleren Schulabschlusses nach Ansicht des VG auch ohne vorherige Androhung der Entlassung von der Schule verhältnismäßig. Die Entlassung des Schülers von der Schule stellt angesichts der besonderen Schwere der Pflichtverletzung das einzig sichere Mittel dar, um weiteres Fehlverhalten des Schülers auszuschließen und den Schulfrieden der Schule wiederherzustellen.
Schüler war bereits vorher auffällig
Bei der Abwägung war insoweit zu berücksichtigen, dass der Schüler bereits im August 2023 einem Mitschüler einen Faustschlag in das Gesicht versetzt hatte, der Antragsteller seine Impulse in Ausnahme- oder Stresssituationen mithin nicht jederzeit unter Kontrolle hat, sondern zu gewalttätigen Reaktionen neigt, und dass zudem die seinerzeit ergriffene Ordnungsmaßnahme offenbar auch nicht die gewünschte nachhaltige positive Verhaltensänderung bei dem Schüler bewirkt hat. Zudem war zu berücksichtigen, dass der Schüler mit Blick auf die am 27.5.2025 beginnenden Zentralen Prüfungen am Ende der Klasse 10 nur noch kurze Zeit den Unterricht besucht.
Angesichts dessen erweisen sich andere, im Verhältnis zur Entlassung von der Schule mildere Ordnungsmaßnahmen – etwa die Überweisung in eine Parallelklasse oder die Androhung der Entlassung von der Schule – ersichtlich als zur Zweckerreichung nicht gleichermaßen geeignet. Denn sowohl die Androhung der Entlassung als auch die Überweisung in eine Parallelklasse können aus Sicht der Kammer bei lebensnaher Betrachtung im Hinblick auf die nur noch verbleibenden wenigen Unterrichtstage erkennbar keinen nennenswerten erzieherischen Einfluss auf den Schüler entfalten.
Quelle | VG Düsseldorf, Beschluss vom 4.4.2025, 18 L 1171/25, PM vom 4.4.2025
| Was dürfen Eigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft beim Thema Gestaltung ihrer Wohnung und was nicht? Diese Frage beschäftigt Gerichte immer wieder – so auch das Amtsgericht (AG) München in einem aktuellen Fall. |
Das beabsichtigten die Eigentümer
Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung in einem neunstöckigen Wohnkomplex. Die Balkone des Gebäudes sind mit einer Loggia ausgestattet. Die Eigentümer der Wohnung planten, zusätzlich zur bereits bestehenden Balkontür, in einem anderen Zimmer der Wohnung ein vorhandenes Fenster zur Balkontür umbauen zu lassen. Hierfür beantragten sie die Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Eigentümergemeinschaft verweigerte die Zustimmung
Diese verweigerte jedoch die Zustimmung aufgrund von Bedenken im Zusammenhang mit der konstruktiven Stabilität, der Gefahr von Kälte- und Wassereintritt und der Sorge, dass die Versetzung eines aktuell vor dem Fenster befindlichen Heizkörpers Auswirkungen auf das Heizungssystem des Gebäudes habe.
Klage vor dem Amtsgericht
Da die Eigentümer sich im Recht wähnten, verklagten sie die Eigentümergemeinschaft vor dem AG auf Zustimmung. Dieses gab den Klägern Recht. Es ersetzte die grundsätzliche Zustimmung zum geplanten Umbau und legte der Eigentümergemeinschaft auf, die Modalitäten und Einzelheiten in der Eigentümerversammlung zu beschließen.
Das AG sagt: Der Umbau eines Fensters stelle jedenfalls hinsichtlich des Mauerdurchbruchs durch die Außenwand eine auf Dauer angelegte gegenständliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums dar, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehe und damit eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums darstelle.
Das Wohnungseigentumsgesetz (hier: § 20 Abs. 3 WEG) begründe einen Anspruch auf Gestattung einer baulichen Veränderung, durch die kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt werde. Eine Beeinträchtigung sei rechtlich nicht relevant, wenn sie nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehe oder die über dieses Maß hinaus beeinträchtigten Wohnungseigentümer einverstanden seien.
Soweit nicht auszuschließen sein soll, dass durch den Einbau eines neuen Heizkörpers Nachteile für das übrige Heizungssystem entstehen könnten, mache die Beklagte keine konkrete und objektive Beeinträchtigung geltend, durch die ein Wohnungseigentümer sich beeinträchtigt fühlen könne.Vielmehr handele es sich hier um ein nicht zu berücksichtigendes hypothetisches Risiko. Auch dass sich der Wandausschnitt, der durch den Einbau einer Terrassentür vergrößert würde, in der Außenmauer des Gebäudes befinde, und damit Gemeinschaftseigentum verändert würde, stelle für sich genommen keine erhebliche Beeinträchtigung dar.
Vorliegend sei nicht ersichtlich, in welcher Weise die in Rede stehende Maßnahme andere Eigentümer konkret beeinträchtigen würde. Soweit die Beklagte geltend mache, es bestünden nicht auszuschließende Folgen für die Abgeschlossenheit der Wohnung sowie die statische Sicherheit, handele es sich wiederum um rein theoretische Bedenken, denen durch entsprechende Auflagen, wie dem Verlangen nach fachkundiger Planung und ggf. statischer Berechnung durch ein Fachunternehmen nach den Regeln der Baukunst, Rechnung getragen werden könne.
Soweit die Beklagte weiter geltend mache, durch eine Veränderung in der Außenhülle des Gebäudes bestehe die Gefahr von Kälte- oder Wassereintritt, sei nicht ersichtlich, inwiefern dies andere Wohnungseigentümer als die Kläger beeinträchtigen sollte. Zudem handele es sich im Hinblick darauf, dass der von dem Mauerdurchbruch betroffenen Wand die Loggia vorgelagert sei, um theoretische Befürchtungen und nicht um konkrete und objektive Beeinträchtigungen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 27.5.2025, 1293 C 26254/24, PM 27/25
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Bei Fehlen eines schriftlichen Energieversorgungsvertrags richtet sich das Leistungsangebot eines Strom- und Gasversorgungsunternehmens an den Vermieter (Eigentümer) – und nicht, wie sonst regelmäßig der Fall, an den Mieter. Dies gilt im Fall einer Wohnung, wenn die einzelnen Zimmer durch separate Mietverträge vermietet sind und diese lediglich über einen Zähler für Strom und Gas verfügt. |
Das war geschehen
Die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, nahm die beklagte Vermieterin auf Zahlung von Entgelt für die Belieferung mit Strom und Gas im Rahmen der Grundversorgung in Anspruch. Die Zimmer der Wohnung waren einzeln mit gesonderten Mietverträgen über unterschiedliche Laufzeiten vermietet, wobei sämtlichen Mietern das Recht zur Nutzung der Gemeinschaftsräume, wie Küche und Bad, eingeräumt wurde. Nur die Wohnung, nicht hingegen die einzelnen Zimmer, verfügte über einen Zähler für Strom und Gas und wurde von der Klägerin mit Strom und Gas beliefert. Ein schriftlicher Energieversorgungsvertrag bestand nicht. Die Parteien stritten, ob ein durch die Entnahme von Strom und Gas konkludent zustande gekommener Versorgungsvertrag mit der Vermieterin (Eigentümerin) oder mit den Mietern besteht.
Die auf Zahlung der Versorgungsentgelte für einen Zeitraum von fünf Jahren gerichtete Klage hat das Amtsgericht (AG) abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht (LG) das erstinstanzliche Urteil geändert und der Klage stattgegeben. Die Beklagte begehrte beim BGH daher, das klageabweisende erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Das Berufungsgericht, so der BGH, hat zu Recht angenommen, dass unter den hier gegebenen Umständen ein Versorgungsvertrag mit der beklagten Vermieterin der Wohnung besteht. Entgegen der Ansicht der Revision war das in der Bereitstellung von Strom und Gas liegende (konkludente) Angebot der Klägerin weder an die Mieter der einzelnen Zimmer noch an die Gesamtheit der Mieter gerichtet.
Zwar haben allein die Mieter Einfluss auf den Strom- und Gasverbrauch in der Wohnung. Jedoch lässt sich dieser Verbrauch – mangels separater Zähler – nicht den einzelnen vermieteten Zimmern zuordnen. Zudem haben die einzelnen Mieter bei objektiver Betrachtung typischerweise kein Interesse daran, auch für die Verbräuche der anderen Mieter einzustehen. Der Umstand, dass sich das konkludente Angebot des Energieversorgungsunternehmens daher an die Vermieterin richtete, ist Folge des von ihr gewählten besonderen Vermietungskonzepts.
Quelle | BGH, Beschluss vom 15.4.2025, VIII ZR 300/23, PM 79/25
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Eine Zuwendung von Todes wegen zugunsten des Hausarztes des Erblassers ist nicht unwirksam, weil sie gegen ein den Hausarzt treffendes berufsständisches Zuwendungsverbot verstößt. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Hausarztes, der den Erblasser seit 2015 behandelt hatte. Im Januar 2016 schloss der Erblasser mit dem Hausarzt sowie der ihn pflegenden Beklagten und deren Tochter vor einem Notar eine als „Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag“ bezeichnete Vereinbarung. In dieser verpflichtete sich der Hausarzt gegenüber dem Erblasser zu verschiedenen ärztlichen Leistungen, unter anderem zu medizinischer Beratung und Behandlung, zu Hausbesuchen und telefonischer Erreichbarkeit sowie zu Betreuungsleistungen im häuslichen Bereich. Als Gegenleistung sollte der Arzt im Falle des Todes des Erblassers das Eigentum an einem dem Erblasser gehörenden Grundstück erhalten. Im März 2016 verfügte der Erblasser in einem notariellen Testament, dass ihn die Beklagte hinsichtlich seines im Vertrag vom Januar 2016 nicht erfassten Vermögens allein beerben solle.
Im Januar 2018 verstarb der Erblasser. Die Pflegerin (Beklagte) nahm seinen Nachlass in Besitz. Im Dezember 2019 wurde über das Vermögen des Hausarztes das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger hat als Insolvenzverwalter die Beklagte auf Übertragung des dem Arzt in der Vereinbarung vom Januar 2016 zugewandten Grundstücks an die Insolvenzmasse in Anspruch genommen.
So sah es der Bundesgerichtshof
Die Zuwendung des Grundstücks an den Hausarzt im Wege des Vermächtnisses ist wirksam. Selbst, wenn der Arzt gegen seine Berufsordnung verstoßen hätte, indem er die Zuwendung annahm, führt dies nicht zur Unwirksamkeit des Vermächtnisses.
Die Berufsordnung für Ärzte (hier: § 32 Abs. 1 S. 1 BO-Ä) regelt als berufsständische Vorschrift das Verhältnis zwischen dem Arzt und der für ihn zuständigen Landesärztekammer. Die Vorschrift verbietet deshalb nur ein Verhalten des Arztes, dem es nicht gestattet ist, Geschenke oder andere Vorteile zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen. Nicht geschützt von diesem Verbot wird hingegen der zuwendende Patient oder die Erwartung seiner Angehörigen, diesen zu beerben. Die Vorschrift zielt darauf ab, die Unabhängigkeit des behandelnden Arztes sowie das Ansehen und die Integrität der Ärzteschaft zu sichern. Dies kann durch berufsrechtliche Sanktionen vonseiten der Ärztekammer ausreichend sichergestellt werden.
Patient hatte Testierfreiheit
Auch die Testierfreiheit des Patienten verbietet es, ein zugunsten des behandelnden Arztes angeordnetes Vermächtnis wegen Verstoßes gegen eine Berufsordnung für unwirksam zu halten. Für eine Beschränkung der Testierfreiheit des Patienten fehlt schon eine ausreichende gesetzliche Grundlage.
Berufungsgericht muss erneut prüfen
Der Senat hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben. Er hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das den Parteien noch Gelegenheit geben muss, zu einem von ihm bislang nicht geprüften Verstoß der Vereinbarung des Vermächtnisses in dem Erbvertrag gegen die guten Sitten vorzutragen.
Quelle | BGH, Urteil vom 2.7.2025, IV ZR 93/24, PM 122/25
| Verkauft eine Kommanditgesellschaft ein Grundstück an eine andere Kommanditgesellschaft, ist dies auch dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB in Verbindung mit § 463 BGB), wenn es sich auf Verkäufer- und Käuferseite jeweils um Einpersonen-GmbH & Co. KGs mit demselben alleinigen Anteilsinhaber handelt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in zwei Parallelverfahren entschieden. |
Das war geschehen
Die Klägerinnen, verschiedene GmbH & Co. KGs, wenden sich gegen die Ausübung von Vorkaufsrechten nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB. Mit notariellen Kaufverträgen von Mai 2021 veräußerten sie Grundstücke an zuvor neu gegründete GmbH & Co. KGs, hinter denen jeweils dieselbe natürliche Person steht, wie auf Verkäuferseite.
Mit Bescheiden von Juli 2021 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht aus, in einem Fall zugunsten der beigeladenen stadteigenen Entwicklungsgesellschaft. Im anderen Verfahren gab die Erstkäuferin (Klägerin zu 2) eine Abwendungserklärung ab.
Klagen zunächst erfolgreich
Die Klagen waren erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht (VG) habe zu Recht angenommen, dass es an dem für ein Vorkaufsrecht erforderlichen Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 463 BGB fehle. Der Begriff des Dritten müsse einschränkend ausgelegt werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei hier nur eine Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre derselben natürlichen Personen erfolgt.
So sah es das Bundesverwaltungsgericht
Das BVerwG hat die angefochtenen Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Die Grundstückskaufverträge sind Verträge mit einem Dritten.
Gesellschaftsrechtlich sind die Kommanditgesellschaften auf Verkäufer- und Käuferseite trotz des Umstands, dass hinter ihnen jeweils dieselbe natürliche Person steht, selbstständige Rechtsträger. Eine wirtschaftliche Betrachtung auf Gesellschafterebene ist weder nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts noch verfassungsrechtlich geboten. Die Klägerinnen haben sich aus eigenem Entschluss für diese Form der Grundstücksübertragung entschieden.
Das BVerwG konnte mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Vorkaufsrechte im Übrigen rechtmäßig ausgeübt wurden. Das erfordert die Zurückverweisung an die Vorinstanz.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 17.6.2025, 4 C 4.24, PM 46/25
| In Architekten- und Ingenieurkammern, in denen die Fortbildung eine Berufspflicht ist und kontrolliert wird, kann das Nichtvorweisen entsprechender Fortbildungspunkte zum Ausschluss aus der jeweiligen Kammer führen. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen klargestellt. |
Fortbildungspflicht nicht erfüllt – zunächst Verweis und Geldbuße
Ein Mitglied der Ingenieurkammer-Bau NRW hatte in einem Jahr seine Fortbildungspflicht nicht erfüllt. Er hatte deshalb einen Verweis erhalten und musste eine Geldbuße zahlen.
Erneuter Pflichtverstoß: Kammerausschluss
Drei und sechs Jahr später geschah das Gleiche. Weil der Ingenieur auch bei der nächsten Stichprobe erneut keine Teilnahmebescheinigungen für anerkannte Fortbildungsveranstaltungen vorlegen konnte, schloss ihn das Berufsgericht aus der Kammer aus.
Oberverwaltungsgericht bestätigt Kammerausschluss
Die Klage dagegen wies das OVG ab. Der Ausschluss sei die angemessene berufsgerichtliche Maßnahme, auch wenn es sich um die schärfste berufsgerichtliche Sanktion handele. Die nochmalige Festsetzung einer Geldbuße als mildere Maßnahme komme nicht in Betracht.
Quelle | OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.8.2025, 39 A 834/24
| Lange war es ruhig um das sog. Kopplungsverbot. Jetzt hat das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg einen solchen Fall entschieden. Dieses stellt klar: Tritt ein Architekt wie ein Bauträger auf, findet das Kopplungsverbot Anwendung. Der Vertrag ist – wie hier entschieden – nichtig. |
Das besagt das Kopplungsverbot
Das Kopplungsverbot im Architektenrecht verbietet es, den Erwerb eines Grundstücks mit der Pflicht zu verbinden, einen bestimmten Architekten oder Ingenieur damit zu beauftragen, ein Bauwerk zu planen oder auszuführen. So soll der freie Wettbewerb unter Architekten geschützt werden. Außerdem soll so verhindert werden, dass sich Einzelne durch die Verknüpfung von Grundstückserwerb und Architektenleistung eine monopolartige Stellung verschaffen.
Bauherren werden geschützt
Das Verbot richtet sich gegen jede mit dem Erwerb eines Grundstücks zusammenhängende Bindung, die den Wettbewerb von Ingenieuren und Architekten beeinträchtigt. Die Vorschrift soll der Gefahr entgegenwirken, dass ein Architekt oder Ingenieur sich bei knapp gewordenem Baugrund dadurch Wettbewerbsvorteile verschafft, dass er ein Grundstück an der Hand hat.
Geschützt wird die Entschließungsfreiheit des Bauherrn, durch den Kauf eines Grundstücks, auf dem gebaut werden soll, nicht an einen bestimmten Architekten oder Ingenieur gebunden zu sein.
Quelle | OLG Nürnberg, Beschluss vom 8.5.2025, 6 U 1787/24
| Diese Frage musste das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf klären. Es neigte dazu, sie negativ zu beantworten. Die Parteien haben sich daraufhin entsprechend einem Vorschlag des Gerichts verglichen. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist seit 2013 in Vollzeit und im Schichtdienst an fünf Tagen in der Woche als Spielhallenaufsicht bei der Beklagten beschäftigt. Diese betreibt Spielhallen mit üblichem Publikumsverkehr und bietet dort u. a. Getränke an. Ausweislich der arbeitsvertraglich vereinbarten Stellenbeschreibung sind Haustiere in der Spielhalle verboten.
Im Jahr 2019 schloss die Klägerin mit der Hundehilfe Deutschland e.V. einen Tierüberlassungsschutzvertrag. Nachdem zunächst auch der Vater der Klägerin auf die Hündin aufgepasst hatte, brachte sie das Tier jedenfalls nach dem Ende der Corona-Lockdowns regelmäßig mit zur Arbeit. Verschiedene wechselnde Vorgesetzte erhoben zunächst keine Einwände. Ihr aktueller Vorgesetzter teilte ihr mit, dass der Geschäftsführer das Mitbringen der Hündin an den Arbeitsplatz nicht dulden werde bzw. – so die Klägerin – würde. Der Geschäftsführer der Beklagten bat die Klägerin dann schriftlich unter Bezugnahme auf die Stellenbeschreibung, es künftig zu unterlassen, die Hündin mit zur Arbeit zu bringen.
So sah es das Landesarbeitsgericht
Mit ihrer einstweiligen Verfügung hat die Klägerin begehrt, der Beklagten aufzugeben, die Mitnahme der Hündin während ihrer Arbeitszeiten in die Spielhalle bis zur erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache zu dulden. Die Kammer hat dann in der mündlichen Verhandlung im Rechtsgespräch mitgeteilt, dass sie davon ausgehe, dass das vertragliche Verbot weiterbestehen dürfte.
Die bloße Nichtdurchsetzung eines Verbots führe nicht zu dessen Aufhebung. Es spreche viel dafür, dass die Arbeitgeberin berechtigt sei, dies durchzusetzen, weil Kunden die Spielhalle z. B. aufgrund einer Tierhaarallergie oder Angst vor Hunden ggf. erst gar nicht aufsuchten. In der Verhandlung hat die Arbeitgeberin zudem angeführt, dass Beschäftigte in anderen von ihr betriebenen Spielhallen begännen, sich auf die von der Klägerin gelebte Praxis zu berufen.
Vergleich geschlossen
Das LAG hat dann mitgeteilt, dass die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Düsseldorf, das den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen hatte, wenig Aussicht auf Erfolg habe. Um die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und eine Gewöhnung der Hündin an andere Betreuungsmöglichkeiten zu ermöglichen, haben die Parteien auf Vorschlag des Gerichts einen Vergleich – auch zur Erledigung der Hauptsache – geschlossen. Die Klägerin durfte ihre Hündin noch für eine Übergangszeit von knapp zwei Monaten an den Arbeitsplatz mitbringen, danach jedoch nicht mehr.
Quelle | LAG Düsseldorf, Vergleich vom 8.4.2025, 8 GLa 5/25, PM vom 8.4.2025
| Ein Arbeitsgericht (ArbG) hatte bereits im letzten Jahr entschieden, dass ein Leiharbeitnehmer nicht ohne Weiteres eine Inflationsausgleichsprämie erhält, die im Entleiherbetrieb den dort Beschäftigten gezahlt wird. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holsteinhat dies nun bestätigt. |
So sah es die Arbeitnehmerin
Die Klägerin wurde von ihrer Arbeitgeberin, einem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen, in einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie („Entleiherin“) eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis endete zum 31.7.2023. Der Arbeitsvertrag der Parteien verwies u. a. auf die für Leiharbeitnehmer geltenden Tarifverträge über Branchenzuschläge für die Metall- und Elektroindustrie („TV BZ ME“) sowie Inflationsausgleichsprämie („TV IAPME“). Die Entleiherin füllte der Beklagten einen „Fragebogen zur Ermittlung von Equal Pay sowie des Branchenzuschlags ab dem 16. Einsatzmonat“ aus.
Die Mitarbeiter im Betrieb der Entleiherin erhielten im Juni 2023 eine Inflationsausgleichsprämie i.H.v. 1.000 Euro, die Klägerin dagegen nicht. Sie macht nun gerichtlich diese 1.000 Euro sowie weitere 1.200 Euro geltend.
Für die erste Zahlung bestehe durch den Fragebogen eine Equal-Pay-Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin, der Beklagten. Im Übrigen sei die Gleichstellung nicht per Tarifvertrag ausgeschlossen worden.
Hinsichtlich der zweiten Zahlung könne die Inflationsausgleichsprämie nach dem TV IAP ME bereits verlangt werden, wenn deren Voraussetzungen nach Inkrafttreten des Tarifvertrags, aber vor dem ersten Auszahlungszeitpunkt im Januar 2024 erfüllt gewesen seien. Damit sei die Prämie auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszuzahlen.
Landesarbeitsgericht: keine Equal-Pay-Vereinbarung und fehlender Vortrag
Das LAG entschied, dass der o. g. ausgefüllte Fragenbogen keine Equal-Pay-Vereinbarung mit deren Arbeitnehmern darstellt. Die Klägerin hat auch nicht die Voraussetzungen für eine Gleichstellung mit den Mitarbeitern der Entleiherin vorgetragen.
Dazu muss sie als darlegungs- und beweisbelaste Klägerin einen Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum vornehmen. Dem wird sie nicht gerecht: Der Verweis, der Klägerin müsse die Inflationsausgleichsprämie schon deshalb gezahlt werden, weil die Stammarbeitnehmer der Entleiherin diese erhalten hätten, reicht dafür nicht aus.
Die Klägerin kann die Inflationsausgleichsprämien auch nicht aus dem TV IAP ME beanspruchen: Die Auslegung des Tarifvertrags ergibt, dass im jeweiligen Auszahlungsmonat (Januar bis November 2024) der tariflichen Inflationsausgleichsprämien – anders als die Klägerin meint – noch ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden haben muss. Hier endete das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin aber bereits im Jahr 2023.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6.3.2025, 5 Sa 222 d/24, PM des LAG
| Dem Arbeitgeber kann weder die Kenntnis der Schwerbehindertenvertretung noch die eines Fachvorgesetzten von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zugerechnet werden. So sieht es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln in einer aktuellen Entscheidung. |
Keine rechtsgeschäftlichen Vertreter
Weder die Schwerbehindertenvertretung noch der Fachvorgesetzte des Arbeitnehmers hätten eine Stellung, die einem rechtsgeschäftlichen Vertreter des Arbeitgebers ähnlich sei. Denn die Schwerbehindertenvertretung vertrete die Interessen der schwerbehinderten Menschen gegenüber dem Arbeitsgericht. Sie sei nicht seiner Sphäre zuzurechnen.
Schwerbehindertenvertretung kümmert sich nicht um personalrechtliche Belange
Sie kümmere sich auch nicht um personalrechtliche Belange aus der Sicht des Arbeitgebers, sondern allenfalls aus der Sicht der schwerbehinderten Mitarbeiter.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 7.5.2025, 4 SLa 438/24
| Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen einer Universität und des durch die Universität disziplinarrechtlich beklagten Universitätsprofessors gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Göttingen jeweils zurückgewiesen, mit dem dieses den Universitätsprofessor um zwei Besoldungsgruppen von W 3 auf W 1 zurückgestuft hat. |
Das war geschehen
Die Universität hatte mit der von ihr gegen den Professor erhobenen Disziplinarklage seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erstrebt. Das VG hat mit der von beiden Beteiligten angegriffenen Entscheidung hingegen auf eine Zurückstufung um zwei Besoldungsstufen erkannt.
Nach der Vernehmung von neun Zeugen und unter Berücksichtigung der bereits durch das VG erhobenen Beweise hat das OVG es als erwiesen angesehen, dass der Universitätsprofessor mehrfach und über Jahre hinweg Studentinnen, Doktorandinnen und Mitarbeiterinnen grenzüberschreitend berührt und sich ihnen gegenüber anzüglich geäußert hatte.
So sah es das Oberverwaltungsgericht
Das OVG hat die erstinstanzliche Entscheidung mit seinem Urteil bestätigt. Der Universitätsprofessor habe ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen, das den Ausspruch der zweithöchsten Disziplinarmaßnahme erfordere. Ihm würden daher für einen Zeitraum von fünf Jahren die Bezüge aus der niedrigeren Besoldungsgruppe W 1 gezahlt, wobei er sein Statusamt als Universitätsprofessor behalte.
Mit seinem Verhalten habe er seine beamtenrechtliche Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verletzt. Erschwerend hat das OVG berücksichtigt, dass akademische Nachwuchskräfte in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu Professoren stünden, das über das übliche Verhältnis von Vorgesetzten und Beschäftigten weit hinausgehe.
Der Beklagte sei seiner mit besonderer Verantwortung einhergehenden Stellung als Universitätsprofessor nicht gerecht geworden und habe diese vielmehr dazu ausgenutzt, seine Macht zu demonstrieren und die betroffenen weiblichen Nachwuchskräfte in ihrer Würde zu verletzen. Sein Verhalten habe er zudem insbesondere trotz der Pflichtenmahnung durch die damalige Präsidentin der Universität in den Jahren 2012 und 2013 nicht verändert. Mildernd berücksichtigt hat das OVG demgegenüber die Länge des Disziplinarverfahrens von ca. acht Jahren, die sich für den Beklagten belastend ausgewirkt habe.
Die Entscheidung des Senats ist rechtskräftig.
Quelle | OVG Lüneburg, Urteil vom 25.6.2025, 3 LD 1/24, PM vom 30.6.2025
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass eine Methode zur Aufteilung des Verkaufspreises eines Sparmenüs nicht sachgerecht ist, wenn sie dazu führt, dass auf ein Produkt des Sparmenüs (z. B. Burger) ein anteiliger Verkaufspreis entfällt, der höher ist als der Einzelverkaufspreis. |
Hintergrund: Bei Sparmenüs, die zum Pauschalpreis angeboten und als „Außer-Haus-Menüs“ verkauft werden, ist hinsichtlich der Speisenlieferung der ermäßigte Steuersatz (7 %) und hinsichtlich des Getränks der Regelsteuersatz (19 %) anzuwenden. Wird vor Ort verzehrt, stellt sich die Aufteilungsfrage grundsätzlich nicht, da es sich um eine Restaurationsleistung handelt, sodass auch die Speisen mit 19 % zu versteuern sind.
Beachten Sie | Dies könnte sich aber bald ändern. Denn im Koalitionsvertrag steht, dass die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie zum 1.1.2026 auf 7 % reduziert werden soll.
Das war geschehen
Zwei GmbHs betrieben als Franchisenehmer Schnellrestaurants, in denen u. a. Sparmenüs (z. B. Getränk, Burger und Pommes frites) zu einem einheitlichen Gesamtpreis zum Verzehr außer Haus verkauft wurden.
„Food-and-Paper“-Methode zur Aufteilung von Speisen und Getränken
Die GmbHs teilten den Gesamtpreis des Sparmenüs nach der „Food-and-Paper“-Methode auf die Speisen und das Getränk auf. Die Aufteilung erfolgt dabei anhand des Wareneinsatzes, das heißt, der Summe aller Aufwendungen für die Speisen bzw. für das Getränk. Da in der Gastronomie die Gewinnspanne auf Getränke typischerweise deutlich höher ist als die Gewinnspanne auf Speisen, ergibt sich hieraus eine niedrigere Umsatzsteuer als bei einer Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen.
Das Finanzamt hielt diese Aufteilungsmethode für unzulässig, weil sie nicht so einfach sei, wie eine Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen und außerdem nicht zu sachgerechten Ergebnissen führe. Demgegenüber hielt das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg die „Food-and-Paper“-Methode für zulässig, der BFH aber nicht.
Aufteilung muss sachgerecht sein
Der BFH führte zwar aus, dass (entgegen der Ansicht des Finanzamts) der Unternehmer nicht immer die einfachste Methode anwenden muss. Wenn eine andere Methode zumindest ebenso sachgerecht ist, wie die Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen, darf er auch die andere Methode anwenden.
Gleichwohl erkannte der BFH die „Food-and-Paper“-Methode nicht an, weil sie in manchen Fällen dazu führt, dass der Preis eines Burgers mit einem hohen Wareneinsatz im Menü über dem Einzelverkaufspreis des Burgers liegt. Es widerspricht der wirtschaftlichen Realität, dass der Verkaufspreis eines Produkts in einem mit Rabatt verkauften Menü höher sein kann als der Einzelverkaufspreis.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 19/23, PM 38/25 vom 5.6.2025
| Seit dem 1.1.2025 beträgt der gesetzliche Mindestlohn 12,82 Euro pro Stunde. Die Mindestlohnkommission hat nun eine stufenweise Erhöhung des Mindestlohns auf 13,90 Euro zum 1.1.2026 und auf 14,60 Euro zum 1.1.2027 beschlossen. |
Hintergrund: Mindestlohngesetz
Im Mindestlohngesetz ist geregelt, dass „die Mindestlohnkommission alle zwei Jahre über Anpassungen der Höhe des Mindestlohns zu beschließen“ hat. Diesem Auftrag ist die Kommission in ihrer Sitzung vom 27.6.2025 nun nachgekommen. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas hat bereits angekündigt, der Bundesregierung vorzuschlagen, die Anpassung durch Rechtsverordnung zum 1.1.2026 verbindlich zu machen.
Folge: Auch erhöhte Minijob-Grenze
Die Erhöhung hat auch Auswirkungen auf die Minijob-Grenze( derzeit 556 Euro monatlich), da diese an den Mindestlohn „gekoppelt“ ist.
Beachten Sie | Die Geringfügigkeitsgrenze bezeichnet das monatliche Arbeitsentgelt, das bei einer Arbeitszeit von zehn Wochenstunden zum Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (hier: § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG ) erzielt wird. Sie wird berechnet, indem der Mindestlohn mit 130 vervielfacht, durch drei geteilt und auf volle Euro aufgerundet wird.
Das bedeutet Folgendes: Bei einem gesetzlichen Mindestlohn von 13,90 Euro ergibt sich ab dem 1.1.2026 eine Geringfügigkeitsgrenze von 603 Euro (13,90 Euro × 130 ÷ 3). Ab dem 1.1.2027 sind es dann 633 Euro.
Quelle | BMAS, Mitteilung vom 27.6.2025: „Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1.1.2026“
| Verkauft eine Kommanditgesellschaft (KG) ein Grundstück an eine andere KG, ist dies auch dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB in Verbindung mit § 463 BGB), wenn es sich auf Verkäufer- und Käuferseite jeweils um Einpersonen-GmbH & Co. KG mit demselben alleinigen Anteilsinhaber handelt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in zwei Parallelverfahren entschieden. |
Das war geschehen
Die Klägerinnen, verschiedene GmbH & Co. KG, wenden sich gegen die Ausübung von Vorkaufsrechten nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB. Mit notariellen Kaufverträgen von Mai 2021 veräußerten sie Grundstücke an zuvor neu gegründete GmbH & Co. KG, hinter denen jeweils dieselbe natürliche Person steht wie auf Verkäuferseite. Mit Bescheiden von Juli 2021 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht aus, in einem Fall zugunsten der beigeladenen stadteigenen Entwicklungsgesellschaft. Im anderen Verfahren gab eine der Klägerinnen, die Erstkäuferin, eine Abwendungserklärung ab.
Die Klagen waren erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht (VG) habe zu Recht angenommen, dass es an dem für ein Vorkaufsrecht erforderlichen Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 463 BGB fehle. Der Begriff des Dritten müsse einschränkend ausgelegt werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei hier nur eine Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre derselben natürlichen Personen erfolgt.
So sieht es das Bundesverwaltungsgericht
Das BVerwG hat die angefochtenen Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Die Grundstückskaufverträge sind Verträge mit einem Dritten. Gesellschaftsrechtlich sind die KG auf Verkäufer- und Käuferseite trotz des Umstands, dass hinter ihnen jeweils dieselbe natürliche Person steht, selbstständige Rechtsträger.
Eine wirtschaftliche Betrachtung auf Gesellschafterebene ist weder nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts noch verfassungsrechtlich geboten. Die Klägerinnen haben sich aus eigenem Entschluss für diese Form der Grundstücksübertragung entschieden. Das BVerwG konnte mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Vorkaufsrechte im Übrigen rechtmäßig ausgeübt wurden. Das erfordert die Zurückverweisung an die Vorinstanz.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 17.6.2025, 4 C 4.24, PM 46/25
| Die Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) hat jüngst mitgeteilt, dass die Steuerfahndung ein Datenpaket mehrerer Social-Media-Plattformen analysiert. Ziel der Ermittlungen sind professionelle Influencer, die ihre steuerlichen Pflichten mit hoher krimineller Energie umgehen. |
300 Mio. Euro Steuervolumen
Das Influencer-Team des Landesamts zur Bekämpfung der Finanzkriminalität in NRW (LBF NRW) ist vorsätzlichen Steuerbetrügern in den sozialen Netzwerken auf der Spur. Derzeit werten die Experten ein Datenpaket von mehreren großen Plattformen aus. Darin enthalten sind 6.000 Datensätze, die auf nicht versteuerte Gewinne mit Werbung, Abos und Co. hinweisen. Sie beziehen sich nur auf Influencer aus NRW und umfassen ein strafrechtlich relevantes Steuervolumen in Höhe von rund 300 Mio. Euro.
Nur „Große Fische“ im Visier
Im Visier stehen die „großen Fische“. Stephanie Thien, Leiterin des LBF NRW, betont: „Im Fokus unseres Influencer-Teams stehen ausdrücklich nicht junge Menschen, die ein paar Follower gesammelt und ein paar Cremes oder Kleider beworben haben.“
Beachten Sie | Auch die Finanzämter in Hamburg nehmen die Influencer ins Visier. Bereits im Jahr 2022 wurde eine Expertengruppe zur Besteuerung von Influencern und anderen Social-Media-Akteuren gegründet. Seit 2024 wird die Branche im Zuge einer Branchenprüfung verstärkt in den Fokus genommen.
Quelle | Finanzverwaltung NRW, Mitteilung vom 15.7.2025: „Verdacht auf Steuerbetrug in großem Stil: LBF NRW wertet Influencer-Datenpaket aus“; Finanzbehörde Hamburg, Mitteilung vom 17.7.2025: „Auch Hamburger Finanzämter nehmen Influencerinnen und Influencer ins Visier“
| Die Übernachtungspauschale für Berufskraftfahrer mit mehrtägiger Auswärtstätigkeit setzt neben dem bestehenden Anspruch auf eine Verpflegungspauschale eine tatsächliche Übernachtung in dem Kraftfahrzeug voraus. Die Pauschale steht einem Berufskraftfahrer daher nicht für jeden An- und Abreisetag zu. So sieht es zumindest das Finanzgericht (FG) Thüringen. Wegen der anhängigen Revision ist nun der Bundesfinanzhof (BFH) gefragt. |
Werbungskostenabzug
Hintergrund: Entstehen einem Arbeitnehmer während seiner auswärtigen beruflichen Tätigkeit auf einem Kfz des Arbeitgebers oder eines vom Arbeitgeber beauftragten Dritten im Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kfz Aufwendungen (insbesondere Gebühren für die Toilettenbenutzung sowie Park- und Abstellgebühren), kann er diese als Werbungskosten abziehen.
Beachten Sie | Anstelle der tatsächlichen Aufwendungen ist allerdings auch eine Pauschale i. H. von 9 Euro für Kalendertage möglich, an denen der Arbeitnehmer in dem Kfz übernachtet und eine Pauschale für Verpflegungsmehraufwand geltend machen kann.
Bundesfinanzhof ist gefragt
Der BFH muss nun entscheiden, ob die Pauschale durch die Kopplung an die Verpflegungspauschalen auch für den An- und Abreisetag zu gewähren ist.
Oder anders ausgedrückt: Kann ein Arbeitnehmer, der am Montag seine Tour startet, auf dem Fahrzeug übernachtet und am Freitag zurückkehrt, die Pauschale für fünf oder nur für vier Tage absetzen? Denn für fünf Tage ist Verpflegungsmehraufwand abzugsfähig, er übernachtet in dem Fahrzeug jedoch nur viermal.
Quelle | FG Thüringen, Urteil vom 18.6.2024, 2 K 534/22, Rev. BFH: VI R 6/25
| Bisher konnten Anfragen an das Bundeszentralamt für Steuern zur Bestätigung ausländischer Umsatzsteuer-Identifikationsnummern schriftlich, über das Internet oder telefonisch erfolgen. Doch das hat sich seit dem 20.7.2025 geändert. Seitdem können etwaige Anfragen ausschließlich über die vom Bundeszentralamt für Steuern im Internet bereitgestellte Online-Abfrage durchgeführt werden. |
Hintergrund: Innergemeinschaftliche Lieferungen sind von der Umsatzsteuer befreit. Seit dem 1.1.2020 ist die Verwendung einer gültigen ausländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer durch den Kunden zwingende Voraussetzung für die Umsatzsteuerfreiheit. Dies ist im Umsatzsteuergesetz (hier: § 6 a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 4 UStG) geregelt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 6.6.2025, III C 5 - S 7427-d/00014/001/002
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat eine steuerzahlerfreundliche Entscheidung getroffen: Führt der Steuerpflichtige im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung am Ort des Lebensmittelpunkts einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung nicht. |
Hintergrund: Notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen, können als Werbungskosten steuerlich abgesetzt werden.
Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt. Hierbei darf sich der Lebensmittelpunkt nicht am Beschäftigungsort befinden.
Zudem ist die einschlägige Vorschrift des Einkommensteuergesetzes (hier: § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 3 EStG) zu beachten: „Das Vorliegen eines eigenen Hausstandes setzt das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus.“ Um diese Voraussetzung ging es im Fall des BGH.
Das war geschehen
Der 1986 geborene Steuerpflichtige bewohnte das Obergeschoss im Wohnhaus seiner Eltern – und zwar allein und unentgeltlich. Zudem hatte er am Ort seiner nichtselbstständigen wissenschaftlichen Tätigkeit eine Unterkunft und machte Kosten für eine doppelte Haushaltsführung geltend. Das Finanzamt erkannte die doppelte Haushaltsführung allerdings mangels finanzieller Beteiligung am Haushalt der Eltern nicht an und berücksichtigte nur Fahrtkosten als Werbungskosten. So sah das auch das Finanzgericht (FG) München, nicht aber der BFH, der die Vorentscheidung aufhob.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Wohnung, die der Steuerpflichtige außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte innehat, seinen Erst- oder Haupthaushalt darstellen muss (Stichwort: Lebensmittelpunkt). Es ist entscheidend, dass sich der Steuerpflichtige in dem Haushalt – im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit – aufhält. Allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte reicht nicht. Ferner darf der Steuerpflichtige nicht nur in einen anderen Hausstand eingegliedert sein, wie es regelmäßig bei jungen Arbeitnehmern der Fall ist, die nach Beendigung der Ausbildung weiterhin im elterlichen Haushalt ihre Zimmer bewohnen. Die elterliche Wohnung kann zwar, wie bisher, der Mittelpunkt der Lebensinteressen sein, sie ist aber kein vom Kind unterhaltener eigener Hausstand. Wird jedoch der Haushalt in einer in sich abgeschlossenen Wohnung geführt, die auch nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet, wird regelmäßig vom Unterhalten eines eigenen Hausstands ausgegangen.
Sohn wohnte noch zu Hause – aber in eigener Wohnung
Im Streitfall hatten die Eltern dem Steuerpflichtigen sämtliche Räumlichkeiten im Obergeschoss ihres Hauses zur Nutzung überlassen. Hierbei handelte es sich um eine Wohnung, die dem Steuerpflichtigen nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet. Der Umstand, dass es sich hierbei um eine (bloße) Nutzungsüberlassung und nicht um ein Mietverhältnis handelt, steht dem nicht entgegen. Ob die Wohnung im Obergeschoss gegenüber der von den Eltern bewohnten Wohnung im Erdgeschoss baulich abgeschlossen ist, ist für das Vorliegen eines eigenen Hausstands ebenfalls unerheblich. Für einen eigenen Hausstand ist es zudem erforderlich, dass eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung erfolgt – aber nur, soweit der Steuerpflichtige am Lebensmittelpunkt einem Mehrpersonenhaushalt (z. B. im Rahmen eines Mehrgenerationenhaushalts) angehört. Denn nur, wenn mehrere Personen einen gemeinsamen Haushalt führen, kann sich der Einzelne an den Kosten dieses Haushalts und damit den Kosten der Lebensführung beteiligen.
„Denknotwendig‘“: Ein-Personen-Haushalt trägt immer gesamte Kosten
Führt der Steuerpflichtige dagegen (wie im Streitfall) einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten dieses Haushalts nicht. Denn die Kosten der Lebensführung eines Ein-Personen-Haushalts werden denknotwendig von dieser einen Person getragen. Woher die hierfür erforderlichen Mittel stammen – ob aus eigenen Einkünften, staatlichen Transferleistungen, Darlehen, Unterhaltsleistungen oder familiären Geldgeschenken – ist unerheblich.
Quelle | BFH, Urteil vom 29.4.2025, VI R 12/23
| Aufwendungen für die eigene Bestattungsvorsorge sind nicht als außergewöhnliche Belastungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 33 Abs. 1 EStG) abziehbar. Das hat das Finanzgericht (FG) Münster entschieden. |
Das war geschehen
Ein Steuerpflichtiger hatte einen Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag abgeschlossen. Den Betrag in Höhe von 6.500 Euro machte er als außergewöhnliche Belastungen geltend. Begründung: Da die Übernahme der Beerdigungskosten auf Ebene des Erben zu außergewöhnlichen Belastungen führen könne, dürfe nichts anderes gelten, wenn er selbst einen Bestattungsvorsorgevertrag abschließe, um seinen Angehörigen die Beerdigungskosten zu ersparen. Das FG ist dieser Argumentation indes nicht gefolgt.
Vom Anwendungsbereich des § 33 EStG sind die üblichen Aufwendungen der Lebensführung ausgeschlossen, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind.
Argumentation: Eigener Sterbefall nicht „außergewöhnlich“…
Bei Aufwendungen für eine Bestattungsvorsorge handelt es sich nicht um Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf, die derart außergewöhnlich wären, dass sie sich einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Denn der Eintritt des Todes und damit die Notwendigkeit, bestattet zu werden, trifft jeden Steuerpflichtigen. Es handelt sich damit nicht um Aufwendungen, die größer sind als die, die einer Mehrzahl der Steuerpflichtigen erwachsen.
… Beerdigungskosten für Dritte hingegen schon
Der Unterschied zu den Aufwendungen für Beerdigungskosten naher Angehöriger besteht bereits darin, dass nicht jeder Steuerpflichtige irgendwann einmal solche Aufwendungen für einen nahen Angehörigen zu tragen hat und auch nicht jeder Steuerpflichtige etwa auch in der Anzahl und Höhe solcher Aufwendungen gleich belastet ist.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 23.6.2025, 10 K 1483/24 E
| Ein Verbrauchsgüterkauf und die Anforderungen an die vorvertragliche Informationspflicht des verkaufenden Unternehmers gegenüber dem kaufenden Verbraucher beschäftigte das Landgericht (LG) Kiel. |
In der Annonce war das Fahrzeug ohne Hinweis auf einen Unfallschaden angepriesen. Im Kaufvertrag und in der vorvertraglichen Information fand sich der Vermerk „entgegen der Annonce Unfallschaden lt. Vorbesitzer“. Genügt das für die wirksame negative Beschaffenheitsvereinbarung?
„Nein“, sagt das LG. Diese Angabe hätte zum einen hervorgehoben, also quasi unübersehbar gestaltet werden müssen. Zum anderen hätte genauer über Art und Umfang des Vorschadens aufgeklärt werden müssen.
Quelle | LG Kiel, Urteil vom 8.5.2025, 6 O 276/23
| Das Landgericht Frankenthal (LG) hat einen Fall entschieden, der in manchem Handwerksbetrieb für Aufsehen sorgen dürfte. Einem Handwerker, der einen Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, steht im Fall des Widerrufs auch nach vollständig erbrachter Arbeit kein Geld zu. Das LG hat deshalb die Klage eines Gartenbauers auf Zahlung des kompletten Werklohns abgewiesen. |
Streit um Rechnung
Im April 2024 bestellte der Besitzer eines großen Gartens den Gartenbauer auf sein Grundstück. Vor Ort gab der Gartenbesitzer umfangreiche Arbeiten an dem völlig verwilderten Gelände in Auftrag. Nach Abschluss der Arbeiten stellte der Gartenbauer seine Rechnung in Höhe von knapp 19.000 Euro. Es kam aber zum Streit über den vereinbarten Stundensatz sowie die Frage, ob die erstellte Rechnung prüffähig sei. Der Gartenbesitzer verweigerte schließlich die Zahlung und widerrief den Vertrag im September 2024.
Auftraggeber durfte sich auf Widerrufsrecht berufen
Das LG gab dem Gartenbesitzer vollumfänglich Recht. Da er als Verbraucher anzusehen sei und sämtliche Arbeiten außerhalb von Geschäftsräumen in Auftrag gegeben wurden, stehe ihm ein gesetzliches Widerrufsrecht zu. Die grundsätzlich mit Vertragsschluss beginnende vierzehntägige Widerrufsfrist habe nicht zu laufen begonnen, weil der Gartenbauer den Verbraucher nicht darüber belehrt habe. Es gelte in diesem Fall eine Höchstfrist von einem Jahr und vierzehn Tagen für den Widerruf, die vorliegend eingehalten worden sei. Der Anspruch des Werkunternehmers auf Werklohn sei dadurch vollständig entfallen. Wegen der unterlassenen Belehrung könne er auch keinen Wertersatz oder einen sonstigen Ausgleich für seine Arbeit verlangen. Denn das europäische Verbraucherschutzrecht verlange bei einer unterlassenen Widerrufsbelehrung eine Sanktion von Unternehmern, um sie zur ordnungsgemäßen Belehrung anzuhalten, so das LG unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 15.4.2025, 8 O 214/24, PM vom 29.4.2025; EuGH, Urteil vom 17.5.2023, C-91/22
| Das Landgericht (LG) Köln hat die Klage der Inhaberin einer Entrümpelungsfirma gerichtet auf Zahlung eines Teilbetrags (100.000 Euro) für in der Wohnung entdecktes Bargeld von über 600.000 Euro als auch Finderlohn abgewiesen. Insbesondere vertragliche Ansprüche würden ausscheiden, da eine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Entrümpelungsunternehmens unwirksam sei, dass mit Beginn der Tätigkeit alle in dem Auftragshaushalt befindlichen Gegenstände in das Eigentum des Auftragnehmers übergehen. Das LG hat zudem festgestellt, dass der Inhaberin auch keine weiteren Ansprüche auf Zahlung wegen des Bargeldes sowie auf Herausgabe von Schmuck und Münzen oder entsprechenden Wertersatz zustehen. |
Das war geschehen
Die Klägerin betreibt in Bayern ein Unternehmen zur Entrümpelung von Wohnungen. Die Beklagte, für die eine Betreuung angeordnet ist, lebte bis zum Jahr 2022 in Bayern. Nachdem der ebenfalls unter Betreuung stehende Lebensgefährte nicht mehr in der Wohnung leben konnte, wollte die Beklagte nach Köln ziehen. Die Beklagte, vertreten durch ihren Betreuer, beauftragte die Klägerin mit der Entrümpelung der im Eigentum der Beklagten stehenden Wohnung gegen Zahlung von knapp 2.900 Euro.
Vereinbarung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Die Parteien vereinbarten die Geltung der AGB der Klägerin. Darin ist u. a. geregelt: „Bei all unseren angebotenen Leistungen, […] sind in den Räumlichkeiten befindliche Wertgegenstände vorab vom Auftraggeber (Kunden) zu entfernen bzw. sicherzustellen. Mit Beginn der Tätigkeit gehen alle in dem Auftragshaushalt befindlichen Gegenstände in das Eigentum des Auftragnehmers über. Die weitere Verwertung obliegt dem Auftragnehmer.“
Erhebliche Bargeldsumme und Schmuck
Für den Betreuer der Beklagten übergab die Betreuerin des Lebensgefährten die von ihr durchgesehene Wohnung an die Klägerin. Die Klägerin und ihre Mitarbeiter räumten zunächst die Wohnung, in der sie unter anderem in Windelpackungen und an anderen streitigen Orten Bargeld in Höhe von 557.000 Euro sowie Schmuck und Münzen mit einem durchschnittlichen Verkehrswert von 29.017 Euro bis 32.017 Euro fanden. Bargeld, Schmuck und Münzen wurden auf Wunsch des Betreuers der Beklagten an die Betreuerin des Lebensgefährten herausgegeben. Ebenso geschah es mit später im Keller der Wohnung in einem Koffer aufgefundenem weiteren Bargeld in Höhe von 66.500 Euro. Die Parteien verständigten sich wegen des Mehraufwands der Klägerin bezüglich der Abwicklung von Bargeld, Schmuck und Münzen auf die Zahlung von Mehrvergütung in Höhe von 2.000 Euro zzgl. Umsatzsteuer. Außergerichtliche Aufforderungen der Klägerin auf Auszahlung des aufgefundenen Geldbetrags und des Schmucks seitens der Beklagten blieben erfolglos.
So sah es das Landgericht
Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagte wegen des aufgefundenen Bargelds und Finderlohns auf einen Teilbetrag von 100.000 Euro in Anspruch. Sie ist insbesondere der Ansicht, dass ihr ein Anspruch darauf aufgrund der Regelung in ihren AGB zustehe. Der Betreuer der Beklagten habe bei der Durchsicht der Wohnung vor Übergabe an die Klägerin seine Pflichten verletzt. Zudem behauptet sie, sie habe Geld, Schmuck und Münzen nur herausgegeben, um für eine sichere Verwahrung zu sorgen, nachdem – was die Beklagte in Abrede stellt – eine Bank die Annahme verweigert habe. Dieser Argumentation ist das LG nicht gefolgt. Zur Begründung führte das LG insbesondere aus, dass der Klägerin aus dem Vertrag keinerlei Ansprüche zustehen würden. Die in ihren AGB verwendete, o. g. Klausel sei unwirksam, weil sie eine Erklärung des Auftraggebers, hier die für einen Eigentumsübergang notwendige Übereignungserklärung fingiere, ohne dem Auftraggeber die Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung zu eröffnen und ihn unangemessen benachteilige.
Eigentumsverhältnisse eindeutig
Mögliche Ansprüche auf Herausgabe des Geldes aus Eigentumsgesichtspunkten nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 985 BGB) lehnt das LG ebenso ab, da die Klägerin ihr Eigentum jedenfalls aufgrund der Einzahlung des Bargelds bei einem Kreditinstitut verloren habe. § 985 BGB begründe keinen Anspruch auf einen entsprechenden Geldwert (sog. Geldwertvindikation). Bereicherungsansprüche stünden der Klägerin aufgrund der erläuterten Rechtslage ebenfalls nicht zu, weil der Beklagten als Eigentümerin von Bargeld, Schmuck und Münzen diese zugestanden hätten, die Übergabe durch die Klägerin also nicht ohne Rechtsgrund erfolgt sei und die Beklagte auch nichts auf Kosten der Klägerin erlangt habe.
Quelle | LG Köln, Urteil vom 8.5.2025, 15 O 56/25, PM vom 2.6.2025
| Online geschlossene Verträge beschäftigen die Rechtsprechung immer wieder. So wie in einem aktuellen Fall des Amtsgerichts (AG) München, das bereits den Vertragsschluss als nicht zustande gekommen betrachtete. |
Reisebuchung über Website
Eine Frau besuchte im November 2021 die Website der Beklagten, um nach Reisen im Dezember 2021 zu suchen. Unter den Suchergebnissen befand sich eine Reise nach Dubai für zwei Personen. Die Klägerin gab die Personendaten ein, um den endgültigen Reisepreis zu erfahren.
„Jetzt-kaufen“-Button
Anschließend wurde die Frau auf eine Website weitergeleitet, die Hinweise zur Unterrichtung von Reisenden bei einer Pauschalreise enthielt. Darunter befand sich ein farblich abgesetzter Kasten mit dem Text „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB […]. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben.“ Hierunter befand sich der Button „Jetzt kaufen“ mit dem Symbol eines Einkaufswagens daneben. Die Frau klickte auf die Schaltfläche „Jetzt kaufen“ und verließ anschließend die Website.
Am selben Abend erhielt die Frau eine Buchungsbestätigung und Zahlungsaufforderung der Beklagten für eine Reise nach Dubai zu einem Preis von 2.834 Euro. Da die Frau die Zahlung verweigerte, stornierte die Beklagte die Reise und stellte eine Storno-Gebühr in Höhe von 2.692,30 Euro in Rechnung. Diese bezahlte die Frau unter Vorbehalt.
War ein Vertrag geschlossen worden?
Die Frau meint, es sei kein Vertrag zwischen ihr und der Beklagten zustande gekommen, da die Gestaltung der Website nicht den gesetzlichen Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 312j Abs. 3 BGB) entspreche. Sie verklagte das Reiseunternehmen daher vor dem AG auf Rückzahlung der 2.692,30 Euro.
Amtsgericht gab der Frau Recht
Das AG gab der Frau Recht und verurteilte die Beklagte dazu, den Betrag nebst Zinsen zu zahlen. Zwischen den Parteien, so das AG, wurde schon kein wirksamer Vertrag im Sinne des § 651 a Abs. 1 BGB geschlossen. Für den Abschluss eines Vertrags bedarf es zweier übereinstimmender Willenserklärungen – Angebot und Annahme.
Es lag nach Ansicht des AG kein Angebot der Beklagten in dem Zurverfügungstellen der Internetseite mit dem Button „Jetzt kaufen“ vor. Unstreitig hat die Frau zwar auf diesen Button geklickt. Die Gestaltung der Website der Beklagten vor Bestellabschluss genügte aber nicht den Anforderungen des § 312 j Abs. 3 BGB. Denn zwar weist der Text des Buttons „Jetzt kaufen“ auf die Entgeltlichkeit des zu schließenden Vertrags hin. Allerdings kann das Symbol eines Einkaufswagens neben dem Schriftzug dahingehend verstanden werden, dass der Kunde durch das Klicken auf den Button erst seinen Warenkorb befüllt und sich nicht schon am Ende des Buchungsprozesses befindet.
Text war irreführend
Außerdem, so das AG, ist der Text „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben“ irreführend. Denn durch Auslegung ergibt sich, dass der Kunde durch das Klicken auf den „Jetzt kaufen“ - Button lediglich AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptiert, sowie die Richtigkeit der eingegebenen Daten [und] den Erhalt des Formblatts bestätigt. Von der Abgabe einer abschließenden Willenserklärung nach § 145 BGB wegen einer Reise ist dem Text nichts zu entnehmen. Vielmehr legt der Text nahe, dass bei Fortsetzung des Buchungsprozesses noch weitere Erklärungen abzugeben sind. Außerdem fehlt eine Übersicht über die zu buchenden Reise sowie eine Preisangabe.
Ein bindendes Angebot der Beklagten sah das Gericht jedoch in der übersandten Buchungsbestätigung. Dieses wurde aber von der Frau nicht angenommen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 26.1.2023, 191 C 1446/22, PM 15/25
| Das Amtsgericht (AG) Hanau hat entschieden: Der Inhalt eines Zustandsprotokolls hinsichtlich der Mietwohnung bei Ein- oder Auszug, das die Parteien unterschreiben, ist bindend. Sie können daher nicht später etwas anderes behaupten. |
Das war geschehen
Die Vermieter klagten gegen die Mieterin u. a. auf Zahlung mehrerer nicht geleisteter Mieten. Bei Rückgabe der Wohnung während des Prozesses unterschrieben beide Seiten ein Protokoll, in dem die Wohnung als mangelfrei bezeichnet wurde. Die Mieterin machte geltend, sie sei während der Mietzeit zur Mietminderung berechtigt gewesen, weil die Wohnung bis zuletzt mangelhaft gewesen sei. Sie widersprach zudem der Behauptung der Vermieter, dass frühere Mängel behoben worden wären.
Amtsgericht: Rückgabeprotokoll ist für beide Seiten verbindlich
Das AG hat die ehemalige Mieterin zur Zahlung der ausstehenden Mieten verurteilt. Diese könne sich auf Mängel der Wohnung nicht berufen. Dass solche, wie sie behauptete, bis zum Schluss vorlagen, sei schon aufgrund des von beiden Seiten unterzeichneten Protokolls widergelegt, aus dem sich ein mangelfreier Zustand bei Mietende ergebe. Denn ein solches Protokoll sei als Zustandsvereinbarung für die Parteien bindend. Dessen Zweck bestehe – gerade, weil die Erstellung freiwillig ist – darin, den dokumentierten Zustand festzuhalten, damit später keine Seite etwas anderes behaupten kann.
Dass die Mieterin, wie sie vorträgt, bestehende Mängel nur deshalb nicht aufgenommen habe, weil sie fürchtete, von den Vermietern selbst für diese verantwortlich gemacht zu werden, steht dem nicht entgegen, weil es für die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Erklärungen nicht auf die Motivation ankommt. Zugleich könne sie sich auch nicht darauf berufen, dass früher Mängel vorlagen, denn sie hat der Behauptung der Vermieter widersprochen, dass jemals Mängel behoben worden seien. Dann aber wären diese auch bei Mietende noch vorhanden gewesen, was durch das unterzeichnete Protokoll bindend widerlegt ist.
Quelle | AG Hanau, Urteil vom 11.4.2025, 32 C 37/24, PM vom 17.6.2025
| Vereinbaren Vermieter und Mieter mündlich, die Nebenkostenvorauszahlungen zu erhöhen, ist dies unwirksam. So sieht es der Bundesgerichtshof (BGH). |
Mietvertragsparteien beschlossen mündlich, die Vorauszahlungen zu erhöhen
Mieter und Vermieter vereinbarten, die Nebenkostenvorauszahlungen zu erhöhen. Dies geschah allerdings mündlich. Nachdem der Vermieter die Immobilie verkauft hatte, war der Erwerber mit der Erhöhung nicht einverstanden.
Erwerber war nicht einverstanden
Später verkaufte der Vermieter das Grundstück. Der Erwerber meinte jedoch, die o. g. Vereinbarung sei formunwirksam. Daher reduzierte er die Höhe der Vorauszahlungen.
Mieter klagte
Der Mieter wollte dies nicht akzeptieren. Schließlich musste der BGH entscheiden. Er sah die Veränderung der Nebenkostenvorauszahlungen als formbedürftig an, da sie wesentlicher Bestandteil der Miete sind.
Der BGH stellte klar, dass auch der Erwerber eines Grundstücks, der in einen bestehenden Mietvertrag eintritt, genau wissen muss, wie hoch die Miete inklusive der Nebenkostenvorauszahlung ist. Nur so kann er seine Rechte als Vermieter wahrnehmen. Der BGH nannte als Beispiel den Fall, dass ein Vermieter einem Mieter wegen Mietrückständen kündigen möchte. Dann muss er durch schriftliche Urkunden zuverlässig informiert sein.
Quelle | BGH, Beschluss vom 14.5.2025, XII ZR 88/23
| Ist eine echte Quadratmetermiete vereinbart – etwa durch Angabe eines Mietpreises pro m² – ist die Miete stets nach der tatsächlichen Fläche zu berechnen. Eine Flächenabweichung führt dann unabhängig vom Ausmaß zur Rückzahlung überzahlter Miete. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Dresden. |
Tatsächliche Fläche wich von vertraglich vereinbarter ab
Der Kläger hatte Büroräume gemietet. Der Vertrag wies eine Fläche von „ca. 70 qm“ aus und bestimmte eine Miete von „EUR 5,00/qm“. Die tatsächliche Fläche betrug jedoch nur 45,6 qm. Der Vermieter verlangte monatlich 350 EUR, der Kläger begehrte Rückzahlung der Überzahlung von 120 EUR monatlich.
Quadratmetermiete vereinbart
Das OLG Dresden stellte klar: Auch wenn die Flächenangabe laut Vertrag keine Sollbeschaffenheit festlege, wurde eine Quadratmetermiete vereinbart. In diesem Fall sei die Miete unabhängig von der Abweichung stets anhand der tatsächlichen Fläche zu berechnen.
Die Rückzahlung überzahlter Miete folge aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Das gelte unabhängig von der 10 Prozent-Grenze, die bei einem Mangel nach § 536 BGB zu beachten wäre.
Ein Wermutstropfen für den Mieter: Seine Ansprüche waren teilweise verjährt, soweit sie das Jahr 2020 betrafen.
Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 19.3.2025, 5 U 1633/24
| Die Anfechtung der Ausschlagung des Erbes wegen einer vermeintlichen Überschuldung des Nachlasses scheidet aus, wenn der Anfechtende seine Anfechtungsentscheidung nicht auf Basis von Fakten, sondern auf Basis von Spekulationen getroffen hat. Wird die Ausschlagung lediglich auf Verdacht hin erklärt, fehlt es letztlich auch an der erforderlichen Kausalität der Fehlvorstellung für die erklärte Ausschlagung. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschieden.
Erbschaft wegen Überschuldung ausgeschlagen
Die Tochter des Erblassers aus dessen erster Ehe sowie deren volljähriger Sohn haben nach dessen Tod wirksam die Ausschlagung der Erbschaft bei gesetzlicher Erbfolge wegen „Schulden/private Gründe“ erklärt. Etwa zwei Monate später hat die Tochter ihre Ausschlagungserklärung zu Protokoll des Nachlassgerichts mit der Begründung angefochten, dass sie bei der Ausschlagung der Erbschaft von der Überschuldung des Nachlasses ausgegangen sei. Dies habe ihr Bruder ihr so mitgeteilt. Sie selbst habe seit 20 Jahren keinen Kontakt zu ihrem Vater gehabt. Nun habe sie durch eigene Recherchen in Erfahrung gebracht, dass ihr Vater in einem eigenen Haus gelebt habe, was sie vorher nicht gewusst habe.
Ausschlagungsanfechtung wirksam?
Im Erbscheinsverfahren stellte die Tochter des Erblassers den Antrag, einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge zu erteilen. Die weiteren gesetzlichen Erben stellten den Antrag, einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge unter Ausschluss der Tochter zu erteilen, weil diese die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und die Anfechtungserklärung unwirksam und unbegründet sei. Diesem Antrag ist das Nachlassgericht nachgekommen und hat dabei erklärt, dass die Ausschlagungsanfechtung der Tochter des Erblassers unwirksam und unbegründet sei. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Tochter des Erblassers, der das Nachlassgericht nicht abgeholfen hat.
Oberlandesgericht: „Nein“!
Die vom Nachlassgericht dem OLG zur Entscheidung vorgelegte Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen, weil das Nachlassgericht zu Recht zu der Auffassung gelangt sei, dass die von der Tochter erklärte Ausschlagung der Erbschaft weiterhin wirksam ist.
Der Anfechtende sei bei einer Anfechtung einer erfolgten Erbausschlagung beweispflichtig für die Voraussetzungen der jeweiligen Anfechtungstatbestände. Hinsichtlich des geltend gemachten erheblichen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses im Hinblick auf eine angenommene Überschuldung sei es zwar richtig, dass die Überschuldung eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses darstellen könne. Jedoch werde eine Fehlvorstellung darüber, dass die (Nachlass-)Verbindlichkeiten den (Aktiv-)Wert des Nachlasses übersteigen, nur dann als relevant angesehen, wenn sie darauf beruhe, dass der Ausschlagende unrichtige Vorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses hatte.
Dagegen werde gemäß der vom Nachlassgericht in dem angefochtenen Beschluss zitierten Rechtsprechung ein erheblicher Irrtum über eine Überschuldung als eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses verneint und stattdessen ein nicht zu einer Anfechtung berechtigender Motivirrtum angenommen, wenn der Anfechtende zu seiner Vorstellung nicht aufgrund einer Bewertung ihm bekannter oder zugänglicher Fakten zu dem Ergebnis gelangt sei, sondern seine Entscheidung, die Erbschaft auszuschlagen, auf spekulativer, bewusst ungesicherter Grundlage getroffen habe.
Folge: Das Nachlassgericht habe zu Recht das Vorliegen eines zur Anfechtung berechtigten Irrtums bei der Tochter des Erblassers verneint, da diese keineswegs dargelegt und schon gar nicht bewiesen habe, dass sie die Ausschlagung wegen einer angeblichen Überschuldung des Nachlasses erst nach einer Bewertung der ihr bekannten und zugänglichen Fakten vorgenommen habe.
Quelle | OLG Zweibrücken, Urteil vom 7.3.2025, 8 W 20/24
| Die Suche nach einem Testament hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Das Fazit: Mit der richtigen Vorsorge lassen sich später Schwierigkeiten vermeiden. |
Nach dem Tod eines Mannes stritten seine Witwe und sein Sohn darüber, ob er ein Testament hinterlassen hatte: Die Witwe behauptete das – doch gefunden hatte sie das Testament nicht. In der ersten Instanz hatte das Landgericht (LG) deshalb zehn Zeugen vernommen, die aber keine endgültige Klärung brachten. Beim OLG nahm die Frau schließlich ihre Klage zurück und erkannte den Sohn als gesetzlichen Miterben an.
Mögliche Erben tragen die Beweislast
Der Fall ist keine Seltenheit: Viele Angehörige müssen sich nach dem Tod ihres Verwandten die Frage stellen, ob es ein Testament gibt und wo es sich befindet. Auf vermeintlich sichere Orte ist dabei nicht immer Verlass. In dem entschiedenen Fall wurde vergeblich nach einem Bankschließfach gesucht, in einem anderen aktuellen Fall ebenso erfolglos in einem Waffenschrank. Für die möglichen Erben kann das entscheidend sein: Wer sich auf ein Testament berufen will, muss auch dessen Existenz und Inhalt beweisen.
Amtsgerichte und Notare bieten Sicherheit
Schutz vor Ungewissheiten bieten die Amtsgerichte (AG) und Notare. Wenn ein Testament von einem Notar errichtet oder bei einem Amtsgericht hinterlegt wird, wird das im Zentralen Testamentsregister vermerkt. Im Todesfall gibt es einen Informationsaustausch zwischen dem Standesamt, dem Testamentsregister und der Stelle, die das Testament verwahrt. Das Testament wird dann automatisch an das zuständige AG weitergeleitet, das die Erben informiert und das Testament eröffnet. Eine Hinterlegung beim AG mit Registrierung kostet 93 Euro.
Quelle | OLG Celle, PM vom 11.4.2025
| Das Verwaltungsgericht (VG) Braunschweig hat die Klage zweier Hauseigentümer abgewiesen, die eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach ihres Gebäudes in der als Denkmal geschützten und von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannten Altstadt Goslars errichten wollten. |
Das VG stellte in seinem Urteil fest: Nach den geltenden Regelungen des Bundes- und Landesrechts müssen die Behörden Solaranlagen in aller Regel auf denkmalgeschützten Gebäuden genehmigen. Die Nutzung erneuerbarer Energien habe weitgehend Vorrang, in der weitaus größten Zahl der Fälle bestehe deswegen ein Rechtsanspruch auf Genehmigung von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden. Für „atypische Situationen“ sehe das Gesetz aber Ausnahmen vor. Das gelte für besonders wertvolle Denkmäler und bei besonders schwerwiegenden Eingriffen in ein Denkmal. In diesen Fällen sei eine Abwägung erforderlich. Ein solcher (seltener) Ausnahmefall liege hier vor: Das Gebäude der Kläger sei als Bestandteil des UNESCO-Weltkulturerbes in besonderem Maße schutzbedürftig. Zusätzlich liege in der Installation der Anlage nach der fachlichen Einschätzung des zum Verfahren beigeladenen Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege (NLD) auch ein besonders schwerer Eingriff in das Denkmal vor. Das Gesamterscheinungsbild der zusammenhängenden historischen Bebauung, die den Denkmalwert hier gerade ausmache, würde nach der Darstellung des NLD durch die Installation der Solaranlage erheblich gestört werden. Das Gebäudes ei aus dem öffentlichen Straßenraum heraus wahrnehmbar und die Solaranlage würde sich außerdem durch die vorgesehene dunkle Farbe deutlich von dem Dachgebilde abheben.
Das VG folgte dieser fachlichen Einschätzung. Weil hier ein besonders schutzwürdiges Denkmal (Goslarer Altstadt als Gruppendenkmal) beeinträchtigt sei und ein besonders schwerwiegender Eingriff vorliege, überwiege der Denkmalschutz in diesem besonderen Fall ausnahmsweise das Interesse an der Nutzung erneuerbarer Energien. Das VG wies auf die Präzedenzwirkung hin, die eine Genehmigung hätte: In allen Fällen dieser Art müssten dann Solaranlagen genehmigt werden; dies würde die historische Dachlandschaft der Altstadt weitgehend verändern.
Quelle | VG Braunschweig, Urteil vom 25.6.2025, 2 A 21/23, PM vom 25.6.2025
| Wie muss eine Baustelle abgesichert sein, damit der Bauherr seiner ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht genügt? Diese Frage musste das Landgericht (LG) Koblenz entscheiden. |
Das war geschehen
Die Parteien stritten über von der Klägerin geltend gemachte Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld aus einem Sturz im Bereich einer Straße. Diese Straße verfügt über keinen gesondert ausgewiesenen Gehweg.
Die Beklagte führte zu diesem Zeitpunkt Straßenbaumaßnahmen auf der teilweise deutlich erneuerungsbedürftigen Straße durch. Diese führten u. a. zu einer Fräskante auf der Straße. Der betroffene Streckenabschnitt war gemäß der behördlichen Anordnung beschildert. Die Klägerin stürzte an der Fräskante und erlitt eine distale Radiusfraktur links. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt habe. Auf die Fräskante sei nicht ordnungsgemäß hingewiesen worden. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass sie ihre Verkehrssicherungspflichten vollumfänglich erfüllt habe. Jedenfalls sei der Klägerin ein so erhebliches Mitverschulden anzulasten, dass schon aus diesem Grund der geltend gemachte Anspruch ausgeschlossen sei.
Amtsgericht: Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht, aber auch Mitverschulden
Das Amtsgericht (AG) hat die Beklagte verurteilt, rund 1.000 Euro sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 272,60 Euro, jeweils zuzüglich Zinsen, an die Klägerin zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits legte das AG den Parteien zu je 50 % auf.
Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte eine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Es fehle an einem Schild mit ausdrücklichem Bezug zu einer Baustelle oder an einem Schild mit dem Hinweis auf Fahrbahnunebenheiten. Das AG sah zulasten der Klägerin jedoch auch ein Mitverschulden, da sie nach Überqueren der ersten Fräskante eine weitere Fräskante habe erwarten müssen.
Hiergegen wenden sich beide Parteien jeweils mit dem Rechtsmittel der Berufung und dem Ziel, mit ihren jeweiligen Anträgen vollumfänglich zu obsiegen.
Landgericht: Klage abgewiesen
Das LG hat dem Antrag der Beklagten auf Klageabweisung vollumfänglich stattgegeben und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Schmerzensgeld oder materiellen Schadenersatz gegen die Beklagte. Der Beklagten könne bereits keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht vorgeworfen werden. Auf ein mögliches Mitverschulden der Klägerin komme es vor diesem Hintergrund schon nicht mehr an.
Grundsätzlich Verkehrssicherungspflicht bei Gefahrenquelle, ...
Im Grundsatz sei der, der eine Gefahrenquelle schafft, dazu verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu vermeiden. Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflicht beginne erst dort, wo auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintrete und nicht rechtzeitig erkennbar sei. Entscheidend seien daher auch die äußeren Gesamtumstände. Für Gefahrenstellen innerhalb eines erkennbaren Baustellenbereiches bedeute dies, dass nicht jede Unebenheit besonders gekennzeichnet werden müsse. Unebenheiten seien in Baustellenbereichen grundsätzlich zu erwarten. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte den Baustellenbereich ausreichend deutlich gekennzeichnet. Bei einer Fräskante handele es sich um eine typische Baustellenunebenheit, mit der ein Fußgänger im Bereich einer Baustelle zu rechnen hätte.
... aber erkennbarer Baustellenbereich und Dunkelheit erfordern erhöhte Aufmerksamkeit
Die Sturzstelle liege auf einer untergeordneten Straße mit deutlich erkennbaren erheblichen Beschädigungen, die vor allem dem Fahrzeugverkehr gewidmet sei. Fußgänger dürften hier keinen hindernisfreien Weg erwarten, wie beispielsweise bei einer Fußgängerzone. Die Straße sei zum Zeitpunkt des Vorfalls bei Dunkelheit (20:20 Uhr an einem Februartag) nicht durchgängig beleuchtet gewesen, weswegen Fußgänger in eigener Verantwortung besonders auf den Fahrbahnbelag zu achten hätten. Durch die Aufstellung der Warnbaken mit Blinklichtern und das erkennbar vorübergehend angeordnete Einfahrtsverbot für Fahrzeuge aller Art hätte der Klägerin bewusst sein müssen, dass sie einen Baustellenbereich betrete. Wie bereits ausgeführt, habe sich der Straßenbelag schon zuvor in einem schlechten Zustand befunden. Dass bei einer Baustelleneinrichtung daher (auch) Ausbesserungsarbeiten am Straßenbelag durchgeführt werden, sei zu erwarten. Dies schließe ebenfalls Abfräsarbeiten von altem Straßenbelag mit ein.
Quelle | LG Koblenz, Urteil vom 31.1.2025, 13 S 32/24, PM des LG
| Inflationsausgleichszahlungen für Beamte in Elternteilzeit zu kürzen, ist zulässig. So sieht es das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |
Das Landesgesetz zur Anpassung der Besoldung 2024/2025 in Rheinland-Pfalz sah eine einmalige Inflationsausgleichszahlung von 1.800 Euro vor. Teilzeitbeschäftigte Beamte erhielten den Betrag anteilig gemäß ihrer Arbeitszeit. Berechtigt waren Beamte mit Dienstverhältnis am 9.12.2023 und mindestens einem Tag Anspruch auf Dienstbezüge zwischen dem 1.8.2023 und dem Stichtag. Die Kläger, eine Beamtin und ein Beamter, arbeiteten während ihrer Elternzeit in Teilzeit und erhielten gekürzte Zahlungen, während vollzeitfreigestellte Kollegen die volle Summe erhielten. Diese Ungleichbehandlung wurde von ihnen als verfassungswidrig gesehen.
Das VG: Der Gesetzgeber verfügt bei solchen Sonderzahlungen über einen großen Gestaltungsspielraum. Die Differenzierung zwischen vollzeitfreigestellten und teilzeitbeschäftigten Beamten ist gerechtfertigt. Während man die Höhe der Sonderzahlung für Letztere anhand des (reduzierten) Umfangs ihrer Arbeitszeit am Stichtag des 9.12.2023 errechnen konnte, war dies bei den vollständig freigestellten Beamten nicht der Fall. Vollzeitfreigestellten Beamten ohne Dienstleistung hätte gemäß ihrer Arbeitszeit kein Anspruch zugestanden. Insoweit hat ein sachliches Bedürfnis bestanden, den Stichtag für sie zu verschieben. Aufgrund der unterschiedlichen Entlohnungssysteme kommt es ferner nicht darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen der Personengruppe der Tarifbeschäftigten Sonderzahlungen gewährt worden sind.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 1.4.2025, 5 K 967/24.KO
| Es ist Sache des Arbeitgebers, zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren will. Liegt in Gestalt einer Konfliktlage einhinreichender Anlass vor und ist eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, ist grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Der Arbeitgeber verletzt seinen Ermessensspielraum erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lässt. So hat es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden. |
Das war geschehen
Das LAG musste über die Versetzung eines Arbeitnehmers aufgrund des Vorwurfs der sexuellen Belästigung entscheiden. Dabei kam es zum Ergebnis, dass die örtliche Umsetzung dem billigen Ermessen entsprochen habe.
Mehrfache sexuelle Belästigung einer Arbeitskollegin stand im Raum
Der Vorwurf der mehrfachen sexuellen Belästigung einer Arbeitskollegin und die ausgesprochene Empfehlung der Antidiskriminierungsstelle, dem Arbeitnehmer für das Büro ein Betretungsverbot auszusprechen, waren zwar Auslöser für die Umsetzungsentscheidung des Arbeitgebers. Der gerichtliche Nachweis einer sexuellen Belästigung sei aber keine Tatbestandsvoraussetzung für die Umsetzung. Daher sei es unerheblich, dass der beklagte Arbeitgeber in der über einem Jahr später stattgefundenen Beweisaufnahme die sexuelle Belästigung nicht habe nachweisen können. Dies ergebe sich zudem daraus, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle der Zeitpunkt sei, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen habe.
Arbeitgeber hat Ermessensspielraum
Es sei Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren wolle. Er müsse dabei nicht zunächst die Ursachen und Verantwortlichkeiten für die entstandenen Konflikte im Einzelnen aufklären. Liege in Gestalt einer Konfliktlage ein hinreichender Anlass vor und sei eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, sei ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Seinen Ermessensspielraum verletze der Arbeitgeber erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lasse. Diese waren hier nicht gegeben.
Zwar möge der Arbeitnehmer die Umsetzung als „Strafe“ empfinden. Die Umsetzung diene aber der Befriedung des Konflikts und sei keine „Bestrafung“. Der Arbeitgeber habe sich bei der Entscheidung von zutreffenden Erwägungen leiten lassen. Eine räumliche Trennung der Protagonisten innerhalb des Projektbüros sei aufgrund dessen Größe und der gemeinsam genutzten Flächen nicht möglich. Es sei daher ermessensgerecht, dem Arbeitnehmer einen anderen Dienstort zuzuweisen.
Betriebsfrieden war gefährdet
Letztlich konnte sich das LAG nicht vorstellen, wie die Arbeitnehmerin und der Arbeitnehmer jemals wieder unbefangen hätten zusammenarbeiten können. Denn mindestens aus Sicht der Kollegin sei der Arbeitnehmer ein sexueller Belästiger. Und aus Sicht des Arbeitnehmers sei die Frau eine Falschbeschuldigerin. Dies beeinträchtige nicht nur das Verhältnis der Protagonisten untereinander, sondern in einem so kleinen Büro auch den Betriebsfrieden insgesamt.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 25.2.2025, 7 SLa 456/24
| Auch in einem Minijob gibt es bezahlten Urlaub. Doch in diesem Zusammenhang stellen sich viele Fragen: Wie viele freie Tage stehen einem Minijobber zu? Was gilt bei unregelmäßiger Arbeitszeit? Wie wirkt sich das Urlaubsgeld auf den Minijob aus? Diese und weitere Fragen hat die Minijob-Zentrale jüngst beantwortet. |
So erläutert die Minijob-Zentrale beispielsweise, dass der Lohn während des Urlaubs weitergezahlt werden muss (Urlaubsentgelt). Das ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt. Zusätzlich kann es Urlaubsgeld geben (als freiwillige Zahlung zum Urlaub).
Quelle | Minijob-Zentrale vom 11.6.2025 „Urlaub im Minijob: Ihre Fragen – Wir antworten!"
| Es gibt steuerliche Betriebsprüfungen, die bereits nach kurzer Zeit abgeschlossen sind. Andere Prüfungen hingegen ziehen sich über Monate oder sogar über Jahre hin. Um die Betriebsprüfung zu beschleunigen, wurden nun mehrere gesetzliche Änderungen vorgenommen. |
Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen
Verzögerungen bei einer Betriebsprüfung können mitunter auf eine unzureichende Mitwirkung des Steuerpflichtigen zurückzuführen sein. Um dem entgegenzuwirken, sieht der neue § 200 a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) das qualifizierte Mitwirkungsverlangen vor, das sich auf die Mitwirkungspflichten nach § 200 AO stützt. Danach hat der Steuerpflichtige u. a. Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben.
Ermessensentscheidung des Prüfers
Das (neue) qualifizierte Mitwirkungsverlangen stellt eine Ermessensentscheidung des Prüfers dar, die frühestens nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ergehen darf. Entscheidet sich der Prüfer für ein solches Mitwirkungsverlangen, ist es schriftlich oder elektronisch (versehen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung) zu erteilen.
Beachten Sie | Der Steuerpflichtige muss in diesem Fall schnell handeln. Denn das Mitwirkungsverlangen ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe zu erfüllen. Nur in begründeten Einzelfällen kann die Frist verlängert werden.
Neu: Mitwirkungsverzögerungsgeld
Problematisch wird das qualifizierte Mitwirkungsverlangen für den Steuerpflichtigen, wenn es nicht oder nicht hinreichend innerhalb der Frist erfüllt wird. Denn in diesen Fällen wird das neu eingeführte Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt (§ 200 a Abs. 2 AO). Ausnahme: Die Mitwirkungsverzögerung erscheint entschuldbar, beispielsweise bei einer stark beeinträchtigenden Erkrankung.
Beachten Sie | Das Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung (also für jeden vollen Tag nach Verstreichen der im Mitwirkungsverlangen gesetzten Frist) 75 Euro. Gerechnet werden die Tage bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Mitwirkungsverlangen erfüllt wird – spätestens bis zum Tag der Schlussbesprechung. Denn nach der Schlussbesprechung gibt es keinen Bedarf mehr, eine Mitwirkung sicherzustellen.
Allerdings dürfen maximal 150 Tage zugrunde gelegt werden, sodass das Mitwirkungsverzögerungsgeld maximal 11.250 Euro betragen kann (150 Tage × 75 Euro).
Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld
Nicht immer bleibt es bei dem Mitwirkungsverzögerungsgeld. Denn es steht im Ermessen des Prüfers, nach § 200 a Abs. 3 AO zusätzlich einen Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzen. Voraussetzung ist, dass
- gegen den Steuerpflichtigen in den letzten fünf Jahren ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wurde und zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt oder
- wegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt. Davon ist auszugehen, wenn die Umsatzerlöse in einem der von der Prüfung umfassten Jahre mindestens 12 Mio. Euro betragen oder sich die konsolidierten Umsatzerlöse bei Konzernen auf mindestens 120 Mio. Euro belaufen.
Entscheidet sich der Prüfer für den Zuschlag, steht auch die Höhe in seinem Ermessen. Dabei darf der Zuschlag höchstens 25.000 Euro für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung betragen – ebenfalls für maximal 150 Tage (maximal somit 3,75 Mio. Euro).
Teilabschlussbescheid und Inkrafttreten
Um die Betriebsprüfungen zu beschleunigen, wurde auch der neue Teilabschlussbescheid eingeführt. Denn oft scheitert der zeitnahe Abschluss an einem einzelnen Sachverhalt, der nur durch intensiven Arbeitseinsatz aufgeklärt werden kann. Das Problem: So entsteht keine Rechtssicherheit bezüglich weiterer geprüfter Sachverhalte.
Durch den neuen § 202 Abs. 3 AO hat der Prüfer die Möglichkeit, bereits vor Abschluss der Prüfung einen Teilprüfungsbericht zu übermitteln und im Anschluss einen Teilabschlussbescheid zu erlassen. Hierdurch lassen sich einzelne im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte und abgrenzbare Feststellungen vor dem abschließenden Prüfungsbericht gesondert feststellen. Kann der Steuerpflichtige ein erhebliches Interesse an einem Teilabschlussbescheid glaubhaft machen, soll dieser auf Antrag ergehen.
Beachten Sie | Die Neuerungen gelten erst für Steuern und Steuervergütungen, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Sie sind aber auch für Steuern und Steuervergütungen anzuwenden, die vor dem 1.1.2025 entstehen, wenn für diese Steuern und Steuervergütungen nach dem 31.12.2024 eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde.
Quelle | Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie, BGBl I 2022, S. 2730
| Verlängert sich die dem Verbraucher gesetzlich eingeräumte 14-tägige Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge, wenn der Verkäufer in seiner Widerrufsbelehrung seine Telefonnummer nicht angibt? Diese Frage hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden. |
Kauf im Online-Shop über 62.000 Euro
Der Kläger hatte am 4.5.2022 über den Onlineshop der Beklagten ein Elektrofahrzeug zum Preis von rund 62.000 Euro erworben. Die Auslieferung des Fahrzeugs erfolgte am 20.12.2022. Am 14.8.2023 erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrags. Zu spät, entschied nun auch das OLG in zweiter Instanz und wies damit die Berufung des Klägers zurück.
Rechtlicher Hintergrund
Verbrauchern steht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: §§ 312 g Abs. 1, 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, im Normalfall beginnend ab Erhalt der Ware. Wird der Verbraucher jedoch nicht korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB). Die Informationspflichten des Unternehmers ergeben sich aus dem Einführungsgesetz zum BGB (hier: Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB). Der Unternehmer kann die Informationspflichten auch durch die Verwendung einer Musterwiderrufsbelehrung erfüllen, die sich in der Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB befindet.
Fehlende Telefonnummer ohne Auswirkungen
Hier hatte die Autohändlerin in ihrer selbst formulierten Widerrufsbelehrung, die sie dem Kläger übermittelte, keine Telefonnummer angegeben. Diese war jedoch auf der Internetseite der Beklagten zu finden. Das OLG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist geführt hat.
Widerruf eines Autokaufs wahrscheinlich eher schriftlich als per Telefon
Es entschied, dass die Widerrufsbelehrung auch ohne Angabe einer Telefonnummer den gesetzlichen Anforderungen genügt und sich die Widerrufsfrist daher nicht verlängert. Die Nichtangabe der Telefonnummer begründe bei einem Autokauf, der von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sei, nicht die Gefahr, dass der Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werde.
Ein typischer Kunde würde allein aus Beweiszwecken bei den hohen Summen eines Elektroautokaufs den Widerruf vernünftigerweise auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. per E-Mail) übermitteln.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 7.11.2024, 14 U 95/24, PM 8/25
| Hat sich der Übergeber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anlässlich der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ein Wohnungsrecht an einer Wohnung des übergebenen Vermögens vorbehalten, ist ein Sonderausgabenabzug des Mietwerts nach Meinung der Finanzverwaltung ausgeschlossen. Dieser Ansicht hat aber nun das Finanzgericht (FG) Nürnberg widersprochen. |
Hintergrund: Wird ein Betrieb gegen Versorgungsleistungen auf nahe Angehörige übertragen, kann der Betriebsübernehmer die Versorgungsleistungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 a Nr. 2 EStG) als Sonderausgaben abziehen, die der Empfänger versteuern muss (nach § 22 Nr. 1a EStG).
Das war geschehen
Anlässlich einer Hofübergabe wurde dem Übergeber ein Altenteil in Form eines vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts, Taschengelds und der Mitbenutzung von Gegenständen eingeräumt. Den vom Vermögensübernehmer als Sonderausgaben geltend gemachten Nutzungswert der Altenteilerwohnung erkannte das Finanzamt allerdings nicht an, da nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2010 nur die mit der Nutzungsüberlassung tatsächlich zusammenhängenden Aufwendungen (wie Strom, Heizung, Wasser und Instandhaltungskosten), nicht jedoch der Nutzungswert der Altenteilerwohnung berücksichtigt werden können.
Finanzgericht gibt Kläger Recht, Revision ist eingelegt
Die hiergegen eingelegte Klage war vor dem FG Nürnberg erfolgreich. Nach Auffassung des FG kann der Fall, dass der Versorgungsberechtigte mit dem ihm gewährten (höheren) Barunterhalt selbst eine Wohnung mietet, für den Bereich des Sonderausgabenabzugs nicht anders behandelt werden als der Fall, in dem sich die Versorgungsleistung aus (niedrigerem) Barunterhalt und unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zusammensetzt.
Da die Revision anhängig ist, muss nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden.
Quelle | FG Nürnberg, Urteil vom 6.2.2025, 4 K 1279/23, Rev. BFH: X R 5/25, BMF-Schreiben vom 11.3.2010, IV C 3 - S 2221/09/10004, Rz. 46
| Der Bundesfinanzhof (BFHZ) hat jüngst entschieden, dass die Erteilung von Reitunterricht nicht von der Umsatzsteuer befreit ist, es sei denn, der Unterricht dient der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung. |
Das war geschehen
Im Streitfall begehrte der Kläger die Steuerbefreiung verschiedener Reitkurse für Kinder und Jugendliche auf seinem Reiterhof in den Jahren 2007 bis 2011. In der „Ponygruppe“ wurden Kinder und Jugendliche und bei „Klassenfahrten“ wurden Schulklassen im Umgang mit Pferden unterrichtet.
Zudem wurden Kurse für eine „Große Pferdegruppe“ angeboten, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen gerichtet waren. Die unterrichteten Kinder und Jugendlichen wurden darüber hinaus verpflegt und übernachteten teilweise auch auf dem Reiterhof.
Uneinigkeit der gerichtlichen Instanzen
Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, dass sämtliche Leistungen steuerpflichtig seien. Das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein sah das aber größtenteils anders. So seien die Umsätze insoweit steuerfrei, als sie auf die Beherbergung und Verpflegung sowie auf den Teil des Reitunterrichts entfielen, mit dem die formalen Voraussetzungen dafür erlangt werden können, später den Beruf des Turniersportreiters auszuüben („Große Pferdegruppe“).
Der Meinung des Finanzgerichts hat sich der BFH aber nicht vollumfänglich angeschlossen.
Der BFH stellte klar, dass es sich bei der Beherbergung und Verpflegung von Kindern und Jugendlichen um selbstständige steuerbare Leistungen neben dem Reitunterricht handelt. Er hob weiter hervor, dass Reitunterricht (als spezialisierter Unterricht) kein „Schul- und Hochschulunterricht“ ist.
Beachten Sie | Entsprechendes ist bereits für Segel-, Fahr-, Schwimm-, Jagd- und Tanzschulen entschieden worden.
Anerkennung als Ausbildung an strenge Voraussetzungen geknüft
Die Einstufung von Reitunterricht als „Ausbildung“ oder „Fortbildung“ kommt nach Auffassung des BFH nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Reitunterricht, der typischerweise der Freizeitgestaltung dient, ist in der Regel keine Ausbildung oder Fortbildung, da er nicht auf einen bestimmten Beruf vorbereitet. Die Kurse der „Ponygruppe“ und für Schulklassen im Rahmen der „Klassenfahrten“ sind daher umsatzsteuerpflichtig.
Beachten Sie | Die Ansicht des BFH dürfte insoweit strenger sein als die Auffassung der Finanzverwaltung zu Ballett-, Tanz- oder Musikunterricht.
Spätere Turniersportreiter: umsatzsteuerfreie Kurse
Bei den Kursen der „Großen Pferdegruppe“ lagen hingegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme vor, da zahlreiche Teilnehmer später Turniersportreiter wurden. Diese Kurse sind folglich umsatzsteuerfrei.
Hinsichtlich der Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für die Kinder und Jugendlichen führte der BFH aus, dass die hierfür seinerzeit geltende Steuerbefreiung nur in Betracht kommt, wenn eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter vorliegt. Bereits hieran fehlte es aber im Streitfall. Denn der Kläger konnte eine solche Anerkennung nicht vorweisen.
Beachten Sie | Seit dem 1.1.2020 können nur noch die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben insoweit umsatzsteuerbefreit sein, was der Kläger aber nicht ist.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 9/22, PM 35/25 vom 30.5.2025
| Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen und übernimmt der neue Eigentümer die auf dem Grundstück lastenden Schulden, liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund : Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Spekulationsbesteuerung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 23 EStG).
Beachten Sie | Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die
- im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
Das war geschehen
Der Vater hatte im Jahr 2014 ein Grundstück für 143.950 Euro erworben und teilweise fremdfinanziert. 2019 übertrug er das Grundstück auf seine Tochter. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Grundstück einen Wert von 210.000 Euro. Die Tochter übernahm die am Übertragungstag bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 115.000 Euro.
Finanzamt: Aufteilung in entgeltlich und unentgeltlich
Das Finanzamt teilte den Vorgang (ausgehend vom Verkehrswert im Zeitpunkt der Übertragung) in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichenTeil auf. Soweit das Grundstück unter Übernahme der Verbindlichkeiten entgeltlich übertragen worden war, besteuerte das Finanzamt den Vorgang als privates Veräußerungsgeschäft.
Hiergegen klagte der Vater vor dem Finanzgericht (FG) Niedersachsen und bekam Recht. Die Begründung: Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten sind keine Veräußerungen (im Sinne des § 23 EStG).
Höchste Instanz bestätigt Vorgehen des Finanzamts
Doch die Freude währte nicht lange, denn der BFH schloss sich der Ansicht des Finanzamts an.
- Wird ein Wirtschaftsgut übertragen und werden damit zusammenhängende Verbindlichkeiten übernommen, liegt regelmäßig ein teilentgeltlicher Vorgang vor. In diesem Fall erfolgt eine Aufteilung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichenTeil.
- Wird das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen, unterfällt der Vorgang hinsichtlich des entgeltlichen Teils als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensteuer.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.3.2025, IX R 17/24, PM 37/25 vom 30.5.2025
| Frauen muslimischen Glaubens haben keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kfz mit einem Gesichtsschleier (Niqab). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin bestätigt. |
Antrag auf Ausnahmegenehmigung
Die Klägerin hatte ihren Antrag auf Ausnahmegenehmigung damit begründet, dass sie sich gemäß ihrem Glauben außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Da sie im Auto den Blicken fremder Menschen ausgesetzt sei, müsse es ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Das VG hatte die Klage abgewiesen.
Berufung nicht zugelassen
Das OVG hat den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Mit ihren Einwendungen hat die Klägerin es nicht vermocht, ernstliche Richtigkeitszweifel an der Entscheidung des VG zu wecken oder Verfahrensfehler offenzulegen.
Keine wesentliche Einschränkung der Religionsfreiheit
Die Annahme des VG, dass das Tragen einer Gesichtsverschleierung während des Autofahrens für die Religionsausübung typischerweise keine wesentliche Einschränkung bedeutet und angesichts der zeitlich und örtlich eingeschränkten Wirkung des Verbots hinzunehmen ist, konnte sie nicht durchgreifend in Frage stellen.
Dasselbe gilt für die Annahme des VG, dass das der zuständigen Behörde bei der Frage der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt wurde, weil der Eingriff zur Sicherstellung der effektiven automatisierten Verkehrsüberwachung gerechtfertigt ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Quelle | OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.4.2025, OVG 1 N 17/25 , PM 11/25
| Wer seine SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergibt, hat keinen Anspruch auf Rückzahlung abgebuchter Kreditkartenbeträge. So entschied es das Amtsgericht (AG) München. |
Das war geschehen
Der Ehemann der Klägerin wollte am Samstag, den 6.1.2024, für seine Ehefrau und sich eine Reise im Internet buchen. Hierzu gab er auf der Website „Check24“ die Daten der Kreditkarte seiner Ehefrau ein. Kurz darauf erschien eine Mitteilung, dass ein Betrag in Höhe von 318,99 Euro vorgemerkt sei, ehe weitere Mitteilungen über vergleichbare Vormerkungen erschienen. Die Klägerin veranlasste noch am selben Abend telefonisch die Sperrung der Kreditkarte. Am Montag, den 8.1.2024 sind sechs unberechtigte Abbuchungen zu je 318,99 Euro für Giftcards vom Konto der Klägerin erfolgt, insgesamt 1.953,29 Euro.
Zur Autorisierung der Transaktionen fand das Mastercard 3D-Secure-Verfahren Anwendung. Zur Aktivierung dieses Verfahrens auf einem weiteren Gerät übersandte die beklagte Bank am 6.1.2024 eine SMS-TAN an die von der Klägerin bei der Beklagten hinterlegte Mobilfunknummer. Die an die Klägerin versandte SMS-TAN wurde dann auf dem weiteren mobilen Endgerät, auf dem auch die Banking-App freigeschaltet wurde, am 6.1.2024 eingegeben und damit das Secure-Verfahren aktiviert.
Die Klägerin behauptete, dass sie diese Abbuchungen nicht autorisiert habe. Bei der Buchung sei sie nicht nach PIN oder Passwort gefragt worden, sie habe auch nirgendwo eine SMS-Tan eingegeben. Es sei nicht erkannt worden, dass es sich möglicherweise um eine „Fake“-Website handelte.
Die beklagte Bank ging davon aus, dass die Frau die SMS-Tan an einen Dritten weitergegeben haben muss, da eine Freigabe der Buchungen anders technisch nicht möglich gewesen sei und verweigerte die Zahlung. Die Klägerin verklagte die Bank daher vor dem AG auf Rückzahlung der 1.953,29 Euro.
So sah das Amtsgericht den Sachverhalt
Das AG wies die Klage ab. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Abbuchungen nicht von der Klägerin autorisiert waren, sondern von Dritten getätigt wurden. Aufgrund der Beweisaufnahme war das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin die SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergegeben haben muss, weshalb ein Schadenersatzanspruch der Bank gegen die Klägerin in gleicher Höhe bestehe, mit dem die Bank aufgerechnet habe.
Das AG: Der Vortrag der Bank, dass diese in ihren Systemen feststellen konnte, dass das Mastercard 3D-Secure Verfahren per Banking App für die Kreditkarte der Klägerin am 6.1.2024 um 13:30 Uhr aktiviert wurde, und zur Aktivierung dieses Verfahrens auf dem neuen Gerät eine SMS-TAN an die im Vertrag hinterlegte Mobilfunknummer der Klägerin versandt wurde, wurde durch Inaugenscheinnahme des Mobiltelefons der Klägerin bestätigt. Dort befindet sich eine SMS vom 6.1.2024 13:29 Uhr mit dem Inhalt: „ … ist Ihre TAN für die Aktivierung von Mastercard Identity Check vom 6.1.2024 13:44 Uhr.“ Der Eingang der SMS um 13:29 Uhr war im eingesehenen Nachrichtenverlauf um 13:29 Uhr dokumentiert und wird auch durch das vorgelegte IT-Protokoll belegt. Der Vortrag der Klägerin, keine SMS-TAN erhalten zu haben und dass ihr Mobiltelefon nicht in die Freigabe involviert war, erwies sich damit als widerlegt.
SMS-Tan war unzweifelhaft eingegeben worden
Die Bank hat unbestritten vorgetragen, dass aufgrund der manuellen Eingabe einer an die Mobilfunknummer der Klägerin versandten SMS-Tan ein Fremdzugriff technisch ausgeschlossen ist. Es wurde ein neues Gerät im Online-Banking der Klägerin als Freigabeinstrument im Rahmen des 2-Faktor-Authentifizierungsverfahrens hinterlegt. Hierzu war – technisch zwingend – die Eingabe der SMS-Tan erforderlich. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Klägerin durch Preisgabe der SMS-Tan Dritten eine Registrierung eines Geräts ermöglicht hat, wobei die Preisgabe persönlicher Sicherheitsmerkmale an Dritte gemäß den vertraglichen Bestimmungen untersagt war.
Verhalten der Klägerin war grob fahrlässig
Das Verhalten der Klägerin bewertet das Gericht als grob fahrlässig. Es ist eine Sache, wenn man seine Kreditkartendaten offenbart. Diese werden bei jeder Verwendung offenbart und können auch von der Karte abgelesen werden.
Die Weitergabe eines im Rahmen einer Zwei-Faktor-Autorisierung erhaltenden Zugangscodes kann nicht damit gleichgesetzt werden. Mit dieser Weitergabe hilft der Nutzer, die Sicherheitsarchitektur grundlegend auszuhebeln. Es muss jedem verständigen Nutzer solcher Kreditkarten klar sein, welches Risiko er mit der Weitergabe derartiger Daten schafft. Die Klägerin mag dies nicht bewusst getan haben und es mag auch nicht erinnerlich sein. Indessen lässt sich der Vorgang plausibel nicht anders erklären.
Quelle | AG München, Urteil vom 8.1.2025, 271 C 16677/24, PM 14/25
| Nach den Vorgaben des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes (FKAustG) werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates automatisch ausgetauscht. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun die Staatenaustauschliste 2025 bekanntgegeben. Enthalten sind die Staaten, mit denen der automatische Datenaustausch zum 30.9.2025 erfolgt. Weitere Informationen zum Informationsaustausch erhalten Sie u. a. auf der Website des Bundeszentralamts für Steuern (abrufbar unter www.iww.de/s2991). |
Quelle | BMF-Schreiben vom 3.6.2025, IV D 3 - S1315/00304/070/025
| Die Vermietung von Zimmerkontingenten an eine Kommune zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter überschreitet nicht den Nutzungszweck eines zum Hotelbetrieb gepachteten Gebäudes. Dies gilt jedenfalls, solange hiermit keine übermäßige Abnutzung oder sonstige Beeinträchtigung für den Verpächter verbunden ist, die über die übliche Nutzung durch Hotelgäste hinausgeht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die auf Räumung und Herausgabe des Hotels gerichtete Klage der Verpächterin abgewiesen. |
War die Unterbringung Geflüchteter vertragswidrig?
Die Klägerin schloss 2016 mit der Beklagten einen Vertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb des „Hotel F.“ in Gießen. Die Sache durfte vertraglich nur zum vereinbarten Nutzungszweck gebraucht werden. Seit Herbst 2022 buchte das Jugendamt der Stadt Gießen regelmäßig Zimmer für in seiner Obhut stehende Jugendliche. Nach Abmahnung kündigte die Klägerin 2023 fristlos. Sie hält die Unterbringung unbegleiteter Jugendlicher für vertragswidrig. Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt.
In der Berufung wies das OLG die Klage ab. Der Vertrag zwischen den Parteien sei nicht wirksam fristlos gekündigt worden. Die Beklagte habe nicht die Rechte der Klägerin durch eine unbefugte Überlassung an Dritte in erheblichem Maße verletzt. Dem Betrieb eines Hotels sei es immanent, dass es zu Beherbungsverträgen mit Dritten komme. Davon umfasst sei auch, dass bei der Buchung von Zimmerkontingenten durch Firmen o. Ä. ein ganzes Hotel faktisch durch denselben Mieter belegt werde. Der Abschluss von zeitlich begrenzten und auf bestimmte Zimmer bezogenen Beherbungsverträgen mit der Stadt Gießen sei folglich nicht unbefugt gewesen. Die Grenze zur unzulässigen Gebrauchsüberlassung wäre nur überschritten, wenn die Stadt das gesamte Gebäude übernommen und zu einem Flüchtlingsheim umgebaut hätte.
Keine Gefährdung der Mietsache, keine Pflichtverletzung
Eine zur Kündigung berechtigende Gefährdung der Mietsache durch unbegleitete minderjährige Geflüchtete sei nicht erkennbar. Es liege keine Pflichtverletzung wegen Überschreitung des Vertragszwecks vor, die zur Kündigung berechtigte. Die zeitweilige Vermietung zum o. g. Zweck überschreite nicht den Vertragszweck. Die vertraglich vereinbarte Nutzungsart als Hotel sei durch das Angebot von individueller Unterkunft, Service, Verpflegung und Nebenleistungen gekennzeichnet. Aufenthaltsdauer, -zweck und Motive für die Anmietung der Zimmer stellten keine entscheidenden Kriterien für die Bewertung als Hotelbetrieb dar. Es bestehe kein Anspruch darauf, „dass die Vermietung nur an einen bestimmten Personenkreis erfolgen darf, solange keine Beeinträchtigungen der Räumlichkeiten vorliegen bzw. zu befürchten sind“, unterstrich das OLG und es sei auch nicht vorgetragen, dass „Geflüchtete die Zimmer intensiver und nachlässiger nutzten als dies bei einer „normalen“ Vermietung an Hotelgäste der Fall wäre“.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.2.2025, 2 U 63/24, PM 21/25
| Das Landgericht (LG) Hanau hat entschieden: Die Anforderung von Belegkopien der Betriebskostenabrechnung ist kein wirksames Einsichtnahmeersuchen, wenn die Einsicht beim Vermieter zumutbar ist. Hierfür kommt es auf die Entfernung zur Mietwohnung an und nicht auf den Ort, an den der Mieter nach Mietende verzogen ist. |
Muss Mieter Belege einsehen oder muss Vermieter sie zuschicken?
Nach Mietvertragsende verlangte der Mieter die geleistete Kaution zurück. Die dann noch erstellte Betriebskostenabrechnung wies eine Nachforderung auf, die der Vermieter mit der Kaution verrechnete. Der inzwischen über 120 km weit weggezogene Mieter widersprach der Abrechnung, forderte die Übersendung von Belegkopien, um die Abrechnung zu prüfen, und klagte auf Rückzahlung der gesamten Kaution. Er bringt vor, keine Kopien erhalten zu haben, zumal der Vermieter für eine Einsichtnahme bei diesem nun zu weit entfernt sei.
So sahen es die Gerichte
Das Amtsgericht (AG) hat die Klage in Höhe der verrechneten Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das LG entschied, dass die Einwände gegen die Abrechnung zu unkonkret waren, weil der Mieter die Belege nicht geprüft hat. Der Vermieter habe die Belegeinsicht auch nicht verweigert, weil der Mieter unzulässigerweise die Übersendung von Kopien verlangte. Da die Belegprüfung grundsätzlich beim Vermieter erfolgen muss, lag schon kein wirksames Einsichtnahmeersuchen vor.
Kein Ausnahmefall
Der Mieter könne auch nicht ausnahmsweise die Zusendung von Kopien fordern. Das sei zwar möglich, wenn der Vermieter zu weit entfernt ansässig ist. Hierfür komme es jedoch auf die Entfernung der Mietsache zu diesem an, wobei eine Anreise von Hanau nach Frankfurt zumutbar sei. Dass der Mieter nun über 120 km entfernt wohnt, liege hingegen in seinem Risikobereich und führe nicht zu einem Recht auf Übersendung von Kopien.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | LG Hanau, Beschluss vom 24.3.2025, 2 S 43/24, PM vom 8.5.2025
| Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg bestätigte die Vorinstanz: Der kulturelle und familiäre Wert einer Sammlung aus Gemälden und historischen Gegenständen ist höher zu setzen als das Interesse einzelner Familienmitglieder an der Verwertung der Gegenstände. Letzteres hatte ein Teil der Familie aufgrund interner Differenzen verlangt. |
Das war geschehen
Die Nachfahren einer Nürnberger Patrizierfamilie stritten in einem Zivilprozess um den Erhalt ihrer Familiensammlung – einer Sammlung von Gemälden und historischen Gegenständen, die über Jahrzehnte als ungeteiltes Familienvermögen innerhalb der Familie über die Erbfolge weitergegeben wurde. Ein Teil der Familie begehrte den Pfandverkauf der historischen Sammlungsgegenstände, die teils in privater Nutzung sind, teils im Germanischen Nationalmuseum verwahrt werden, um die Erben- und Bruchteilsgemeinschaft auseinanderzusetzen. Die beklagten Familienmitglieder widersetzten sich dem und beriefen sich auf ein in einem Familienvertrag aus dem Jahr 1936 festgelegtes immerwährendes Teilungsverbot für das verfahrensgegenständliche Familienvermögen. Die Kläger verwiesen auf eine spätere Aufhebung sowie Nichtigkeit dieses Familienvertrags, denn dessen Regelungen sahen unter anderem die Weitergabe der Familiensammlung nur an männliche Nachkommen vor.
So sah es die erste Instanz
Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth hatte in erster Instanz die Klage abgewiesen. Es sah die Aufhebung des Familienvertrags nicht durch die vorhandenen Protokolle der Familienversammlungen belegt und erachtete das von der Familie im Jahr 1936 in Bezug auf die Familiensammlung vereinbarte dauerhafte Teilungsverbot als wirksam und fortbestehend an. Die Klagepartei habe auch keine Umstände vorgebracht, die als wichtiger Grund eine Aufhebung der Gemeinschaft rechtfertigen könne. Die im Verfahren vorgetragenen innerfamiliären Differenzen reichten hierfür nicht aus.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Hiergegen legte ein Familienmitglied der unterlegenen Klageseite Berufung zum OLG ein. Dieses hat das Ersturteil bestätigt und die zur Begründung des Aufhebungsanspruchs vorgebrachten Gründe und Einwendungen der Berufung für nicht durchgreifend erachtet. Wie das Erstgericht bewerte der Senat die erbrechtliche Regelung im Familienvertrag zum Ausschluss der weiblichen Nachkommen als nichtig, was aber die Wirksamkeit des dauerhaften Teilungsverbots nicht berühre. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kam das OLG zu dem Ergebnis, dass das beklagtenseits eingewandte familiäre als auch öffentliche Interesse am Erhalt der Gesamtheit der Sammlung als Kulturgut dem klägerischen Interesse an einer Aufhebung der Gemeinschaft und an einer damit verbundenen Zerschlagung der Sammlung überwiege.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 28.2.2025, 1 U 2451/23 Erb, PM 12/25
| Bauarbeiter, die auf Baustellen einfache Arbeiten verrichten, einen festen Stundenlohn erhalten und am Markt nicht erkennbar unternehmerisch auftreten, sind regelmäßig abhängig Beschäftigte, für die die Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen. Dies entschied in drei Urteilen das Hessische Landessozialgericht (LSG). |
Baufirmen müssenSozialversicherungsbeiträge nachzahlen
Die Deutsche Rentenversicherung entschied in mehreren Fällen, dass Bauarbeiter abhängig beschäftigt sind. In zwei Fällen forderte sie nach entsprechenden Betriebsprüfungen von den im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge in fünfstelliger Höhe. In einem weiteren Verfahren hatte sie zunächst über den Antrag auf Statusfeststellung zu entscheiden.
Weder schriftliche Verträge noch eigene Werkzeuge
In diesen Fällen hatten angeblich selbstständige Werkunternehmer auf Baustellen der jeweils klagenden Baufirma gearbeitet. Bei diesen Bauarbeitern handelte es sich um ausländische Staatsangehörige mit allenfalls geringen Deutschkenntnissen. Sie erledigten Abbrucharbeiten, Maurertätigkeiten und Pflasterarbeiten, sanierten Bäder oder arbeiteten im Trockenbau. Schriftliche Verträge oder Auftragsbestätigungen gab es nicht. Die Abrechnungen erfolgten auf Basis der aufgeschriebenen Stunden bei einem Stundenlohn zwischen 10 und 15 Euro. Die Materialien und Werkzeuge wurden bis auf Kleinwerkzeuge von den jeweiligen Baufirmen gestellt.
Scheinselbstständige statt Werkunternehmer
Das LSG folgte der Einschätzung der Rentenversicherung. In allen drei Verfahren liege Scheinselbständigkeit vor.
Bei einfachen, typischen Arbeitnehmerverrichtungen, die der Beschäftigte im Wesentlichen ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübe, spreche die Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis. Die betroffenen Bauarbeiter seien jeweils in den Betrieb der klagenden Baufirma eingegliedert gewesen und hätten einfache Bauarbeiten getätigt, wie sie typischerweise abhängig Beschäftigte verrichteten.
Kein unternehmerisches Auftreten
Werkvertragstypische Vereinbarungen einer unternehmerischen Leistung hätten nicht festgestellt werden können. Zudem seien die angeblichen „Werkunternehmer“ schon aufgrund ihrer geringen Deutschkenntnisse zu einem unternehmerischen Auftreten am Markt nicht in der Lage gewesen.
Zwischen den Baufirmen und den Bauarbeitern getroffene Vereinbarungen über eine (angeblich) selbstständige Tätigkeit seien nicht relevant und könnten die gesetzlich angeordnete Sozialversicherungspflicht nicht ausschließen.
Quelle | Hessisches LSG, Urteil vom 3.4.2025, L 8 BA 4/22, L 8 BA 62/22 und L 8 BA 64/21, PM vom 3.4.2025
| Wandhängende WCs und Handtuchheizkörper in Standardausführung sowie Balkone in der Größe von vier qm sind in Milieuschutzgebieten genehmigungsfähig, weil sie der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dienen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden. |
Bauliche Änderungen nicht ohne Genehmigung
Die Klägerinnen sind jeweils Eigentümerinnen von Wohngebäuden in Milieuschutzgebieten in Berlin-Mitte. Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen soziale Erhaltungsverordnungen (umgangssprachlich Milieuschutzverordnungen) gelten. Sie sollen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im jeweiligen Gebiet schützen. Bauliche Änderungen bedürfen in Milieuschutzgebieten grundsätzlich einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Den Erlass von Milieuschutzverordnungen erlaubt ein Bundesgesetz, nämlich das Baugesetzbuch. In Berlin sind dafür die Bezirke zuständig. Aktuell gelten in Berlin über 40 Milieuschutzverordnungen.
Eine Klägerin möchte im Badezimmer einer Wohnung ein Stand-WC durch ein wandhängendes WC ersetzen sowie einen Handtuchheizkörper einbauen. Eine weitere Klägerin begehrt den Anbau von dreizehn Balkonen in der Größe von jeweils vier qm an die Wohnungen ihres Mehrfamilienhauses. Die Maßnahmen stellen nach Ansicht der Klägerinnen einen zeitgemäßen Ausstattungszustand ihrer Wohnungen dar. Das Bezirksamt versagte den Klägerinnen die erhaltungsrechtlichen Genehmigungen. Die Vorhaben gingen über einen zeitgemäßen Ausstattungszustand hinaus und seien als wohnwerterhöhende bauliche Änderungen im Milieuschutzgebiet nicht zulässig.
Genehmigungen sind zu erteilen
Das VG gab den dagegen erhobenen Klagen statt und verpflichtete das Bezirksamt, die Genehmigungen zu erteilen. Der Gesetzgeber habe im Baugesetzbuch geregelt, dass eine erhaltungsrechtliche Genehmigung zu erteilen sei, wenn die bauliche Maßnahme der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen diene.
Mittlerer Standard nicht wohnwerterhöhend
Der Gesetzgeber habe den Genehmigungsanspruch auch nicht auf bauliche Maßnahmen beschränkt, die der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dienten. Vielmehr habe er zugelassen, dass darüber hinaus auch in Milieuschutzgebieten eine behutsame Anhebung des Ausstattungszustands auf den Standard mittlerer Wohnverhältnisse erfolgen könne. Daran sei ein bundeseinheitlicher Maßstab anzulegen. Bei wandhängenden WCs und Handtuchheizkörpern in einer Standardausführung sowie bei vier qm großen Balkonen werde dieser Standard nicht überschritten. Dafür sprächen unter anderem die Verbreitung dieser Ausstattungsmerkmale bundesweit sowie der Umstand, dass die Mietspiegel der größeren deutschen Städte sie überwiegend nicht als wohnwerterhöhend einstuften.
Quelle | VG Berlin, Urteile vom 2.4.2025, VG 19 K 17/22 und VG 19 K 351/23, PM 24/25
| Trotz erfolgreich absolviertem ersten juristischen Staatsexamen hat ein Antragsteller, der erwiesenermaßen die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft, keinen Anspruch darauf, den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) zu durchlaufen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz. |
Fehlende Verfassungstreue
Der Antragsteller wollte nach erfolgreichem Jurastudium als Rechtsreferendar in den juristischen Vorbereitungsdienst eintreten. Dies lehnte das Oberlandesgericht (OLG) wegen fehlender Verfassungstreue des Antragstellers ab. Dieser suchte daraufhin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um gerichtlichen Rechtsschutz mit dem Ziel nach, ihn im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses einzustellen.
Eindeutige Publikationen
Der Antrag blieb ohne Erfolg. Dem Antragsteller, so das VG, fehle der notwendige sog. Anordnungsanspruch. Aus den einschlägigen Vorschriften des Landesgesetzes über die juristische Ausbildung sowie des Landesbeamtengesetzes folge, dass die juristische Ausbildung am Leitbild einer dem Rechtsstaat verpflichteten Person zu orientieren sei. Rechtsreferendare müssten sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Der Antragsteller werde dem nicht gerecht, wie von ihm verfasste und publizierte Texte belegten.
In einem von ihm geschriebenen Roman würden beispielsweise schwarze Menschen durch die Verwendung menschenverachtender Bezeichnungen pauschal herabgewürdigt. Es werde hierin behauptet, ein – namentlich genannter – österreichischer Fußballspieler, der dunkelhäutig sei, könne kein Deutscher oder Österreicher sein. In einem anderen Text attestierte er dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Demontage des Volksbegriffs. Der von dem Antragsteller vertretene Volksbegriff mit der Forderung nach einer „positiven Erneuerung Deutschlands“ könne nur als Forderung nach einer Umkehrung eines vermeintlichen „Bevölkerungsaustauschs“ verstanden werden. Zudem sei der Antragsteller Mitglied bei der „Jungen Alternative für Deutschland“ und dem Verein „Ein Prozent e. V.“ gewesen. Er habe in beiden Organisationen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Frühjahr 2023 als gesichert rechtsextremistisch einstufe, zumindest zeitweise herausgehobene Funktionen übernommen.
Die Entscheidung ist bestandskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 9.5.2025, 5 L 416/25.KO, PM 14/25
| Eine Tätowierung ist heute typischer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Während sichtbare Tattoos im Arbeitsleben immer normaler werden, stellt sich damit aber zunehmend die Frage, wer eigentlich das finanzielle Risiko trägt, wenn beim Stechen des Tattoos nicht alles glatt verläuft. Dazu liegt nun eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vor: Wer sich tätowieren lässt, erhält bei Komplikationen keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das LAG bestätigt damit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Flensburg. |
Pflegekraft ließ sich tätowieren
Die als Pflegehilfskraft beschäftigte Klägerin ließ sich am Unterarm tätowieren. In der Folge entzündete sich die tätowierte Stelle. Die Klägerin wurde daraufhin für mehrere Tage krankgeschrieben. Die beklagte Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum ab.
Die Klägerin führte vor Gericht aus, dass sie ja nicht Entgeltfortzahlung für den Tätowierungsvorgang geltend mache, sondern für eine davon zu trennende zeitlich nachfolgende Entzündung der Haut. Ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen. Es habe sich ein sehr geringes Risiko verwirklicht, das nur bei ein bis fünf Prozent der Fälle von Tätowierungen auftrete. Tätowierungen seien als Teil der privaten Lebensführung geschützt und mittlerweile weit verbreitet.
Die Arbeitgeberin entgegnete, die Klägerin habe bei der Tätowierung in eine Körperverletzung eingewilligt. Das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre deshalb nicht zum normalen Krankheitsrisiko und könne dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden.
Arbeitsunfähigkeit verschuldet
Das LAG ist der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Diese war zwar arbeitsunfähig krank. Sie hat die Arbeitsunfähigkeit aber verschuldet. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz handelt ein Arbeitnehmer immer schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt.
Die Klägerin musste bei der Tätowierung damit rechnen, dass sich ihr Unterarm entzündet. Dieses Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen ihr eigenes Gesundheitsinteresse dar. Sie hat selbst vorgetragen, in bis zu 5 % der Fälle komme es nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut. Dies ist keine völlig fernliegende Komplikation. Bei Medikamenten wird eine Nebenwirkung als „häufig“ angegeben, wenn diese in mehr als einem, aber weniger als zehn Prozent der Fälle auftritt. Zudem ist die Komplikation in der Hautverletzung durch die Tätowierung selbst angelegt.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.5.2025, 5 Sa 284 a/24, PM vom 2.7.2025
| Wenn ein Arbeitnehmer sich beim Kaffeetrinken verschluckt und infolgedessen stürzt, kann das im Einzelfall einen Arbeitsunfall darstellen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden. |
Nasenbeinbruch während morgendlicher Besprechung
Der Kläger war als Vorarbeiter auf einer Baustellebeschäftigt. Beim Kaffeetrinken während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer verschluckte er sich, ging hustend zur Tür, um sich draußen auszuhusten, verlor kurz das Bewusstsein und stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter. Dabei brach er sich das Nasenbein.
Berufsgenossenschaft und Sozialgericht: kein Arbeitsunfall
Das sei kein Arbeitsunfall, befand die zuständige Berufsgenossenschaft, denn das Kaffeetrinken habe keinen betrieblichen Zwecken gedient. Es sei vielmehr dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen. So sah es auch das Sozialgericht (SG), das in erster Instanz über den Fall entschieden hatte.
Landessozialgericht: auch Nahrungsaufnahme geschützt
Zu Unrecht, befand nun das LSG. Zwar erstrecke sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit damit ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird. Im vorliegenden Fall sei das Kaffeetrinken aber nicht auf das Grundbedürfnis des Durstlöschens gerichtet gewesen, sondern habe (auch) betrieblichen Zwecken gedient. Der gemeinsame Kaffeegenuss während der verpflichtend vorgeschriebenen Besprechung habe eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft bewirkt.
Arbeitgeber stellte den Kaffee zur Verfügung
Zudem habe der Kaffee für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesorgt. Das sei auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, der sich teilweise selbst um das Auffüllen der Kaffeevorräte gekümmert habe. Deshalb sei der Fall auch anders zu beurteilen, als wenn sich ein Arbeitnehmer z. B. in der Frühstückspause an einem Kaffee verschluckt, den er selbst in der Thermoskanne mitgebracht hat.
Quelle | LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.5.2025, L 6 U 45/23, PM 2/25
| Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Hostprovider – hier Meta – muss nach einem Hinweis auf einen rechtsverletzenden Post auf der Social-Media-Plattform Facebook auch ohne weitere Hinweise sinngleiche Inhalte sperren. Sinngleich sind etwa Beiträge mit identischem Text und Bild, aber abweichender Gestaltung (Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung), bloßer Änderung typografischer Zeichen oder Hinzufügung von Elementen, etwa sog. Captions, die den Aussagegehalt nicht verändern. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Arzt und bewarb in der Vergangenheit u. a. die sog. „Hirschhausen Diät“. Der Kläger wies die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach auf sog. Fake-Werbe-Videos hin, in denen er vermeintlich u. a. für Abnehmmittel werbe.
Gegenstand dieses Eilverfahrens sind zwei weitere solcher Deep-Fake Videos: Nutzer haben zum einen ein Video unter Verwendung eines Ausschnitts aus der Sendung von Markus Lanz hergestellt, in denen der Name, das Bildnis und die Stimme des Klägers verwendet werden und in dem dieser vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme wirbt. Dieses Video entfernte die Beklagte zeitnah nach Abmahnung durch den Kläger. In einem nachfolgend erschienenen, nahezu inhaltsgleichen weiteren Deep-Fake Video warb der Kläger ebenfalls vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme. Dieses Video entfernte die Beklagte ebenfalls – erst – nach entsprechendem Hinweis durch den Kläger. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassen der Verbreitung dieser beiden Videos in Anspruch. Das Landgericht (LG) hat den Antrag zurückgewiesen.
So sah es das Oberlandesgericht
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hatte teilweise Erfolg. Hinsichtlich des ersten Videos bestehe kein Unterlassungsanspruch, entschied das OLG. Die Beklagte sei als Hostproviderin grundsätzlich nicht verpflichtet, von den Nutzern ins Netz gestellte Beiträge vor ihrer Veröffentlichung auf etwaige Rechtsverletzungen hin zu prüfen. Ihre Haftung setze die Verletzung von Prüf- und Verhaltenspflichten voraus. Vor der Abmahnung des Klägers betreffend das erste Video sei die Beklagte nicht zur Löschung verpflichtet gewesen. Eine Löschpflicht habe sich insbesondere nicht aus den vorausgegangenen Hinweisen des Klägers auf andere, nicht sinngleiche sog. Fake-Werbungen ergeben. Grundsätzlich lösten derartige Hinweise nur Prüfpflichten hinsichtlich „sinngleicher Inhalte“ aus. Darunter fielen Inhalte, die in Bild und Text identisch, aber bei gleichbleibendem Gesamteindruck etwa abweichend gestaltet seien. Dies könne sich etwa auf die Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung mit Rahmen oder Zufügung sog. Caption beziehen. Die vorausgegangenen Hinweise des Klägers hätten sich hier jedoch auf in Bild und Text abweichende Inhalte bezogen.
Prüfplicht des Providers bestand
Hinsichtlich des zweiten Videos habe die Beklagte dagegen schon aufgrund der Abmahnung des Klägers hinsichtlich des ersten Videos eine Prüfpflicht getroffen. Es habe keiner weiteren Abmahnung bedurft. Das zweite Video unterscheide sich allenfalls marginal vom ersten. Nach dem Eindruck des OLG wirkten die Videos – bei voneinander abweichender Überschrift – nahezu identisch. Es lägen damit sinngleiche Inhalte vor. Da die Beklagte das zweite Video nicht bereits ohne weitere Abmahnung gesperrt habe, habe sie gegen ihre Prüfpflichten verstoßen. Im Ergebnis bestehe daher ein Unterlassungsanspruch.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nich tanfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.3.2025, 16 W 10/25, PM 14/25
| Zahlreiche Betriebsprüfungen zeigen, dass die Kassenführung oft beanstandet wird. Das Problem dabei: Ist die Kassenführung nicht ordnungsmäßig, drohen erhebliche Hinzuschätzungen. So war es auch in einem Fall, der vom Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein zu entscheiden war. |
Im Streitfall hatte bei einem bargeldintensiven Imbiss mit Sitzgelegenheiten eine Betriebsprüfung stattgefunden. Der Betreiberin, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte, wurden dabei zahlreiche Mängel in der Kassenführung vorgeworfen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem FG blieb erfolglos.
Beachten Sie | Allerdings ist inzwischen die Revision anhängig, in der insbesondere diese interessanten Fragen zu klären sind:
- Ist bei bestehenden Zweifeln im Hinblick auf den Programmierzustand und das Vorhandensein von Manipulationsspuren an der Registrierkasse vom FG ein Sachverständigengutachten einzuholen?
- Rechtfertigen fehlende Programmierprotokolle für die verwendete Kasse eine Schätzung dem Grunde nach?
- Ergibt sich aus einer angeblichen Abweichung von der Richtsatzsammlung eine Schätzungsbefugnis?
Quelle | FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.8.2023, 3 K 25/22, Rev. BFH, X R 27/24
| Hat eine Gesellschaft ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr, ist für die Berechnung der Steuerermäßigung gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 EStG) nicht auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums abzustellen, sondern auf das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahrs. Für die Aufteilung des Steuerermäßigungsbetrags sind der Gewerbesteuer-Messbetrag und die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des Wirtschaftsjahrs an der Gesellschaft beteiligt waren. So lautet ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Hintergrund: Unter den Voraussetzungen des § 35 EStG wirddie Gewerbesteuerbelastung kompensiert, indem die tarifliche Einkommensteuer um das Vierfache des festgesetzten Steuermessbetrags gemindert wird.
Quelle | BFH, Urteil vom 10.4.2025, IV R 21/22
| Mit Wirkung ab 1.6.2025 wurden die Gebühren für Eintragungen im Handelsregister um 50 Prozent erhöht. Demzufolge werden auch Unternehmensgründungen teurer. |
In der Begründung der Verordnung wird hierzu u. a. ausgeführt: „Die daraus insgesamt resultierenden Gebühreneinnahmen sollen dazu dienen, den Aufwand der Länder für den Betrieb der Registergerichte weitgehend zu decken, damit die Gerichte den Anforderungen an eine moderne, effiziente und sichere Registerführung auch künftig gerecht werden können.“
Quelle | Dritte Verordnung zur Änderung der Handelsregistergebührenverordnung, BGBl I 2025, Nr. 127
| Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft wird nur bereit sein, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung einer Eigentumswohnung zu (privaten) Wohnzwecken (also im privaten Interesse) eines Gesellschafters zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe erstattet werden und sie zudem einen angemessenen Gewinnaufschlag erhält. Vor diesem Hintergrund hat es das Finanzgericht (FG) Niedersachsen im Streitfall als rechtmäßig beurteilt, dass das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) angesetzt hat. |
Zum Hintergrund: Bei einer vGA handelt es sich – vereinfacht – um Vermögensvorteile, die dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gewährt werden. Eine vGA darf den Gewinn der Gesellschaft nicht mindern.
Im Anschluss an ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahr 2016 führte das FG weiter aus: Eine Vermietung zu marktüblichen, aber nicht kostendeckenden Bedingungen würde ein gewissenhafter Geschäftsführer (ausnahmsweise) in Betracht ziehen, wenn er bezogen auf den jeweils zu beurteilenden Veranlagungszeitraum bereits von der Erzielbarkeit einer angemessenen Rendite ausgehen kann.
Beachten Sie | Die danach für den Fremdvergleich maßgebliche Kostenmiete ist auch dann als Maßstab heranzuziehen, wenn der Gegenstand des Unternehmens der Kapitalgesellschaft auch neben der an die Gesellschafterin vermieteten Wohnung in der Vermietung von Immobilien besteht.
Gegen das Urteil ist die Revision anhängig. Gleichwohl sollte in vergleichbaren Fällen eine vGA bedacht werden. Es empfiehlt sich, Mietverträge zu prüfen und ggf. anzupassen.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 15.8.2024, 10 K 255/21, Rev. BFH, I R 21/24
| Ein Freiwilliger Wehrdienst kann bei einem volljährigen Kind für sich genommen keinen Kindergeldanspruch begründen. Gleichwohl kann während der Zeit des Wehrdienstes ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, wenn das Kind einen der gesetzlichen Berücksichtigungstatbestände erfüllt, also z. B. während des Wehrdienstes für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dabei ist es unschädlich, wenn das Kind nach Abschluss der Grundausbildung im Rahmen des Freiwilligen Wehrdienstes Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad ausübt. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Das war geschehen
Der Sohn absolvierte nach seinem Abitur einen zehn Monate dauernden Freiwilligen Wehrdienst. Die Familienkasse bewilligte dem Vater für die Übergangszeit zwischen Abitur und Grundausbildung sowie für die Zeit der Grundausbildung Kindergeld. Nach der Grundausbildung verrichtete der Sohn Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad, eine weitere Ausbildung bei der Bundeswehr fand nicht statt. Nach dem Ende des Wehrdienstes studierte er an einer zivilen Hochschule. Den Entschluss dazu hatte er während des Wehrdienstes gefasst.
Die Familienkasse versagte für die Zeit nach Beendigung der Grundausbildung bis zum Beginn des Studiums die Festsetzung von Kindergeld. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Vater Klage vor dem Finanzgericht (FG) Bremen. Da das FG die Revision zugelassen hatte und diese auch eingelegt wurde, musste nun der BFH entscheiden.
Beachten Sie | Der Freiwillige Wehrdienst gehört – anders als ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr – nicht zu den im Einkommensteuergesetz (hier: § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG) genannten Berücksichtigungstatbeständen, die schon für sich genommen einen Kindergeldanspruch begründen können.
Bundesfinanzhof: Kindergeldanspruch bestand
Dennoch entschied der BFH, dass auch nach dem Ende der Grundausbildung und trotz einer Erwerbstätigkeit des Kindes als Soldat mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden ein Kindergeldanspruch bestehen kann, wenn das Kind (wie im Streitfall) eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.
Beachten Sie | Die drei Monate dauernde Grundausbildung war zwar Teil einer Ausbildung zum Offizier oder Unteroffizier. Ihre Beendigung führte jedoch nicht zu einem für den weiteren Kindergeldbezug ggf. schädlichen Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung (i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG).
Es kam auf den Zeitpunkt des Entschlusses an
Für einen Monat wies der BFH die Revision jedoch zurück, weil sich der Entschluss des Sohnes, sich um einen Studienplatz zu bemühen, erst im Folgemonat objektiviert hatte. Der bloße Vortrag des Kindergeldberechtigten und des Kindes, der Entschluss zu einer Ausbildung oder zu einem Studium sei früher gefasst worden, ist für die Begründung des Anspruchs nicht ausreichend.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.2.2025, III R 43/22, PM 28/2025 vom 2.5.2025
| Ab Mai 2025 setzen vier Pilotfinanzämter (Brühl, Bielefeld-Außenstadt, Hamm und Lübbecke) des Landes Nordrhein-Westfalen erstmals ein KI-Modul zur Unterstützung der Steuerveranlagung ein. Das Ziel: Steuererklärungen sollen effizienter, schneller und treffsicherer bearbeitet werden.
Das neue KI-Modul ergänzt das bewährte Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung. Es erkennt Muster in den Steuerdaten und kann gut nachvollziehbare Fälle mit geringem Prüfbedarf gezielt identifizieren. Diese werden automatisiert verarbeitet – und damit schneller abgeschlossen.
Gestartet wird mit Arbeitnehmerfällen (also Steuererklärungen mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalerträgen, Vorsorgeaufwendungen, Sonderausgaben, haushaltsnahen Dienstleistungen und ähnlichen Bereichen). Die Ausweitung auf weitere Fallkonstellationen ist bereits in Planung.
Nordrhein-Westfalen übernimmt die Vorreiterrolle. Nach erfolgreichem Testlauf ist die landesweite Einführung geplant.
Quelle | FinMin NRW, Mitteilung vom 22.4.2025
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der auf Dienstreisen seinen privaten Pkw einsetzt, die tatsächlichen Kosten für jeden gefahrenen Kilometer auch dann ansetzen kann (im Streitfall: 2,28 Euro/km für einen Sportwagen), wenn er von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt bekommt, den er grundsätzlich für dienstliche und private Fahrten nutzen kann. |
Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall jedoch den Nachweis erbringen, dass er das Privatfahrzeug tatsächlich beruflich eingesetzt hat. Eine Angemessenheitsprüfung dem Grunde nach (hier: berufliche Nutzung eines privaten Fahrzeugs durch einen Arbeitnehmer, dem von seinem Arbeitgeber ein Geschäftsfahrzeug überlassen wurde) findet nicht statt.
Beachten Sie | Das Finanzamt will diese Entscheidung aber nicht akzeptieren und hat Revision eingelegt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.9.2024, 9 K 183/23, Rev. BFH: VI R 30/24
| Kinderbetreuungskosten sind als Sonderausgaben abzugsfähig. Bei Aufwendungen für Unterricht, für die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen ist ein Sonderausgabenabzug allerdings gesetzlich ausgeschlossen. Mit dem Abzugsverbot hat sich nun der Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt. |
Hintergrund: Kinderbetreuungskosten können nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) als Sonderausgaben steuerlich absetzbar sein. Folgende Aspekte sind hier zu beachten:
- Abzug von 80 % der Betreuungsleistungen, maximal 4.800 Euro pro Jahr.
- Der Abzug ist zulässig für haushaltszugehörige Kinder unter 14 Jahren (oder aufgrund Behinderung, Eintritt vor dem 25. Lebensjahr, Übergangsregel 27. Lebensjahr).
- Grundsätzlicherforderlich: Rechnung und Überweisung.
- Nichtabziehbar: Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen.
Betreuungscharakter muss im Vordergrund stehen
Nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen vor, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbstständigten Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichts- oder Kurszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen (sprachlichen, musischen, sportlichen) Fähigkeiten in den Hintergrund rückt.
Nicht begünstigteAufwendungen
Entsprechendes gilt für sportliche und andere Freizeitbetätigungen. Nicht begünstigte Aufwendungen für derartige Aktivitäten liegen daher vor, wenn
- die Betätigung organisatorisch, zeitlich und räumlich getrennt von einer Kindertagesstätte, einem Schulhort oder einer ähnlichen Einrichtung stattfindet und
- dabei nicht die altersbedingt erforderliche Betreuung des Kindes, sondern die Aktivität im Vordergrund steht.
Quelle | BFH, Urteil vom 23.1.2025, III R 33/24 (III R 50/17)
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen hat die Stadt Marburg dazu verpflichtet, einer Studentin einen Bewohnerparkausweis zu erteilen, die ein in Tschechien zugelassenes Fahrzeug nutzt. |
Kfz in Tschechien zugelassen
Die Klägerin wohnt in einem Bewohnerparkgebiet der Beklagten. Sie nutzt ein Kraftfahrzeug ihres Vaters, der tschechischer Staatsangehöriger ist und das Fahrzeug in Tschechien zugelassen hat. Im Frühjahr 2024 beantragte sie bei der Stadt Marburg, ihr einen Bewohnerparkausweises zu erteilen. Dies lehnte die Stadt mit der Begründung ab, dass sie Bewohnerparkausweise für Fahrzeuge mit ausländischer Zulassung nicht erteilen könne. Im Rahmen des Klageverfahrens argumentierte die Stadt weiter, dass eine ausländische Zulassung gegen eine dauerhafte Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin spreche, weil ein im Ausland zugelassenes Kraftfahrzeug nur vorübergehend am Verkehr in Deutschland teilnehmen dürfe.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG bejahte hingegen den Anspruch der Studentin auf einen Bewohnerparkausweis. Bei der Klägerin handele es sich um eine Anwohnerin, die das betroffene Fahrzeug nachweislich dauerhaft nutze.
Gegen eine dauerhafte Nutzung spreche insbesondere nicht, dass Kraftfahrzeuge mit ausländischer Zulassung nur vorübergehend am Straßenverkehr in Deutschland teilnehmen dürfen. Es sei bereits nicht klar, ob das von der Klägerin genutzte Fahrzeug diese Voraussetzungen erfülle. Die Klägerin gab nämlich an, dass sie das Fahrzeug während der Semesterferien nicht in Deutschland nutze. Diese Prüfung obliege der Zulassungsbehörde, die je nach Einzelfall eine Untersagung des Betriebs im öffentlichen Straßenverkehr ohne deutsche Zulassung aussprechen könne.
Die Versagung eines Bewohnerparkausweises für im Ausland zugelassene Fahrzeuge entspreche nicht dem Zweck der Vorschriften. Ein Bewohnerparkgebiet diene dem Anwohnerinteresse, in innerstädtischen Wohnstraßen eine Abstellmöglichkeit für ein (dauerhaft) genutztes Kraftfahrzeug zu finden.
Quelle | VG Gießen, Urteil vom 13.11.2024, 6 K 2830/24.GI, PM vom 19.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Ein zur Nichtigkeit der entsprechenden Vereinbarung führender Verstoß gegen den im Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 656 d BGB) geregelten Grundsatz der hälftigen Teilung des Maklerlohns liegt vor, wenn ein Makler allein für den Verkäufer einer Immobilie tätig geworden ist und der Käufer zur Zahlung des vollen Honorars an den Makler verpflichtet wird. |
Das war geschehen
Die Kläger erwarben ein mit einer Doppelhaushälfte bebautesGrundstück. Mit der Vermittlung des Verkaufs hatte die Verkäuferin das beklagte Maklerunternehmen beauftragt. Für die Vermittlung der Immobilie entstand zugunsten der Beklagten gegenüber der Verkäuferin ein Maklerlohnanspruch in Höhe von 25.000 Euro. Der im Exposé zunächst vorgesehene Kaufpreis wurde um einen Betrag in dieser Höhe reduziert. Zugleich verpflichteten sich die Kläger gegenüber der Beklagten zur Zahlung eines Honorars in gleicher Höhe, das sie nach notarieller Beurkundung des Kaufvertrags bezahlten. Eine Maklerlohnzahlung durch die Verkäuferin erfolgte nicht. Die Kläger verlangten die Rückzahlung des geleisteten Betrags.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: § 656 d BGB ist nicht nur auf Vereinbarungen der Parteien des Kaufvertrags über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus untereinander anwendbar, sondern erfasst jegliche Art einer vertraglichen Vereinbarung, durch die unmittelbar oder mittelbar ein Anspruch des Maklers auf Zahlung oder Erstattung von Maklerlohn gegenüber der Partei des Kaufvertrags begründet wird, die nicht Partei des Maklervertrags ist. Umfasst sind daher auch alle auf eine Verpflichtung zur Zahlung oder Erstattung des Maklerlohns gerichteten Vereinbarungen des Maklers mit der Partei des Kaufvertrags, die nicht Partei des Maklervertrags ist.
Der Anwendbarkeit des § 656 d BGB steht es deshalb auch nicht entgegen, dass die Verkäuferin der Immobilie von der Pflicht, den vereinbarten Maklerlohn zu entrichten, gegenüber der Beklagten nicht entbunden war. Da die Käufer im Innenverhältnis zur Verkäuferin verpflichtet waren, den Maklerlohn in voller Höhe zu bezahlen, blieb die Verkäuferin als die Partei, die den Maklervertrag abgeschlossen hat, nicht zur Zahlung des Maklerlohns mindestens in gleicher Höhe verpflichtet.
Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung
Der Verstoß gegen § 656 d BGB führt zur Gesamtnichtigkeit einer entsprechenden Vereinbarung. Die Kläger können von der Beklagten die Rückzahlung des Maklerlohns in voller Höhe verlangen.
Quelle | BGH, Urteil vom 6.3.2025, I ZR 138/24, PM 45/25
| Eine 77-jährige Frau, die über einer Supermarktfiliale wohnt, tätigte dort ihre Einkäufe bis zu einem Hausverbot Anfang des Jahres 2024 durch die Filialleitung. Sie behauptet, das Hausverbot sei nach einer Beschwerde ihrerseits ohne ersichtlichen Grund erteilt worden. Sie sei gesundheitlich stark eingeschränkt und nicht in der Lage, längere Strecken zurückzulegen und daher auf die Filiale angewiesen. Ohne ein Betreten des Supermarkts sei ihr eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verwehrt. Das Amtsgericht (AG) München wies ihre Klage ab. |
Wiederholtes Fehlverhalten
Die Filialleitung begründete das Hausverbot mit wiederholtem Fehlverhalten. Die Münchnerin habe Kunden beim Betreten des Markts von ihrer Wohnung aus beschimpft, habe das Geschäft regelmäßig ohne Einkaufsabsicht aufgesucht, Mitarbeiter in Gespräche verwickelt und diese von der Arbeit abgehalten. Sie habe sich zudem immer wieder an der Frischetheke des Markts Ware aufschneiden lassen und diese dann, anstatt zu kaufen, im Laden abgelegt.
Da der Supermarkt sich weigerte, das Hausverbot zurückzunehmen, verklagte sie den Betreiber vor dem AG auf Gewährung des Zutritts zum Supermarkt – ohne Erfolg.
Hausrecht deckt Hausverbot
Der Beklagte ist als Betreiber des Supermarkts aufgrund seines Hausrechts grundsätzlich berechtigt, Kunden selbst ohne sachlichen Grund ein Hausverbot zu erteilen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein Fehlverhalten der Klägerin vorlag.
Dem Betreiber einer Einrichtung, die erhebliche Bedeutung für das gesellschaftliche und kulturelle Leben hat, wird eine besondere rechtliche Verantwortung zugewiesen, die es ihm verbietet, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund auszuschließen. Entgegen der Auffassung der Klägerin entscheidet die Verweigerung des Zutritts für sie nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Ein Supermarkt dient der Daseinsvorsorge in Form von Einkäufen des täglichen Bedarfs, insbesondere an Lebensmitteln, nicht der sozialen Interaktion oder des kulturellen Austauschs.
Klägerin konnte auf konkurrierenden Supermarkt ausweichen
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Monopolstellung oder sonstige strukturelle Überlegenheit des Beklagten vorliegt, die dazu führt, dass bestimmte Personen nicht ohne sachlichen Grund ausgeschlossen werden könnten. Eine solche Monopolstellung des Markts des Beklagten für die tägliche Daseinsvorsorge ist im konkreten Fall nicht gegeben. Der Beklagte hat unbestritten ausgeführt, dass in fußläufiger Entfernung (ab 500 Metern) weitere Supermärkte vorhanden sind, die somit auch für betagtere Kunden problemlos zu erreichen sind.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 11.10.2024, 142 C 18533/24, PM 12/25
| Legt beim Gebrauchtwagenkauf der Verkäufer den Fahrzeugbrief vor, kann sich der Käufer normalerweise darauf verlassen, dass er es auch tatsächlich mit dem Eigentümer und nicht mit einem Betrüger zu tun hat. Dieses Vertrauen kann aber erschüttert sein, wenn die Umstände des Verkaufs trotzdem Verdacht erregen müssen. Dann muss der Käufer im Betrugsfall das Fahrzeug dem wahren Eigentümer zurückgeben und bleibt auf dem gezahlten Kaufpreis als Schaden sitzen. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal (Pfalz) entschieden. Es hat die Klage eines Autokäufers abgewiesen, der auf einen Betrüger hereingefallen war. |
Autokäufer war auf Betrüger hereingefallen
Der Käufer hatte den PKW von einem Betrüger für mehr als 35.000 Euro erworben. Kurze Zeit nach dem Kauf beschlagnahmte die Polizei das Fahrzeug und gab es dem ursprünglichen Eigentümer zurück. Dieser verkaufte es anschließend für knapp 49.000 Euro weiter.
Den Kaufpreis reklamierte der betrogene Käufer für sich. Er sei trotz des Betrugs Eigentümer des Fahrzeugs geworden. Er sei im Internet auf das Fahrzeug gestoßen und habe sich im Saarland zur Besichtigung verabredet. Auf dem Weg dorthin habe er die Mitteilung erhalten, dass das Kind des Verkäufers einen Treppensturz erlitten habe und in einem Krankenhaus in Frankreich liege. Dorthin sei er nun umgeleitet worden, wo der Kauf auf dem Parkplatz durch Barzahlung auch abgewickelt worden sei. Der Betrüger habe einen vermeintlich echten Fahrzeugbrief und einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt. Er habe deshalb daran glauben dürfen, dass das Fahrzeug diesem auch gehört habe.
Umstände des Kaufs waren dubios, Zweifel daher angebracht
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Der Käufer habe trotz Vorlage des scheinbar echten Fahrzeugbriefs grob fahrlässig gehandelt und das Fahrzeug daher nicht gutgläubig erworben. Denn die Umstände des Verkaufs hätten beim Käufer Zweifel erregen müssen, dass er den wahren Eigentümer vor sich hatte. So habe dieser einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt, obwohl sein im Kaufvertrag genannter Wohnsitz Frankenthal gewesen sei und das Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen zugelassen war.
Kurzfristige Verlegung der Übergabe ins Ausland
Auffällig sei ferner, dass der Verkäufer ursprünglich als Treffpunkt das vom angegebenen Wohnort abweichende Dillingen/Saar genannt habe. Typisch für unlautere Automobilgeschäfte sei auch das Bargeschäft und die kurzfristige telefonische Verlegung des Verkaufsorts an einen fremden und noch dazu im Ausland befindlichen Ort. Nach alledem könne der Käufer dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entgehen und habe den Schaden selbst zu tragen, so der Richter.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 3.4.2025, 3 O 388/24, PM vom 22.5.2025
| Das Amtsgericht (AG) Berlin-Charlottenburg hat entschieden: Hatte der frühere Vermieter die Hundehaltung erlaubt, kann der in das Mietverhältnis eingetretene Vermieter diese Gestattung nur aus wichtigem Grund widerrufen. Dies gilt, auch wenn es sich um einen Kampfhund handeln sollte. Dass sich Mitmieter aufgrund der Größe und Kraft eines solchen Hundes subjektiv bedroht fühlen, reicht für den Widerruf nicht aus. |
Vorheriger Vermieter hatte Hundehaltung gestattet, neuer Vermieter widerrief Erlaubnis
Die Parteien eines Mietvertrags über ein möbliertes Apartment stritten um die Räumung und Herausgabe einer Wohnung. Der Kläger, der aktuelle Vermieter, war nachträglich in das Mietverhältnis eingetreten. Der beklagte Mieter hält einen Hund, was ihm ausdrücklich vom früheren Vermieter erlaubt worden war.
Der Kläger hat die Erlaubnis zur Hundehaltung im Juni 2023 widerrufen und die Haltung eines Kampfhundes untersagt. Der Beklagte sollte seinen Hund bis Ende Juni 2023 entfernen. Noch im Juni mahnte der Kläger den Beklagten wegen nicht gestatteter Tierhaltung ab. Anfang August 2023 kündigte der Kläger das Mietverhältnis ordentlich zum 30.11.2023 und begründete dies mit der weiteren Haltung eines Kampfhundes sowie des Einsetzens des Hundes als Druck- und Nötigungsmittel.
Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung
Der Kläger behauptete, bei dem vom Beklagten gehaltenen Tier würde es sich um einen Kampfhund handeln. Der Beklagte würde dieses Tier gegenüber Nachbarn im Objekt als Druck- und Nötigungsmittel einsetzen, um Vorrang auf Wegen oder im Treppenhaus zu erzwingen. Mehr als ein anderer Bewohner im Objekt habe Angst vor dem Hund, die wollten aber nicht namentlich genannt werden. Er verklagte den Mieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Der Mieter behauptete hingegen, es handele sich nicht um einen „Listenhund“, sondern um eine Mischung aus Old-English-Bulldog und Weimeraner. Er reichte dazu zwei Fotos sowie eine tierärztliche Bescheinigung und weitere Unterlagen ein.
So entschied das Amtsgericht
Der Vermieter kann das Mietverhältnis nur aus berechtigtem Interesse kündigen. Das ist z. B. der Fall, wenn der Mieter vertragliche Pflichten erheblich verletzt, indem er z. B. ein Tier trotz Abmahnung weiter hält.
Im Fall des AG war es aber anders: Der ursprüngliche Vermieter hatte die Hundehaltung erlaubt. Der – große und kräftige – Hund, war– ohne Maulkorb – stets an der Leine geführt worden. Beißvorfälle oder -versuche oder Bedrohungen von Nachbarn mit dem Hund konnten nicht bewiesen werden. Ein – subjektives – Bedrohtfühlen genügt nicht, um die Erlaubnis zu widerrufen.
Quelle | AG Charlottenburg, Urteil vom 30.5.2024, 218 C 243/23
| Ein Streit um einen Erbschein hat kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Eine Erbin hatte falsche Angaben gemacht – mit unangenehmen Folgen. |
Wahrheitswidrige Angaben zum Testament
Eine Frau hatte nach dem Tod ihrer Mutter einen Erbschein beantragt, um als Alleinerbin ausgewiesen zu werden. Sie berief sich dabei auf ein Testament, machte aber falsche Angaben: Sie versicherte eidesstattlich, dass das Testament von der Verstorbenen eigenhändig verfasst worden sei. In Wirklichkeit hatte jedoch die Tochter das Testament geschrieben und die Mutter nur ihre Unterschrift darunter gesetzt.
Testament muss eigenhändig geschrieben sein
Die falschen Angaben betrafen einen entscheidenden Punkt: Ein Testament muss eigenhändig geschrieben oder von einem Notar beurkundet werden. Eigenhändig heißt, dass der Erblasser es komplett selbst und von Hand niederschreiben muss. Die bloße Unterschrift der Mutter reichte deshalb nicht aus – das Testament war unwirksam. Statt des Testaments galt die gesetzliche Erbfolge, das heißt: Die Antragstellerin musste sich das Erbe mit ihren Geschwistern teilen.
Streit um Anwaltskosten
Im Erbscheinverfahren vor dem Amtsgericht (AG) wurden die falschen Angaben aufgeklärt. Der Streit war damit aber nicht erledigt. Denn die Geschwister hatten Anwälte beauftragt, um gegen den unberechtigten Antrag vorzugehen. Zwei Schwestern verlangten die Erstattung der angefallenen Anwaltskosten. Das OLG gab ihnen nun Recht.
Mögliche strafrechtliche Konsequenzen
Für die unterlegene Schwester hat dies nicht nur finanzielle Folgen: Die Akten werden nun der Staatsanwaltschaft übergeben, denn eine falsche eidesstattliche Versicherung ist strafbar. Das OLG sah einen entsprechenden Anfangsverdacht; bis zu einer möglichen Entscheidung im Strafverfahren gilt für die Betroffene die Unschuldsvermutung.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 9.1.2025, 6 W 156/24, PM vom 20.2.2025
| Das Zerreißen eines Testaments durch den Erblasser ist eine Widerrufshandlung. Es wird gesetzlich vermutet, dass dieser Widerrufshandlung eine Widerrufsabsicht zugrunde lag. Die Aufbewahrung des zerrissenen Testaments im Schließfach widerlegt diese Vermutung nicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die Beschwerde des in dem zerrissenen Testament Begünstigten gegen einen auf Basis gesetzlicher Erbfolge erteilten Erbschein zurückgewiesen. |
Testament zerrissen, aber aufbewahrt
Der Erblasser war mit seiner Frau in letzter Ehe kinderlos verheiratet. Nach seinem Versterben beantragte die Frau einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Das Nachlassgericht erteilte den Erbschein, der die Frau neben der Mutter des Erblassers als Erben auswies. Zwei Monate später öffneten die Frau und ein Vertreter der Mutter des Erblassers das Schließfach des Erblassers. Dort befand sich ein handschriftliches Testament, das eine andere Person begünstigte. Es war längs in der Mitte durchgerissen. Das Nachlassgericht hat den Antrag des Begünstigten abgelehnt, den bereits erteilten Erbschein im Hinblick auf das nun aufgefundene, zerrissene Testament einzuziehen.
Widerruf durch schlüssige Handlung
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das Nachlassgericht habe die Einziehung des Erbscheins zu Recht abgelehnt, da dieser nicht unrichtig geworden sei. Der Begünstigte sei nichttestamentarischer Erbe geworden. Der Erblasser habe das den Begünstigten alsErben einsetzende Testament durch schlüssige Handlung widerrufen.
Durch das Zerreißen des Testaments in der Mitte habe derErblasser das Testament vernichtet. Es liege insoweit eine Widerrufshandlungvor. Das Testament sei unzweifelhaft auch „nicht durch äußere Einflüsse „anderweitig“ in zwei Teile geraten“. Dafür spreche, dass das Papier mittig, aber nicht vollständig gerade getrennt worden sei. Die Trennränder seien zudem nicht glatt. Anhaltspunkte für ein – ggf. sachverständig aufzuklärendes – anderweitiges Trennen des Schriftstücks in zwei Teile lägen nicht vor. Es sei auch davon auszugehen, dass der Erblasser selbst das Testament zerrissen habe, da nur er Zugang zum Bankschließfach gehabt habe. Nach den Angaben der bei Öffnung des Schließfachs Anwesenden bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Testament beim Öffnen oder Schließen des Schließfachs versehentlich von einer dritten Person zerrissen worden sei.
Gesetzliche Vermutung nicht widerlegt
Es werde gesetzlich vermutet, dass diese Widerrufshandlung mit Widerrufsabsicht erfolgte. Indizien, die diese Vermutung widerlegen würden, seien nicht erkennbar. Warum der Erblasser das zerstörte Testament im Schließfach aufbewahrte, sei zwar nicht nachvollziehbar. Dies allein genüge aber nicht zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung. Der Erblasser habe ausweislich der dokumentierten 31 Öffnungen des Schließfachs dieses offensichtlich nicht ausschließlich zur Aufbewahrung eines ungültigenTestaments angemietet.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.4.2025, 21 W 26/25, PM 26/25
| Das Landgericht (LG) Berlin II hat eine Energieberatungsfirma zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von rund 6.000 Euro wegen einer Falschberatung verurteilt. Aufgrund der Falschberatung habe der Kläger – ein Verbraucher – Fenster und Dachfenster mit zu hohen Wärmedurchgangskoeffizienten einbauen lassen, die daher nicht förderfähig seien. |
Förderleistungen beantragt – Bundesamt lehnt ab
Der Kläger hatte die Beklagte mit der Energieberatung für die energetische Sanierung seines Einfamilienhauses beauftragt. In Zusammenarbeit mit der Beklagten beantragte er beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Förderleistungen gemäß der Richtlinie der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG-Richtlinie) und erhielt einen entsprechenden Zuwendungsbescheid. Anschließend holte er Angebote für die Sanierungsmaßnahmen ein und schickte sie der Beklagten, die diese nicht beanstandete.
Für den Verwendungsnachweis der Fördermittel gab der Kläger in Absprache mit der Beklagten die Wärmedurchgangskoeffizienten an, die mit den verbauten Dämmmaterialien an der Gebäudehülle erreicht werden konnten – für das Dach und die Geschossdecke einen Koeffizienten von 0,2, für die Fenster von 1,1 und für die Dachflächenfenster von 1,3. Das Bundesamt teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die technischen Mindestanforderungen bei der Sanierung nicht erreicht seien und hob den Förderbescheid teilweise auf. Die BEG-Richtlinie fordert Koeffizienten an Dachgebilden von 0,14 und an Fenstern von 0,95 bzw. 1,0 bei Dachflächenfenstern.
Energieberater muss Förderleistung zahlen
Das Gericht sprach dem Kläger nun Schadenersatz in Höhe der eigentlich zu gewährenden Förderungssumme zu. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur fachlich zutreffenden Beratung verletzt. Sie hätte insbesondere die vom Kläger vorgelegten Angebote auf ihre Förderungsfähigkeit prüfen müssen.
Der Verweis der Beklagten, der Kläger hätte sich selbst über die förderungsrelevanten Wärmedurchgangskoeffizienten informieren können, führe ihr Leistungsangebot ad absurdum. Es sei gerade ihre Hauptleistungspflicht, einen Verbraucher und Laien über die Richtlinien und Richtwerte fachlich zu beraten. Darüber hinaus habe die Beklagte den Kläger falsch beraten, weil sie selbst von falschen Werten ausgegangen sei. Rechtsirrig habe sie in E-Mails an den Kläger auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und nicht auf die Werte der BEG-Richtlinie verwiesen. Die Beratung sei auch deshalb unzureichend und fehlerhaft gewesen.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23, PM 3/25
| Bei einer mehr als unerheblichen Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks scheidet die Annahme eines faktischen Kerngebiets aus, also als Gebiet, das vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Stadt versagte Nutzung eines Gebäudes als Spielhalle
Die Klägerin begehrt einen Bauvorbescheid für die Nutzung eines Geschäftsgebäudes in der Innenstadt der Beklagten als Spielhalle. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, der Widerspruch blieb erfolglos.
Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht sahen das anders
Das Verwaltungsgericht (VG) gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) zurück. Das Vorhaben sei als Vergnügungsstätte zulässig. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Kerngebiet i. S. d. Baunutzungverordnung (hier: § 7 BauNVO). Die nicht unerhebliche, aber noch untergeordnete Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks stehe dieser Einordnung nicht entgegen, obwohl sie im vorhandenen Umfang nur aufgrund von Festsetzungen in einem Bebauungsplan zulässig wäre.
Bundesverwaltungsgericht rügte mangelnde Tatsachenfeststellung
Das BVerwG hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Auffassung des OVG, dass ein faktisches Kerngebiet auch bei einer nicht unerheblichen Wohnnutzung vorliegt, steht mit der Regelungssystematik der Baunutzungsverordnung nicht in Einklang. Die Verweisung in § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB auf die §§ 2 ff. BauNVO findet dort eine Grenze, wo die Baunutzungsverordnung eine planerische Entscheidung der Gemeinde vorsieht. Der Verordnungsgeber hat die Entscheidung darüber, ob die sonstige Wohnnutzung in einem Kerngebiet über Ausnahmen hinausgehen darf, der Gemeinde überlassen. Ihr Spielraum darf bei der Einordnung als faktisches Kerngebiet nicht übergangen werden. Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen konnte das BVerwG nicht abschließend entscheiden.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 20.5.2025, 4 C 2.24, PM 37/25
| Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf der Grundlage von über 2.300 geleisteten Mehrarbeitsstunden im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer für mehrere Monate frei, muss er ihm in diesen Monaten das Entgelt nach dem Lohnausfallprinzip zahlen, also das Entgelt, das zu zahlen gewesen wäre, wenn der Arbeitnehmer in diesen Monaten gearbeitet hätte. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |
Das LAG: Nichts anderes ergibt sich, wenn die unstreitige Mehrarbeit vor 20 Jahren geleistet worden war, also in einem Zeitraum, für den die Parteien ein viel geringeres Bruttomonatsentgelt vereinbart hatten.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 23.8.2024, 6 Sa 663/23
| Ein Bewerber um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugdienst kann verlangen, nicht wegen eines genetisch bedingten erhöhten Thromboserisikos vom Bewerbungsverfahren der Bundespolizei ausgeschlossen zu werden. Bei der beim Kläger diagnostizierten sog. Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich um einen angeborenen Gendefekt, bei dem es zu Störungen der Blutgerinnung kommt und der mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergeht. Die Entscheidung der Bundespolizeiakademie, die Bewerbung des Klägers um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst im Jahr 2023 aufgrund fehlender gesundheitlicher Eignung nicht zu berücksichtigen, hatte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Aachen keinen Bestand. Über die Bewerbung des Klägers muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden werden. |
Geringe Risiken
Zur Begründung hat das VG ausgeführt, dass es bereits in erheblichem Maße zweifelhaft ist, ob hinreichende sachliche Gründe für den Ausschluss von Beamten mit einem solchen Gendefekt bestehen. Denn das durch eine solche Mutation bedingte Thromboserisiko ist verhältnismäßig gering. In der beim Kläger vorliegenden Form ist es zwar gegenüber gesunden Menschen erhöht, entspricht jedoch ungefähr dem Thromboserisiko durch die Einnahme der Antibabypille bei Frauen und damit einem Risiko, das der Dienstherr als hinnehmbar ansieht.
Ergebnisse der genetischen Untersuchung durften nicht mitgeteilt werden
Unabhängig davon durfte der Gendefekt nicht zulasten des Klägers im Einstellungsverfahren berücksichtigt werden, weil er aufgrund einer genetischen Untersuchung diagnostiziert wurde. Die Mitteilung des diesbezüglichen Ergebnisses durfte die Bundespolizei aus Rechtsgründen nicht verlangen.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 10.3.2025, 1 K 1304/23, PM vom 10.3.2025
| Die Verwendung eines abstrakt gefährlichen Gegenstands – hier eines Klappmessers – zu einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch – hier Reparaturversuch an einer Uhr – läuft den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider und steht deshalb der Anerkennung eines Unfallereignisses als Dienstunfall entgegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Mit dem Messer versucht, Klemmfeder zu richten
Der mittlerweile pensionierte Kläger war Polizeivollzugsbeamter im saarländischen Landesdienst. Im April 2019 erstattete er bei seiner Dienststelle eine Dienstunfallanzeige. Danach habe er zu Dienstbeginn festgestellt, dass die sonst über der Tür hängende Wanduhr auf der Fensterbank gelegen habe. Es sei ihm aufgefallen, dass die Batterie der Uhr unsachgemäß im Batteriefach gesteckt habe und die Klemmfeder verbogen gewesen sei. Er habe mit seinem Klappmesser die verbogene Feder wieder richten wollen. Hierbei sei das Messer zugeschnappt und er habe sich einen tiefen Schnitt am kleinen Finger der rechten Hand zugezogen.
Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls
Sein Antrag auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall ist behördlich und in den beiden gerichtlichen Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwiderlaufe, wenn ein Beamter sich ohne Not einem Verletzungsrisiko durch Hantieren mit einem privaten, abstrakt gefährlichen Gegenstand aussetze, dessen Funktionstauglichkeit der Dienstherr nicht prüfen könne.
Keine dienstliche Aufgabe
Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall. Zwar hat sich der Unfall in einem Dienstgebäude zur Dienstzeit ereignet und ist damit grundsätzlich als „in Ausübung des Dienstes eingetreten“ vom Dienstunfallschutz erfasst. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Reparatur der Uhr nicht zu den dienstlichen Aufgaben des Klägers als Polizeibeamter gehörte. Dienstunfallschutz wird jedoch nicht gewährt, wenn dieTätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft. Das ist hier der Fall.
Entgegen den Interessen des Dienstherrn
Dabei kann dahinstehen, ob es sich um ein Einhandmesser im Sinne des Waffengesetzes handelte und das Führen des Messers bereits deshalb verboten war. Jedenfalls lief die Benutzung dieses Messers zum Zweck einer Uhrreparatur den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider. Das verwendete Messer ist ein abstrakt gefährlicher Gegenstand, der für den Zweck der Reparatur ersichtlich nicht bestimmt und nicht geeignet war.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 13.3.2025, 2 C 8.24, PM 16/25
| Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellt den Arbeitnehmer trotz dessen Beschäftigungsanspruchs von der Arbeit frei, unterlässt der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig in Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 615 S. 2 BGB) anderweitigen Verdienst, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis eingeht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Das war geschehen
Der Kläger war seit November 2019 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Senior Consultant gegen eine monatliche Vergütung von 6.440 Euro brutto. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.3.2023 ordentlich zum 30.6.2023 und stellte den Kläger unter Einbringung von Resturlaub unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht (ArbG) am 29.6.2023 statt, die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) am 11.6.2024 zurückgewiesen.
Arbeitgeber schlug Stellenangebote vor
Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Kläger Anfang April 2023 arbeitssuchend und erhielt von der Agentur für Arbeit erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge. Die Beklagte übersandte ihm hingegen schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote, die nach ihrer Einschätzung für den Kläger in Betracht gekommen wären.
Arbeitnehmer bewarb sich – aber erst zum Beschäftigungsende
Auf sieben davon bewarb sich der Kläger, allerdings erst ab Ende Juni 2023. Nachdem die Beklagte dem Kläger für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, hat er diese mit einer Klage geltend gemacht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewendet, der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bei der Beklagten bezogenen Gehalts anrechnen lassen.
Arbeitgeber war durch einseitige Freistellung im Annahmeverzug
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) ihr stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Beklagte befand sich aufgrund der von ihr einseitig erklärten Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug und schuldet dem Kläger (nach § 615 S. 1 BGB iVm. § 611 a Abs. 2 BGB) die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss sich der Kläger nicht (nach § 615 S. 2 BGB) anrechnen lassen. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil ist nur gerechtfertigt, wenn dieser wider Treu und Glauben (nach § 242 BGB) untätig geblieben ist. Weil § 615 S. 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend hiervon bestand für ihn keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Beklagten ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.
Quelle | BAG, Urteil vom 12.0.2025, 5 AZR 127/24, PM 6/2
Verbraucherrecht
| Ein Verkauf von Unternehmensvermögen unterliegt der Umsatzsteuer. Eine Entnahme kann hingegen ohne Umsatzsteuer bleiben, wenn der Gegenstand ohne Vorsteuerabzug Unternehmensvermögen wurde. Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Niedersachsen gelten für dieses „Entnahme-Verkauf-Modell“ aber strenge Voraussetzungen. |
Hintergrund: Wurde ein Wirtschaftsgut ohne Vorsteuerabzug erworben und in das Unternehmensvermögen eingelegt, kann es grundsätzlich nicht umsatzsteuerbar entnommen und anschließend ohne Umsatzsteuer verkauft werden. So hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Jahr 2002 Folgendes festgestellt: Entnimmt der Steuerpflichtige den Pkw, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hatte, vor der Veräußerung seinem Unternehmen, ist es unzulässig, die Entnahme zu besteuern. Wenn der Steuerpflichtige den Pkw dann veräußert, ist diese Leistung seinem privaten Bereich zuzurechnen. Sie unterliegt daher nicht der Umsatzsteuer. Zu den Voraussetzungen musste jüngst das FG entscheiden.
Das war geschehen
Ein Unternehmer hatte einen Pkw und ein Wohnmobil aus seinem Privatvermögen in das Betriebsvermögen eingelegt. Es erfolgte jeweils eine Zuordnung zum Unternehmensvermögen ohne Vorsteuerabzug. Aus den Reparaturaufwendungen wurde dann jedoch der Vorsteuerabzug geltend gemacht.
Später verkaufte der Unternehmer die Fahrzeuge ohne Umsatzsteuerausweis. Der Kaufvertrag für den Pkw datierte vom 22.10.2016 (Übergabe am 25.10.2016), der Kaufvertrag für das Wohnmobil vom 25.8.2018 (Übergabe am 29.8.2018). In der Buchhaltung wurde eine Entnahme des Pkw zum 25.10.2016 und eine Entnahme des Wohnmobils zum 25.8.2018 jeweils ohne Umsatzsteuer erfasst.
Das Finanzamt setzte für die Verkäufe Umsatzsteuer fest. Wegen der engen zeitlichen Zusammenhänge liege weder für den Pkw noch für das Wohnmobil ein ausreichender Nachweis einer Entnahmehandlung vor. Die buchhalterische Erfassung allein genüge nicht.
Die hiergegen gerichtete Klage war erfolglos.
So argumentiert das Finanzgericht
Für eine vorherige nicht umsatzsteuerbare Entnahme bedarf es objektiver Anhaltspunkte und einer gewissen Zeitspanne zwischen Entnahme und Verkauf. Der Umstand, dass die Entnahme zeitlich mit der Lieferung am gleichen Tag erfolgt sein soll, spricht gegen eine Entnahme.
Die nach außen erkennbare Entnahme eines Gegenstands aus dem unternehmerischen Bereich hat zeitlich vor dem Verkauf zu erfolgen, wobei es dabei zur erforderlichen eindeutigen Abgrenzung auf den Zeitpunkt des ersten Angebots zum Verkauf des Gegenstands bzw. die erste Verkaufsbemühung ankommt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 3.4.2025, 5 K 15/24
| Bei der Frage, ob die Sachbezugsfreigrenze gemäß Einkommensteuergesetz (hier: § 8 Abs. 2 S. 11 EStG) in Höhe von 50 Euro pro Monat überschritten wird, sind die vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten anteilig den für die Nutzung des Firmenfitnessprogramms registrierten Arbeitnehmern zuzurechnen. Auf die Anzahl der vom Arbeitgeber erworbenen Lizenzen kommt es nicht an, wenn diese nicht der Zahl der für das Programm registrierten Arbeit-nehmer entspricht. Dies hat das Finanzgericht (FG) Niedersachsen entschieden. |
Beispiel in Anlehnung an den Urteilssachverhalt
Die A-GmbH hat 100 Arbeitnehmer. Sie schließt mit dem Fitnessstudiobetreiber X eine Firmenfitness-Mitgliedschaftsvereinbarung, wonach die Arbeitnehmer der A-GmbH berechtigt sind, das Fitnessstudio des X zu nutzen.
Somit erwirbt die A-GmbH 50 Lizenzen für monatlich 4.000 Euro inkl. Umsatzsteuer. Die Anzahl wurde anhand der Personalstruktur als Kalkulationsgrundlage für X prognostiziert. Die Lizenzen haben keine Auswirkung auf die Menge der tatsächlich nutzungsberechtigten Arbeitnehmer.
Mitarbeiter, die das Angebot in Anspruch nehmen wollen, haben im Fitnessstudio eine Berechtigung vorzulegen, die X aufgrund der mitgeteilten Namen erstellte. Von den 100 Mitarbeitern haben sich 80 für das Fitnessprogramm angemeldet. Tatsächlich teilgenommen haben 50 Mitarbeiter.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind die Kosten auf die Anzahl der Lizenzen zu verteilen. Das würde im Beispiel bedeuten, dass je Arbeitnehmer 80 Euro (4.000 Euro/50 Lizenzen) zu berücksichtigen wären, mithin der Betrag in voller Höhe steuerpflichtig wäre.
Finanzgericht widersprach der Finanzverwaltung
Dem widersprach jedoch das FG: Entspricht die Anzahl der Lizenzen nicht der Zahl der für das Programm registrierten Mitarbeiter, kommt es auf die Menge der Lizenzen nicht an. Vielmehr sind dann die vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten anteilig den für die Nutzung des Firmenfitnessprogramms registrierten Mitarbeitern zuzurechnen. Im Beispiel ergeben sich somit 50 Euro je Arbeitnehmer (4.000 Euro/80 Arbeitnehmer). Da der Betrag nicht die Freigrenze übersteigt, ist er nicht zu versteuern.
Beachten Sie | Die Kosten sind nicht nur auf die Mitarbeiter zu verteilen, die das Angebot tatsächlich in Anspruch genommen haben. Denn die Arbeitnehmer haben den Nutzungsvorteil, dass für sie jederzeit eine Trainingsmöglichkeit vorgehalten wird.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 17.4.2024, 3 K 10/24
| Ein Steuerbescheid ist nach der Abgabenordnung (hier: § 175 b AO) zu ändern, wenn elektronische Daten von Dritten (z. B. dem Rentenversicherungsträger) bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Dies gilt laut Bundesfinanzhof (BFH) selbst dann, wenn diese Informationen bereits aus der Steuererklärung ersichtlich waren. |
Das war geschehen
Eheleute hatten eine korrekte Steuererklärung abgegeben. Darin hatten sie auch ihre Renteneinkünfte zutreffend erklärt. Das Finanzamt erließ allerdings einen Einkommensteuerbescheid, in dem die Renteneinkünfte nicht erfasst waren. Später erhielt das Finanzamt auch auf elektronischem Wege durch eine Datenübermittlung des Rentenversicherungsträgers von der Höhe der Renteneinkünfte Kenntnis und änderte daraufhin den Einkommensteuerbescheid zulasten der Eheleute und setzte erstmals die Renteneinkünfte an.
Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen und der BFH haben diese Handhabung nun bestätigt.
Abweichende Regelungen in der „analogen Welt“
In der analogen Welt war die Änderung eines einmal ergangenen Steuerbescheids (sowohl zugunsten als auch zulasten des Steuerpflichtigen) nur möglich, wenn hierfür besondere Voraussetzungen erfüllt waren (z. B. ausdrücklicher Vorbehalt der Nachprüfung im Steuerbescheid oder nachträglich bekannt gewordene Tatsachen).
Beachten Sie | Diese Voraussetzungen waren im Streitfall nicht erfüllt, da das Finanzamt die Rente trotz voller Kenntnis des Sachverhalts im ursprünglichen Steuerbescheid außer Ansatz gelassen hatte.
Digitalisierung: Änderung des Steuerbescheids, wenn Daten nicht berücksichtigt waren
Im Zuge der Digitalisierung erhalten aber auch die Finanzämter immer mehr besteuerungsrelevante Daten auf elektronischem Weg. Daher hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 2017 § 175 b AO eingeführt. Danach kann ein Steuerbescheid geändert werden, soweit Daten an das Finanzamt übermittelt werden, die bisher nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Weitere (insbesondere einschränkende) Voraussetzungen enthält diese Norm nicht.
Beachten Sie | Eine auf § 175 b AO gestützte Änderung ist somit auch vorzunehmen, wenn dem Finanzamt oder dem Steuerpflichtigen zuvor ein Fehler unterlaufen ist. Dies hat sich im Streitfall zugunsten des Finanzamts ausgewirkt, würde aber umgekehrt ebenso zugunsten des Steuerpflichtigen gelten.
Quelle | BFH, Urteil vom 27.11.2024, X R 25/22
| Liegt Arbeitslohn vor, wenn ein Teil eines Veräußerungspreises für Gesellschaftsanteile dafür gezahlt wird, dass der (dann ehemalige) Gesellschafter für einen bestimmten Zeitraum noch als Geschäftsführer tätig wird? Mit dieser Frage muss sich der Bundesfinanzhof (BFH) befassen. Das Finanzgericht (FG) Köln hatte auf Arbeitslohn plädiert. |
Das war geschehen
Der Steuerpflichtige A war an einer GmbH beteiligt und zugleich deren Geschäftsführer. Im Streitjahr verkaufte A seine Anteile. In dem Kaufpreis war vertragsgemäß ein Teilbetrag für die Fortsetzung der Geschäftsführung über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren enthalten.
Teileinkünfteverfahren oder Arbeitslohn?
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass es sich bei dem Teilbetrag um eine Gegenleistung für die mehrjährige Geschäftsführertätigkeit des A handle und diese nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 19 i. V. mit § 34 Abs. 1 EStG) als Arbeitslohn der Besteuerung unterliege.
Der Verkäufer A wandte dagegen ein, dass der Teilbetrag im Rahmen der Ermittlung des Gewinns i. S. des § 17 EStG („Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften“ unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens) zu berücksichtigen sei.
Das FG sprach sich im Klageverfahren unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls für Arbeitslohn aus.
Das spricht für Arbeitslohn
Für die Annahme von Arbeitslohn spricht insbesondere, dass der Verkäufer A den auf die Geschäftsführertätigkeit entfallenden Anteil nur behalten darf, wenn er weiter als Geschäftsführer tätig ist. Das Fortbestehen des Geschäftsführerverhältnisses ist nach dem Kaufvertrag notwendige Voraussetzung für die Vorteilsgewährung.
Beachten Sie | Diese Verknüpfung wird nicht durch die Anteilsübertragung überlagert, denn die prägende Gegenleistung für den Streitbetrag ist die Arbeitsleistung und nicht die Anteilsübertragung.
Höchstrichterliche Entscheidung gefragt
Das FG Köln hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Denn, soweit ersichtlich, ist die Abgrenzung zwischen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit i. S. des § 19 EStG und solchen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften i. S. des § 17 EStG bisher nicht höchstrichterlich geklärt.
Da die Revision auch eingelegt wurde, hat der BFH nun Gelegenheit, für Klarheit zu sorgen.
Quelle | FG Köln, Urteil vom 4.12.2024, 12 K 1271/23
| Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Münster kann eine Ferienwohnung, die der Einkünfteerzielung dient, eine erste Tätigkeitsstätte bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung darstellen, wenn der Vermieter mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit für das Objekt dort verrichtet. |
Hintergrund: Suchen Vermieter in (un)regelmäßigen Abständen ihre Vermietungsobjekte auf, um z. B. Reparaturen vorzunehmen oder mit dem Mieter in Kontakt zu treten, stehen die dabei entstehenden Fahrtkosten mit den Mieteinkünften im Zusammenhang und lassen sich als Werbungskosten absetzen.
Grundsätzlich sind die Fahrtkosten dann nach Reisekostengrundsätzen zu ermitteln, sodass die tatsächlichen Kosten bzw. 0,30 Euro je Kilometer für die Hin- und die Rückfahrt anzusetzen sind.
In dem Streitfall ging es nun u. a. um die Frage, ob eine Ferienwohnung auch eine erste Tätigkeitsstätte darstellen kann – mit der Folge, dass lediglich die Entfernungspauschale (0,30 Euro pro Entfernungskilometer bzw. 0,38 Euro ab dem 21. Kilometer) abgezogen werden kann.
Das war geschehen
Eine aus Vater und Sohn bestehende GbR erzielte Einkünfteaus der Vermietung zweier Ferienwohnungen. Für das Jahr 2019 machte die GbR u. a. Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen im Zusammenhang mit Reparatur- und Reinigungsarbeiten an den Wohnungen als Werbungskosten geltend.
Das Finanzamt stellte bei der Prüfung der Unterlagen und Belege Ungereimtheiten fest und erkannte die Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen wegen privater Mitveranlassung nicht an. Die hiergegen gerichtete Klage war vor dem FG teilweise erfolgreich.
Das Gericht begründete seine Entscheidung u. a. wie folgt: Die Fahrtkosten sind mit der Entfernungspauschale und unter Abzug eines Privatanteils zu berücksichtigen. Die beiden Wohnungen sind jeweils als erste Tätigkeitsstätte anzusehen.
Hier keine Zuordnung durch Arbeitgeber, sondern quantitative Kriterien
Der Verweis im Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 3 EStG) auf die vorrangig für Arbeitnehmer geltenden Regelungen führt bei den Vermietungseinkünften dazu, dass jedenfalls dann eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt, wenn der Steuerpflichtige mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit für das Mietobjekt dort selbst verrichtet. Maßgeblich sind in erster Linie quantitative Kriterien, da – anders als bei Arbeitnehmern – eine Zuordnung durch einen Arbeitgeber nicht in Betracht kommt.
Private Veranlassungsanteile
Da die Ferienwohnungen im Wesentlichen durch Dritte verwaltet wurden, während die Gesellschafter die Reparaturarbeiten selbst durchführten, ist die quantitative Grenze von einem Drittel im Streitfall deutlich überschritten. Für jede einzelne Reise hat das Gericht eine Aufteilung der Fahrtkosten vorgenommen und die privaten Veranlassungsanteile nicht als Werbungskosten anerkannt.
Die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen wären bestenfalls innerhalb der ersten drei Monate anzuerkennen. Im Streitfall war die Dreimonatsfrist aber bereits abgelaufen.
Beachten Sie | DasFG Münster hatte die Revision zugelassen, weil bis dato keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 9 Abs. 3 EStG vorliegt und hierzu im Streitfall entscheidungserhebliche Fragen grundsätzlich klärungsbedürftig sind. Da die Revision aber nicht eingelegt wurde, muss man vorerst weiter auf eine höchstrichterliche Entscheidung warten.
Allerdings zeigt der Streitfall, dass eine gute Beweisvorsorge unerlässlich ist. Das gilt nicht nur für die Anzahl der Fahrten,s ondern auch für den mit der Vermietung zusammenhängenden Hintergrund der Fahrten und der möglichst fehlenden privaten Mitveranlassung. Zudem wird deutlich, dass bei sehr vielen Fahrten zum Mietobjekt die Gefahr besteht, dass das Finanzamt nur die Entfernungspauschale gewährt.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 15.5.2025, 12 K 1916/21 F
| Eine Frau parkte in der Tiefgarage ihres Arbeitgebers. Beim Ausparken stieß sie mit der Beifahrertür ihres BMW versehentlich gegen einen rechteckigen, ca. kniehohen Sockel einer Säule. Der Sockel befand sich unterhalb der Sichtachse und war nicht gekennzeichnet oder markiert. Sie verlangte Schadenersatz. Ihre Klage wies das Amtsgericht (AG) München ab. |
Das verlangte die Klägerin
Die Klägerin behauptet, durch den Unfall sei ein Schaden an der Beifahrertür von über 3.200 Euro netto entstanden. Der Sockel sei bei Umbaumaßnahmen im Zeitraum 2019 bis 2022 errichtet worden. Die Klägerin habe erfahren, dass es mehrere Unfälle an dem Betonsockel gegeben habe. Sie verklagte daraufhin das Bauunternehmen, das die Verkehrssicherungspflicht für die von ihm durchgeführten Arbeiten übernommen hatte.
Die beklagte Baufirma gab an, der Sockel stünde dort bereits seit 50 Jahren. Sie bezweifelte, dass der Schaden vollständig auf einen Kontakt mit dem Sockel zurückzuführen sei.
So urteilte das Amtsgericht
Das AG wies die Klage ab. Begründung: Das Bauunternehmen habe bereits keine sog. Verkehrssicherungspflicht verletzt. Der Betonsockel stellte schon keine besondere Gefahrenquelle für Fahrzeuge in einer Parkgarage dar. Dabei sei zu berücksichtigen, dass jeder Kraftfahrer in einer Parkgarage ohnehin nur so schnell fahren darf, dass er im Hinblick auf die ständig zu erwartenden Ein- und Ausparkvorgänge, aber auch wegen des dort herrschenden Fußgängerverkehrs jederzeit anhalten kann. Beim Ein- und Ausparkvorgang sei es daher jederzeit möglich, anzuhalten, auszusteigen und sich zu vergewissern, wie breit die Fahrbahn oder der Parkplatz an dieser Stelle ist.
Dies gelte insbesondere hinsichtlich des streitgegenständlichen Betonsockels, der von allen Seiten gut sichtbar sei, da er breiter sei als die dahinterstehende Säule. Ein kniehoher Betonsockel sei auch kein überraschendes Hindernis für Parkgaragennutzer, da enge Parkbuchten in einer älteren Parkgarage durchaus üblich seien.
Altschäden auf Fahrfehler zurückzuführen
Selbst, wenn man unterstelle, dass mehrere Fahrer mit ihren Fahrzeugen den Betonsockel in der Vergangenheit gestreift haben sollen, was angesichts eines vorgelegten Fotos und den darauf sichtbaren Lackspuren durchaus plausibel erscheine, sei eine Gefahr, dass Rechtsgüter Dritter durch den statischen Betonsockel verletzte werden, für das Bauunternehmen nicht erkennbar gewesen. Dieses habe als sog. Verkehrssicherungspflichtige darauf vertrauen dürfen, dass die Parkgaragennutzer den gut sichtbaren Betonsockel erkennen und, sofern ihr Fahrzeug zu breit für den Parkplatz sei, eine andere noch freie Parkbucht ohne einen Betonsockel nutzen. Beschädigungen des Sockels durfte das Bauunternehmen daher auf Fahrfehler zurückführen.
Mitverschulden der Autofahrerin
Selbst, wenn man eine Verkehrssicherungspflicht annehmen würde, träfe die Frau ein Mitverschulden, das eine Haftung des Bauunternehmens vollständig entfallen ließe. Die Klägerin nutzte die Parkgarage ihres Arbeitgebers bereits fast zwei Monate nach den Umbaumaßnahmen. Ihr waren sowohl der Zustand der Parkgarage als auch ihre baulichen Merkmale aufgrund der längeren Nutzung bekannt oder sie hätten ihr bekannt sein müssen.
Quelle | AG München, Urteil vom 9.8.2024, 231 C 13838/24. PM 13/25
| Der im Land Berlin eingeführte Probeunterricht zur Eignungsfeststellung für das Gymnasium ab dem Schuljahr 2025/2026 bei Schülern, die nach der Förderprognose den erforderlichen Notendurchschnitt verfehlt haben, ist nicht zu beanstanden. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in mehreren Eilverfahren entschieden. |
Schulgesetz geändert
Im August 2024 änderte das Land Berlin die Regelungen des Schulgesetzes für die Aufnahme in das Gymnasium zur 7. Jahrgangsstufe. Nach der Neuregelung können die Erziehungsberechtigten ein Kind mit einem Notenschnitt zwischen 2,3 und 2,7 nur an einem Gymnasium anmelden, wenn die Eignung für den Besuch des Gymnasiums durch die Teilnahme an einem Probeunterricht nachgewiesen wird.
Die Antragsteller sind Schüler, die bei diesem Probeunterricht weniger als die geforderten mindestens 75 Prozent der erreichbaren Bewertungseinheiten erzielten. Im gerichtlichen Eilverfahren begehren sie dennoch die vorläufige Feststellung ihrer Eignung für das Gymnasium, weil sie die Einführung des Probeunterrichts für rechtswidrig halten.
Verwaltungsgericht: Probeunterricht nicht zu beanstanden
Das VG hat die Eilanträge zurückgewiesen. Die Ausgestaltung des Probeunterrichts und die jeweils konkreten Bewertungen seien rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar betreffe der Probeunterricht auch Kinder, die bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits in der 5. Klasse der Grundschule gewesen seien. Das sei aber verhältnismäßig, weil die legitimen Interessen des Gesetzgebers, insbesondere auch an einer zügigen neuen Aufnahmeregelung für Gymnasien, das Interesse der Betroffenen am Erhalt der bestehenden Regeln überwögen: Der Probeunterricht ermögliche eine prognostische, an allgemeingültigen Maßstäben ausgerichtete und zugleich auf den Einzelfall bezogene pädagogische Beurteilung, ob die Eignung für das Gymnasium vorliege. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des Probeunterrichts auf den Umstand reagiert, dass in der Vergangenheit durchschnittlich sieben Prozent das (mit der Neuregelung abgeschaffte) Probejahr am Gymnasium nicht bestanden hätten, im Schuljahr 2022/23 von den Schülerinnen und Schüler ohne Gymnasialempfehlung sogar 34 Prozent.
Der Probeunterricht trage den begrenzten Kapazitäten der Gymnasien und Lehrressourcen Rechnung, vermeide eine absehbare Überforderung der betroffenen Schülerinnen und Schüler und wirke durch rechtzeitige Prognose einem unnötigen Hin und Her entgegen. Die Aufgaben des Probeunterrichts seien anhand der Vorgaben des gemeinsamen Rahmenlehrplans für Berlin und Brandenburg entwickelt worden. Verbindliche Angaben der Schulaufsichtsbehörde zur Punkteverteilung im Erwartungshorizont hätten eine einheitliche Bewertung sichergestellt. Schließlich habe die zeitliche Ausgestaltung des Probeunterrichts mit ausreichenden Pausen zwischen den drei 45-minütigen Prüfungsteilen die besondere Prüfungssituation der Kinder berücksichtigt.
Quelle | VG Berlin, Beschlüsse vom 9.4.2025, VG 3 L 77/25 u. a., PM 25/25
| Die Universität Duisburg-Essen hat einer Studentin zu Recht diejenigen „Prüfungsleistungen“ aberkannt, die in dem System der Universität als bestanden ausgewiesen waren, weil die Studentin für diese Eintragung einer ehemaligen Mitarbeiterin des Prüfungsamts der Universität Geld gezahlt hatte. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen entschieden. |
Nicht zur Prüfung erschienen – Geldzahlungen an ehemalige Mitarbeiterin
Die Studentin war zu fünf Prüfungsterminen ihres Studiengangs Bachelor Wirtschaftswissenschaft, Katholische Religion und Bildungswissenschaften mit der Lehramtsoption Berufskolleg nicht erschienen. Dies war in den internen Notenlisten der Prüfer vermerkt. Eine ehemalige Mitarbeiterin des Prüfungsamts der Universität vermerkte gegen Geldzahlung in dem System der Universität, die Studentin habe die Prüfungen bestanden und trug dazu Noten ein. Im Masterstudiengang wiederholte sich dies bei vier Prüfungen. Der Prüfungsausschuss der Fakultät Wirtschaftswissenschaften beschloss, die Prüfungsleistungen jeweils als nicht bestanden (Note 5,0) zu bewerten, die von der Fakultät Bildungswissenschaften verliehenen Universitätsabschlüsse (Bachelor und Master) abzuerkennen, und forderte die Abschlusszeugnisse zurück.
Klagen gegen Aufhebung der Prüfungsleistungen
Die Klage gegen die Aufhebung der Prüfungsleistungen und ihre Bewertung als nicht bestanden hat das VG abgewiesen. Die Studentin hat die Prüfungsleistungen nicht bestanden, weil sie nicht an den Prüfungen teilgenommen hat. Die Aberkennung der Abschlüsse und die damit zusammenhängenden Anordnungen hob die Universität in der mündlichen Verhandlung auf, weil hierüber der unzuständige Prüfungsausschuss entschieden hatte. Zuständig ist der Prüfungsausschuss für Bildungswissenschaften, der die Abschlüsse verliehen hat.
Eine weitere Klage einer anderen Studentin im Studiengang Bachelor für das Lehramt Berufskolleg gegen die Bewertung von vier Prüfungsleistungen als nicht bestanden (Note 5,0) durch den Prüfungsausschuss hat das VG ebenfalls abgewiesen. Die Studentin hatte eine Prüfung nicht bestanden und war zu drei weiteren nicht erschienen. Gegen Geldzahlung an eine ehemalige Mitarbeiterin des Prüfungsamts wurden diese Prüfungen als bestanden in das System der Universität eingetragen.
Quelle | VG Gelsenkirchen, Urteile vom 28.4.2025, 4 K 1226/22 und 4 K 1227/22, PM vom 29.4.2025
| Ein Jäger, der im betrunkenen Zustand seine Jagdwaffe im Pkw transportiert, besitzt nicht die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit zur (Wieder-)Erteilung eines Jagdscheins – unabhängig davon, ob die mitgeführte Waffe geladen war oder nicht. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Münster entschieden. |
Jäger verursachte hohen Schaden
Der Jäger aus dem Kreis Coesfeld war im Jahr 2020 in Rheinland-Pfalz auf dem Rückweg von einer Jagdveranstaltung und transportierte seine Langwaffe im Fahrzeug. Dabei kam er von der Fahrbahn ab, fuhr zwei Verkehrsschilder um und in eine Hauswand. Es entstand ein Fremdschaden in Höhe von etwa 50.000 Euro. Ein Atemalkoholtest nach dem Unfall ergab einen Wert von 1,69 Promille, zwei Blutentnahmen Werte von 1,48 und 1,39 Promille. Nach dem Unfall nahm der Kläger seine in einem Futteral befindliche Langwaffe aus dem Fahrzeug und stellte sie in ein nahes Wartehäuschen, wo sie von der Polizei sichergestellt wurde.
Antrag auf erneutes Ausstellen eines Jagdscheins
Es kam zu einem Strafverfahren. Zudem wurde die Waffenbesitzkarte des Mannes widerrufen, sodass er seine Schusswaffen abgeben musste. In der Zwischenzeit lief die Gültigkeit seines Jagdscheins aus. Im Jahr 2022 beantragte der Kläger dann die erneute Ausstellung eines Jagdscheins, blieb damit bei der Behörde jedoch ohne Erfolg.
Die Klage hiergegen wies das Gericht nun ab, denn der Kläger sei waffenrechtlich unzuverlässig. Es rechtfertigten Tatsachen die Annahme, dass er mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehe oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werde. Bei der zu treffenden Prognose genüge es, wenn bei Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen bestehe. Im Bereich des Waffenrechts müsse kein Restrisiko hingenommen werden. Ob, wie zuletzt zwischen den Beteiligten streitig, die Waffe im Auto des Klägers bei der Trunkenheitsfahrt geladen war, und ob er sie nach dem Unfall genügend beaufsichtigt hat, könne offenbleiben. Genügende Anhaltspunkte für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang des Klägers mit Waffen ergäben sich bereits daraus, dass er seine Jagdwaffe bei einer Autofahrt mitgeführt hat, obwohl er eine Atemalkoholkonzentration von 1,69 Promille bzw. eine Blutalkoholkonzentration von 1,48 Promille aufwies und sich damit in einem Zustand befand, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können und vorliegend – in Form der zu dem Verkehrsunfall mit erheblichem Sachschaden führenden Unaufmerksamkeit – auch aufgetreten sind.
Als Waffenbesitzer unzuverlässig
Die Blutalkoholkonzentration übersteige den Grenzwert absoluter Fahruntüchtigkeit von Kraftfahrern (1,1 Promille). Mit einer Schusswaffe gehe nicht vorsichtig und sachgemäß um, wer diese in einem Zustand gebrauche, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können – unabhängig davon, ob solche auch tatsächlich aufträten. Das gelte auch für das Mitführen einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe bei einer Autofahrt in alkoholisiertem Zustand, das waffenrechtlich als „Führen der Schusswaffe“ einzuordnen sei.
Es bestehe zum einen die Gefahr, dass der Waffenbesitzer in einer Konfliktsituation mit anderen Verkehrsteilnehmern aufgrund alkoholbedingter Ausfallerscheinungen inadäquat reagieren und zur Konfliktlösung auf die von ihm mitgeführte Schusswaffe zurückgreifen könnte. Zum anderen bestehe beim Transport einer Schusswaffe im Straßenverkehr bei alkoholbedingten Ausfallerscheinungen des Waffenbesitzers die reale Möglichkeit des Abhandenkommens der Schusswaffe. Jedenfalls dann, wenn es – wie hier – zu einem Unfall kommt, bestehe das Risiko, dass der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, den Zugriff Dritter auf die Waffe auszuschließen. Dass der Kläger zwischenzeitlich seinen Führerschein wiedererlangt habe, ändere an dem Ergebnis nichts.
Quelle | VG Münster, Urteil vom 1.4.2025, 1 K 2756/22, PM vom 7.4.2025
| Die Ordnungsmaßnahme einer Gesamtschule im Rhein-Kreis-Neuss, einen Zehntklässler mit sofortiger Wirkung von der Schule zu entlassen, weil dieser mit weiteren Jugendlichen einen Obdachlosen angegriffen und auf den am Boden liegenden Mann eingetreten und -geschlagen hat, ist rechtmäßig. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf entschieden und den gegen die Schulentlassung gerichteten Eilantrag des Schülers abgelehnt. |
Schweres Fehlverhalten
Das VG: Die Voraussetzungen der Entlassung von der Schule liegen vor, da der Schüler durch schweres Fehlverhalten die Rechte des Obdachlosen ernstlich verletzt und hierdurch zugleich die Erfüllung der Aufgaben der Schule ernstlich gefährdet hat. Es ist unstreitig, dass der Schüler mit massiver, nahezu hemmungsloser Aggression mindestens achtmal auf den am Boden liegenden Obdachlosen (teils mit Anlauf) eingetreten und (teils mit voller Wucht) mit der Faust gegen dessen Körper und Kopf geschlagen hat, obgleich von dem Mann zu diesem Zeitpunkt erkennbar keinerlei Gefahr ausging und dieser sich – im Gegenteil – die Hände schützend vor seinen Kopf hielt.
Schulfrieden massiv beeinträchtigt
Zugleich hat der Schüler durch dieses Verhalten seine Pflicht verletzt, an der Erfüllung der Aufgaben der Schule mitzuarbeiten. Der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule hat keine festen räumlichen Grenzen. Vielmehr kommt es darauf an, ob das Fehlverhalten – wie hier – störend in den Schulbetrieb hineinwirkt. Dadurch, dass der Schüler während der Schulzeit in der Mittagspause zwischen zwei Unterrichtseinheiten in unmittelbarer Nähe des Schulgeländes den Obdachlosen gemeinsam mit weiteren Jugendlichen angegriffen hat, waren in den darauffolgenden Tagen der Schulfrieden und der Unterricht der Schule massiv beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund handelt es sich nicht um ein bloßes „außerschulisches Fehlverhalten“ des Schülers, sondern wurde der Konflikt in die Schule hineingetragen, da dieses ohne jeden Zweifel erheblich in das Unterrichtsgeschehen der nachfolgenden Tage hineingewirkt hat.
Keine vorherige Androhung erforderlich
Die Entlassung von der Schule ist angesichts des objektiven Schweregrades der Pflichtverletzung und der zeitnah bevorstehenden Zentralen Prüfungen zur Erlangung des Mittleren Schulabschlusses nach Ansicht des VG auch ohne vorherige Androhung der Entlassung von der Schule verhältnismäßig. Die Entlassung des Schülers von der Schule stellt angesichts der besonderen Schwere der Pflichtverletzung das einzig sichere Mittel dar, um weiteres Fehlverhalten des Schülers auszuschließen und den Schulfrieden der Schule wiederherzustellen.
Schüler war bereits vorher auffällig
Bei der Abwägung war insoweit zu berücksichtigen, dass der Schüler bereits im August 2023 einem Mitschüler einen Faustschlag in das Gesicht versetzt hatte, der Antragsteller seine Impulse in Ausnahme- oder Stresssituationen mithin nicht jederzeit unter Kontrolle hat, sondern zu gewalttätigen Reaktionen neigt, und dass zudem die seinerzeit ergriffene Ordnungsmaßnahme offenbar auch nicht die gewünschte nachhaltige positive Verhaltensänderung bei dem Schüler bewirkt hat. Zudem war zu berücksichtigen, dass der Schüler mit Blick auf die am 27.5.2025 beginnenden Zentralen Prüfungen am Ende der Klasse 10 nur noch kurze Zeit den Unterricht besucht.
Angesichts dessen erweisen sich andere, im Verhältnis zur Entlassung von der Schule mildere Ordnungsmaßnahmen – etwa die Überweisung in eine Parallelklasse oder die Androhung der Entlassung von der Schule – ersichtlich als zur Zweckerreichung nicht gleichermaßen geeignet. Denn sowohl die Androhung der Entlassung als auch die Überweisung in eine Parallelklasse können aus Sicht der Kammer bei lebensnaher Betrachtung im Hinblick auf die nur noch verbleibenden wenigen Unterrichtstage erkennbar keinen nennenswerten erzieherischen Einfluss auf den Schüler entfalten.
Quelle | VG Düsseldorf, Beschluss vom 4.4.2025, 18 L 1171/25, PM vom 4.4.2025
| Was dürfen Eigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft beim Thema Gestaltung ihrer Wohnung und was nicht? Diese Frage beschäftigt Gerichte immer wieder – so auch das Amtsgericht (AG) München in einem aktuellen Fall. |
Das beabsichtigten die Eigentümer
Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung in einem neunstöckigen Wohnkomplex. Die Balkone des Gebäudes sind mit einer Loggia ausgestattet. Die Eigentümer der Wohnung planten, zusätzlich zur bereits bestehenden Balkontür, in einem anderen Zimmer der Wohnung ein vorhandenes Fenster zur Balkontür umbauen zu lassen. Hierfür beantragten sie die Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Eigentümergemeinschaft verweigerte die Zustimmung
Diese verweigerte jedoch die Zustimmung aufgrund von Bedenken im Zusammenhang mit der konstruktiven Stabilität, der Gefahr von Kälte- und Wassereintritt und der Sorge, dass die Versetzung eines aktuell vor dem Fenster befindlichen Heizkörpers Auswirkungen auf das Heizungssystem des Gebäudes habe.
Klage vor dem Amtsgericht
Da die Eigentümer sich im Recht wähnten, verklagten sie die Eigentümergemeinschaft vor dem AG auf Zustimmung. Dieses gab den Klägern Recht. Es ersetzte die grundsätzliche Zustimmung zum geplanten Umbau und legte der Eigentümergemeinschaft auf, die Modalitäten und Einzelheiten in der Eigentümerversammlung zu beschließen.
Das AG sagt: Der Umbau eines Fensters stelle jedenfalls hinsichtlich des Mauerdurchbruchs durch die Außenwand eine auf Dauer angelegte gegenständliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums dar, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehe und damit eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums darstelle.
Das Wohnungseigentumsgesetz (hier: § 20 Abs. 3 WEG) begründe einen Anspruch auf Gestattung einer baulichen Veränderung, durch die kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt werde. Eine Beeinträchtigung sei rechtlich nicht relevant, wenn sie nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehe oder die über dieses Maß hinaus beeinträchtigten Wohnungseigentümer einverstanden seien.
Soweit nicht auszuschließen sein soll, dass durch den Einbau eines neuen Heizkörpers Nachteile für das übrige Heizungssystem entstehen könnten, mache die Beklagte keine konkrete und objektive Beeinträchtigung geltend, durch die ein Wohnungseigentümer sich beeinträchtigt fühlen könne.Vielmehr handele es sich hier um ein nicht zu berücksichtigendes hypothetisches Risiko. Auch dass sich der Wandausschnitt, der durch den Einbau einer Terrassentür vergrößert würde, in der Außenmauer des Gebäudes befinde, und damit Gemeinschaftseigentum verändert würde, stelle für sich genommen keine erhebliche Beeinträchtigung dar.
Vorliegend sei nicht ersichtlich, in welcher Weise die in Rede stehende Maßnahme andere Eigentümer konkret beeinträchtigen würde. Soweit die Beklagte geltend mache, es bestünden nicht auszuschließende Folgen für die Abgeschlossenheit der Wohnung sowie die statische Sicherheit, handele es sich wiederum um rein theoretische Bedenken, denen durch entsprechende Auflagen, wie dem Verlangen nach fachkundiger Planung und ggf. statischer Berechnung durch ein Fachunternehmen nach den Regeln der Baukunst, Rechnung getragen werden könne.
Soweit die Beklagte weiter geltend mache, durch eine Veränderung in der Außenhülle des Gebäudes bestehe die Gefahr von Kälte- oder Wassereintritt, sei nicht ersichtlich, inwiefern dies andere Wohnungseigentümer als die Kläger beeinträchtigen sollte. Zudem handele es sich im Hinblick darauf, dass der von dem Mauerdurchbruch betroffenen Wand die Loggia vorgelagert sei, um theoretische Befürchtungen und nicht um konkrete und objektive Beeinträchtigungen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 27.5.2025, 1293 C 26254/24, PM 27/25
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Bei Fehlen eines schriftlichen Energieversorgungsvertrags richtet sich das Leistungsangebot eines Strom- und Gasversorgungsunternehmens an den Vermieter (Eigentümer) – und nicht, wie sonst regelmäßig der Fall, an den Mieter. Dies gilt im Fall einer Wohnung, wenn die einzelnen Zimmer durch separate Mietverträge vermietet sind und diese lediglich über einen Zähler für Strom und Gas verfügt. |
Das war geschehen
Die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, nahm die beklagte Vermieterin auf Zahlung von Entgelt für die Belieferung mit Strom und Gas im Rahmen der Grundversorgung in Anspruch. Die Zimmer der Wohnung waren einzeln mit gesonderten Mietverträgen über unterschiedliche Laufzeiten vermietet, wobei sämtlichen Mietern das Recht zur Nutzung der Gemeinschaftsräume, wie Küche und Bad, eingeräumt wurde. Nur die Wohnung, nicht hingegen die einzelnen Zimmer, verfügte über einen Zähler für Strom und Gas und wurde von der Klägerin mit Strom und Gas beliefert. Ein schriftlicher Energieversorgungsvertrag bestand nicht. Die Parteien stritten, ob ein durch die Entnahme von Strom und Gas konkludent zustande gekommener Versorgungsvertrag mit der Vermieterin (Eigentümerin) oder mit den Mietern besteht.
Die auf Zahlung der Versorgungsentgelte für einen Zeitraum von fünf Jahren gerichtete Klage hat das Amtsgericht (AG) abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht (LG) das erstinstanzliche Urteil geändert und der Klage stattgegeben. Die Beklagte begehrte beim BGH daher, das klageabweisende erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Das Berufungsgericht, so der BGH, hat zu Recht angenommen, dass unter den hier gegebenen Umständen ein Versorgungsvertrag mit der beklagten Vermieterin der Wohnung besteht. Entgegen der Ansicht der Revision war das in der Bereitstellung von Strom und Gas liegende (konkludente) Angebot der Klägerin weder an die Mieter der einzelnen Zimmer noch an die Gesamtheit der Mieter gerichtet.
Zwar haben allein die Mieter Einfluss auf den Strom- und Gasverbrauch in der Wohnung. Jedoch lässt sich dieser Verbrauch – mangels separater Zähler – nicht den einzelnen vermieteten Zimmern zuordnen. Zudem haben die einzelnen Mieter bei objektiver Betrachtung typischerweise kein Interesse daran, auch für die Verbräuche der anderen Mieter einzustehen. Der Umstand, dass sich das konkludente Angebot des Energieversorgungsunternehmens daher an die Vermieterin richtete, ist Folge des von ihr gewählten besonderen Vermietungskonzepts.
Quelle | BGH, Beschluss vom 15.4.2025, VIII ZR 300/23, PM 79/25
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Eine Zuwendung von Todes wegen zugunsten des Hausarztes des Erblassers ist nicht unwirksam, weil sie gegen ein den Hausarzt treffendes berufsständisches Zuwendungsverbot verstößt. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Hausarztes, der den Erblasser seit 2015 behandelt hatte. Im Januar 2016 schloss der Erblasser mit dem Hausarzt sowie der ihn pflegenden Beklagten und deren Tochter vor einem Notar eine als „Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag“ bezeichnete Vereinbarung. In dieser verpflichtete sich der Hausarzt gegenüber dem Erblasser zu verschiedenen ärztlichen Leistungen, unter anderem zu medizinischer Beratung und Behandlung, zu Hausbesuchen und telefonischer Erreichbarkeit sowie zu Betreuungsleistungen im häuslichen Bereich. Als Gegenleistung sollte der Arzt im Falle des Todes des Erblassers das Eigentum an einem dem Erblasser gehörenden Grundstück erhalten. Im März 2016 verfügte der Erblasser in einem notariellen Testament, dass ihn die Beklagte hinsichtlich seines im Vertrag vom Januar 2016 nicht erfassten Vermögens allein beerben solle.
Im Januar 2018 verstarb der Erblasser. Die Pflegerin (Beklagte) nahm seinen Nachlass in Besitz. Im Dezember 2019 wurde über das Vermögen des Hausarztes das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger hat als Insolvenzverwalter die Beklagte auf Übertragung des dem Arzt in der Vereinbarung vom Januar 2016 zugewandten Grundstücks an die Insolvenzmasse in Anspruch genommen.
So sah es der Bundesgerichtshof
Die Zuwendung des Grundstücks an den Hausarzt im Wege des Vermächtnisses ist wirksam. Selbst, wenn der Arzt gegen seine Berufsordnung verstoßen hätte, indem er die Zuwendung annahm, führt dies nicht zur Unwirksamkeit des Vermächtnisses.
Die Berufsordnung für Ärzte (hier: § 32 Abs. 1 S. 1 BO-Ä) regelt als berufsständische Vorschrift das Verhältnis zwischen dem Arzt und der für ihn zuständigen Landesärztekammer. Die Vorschrift verbietet deshalb nur ein Verhalten des Arztes, dem es nicht gestattet ist, Geschenke oder andere Vorteile zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen. Nicht geschützt von diesem Verbot wird hingegen der zuwendende Patient oder die Erwartung seiner Angehörigen, diesen zu beerben. Die Vorschrift zielt darauf ab, die Unabhängigkeit des behandelnden Arztes sowie das Ansehen und die Integrität der Ärzteschaft zu sichern. Dies kann durch berufsrechtliche Sanktionen vonseiten der Ärztekammer ausreichend sichergestellt werden.
Patient hatte Testierfreiheit
Auch die Testierfreiheit des Patienten verbietet es, ein zugunsten des behandelnden Arztes angeordnetes Vermächtnis wegen Verstoßes gegen eine Berufsordnung für unwirksam zu halten. Für eine Beschränkung der Testierfreiheit des Patienten fehlt schon eine ausreichende gesetzliche Grundlage.
Berufungsgericht muss erneut prüfen
Der Senat hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben. Er hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das den Parteien noch Gelegenheit geben muss, zu einem von ihm bislang nicht geprüften Verstoß der Vereinbarung des Vermächtnisses in dem Erbvertrag gegen die guten Sitten vorzutragen.
Quelle | BGH, Urteil vom 2.7.2025, IV ZR 93/24, PM 122/25
| Verkauft eine Kommanditgesellschaft ein Grundstück an eine andere Kommanditgesellschaft, ist dies auch dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB in Verbindung mit § 463 BGB), wenn es sich auf Verkäufer- und Käuferseite jeweils um Einpersonen-GmbH & Co. KGs mit demselben alleinigen Anteilsinhaber handelt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in zwei Parallelverfahren entschieden. |
Das war geschehen
Die Klägerinnen, verschiedene GmbH & Co. KGs, wenden sich gegen die Ausübung von Vorkaufsrechten nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB. Mit notariellen Kaufverträgen von Mai 2021 veräußerten sie Grundstücke an zuvor neu gegründete GmbH & Co. KGs, hinter denen jeweils dieselbe natürliche Person steht, wie auf Verkäuferseite.
Mit Bescheiden von Juli 2021 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht aus, in einem Fall zugunsten der beigeladenen stadteigenen Entwicklungsgesellschaft. Im anderen Verfahren gab die Erstkäuferin (Klägerin zu 2) eine Abwendungserklärung ab.
Klagen zunächst erfolgreich
Die Klagen waren erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht (VG) habe zu Recht angenommen, dass es an dem für ein Vorkaufsrecht erforderlichen Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 463 BGB fehle. Der Begriff des Dritten müsse einschränkend ausgelegt werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei hier nur eine Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre derselben natürlichen Personen erfolgt.
So sah es das Bundesverwaltungsgericht
Das BVerwG hat die angefochtenen Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Die Grundstückskaufverträge sind Verträge mit einem Dritten.
Gesellschaftsrechtlich sind die Kommanditgesellschaften auf Verkäufer- und Käuferseite trotz des Umstands, dass hinter ihnen jeweils dieselbe natürliche Person steht, selbstständige Rechtsträger. Eine wirtschaftliche Betrachtung auf Gesellschafterebene ist weder nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts noch verfassungsrechtlich geboten. Die Klägerinnen haben sich aus eigenem Entschluss für diese Form der Grundstücksübertragung entschieden.
Das BVerwG konnte mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Vorkaufsrechte im Übrigen rechtmäßig ausgeübt wurden. Das erfordert die Zurückverweisung an die Vorinstanz.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 17.6.2025, 4 C 4.24, PM 46/25
| In Architekten- und Ingenieurkammern, in denen die Fortbildung eine Berufspflicht ist und kontrolliert wird, kann das Nichtvorweisen entsprechender Fortbildungspunkte zum Ausschluss aus der jeweiligen Kammer führen. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen klargestellt. |
Fortbildungspflicht nicht erfüllt – zunächst Verweis und Geldbuße
Ein Mitglied der Ingenieurkammer-Bau NRW hatte in einem Jahr seine Fortbildungspflicht nicht erfüllt. Er hatte deshalb einen Verweis erhalten und musste eine Geldbuße zahlen.
Erneuter Pflichtverstoß: Kammerausschluss
Drei und sechs Jahr später geschah das Gleiche. Weil der Ingenieur auch bei der nächsten Stichprobe erneut keine Teilnahmebescheinigungen für anerkannte Fortbildungsveranstaltungen vorlegen konnte, schloss ihn das Berufsgericht aus der Kammer aus.
Oberverwaltungsgericht bestätigt Kammerausschluss
Die Klage dagegen wies das OVG ab. Der Ausschluss sei die angemessene berufsgerichtliche Maßnahme, auch wenn es sich um die schärfste berufsgerichtliche Sanktion handele. Die nochmalige Festsetzung einer Geldbuße als mildere Maßnahme komme nicht in Betracht.
Quelle | OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.8.2025, 39 A 834/24
| Lange war es ruhig um das sog. Kopplungsverbot. Jetzt hat das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg einen solchen Fall entschieden. Dieses stellt klar: Tritt ein Architekt wie ein Bauträger auf, findet das Kopplungsverbot Anwendung. Der Vertrag ist – wie hier entschieden – nichtig. |
Das besagt das Kopplungsverbot
Das Kopplungsverbot im Architektenrecht verbietet es, den Erwerb eines Grundstücks mit der Pflicht zu verbinden, einen bestimmten Architekten oder Ingenieur damit zu beauftragen, ein Bauwerk zu planen oder auszuführen. So soll der freie Wettbewerb unter Architekten geschützt werden. Außerdem soll so verhindert werden, dass sich Einzelne durch die Verknüpfung von Grundstückserwerb und Architektenleistung eine monopolartige Stellung verschaffen.
Bauherren werden geschützt
Das Verbot richtet sich gegen jede mit dem Erwerb eines Grundstücks zusammenhängende Bindung, die den Wettbewerb von Ingenieuren und Architekten beeinträchtigt. Die Vorschrift soll der Gefahr entgegenwirken, dass ein Architekt oder Ingenieur sich bei knapp gewordenem Baugrund dadurch Wettbewerbsvorteile verschafft, dass er ein Grundstück an der Hand hat.
Geschützt wird die Entschließungsfreiheit des Bauherrn, durch den Kauf eines Grundstücks, auf dem gebaut werden soll, nicht an einen bestimmten Architekten oder Ingenieur gebunden zu sein.
Quelle | OLG Nürnberg, Beschluss vom 8.5.2025, 6 U 1787/24
| Diese Frage musste das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf klären. Es neigte dazu, sie negativ zu beantworten. Die Parteien haben sich daraufhin entsprechend einem Vorschlag des Gerichts verglichen. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist seit 2013 in Vollzeit und im Schichtdienst an fünf Tagen in der Woche als Spielhallenaufsicht bei der Beklagten beschäftigt. Diese betreibt Spielhallen mit üblichem Publikumsverkehr und bietet dort u. a. Getränke an. Ausweislich der arbeitsvertraglich vereinbarten Stellenbeschreibung sind Haustiere in der Spielhalle verboten.
Im Jahr 2019 schloss die Klägerin mit der Hundehilfe Deutschland e.V. einen Tierüberlassungsschutzvertrag. Nachdem zunächst auch der Vater der Klägerin auf die Hündin aufgepasst hatte, brachte sie das Tier jedenfalls nach dem Ende der Corona-Lockdowns regelmäßig mit zur Arbeit. Verschiedene wechselnde Vorgesetzte erhoben zunächst keine Einwände. Ihr aktueller Vorgesetzter teilte ihr mit, dass der Geschäftsführer das Mitbringen der Hündin an den Arbeitsplatz nicht dulden werde bzw. – so die Klägerin – würde. Der Geschäftsführer der Beklagten bat die Klägerin dann schriftlich unter Bezugnahme auf die Stellenbeschreibung, es künftig zu unterlassen, die Hündin mit zur Arbeit zu bringen.
So sah es das Landesarbeitsgericht
Mit ihrer einstweiligen Verfügung hat die Klägerin begehrt, der Beklagten aufzugeben, die Mitnahme der Hündin während ihrer Arbeitszeiten in die Spielhalle bis zur erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache zu dulden. Die Kammer hat dann in der mündlichen Verhandlung im Rechtsgespräch mitgeteilt, dass sie davon ausgehe, dass das vertragliche Verbot weiterbestehen dürfte.
Die bloße Nichtdurchsetzung eines Verbots führe nicht zu dessen Aufhebung. Es spreche viel dafür, dass die Arbeitgeberin berechtigt sei, dies durchzusetzen, weil Kunden die Spielhalle z. B. aufgrund einer Tierhaarallergie oder Angst vor Hunden ggf. erst gar nicht aufsuchten. In der Verhandlung hat die Arbeitgeberin zudem angeführt, dass Beschäftigte in anderen von ihr betriebenen Spielhallen begännen, sich auf die von der Klägerin gelebte Praxis zu berufen.
Vergleich geschlossen
Das LAG hat dann mitgeteilt, dass die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Düsseldorf, das den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen hatte, wenig Aussicht auf Erfolg habe. Um die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und eine Gewöhnung der Hündin an andere Betreuungsmöglichkeiten zu ermöglichen, haben die Parteien auf Vorschlag des Gerichts einen Vergleich – auch zur Erledigung der Hauptsache – geschlossen. Die Klägerin durfte ihre Hündin noch für eine Übergangszeit von knapp zwei Monaten an den Arbeitsplatz mitbringen, danach jedoch nicht mehr.
Quelle | LAG Düsseldorf, Vergleich vom 8.4.2025, 8 GLa 5/25, PM vom 8.4.2025
| Ein Arbeitsgericht (ArbG) hatte bereits im letzten Jahr entschieden, dass ein Leiharbeitnehmer nicht ohne Weiteres eine Inflationsausgleichsprämie erhält, die im Entleiherbetrieb den dort Beschäftigten gezahlt wird. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holsteinhat dies nun bestätigt. |
So sah es die Arbeitnehmerin
Die Klägerin wurde von ihrer Arbeitgeberin, einem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen, in einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie („Entleiherin“) eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis endete zum 31.7.2023. Der Arbeitsvertrag der Parteien verwies u. a. auf die für Leiharbeitnehmer geltenden Tarifverträge über Branchenzuschläge für die Metall- und Elektroindustrie („TV BZ ME“) sowie Inflationsausgleichsprämie („TV IAPME“). Die Entleiherin füllte der Beklagten einen „Fragebogen zur Ermittlung von Equal Pay sowie des Branchenzuschlags ab dem 16. Einsatzmonat“ aus.
Die Mitarbeiter im Betrieb der Entleiherin erhielten im Juni 2023 eine Inflationsausgleichsprämie i.H.v. 1.000 Euro, die Klägerin dagegen nicht. Sie macht nun gerichtlich diese 1.000 Euro sowie weitere 1.200 Euro geltend.
Für die erste Zahlung bestehe durch den Fragebogen eine Equal-Pay-Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin, der Beklagten. Im Übrigen sei die Gleichstellung nicht per Tarifvertrag ausgeschlossen worden.
Hinsichtlich der zweiten Zahlung könne die Inflationsausgleichsprämie nach dem TV IAP ME bereits verlangt werden, wenn deren Voraussetzungen nach Inkrafttreten des Tarifvertrags, aber vor dem ersten Auszahlungszeitpunkt im Januar 2024 erfüllt gewesen seien. Damit sei die Prämie auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszuzahlen.
Landesarbeitsgericht: keine Equal-Pay-Vereinbarung und fehlender Vortrag
Das LAG entschied, dass der o. g. ausgefüllte Fragenbogen keine Equal-Pay-Vereinbarung mit deren Arbeitnehmern darstellt. Die Klägerin hat auch nicht die Voraussetzungen für eine Gleichstellung mit den Mitarbeitern der Entleiherin vorgetragen.
Dazu muss sie als darlegungs- und beweisbelaste Klägerin einen Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum vornehmen. Dem wird sie nicht gerecht: Der Verweis, der Klägerin müsse die Inflationsausgleichsprämie schon deshalb gezahlt werden, weil die Stammarbeitnehmer der Entleiherin diese erhalten hätten, reicht dafür nicht aus.
Die Klägerin kann die Inflationsausgleichsprämien auch nicht aus dem TV IAP ME beanspruchen: Die Auslegung des Tarifvertrags ergibt, dass im jeweiligen Auszahlungsmonat (Januar bis November 2024) der tariflichen Inflationsausgleichsprämien – anders als die Klägerin meint – noch ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden haben muss. Hier endete das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin aber bereits im Jahr 2023.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6.3.2025, 5 Sa 222 d/24, PM des LAG
| Dem Arbeitgeber kann weder die Kenntnis der Schwerbehindertenvertretung noch die eines Fachvorgesetzten von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zugerechnet werden. So sieht es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln in einer aktuellen Entscheidung. |
Keine rechtsgeschäftlichen Vertreter
Weder die Schwerbehindertenvertretung noch der Fachvorgesetzte des Arbeitnehmers hätten eine Stellung, die einem rechtsgeschäftlichen Vertreter des Arbeitgebers ähnlich sei. Denn die Schwerbehindertenvertretung vertrete die Interessen der schwerbehinderten Menschen gegenüber dem Arbeitsgericht. Sie sei nicht seiner Sphäre zuzurechnen.
Schwerbehindertenvertretung kümmert sich nicht um personalrechtliche Belange
Sie kümmere sich auch nicht um personalrechtliche Belange aus der Sicht des Arbeitgebers, sondern allenfalls aus der Sicht der schwerbehinderten Mitarbeiter.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 7.5.2025, 4 SLa 438/24
| Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen einer Universität und des durch die Universität disziplinarrechtlich beklagten Universitätsprofessors gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Göttingen jeweils zurückgewiesen, mit dem dieses den Universitätsprofessor um zwei Besoldungsgruppen von W 3 auf W 1 zurückgestuft hat. |
Das war geschehen
Die Universität hatte mit der von ihr gegen den Professor erhobenen Disziplinarklage seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erstrebt. Das VG hat mit der von beiden Beteiligten angegriffenen Entscheidung hingegen auf eine Zurückstufung um zwei Besoldungsstufen erkannt.
Nach der Vernehmung von neun Zeugen und unter Berücksichtigung der bereits durch das VG erhobenen Beweise hat das OVG es als erwiesen angesehen, dass der Universitätsprofessor mehrfach und über Jahre hinweg Studentinnen, Doktorandinnen und Mitarbeiterinnen grenzüberschreitend berührt und sich ihnen gegenüber anzüglich geäußert hatte.
So sah es das Oberverwaltungsgericht
Das OVG hat die erstinstanzliche Entscheidung mit seinem Urteil bestätigt. Der Universitätsprofessor habe ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen, das den Ausspruch der zweithöchsten Disziplinarmaßnahme erfordere. Ihm würden daher für einen Zeitraum von fünf Jahren die Bezüge aus der niedrigeren Besoldungsgruppe W 1 gezahlt, wobei er sein Statusamt als Universitätsprofessor behalte.
Mit seinem Verhalten habe er seine beamtenrechtliche Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verletzt. Erschwerend hat das OVG berücksichtigt, dass akademische Nachwuchskräfte in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu Professoren stünden, das über das übliche Verhältnis von Vorgesetzten und Beschäftigten weit hinausgehe.
Der Beklagte sei seiner mit besonderer Verantwortung einhergehenden Stellung als Universitätsprofessor nicht gerecht geworden und habe diese vielmehr dazu ausgenutzt, seine Macht zu demonstrieren und die betroffenen weiblichen Nachwuchskräfte in ihrer Würde zu verletzen. Sein Verhalten habe er zudem insbesondere trotz der Pflichtenmahnung durch die damalige Präsidentin der Universität in den Jahren 2012 und 2013 nicht verändert. Mildernd berücksichtigt hat das OVG demgegenüber die Länge des Disziplinarverfahrens von ca. acht Jahren, die sich für den Beklagten belastend ausgewirkt habe.
Die Entscheidung des Senats ist rechtskräftig.
Quelle | OVG Lüneburg, Urteil vom 25.6.2025, 3 LD 1/24, PM vom 30.6.2025
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass eine Methode zur Aufteilung des Verkaufspreises eines Sparmenüs nicht sachgerecht ist, wenn sie dazu führt, dass auf ein Produkt des Sparmenüs (z. B. Burger) ein anteiliger Verkaufspreis entfällt, der höher ist als der Einzelverkaufspreis. |
Hintergrund: Bei Sparmenüs, die zum Pauschalpreis angeboten und als „Außer-Haus-Menüs“ verkauft werden, ist hinsichtlich der Speisenlieferung der ermäßigte Steuersatz (7 %) und hinsichtlich des Getränks der Regelsteuersatz (19 %) anzuwenden. Wird vor Ort verzehrt, stellt sich die Aufteilungsfrage grundsätzlich nicht, da es sich um eine Restaurationsleistung handelt, sodass auch die Speisen mit 19 % zu versteuern sind.
Beachten Sie | Dies könnte sich aber bald ändern. Denn im Koalitionsvertrag steht, dass die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie zum 1.1.2026 auf 7 % reduziert werden soll.
Das war geschehen
Zwei GmbHs betrieben als Franchisenehmer Schnellrestaurants, in denen u. a. Sparmenüs (z. B. Getränk, Burger und Pommes frites) zu einem einheitlichen Gesamtpreis zum Verzehr außer Haus verkauft wurden.
„Food-and-Paper“-Methode zur Aufteilung von Speisen und Getränken
Die GmbHs teilten den Gesamtpreis des Sparmenüs nach der „Food-and-Paper“-Methode auf die Speisen und das Getränk auf. Die Aufteilung erfolgt dabei anhand des Wareneinsatzes, das heißt, der Summe aller Aufwendungen für die Speisen bzw. für das Getränk. Da in der Gastronomie die Gewinnspanne auf Getränke typischerweise deutlich höher ist als die Gewinnspanne auf Speisen, ergibt sich hieraus eine niedrigere Umsatzsteuer als bei einer Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen.
Das Finanzamt hielt diese Aufteilungsmethode für unzulässig, weil sie nicht so einfach sei, wie eine Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen und außerdem nicht zu sachgerechten Ergebnissen führe. Demgegenüber hielt das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg die „Food-and-Paper“-Methode für zulässig, der BFH aber nicht.
Aufteilung muss sachgerecht sein
Der BFH führte zwar aus, dass (entgegen der Ansicht des Finanzamts) der Unternehmer nicht immer die einfachste Methode anwenden muss. Wenn eine andere Methode zumindest ebenso sachgerecht ist, wie die Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen, darf er auch die andere Methode anwenden.
Gleichwohl erkannte der BFH die „Food-and-Paper“-Methode nicht an, weil sie in manchen Fällen dazu führt, dass der Preis eines Burgers mit einem hohen Wareneinsatz im Menü über dem Einzelverkaufspreis des Burgers liegt. Es widerspricht der wirtschaftlichen Realität, dass der Verkaufspreis eines Produkts in einem mit Rabatt verkauften Menü höher sein kann als der Einzelverkaufspreis.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 19/23, PM 38/25 vom 5.6.2025
| Seit dem 1.1.2025 beträgt der gesetzliche Mindestlohn 12,82 Euro pro Stunde. Die Mindestlohnkommission hat nun eine stufenweise Erhöhung des Mindestlohns auf 13,90 Euro zum 1.1.2026 und auf 14,60 Euro zum 1.1.2027 beschlossen. |
Hintergrund: Mindestlohngesetz
Im Mindestlohngesetz ist geregelt, dass „die Mindestlohnkommission alle zwei Jahre über Anpassungen der Höhe des Mindestlohns zu beschließen“ hat. Diesem Auftrag ist die Kommission in ihrer Sitzung vom 27.6.2025 nun nachgekommen. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas hat bereits angekündigt, der Bundesregierung vorzuschlagen, die Anpassung durch Rechtsverordnung zum 1.1.2026 verbindlich zu machen.
Folge: Auch erhöhte Minijob-Grenze
Die Erhöhung hat auch Auswirkungen auf die Minijob-Grenze( derzeit 556 Euro monatlich), da diese an den Mindestlohn „gekoppelt“ ist.
Beachten Sie | Die Geringfügigkeitsgrenze bezeichnet das monatliche Arbeitsentgelt, das bei einer Arbeitszeit von zehn Wochenstunden zum Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (hier: § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG ) erzielt wird. Sie wird berechnet, indem der Mindestlohn mit 130 vervielfacht, durch drei geteilt und auf volle Euro aufgerundet wird.
Das bedeutet Folgendes: Bei einem gesetzlichen Mindestlohn von 13,90 Euro ergibt sich ab dem 1.1.2026 eine Geringfügigkeitsgrenze von 603 Euro (13,90 Euro × 130 ÷ 3). Ab dem 1.1.2027 sind es dann 633 Euro.
Quelle | BMAS, Mitteilung vom 27.6.2025: „Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1.1.2026“
| Verkauft eine Kommanditgesellschaft (KG) ein Grundstück an eine andere KG, ist dies auch dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB in Verbindung mit § 463 BGB), wenn es sich auf Verkäufer- und Käuferseite jeweils um Einpersonen-GmbH & Co. KG mit demselben alleinigen Anteilsinhaber handelt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in zwei Parallelverfahren entschieden. |
Das war geschehen
Die Klägerinnen, verschiedene GmbH & Co. KG, wenden sich gegen die Ausübung von Vorkaufsrechten nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB. Mit notariellen Kaufverträgen von Mai 2021 veräußerten sie Grundstücke an zuvor neu gegründete GmbH & Co. KG, hinter denen jeweils dieselbe natürliche Person steht wie auf Verkäuferseite. Mit Bescheiden von Juli 2021 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht aus, in einem Fall zugunsten der beigeladenen stadteigenen Entwicklungsgesellschaft. Im anderen Verfahren gab eine der Klägerinnen, die Erstkäuferin, eine Abwendungserklärung ab.
Die Klagen waren erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht (VG) habe zu Recht angenommen, dass es an dem für ein Vorkaufsrecht erforderlichen Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 463 BGB fehle. Der Begriff des Dritten müsse einschränkend ausgelegt werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei hier nur eine Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre derselben natürlichen Personen erfolgt.
So sieht es das Bundesverwaltungsgericht
Das BVerwG hat die angefochtenen Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Die Grundstückskaufverträge sind Verträge mit einem Dritten. Gesellschaftsrechtlich sind die KG auf Verkäufer- und Käuferseite trotz des Umstands, dass hinter ihnen jeweils dieselbe natürliche Person steht, selbstständige Rechtsträger.
Eine wirtschaftliche Betrachtung auf Gesellschafterebene ist weder nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts noch verfassungsrechtlich geboten. Die Klägerinnen haben sich aus eigenem Entschluss für diese Form der Grundstücksübertragung entschieden. Das BVerwG konnte mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Vorkaufsrechte im Übrigen rechtmäßig ausgeübt wurden. Das erfordert die Zurückverweisung an die Vorinstanz.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 17.6.2025, 4 C 4.24, PM 46/25
| Die Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) hat jüngst mitgeteilt, dass die Steuerfahndung ein Datenpaket mehrerer Social-Media-Plattformen analysiert. Ziel der Ermittlungen sind professionelle Influencer, die ihre steuerlichen Pflichten mit hoher krimineller Energie umgehen. |
300 Mio. Euro Steuervolumen
Das Influencer-Team des Landesamts zur Bekämpfung der Finanzkriminalität in NRW (LBF NRW) ist vorsätzlichen Steuerbetrügern in den sozialen Netzwerken auf der Spur. Derzeit werten die Experten ein Datenpaket von mehreren großen Plattformen aus. Darin enthalten sind 6.000 Datensätze, die auf nicht versteuerte Gewinne mit Werbung, Abos und Co. hinweisen. Sie beziehen sich nur auf Influencer aus NRW und umfassen ein strafrechtlich relevantes Steuervolumen in Höhe von rund 300 Mio. Euro.
Nur „Große Fische“ im Visier
Im Visier stehen die „großen Fische“. Stephanie Thien, Leiterin des LBF NRW, betont: „Im Fokus unseres Influencer-Teams stehen ausdrücklich nicht junge Menschen, die ein paar Follower gesammelt und ein paar Cremes oder Kleider beworben haben.“
Beachten Sie | Auch die Finanzämter in Hamburg nehmen die Influencer ins Visier. Bereits im Jahr 2022 wurde eine Expertengruppe zur Besteuerung von Influencern und anderen Social-Media-Akteuren gegründet. Seit 2024 wird die Branche im Zuge einer Branchenprüfung verstärkt in den Fokus genommen.
Quelle | Finanzverwaltung NRW, Mitteilung vom 15.7.2025: „Verdacht auf Steuerbetrug in großem Stil: LBF NRW wertet Influencer-Datenpaket aus“; Finanzbehörde Hamburg, Mitteilung vom 17.7.2025: „Auch Hamburger Finanzämter nehmen Influencerinnen und Influencer ins Visier“
| Die Übernachtungspauschale für Berufskraftfahrer mit mehrtägiger Auswärtstätigkeit setzt neben dem bestehenden Anspruch auf eine Verpflegungspauschale eine tatsächliche Übernachtung in dem Kraftfahrzeug voraus. Die Pauschale steht einem Berufskraftfahrer daher nicht für jeden An- und Abreisetag zu. So sieht es zumindest das Finanzgericht (FG) Thüringen. Wegen der anhängigen Revision ist nun der Bundesfinanzhof (BFH) gefragt. |
Werbungskostenabzug
Hintergrund: Entstehen einem Arbeitnehmer während seiner auswärtigen beruflichen Tätigkeit auf einem Kfz des Arbeitgebers oder eines vom Arbeitgeber beauftragten Dritten im Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kfz Aufwendungen (insbesondere Gebühren für die Toilettenbenutzung sowie Park- und Abstellgebühren), kann er diese als Werbungskosten abziehen.
Beachten Sie | Anstelle der tatsächlichen Aufwendungen ist allerdings auch eine Pauschale i. H. von 9 Euro für Kalendertage möglich, an denen der Arbeitnehmer in dem Kfz übernachtet und eine Pauschale für Verpflegungsmehraufwand geltend machen kann.
Bundesfinanzhof ist gefragt
Der BFH muss nun entscheiden, ob die Pauschale durch die Kopplung an die Verpflegungspauschalen auch für den An- und Abreisetag zu gewähren ist.
Oder anders ausgedrückt: Kann ein Arbeitnehmer, der am Montag seine Tour startet, auf dem Fahrzeug übernachtet und am Freitag zurückkehrt, die Pauschale für fünf oder nur für vier Tage absetzen? Denn für fünf Tage ist Verpflegungsmehraufwand abzugsfähig, er übernachtet in dem Fahrzeug jedoch nur viermal.
Quelle | FG Thüringen, Urteil vom 18.6.2024, 2 K 534/22, Rev. BFH: VI R 6/25
| Bisher konnten Anfragen an das Bundeszentralamt für Steuern zur Bestätigung ausländischer Umsatzsteuer-Identifikationsnummern schriftlich, über das Internet oder telefonisch erfolgen. Doch das hat sich seit dem 20.7.2025 geändert. Seitdem können etwaige Anfragen ausschließlich über die vom Bundeszentralamt für Steuern im Internet bereitgestellte Online-Abfrage durchgeführt werden. |
Hintergrund: Innergemeinschaftliche Lieferungen sind von der Umsatzsteuer befreit. Seit dem 1.1.2020 ist die Verwendung einer gültigen ausländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer durch den Kunden zwingende Voraussetzung für die Umsatzsteuerfreiheit. Dies ist im Umsatzsteuergesetz (hier: § 6 a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 4 UStG) geregelt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 6.6.2025, III C 5 - S 7427-d/00014/001/002
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat eine steuerzahlerfreundliche Entscheidung getroffen: Führt der Steuerpflichtige im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung am Ort des Lebensmittelpunkts einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung nicht. |
Hintergrund: Notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen, können als Werbungskosten steuerlich abgesetzt werden.
Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt. Hierbei darf sich der Lebensmittelpunkt nicht am Beschäftigungsort befinden.
Zudem ist die einschlägige Vorschrift des Einkommensteuergesetzes (hier: § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 3 EStG) zu beachten: „Das Vorliegen eines eigenen Hausstandes setzt das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus.“ Um diese Voraussetzung ging es im Fall des BGH.
Das war geschehen
Der 1986 geborene Steuerpflichtige bewohnte das Obergeschoss im Wohnhaus seiner Eltern – und zwar allein und unentgeltlich. Zudem hatte er am Ort seiner nichtselbstständigen wissenschaftlichen Tätigkeit eine Unterkunft und machte Kosten für eine doppelte Haushaltsführung geltend. Das Finanzamt erkannte die doppelte Haushaltsführung allerdings mangels finanzieller Beteiligung am Haushalt der Eltern nicht an und berücksichtigte nur Fahrtkosten als Werbungskosten. So sah das auch das Finanzgericht (FG) München, nicht aber der BFH, der die Vorentscheidung aufhob.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Wohnung, die der Steuerpflichtige außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte innehat, seinen Erst- oder Haupthaushalt darstellen muss (Stichwort: Lebensmittelpunkt). Es ist entscheidend, dass sich der Steuerpflichtige in dem Haushalt – im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit – aufhält. Allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte reicht nicht. Ferner darf der Steuerpflichtige nicht nur in einen anderen Hausstand eingegliedert sein, wie es regelmäßig bei jungen Arbeitnehmern der Fall ist, die nach Beendigung der Ausbildung weiterhin im elterlichen Haushalt ihre Zimmer bewohnen. Die elterliche Wohnung kann zwar, wie bisher, der Mittelpunkt der Lebensinteressen sein, sie ist aber kein vom Kind unterhaltener eigener Hausstand. Wird jedoch der Haushalt in einer in sich abgeschlossenen Wohnung geführt, die auch nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet, wird regelmäßig vom Unterhalten eines eigenen Hausstands ausgegangen.
Sohn wohnte noch zu Hause – aber in eigener Wohnung
Im Streitfall hatten die Eltern dem Steuerpflichtigen sämtliche Räumlichkeiten im Obergeschoss ihres Hauses zur Nutzung überlassen. Hierbei handelte es sich um eine Wohnung, die dem Steuerpflichtigen nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet. Der Umstand, dass es sich hierbei um eine (bloße) Nutzungsüberlassung und nicht um ein Mietverhältnis handelt, steht dem nicht entgegen. Ob die Wohnung im Obergeschoss gegenüber der von den Eltern bewohnten Wohnung im Erdgeschoss baulich abgeschlossen ist, ist für das Vorliegen eines eigenen Hausstands ebenfalls unerheblich. Für einen eigenen Hausstand ist es zudem erforderlich, dass eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung erfolgt – aber nur, soweit der Steuerpflichtige am Lebensmittelpunkt einem Mehrpersonenhaushalt (z. B. im Rahmen eines Mehrgenerationenhaushalts) angehört. Denn nur, wenn mehrere Personen einen gemeinsamen Haushalt führen, kann sich der Einzelne an den Kosten dieses Haushalts und damit den Kosten der Lebensführung beteiligen.
„Denknotwendig‘“: Ein-Personen-Haushalt trägt immer gesamte Kosten
Führt der Steuerpflichtige dagegen (wie im Streitfall) einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten dieses Haushalts nicht. Denn die Kosten der Lebensführung eines Ein-Personen-Haushalts werden denknotwendig von dieser einen Person getragen. Woher die hierfür erforderlichen Mittel stammen – ob aus eigenen Einkünften, staatlichen Transferleistungen, Darlehen, Unterhaltsleistungen oder familiären Geldgeschenken – ist unerheblich.
Quelle | BFH, Urteil vom 29.4.2025, VI R 12/23
| Aufwendungen für die eigene Bestattungsvorsorge sind nicht als außergewöhnliche Belastungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 33 Abs. 1 EStG) abziehbar. Das hat das Finanzgericht (FG) Münster entschieden. |
Das war geschehen
Ein Steuerpflichtiger hatte einen Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag abgeschlossen. Den Betrag in Höhe von 6.500 Euro machte er als außergewöhnliche Belastungen geltend. Begründung: Da die Übernahme der Beerdigungskosten auf Ebene des Erben zu außergewöhnlichen Belastungen führen könne, dürfe nichts anderes gelten, wenn er selbst einen Bestattungsvorsorgevertrag abschließe, um seinen Angehörigen die Beerdigungskosten zu ersparen. Das FG ist dieser Argumentation indes nicht gefolgt.
Vom Anwendungsbereich des § 33 EStG sind die üblichen Aufwendungen der Lebensführung ausgeschlossen, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind.
Argumentation: Eigener Sterbefall nicht „außergewöhnlich“…
Bei Aufwendungen für eine Bestattungsvorsorge handelt es sich nicht um Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf, die derart außergewöhnlich wären, dass sie sich einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Denn der Eintritt des Todes und damit die Notwendigkeit, bestattet zu werden, trifft jeden Steuerpflichtigen. Es handelt sich damit nicht um Aufwendungen, die größer sind als die, die einer Mehrzahl der Steuerpflichtigen erwachsen.
… Beerdigungskosten für Dritte hingegen schon
Der Unterschied zu den Aufwendungen für Beerdigungskosten naher Angehöriger besteht bereits darin, dass nicht jeder Steuerpflichtige irgendwann einmal solche Aufwendungen für einen nahen Angehörigen zu tragen hat und auch nicht jeder Steuerpflichtige etwa auch in der Anzahl und Höhe solcher Aufwendungen gleich belastet ist.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 23.6.2025, 10 K 1483/24 E
| Ein Verbrauchsgüterkauf und die Anforderungen an die vorvertragliche Informationspflicht des verkaufenden Unternehmers gegenüber dem kaufenden Verbraucher beschäftigte das Landgericht (LG) Kiel. |
In der Annonce war das Fahrzeug ohne Hinweis auf einen Unfallschaden angepriesen. Im Kaufvertrag und in der vorvertraglichen Information fand sich der Vermerk „entgegen der Annonce Unfallschaden lt. Vorbesitzer“. Genügt das für die wirksame negative Beschaffenheitsvereinbarung?
„Nein“, sagt das LG. Diese Angabe hätte zum einen hervorgehoben, also quasi unübersehbar gestaltet werden müssen. Zum anderen hätte genauer über Art und Umfang des Vorschadens aufgeklärt werden müssen.
Quelle | LG Kiel, Urteil vom 8.5.2025, 6 O 276/23
| Das Landgericht Frankenthal (LG) hat einen Fall entschieden, der in manchem Handwerksbetrieb für Aufsehen sorgen dürfte. Einem Handwerker, der einen Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, steht im Fall des Widerrufs auch nach vollständig erbrachter Arbeit kein Geld zu. Das LG hat deshalb die Klage eines Gartenbauers auf Zahlung des kompletten Werklohns abgewiesen. |
Streit um Rechnung
Im April 2024 bestellte der Besitzer eines großen Gartens den Gartenbauer auf sein Grundstück. Vor Ort gab der Gartenbesitzer umfangreiche Arbeiten an dem völlig verwilderten Gelände in Auftrag. Nach Abschluss der Arbeiten stellte der Gartenbauer seine Rechnung in Höhe von knapp 19.000 Euro. Es kam aber zum Streit über den vereinbarten Stundensatz sowie die Frage, ob die erstellte Rechnung prüffähig sei. Der Gartenbesitzer verweigerte schließlich die Zahlung und widerrief den Vertrag im September 2024.
Auftraggeber durfte sich auf Widerrufsrecht berufen
Das LG gab dem Gartenbesitzer vollumfänglich Recht. Da er als Verbraucher anzusehen sei und sämtliche Arbeiten außerhalb von Geschäftsräumen in Auftrag gegeben wurden, stehe ihm ein gesetzliches Widerrufsrecht zu. Die grundsätzlich mit Vertragsschluss beginnende vierzehntägige Widerrufsfrist habe nicht zu laufen begonnen, weil der Gartenbauer den Verbraucher nicht darüber belehrt habe. Es gelte in diesem Fall eine Höchstfrist von einem Jahr und vierzehn Tagen für den Widerruf, die vorliegend eingehalten worden sei. Der Anspruch des Werkunternehmers auf Werklohn sei dadurch vollständig entfallen. Wegen der unterlassenen Belehrung könne er auch keinen Wertersatz oder einen sonstigen Ausgleich für seine Arbeit verlangen. Denn das europäische Verbraucherschutzrecht verlange bei einer unterlassenen Widerrufsbelehrung eine Sanktion von Unternehmern, um sie zur ordnungsgemäßen Belehrung anzuhalten, so das LG unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 15.4.2025, 8 O 214/24, PM vom 29.4.2025; EuGH, Urteil vom 17.5.2023, C-91/22
| Das Landgericht (LG) Köln hat die Klage der Inhaberin einer Entrümpelungsfirma gerichtet auf Zahlung eines Teilbetrags (100.000 Euro) für in der Wohnung entdecktes Bargeld von über 600.000 Euro als auch Finderlohn abgewiesen. Insbesondere vertragliche Ansprüche würden ausscheiden, da eine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Entrümpelungsunternehmens unwirksam sei, dass mit Beginn der Tätigkeit alle in dem Auftragshaushalt befindlichen Gegenstände in das Eigentum des Auftragnehmers übergehen. Das LG hat zudem festgestellt, dass der Inhaberin auch keine weiteren Ansprüche auf Zahlung wegen des Bargeldes sowie auf Herausgabe von Schmuck und Münzen oder entsprechenden Wertersatz zustehen. |
Das war geschehen
Die Klägerin betreibt in Bayern ein Unternehmen zur Entrümpelung von Wohnungen. Die Beklagte, für die eine Betreuung angeordnet ist, lebte bis zum Jahr 2022 in Bayern. Nachdem der ebenfalls unter Betreuung stehende Lebensgefährte nicht mehr in der Wohnung leben konnte, wollte die Beklagte nach Köln ziehen. Die Beklagte, vertreten durch ihren Betreuer, beauftragte die Klägerin mit der Entrümpelung der im Eigentum der Beklagten stehenden Wohnung gegen Zahlung von knapp 2.900 Euro.
Vereinbarung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Die Parteien vereinbarten die Geltung der AGB der Klägerin. Darin ist u. a. geregelt: „Bei all unseren angebotenen Leistungen, […] sind in den Räumlichkeiten befindliche Wertgegenstände vorab vom Auftraggeber (Kunden) zu entfernen bzw. sicherzustellen. Mit Beginn der Tätigkeit gehen alle in dem Auftragshaushalt befindlichen Gegenstände in das Eigentum des Auftragnehmers über. Die weitere Verwertung obliegt dem Auftragnehmer.“
Erhebliche Bargeldsumme und Schmuck
Für den Betreuer der Beklagten übergab die Betreuerin des Lebensgefährten die von ihr durchgesehene Wohnung an die Klägerin. Die Klägerin und ihre Mitarbeiter räumten zunächst die Wohnung, in der sie unter anderem in Windelpackungen und an anderen streitigen Orten Bargeld in Höhe von 557.000 Euro sowie Schmuck und Münzen mit einem durchschnittlichen Verkehrswert von 29.017 Euro bis 32.017 Euro fanden. Bargeld, Schmuck und Münzen wurden auf Wunsch des Betreuers der Beklagten an die Betreuerin des Lebensgefährten herausgegeben. Ebenso geschah es mit später im Keller der Wohnung in einem Koffer aufgefundenem weiteren Bargeld in Höhe von 66.500 Euro. Die Parteien verständigten sich wegen des Mehraufwands der Klägerin bezüglich der Abwicklung von Bargeld, Schmuck und Münzen auf die Zahlung von Mehrvergütung in Höhe von 2.000 Euro zzgl. Umsatzsteuer. Außergerichtliche Aufforderungen der Klägerin auf Auszahlung des aufgefundenen Geldbetrags und des Schmucks seitens der Beklagten blieben erfolglos.
So sah es das Landgericht
Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagte wegen des aufgefundenen Bargelds und Finderlohns auf einen Teilbetrag von 100.000 Euro in Anspruch. Sie ist insbesondere der Ansicht, dass ihr ein Anspruch darauf aufgrund der Regelung in ihren AGB zustehe. Der Betreuer der Beklagten habe bei der Durchsicht der Wohnung vor Übergabe an die Klägerin seine Pflichten verletzt. Zudem behauptet sie, sie habe Geld, Schmuck und Münzen nur herausgegeben, um für eine sichere Verwahrung zu sorgen, nachdem – was die Beklagte in Abrede stellt – eine Bank die Annahme verweigert habe. Dieser Argumentation ist das LG nicht gefolgt. Zur Begründung führte das LG insbesondere aus, dass der Klägerin aus dem Vertrag keinerlei Ansprüche zustehen würden. Die in ihren AGB verwendete, o. g. Klausel sei unwirksam, weil sie eine Erklärung des Auftraggebers, hier die für einen Eigentumsübergang notwendige Übereignungserklärung fingiere, ohne dem Auftraggeber die Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung zu eröffnen und ihn unangemessen benachteilige.
Eigentumsverhältnisse eindeutig
Mögliche Ansprüche auf Herausgabe des Geldes aus Eigentumsgesichtspunkten nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 985 BGB) lehnt das LG ebenso ab, da die Klägerin ihr Eigentum jedenfalls aufgrund der Einzahlung des Bargelds bei einem Kreditinstitut verloren habe. § 985 BGB begründe keinen Anspruch auf einen entsprechenden Geldwert (sog. Geldwertvindikation). Bereicherungsansprüche stünden der Klägerin aufgrund der erläuterten Rechtslage ebenfalls nicht zu, weil der Beklagten als Eigentümerin von Bargeld, Schmuck und Münzen diese zugestanden hätten, die Übergabe durch die Klägerin also nicht ohne Rechtsgrund erfolgt sei und die Beklagte auch nichts auf Kosten der Klägerin erlangt habe.
Quelle | LG Köln, Urteil vom 8.5.2025, 15 O 56/25, PM vom 2.6.2025
| Online geschlossene Verträge beschäftigen die Rechtsprechung immer wieder. So wie in einem aktuellen Fall des Amtsgerichts (AG) München, das bereits den Vertragsschluss als nicht zustande gekommen betrachtete. |
Reisebuchung über Website
Eine Frau besuchte im November 2021 die Website der Beklagten, um nach Reisen im Dezember 2021 zu suchen. Unter den Suchergebnissen befand sich eine Reise nach Dubai für zwei Personen. Die Klägerin gab die Personendaten ein, um den endgültigen Reisepreis zu erfahren.
„Jetzt-kaufen“-Button
Anschließend wurde die Frau auf eine Website weitergeleitet, die Hinweise zur Unterrichtung von Reisenden bei einer Pauschalreise enthielt. Darunter befand sich ein farblich abgesetzter Kasten mit dem Text „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB […]. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben.“ Hierunter befand sich der Button „Jetzt kaufen“ mit dem Symbol eines Einkaufswagens daneben. Die Frau klickte auf die Schaltfläche „Jetzt kaufen“ und verließ anschließend die Website.
Am selben Abend erhielt die Frau eine Buchungsbestätigung und Zahlungsaufforderung der Beklagten für eine Reise nach Dubai zu einem Preis von 2.834 Euro. Da die Frau die Zahlung verweigerte, stornierte die Beklagte die Reise und stellte eine Storno-Gebühr in Höhe von 2.692,30 Euro in Rechnung. Diese bezahlte die Frau unter Vorbehalt.
War ein Vertrag geschlossen worden?
Die Frau meint, es sei kein Vertrag zwischen ihr und der Beklagten zustande gekommen, da die Gestaltung der Website nicht den gesetzlichen Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 312j Abs. 3 BGB) entspreche. Sie verklagte das Reiseunternehmen daher vor dem AG auf Rückzahlung der 2.692,30 Euro.
Amtsgericht gab der Frau Recht
Das AG gab der Frau Recht und verurteilte die Beklagte dazu, den Betrag nebst Zinsen zu zahlen. Zwischen den Parteien, so das AG, wurde schon kein wirksamer Vertrag im Sinne des § 651 a Abs. 1 BGB geschlossen. Für den Abschluss eines Vertrags bedarf es zweier übereinstimmender Willenserklärungen – Angebot und Annahme.
Es lag nach Ansicht des AG kein Angebot der Beklagten in dem Zurverfügungstellen der Internetseite mit dem Button „Jetzt kaufen“ vor. Unstreitig hat die Frau zwar auf diesen Button geklickt. Die Gestaltung der Website der Beklagten vor Bestellabschluss genügte aber nicht den Anforderungen des § 312 j Abs. 3 BGB. Denn zwar weist der Text des Buttons „Jetzt kaufen“ auf die Entgeltlichkeit des zu schließenden Vertrags hin. Allerdings kann das Symbol eines Einkaufswagens neben dem Schriftzug dahingehend verstanden werden, dass der Kunde durch das Klicken auf den Button erst seinen Warenkorb befüllt und sich nicht schon am Ende des Buchungsprozesses befindet.
Text war irreführend
Außerdem, so das AG, ist der Text „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben“ irreführend. Denn durch Auslegung ergibt sich, dass der Kunde durch das Klicken auf den „Jetzt kaufen“ - Button lediglich AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptiert, sowie die Richtigkeit der eingegebenen Daten [und] den Erhalt des Formblatts bestätigt. Von der Abgabe einer abschließenden Willenserklärung nach § 145 BGB wegen einer Reise ist dem Text nichts zu entnehmen. Vielmehr legt der Text nahe, dass bei Fortsetzung des Buchungsprozesses noch weitere Erklärungen abzugeben sind. Außerdem fehlt eine Übersicht über die zu buchenden Reise sowie eine Preisangabe.
Ein bindendes Angebot der Beklagten sah das Gericht jedoch in der übersandten Buchungsbestätigung. Dieses wurde aber von der Frau nicht angenommen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 26.1.2023, 191 C 1446/22, PM 15/25
| Das Amtsgericht (AG) Hanau hat entschieden: Der Inhalt eines Zustandsprotokolls hinsichtlich der Mietwohnung bei Ein- oder Auszug, das die Parteien unterschreiben, ist bindend. Sie können daher nicht später etwas anderes behaupten. |
Das war geschehen
Die Vermieter klagten gegen die Mieterin u. a. auf Zahlung mehrerer nicht geleisteter Mieten. Bei Rückgabe der Wohnung während des Prozesses unterschrieben beide Seiten ein Protokoll, in dem die Wohnung als mangelfrei bezeichnet wurde. Die Mieterin machte geltend, sie sei während der Mietzeit zur Mietminderung berechtigt gewesen, weil die Wohnung bis zuletzt mangelhaft gewesen sei. Sie widersprach zudem der Behauptung der Vermieter, dass frühere Mängel behoben worden wären.
Amtsgericht: Rückgabeprotokoll ist für beide Seiten verbindlich
Das AG hat die ehemalige Mieterin zur Zahlung der ausstehenden Mieten verurteilt. Diese könne sich auf Mängel der Wohnung nicht berufen. Dass solche, wie sie behauptete, bis zum Schluss vorlagen, sei schon aufgrund des von beiden Seiten unterzeichneten Protokolls widergelegt, aus dem sich ein mangelfreier Zustand bei Mietende ergebe. Denn ein solches Protokoll sei als Zustandsvereinbarung für die Parteien bindend. Dessen Zweck bestehe – gerade, weil die Erstellung freiwillig ist – darin, den dokumentierten Zustand festzuhalten, damit später keine Seite etwas anderes behaupten kann.
Dass die Mieterin, wie sie vorträgt, bestehende Mängel nur deshalb nicht aufgenommen habe, weil sie fürchtete, von den Vermietern selbst für diese verantwortlich gemacht zu werden, steht dem nicht entgegen, weil es für die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Erklärungen nicht auf die Motivation ankommt. Zugleich könne sie sich auch nicht darauf berufen, dass früher Mängel vorlagen, denn sie hat der Behauptung der Vermieter widersprochen, dass jemals Mängel behoben worden seien. Dann aber wären diese auch bei Mietende noch vorhanden gewesen, was durch das unterzeichnete Protokoll bindend widerlegt ist.
Quelle | AG Hanau, Urteil vom 11.4.2025, 32 C 37/24, PM vom 17.6.2025
| Vereinbaren Vermieter und Mieter mündlich, die Nebenkostenvorauszahlungen zu erhöhen, ist dies unwirksam. So sieht es der Bundesgerichtshof (BGH). |
Mietvertragsparteien beschlossen mündlich, die Vorauszahlungen zu erhöhen
Mieter und Vermieter vereinbarten, die Nebenkostenvorauszahlungen zu erhöhen. Dies geschah allerdings mündlich. Nachdem der Vermieter die Immobilie verkauft hatte, war der Erwerber mit der Erhöhung nicht einverstanden.
Erwerber war nicht einverstanden
Später verkaufte der Vermieter das Grundstück. Der Erwerber meinte jedoch, die o. g. Vereinbarung sei formunwirksam. Daher reduzierte er die Höhe der Vorauszahlungen.
Mieter klagte
Der Mieter wollte dies nicht akzeptieren. Schließlich musste der BGH entscheiden. Er sah die Veränderung der Nebenkostenvorauszahlungen als formbedürftig an, da sie wesentlicher Bestandteil der Miete sind.
Der BGH stellte klar, dass auch der Erwerber eines Grundstücks, der in einen bestehenden Mietvertrag eintritt, genau wissen muss, wie hoch die Miete inklusive der Nebenkostenvorauszahlung ist. Nur so kann er seine Rechte als Vermieter wahrnehmen. Der BGH nannte als Beispiel den Fall, dass ein Vermieter einem Mieter wegen Mietrückständen kündigen möchte. Dann muss er durch schriftliche Urkunden zuverlässig informiert sein.
Quelle | BGH, Beschluss vom 14.5.2025, XII ZR 88/23
| Ist eine echte Quadratmetermiete vereinbart – etwa durch Angabe eines Mietpreises pro m² – ist die Miete stets nach der tatsächlichen Fläche zu berechnen. Eine Flächenabweichung führt dann unabhängig vom Ausmaß zur Rückzahlung überzahlter Miete. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Dresden. |
Tatsächliche Fläche wich von vertraglich vereinbarter ab
Der Kläger hatte Büroräume gemietet. Der Vertrag wies eine Fläche von „ca. 70 qm“ aus und bestimmte eine Miete von „EUR 5,00/qm“. Die tatsächliche Fläche betrug jedoch nur 45,6 qm. Der Vermieter verlangte monatlich 350 EUR, der Kläger begehrte Rückzahlung der Überzahlung von 120 EUR monatlich.
Quadratmetermiete vereinbart
Das OLG Dresden stellte klar: Auch wenn die Flächenangabe laut Vertrag keine Sollbeschaffenheit festlege, wurde eine Quadratmetermiete vereinbart. In diesem Fall sei die Miete unabhängig von der Abweichung stets anhand der tatsächlichen Fläche zu berechnen.
Die Rückzahlung überzahlter Miete folge aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Das gelte unabhängig von der 10 Prozent-Grenze, die bei einem Mangel nach § 536 BGB zu beachten wäre.
Ein Wermutstropfen für den Mieter: Seine Ansprüche waren teilweise verjährt, soweit sie das Jahr 2020 betrafen.
Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 19.3.2025, 5 U 1633/24
| Die Anfechtung der Ausschlagung des Erbes wegen einer vermeintlichen Überschuldung des Nachlasses scheidet aus, wenn der Anfechtende seine Anfechtungsentscheidung nicht auf Basis von Fakten, sondern auf Basis von Spekulationen getroffen hat. Wird die Ausschlagung lediglich auf Verdacht hin erklärt, fehlt es letztlich auch an der erforderlichen Kausalität der Fehlvorstellung für die erklärte Ausschlagung. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschieden.
Erbschaft wegen Überschuldung ausgeschlagen
Die Tochter des Erblassers aus dessen erster Ehe sowie deren volljähriger Sohn haben nach dessen Tod wirksam die Ausschlagung der Erbschaft bei gesetzlicher Erbfolge wegen „Schulden/private Gründe“ erklärt. Etwa zwei Monate später hat die Tochter ihre Ausschlagungserklärung zu Protokoll des Nachlassgerichts mit der Begründung angefochten, dass sie bei der Ausschlagung der Erbschaft von der Überschuldung des Nachlasses ausgegangen sei. Dies habe ihr Bruder ihr so mitgeteilt. Sie selbst habe seit 20 Jahren keinen Kontakt zu ihrem Vater gehabt. Nun habe sie durch eigene Recherchen in Erfahrung gebracht, dass ihr Vater in einem eigenen Haus gelebt habe, was sie vorher nicht gewusst habe.
Ausschlagungsanfechtung wirksam?
Im Erbscheinsverfahren stellte die Tochter des Erblassers den Antrag, einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge zu erteilen. Die weiteren gesetzlichen Erben stellten den Antrag, einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge unter Ausschluss der Tochter zu erteilen, weil diese die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und die Anfechtungserklärung unwirksam und unbegründet sei. Diesem Antrag ist das Nachlassgericht nachgekommen und hat dabei erklärt, dass die Ausschlagungsanfechtung der Tochter des Erblassers unwirksam und unbegründet sei. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Tochter des Erblassers, der das Nachlassgericht nicht abgeholfen hat.
Oberlandesgericht: „Nein“!
Die vom Nachlassgericht dem OLG zur Entscheidung vorgelegte Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen, weil das Nachlassgericht zu Recht zu der Auffassung gelangt sei, dass die von der Tochter erklärte Ausschlagung der Erbschaft weiterhin wirksam ist.
Der Anfechtende sei bei einer Anfechtung einer erfolgten Erbausschlagung beweispflichtig für die Voraussetzungen der jeweiligen Anfechtungstatbestände. Hinsichtlich des geltend gemachten erheblichen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses im Hinblick auf eine angenommene Überschuldung sei es zwar richtig, dass die Überschuldung eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses darstellen könne. Jedoch werde eine Fehlvorstellung darüber, dass die (Nachlass-)Verbindlichkeiten den (Aktiv-)Wert des Nachlasses übersteigen, nur dann als relevant angesehen, wenn sie darauf beruhe, dass der Ausschlagende unrichtige Vorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses hatte.
Dagegen werde gemäß der vom Nachlassgericht in dem angefochtenen Beschluss zitierten Rechtsprechung ein erheblicher Irrtum über eine Überschuldung als eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses verneint und stattdessen ein nicht zu einer Anfechtung berechtigender Motivirrtum angenommen, wenn der Anfechtende zu seiner Vorstellung nicht aufgrund einer Bewertung ihm bekannter oder zugänglicher Fakten zu dem Ergebnis gelangt sei, sondern seine Entscheidung, die Erbschaft auszuschlagen, auf spekulativer, bewusst ungesicherter Grundlage getroffen habe.
Folge: Das Nachlassgericht habe zu Recht das Vorliegen eines zur Anfechtung berechtigten Irrtums bei der Tochter des Erblassers verneint, da diese keineswegs dargelegt und schon gar nicht bewiesen habe, dass sie die Ausschlagung wegen einer angeblichen Überschuldung des Nachlasses erst nach einer Bewertung der ihr bekannten und zugänglichen Fakten vorgenommen habe.
Quelle | OLG Zweibrücken, Urteil vom 7.3.2025, 8 W 20/24
| Die Suche nach einem Testament hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Das Fazit: Mit der richtigen Vorsorge lassen sich später Schwierigkeiten vermeiden. |
Nach dem Tod eines Mannes stritten seine Witwe und sein Sohn darüber, ob er ein Testament hinterlassen hatte: Die Witwe behauptete das – doch gefunden hatte sie das Testament nicht. In der ersten Instanz hatte das Landgericht (LG) deshalb zehn Zeugen vernommen, die aber keine endgültige Klärung brachten. Beim OLG nahm die Frau schließlich ihre Klage zurück und erkannte den Sohn als gesetzlichen Miterben an.
Mögliche Erben tragen die Beweislast
Der Fall ist keine Seltenheit: Viele Angehörige müssen sich nach dem Tod ihres Verwandten die Frage stellen, ob es ein Testament gibt und wo es sich befindet. Auf vermeintlich sichere Orte ist dabei nicht immer Verlass. In dem entschiedenen Fall wurde vergeblich nach einem Bankschließfach gesucht, in einem anderen aktuellen Fall ebenso erfolglos in einem Waffenschrank. Für die möglichen Erben kann das entscheidend sein: Wer sich auf ein Testament berufen will, muss auch dessen Existenz und Inhalt beweisen.
Amtsgerichte und Notare bieten Sicherheit
Schutz vor Ungewissheiten bieten die Amtsgerichte (AG) und Notare. Wenn ein Testament von einem Notar errichtet oder bei einem Amtsgericht hinterlegt wird, wird das im Zentralen Testamentsregister vermerkt. Im Todesfall gibt es einen Informationsaustausch zwischen dem Standesamt, dem Testamentsregister und der Stelle, die das Testament verwahrt. Das Testament wird dann automatisch an das zuständige AG weitergeleitet, das die Erben informiert und das Testament eröffnet. Eine Hinterlegung beim AG mit Registrierung kostet 93 Euro.
Quelle | OLG Celle, PM vom 11.4.2025
| Das Verwaltungsgericht (VG) Braunschweig hat die Klage zweier Hauseigentümer abgewiesen, die eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach ihres Gebäudes in der als Denkmal geschützten und von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannten Altstadt Goslars errichten wollten. |
Das VG stellte in seinem Urteil fest: Nach den geltenden Regelungen des Bundes- und Landesrechts müssen die Behörden Solaranlagen in aller Regel auf denkmalgeschützten Gebäuden genehmigen. Die Nutzung erneuerbarer Energien habe weitgehend Vorrang, in der weitaus größten Zahl der Fälle bestehe deswegen ein Rechtsanspruch auf Genehmigung von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden. Für „atypische Situationen“ sehe das Gesetz aber Ausnahmen vor. Das gelte für besonders wertvolle Denkmäler und bei besonders schwerwiegenden Eingriffen in ein Denkmal. In diesen Fällen sei eine Abwägung erforderlich. Ein solcher (seltener) Ausnahmefall liege hier vor: Das Gebäude der Kläger sei als Bestandteil des UNESCO-Weltkulturerbes in besonderem Maße schutzbedürftig. Zusätzlich liege in der Installation der Anlage nach der fachlichen Einschätzung des zum Verfahren beigeladenen Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege (NLD) auch ein besonders schwerer Eingriff in das Denkmal vor. Das Gesamterscheinungsbild der zusammenhängenden historischen Bebauung, die den Denkmalwert hier gerade ausmache, würde nach der Darstellung des NLD durch die Installation der Solaranlage erheblich gestört werden. Das Gebäudes ei aus dem öffentlichen Straßenraum heraus wahrnehmbar und die Solaranlage würde sich außerdem durch die vorgesehene dunkle Farbe deutlich von dem Dachgebilde abheben.
Das VG folgte dieser fachlichen Einschätzung. Weil hier ein besonders schutzwürdiges Denkmal (Goslarer Altstadt als Gruppendenkmal) beeinträchtigt sei und ein besonders schwerwiegender Eingriff vorliege, überwiege der Denkmalschutz in diesem besonderen Fall ausnahmsweise das Interesse an der Nutzung erneuerbarer Energien. Das VG wies auf die Präzedenzwirkung hin, die eine Genehmigung hätte: In allen Fällen dieser Art müssten dann Solaranlagen genehmigt werden; dies würde die historische Dachlandschaft der Altstadt weitgehend verändern.
Quelle | VG Braunschweig, Urteil vom 25.6.2025, 2 A 21/23, PM vom 25.6.2025
| Wie muss eine Baustelle abgesichert sein, damit der Bauherr seiner ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht genügt? Diese Frage musste das Landgericht (LG) Koblenz entscheiden. |
Das war geschehen
Die Parteien stritten über von der Klägerin geltend gemachte Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld aus einem Sturz im Bereich einer Straße. Diese Straße verfügt über keinen gesondert ausgewiesenen Gehweg.
Die Beklagte führte zu diesem Zeitpunkt Straßenbaumaßnahmen auf der teilweise deutlich erneuerungsbedürftigen Straße durch. Diese führten u. a. zu einer Fräskante auf der Straße. Der betroffene Streckenabschnitt war gemäß der behördlichen Anordnung beschildert. Die Klägerin stürzte an der Fräskante und erlitt eine distale Radiusfraktur links. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt habe. Auf die Fräskante sei nicht ordnungsgemäß hingewiesen worden. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass sie ihre Verkehrssicherungspflichten vollumfänglich erfüllt habe. Jedenfalls sei der Klägerin ein so erhebliches Mitverschulden anzulasten, dass schon aus diesem Grund der geltend gemachte Anspruch ausgeschlossen sei.
Amtsgericht: Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht, aber auch Mitverschulden
Das Amtsgericht (AG) hat die Beklagte verurteilt, rund 1.000 Euro sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 272,60 Euro, jeweils zuzüglich Zinsen, an die Klägerin zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits legte das AG den Parteien zu je 50 % auf.
Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte eine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Es fehle an einem Schild mit ausdrücklichem Bezug zu einer Baustelle oder an einem Schild mit dem Hinweis auf Fahrbahnunebenheiten. Das AG sah zulasten der Klägerin jedoch auch ein Mitverschulden, da sie nach Überqueren der ersten Fräskante eine weitere Fräskante habe erwarten müssen.
Hiergegen wenden sich beide Parteien jeweils mit dem Rechtsmittel der Berufung und dem Ziel, mit ihren jeweiligen Anträgen vollumfänglich zu obsiegen.
Landgericht: Klage abgewiesen
Das LG hat dem Antrag der Beklagten auf Klageabweisung vollumfänglich stattgegeben und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Schmerzensgeld oder materiellen Schadenersatz gegen die Beklagte. Der Beklagten könne bereits keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht vorgeworfen werden. Auf ein mögliches Mitverschulden der Klägerin komme es vor diesem Hintergrund schon nicht mehr an.
Grundsätzlich Verkehrssicherungspflicht bei Gefahrenquelle, ...
Im Grundsatz sei der, der eine Gefahrenquelle schafft, dazu verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu vermeiden. Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflicht beginne erst dort, wo auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintrete und nicht rechtzeitig erkennbar sei. Entscheidend seien daher auch die äußeren Gesamtumstände. Für Gefahrenstellen innerhalb eines erkennbaren Baustellenbereiches bedeute dies, dass nicht jede Unebenheit besonders gekennzeichnet werden müsse. Unebenheiten seien in Baustellenbereichen grundsätzlich zu erwarten. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte den Baustellenbereich ausreichend deutlich gekennzeichnet. Bei einer Fräskante handele es sich um eine typische Baustellenunebenheit, mit der ein Fußgänger im Bereich einer Baustelle zu rechnen hätte.
... aber erkennbarer Baustellenbereich und Dunkelheit erfordern erhöhte Aufmerksamkeit
Die Sturzstelle liege auf einer untergeordneten Straße mit deutlich erkennbaren erheblichen Beschädigungen, die vor allem dem Fahrzeugverkehr gewidmet sei. Fußgänger dürften hier keinen hindernisfreien Weg erwarten, wie beispielsweise bei einer Fußgängerzone. Die Straße sei zum Zeitpunkt des Vorfalls bei Dunkelheit (20:20 Uhr an einem Februartag) nicht durchgängig beleuchtet gewesen, weswegen Fußgänger in eigener Verantwortung besonders auf den Fahrbahnbelag zu achten hätten. Durch die Aufstellung der Warnbaken mit Blinklichtern und das erkennbar vorübergehend angeordnete Einfahrtsverbot für Fahrzeuge aller Art hätte der Klägerin bewusst sein müssen, dass sie einen Baustellenbereich betrete. Wie bereits ausgeführt, habe sich der Straßenbelag schon zuvor in einem schlechten Zustand befunden. Dass bei einer Baustelleneinrichtung daher (auch) Ausbesserungsarbeiten am Straßenbelag durchgeführt werden, sei zu erwarten. Dies schließe ebenfalls Abfräsarbeiten von altem Straßenbelag mit ein.
Quelle | LG Koblenz, Urteil vom 31.1.2025, 13 S 32/24, PM des LG
| Inflationsausgleichszahlungen für Beamte in Elternteilzeit zu kürzen, ist zulässig. So sieht es das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |
Das Landesgesetz zur Anpassung der Besoldung 2024/2025 in Rheinland-Pfalz sah eine einmalige Inflationsausgleichszahlung von 1.800 Euro vor. Teilzeitbeschäftigte Beamte erhielten den Betrag anteilig gemäß ihrer Arbeitszeit. Berechtigt waren Beamte mit Dienstverhältnis am 9.12.2023 und mindestens einem Tag Anspruch auf Dienstbezüge zwischen dem 1.8.2023 und dem Stichtag. Die Kläger, eine Beamtin und ein Beamter, arbeiteten während ihrer Elternzeit in Teilzeit und erhielten gekürzte Zahlungen, während vollzeitfreigestellte Kollegen die volle Summe erhielten. Diese Ungleichbehandlung wurde von ihnen als verfassungswidrig gesehen.
Das VG: Der Gesetzgeber verfügt bei solchen Sonderzahlungen über einen großen Gestaltungsspielraum. Die Differenzierung zwischen vollzeitfreigestellten und teilzeitbeschäftigten Beamten ist gerechtfertigt. Während man die Höhe der Sonderzahlung für Letztere anhand des (reduzierten) Umfangs ihrer Arbeitszeit am Stichtag des 9.12.2023 errechnen konnte, war dies bei den vollständig freigestellten Beamten nicht der Fall. Vollzeitfreigestellten Beamten ohne Dienstleistung hätte gemäß ihrer Arbeitszeit kein Anspruch zugestanden. Insoweit hat ein sachliches Bedürfnis bestanden, den Stichtag für sie zu verschieben. Aufgrund der unterschiedlichen Entlohnungssysteme kommt es ferner nicht darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen der Personengruppe der Tarifbeschäftigten Sonderzahlungen gewährt worden sind.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 1.4.2025, 5 K 967/24.KO
| Es ist Sache des Arbeitgebers, zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren will. Liegt in Gestalt einer Konfliktlage einhinreichender Anlass vor und ist eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, ist grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Der Arbeitgeber verletzt seinen Ermessensspielraum erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lässt. So hat es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden. |
Das war geschehen
Das LAG musste über die Versetzung eines Arbeitnehmers aufgrund des Vorwurfs der sexuellen Belästigung entscheiden. Dabei kam es zum Ergebnis, dass die örtliche Umsetzung dem billigen Ermessen entsprochen habe.
Mehrfache sexuelle Belästigung einer Arbeitskollegin stand im Raum
Der Vorwurf der mehrfachen sexuellen Belästigung einer Arbeitskollegin und die ausgesprochene Empfehlung der Antidiskriminierungsstelle, dem Arbeitnehmer für das Büro ein Betretungsverbot auszusprechen, waren zwar Auslöser für die Umsetzungsentscheidung des Arbeitgebers. Der gerichtliche Nachweis einer sexuellen Belästigung sei aber keine Tatbestandsvoraussetzung für die Umsetzung. Daher sei es unerheblich, dass der beklagte Arbeitgeber in der über einem Jahr später stattgefundenen Beweisaufnahme die sexuelle Belästigung nicht habe nachweisen können. Dies ergebe sich zudem daraus, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle der Zeitpunkt sei, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen habe.
Arbeitgeber hat Ermessensspielraum
Es sei Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren wolle. Er müsse dabei nicht zunächst die Ursachen und Verantwortlichkeiten für die entstandenen Konflikte im Einzelnen aufklären. Liege in Gestalt einer Konfliktlage ein hinreichender Anlass vor und sei eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, sei ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Seinen Ermessensspielraum verletze der Arbeitgeber erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lasse. Diese waren hier nicht gegeben.
Zwar möge der Arbeitnehmer die Umsetzung als „Strafe“ empfinden. Die Umsetzung diene aber der Befriedung des Konflikts und sei keine „Bestrafung“. Der Arbeitgeber habe sich bei der Entscheidung von zutreffenden Erwägungen leiten lassen. Eine räumliche Trennung der Protagonisten innerhalb des Projektbüros sei aufgrund dessen Größe und der gemeinsam genutzten Flächen nicht möglich. Es sei daher ermessensgerecht, dem Arbeitnehmer einen anderen Dienstort zuzuweisen.
Betriebsfrieden war gefährdet
Letztlich konnte sich das LAG nicht vorstellen, wie die Arbeitnehmerin und der Arbeitnehmer jemals wieder unbefangen hätten zusammenarbeiten können. Denn mindestens aus Sicht der Kollegin sei der Arbeitnehmer ein sexueller Belästiger. Und aus Sicht des Arbeitnehmers sei die Frau eine Falschbeschuldigerin. Dies beeinträchtige nicht nur das Verhältnis der Protagonisten untereinander, sondern in einem so kleinen Büro auch den Betriebsfrieden insgesamt.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 25.2.2025, 7 SLa 456/24
| Auch in einem Minijob gibt es bezahlten Urlaub. Doch in diesem Zusammenhang stellen sich viele Fragen: Wie viele freie Tage stehen einem Minijobber zu? Was gilt bei unregelmäßiger Arbeitszeit? Wie wirkt sich das Urlaubsgeld auf den Minijob aus? Diese und weitere Fragen hat die Minijob-Zentrale jüngst beantwortet. |
So erläutert die Minijob-Zentrale beispielsweise, dass der Lohn während des Urlaubs weitergezahlt werden muss (Urlaubsentgelt). Das ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt. Zusätzlich kann es Urlaubsgeld geben (als freiwillige Zahlung zum Urlaub).
Quelle | Minijob-Zentrale vom 11.6.2025 „Urlaub im Minijob: Ihre Fragen – Wir antworten!"
| Es gibt steuerliche Betriebsprüfungen, die bereits nach kurzer Zeit abgeschlossen sind. Andere Prüfungen hingegen ziehen sich über Monate oder sogar über Jahre hin. Um die Betriebsprüfung zu beschleunigen, wurden nun mehrere gesetzliche Änderungen vorgenommen. |
Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen
Verzögerungen bei einer Betriebsprüfung können mitunter auf eine unzureichende Mitwirkung des Steuerpflichtigen zurückzuführen sein. Um dem entgegenzuwirken, sieht der neue § 200 a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) das qualifizierte Mitwirkungsverlangen vor, das sich auf die Mitwirkungspflichten nach § 200 AO stützt. Danach hat der Steuerpflichtige u. a. Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben.
Ermessensentscheidung des Prüfers
Das (neue) qualifizierte Mitwirkungsverlangen stellt eine Ermessensentscheidung des Prüfers dar, die frühestens nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ergehen darf. Entscheidet sich der Prüfer für ein solches Mitwirkungsverlangen, ist es schriftlich oder elektronisch (versehen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung) zu erteilen.
Beachten Sie | Der Steuerpflichtige muss in diesem Fall schnell handeln. Denn das Mitwirkungsverlangen ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe zu erfüllen. Nur in begründeten Einzelfällen kann die Frist verlängert werden.
Neu: Mitwirkungsverzögerungsgeld
Problematisch wird das qualifizierte Mitwirkungsverlangen für den Steuerpflichtigen, wenn es nicht oder nicht hinreichend innerhalb der Frist erfüllt wird. Denn in diesen Fällen wird das neu eingeführte Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt (§ 200 a Abs. 2 AO). Ausnahme: Die Mitwirkungsverzögerung erscheint entschuldbar, beispielsweise bei einer stark beeinträchtigenden Erkrankung.
Beachten Sie | Das Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung (also für jeden vollen Tag nach Verstreichen der im Mitwirkungsverlangen gesetzten Frist) 75 Euro. Gerechnet werden die Tage bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Mitwirkungsverlangen erfüllt wird – spätestens bis zum Tag der Schlussbesprechung. Denn nach der Schlussbesprechung gibt es keinen Bedarf mehr, eine Mitwirkung sicherzustellen.
Allerdings dürfen maximal 150 Tage zugrunde gelegt werden, sodass das Mitwirkungsverzögerungsgeld maximal 11.250 Euro betragen kann (150 Tage × 75 Euro).
Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld
Nicht immer bleibt es bei dem Mitwirkungsverzögerungsgeld. Denn es steht im Ermessen des Prüfers, nach § 200 a Abs. 3 AO zusätzlich einen Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzen. Voraussetzung ist, dass
- gegen den Steuerpflichtigen in den letzten fünf Jahren ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wurde und zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt oder
- wegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt. Davon ist auszugehen, wenn die Umsatzerlöse in einem der von der Prüfung umfassten Jahre mindestens 12 Mio. Euro betragen oder sich die konsolidierten Umsatzerlöse bei Konzernen auf mindestens 120 Mio. Euro belaufen.
Entscheidet sich der Prüfer für den Zuschlag, steht auch die Höhe in seinem Ermessen. Dabei darf der Zuschlag höchstens 25.000 Euro für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung betragen – ebenfalls für maximal 150 Tage (maximal somit 3,75 Mio. Euro).
Teilabschlussbescheid und Inkrafttreten
Um die Betriebsprüfungen zu beschleunigen, wurde auch der neue Teilabschlussbescheid eingeführt. Denn oft scheitert der zeitnahe Abschluss an einem einzelnen Sachverhalt, der nur durch intensiven Arbeitseinsatz aufgeklärt werden kann. Das Problem: So entsteht keine Rechtssicherheit bezüglich weiterer geprüfter Sachverhalte.
Durch den neuen § 202 Abs. 3 AO hat der Prüfer die Möglichkeit, bereits vor Abschluss der Prüfung einen Teilprüfungsbericht zu übermitteln und im Anschluss einen Teilabschlussbescheid zu erlassen. Hierdurch lassen sich einzelne im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte und abgrenzbare Feststellungen vor dem abschließenden Prüfungsbericht gesondert feststellen. Kann der Steuerpflichtige ein erhebliches Interesse an einem Teilabschlussbescheid glaubhaft machen, soll dieser auf Antrag ergehen.
Beachten Sie | Die Neuerungen gelten erst für Steuern und Steuervergütungen, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Sie sind aber auch für Steuern und Steuervergütungen anzuwenden, die vor dem 1.1.2025 entstehen, wenn für diese Steuern und Steuervergütungen nach dem 31.12.2024 eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde.
Quelle | Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie, BGBl I 2022, S. 2730
| Verlängert sich die dem Verbraucher gesetzlich eingeräumte 14-tägige Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge, wenn der Verkäufer in seiner Widerrufsbelehrung seine Telefonnummer nicht angibt? Diese Frage hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden. |
Kauf im Online-Shop über 62.000 Euro
Der Kläger hatte am 4.5.2022 über den Onlineshop der Beklagten ein Elektrofahrzeug zum Preis von rund 62.000 Euro erworben. Die Auslieferung des Fahrzeugs erfolgte am 20.12.2022. Am 14.8.2023 erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrags. Zu spät, entschied nun auch das OLG in zweiter Instanz und wies damit die Berufung des Klägers zurück.
Rechtlicher Hintergrund
Verbrauchern steht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: §§ 312 g Abs. 1, 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, im Normalfall beginnend ab Erhalt der Ware. Wird der Verbraucher jedoch nicht korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB). Die Informationspflichten des Unternehmers ergeben sich aus dem Einführungsgesetz zum BGB (hier: Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB). Der Unternehmer kann die Informationspflichten auch durch die Verwendung einer Musterwiderrufsbelehrung erfüllen, die sich in der Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB befindet.
Fehlende Telefonnummer ohne Auswirkungen
Hier hatte die Autohändlerin in ihrer selbst formulierten Widerrufsbelehrung, die sie dem Kläger übermittelte, keine Telefonnummer angegeben. Diese war jedoch auf der Internetseite der Beklagten zu finden. Das OLG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist geführt hat.
Widerruf eines Autokaufs wahrscheinlich eher schriftlich als per Telefon
Es entschied, dass die Widerrufsbelehrung auch ohne Angabe einer Telefonnummer den gesetzlichen Anforderungen genügt und sich die Widerrufsfrist daher nicht verlängert. Die Nichtangabe der Telefonnummer begründe bei einem Autokauf, der von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sei, nicht die Gefahr, dass der Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werde.
Ein typischer Kunde würde allein aus Beweiszwecken bei den hohen Summen eines Elektroautokaufs den Widerruf vernünftigerweise auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. per E-Mail) übermitteln.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 7.11.2024, 14 U 95/24, PM 8/25
| Hat sich der Übergeber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anlässlich der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ein Wohnungsrecht an einer Wohnung des übergebenen Vermögens vorbehalten, ist ein Sonderausgabenabzug des Mietwerts nach Meinung der Finanzverwaltung ausgeschlossen. Dieser Ansicht hat aber nun das Finanzgericht (FG) Nürnberg widersprochen. |
Hintergrund: Wird ein Betrieb gegen Versorgungsleistungen auf nahe Angehörige übertragen, kann der Betriebsübernehmer die Versorgungsleistungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 a Nr. 2 EStG) als Sonderausgaben abziehen, die der Empfänger versteuern muss (nach § 22 Nr. 1a EStG).
Das war geschehen
Anlässlich einer Hofübergabe wurde dem Übergeber ein Altenteil in Form eines vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts, Taschengelds und der Mitbenutzung von Gegenständen eingeräumt. Den vom Vermögensübernehmer als Sonderausgaben geltend gemachten Nutzungswert der Altenteilerwohnung erkannte das Finanzamt allerdings nicht an, da nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2010 nur die mit der Nutzungsüberlassung tatsächlich zusammenhängenden Aufwendungen (wie Strom, Heizung, Wasser und Instandhaltungskosten), nicht jedoch der Nutzungswert der Altenteilerwohnung berücksichtigt werden können.
Finanzgericht gibt Kläger Recht, Revision ist eingelegt
Die hiergegen eingelegte Klage war vor dem FG Nürnberg erfolgreich. Nach Auffassung des FG kann der Fall, dass der Versorgungsberechtigte mit dem ihm gewährten (höheren) Barunterhalt selbst eine Wohnung mietet, für den Bereich des Sonderausgabenabzugs nicht anders behandelt werden als der Fall, in dem sich die Versorgungsleistung aus (niedrigerem) Barunterhalt und unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zusammensetzt.
Da die Revision anhängig ist, muss nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden.
Quelle | FG Nürnberg, Urteil vom 6.2.2025, 4 K 1279/23, Rev. BFH: X R 5/25, BMF-Schreiben vom 11.3.2010, IV C 3 - S 2221/09/10004, Rz. 46
| Der Bundesfinanzhof (BFHZ) hat jüngst entschieden, dass die Erteilung von Reitunterricht nicht von der Umsatzsteuer befreit ist, es sei denn, der Unterricht dient der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung. |
Das war geschehen
Im Streitfall begehrte der Kläger die Steuerbefreiung verschiedener Reitkurse für Kinder und Jugendliche auf seinem Reiterhof in den Jahren 2007 bis 2011. In der „Ponygruppe“ wurden Kinder und Jugendliche und bei „Klassenfahrten“ wurden Schulklassen im Umgang mit Pferden unterrichtet.
Zudem wurden Kurse für eine „Große Pferdegruppe“ angeboten, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen gerichtet waren. Die unterrichteten Kinder und Jugendlichen wurden darüber hinaus verpflegt und übernachteten teilweise auch auf dem Reiterhof.
Uneinigkeit der gerichtlichen Instanzen
Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, dass sämtliche Leistungen steuerpflichtig seien. Das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein sah das aber größtenteils anders. So seien die Umsätze insoweit steuerfrei, als sie auf die Beherbergung und Verpflegung sowie auf den Teil des Reitunterrichts entfielen, mit dem die formalen Voraussetzungen dafür erlangt werden können, später den Beruf des Turniersportreiters auszuüben („Große Pferdegruppe“).
Der Meinung des Finanzgerichts hat sich der BFH aber nicht vollumfänglich angeschlossen.
Der BFH stellte klar, dass es sich bei der Beherbergung und Verpflegung von Kindern und Jugendlichen um selbstständige steuerbare Leistungen neben dem Reitunterricht handelt. Er hob weiter hervor, dass Reitunterricht (als spezialisierter Unterricht) kein „Schul- und Hochschulunterricht“ ist.
Beachten Sie | Entsprechendes ist bereits für Segel-, Fahr-, Schwimm-, Jagd- und Tanzschulen entschieden worden.
Anerkennung als Ausbildung an strenge Voraussetzungen geknüft
Die Einstufung von Reitunterricht als „Ausbildung“ oder „Fortbildung“ kommt nach Auffassung des BFH nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Reitunterricht, der typischerweise der Freizeitgestaltung dient, ist in der Regel keine Ausbildung oder Fortbildung, da er nicht auf einen bestimmten Beruf vorbereitet. Die Kurse der „Ponygruppe“ und für Schulklassen im Rahmen der „Klassenfahrten“ sind daher umsatzsteuerpflichtig.
Beachten Sie | Die Ansicht des BFH dürfte insoweit strenger sein als die Auffassung der Finanzverwaltung zu Ballett-, Tanz- oder Musikunterricht.
Spätere Turniersportreiter: umsatzsteuerfreie Kurse
Bei den Kursen der „Großen Pferdegruppe“ lagen hingegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme vor, da zahlreiche Teilnehmer später Turniersportreiter wurden. Diese Kurse sind folglich umsatzsteuerfrei.
Hinsichtlich der Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für die Kinder und Jugendlichen führte der BFH aus, dass die hierfür seinerzeit geltende Steuerbefreiung nur in Betracht kommt, wenn eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter vorliegt. Bereits hieran fehlte es aber im Streitfall. Denn der Kläger konnte eine solche Anerkennung nicht vorweisen.
Beachten Sie | Seit dem 1.1.2020 können nur noch die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben insoweit umsatzsteuerbefreit sein, was der Kläger aber nicht ist.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 9/22, PM 35/25 vom 30.5.2025
| Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen und übernimmt der neue Eigentümer die auf dem Grundstück lastenden Schulden, liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund : Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Spekulationsbesteuerung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 23 EStG).
Beachten Sie | Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die
- im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
Das war geschehen
Der Vater hatte im Jahr 2014 ein Grundstück für 143.950 Euro erworben und teilweise fremdfinanziert. 2019 übertrug er das Grundstück auf seine Tochter. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Grundstück einen Wert von 210.000 Euro. Die Tochter übernahm die am Übertragungstag bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 115.000 Euro.
Finanzamt: Aufteilung in entgeltlich und unentgeltlich
Das Finanzamt teilte den Vorgang (ausgehend vom Verkehrswert im Zeitpunkt der Übertragung) in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichenTeil auf. Soweit das Grundstück unter Übernahme der Verbindlichkeiten entgeltlich übertragen worden war, besteuerte das Finanzamt den Vorgang als privates Veräußerungsgeschäft.
Hiergegen klagte der Vater vor dem Finanzgericht (FG) Niedersachsen und bekam Recht. Die Begründung: Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten sind keine Veräußerungen (im Sinne des § 23 EStG).
Höchste Instanz bestätigt Vorgehen des Finanzamts
Doch die Freude währte nicht lange, denn der BFH schloss sich der Ansicht des Finanzamts an.
- Wird ein Wirtschaftsgut übertragen und werden damit zusammenhängende Verbindlichkeiten übernommen, liegt regelmäßig ein teilentgeltlicher Vorgang vor. In diesem Fall erfolgt eine Aufteilung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichenTeil.
- Wird das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen, unterfällt der Vorgang hinsichtlich des entgeltlichen Teils als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensteuer.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.3.2025, IX R 17/24, PM 37/25 vom 30.5.2025
| Frauen muslimischen Glaubens haben keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kfz mit einem Gesichtsschleier (Niqab). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin bestätigt. |
Antrag auf Ausnahmegenehmigung
Die Klägerin hatte ihren Antrag auf Ausnahmegenehmigung damit begründet, dass sie sich gemäß ihrem Glauben außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Da sie im Auto den Blicken fremder Menschen ausgesetzt sei, müsse es ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Das VG hatte die Klage abgewiesen.
Berufung nicht zugelassen
Das OVG hat den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Mit ihren Einwendungen hat die Klägerin es nicht vermocht, ernstliche Richtigkeitszweifel an der Entscheidung des VG zu wecken oder Verfahrensfehler offenzulegen.
Keine wesentliche Einschränkung der Religionsfreiheit
Die Annahme des VG, dass das Tragen einer Gesichtsverschleierung während des Autofahrens für die Religionsausübung typischerweise keine wesentliche Einschränkung bedeutet und angesichts der zeitlich und örtlich eingeschränkten Wirkung des Verbots hinzunehmen ist, konnte sie nicht durchgreifend in Frage stellen.
Dasselbe gilt für die Annahme des VG, dass das der zuständigen Behörde bei der Frage der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt wurde, weil der Eingriff zur Sicherstellung der effektiven automatisierten Verkehrsüberwachung gerechtfertigt ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Quelle | OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.4.2025, OVG 1 N 17/25 , PM 11/25
| Wer seine SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergibt, hat keinen Anspruch auf Rückzahlung abgebuchter Kreditkartenbeträge. So entschied es das Amtsgericht (AG) München. |
Das war geschehen
Der Ehemann der Klägerin wollte am Samstag, den 6.1.2024, für seine Ehefrau und sich eine Reise im Internet buchen. Hierzu gab er auf der Website „Check24“ die Daten der Kreditkarte seiner Ehefrau ein. Kurz darauf erschien eine Mitteilung, dass ein Betrag in Höhe von 318,99 Euro vorgemerkt sei, ehe weitere Mitteilungen über vergleichbare Vormerkungen erschienen. Die Klägerin veranlasste noch am selben Abend telefonisch die Sperrung der Kreditkarte. Am Montag, den 8.1.2024 sind sechs unberechtigte Abbuchungen zu je 318,99 Euro für Giftcards vom Konto der Klägerin erfolgt, insgesamt 1.953,29 Euro.
Zur Autorisierung der Transaktionen fand das Mastercard 3D-Secure-Verfahren Anwendung. Zur Aktivierung dieses Verfahrens auf einem weiteren Gerät übersandte die beklagte Bank am 6.1.2024 eine SMS-TAN an die von der Klägerin bei der Beklagten hinterlegte Mobilfunknummer. Die an die Klägerin versandte SMS-TAN wurde dann auf dem weiteren mobilen Endgerät, auf dem auch die Banking-App freigeschaltet wurde, am 6.1.2024 eingegeben und damit das Secure-Verfahren aktiviert.
Die Klägerin behauptete, dass sie diese Abbuchungen nicht autorisiert habe. Bei der Buchung sei sie nicht nach PIN oder Passwort gefragt worden, sie habe auch nirgendwo eine SMS-Tan eingegeben. Es sei nicht erkannt worden, dass es sich möglicherweise um eine „Fake“-Website handelte.
Die beklagte Bank ging davon aus, dass die Frau die SMS-Tan an einen Dritten weitergegeben haben muss, da eine Freigabe der Buchungen anders technisch nicht möglich gewesen sei und verweigerte die Zahlung. Die Klägerin verklagte die Bank daher vor dem AG auf Rückzahlung der 1.953,29 Euro.
So sah das Amtsgericht den Sachverhalt
Das AG wies die Klage ab. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Abbuchungen nicht von der Klägerin autorisiert waren, sondern von Dritten getätigt wurden. Aufgrund der Beweisaufnahme war das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin die SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergegeben haben muss, weshalb ein Schadenersatzanspruch der Bank gegen die Klägerin in gleicher Höhe bestehe, mit dem die Bank aufgerechnet habe.
Das AG: Der Vortrag der Bank, dass diese in ihren Systemen feststellen konnte, dass das Mastercard 3D-Secure Verfahren per Banking App für die Kreditkarte der Klägerin am 6.1.2024 um 13:30 Uhr aktiviert wurde, und zur Aktivierung dieses Verfahrens auf dem neuen Gerät eine SMS-TAN an die im Vertrag hinterlegte Mobilfunknummer der Klägerin versandt wurde, wurde durch Inaugenscheinnahme des Mobiltelefons der Klägerin bestätigt. Dort befindet sich eine SMS vom 6.1.2024 13:29 Uhr mit dem Inhalt: „ … ist Ihre TAN für die Aktivierung von Mastercard Identity Check vom 6.1.2024 13:44 Uhr.“ Der Eingang der SMS um 13:29 Uhr war im eingesehenen Nachrichtenverlauf um 13:29 Uhr dokumentiert und wird auch durch das vorgelegte IT-Protokoll belegt. Der Vortrag der Klägerin, keine SMS-TAN erhalten zu haben und dass ihr Mobiltelefon nicht in die Freigabe involviert war, erwies sich damit als widerlegt.
SMS-Tan war unzweifelhaft eingegeben worden
Die Bank hat unbestritten vorgetragen, dass aufgrund der manuellen Eingabe einer an die Mobilfunknummer der Klägerin versandten SMS-Tan ein Fremdzugriff technisch ausgeschlossen ist. Es wurde ein neues Gerät im Online-Banking der Klägerin als Freigabeinstrument im Rahmen des 2-Faktor-Authentifizierungsverfahrens hinterlegt. Hierzu war – technisch zwingend – die Eingabe der SMS-Tan erforderlich. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Klägerin durch Preisgabe der SMS-Tan Dritten eine Registrierung eines Geräts ermöglicht hat, wobei die Preisgabe persönlicher Sicherheitsmerkmale an Dritte gemäß den vertraglichen Bestimmungen untersagt war.
Verhalten der Klägerin war grob fahrlässig
Das Verhalten der Klägerin bewertet das Gericht als grob fahrlässig. Es ist eine Sache, wenn man seine Kreditkartendaten offenbart. Diese werden bei jeder Verwendung offenbart und können auch von der Karte abgelesen werden.
Die Weitergabe eines im Rahmen einer Zwei-Faktor-Autorisierung erhaltenden Zugangscodes kann nicht damit gleichgesetzt werden. Mit dieser Weitergabe hilft der Nutzer, die Sicherheitsarchitektur grundlegend auszuhebeln. Es muss jedem verständigen Nutzer solcher Kreditkarten klar sein, welches Risiko er mit der Weitergabe derartiger Daten schafft. Die Klägerin mag dies nicht bewusst getan haben und es mag auch nicht erinnerlich sein. Indessen lässt sich der Vorgang plausibel nicht anders erklären.
Quelle | AG München, Urteil vom 8.1.2025, 271 C 16677/24, PM 14/25
| Nach den Vorgaben des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes (FKAustG) werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates automatisch ausgetauscht. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun die Staatenaustauschliste 2025 bekanntgegeben. Enthalten sind die Staaten, mit denen der automatische Datenaustausch zum 30.9.2025 erfolgt. Weitere Informationen zum Informationsaustausch erhalten Sie u. a. auf der Website des Bundeszentralamts für Steuern (abrufbar unter www.iww.de/s2991). |
Quelle | BMF-Schreiben vom 3.6.2025, IV D 3 - S1315/00304/070/025
| Die Vermietung von Zimmerkontingenten an eine Kommune zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter überschreitet nicht den Nutzungszweck eines zum Hotelbetrieb gepachteten Gebäudes. Dies gilt jedenfalls, solange hiermit keine übermäßige Abnutzung oder sonstige Beeinträchtigung für den Verpächter verbunden ist, die über die übliche Nutzung durch Hotelgäste hinausgeht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die auf Räumung und Herausgabe des Hotels gerichtete Klage der Verpächterin abgewiesen. |
War die Unterbringung Geflüchteter vertragswidrig?
Die Klägerin schloss 2016 mit der Beklagten einen Vertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb des „Hotel F.“ in Gießen. Die Sache durfte vertraglich nur zum vereinbarten Nutzungszweck gebraucht werden. Seit Herbst 2022 buchte das Jugendamt der Stadt Gießen regelmäßig Zimmer für in seiner Obhut stehende Jugendliche. Nach Abmahnung kündigte die Klägerin 2023 fristlos. Sie hält die Unterbringung unbegleiteter Jugendlicher für vertragswidrig. Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt.
In der Berufung wies das OLG die Klage ab. Der Vertrag zwischen den Parteien sei nicht wirksam fristlos gekündigt worden. Die Beklagte habe nicht die Rechte der Klägerin durch eine unbefugte Überlassung an Dritte in erheblichem Maße verletzt. Dem Betrieb eines Hotels sei es immanent, dass es zu Beherbungsverträgen mit Dritten komme. Davon umfasst sei auch, dass bei der Buchung von Zimmerkontingenten durch Firmen o. Ä. ein ganzes Hotel faktisch durch denselben Mieter belegt werde. Der Abschluss von zeitlich begrenzten und auf bestimmte Zimmer bezogenen Beherbungsverträgen mit der Stadt Gießen sei folglich nicht unbefugt gewesen. Die Grenze zur unzulässigen Gebrauchsüberlassung wäre nur überschritten, wenn die Stadt das gesamte Gebäude übernommen und zu einem Flüchtlingsheim umgebaut hätte.
Keine Gefährdung der Mietsache, keine Pflichtverletzung
Eine zur Kündigung berechtigende Gefährdung der Mietsache durch unbegleitete minderjährige Geflüchtete sei nicht erkennbar. Es liege keine Pflichtverletzung wegen Überschreitung des Vertragszwecks vor, die zur Kündigung berechtigte. Die zeitweilige Vermietung zum o. g. Zweck überschreite nicht den Vertragszweck. Die vertraglich vereinbarte Nutzungsart als Hotel sei durch das Angebot von individueller Unterkunft, Service, Verpflegung und Nebenleistungen gekennzeichnet. Aufenthaltsdauer, -zweck und Motive für die Anmietung der Zimmer stellten keine entscheidenden Kriterien für die Bewertung als Hotelbetrieb dar. Es bestehe kein Anspruch darauf, „dass die Vermietung nur an einen bestimmten Personenkreis erfolgen darf, solange keine Beeinträchtigungen der Räumlichkeiten vorliegen bzw. zu befürchten sind“, unterstrich das OLG und es sei auch nicht vorgetragen, dass „Geflüchtete die Zimmer intensiver und nachlässiger nutzten als dies bei einer „normalen“ Vermietung an Hotelgäste der Fall wäre“.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.2.2025, 2 U 63/24, PM 21/25
| Das Landgericht (LG) Hanau hat entschieden: Die Anforderung von Belegkopien der Betriebskostenabrechnung ist kein wirksames Einsichtnahmeersuchen, wenn die Einsicht beim Vermieter zumutbar ist. Hierfür kommt es auf die Entfernung zur Mietwohnung an und nicht auf den Ort, an den der Mieter nach Mietende verzogen ist. |
Muss Mieter Belege einsehen oder muss Vermieter sie zuschicken?
Nach Mietvertragsende verlangte der Mieter die geleistete Kaution zurück. Die dann noch erstellte Betriebskostenabrechnung wies eine Nachforderung auf, die der Vermieter mit der Kaution verrechnete. Der inzwischen über 120 km weit weggezogene Mieter widersprach der Abrechnung, forderte die Übersendung von Belegkopien, um die Abrechnung zu prüfen, und klagte auf Rückzahlung der gesamten Kaution. Er bringt vor, keine Kopien erhalten zu haben, zumal der Vermieter für eine Einsichtnahme bei diesem nun zu weit entfernt sei.
So sahen es die Gerichte
Das Amtsgericht (AG) hat die Klage in Höhe der verrechneten Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das LG entschied, dass die Einwände gegen die Abrechnung zu unkonkret waren, weil der Mieter die Belege nicht geprüft hat. Der Vermieter habe die Belegeinsicht auch nicht verweigert, weil der Mieter unzulässigerweise die Übersendung von Kopien verlangte. Da die Belegprüfung grundsätzlich beim Vermieter erfolgen muss, lag schon kein wirksames Einsichtnahmeersuchen vor.
Kein Ausnahmefall
Der Mieter könne auch nicht ausnahmsweise die Zusendung von Kopien fordern. Das sei zwar möglich, wenn der Vermieter zu weit entfernt ansässig ist. Hierfür komme es jedoch auf die Entfernung der Mietsache zu diesem an, wobei eine Anreise von Hanau nach Frankfurt zumutbar sei. Dass der Mieter nun über 120 km entfernt wohnt, liege hingegen in seinem Risikobereich und führe nicht zu einem Recht auf Übersendung von Kopien.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | LG Hanau, Beschluss vom 24.3.2025, 2 S 43/24, PM vom 8.5.2025
| Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg bestätigte die Vorinstanz: Der kulturelle und familiäre Wert einer Sammlung aus Gemälden und historischen Gegenständen ist höher zu setzen als das Interesse einzelner Familienmitglieder an der Verwertung der Gegenstände. Letzteres hatte ein Teil der Familie aufgrund interner Differenzen verlangt. |
Das war geschehen
Die Nachfahren einer Nürnberger Patrizierfamilie stritten in einem Zivilprozess um den Erhalt ihrer Familiensammlung – einer Sammlung von Gemälden und historischen Gegenständen, die über Jahrzehnte als ungeteiltes Familienvermögen innerhalb der Familie über die Erbfolge weitergegeben wurde. Ein Teil der Familie begehrte den Pfandverkauf der historischen Sammlungsgegenstände, die teils in privater Nutzung sind, teils im Germanischen Nationalmuseum verwahrt werden, um die Erben- und Bruchteilsgemeinschaft auseinanderzusetzen. Die beklagten Familienmitglieder widersetzten sich dem und beriefen sich auf ein in einem Familienvertrag aus dem Jahr 1936 festgelegtes immerwährendes Teilungsverbot für das verfahrensgegenständliche Familienvermögen. Die Kläger verwiesen auf eine spätere Aufhebung sowie Nichtigkeit dieses Familienvertrags, denn dessen Regelungen sahen unter anderem die Weitergabe der Familiensammlung nur an männliche Nachkommen vor.
So sah es die erste Instanz
Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth hatte in erster Instanz die Klage abgewiesen. Es sah die Aufhebung des Familienvertrags nicht durch die vorhandenen Protokolle der Familienversammlungen belegt und erachtete das von der Familie im Jahr 1936 in Bezug auf die Familiensammlung vereinbarte dauerhafte Teilungsverbot als wirksam und fortbestehend an. Die Klagepartei habe auch keine Umstände vorgebracht, die als wichtiger Grund eine Aufhebung der Gemeinschaft rechtfertigen könne. Die im Verfahren vorgetragenen innerfamiliären Differenzen reichten hierfür nicht aus.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Hiergegen legte ein Familienmitglied der unterlegenen Klageseite Berufung zum OLG ein. Dieses hat das Ersturteil bestätigt und die zur Begründung des Aufhebungsanspruchs vorgebrachten Gründe und Einwendungen der Berufung für nicht durchgreifend erachtet. Wie das Erstgericht bewerte der Senat die erbrechtliche Regelung im Familienvertrag zum Ausschluss der weiblichen Nachkommen als nichtig, was aber die Wirksamkeit des dauerhaften Teilungsverbots nicht berühre. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kam das OLG zu dem Ergebnis, dass das beklagtenseits eingewandte familiäre als auch öffentliche Interesse am Erhalt der Gesamtheit der Sammlung als Kulturgut dem klägerischen Interesse an einer Aufhebung der Gemeinschaft und an einer damit verbundenen Zerschlagung der Sammlung überwiege.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 28.2.2025, 1 U 2451/23 Erb, PM 12/25
| Bauarbeiter, die auf Baustellen einfache Arbeiten verrichten, einen festen Stundenlohn erhalten und am Markt nicht erkennbar unternehmerisch auftreten, sind regelmäßig abhängig Beschäftigte, für die die Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen. Dies entschied in drei Urteilen das Hessische Landessozialgericht (LSG). |
Baufirmen müssenSozialversicherungsbeiträge nachzahlen
Die Deutsche Rentenversicherung entschied in mehreren Fällen, dass Bauarbeiter abhängig beschäftigt sind. In zwei Fällen forderte sie nach entsprechenden Betriebsprüfungen von den im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge in fünfstelliger Höhe. In einem weiteren Verfahren hatte sie zunächst über den Antrag auf Statusfeststellung zu entscheiden.
Weder schriftliche Verträge noch eigene Werkzeuge
In diesen Fällen hatten angeblich selbstständige Werkunternehmer auf Baustellen der jeweils klagenden Baufirma gearbeitet. Bei diesen Bauarbeitern handelte es sich um ausländische Staatsangehörige mit allenfalls geringen Deutschkenntnissen. Sie erledigten Abbrucharbeiten, Maurertätigkeiten und Pflasterarbeiten, sanierten Bäder oder arbeiteten im Trockenbau. Schriftliche Verträge oder Auftragsbestätigungen gab es nicht. Die Abrechnungen erfolgten auf Basis der aufgeschriebenen Stunden bei einem Stundenlohn zwischen 10 und 15 Euro. Die Materialien und Werkzeuge wurden bis auf Kleinwerkzeuge von den jeweiligen Baufirmen gestellt.
Scheinselbstständige statt Werkunternehmer
Das LSG folgte der Einschätzung der Rentenversicherung. In allen drei Verfahren liege Scheinselbständigkeit vor.
Bei einfachen, typischen Arbeitnehmerverrichtungen, die der Beschäftigte im Wesentlichen ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübe, spreche die Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis. Die betroffenen Bauarbeiter seien jeweils in den Betrieb der klagenden Baufirma eingegliedert gewesen und hätten einfache Bauarbeiten getätigt, wie sie typischerweise abhängig Beschäftigte verrichteten.
Kein unternehmerisches Auftreten
Werkvertragstypische Vereinbarungen einer unternehmerischen Leistung hätten nicht festgestellt werden können. Zudem seien die angeblichen „Werkunternehmer“ schon aufgrund ihrer geringen Deutschkenntnisse zu einem unternehmerischen Auftreten am Markt nicht in der Lage gewesen.
Zwischen den Baufirmen und den Bauarbeitern getroffene Vereinbarungen über eine (angeblich) selbstständige Tätigkeit seien nicht relevant und könnten die gesetzlich angeordnete Sozialversicherungspflicht nicht ausschließen.
Quelle | Hessisches LSG, Urteil vom 3.4.2025, L 8 BA 4/22, L 8 BA 62/22 und L 8 BA 64/21, PM vom 3.4.2025
| Wandhängende WCs und Handtuchheizkörper in Standardausführung sowie Balkone in der Größe von vier qm sind in Milieuschutzgebieten genehmigungsfähig, weil sie der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dienen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden. |
Bauliche Änderungen nicht ohne Genehmigung
Die Klägerinnen sind jeweils Eigentümerinnen von Wohngebäuden in Milieuschutzgebieten in Berlin-Mitte. Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen soziale Erhaltungsverordnungen (umgangssprachlich Milieuschutzverordnungen) gelten. Sie sollen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im jeweiligen Gebiet schützen. Bauliche Änderungen bedürfen in Milieuschutzgebieten grundsätzlich einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Den Erlass von Milieuschutzverordnungen erlaubt ein Bundesgesetz, nämlich das Baugesetzbuch. In Berlin sind dafür die Bezirke zuständig. Aktuell gelten in Berlin über 40 Milieuschutzverordnungen.
Eine Klägerin möchte im Badezimmer einer Wohnung ein Stand-WC durch ein wandhängendes WC ersetzen sowie einen Handtuchheizkörper einbauen. Eine weitere Klägerin begehrt den Anbau von dreizehn Balkonen in der Größe von jeweils vier qm an die Wohnungen ihres Mehrfamilienhauses. Die Maßnahmen stellen nach Ansicht der Klägerinnen einen zeitgemäßen Ausstattungszustand ihrer Wohnungen dar. Das Bezirksamt versagte den Klägerinnen die erhaltungsrechtlichen Genehmigungen. Die Vorhaben gingen über einen zeitgemäßen Ausstattungszustand hinaus und seien als wohnwerterhöhende bauliche Änderungen im Milieuschutzgebiet nicht zulässig.
Genehmigungen sind zu erteilen
Das VG gab den dagegen erhobenen Klagen statt und verpflichtete das Bezirksamt, die Genehmigungen zu erteilen. Der Gesetzgeber habe im Baugesetzbuch geregelt, dass eine erhaltungsrechtliche Genehmigung zu erteilen sei, wenn die bauliche Maßnahme der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen diene.
Mittlerer Standard nicht wohnwerterhöhend
Der Gesetzgeber habe den Genehmigungsanspruch auch nicht auf bauliche Maßnahmen beschränkt, die der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dienten. Vielmehr habe er zugelassen, dass darüber hinaus auch in Milieuschutzgebieten eine behutsame Anhebung des Ausstattungszustands auf den Standard mittlerer Wohnverhältnisse erfolgen könne. Daran sei ein bundeseinheitlicher Maßstab anzulegen. Bei wandhängenden WCs und Handtuchheizkörpern in einer Standardausführung sowie bei vier qm großen Balkonen werde dieser Standard nicht überschritten. Dafür sprächen unter anderem die Verbreitung dieser Ausstattungsmerkmale bundesweit sowie der Umstand, dass die Mietspiegel der größeren deutschen Städte sie überwiegend nicht als wohnwerterhöhend einstuften.
Quelle | VG Berlin, Urteile vom 2.4.2025, VG 19 K 17/22 und VG 19 K 351/23, PM 24/25
| Trotz erfolgreich absolviertem ersten juristischen Staatsexamen hat ein Antragsteller, der erwiesenermaßen die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft, keinen Anspruch darauf, den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) zu durchlaufen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz. |
Fehlende Verfassungstreue
Der Antragsteller wollte nach erfolgreichem Jurastudium als Rechtsreferendar in den juristischen Vorbereitungsdienst eintreten. Dies lehnte das Oberlandesgericht (OLG) wegen fehlender Verfassungstreue des Antragstellers ab. Dieser suchte daraufhin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um gerichtlichen Rechtsschutz mit dem Ziel nach, ihn im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses einzustellen.
Eindeutige Publikationen
Der Antrag blieb ohne Erfolg. Dem Antragsteller, so das VG, fehle der notwendige sog. Anordnungsanspruch. Aus den einschlägigen Vorschriften des Landesgesetzes über die juristische Ausbildung sowie des Landesbeamtengesetzes folge, dass die juristische Ausbildung am Leitbild einer dem Rechtsstaat verpflichteten Person zu orientieren sei. Rechtsreferendare müssten sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Der Antragsteller werde dem nicht gerecht, wie von ihm verfasste und publizierte Texte belegten.
In einem von ihm geschriebenen Roman würden beispielsweise schwarze Menschen durch die Verwendung menschenverachtender Bezeichnungen pauschal herabgewürdigt. Es werde hierin behauptet, ein – namentlich genannter – österreichischer Fußballspieler, der dunkelhäutig sei, könne kein Deutscher oder Österreicher sein. In einem anderen Text attestierte er dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Demontage des Volksbegriffs. Der von dem Antragsteller vertretene Volksbegriff mit der Forderung nach einer „positiven Erneuerung Deutschlands“ könne nur als Forderung nach einer Umkehrung eines vermeintlichen „Bevölkerungsaustauschs“ verstanden werden. Zudem sei der Antragsteller Mitglied bei der „Jungen Alternative für Deutschland“ und dem Verein „Ein Prozent e. V.“ gewesen. Er habe in beiden Organisationen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Frühjahr 2023 als gesichert rechtsextremistisch einstufe, zumindest zeitweise herausgehobene Funktionen übernommen.
Die Entscheidung ist bestandskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 9.5.2025, 5 L 416/25.KO, PM 14/25
| Eine Tätowierung ist heute typischer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Während sichtbare Tattoos im Arbeitsleben immer normaler werden, stellt sich damit aber zunehmend die Frage, wer eigentlich das finanzielle Risiko trägt, wenn beim Stechen des Tattoos nicht alles glatt verläuft. Dazu liegt nun eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vor: Wer sich tätowieren lässt, erhält bei Komplikationen keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das LAG bestätigt damit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Flensburg. |
Pflegekraft ließ sich tätowieren
Die als Pflegehilfskraft beschäftigte Klägerin ließ sich am Unterarm tätowieren. In der Folge entzündete sich die tätowierte Stelle. Die Klägerin wurde daraufhin für mehrere Tage krankgeschrieben. Die beklagte Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum ab.
Die Klägerin führte vor Gericht aus, dass sie ja nicht Entgeltfortzahlung für den Tätowierungsvorgang geltend mache, sondern für eine davon zu trennende zeitlich nachfolgende Entzündung der Haut. Ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen. Es habe sich ein sehr geringes Risiko verwirklicht, das nur bei ein bis fünf Prozent der Fälle von Tätowierungen auftrete. Tätowierungen seien als Teil der privaten Lebensführung geschützt und mittlerweile weit verbreitet.
Die Arbeitgeberin entgegnete, die Klägerin habe bei der Tätowierung in eine Körperverletzung eingewilligt. Das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre deshalb nicht zum normalen Krankheitsrisiko und könne dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden.
Arbeitsunfähigkeit verschuldet
Das LAG ist der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Diese war zwar arbeitsunfähig krank. Sie hat die Arbeitsunfähigkeit aber verschuldet. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz handelt ein Arbeitnehmer immer schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt.
Die Klägerin musste bei der Tätowierung damit rechnen, dass sich ihr Unterarm entzündet. Dieses Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen ihr eigenes Gesundheitsinteresse dar. Sie hat selbst vorgetragen, in bis zu 5 % der Fälle komme es nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut. Dies ist keine völlig fernliegende Komplikation. Bei Medikamenten wird eine Nebenwirkung als „häufig“ angegeben, wenn diese in mehr als einem, aber weniger als zehn Prozent der Fälle auftritt. Zudem ist die Komplikation in der Hautverletzung durch die Tätowierung selbst angelegt.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.5.2025, 5 Sa 284 a/24, PM vom 2.7.2025
| Wenn ein Arbeitnehmer sich beim Kaffeetrinken verschluckt und infolgedessen stürzt, kann das im Einzelfall einen Arbeitsunfall darstellen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden. |
Nasenbeinbruch während morgendlicher Besprechung
Der Kläger war als Vorarbeiter auf einer Baustellebeschäftigt. Beim Kaffeetrinken während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer verschluckte er sich, ging hustend zur Tür, um sich draußen auszuhusten, verlor kurz das Bewusstsein und stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter. Dabei brach er sich das Nasenbein.
Berufsgenossenschaft und Sozialgericht: kein Arbeitsunfall
Das sei kein Arbeitsunfall, befand die zuständige Berufsgenossenschaft, denn das Kaffeetrinken habe keinen betrieblichen Zwecken gedient. Es sei vielmehr dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen. So sah es auch das Sozialgericht (SG), das in erster Instanz über den Fall entschieden hatte.
Landessozialgericht: auch Nahrungsaufnahme geschützt
Zu Unrecht, befand nun das LSG. Zwar erstrecke sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit damit ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird. Im vorliegenden Fall sei das Kaffeetrinken aber nicht auf das Grundbedürfnis des Durstlöschens gerichtet gewesen, sondern habe (auch) betrieblichen Zwecken gedient. Der gemeinsame Kaffeegenuss während der verpflichtend vorgeschriebenen Besprechung habe eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft bewirkt.
Arbeitgeber stellte den Kaffee zur Verfügung
Zudem habe der Kaffee für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesorgt. Das sei auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, der sich teilweise selbst um das Auffüllen der Kaffeevorräte gekümmert habe. Deshalb sei der Fall auch anders zu beurteilen, als wenn sich ein Arbeitnehmer z. B. in der Frühstückspause an einem Kaffee verschluckt, den er selbst in der Thermoskanne mitgebracht hat.
Quelle | LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.5.2025, L 6 U 45/23, PM 2/25
| Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Hostprovider – hier Meta – muss nach einem Hinweis auf einen rechtsverletzenden Post auf der Social-Media-Plattform Facebook auch ohne weitere Hinweise sinngleiche Inhalte sperren. Sinngleich sind etwa Beiträge mit identischem Text und Bild, aber abweichender Gestaltung (Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung), bloßer Änderung typografischer Zeichen oder Hinzufügung von Elementen, etwa sog. Captions, die den Aussagegehalt nicht verändern. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Arzt und bewarb in der Vergangenheit u. a. die sog. „Hirschhausen Diät“. Der Kläger wies die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach auf sog. Fake-Werbe-Videos hin, in denen er vermeintlich u. a. für Abnehmmittel werbe.
Gegenstand dieses Eilverfahrens sind zwei weitere solcher Deep-Fake Videos: Nutzer haben zum einen ein Video unter Verwendung eines Ausschnitts aus der Sendung von Markus Lanz hergestellt, in denen der Name, das Bildnis und die Stimme des Klägers verwendet werden und in dem dieser vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme wirbt. Dieses Video entfernte die Beklagte zeitnah nach Abmahnung durch den Kläger. In einem nachfolgend erschienenen, nahezu inhaltsgleichen weiteren Deep-Fake Video warb der Kläger ebenfalls vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme. Dieses Video entfernte die Beklagte ebenfalls – erst – nach entsprechendem Hinweis durch den Kläger. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassen der Verbreitung dieser beiden Videos in Anspruch. Das Landgericht (LG) hat den Antrag zurückgewiesen.
So sah es das Oberlandesgericht
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hatte teilweise Erfolg. Hinsichtlich des ersten Videos bestehe kein Unterlassungsanspruch, entschied das OLG. Die Beklagte sei als Hostproviderin grundsätzlich nicht verpflichtet, von den Nutzern ins Netz gestellte Beiträge vor ihrer Veröffentlichung auf etwaige Rechtsverletzungen hin zu prüfen. Ihre Haftung setze die Verletzung von Prüf- und Verhaltenspflichten voraus. Vor der Abmahnung des Klägers betreffend das erste Video sei die Beklagte nicht zur Löschung verpflichtet gewesen. Eine Löschpflicht habe sich insbesondere nicht aus den vorausgegangenen Hinweisen des Klägers auf andere, nicht sinngleiche sog. Fake-Werbungen ergeben. Grundsätzlich lösten derartige Hinweise nur Prüfpflichten hinsichtlich „sinngleicher Inhalte“ aus. Darunter fielen Inhalte, die in Bild und Text identisch, aber bei gleichbleibendem Gesamteindruck etwa abweichend gestaltet seien. Dies könne sich etwa auf die Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung mit Rahmen oder Zufügung sog. Caption beziehen. Die vorausgegangenen Hinweise des Klägers hätten sich hier jedoch auf in Bild und Text abweichende Inhalte bezogen.
Prüfplicht des Providers bestand
Hinsichtlich des zweiten Videos habe die Beklagte dagegen schon aufgrund der Abmahnung des Klägers hinsichtlich des ersten Videos eine Prüfpflicht getroffen. Es habe keiner weiteren Abmahnung bedurft. Das zweite Video unterscheide sich allenfalls marginal vom ersten. Nach dem Eindruck des OLG wirkten die Videos – bei voneinander abweichender Überschrift – nahezu identisch. Es lägen damit sinngleiche Inhalte vor. Da die Beklagte das zweite Video nicht bereits ohne weitere Abmahnung gesperrt habe, habe sie gegen ihre Prüfpflichten verstoßen. Im Ergebnis bestehe daher ein Unterlassungsanspruch.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nich tanfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.3.2025, 16 W 10/25, PM 14/25
| Zahlreiche Betriebsprüfungen zeigen, dass die Kassenführung oft beanstandet wird. Das Problem dabei: Ist die Kassenführung nicht ordnungsmäßig, drohen erhebliche Hinzuschätzungen. So war es auch in einem Fall, der vom Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein zu entscheiden war. |
Im Streitfall hatte bei einem bargeldintensiven Imbiss mit Sitzgelegenheiten eine Betriebsprüfung stattgefunden. Der Betreiberin, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte, wurden dabei zahlreiche Mängel in der Kassenführung vorgeworfen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem FG blieb erfolglos.
Beachten Sie | Allerdings ist inzwischen die Revision anhängig, in der insbesondere diese interessanten Fragen zu klären sind:
- Ist bei bestehenden Zweifeln im Hinblick auf den Programmierzustand und das Vorhandensein von Manipulationsspuren an der Registrierkasse vom FG ein Sachverständigengutachten einzuholen?
- Rechtfertigen fehlende Programmierprotokolle für die verwendete Kasse eine Schätzung dem Grunde nach?
- Ergibt sich aus einer angeblichen Abweichung von der Richtsatzsammlung eine Schätzungsbefugnis?
Quelle | FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.8.2023, 3 K 25/22, Rev. BFH, X R 27/24
| Hat eine Gesellschaft ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr, ist für die Berechnung der Steuerermäßigung gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 EStG) nicht auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums abzustellen, sondern auf das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahrs. Für die Aufteilung des Steuerermäßigungsbetrags sind der Gewerbesteuer-Messbetrag und die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des Wirtschaftsjahrs an der Gesellschaft beteiligt waren. So lautet ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Hintergrund: Unter den Voraussetzungen des § 35 EStG wirddie Gewerbesteuerbelastung kompensiert, indem die tarifliche Einkommensteuer um das Vierfache des festgesetzten Steuermessbetrags gemindert wird.
Quelle | BFH, Urteil vom 10.4.2025, IV R 21/22
| Mit Wirkung ab 1.6.2025 wurden die Gebühren für Eintragungen im Handelsregister um 50 Prozent erhöht. Demzufolge werden auch Unternehmensgründungen teurer. |
In der Begründung der Verordnung wird hierzu u. a. ausgeführt: „Die daraus insgesamt resultierenden Gebühreneinnahmen sollen dazu dienen, den Aufwand der Länder für den Betrieb der Registergerichte weitgehend zu decken, damit die Gerichte den Anforderungen an eine moderne, effiziente und sichere Registerführung auch künftig gerecht werden können.“
Quelle | Dritte Verordnung zur Änderung der Handelsregistergebührenverordnung, BGBl I 2025, Nr. 127
| Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft wird nur bereit sein, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung einer Eigentumswohnung zu (privaten) Wohnzwecken (also im privaten Interesse) eines Gesellschafters zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe erstattet werden und sie zudem einen angemessenen Gewinnaufschlag erhält. Vor diesem Hintergrund hat es das Finanzgericht (FG) Niedersachsen im Streitfall als rechtmäßig beurteilt, dass das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) angesetzt hat. |
Zum Hintergrund: Bei einer vGA handelt es sich – vereinfacht – um Vermögensvorteile, die dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gewährt werden. Eine vGA darf den Gewinn der Gesellschaft nicht mindern.
Im Anschluss an ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahr 2016 führte das FG weiter aus: Eine Vermietung zu marktüblichen, aber nicht kostendeckenden Bedingungen würde ein gewissenhafter Geschäftsführer (ausnahmsweise) in Betracht ziehen, wenn er bezogen auf den jeweils zu beurteilenden Veranlagungszeitraum bereits von der Erzielbarkeit einer angemessenen Rendite ausgehen kann.
Beachten Sie | Die danach für den Fremdvergleich maßgebliche Kostenmiete ist auch dann als Maßstab heranzuziehen, wenn der Gegenstand des Unternehmens der Kapitalgesellschaft auch neben der an die Gesellschafterin vermieteten Wohnung in der Vermietung von Immobilien besteht.
Gegen das Urteil ist die Revision anhängig. Gleichwohl sollte in vergleichbaren Fällen eine vGA bedacht werden. Es empfiehlt sich, Mietverträge zu prüfen und ggf. anzupassen.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 15.8.2024, 10 K 255/21, Rev. BFH, I R 21/24
| Ein Freiwilliger Wehrdienst kann bei einem volljährigen Kind für sich genommen keinen Kindergeldanspruch begründen. Gleichwohl kann während der Zeit des Wehrdienstes ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, wenn das Kind einen der gesetzlichen Berücksichtigungstatbestände erfüllt, also z. B. während des Wehrdienstes für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dabei ist es unschädlich, wenn das Kind nach Abschluss der Grundausbildung im Rahmen des Freiwilligen Wehrdienstes Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad ausübt. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Das war geschehen
Der Sohn absolvierte nach seinem Abitur einen zehn Monate dauernden Freiwilligen Wehrdienst. Die Familienkasse bewilligte dem Vater für die Übergangszeit zwischen Abitur und Grundausbildung sowie für die Zeit der Grundausbildung Kindergeld. Nach der Grundausbildung verrichtete der Sohn Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad, eine weitere Ausbildung bei der Bundeswehr fand nicht statt. Nach dem Ende des Wehrdienstes studierte er an einer zivilen Hochschule. Den Entschluss dazu hatte er während des Wehrdienstes gefasst.
Die Familienkasse versagte für die Zeit nach Beendigung der Grundausbildung bis zum Beginn des Studiums die Festsetzung von Kindergeld. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Vater Klage vor dem Finanzgericht (FG) Bremen. Da das FG die Revision zugelassen hatte und diese auch eingelegt wurde, musste nun der BFH entscheiden.
Beachten Sie | Der Freiwillige Wehrdienst gehört – anders als ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr – nicht zu den im Einkommensteuergesetz (hier: § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG) genannten Berücksichtigungstatbeständen, die schon für sich genommen einen Kindergeldanspruch begründen können.
Bundesfinanzhof: Kindergeldanspruch bestand
Dennoch entschied der BFH, dass auch nach dem Ende der Grundausbildung und trotz einer Erwerbstätigkeit des Kindes als Soldat mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden ein Kindergeldanspruch bestehen kann, wenn das Kind (wie im Streitfall) eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.
Beachten Sie | Die drei Monate dauernde Grundausbildung war zwar Teil einer Ausbildung zum Offizier oder Unteroffizier. Ihre Beendigung führte jedoch nicht zu einem für den weiteren Kindergeldbezug ggf. schädlichen Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung (i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG).
Es kam auf den Zeitpunkt des Entschlusses an
Für einen Monat wies der BFH die Revision jedoch zurück, weil sich der Entschluss des Sohnes, sich um einen Studienplatz zu bemühen, erst im Folgemonat objektiviert hatte. Der bloße Vortrag des Kindergeldberechtigten und des Kindes, der Entschluss zu einer Ausbildung oder zu einem Studium sei früher gefasst worden, ist für die Begründung des Anspruchs nicht ausreichend.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.2.2025, III R 43/22, PM 28/2025 vom 2.5.2025
| Ab Mai 2025 setzen vier Pilotfinanzämter (Brühl, Bielefeld-Außenstadt, Hamm und Lübbecke) des Landes Nordrhein-Westfalen erstmals ein KI-Modul zur Unterstützung der Steuerveranlagung ein. Das Ziel: Steuererklärungen sollen effizienter, schneller und treffsicherer bearbeitet werden.
Das neue KI-Modul ergänzt das bewährte Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung. Es erkennt Muster in den Steuerdaten und kann gut nachvollziehbare Fälle mit geringem Prüfbedarf gezielt identifizieren. Diese werden automatisiert verarbeitet – und damit schneller abgeschlossen.
Gestartet wird mit Arbeitnehmerfällen (also Steuererklärungen mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalerträgen, Vorsorgeaufwendungen, Sonderausgaben, haushaltsnahen Dienstleistungen und ähnlichen Bereichen). Die Ausweitung auf weitere Fallkonstellationen ist bereits in Planung.
Nordrhein-Westfalen übernimmt die Vorreiterrolle. Nach erfolgreichem Testlauf ist die landesweite Einführung geplant.
Quelle | FinMin NRW, Mitteilung vom 22.4.2025
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der auf Dienstreisen seinen privaten Pkw einsetzt, die tatsächlichen Kosten für jeden gefahrenen Kilometer auch dann ansetzen kann (im Streitfall: 2,28 Euro/km für einen Sportwagen), wenn er von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt bekommt, den er grundsätzlich für dienstliche und private Fahrten nutzen kann. |
Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall jedoch den Nachweis erbringen, dass er das Privatfahrzeug tatsächlich beruflich eingesetzt hat. Eine Angemessenheitsprüfung dem Grunde nach (hier: berufliche Nutzung eines privaten Fahrzeugs durch einen Arbeitnehmer, dem von seinem Arbeitgeber ein Geschäftsfahrzeug überlassen wurde) findet nicht statt.
Beachten Sie | Das Finanzamt will diese Entscheidung aber nicht akzeptieren und hat Revision eingelegt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.9.2024, 9 K 183/23, Rev. BFH: VI R 30/24
| Kinderbetreuungskosten sind als Sonderausgaben abzugsfähig. Bei Aufwendungen für Unterricht, für die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen ist ein Sonderausgabenabzug allerdings gesetzlich ausgeschlossen. Mit dem Abzugsverbot hat sich nun der Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt. |
Hintergrund: Kinderbetreuungskosten können nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) als Sonderausgaben steuerlich absetzbar sein. Folgende Aspekte sind hier zu beachten:
- Abzug von 80 % der Betreuungsleistungen, maximal 4.800 Euro pro Jahr.
- Der Abzug ist zulässig für haushaltszugehörige Kinder unter 14 Jahren (oder aufgrund Behinderung, Eintritt vor dem 25. Lebensjahr, Übergangsregel 27. Lebensjahr).
- Grundsätzlicherforderlich: Rechnung und Überweisung.
- Nichtabziehbar: Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen.
Betreuungscharakter muss im Vordergrund stehen
Nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen vor, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbstständigten Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichts- oder Kurszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen (sprachlichen, musischen, sportlichen) Fähigkeiten in den Hintergrund rückt.
Nicht begünstigteAufwendungen
Entsprechendes gilt für sportliche und andere Freizeitbetätigungen. Nicht begünstigte Aufwendungen für derartige Aktivitäten liegen daher vor, wenn
- die Betätigung organisatorisch, zeitlich und räumlich getrennt von einer Kindertagesstätte, einem Schulhort oder einer ähnlichen Einrichtung stattfindet und
- dabei nicht die altersbedingt erforderliche Betreuung des Kindes, sondern die Aktivität im Vordergrund steht.
Quelle | BFH, Urteil vom 23.1.2025, III R 33/24 (III R 50/17)
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen hat die Stadt Marburg dazu verpflichtet, einer Studentin einen Bewohnerparkausweis zu erteilen, die ein in Tschechien zugelassenes Fahrzeug nutzt. |
Kfz in Tschechien zugelassen
Die Klägerin wohnt in einem Bewohnerparkgebiet der Beklagten. Sie nutzt ein Kraftfahrzeug ihres Vaters, der tschechischer Staatsangehöriger ist und das Fahrzeug in Tschechien zugelassen hat. Im Frühjahr 2024 beantragte sie bei der Stadt Marburg, ihr einen Bewohnerparkausweises zu erteilen. Dies lehnte die Stadt mit der Begründung ab, dass sie Bewohnerparkausweise für Fahrzeuge mit ausländischer Zulassung nicht erteilen könne. Im Rahmen des Klageverfahrens argumentierte die Stadt weiter, dass eine ausländische Zulassung gegen eine dauerhafte Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin spreche, weil ein im Ausland zugelassenes Kraftfahrzeug nur vorübergehend am Verkehr in Deutschland teilnehmen dürfe.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG bejahte hingegen den Anspruch der Studentin auf einen Bewohnerparkausweis. Bei der Klägerin handele es sich um eine Anwohnerin, die das betroffene Fahrzeug nachweislich dauerhaft nutze.
Gegen eine dauerhafte Nutzung spreche insbesondere nicht, dass Kraftfahrzeuge mit ausländischer Zulassung nur vorübergehend am Straßenverkehr in Deutschland teilnehmen dürfen. Es sei bereits nicht klar, ob das von der Klägerin genutzte Fahrzeug diese Voraussetzungen erfülle. Die Klägerin gab nämlich an, dass sie das Fahrzeug während der Semesterferien nicht in Deutschland nutze. Diese Prüfung obliege der Zulassungsbehörde, die je nach Einzelfall eine Untersagung des Betriebs im öffentlichen Straßenverkehr ohne deutsche Zulassung aussprechen könne.
Die Versagung eines Bewohnerparkausweises für im Ausland zugelassene Fahrzeuge entspreche nicht dem Zweck der Vorschriften. Ein Bewohnerparkgebiet diene dem Anwohnerinteresse, in innerstädtischen Wohnstraßen eine Abstellmöglichkeit für ein (dauerhaft) genutztes Kraftfahrzeug zu finden.
Quelle | VG Gießen, Urteil vom 13.11.2024, 6 K 2830/24.GI, PM vom 19.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Ein zur Nichtigkeit der entsprechenden Vereinbarung führender Verstoß gegen den im Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 656 d BGB) geregelten Grundsatz der hälftigen Teilung des Maklerlohns liegt vor, wenn ein Makler allein für den Verkäufer einer Immobilie tätig geworden ist und der Käufer zur Zahlung des vollen Honorars an den Makler verpflichtet wird. |
Das war geschehen
Die Kläger erwarben ein mit einer Doppelhaushälfte bebautesGrundstück. Mit der Vermittlung des Verkaufs hatte die Verkäuferin das beklagte Maklerunternehmen beauftragt. Für die Vermittlung der Immobilie entstand zugunsten der Beklagten gegenüber der Verkäuferin ein Maklerlohnanspruch in Höhe von 25.000 Euro. Der im Exposé zunächst vorgesehene Kaufpreis wurde um einen Betrag in dieser Höhe reduziert. Zugleich verpflichteten sich die Kläger gegenüber der Beklagten zur Zahlung eines Honorars in gleicher Höhe, das sie nach notarieller Beurkundung des Kaufvertrags bezahlten. Eine Maklerlohnzahlung durch die Verkäuferin erfolgte nicht. Die Kläger verlangten die Rückzahlung des geleisteten Betrags.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: § 656 d BGB ist nicht nur auf Vereinbarungen der Parteien des Kaufvertrags über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus untereinander anwendbar, sondern erfasst jegliche Art einer vertraglichen Vereinbarung, durch die unmittelbar oder mittelbar ein Anspruch des Maklers auf Zahlung oder Erstattung von Maklerlohn gegenüber der Partei des Kaufvertrags begründet wird, die nicht Partei des Maklervertrags ist. Umfasst sind daher auch alle auf eine Verpflichtung zur Zahlung oder Erstattung des Maklerlohns gerichteten Vereinbarungen des Maklers mit der Partei des Kaufvertrags, die nicht Partei des Maklervertrags ist.
Der Anwendbarkeit des § 656 d BGB steht es deshalb auch nicht entgegen, dass die Verkäuferin der Immobilie von der Pflicht, den vereinbarten Maklerlohn zu entrichten, gegenüber der Beklagten nicht entbunden war. Da die Käufer im Innenverhältnis zur Verkäuferin verpflichtet waren, den Maklerlohn in voller Höhe zu bezahlen, blieb die Verkäuferin als die Partei, die den Maklervertrag abgeschlossen hat, nicht zur Zahlung des Maklerlohns mindestens in gleicher Höhe verpflichtet.
Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung
Der Verstoß gegen § 656 d BGB führt zur Gesamtnichtigkeit einer entsprechenden Vereinbarung. Die Kläger können von der Beklagten die Rückzahlung des Maklerlohns in voller Höhe verlangen.
Quelle | BGH, Urteil vom 6.3.2025, I ZR 138/24, PM 45/25
| Eine 77-jährige Frau, die über einer Supermarktfiliale wohnt, tätigte dort ihre Einkäufe bis zu einem Hausverbot Anfang des Jahres 2024 durch die Filialleitung. Sie behauptet, das Hausverbot sei nach einer Beschwerde ihrerseits ohne ersichtlichen Grund erteilt worden. Sie sei gesundheitlich stark eingeschränkt und nicht in der Lage, längere Strecken zurückzulegen und daher auf die Filiale angewiesen. Ohne ein Betreten des Supermarkts sei ihr eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verwehrt. Das Amtsgericht (AG) München wies ihre Klage ab. |
Wiederholtes Fehlverhalten
Die Filialleitung begründete das Hausverbot mit wiederholtem Fehlverhalten. Die Münchnerin habe Kunden beim Betreten des Markts von ihrer Wohnung aus beschimpft, habe das Geschäft regelmäßig ohne Einkaufsabsicht aufgesucht, Mitarbeiter in Gespräche verwickelt und diese von der Arbeit abgehalten. Sie habe sich zudem immer wieder an der Frischetheke des Markts Ware aufschneiden lassen und diese dann, anstatt zu kaufen, im Laden abgelegt.
Da der Supermarkt sich weigerte, das Hausverbot zurückzunehmen, verklagte sie den Betreiber vor dem AG auf Gewährung des Zutritts zum Supermarkt – ohne Erfolg.
Hausrecht deckt Hausverbot
Der Beklagte ist als Betreiber des Supermarkts aufgrund seines Hausrechts grundsätzlich berechtigt, Kunden selbst ohne sachlichen Grund ein Hausverbot zu erteilen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein Fehlverhalten der Klägerin vorlag.
Dem Betreiber einer Einrichtung, die erhebliche Bedeutung für das gesellschaftliche und kulturelle Leben hat, wird eine besondere rechtliche Verantwortung zugewiesen, die es ihm verbietet, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund auszuschließen. Entgegen der Auffassung der Klägerin entscheidet die Verweigerung des Zutritts für sie nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Ein Supermarkt dient der Daseinsvorsorge in Form von Einkäufen des täglichen Bedarfs, insbesondere an Lebensmitteln, nicht der sozialen Interaktion oder des kulturellen Austauschs.
Klägerin konnte auf konkurrierenden Supermarkt ausweichen
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Monopolstellung oder sonstige strukturelle Überlegenheit des Beklagten vorliegt, die dazu führt, dass bestimmte Personen nicht ohne sachlichen Grund ausgeschlossen werden könnten. Eine solche Monopolstellung des Markts des Beklagten für die tägliche Daseinsvorsorge ist im konkreten Fall nicht gegeben. Der Beklagte hat unbestritten ausgeführt, dass in fußläufiger Entfernung (ab 500 Metern) weitere Supermärkte vorhanden sind, die somit auch für betagtere Kunden problemlos zu erreichen sind.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 11.10.2024, 142 C 18533/24, PM 12/25
| Legt beim Gebrauchtwagenkauf der Verkäufer den Fahrzeugbrief vor, kann sich der Käufer normalerweise darauf verlassen, dass er es auch tatsächlich mit dem Eigentümer und nicht mit einem Betrüger zu tun hat. Dieses Vertrauen kann aber erschüttert sein, wenn die Umstände des Verkaufs trotzdem Verdacht erregen müssen. Dann muss der Käufer im Betrugsfall das Fahrzeug dem wahren Eigentümer zurückgeben und bleibt auf dem gezahlten Kaufpreis als Schaden sitzen. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal (Pfalz) entschieden. Es hat die Klage eines Autokäufers abgewiesen, der auf einen Betrüger hereingefallen war. |
Autokäufer war auf Betrüger hereingefallen
Der Käufer hatte den PKW von einem Betrüger für mehr als 35.000 Euro erworben. Kurze Zeit nach dem Kauf beschlagnahmte die Polizei das Fahrzeug und gab es dem ursprünglichen Eigentümer zurück. Dieser verkaufte es anschließend für knapp 49.000 Euro weiter.
Den Kaufpreis reklamierte der betrogene Käufer für sich. Er sei trotz des Betrugs Eigentümer des Fahrzeugs geworden. Er sei im Internet auf das Fahrzeug gestoßen und habe sich im Saarland zur Besichtigung verabredet. Auf dem Weg dorthin habe er die Mitteilung erhalten, dass das Kind des Verkäufers einen Treppensturz erlitten habe und in einem Krankenhaus in Frankreich liege. Dorthin sei er nun umgeleitet worden, wo der Kauf auf dem Parkplatz durch Barzahlung auch abgewickelt worden sei. Der Betrüger habe einen vermeintlich echten Fahrzeugbrief und einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt. Er habe deshalb daran glauben dürfen, dass das Fahrzeug diesem auch gehört habe.
Umstände des Kaufs waren dubios, Zweifel daher angebracht
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Der Käufer habe trotz Vorlage des scheinbar echten Fahrzeugbriefs grob fahrlässig gehandelt und das Fahrzeug daher nicht gutgläubig erworben. Denn die Umstände des Verkaufs hätten beim Käufer Zweifel erregen müssen, dass er den wahren Eigentümer vor sich hatte. So habe dieser einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt, obwohl sein im Kaufvertrag genannter Wohnsitz Frankenthal gewesen sei und das Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen zugelassen war.
Kurzfristige Verlegung der Übergabe ins Ausland
Auffällig sei ferner, dass der Verkäufer ursprünglich als Treffpunkt das vom angegebenen Wohnort abweichende Dillingen/Saar genannt habe. Typisch für unlautere Automobilgeschäfte sei auch das Bargeschäft und die kurzfristige telefonische Verlegung des Verkaufsorts an einen fremden und noch dazu im Ausland befindlichen Ort. Nach alledem könne der Käufer dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entgehen und habe den Schaden selbst zu tragen, so der Richter.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 3.4.2025, 3 O 388/24, PM vom 22.5.2025
| Das Amtsgericht (AG) Berlin-Charlottenburg hat entschieden: Hatte der frühere Vermieter die Hundehaltung erlaubt, kann der in das Mietverhältnis eingetretene Vermieter diese Gestattung nur aus wichtigem Grund widerrufen. Dies gilt, auch wenn es sich um einen Kampfhund handeln sollte. Dass sich Mitmieter aufgrund der Größe und Kraft eines solchen Hundes subjektiv bedroht fühlen, reicht für den Widerruf nicht aus. |
Vorheriger Vermieter hatte Hundehaltung gestattet, neuer Vermieter widerrief Erlaubnis
Die Parteien eines Mietvertrags über ein möbliertes Apartment stritten um die Räumung und Herausgabe einer Wohnung. Der Kläger, der aktuelle Vermieter, war nachträglich in das Mietverhältnis eingetreten. Der beklagte Mieter hält einen Hund, was ihm ausdrücklich vom früheren Vermieter erlaubt worden war.
Der Kläger hat die Erlaubnis zur Hundehaltung im Juni 2023 widerrufen und die Haltung eines Kampfhundes untersagt. Der Beklagte sollte seinen Hund bis Ende Juni 2023 entfernen. Noch im Juni mahnte der Kläger den Beklagten wegen nicht gestatteter Tierhaltung ab. Anfang August 2023 kündigte der Kläger das Mietverhältnis ordentlich zum 30.11.2023 und begründete dies mit der weiteren Haltung eines Kampfhundes sowie des Einsetzens des Hundes als Druck- und Nötigungsmittel.
Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung
Der Kläger behauptete, bei dem vom Beklagten gehaltenen Tier würde es sich um einen Kampfhund handeln. Der Beklagte würde dieses Tier gegenüber Nachbarn im Objekt als Druck- und Nötigungsmittel einsetzen, um Vorrang auf Wegen oder im Treppenhaus zu erzwingen. Mehr als ein anderer Bewohner im Objekt habe Angst vor dem Hund, die wollten aber nicht namentlich genannt werden. Er verklagte den Mieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Der Mieter behauptete hingegen, es handele sich nicht um einen „Listenhund“, sondern um eine Mischung aus Old-English-Bulldog und Weimeraner. Er reichte dazu zwei Fotos sowie eine tierärztliche Bescheinigung und weitere Unterlagen ein.
So entschied das Amtsgericht
Der Vermieter kann das Mietverhältnis nur aus berechtigtem Interesse kündigen. Das ist z. B. der Fall, wenn der Mieter vertragliche Pflichten erheblich verletzt, indem er z. B. ein Tier trotz Abmahnung weiter hält.
Im Fall des AG war es aber anders: Der ursprüngliche Vermieter hatte die Hundehaltung erlaubt. Der – große und kräftige – Hund, war– ohne Maulkorb – stets an der Leine geführt worden. Beißvorfälle oder -versuche oder Bedrohungen von Nachbarn mit dem Hund konnten nicht bewiesen werden. Ein – subjektives – Bedrohtfühlen genügt nicht, um die Erlaubnis zu widerrufen.
Quelle | AG Charlottenburg, Urteil vom 30.5.2024, 218 C 243/23
| Ein Streit um einen Erbschein hat kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Eine Erbin hatte falsche Angaben gemacht – mit unangenehmen Folgen. |
Wahrheitswidrige Angaben zum Testament
Eine Frau hatte nach dem Tod ihrer Mutter einen Erbschein beantragt, um als Alleinerbin ausgewiesen zu werden. Sie berief sich dabei auf ein Testament, machte aber falsche Angaben: Sie versicherte eidesstattlich, dass das Testament von der Verstorbenen eigenhändig verfasst worden sei. In Wirklichkeit hatte jedoch die Tochter das Testament geschrieben und die Mutter nur ihre Unterschrift darunter gesetzt.
Testament muss eigenhändig geschrieben sein
Die falschen Angaben betrafen einen entscheidenden Punkt: Ein Testament muss eigenhändig geschrieben oder von einem Notar beurkundet werden. Eigenhändig heißt, dass der Erblasser es komplett selbst und von Hand niederschreiben muss. Die bloße Unterschrift der Mutter reichte deshalb nicht aus – das Testament war unwirksam. Statt des Testaments galt die gesetzliche Erbfolge, das heißt: Die Antragstellerin musste sich das Erbe mit ihren Geschwistern teilen.
Streit um Anwaltskosten
Im Erbscheinverfahren vor dem Amtsgericht (AG) wurden die falschen Angaben aufgeklärt. Der Streit war damit aber nicht erledigt. Denn die Geschwister hatten Anwälte beauftragt, um gegen den unberechtigten Antrag vorzugehen. Zwei Schwestern verlangten die Erstattung der angefallenen Anwaltskosten. Das OLG gab ihnen nun Recht.
Mögliche strafrechtliche Konsequenzen
Für die unterlegene Schwester hat dies nicht nur finanzielle Folgen: Die Akten werden nun der Staatsanwaltschaft übergeben, denn eine falsche eidesstattliche Versicherung ist strafbar. Das OLG sah einen entsprechenden Anfangsverdacht; bis zu einer möglichen Entscheidung im Strafverfahren gilt für die Betroffene die Unschuldsvermutung.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 9.1.2025, 6 W 156/24, PM vom 20.2.2025
| Das Zerreißen eines Testaments durch den Erblasser ist eine Widerrufshandlung. Es wird gesetzlich vermutet, dass dieser Widerrufshandlung eine Widerrufsabsicht zugrunde lag. Die Aufbewahrung des zerrissenen Testaments im Schließfach widerlegt diese Vermutung nicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die Beschwerde des in dem zerrissenen Testament Begünstigten gegen einen auf Basis gesetzlicher Erbfolge erteilten Erbschein zurückgewiesen. |
Testament zerrissen, aber aufbewahrt
Der Erblasser war mit seiner Frau in letzter Ehe kinderlos verheiratet. Nach seinem Versterben beantragte die Frau einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Das Nachlassgericht erteilte den Erbschein, der die Frau neben der Mutter des Erblassers als Erben auswies. Zwei Monate später öffneten die Frau und ein Vertreter der Mutter des Erblassers das Schließfach des Erblassers. Dort befand sich ein handschriftliches Testament, das eine andere Person begünstigte. Es war längs in der Mitte durchgerissen. Das Nachlassgericht hat den Antrag des Begünstigten abgelehnt, den bereits erteilten Erbschein im Hinblick auf das nun aufgefundene, zerrissene Testament einzuziehen.
Widerruf durch schlüssige Handlung
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das Nachlassgericht habe die Einziehung des Erbscheins zu Recht abgelehnt, da dieser nicht unrichtig geworden sei. Der Begünstigte sei nichttestamentarischer Erbe geworden. Der Erblasser habe das den Begünstigten alsErben einsetzende Testament durch schlüssige Handlung widerrufen.
Durch das Zerreißen des Testaments in der Mitte habe derErblasser das Testament vernichtet. Es liege insoweit eine Widerrufshandlungvor. Das Testament sei unzweifelhaft auch „nicht durch äußere Einflüsse „anderweitig“ in zwei Teile geraten“. Dafür spreche, dass das Papier mittig, aber nicht vollständig gerade getrennt worden sei. Die Trennränder seien zudem nicht glatt. Anhaltspunkte für ein – ggf. sachverständig aufzuklärendes – anderweitiges Trennen des Schriftstücks in zwei Teile lägen nicht vor. Es sei auch davon auszugehen, dass der Erblasser selbst das Testament zerrissen habe, da nur er Zugang zum Bankschließfach gehabt habe. Nach den Angaben der bei Öffnung des Schließfachs Anwesenden bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Testament beim Öffnen oder Schließen des Schließfachs versehentlich von einer dritten Person zerrissen worden sei.
Gesetzliche Vermutung nicht widerlegt
Es werde gesetzlich vermutet, dass diese Widerrufshandlung mit Widerrufsabsicht erfolgte. Indizien, die diese Vermutung widerlegen würden, seien nicht erkennbar. Warum der Erblasser das zerstörte Testament im Schließfach aufbewahrte, sei zwar nicht nachvollziehbar. Dies allein genüge aber nicht zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung. Der Erblasser habe ausweislich der dokumentierten 31 Öffnungen des Schließfachs dieses offensichtlich nicht ausschließlich zur Aufbewahrung eines ungültigenTestaments angemietet.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.4.2025, 21 W 26/25, PM 26/25
| Das Landgericht (LG) Berlin II hat eine Energieberatungsfirma zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von rund 6.000 Euro wegen einer Falschberatung verurteilt. Aufgrund der Falschberatung habe der Kläger – ein Verbraucher – Fenster und Dachfenster mit zu hohen Wärmedurchgangskoeffizienten einbauen lassen, die daher nicht förderfähig seien. |
Förderleistungen beantragt – Bundesamt lehnt ab
Der Kläger hatte die Beklagte mit der Energieberatung für die energetische Sanierung seines Einfamilienhauses beauftragt. In Zusammenarbeit mit der Beklagten beantragte er beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Förderleistungen gemäß der Richtlinie der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG-Richtlinie) und erhielt einen entsprechenden Zuwendungsbescheid. Anschließend holte er Angebote für die Sanierungsmaßnahmen ein und schickte sie der Beklagten, die diese nicht beanstandete.
Für den Verwendungsnachweis der Fördermittel gab der Kläger in Absprache mit der Beklagten die Wärmedurchgangskoeffizienten an, die mit den verbauten Dämmmaterialien an der Gebäudehülle erreicht werden konnten – für das Dach und die Geschossdecke einen Koeffizienten von 0,2, für die Fenster von 1,1 und für die Dachflächenfenster von 1,3. Das Bundesamt teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die technischen Mindestanforderungen bei der Sanierung nicht erreicht seien und hob den Förderbescheid teilweise auf. Die BEG-Richtlinie fordert Koeffizienten an Dachgebilden von 0,14 und an Fenstern von 0,95 bzw. 1,0 bei Dachflächenfenstern.
Energieberater muss Förderleistung zahlen
Das Gericht sprach dem Kläger nun Schadenersatz in Höhe der eigentlich zu gewährenden Förderungssumme zu. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur fachlich zutreffenden Beratung verletzt. Sie hätte insbesondere die vom Kläger vorgelegten Angebote auf ihre Förderungsfähigkeit prüfen müssen.
Der Verweis der Beklagten, der Kläger hätte sich selbst über die förderungsrelevanten Wärmedurchgangskoeffizienten informieren können, führe ihr Leistungsangebot ad absurdum. Es sei gerade ihre Hauptleistungspflicht, einen Verbraucher und Laien über die Richtlinien und Richtwerte fachlich zu beraten. Darüber hinaus habe die Beklagte den Kläger falsch beraten, weil sie selbst von falschen Werten ausgegangen sei. Rechtsirrig habe sie in E-Mails an den Kläger auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und nicht auf die Werte der BEG-Richtlinie verwiesen. Die Beratung sei auch deshalb unzureichend und fehlerhaft gewesen.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23, PM 3/25
| Bei einer mehr als unerheblichen Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks scheidet die Annahme eines faktischen Kerngebiets aus, also als Gebiet, das vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Stadt versagte Nutzung eines Gebäudes als Spielhalle
Die Klägerin begehrt einen Bauvorbescheid für die Nutzung eines Geschäftsgebäudes in der Innenstadt der Beklagten als Spielhalle. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, der Widerspruch blieb erfolglos.
Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht sahen das anders
Das Verwaltungsgericht (VG) gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) zurück. Das Vorhaben sei als Vergnügungsstätte zulässig. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Kerngebiet i. S. d. Baunutzungverordnung (hier: § 7 BauNVO). Die nicht unerhebliche, aber noch untergeordnete Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks stehe dieser Einordnung nicht entgegen, obwohl sie im vorhandenen Umfang nur aufgrund von Festsetzungen in einem Bebauungsplan zulässig wäre.
Bundesverwaltungsgericht rügte mangelnde Tatsachenfeststellung
Das BVerwG hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Auffassung des OVG, dass ein faktisches Kerngebiet auch bei einer nicht unerheblichen Wohnnutzung vorliegt, steht mit der Regelungssystematik der Baunutzungsverordnung nicht in Einklang. Die Verweisung in § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB auf die §§ 2 ff. BauNVO findet dort eine Grenze, wo die Baunutzungsverordnung eine planerische Entscheidung der Gemeinde vorsieht. Der Verordnungsgeber hat die Entscheidung darüber, ob die sonstige Wohnnutzung in einem Kerngebiet über Ausnahmen hinausgehen darf, der Gemeinde überlassen. Ihr Spielraum darf bei der Einordnung als faktisches Kerngebiet nicht übergangen werden. Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen konnte das BVerwG nicht abschließend entscheiden.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 20.5.2025, 4 C 2.24, PM 37/25
| Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf der Grundlage von über 2.300 geleisteten Mehrarbeitsstunden im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer für mehrere Monate frei, muss er ihm in diesen Monaten das Entgelt nach dem Lohnausfallprinzip zahlen, also das Entgelt, das zu zahlen gewesen wäre, wenn der Arbeitnehmer in diesen Monaten gearbeitet hätte. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |
Das LAG: Nichts anderes ergibt sich, wenn die unstreitige Mehrarbeit vor 20 Jahren geleistet worden war, also in einem Zeitraum, für den die Parteien ein viel geringeres Bruttomonatsentgelt vereinbart hatten.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 23.8.2024, 6 Sa 663/23
| Ein Bewerber um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugdienst kann verlangen, nicht wegen eines genetisch bedingten erhöhten Thromboserisikos vom Bewerbungsverfahren der Bundespolizei ausgeschlossen zu werden. Bei der beim Kläger diagnostizierten sog. Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich um einen angeborenen Gendefekt, bei dem es zu Störungen der Blutgerinnung kommt und der mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergeht. Die Entscheidung der Bundespolizeiakademie, die Bewerbung des Klägers um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst im Jahr 2023 aufgrund fehlender gesundheitlicher Eignung nicht zu berücksichtigen, hatte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Aachen keinen Bestand. Über die Bewerbung des Klägers muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden werden. |
Geringe Risiken
Zur Begründung hat das VG ausgeführt, dass es bereits in erheblichem Maße zweifelhaft ist, ob hinreichende sachliche Gründe für den Ausschluss von Beamten mit einem solchen Gendefekt bestehen. Denn das durch eine solche Mutation bedingte Thromboserisiko ist verhältnismäßig gering. In der beim Kläger vorliegenden Form ist es zwar gegenüber gesunden Menschen erhöht, entspricht jedoch ungefähr dem Thromboserisiko durch die Einnahme der Antibabypille bei Frauen und damit einem Risiko, das der Dienstherr als hinnehmbar ansieht.
Ergebnisse der genetischen Untersuchung durften nicht mitgeteilt werden
Unabhängig davon durfte der Gendefekt nicht zulasten des Klägers im Einstellungsverfahren berücksichtigt werden, weil er aufgrund einer genetischen Untersuchung diagnostiziert wurde. Die Mitteilung des diesbezüglichen Ergebnisses durfte die Bundespolizei aus Rechtsgründen nicht verlangen.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 10.3.2025, 1 K 1304/23, PM vom 10.3.2025
| Die Verwendung eines abstrakt gefährlichen Gegenstands – hier eines Klappmessers – zu einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch – hier Reparaturversuch an einer Uhr – läuft den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider und steht deshalb der Anerkennung eines Unfallereignisses als Dienstunfall entgegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Mit dem Messer versucht, Klemmfeder zu richten
Der mittlerweile pensionierte Kläger war Polizeivollzugsbeamter im saarländischen Landesdienst. Im April 2019 erstattete er bei seiner Dienststelle eine Dienstunfallanzeige. Danach habe er zu Dienstbeginn festgestellt, dass die sonst über der Tür hängende Wanduhr auf der Fensterbank gelegen habe. Es sei ihm aufgefallen, dass die Batterie der Uhr unsachgemäß im Batteriefach gesteckt habe und die Klemmfeder verbogen gewesen sei. Er habe mit seinem Klappmesser die verbogene Feder wieder richten wollen. Hierbei sei das Messer zugeschnappt und er habe sich einen tiefen Schnitt am kleinen Finger der rechten Hand zugezogen.
Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls
Sein Antrag auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall ist behördlich und in den beiden gerichtlichen Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwiderlaufe, wenn ein Beamter sich ohne Not einem Verletzungsrisiko durch Hantieren mit einem privaten, abstrakt gefährlichen Gegenstand aussetze, dessen Funktionstauglichkeit der Dienstherr nicht prüfen könne.
Keine dienstliche Aufgabe
Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall. Zwar hat sich der Unfall in einem Dienstgebäude zur Dienstzeit ereignet und ist damit grundsätzlich als „in Ausübung des Dienstes eingetreten“ vom Dienstunfallschutz erfasst. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Reparatur der Uhr nicht zu den dienstlichen Aufgaben des Klägers als Polizeibeamter gehörte. Dienstunfallschutz wird jedoch nicht gewährt, wenn dieTätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft. Das ist hier der Fall.
Entgegen den Interessen des Dienstherrn
Dabei kann dahinstehen, ob es sich um ein Einhandmesser im Sinne des Waffengesetzes handelte und das Führen des Messers bereits deshalb verboten war. Jedenfalls lief die Benutzung dieses Messers zum Zweck einer Uhrreparatur den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider. Das verwendete Messer ist ein abstrakt gefährlicher Gegenstand, der für den Zweck der Reparatur ersichtlich nicht bestimmt und nicht geeignet war.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 13.3.2025, 2 C 8.24, PM 16/25
| Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellt den Arbeitnehmer trotz dessen Beschäftigungsanspruchs von der Arbeit frei, unterlässt der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig in Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 615 S. 2 BGB) anderweitigen Verdienst, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis eingeht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Das war geschehen
Der Kläger war seit November 2019 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Senior Consultant gegen eine monatliche Vergütung von 6.440 Euro brutto. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.3.2023 ordentlich zum 30.6.2023 und stellte den Kläger unter Einbringung von Resturlaub unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht (ArbG) am 29.6.2023 statt, die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) am 11.6.2024 zurückgewiesen.
Arbeitgeber schlug Stellenangebote vor
Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Kläger Anfang April 2023 arbeitssuchend und erhielt von der Agentur für Arbeit erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge. Die Beklagte übersandte ihm hingegen schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote, die nach ihrer Einschätzung für den Kläger in Betracht gekommen wären.
Arbeitnehmer bewarb sich – aber erst zum Beschäftigungsende
Auf sieben davon bewarb sich der Kläger, allerdings erst ab Ende Juni 2023. Nachdem die Beklagte dem Kläger für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, hat er diese mit einer Klage geltend gemacht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewendet, der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bei der Beklagten bezogenen Gehalts anrechnen lassen.
Arbeitgeber war durch einseitige Freistellung im Annahmeverzug
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) ihr stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Beklagte befand sich aufgrund der von ihr einseitig erklärten Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug und schuldet dem Kläger (nach § 615 S. 1 BGB iVm. § 611 a Abs. 2 BGB) die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss sich der Kläger nicht (nach § 615 S. 2 BGB) anrechnen lassen. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil ist nur gerechtfertigt, wenn dieser wider Treu und Glauben (nach § 242 BGB) untätig geblieben ist. Weil § 615 S. 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend hiervon bestand für ihn keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Beklagten ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.
Quelle | BAG, Urteil vom 12.0.2025, 5 AZR 127/24, PM 6/2
Verkehrsrecht
| Ein Verkauf von Unternehmensvermögen unterliegt der Umsatzsteuer. Eine Entnahme kann hingegen ohne Umsatzsteuer bleiben, wenn der Gegenstand ohne Vorsteuerabzug Unternehmensvermögen wurde. Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Niedersachsen gelten für dieses „Entnahme-Verkauf-Modell“ aber strenge Voraussetzungen. |
Hintergrund: Wurde ein Wirtschaftsgut ohne Vorsteuerabzug erworben und in das Unternehmensvermögen eingelegt, kann es grundsätzlich nicht umsatzsteuerbar entnommen und anschließend ohne Umsatzsteuer verkauft werden. So hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Jahr 2002 Folgendes festgestellt: Entnimmt der Steuerpflichtige den Pkw, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hatte, vor der Veräußerung seinem Unternehmen, ist es unzulässig, die Entnahme zu besteuern. Wenn der Steuerpflichtige den Pkw dann veräußert, ist diese Leistung seinem privaten Bereich zuzurechnen. Sie unterliegt daher nicht der Umsatzsteuer. Zu den Voraussetzungen musste jüngst das FG entscheiden.
Das war geschehen
Ein Unternehmer hatte einen Pkw und ein Wohnmobil aus seinem Privatvermögen in das Betriebsvermögen eingelegt. Es erfolgte jeweils eine Zuordnung zum Unternehmensvermögen ohne Vorsteuerabzug. Aus den Reparaturaufwendungen wurde dann jedoch der Vorsteuerabzug geltend gemacht.
Später verkaufte der Unternehmer die Fahrzeuge ohne Umsatzsteuerausweis. Der Kaufvertrag für den Pkw datierte vom 22.10.2016 (Übergabe am 25.10.2016), der Kaufvertrag für das Wohnmobil vom 25.8.2018 (Übergabe am 29.8.2018). In der Buchhaltung wurde eine Entnahme des Pkw zum 25.10.2016 und eine Entnahme des Wohnmobils zum 25.8.2018 jeweils ohne Umsatzsteuer erfasst.
Das Finanzamt setzte für die Verkäufe Umsatzsteuer fest. Wegen der engen zeitlichen Zusammenhänge liege weder für den Pkw noch für das Wohnmobil ein ausreichender Nachweis einer Entnahmehandlung vor. Die buchhalterische Erfassung allein genüge nicht.
Die hiergegen gerichtete Klage war erfolglos.
So argumentiert das Finanzgericht
Für eine vorherige nicht umsatzsteuerbare Entnahme bedarf es objektiver Anhaltspunkte und einer gewissen Zeitspanne zwischen Entnahme und Verkauf. Der Umstand, dass die Entnahme zeitlich mit der Lieferung am gleichen Tag erfolgt sein soll, spricht gegen eine Entnahme.
Die nach außen erkennbare Entnahme eines Gegenstands aus dem unternehmerischen Bereich hat zeitlich vor dem Verkauf zu erfolgen, wobei es dabei zur erforderlichen eindeutigen Abgrenzung auf den Zeitpunkt des ersten Angebots zum Verkauf des Gegenstands bzw. die erste Verkaufsbemühung ankommt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 3.4.2025, 5 K 15/24
| Bei der Frage, ob die Sachbezugsfreigrenze gemäß Einkommensteuergesetz (hier: § 8 Abs. 2 S. 11 EStG) in Höhe von 50 Euro pro Monat überschritten wird, sind die vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten anteilig den für die Nutzung des Firmenfitnessprogramms registrierten Arbeitnehmern zuzurechnen. Auf die Anzahl der vom Arbeitgeber erworbenen Lizenzen kommt es nicht an, wenn diese nicht der Zahl der für das Programm registrierten Arbeit-nehmer entspricht. Dies hat das Finanzgericht (FG) Niedersachsen entschieden. |
Beispiel in Anlehnung an den Urteilssachverhalt
Die A-GmbH hat 100 Arbeitnehmer. Sie schließt mit dem Fitnessstudiobetreiber X eine Firmenfitness-Mitgliedschaftsvereinbarung, wonach die Arbeitnehmer der A-GmbH berechtigt sind, das Fitnessstudio des X zu nutzen.
Somit erwirbt die A-GmbH 50 Lizenzen für monatlich 4.000 Euro inkl. Umsatzsteuer. Die Anzahl wurde anhand der Personalstruktur als Kalkulationsgrundlage für X prognostiziert. Die Lizenzen haben keine Auswirkung auf die Menge der tatsächlich nutzungsberechtigten Arbeitnehmer.
Mitarbeiter, die das Angebot in Anspruch nehmen wollen, haben im Fitnessstudio eine Berechtigung vorzulegen, die X aufgrund der mitgeteilten Namen erstellte. Von den 100 Mitarbeitern haben sich 80 für das Fitnessprogramm angemeldet. Tatsächlich teilgenommen haben 50 Mitarbeiter.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind die Kosten auf die Anzahl der Lizenzen zu verteilen. Das würde im Beispiel bedeuten, dass je Arbeitnehmer 80 Euro (4.000 Euro/50 Lizenzen) zu berücksichtigen wären, mithin der Betrag in voller Höhe steuerpflichtig wäre.
Finanzgericht widersprach der Finanzverwaltung
Dem widersprach jedoch das FG: Entspricht die Anzahl der Lizenzen nicht der Zahl der für das Programm registrierten Mitarbeiter, kommt es auf die Menge der Lizenzen nicht an. Vielmehr sind dann die vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten anteilig den für die Nutzung des Firmenfitnessprogramms registrierten Mitarbeitern zuzurechnen. Im Beispiel ergeben sich somit 50 Euro je Arbeitnehmer (4.000 Euro/80 Arbeitnehmer). Da der Betrag nicht die Freigrenze übersteigt, ist er nicht zu versteuern.
Beachten Sie | Die Kosten sind nicht nur auf die Mitarbeiter zu verteilen, die das Angebot tatsächlich in Anspruch genommen haben. Denn die Arbeitnehmer haben den Nutzungsvorteil, dass für sie jederzeit eine Trainingsmöglichkeit vorgehalten wird.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 17.4.2024, 3 K 10/24
| Ein Steuerbescheid ist nach der Abgabenordnung (hier: § 175 b AO) zu ändern, wenn elektronische Daten von Dritten (z. B. dem Rentenversicherungsträger) bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Dies gilt laut Bundesfinanzhof (BFH) selbst dann, wenn diese Informationen bereits aus der Steuererklärung ersichtlich waren. |
Das war geschehen
Eheleute hatten eine korrekte Steuererklärung abgegeben. Darin hatten sie auch ihre Renteneinkünfte zutreffend erklärt. Das Finanzamt erließ allerdings einen Einkommensteuerbescheid, in dem die Renteneinkünfte nicht erfasst waren. Später erhielt das Finanzamt auch auf elektronischem Wege durch eine Datenübermittlung des Rentenversicherungsträgers von der Höhe der Renteneinkünfte Kenntnis und änderte daraufhin den Einkommensteuerbescheid zulasten der Eheleute und setzte erstmals die Renteneinkünfte an.
Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen und der BFH haben diese Handhabung nun bestätigt.
Abweichende Regelungen in der „analogen Welt“
In der analogen Welt war die Änderung eines einmal ergangenen Steuerbescheids (sowohl zugunsten als auch zulasten des Steuerpflichtigen) nur möglich, wenn hierfür besondere Voraussetzungen erfüllt waren (z. B. ausdrücklicher Vorbehalt der Nachprüfung im Steuerbescheid oder nachträglich bekannt gewordene Tatsachen).
Beachten Sie | Diese Voraussetzungen waren im Streitfall nicht erfüllt, da das Finanzamt die Rente trotz voller Kenntnis des Sachverhalts im ursprünglichen Steuerbescheid außer Ansatz gelassen hatte.
Digitalisierung: Änderung des Steuerbescheids, wenn Daten nicht berücksichtigt waren
Im Zuge der Digitalisierung erhalten aber auch die Finanzämter immer mehr besteuerungsrelevante Daten auf elektronischem Weg. Daher hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 2017 § 175 b AO eingeführt. Danach kann ein Steuerbescheid geändert werden, soweit Daten an das Finanzamt übermittelt werden, die bisher nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Weitere (insbesondere einschränkende) Voraussetzungen enthält diese Norm nicht.
Beachten Sie | Eine auf § 175 b AO gestützte Änderung ist somit auch vorzunehmen, wenn dem Finanzamt oder dem Steuerpflichtigen zuvor ein Fehler unterlaufen ist. Dies hat sich im Streitfall zugunsten des Finanzamts ausgewirkt, würde aber umgekehrt ebenso zugunsten des Steuerpflichtigen gelten.
Quelle | BFH, Urteil vom 27.11.2024, X R 25/22
| Liegt Arbeitslohn vor, wenn ein Teil eines Veräußerungspreises für Gesellschaftsanteile dafür gezahlt wird, dass der (dann ehemalige) Gesellschafter für einen bestimmten Zeitraum noch als Geschäftsführer tätig wird? Mit dieser Frage muss sich der Bundesfinanzhof (BFH) befassen. Das Finanzgericht (FG) Köln hatte auf Arbeitslohn plädiert. |
Das war geschehen
Der Steuerpflichtige A war an einer GmbH beteiligt und zugleich deren Geschäftsführer. Im Streitjahr verkaufte A seine Anteile. In dem Kaufpreis war vertragsgemäß ein Teilbetrag für die Fortsetzung der Geschäftsführung über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren enthalten.
Teileinkünfteverfahren oder Arbeitslohn?
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass es sich bei dem Teilbetrag um eine Gegenleistung für die mehrjährige Geschäftsführertätigkeit des A handle und diese nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 19 i. V. mit § 34 Abs. 1 EStG) als Arbeitslohn der Besteuerung unterliege.
Der Verkäufer A wandte dagegen ein, dass der Teilbetrag im Rahmen der Ermittlung des Gewinns i. S. des § 17 EStG („Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften“ unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens) zu berücksichtigen sei.
Das FG sprach sich im Klageverfahren unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls für Arbeitslohn aus.
Das spricht für Arbeitslohn
Für die Annahme von Arbeitslohn spricht insbesondere, dass der Verkäufer A den auf die Geschäftsführertätigkeit entfallenden Anteil nur behalten darf, wenn er weiter als Geschäftsführer tätig ist. Das Fortbestehen des Geschäftsführerverhältnisses ist nach dem Kaufvertrag notwendige Voraussetzung für die Vorteilsgewährung.
Beachten Sie | Diese Verknüpfung wird nicht durch die Anteilsübertragung überlagert, denn die prägende Gegenleistung für den Streitbetrag ist die Arbeitsleistung und nicht die Anteilsübertragung.
Höchstrichterliche Entscheidung gefragt
Das FG Köln hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Denn, soweit ersichtlich, ist die Abgrenzung zwischen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit i. S. des § 19 EStG und solchen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften i. S. des § 17 EStG bisher nicht höchstrichterlich geklärt.
Da die Revision auch eingelegt wurde, hat der BFH nun Gelegenheit, für Klarheit zu sorgen.
Quelle | FG Köln, Urteil vom 4.12.2024, 12 K 1271/23
| Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Münster kann eine Ferienwohnung, die der Einkünfteerzielung dient, eine erste Tätigkeitsstätte bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung darstellen, wenn der Vermieter mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit für das Objekt dort verrichtet. |
Hintergrund: Suchen Vermieter in (un)regelmäßigen Abständen ihre Vermietungsobjekte auf, um z. B. Reparaturen vorzunehmen oder mit dem Mieter in Kontakt zu treten, stehen die dabei entstehenden Fahrtkosten mit den Mieteinkünften im Zusammenhang und lassen sich als Werbungskosten absetzen.
Grundsätzlich sind die Fahrtkosten dann nach Reisekostengrundsätzen zu ermitteln, sodass die tatsächlichen Kosten bzw. 0,30 Euro je Kilometer für die Hin- und die Rückfahrt anzusetzen sind.
In dem Streitfall ging es nun u. a. um die Frage, ob eine Ferienwohnung auch eine erste Tätigkeitsstätte darstellen kann – mit der Folge, dass lediglich die Entfernungspauschale (0,30 Euro pro Entfernungskilometer bzw. 0,38 Euro ab dem 21. Kilometer) abgezogen werden kann.
Das war geschehen
Eine aus Vater und Sohn bestehende GbR erzielte Einkünfteaus der Vermietung zweier Ferienwohnungen. Für das Jahr 2019 machte die GbR u. a. Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen im Zusammenhang mit Reparatur- und Reinigungsarbeiten an den Wohnungen als Werbungskosten geltend.
Das Finanzamt stellte bei der Prüfung der Unterlagen und Belege Ungereimtheiten fest und erkannte die Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen wegen privater Mitveranlassung nicht an. Die hiergegen gerichtete Klage war vor dem FG teilweise erfolgreich.
Das Gericht begründete seine Entscheidung u. a. wie folgt: Die Fahrtkosten sind mit der Entfernungspauschale und unter Abzug eines Privatanteils zu berücksichtigen. Die beiden Wohnungen sind jeweils als erste Tätigkeitsstätte anzusehen.
Hier keine Zuordnung durch Arbeitgeber, sondern quantitative Kriterien
Der Verweis im Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 3 EStG) auf die vorrangig für Arbeitnehmer geltenden Regelungen führt bei den Vermietungseinkünften dazu, dass jedenfalls dann eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt, wenn der Steuerpflichtige mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit für das Mietobjekt dort selbst verrichtet. Maßgeblich sind in erster Linie quantitative Kriterien, da – anders als bei Arbeitnehmern – eine Zuordnung durch einen Arbeitgeber nicht in Betracht kommt.
Private Veranlassungsanteile
Da die Ferienwohnungen im Wesentlichen durch Dritte verwaltet wurden, während die Gesellschafter die Reparaturarbeiten selbst durchführten, ist die quantitative Grenze von einem Drittel im Streitfall deutlich überschritten. Für jede einzelne Reise hat das Gericht eine Aufteilung der Fahrtkosten vorgenommen und die privaten Veranlassungsanteile nicht als Werbungskosten anerkannt.
Die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen wären bestenfalls innerhalb der ersten drei Monate anzuerkennen. Im Streitfall war die Dreimonatsfrist aber bereits abgelaufen.
Beachten Sie | DasFG Münster hatte die Revision zugelassen, weil bis dato keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 9 Abs. 3 EStG vorliegt und hierzu im Streitfall entscheidungserhebliche Fragen grundsätzlich klärungsbedürftig sind. Da die Revision aber nicht eingelegt wurde, muss man vorerst weiter auf eine höchstrichterliche Entscheidung warten.
Allerdings zeigt der Streitfall, dass eine gute Beweisvorsorge unerlässlich ist. Das gilt nicht nur für die Anzahl der Fahrten,s ondern auch für den mit der Vermietung zusammenhängenden Hintergrund der Fahrten und der möglichst fehlenden privaten Mitveranlassung. Zudem wird deutlich, dass bei sehr vielen Fahrten zum Mietobjekt die Gefahr besteht, dass das Finanzamt nur die Entfernungspauschale gewährt.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 15.5.2025, 12 K 1916/21 F
| Eine Frau parkte in der Tiefgarage ihres Arbeitgebers. Beim Ausparken stieß sie mit der Beifahrertür ihres BMW versehentlich gegen einen rechteckigen, ca. kniehohen Sockel einer Säule. Der Sockel befand sich unterhalb der Sichtachse und war nicht gekennzeichnet oder markiert. Sie verlangte Schadenersatz. Ihre Klage wies das Amtsgericht (AG) München ab. |
Das verlangte die Klägerin
Die Klägerin behauptet, durch den Unfall sei ein Schaden an der Beifahrertür von über 3.200 Euro netto entstanden. Der Sockel sei bei Umbaumaßnahmen im Zeitraum 2019 bis 2022 errichtet worden. Die Klägerin habe erfahren, dass es mehrere Unfälle an dem Betonsockel gegeben habe. Sie verklagte daraufhin das Bauunternehmen, das die Verkehrssicherungspflicht für die von ihm durchgeführten Arbeiten übernommen hatte.
Die beklagte Baufirma gab an, der Sockel stünde dort bereits seit 50 Jahren. Sie bezweifelte, dass der Schaden vollständig auf einen Kontakt mit dem Sockel zurückzuführen sei.
So urteilte das Amtsgericht
Das AG wies die Klage ab. Begründung: Das Bauunternehmen habe bereits keine sog. Verkehrssicherungspflicht verletzt. Der Betonsockel stellte schon keine besondere Gefahrenquelle für Fahrzeuge in einer Parkgarage dar. Dabei sei zu berücksichtigen, dass jeder Kraftfahrer in einer Parkgarage ohnehin nur so schnell fahren darf, dass er im Hinblick auf die ständig zu erwartenden Ein- und Ausparkvorgänge, aber auch wegen des dort herrschenden Fußgängerverkehrs jederzeit anhalten kann. Beim Ein- und Ausparkvorgang sei es daher jederzeit möglich, anzuhalten, auszusteigen und sich zu vergewissern, wie breit die Fahrbahn oder der Parkplatz an dieser Stelle ist.
Dies gelte insbesondere hinsichtlich des streitgegenständlichen Betonsockels, der von allen Seiten gut sichtbar sei, da er breiter sei als die dahinterstehende Säule. Ein kniehoher Betonsockel sei auch kein überraschendes Hindernis für Parkgaragennutzer, da enge Parkbuchten in einer älteren Parkgarage durchaus üblich seien.
Altschäden auf Fahrfehler zurückzuführen
Selbst, wenn man unterstelle, dass mehrere Fahrer mit ihren Fahrzeugen den Betonsockel in der Vergangenheit gestreift haben sollen, was angesichts eines vorgelegten Fotos und den darauf sichtbaren Lackspuren durchaus plausibel erscheine, sei eine Gefahr, dass Rechtsgüter Dritter durch den statischen Betonsockel verletzte werden, für das Bauunternehmen nicht erkennbar gewesen. Dieses habe als sog. Verkehrssicherungspflichtige darauf vertrauen dürfen, dass die Parkgaragennutzer den gut sichtbaren Betonsockel erkennen und, sofern ihr Fahrzeug zu breit für den Parkplatz sei, eine andere noch freie Parkbucht ohne einen Betonsockel nutzen. Beschädigungen des Sockels durfte das Bauunternehmen daher auf Fahrfehler zurückführen.
Mitverschulden der Autofahrerin
Selbst, wenn man eine Verkehrssicherungspflicht annehmen würde, träfe die Frau ein Mitverschulden, das eine Haftung des Bauunternehmens vollständig entfallen ließe. Die Klägerin nutzte die Parkgarage ihres Arbeitgebers bereits fast zwei Monate nach den Umbaumaßnahmen. Ihr waren sowohl der Zustand der Parkgarage als auch ihre baulichen Merkmale aufgrund der längeren Nutzung bekannt oder sie hätten ihr bekannt sein müssen.
Quelle | AG München, Urteil vom 9.8.2024, 231 C 13838/24. PM 13/25
| Der im Land Berlin eingeführte Probeunterricht zur Eignungsfeststellung für das Gymnasium ab dem Schuljahr 2025/2026 bei Schülern, die nach der Förderprognose den erforderlichen Notendurchschnitt verfehlt haben, ist nicht zu beanstanden. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in mehreren Eilverfahren entschieden. |
Schulgesetz geändert
Im August 2024 änderte das Land Berlin die Regelungen des Schulgesetzes für die Aufnahme in das Gymnasium zur 7. Jahrgangsstufe. Nach der Neuregelung können die Erziehungsberechtigten ein Kind mit einem Notenschnitt zwischen 2,3 und 2,7 nur an einem Gymnasium anmelden, wenn die Eignung für den Besuch des Gymnasiums durch die Teilnahme an einem Probeunterricht nachgewiesen wird.
Die Antragsteller sind Schüler, die bei diesem Probeunterricht weniger als die geforderten mindestens 75 Prozent der erreichbaren Bewertungseinheiten erzielten. Im gerichtlichen Eilverfahren begehren sie dennoch die vorläufige Feststellung ihrer Eignung für das Gymnasium, weil sie die Einführung des Probeunterrichts für rechtswidrig halten.
Verwaltungsgericht: Probeunterricht nicht zu beanstanden
Das VG hat die Eilanträge zurückgewiesen. Die Ausgestaltung des Probeunterrichts und die jeweils konkreten Bewertungen seien rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar betreffe der Probeunterricht auch Kinder, die bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits in der 5. Klasse der Grundschule gewesen seien. Das sei aber verhältnismäßig, weil die legitimen Interessen des Gesetzgebers, insbesondere auch an einer zügigen neuen Aufnahmeregelung für Gymnasien, das Interesse der Betroffenen am Erhalt der bestehenden Regeln überwögen: Der Probeunterricht ermögliche eine prognostische, an allgemeingültigen Maßstäben ausgerichtete und zugleich auf den Einzelfall bezogene pädagogische Beurteilung, ob die Eignung für das Gymnasium vorliege. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des Probeunterrichts auf den Umstand reagiert, dass in der Vergangenheit durchschnittlich sieben Prozent das (mit der Neuregelung abgeschaffte) Probejahr am Gymnasium nicht bestanden hätten, im Schuljahr 2022/23 von den Schülerinnen und Schüler ohne Gymnasialempfehlung sogar 34 Prozent.
Der Probeunterricht trage den begrenzten Kapazitäten der Gymnasien und Lehrressourcen Rechnung, vermeide eine absehbare Überforderung der betroffenen Schülerinnen und Schüler und wirke durch rechtzeitige Prognose einem unnötigen Hin und Her entgegen. Die Aufgaben des Probeunterrichts seien anhand der Vorgaben des gemeinsamen Rahmenlehrplans für Berlin und Brandenburg entwickelt worden. Verbindliche Angaben der Schulaufsichtsbehörde zur Punkteverteilung im Erwartungshorizont hätten eine einheitliche Bewertung sichergestellt. Schließlich habe die zeitliche Ausgestaltung des Probeunterrichts mit ausreichenden Pausen zwischen den drei 45-minütigen Prüfungsteilen die besondere Prüfungssituation der Kinder berücksichtigt.
Quelle | VG Berlin, Beschlüsse vom 9.4.2025, VG 3 L 77/25 u. a., PM 25/25
| Die Universität Duisburg-Essen hat einer Studentin zu Recht diejenigen „Prüfungsleistungen“ aberkannt, die in dem System der Universität als bestanden ausgewiesen waren, weil die Studentin für diese Eintragung einer ehemaligen Mitarbeiterin des Prüfungsamts der Universität Geld gezahlt hatte. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen entschieden. |
Nicht zur Prüfung erschienen – Geldzahlungen an ehemalige Mitarbeiterin
Die Studentin war zu fünf Prüfungsterminen ihres Studiengangs Bachelor Wirtschaftswissenschaft, Katholische Religion und Bildungswissenschaften mit der Lehramtsoption Berufskolleg nicht erschienen. Dies war in den internen Notenlisten der Prüfer vermerkt. Eine ehemalige Mitarbeiterin des Prüfungsamts der Universität vermerkte gegen Geldzahlung in dem System der Universität, die Studentin habe die Prüfungen bestanden und trug dazu Noten ein. Im Masterstudiengang wiederholte sich dies bei vier Prüfungen. Der Prüfungsausschuss der Fakultät Wirtschaftswissenschaften beschloss, die Prüfungsleistungen jeweils als nicht bestanden (Note 5,0) zu bewerten, die von der Fakultät Bildungswissenschaften verliehenen Universitätsabschlüsse (Bachelor und Master) abzuerkennen, und forderte die Abschlusszeugnisse zurück.
Klagen gegen Aufhebung der Prüfungsleistungen
Die Klage gegen die Aufhebung der Prüfungsleistungen und ihre Bewertung als nicht bestanden hat das VG abgewiesen. Die Studentin hat die Prüfungsleistungen nicht bestanden, weil sie nicht an den Prüfungen teilgenommen hat. Die Aberkennung der Abschlüsse und die damit zusammenhängenden Anordnungen hob die Universität in der mündlichen Verhandlung auf, weil hierüber der unzuständige Prüfungsausschuss entschieden hatte. Zuständig ist der Prüfungsausschuss für Bildungswissenschaften, der die Abschlüsse verliehen hat.
Eine weitere Klage einer anderen Studentin im Studiengang Bachelor für das Lehramt Berufskolleg gegen die Bewertung von vier Prüfungsleistungen als nicht bestanden (Note 5,0) durch den Prüfungsausschuss hat das VG ebenfalls abgewiesen. Die Studentin hatte eine Prüfung nicht bestanden und war zu drei weiteren nicht erschienen. Gegen Geldzahlung an eine ehemalige Mitarbeiterin des Prüfungsamts wurden diese Prüfungen als bestanden in das System der Universität eingetragen.
Quelle | VG Gelsenkirchen, Urteile vom 28.4.2025, 4 K 1226/22 und 4 K 1227/22, PM vom 29.4.2025
| Ein Jäger, der im betrunkenen Zustand seine Jagdwaffe im Pkw transportiert, besitzt nicht die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit zur (Wieder-)Erteilung eines Jagdscheins – unabhängig davon, ob die mitgeführte Waffe geladen war oder nicht. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Münster entschieden. |
Jäger verursachte hohen Schaden
Der Jäger aus dem Kreis Coesfeld war im Jahr 2020 in Rheinland-Pfalz auf dem Rückweg von einer Jagdveranstaltung und transportierte seine Langwaffe im Fahrzeug. Dabei kam er von der Fahrbahn ab, fuhr zwei Verkehrsschilder um und in eine Hauswand. Es entstand ein Fremdschaden in Höhe von etwa 50.000 Euro. Ein Atemalkoholtest nach dem Unfall ergab einen Wert von 1,69 Promille, zwei Blutentnahmen Werte von 1,48 und 1,39 Promille. Nach dem Unfall nahm der Kläger seine in einem Futteral befindliche Langwaffe aus dem Fahrzeug und stellte sie in ein nahes Wartehäuschen, wo sie von der Polizei sichergestellt wurde.
Antrag auf erneutes Ausstellen eines Jagdscheins
Es kam zu einem Strafverfahren. Zudem wurde die Waffenbesitzkarte des Mannes widerrufen, sodass er seine Schusswaffen abgeben musste. In der Zwischenzeit lief die Gültigkeit seines Jagdscheins aus. Im Jahr 2022 beantragte der Kläger dann die erneute Ausstellung eines Jagdscheins, blieb damit bei der Behörde jedoch ohne Erfolg.
Die Klage hiergegen wies das Gericht nun ab, denn der Kläger sei waffenrechtlich unzuverlässig. Es rechtfertigten Tatsachen die Annahme, dass er mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehe oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werde. Bei der zu treffenden Prognose genüge es, wenn bei Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen bestehe. Im Bereich des Waffenrechts müsse kein Restrisiko hingenommen werden. Ob, wie zuletzt zwischen den Beteiligten streitig, die Waffe im Auto des Klägers bei der Trunkenheitsfahrt geladen war, und ob er sie nach dem Unfall genügend beaufsichtigt hat, könne offenbleiben. Genügende Anhaltspunkte für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang des Klägers mit Waffen ergäben sich bereits daraus, dass er seine Jagdwaffe bei einer Autofahrt mitgeführt hat, obwohl er eine Atemalkoholkonzentration von 1,69 Promille bzw. eine Blutalkoholkonzentration von 1,48 Promille aufwies und sich damit in einem Zustand befand, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können und vorliegend – in Form der zu dem Verkehrsunfall mit erheblichem Sachschaden führenden Unaufmerksamkeit – auch aufgetreten sind.
Als Waffenbesitzer unzuverlässig
Die Blutalkoholkonzentration übersteige den Grenzwert absoluter Fahruntüchtigkeit von Kraftfahrern (1,1 Promille). Mit einer Schusswaffe gehe nicht vorsichtig und sachgemäß um, wer diese in einem Zustand gebrauche, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können – unabhängig davon, ob solche auch tatsächlich aufträten. Das gelte auch für das Mitführen einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe bei einer Autofahrt in alkoholisiertem Zustand, das waffenrechtlich als „Führen der Schusswaffe“ einzuordnen sei.
Es bestehe zum einen die Gefahr, dass der Waffenbesitzer in einer Konfliktsituation mit anderen Verkehrsteilnehmern aufgrund alkoholbedingter Ausfallerscheinungen inadäquat reagieren und zur Konfliktlösung auf die von ihm mitgeführte Schusswaffe zurückgreifen könnte. Zum anderen bestehe beim Transport einer Schusswaffe im Straßenverkehr bei alkoholbedingten Ausfallerscheinungen des Waffenbesitzers die reale Möglichkeit des Abhandenkommens der Schusswaffe. Jedenfalls dann, wenn es – wie hier – zu einem Unfall kommt, bestehe das Risiko, dass der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, den Zugriff Dritter auf die Waffe auszuschließen. Dass der Kläger zwischenzeitlich seinen Führerschein wiedererlangt habe, ändere an dem Ergebnis nichts.
Quelle | VG Münster, Urteil vom 1.4.2025, 1 K 2756/22, PM vom 7.4.2025
| Die Ordnungsmaßnahme einer Gesamtschule im Rhein-Kreis-Neuss, einen Zehntklässler mit sofortiger Wirkung von der Schule zu entlassen, weil dieser mit weiteren Jugendlichen einen Obdachlosen angegriffen und auf den am Boden liegenden Mann eingetreten und -geschlagen hat, ist rechtmäßig. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf entschieden und den gegen die Schulentlassung gerichteten Eilantrag des Schülers abgelehnt. |
Schweres Fehlverhalten
Das VG: Die Voraussetzungen der Entlassung von der Schule liegen vor, da der Schüler durch schweres Fehlverhalten die Rechte des Obdachlosen ernstlich verletzt und hierdurch zugleich die Erfüllung der Aufgaben der Schule ernstlich gefährdet hat. Es ist unstreitig, dass der Schüler mit massiver, nahezu hemmungsloser Aggression mindestens achtmal auf den am Boden liegenden Obdachlosen (teils mit Anlauf) eingetreten und (teils mit voller Wucht) mit der Faust gegen dessen Körper und Kopf geschlagen hat, obgleich von dem Mann zu diesem Zeitpunkt erkennbar keinerlei Gefahr ausging und dieser sich – im Gegenteil – die Hände schützend vor seinen Kopf hielt.
Schulfrieden massiv beeinträchtigt
Zugleich hat der Schüler durch dieses Verhalten seine Pflicht verletzt, an der Erfüllung der Aufgaben der Schule mitzuarbeiten. Der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule hat keine festen räumlichen Grenzen. Vielmehr kommt es darauf an, ob das Fehlverhalten – wie hier – störend in den Schulbetrieb hineinwirkt. Dadurch, dass der Schüler während der Schulzeit in der Mittagspause zwischen zwei Unterrichtseinheiten in unmittelbarer Nähe des Schulgeländes den Obdachlosen gemeinsam mit weiteren Jugendlichen angegriffen hat, waren in den darauffolgenden Tagen der Schulfrieden und der Unterricht der Schule massiv beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund handelt es sich nicht um ein bloßes „außerschulisches Fehlverhalten“ des Schülers, sondern wurde der Konflikt in die Schule hineingetragen, da dieses ohne jeden Zweifel erheblich in das Unterrichtsgeschehen der nachfolgenden Tage hineingewirkt hat.
Keine vorherige Androhung erforderlich
Die Entlassung von der Schule ist angesichts des objektiven Schweregrades der Pflichtverletzung und der zeitnah bevorstehenden Zentralen Prüfungen zur Erlangung des Mittleren Schulabschlusses nach Ansicht des VG auch ohne vorherige Androhung der Entlassung von der Schule verhältnismäßig. Die Entlassung des Schülers von der Schule stellt angesichts der besonderen Schwere der Pflichtverletzung das einzig sichere Mittel dar, um weiteres Fehlverhalten des Schülers auszuschließen und den Schulfrieden der Schule wiederherzustellen.
Schüler war bereits vorher auffällig
Bei der Abwägung war insoweit zu berücksichtigen, dass der Schüler bereits im August 2023 einem Mitschüler einen Faustschlag in das Gesicht versetzt hatte, der Antragsteller seine Impulse in Ausnahme- oder Stresssituationen mithin nicht jederzeit unter Kontrolle hat, sondern zu gewalttätigen Reaktionen neigt, und dass zudem die seinerzeit ergriffene Ordnungsmaßnahme offenbar auch nicht die gewünschte nachhaltige positive Verhaltensänderung bei dem Schüler bewirkt hat. Zudem war zu berücksichtigen, dass der Schüler mit Blick auf die am 27.5.2025 beginnenden Zentralen Prüfungen am Ende der Klasse 10 nur noch kurze Zeit den Unterricht besucht.
Angesichts dessen erweisen sich andere, im Verhältnis zur Entlassung von der Schule mildere Ordnungsmaßnahmen – etwa die Überweisung in eine Parallelklasse oder die Androhung der Entlassung von der Schule – ersichtlich als zur Zweckerreichung nicht gleichermaßen geeignet. Denn sowohl die Androhung der Entlassung als auch die Überweisung in eine Parallelklasse können aus Sicht der Kammer bei lebensnaher Betrachtung im Hinblick auf die nur noch verbleibenden wenigen Unterrichtstage erkennbar keinen nennenswerten erzieherischen Einfluss auf den Schüler entfalten.
Quelle | VG Düsseldorf, Beschluss vom 4.4.2025, 18 L 1171/25, PM vom 4.4.2025
| Was dürfen Eigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft beim Thema Gestaltung ihrer Wohnung und was nicht? Diese Frage beschäftigt Gerichte immer wieder – so auch das Amtsgericht (AG) München in einem aktuellen Fall. |
Das beabsichtigten die Eigentümer
Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung in einem neunstöckigen Wohnkomplex. Die Balkone des Gebäudes sind mit einer Loggia ausgestattet. Die Eigentümer der Wohnung planten, zusätzlich zur bereits bestehenden Balkontür, in einem anderen Zimmer der Wohnung ein vorhandenes Fenster zur Balkontür umbauen zu lassen. Hierfür beantragten sie die Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Eigentümergemeinschaft verweigerte die Zustimmung
Diese verweigerte jedoch die Zustimmung aufgrund von Bedenken im Zusammenhang mit der konstruktiven Stabilität, der Gefahr von Kälte- und Wassereintritt und der Sorge, dass die Versetzung eines aktuell vor dem Fenster befindlichen Heizkörpers Auswirkungen auf das Heizungssystem des Gebäudes habe.
Klage vor dem Amtsgericht
Da die Eigentümer sich im Recht wähnten, verklagten sie die Eigentümergemeinschaft vor dem AG auf Zustimmung. Dieses gab den Klägern Recht. Es ersetzte die grundsätzliche Zustimmung zum geplanten Umbau und legte der Eigentümergemeinschaft auf, die Modalitäten und Einzelheiten in der Eigentümerversammlung zu beschließen.
Das AG sagt: Der Umbau eines Fensters stelle jedenfalls hinsichtlich des Mauerdurchbruchs durch die Außenwand eine auf Dauer angelegte gegenständliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums dar, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehe und damit eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums darstelle.
Das Wohnungseigentumsgesetz (hier: § 20 Abs. 3 WEG) begründe einen Anspruch auf Gestattung einer baulichen Veränderung, durch die kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt werde. Eine Beeinträchtigung sei rechtlich nicht relevant, wenn sie nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehe oder die über dieses Maß hinaus beeinträchtigten Wohnungseigentümer einverstanden seien.
Soweit nicht auszuschließen sein soll, dass durch den Einbau eines neuen Heizkörpers Nachteile für das übrige Heizungssystem entstehen könnten, mache die Beklagte keine konkrete und objektive Beeinträchtigung geltend, durch die ein Wohnungseigentümer sich beeinträchtigt fühlen könne.Vielmehr handele es sich hier um ein nicht zu berücksichtigendes hypothetisches Risiko. Auch dass sich der Wandausschnitt, der durch den Einbau einer Terrassentür vergrößert würde, in der Außenmauer des Gebäudes befinde, und damit Gemeinschaftseigentum verändert würde, stelle für sich genommen keine erhebliche Beeinträchtigung dar.
Vorliegend sei nicht ersichtlich, in welcher Weise die in Rede stehende Maßnahme andere Eigentümer konkret beeinträchtigen würde. Soweit die Beklagte geltend mache, es bestünden nicht auszuschließende Folgen für die Abgeschlossenheit der Wohnung sowie die statische Sicherheit, handele es sich wiederum um rein theoretische Bedenken, denen durch entsprechende Auflagen, wie dem Verlangen nach fachkundiger Planung und ggf. statischer Berechnung durch ein Fachunternehmen nach den Regeln der Baukunst, Rechnung getragen werden könne.
Soweit die Beklagte weiter geltend mache, durch eine Veränderung in der Außenhülle des Gebäudes bestehe die Gefahr von Kälte- oder Wassereintritt, sei nicht ersichtlich, inwiefern dies andere Wohnungseigentümer als die Kläger beeinträchtigen sollte. Zudem handele es sich im Hinblick darauf, dass der von dem Mauerdurchbruch betroffenen Wand die Loggia vorgelagert sei, um theoretische Befürchtungen und nicht um konkrete und objektive Beeinträchtigungen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 27.5.2025, 1293 C 26254/24, PM 27/25
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Bei Fehlen eines schriftlichen Energieversorgungsvertrags richtet sich das Leistungsangebot eines Strom- und Gasversorgungsunternehmens an den Vermieter (Eigentümer) – und nicht, wie sonst regelmäßig der Fall, an den Mieter. Dies gilt im Fall einer Wohnung, wenn die einzelnen Zimmer durch separate Mietverträge vermietet sind und diese lediglich über einen Zähler für Strom und Gas verfügt. |
Das war geschehen
Die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, nahm die beklagte Vermieterin auf Zahlung von Entgelt für die Belieferung mit Strom und Gas im Rahmen der Grundversorgung in Anspruch. Die Zimmer der Wohnung waren einzeln mit gesonderten Mietverträgen über unterschiedliche Laufzeiten vermietet, wobei sämtlichen Mietern das Recht zur Nutzung der Gemeinschaftsräume, wie Küche und Bad, eingeräumt wurde. Nur die Wohnung, nicht hingegen die einzelnen Zimmer, verfügte über einen Zähler für Strom und Gas und wurde von der Klägerin mit Strom und Gas beliefert. Ein schriftlicher Energieversorgungsvertrag bestand nicht. Die Parteien stritten, ob ein durch die Entnahme von Strom und Gas konkludent zustande gekommener Versorgungsvertrag mit der Vermieterin (Eigentümerin) oder mit den Mietern besteht.
Die auf Zahlung der Versorgungsentgelte für einen Zeitraum von fünf Jahren gerichtete Klage hat das Amtsgericht (AG) abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht (LG) das erstinstanzliche Urteil geändert und der Klage stattgegeben. Die Beklagte begehrte beim BGH daher, das klageabweisende erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Das Berufungsgericht, so der BGH, hat zu Recht angenommen, dass unter den hier gegebenen Umständen ein Versorgungsvertrag mit der beklagten Vermieterin der Wohnung besteht. Entgegen der Ansicht der Revision war das in der Bereitstellung von Strom und Gas liegende (konkludente) Angebot der Klägerin weder an die Mieter der einzelnen Zimmer noch an die Gesamtheit der Mieter gerichtet.
Zwar haben allein die Mieter Einfluss auf den Strom- und Gasverbrauch in der Wohnung. Jedoch lässt sich dieser Verbrauch – mangels separater Zähler – nicht den einzelnen vermieteten Zimmern zuordnen. Zudem haben die einzelnen Mieter bei objektiver Betrachtung typischerweise kein Interesse daran, auch für die Verbräuche der anderen Mieter einzustehen. Der Umstand, dass sich das konkludente Angebot des Energieversorgungsunternehmens daher an die Vermieterin richtete, ist Folge des von ihr gewählten besonderen Vermietungskonzepts.
Quelle | BGH, Beschluss vom 15.4.2025, VIII ZR 300/23, PM 79/25
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Eine Zuwendung von Todes wegen zugunsten des Hausarztes des Erblassers ist nicht unwirksam, weil sie gegen ein den Hausarzt treffendes berufsständisches Zuwendungsverbot verstößt. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Hausarztes, der den Erblasser seit 2015 behandelt hatte. Im Januar 2016 schloss der Erblasser mit dem Hausarzt sowie der ihn pflegenden Beklagten und deren Tochter vor einem Notar eine als „Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag“ bezeichnete Vereinbarung. In dieser verpflichtete sich der Hausarzt gegenüber dem Erblasser zu verschiedenen ärztlichen Leistungen, unter anderem zu medizinischer Beratung und Behandlung, zu Hausbesuchen und telefonischer Erreichbarkeit sowie zu Betreuungsleistungen im häuslichen Bereich. Als Gegenleistung sollte der Arzt im Falle des Todes des Erblassers das Eigentum an einem dem Erblasser gehörenden Grundstück erhalten. Im März 2016 verfügte der Erblasser in einem notariellen Testament, dass ihn die Beklagte hinsichtlich seines im Vertrag vom Januar 2016 nicht erfassten Vermögens allein beerben solle.
Im Januar 2018 verstarb der Erblasser. Die Pflegerin (Beklagte) nahm seinen Nachlass in Besitz. Im Dezember 2019 wurde über das Vermögen des Hausarztes das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger hat als Insolvenzverwalter die Beklagte auf Übertragung des dem Arzt in der Vereinbarung vom Januar 2016 zugewandten Grundstücks an die Insolvenzmasse in Anspruch genommen.
So sah es der Bundesgerichtshof
Die Zuwendung des Grundstücks an den Hausarzt im Wege des Vermächtnisses ist wirksam. Selbst, wenn der Arzt gegen seine Berufsordnung verstoßen hätte, indem er die Zuwendung annahm, führt dies nicht zur Unwirksamkeit des Vermächtnisses.
Die Berufsordnung für Ärzte (hier: § 32 Abs. 1 S. 1 BO-Ä) regelt als berufsständische Vorschrift das Verhältnis zwischen dem Arzt und der für ihn zuständigen Landesärztekammer. Die Vorschrift verbietet deshalb nur ein Verhalten des Arztes, dem es nicht gestattet ist, Geschenke oder andere Vorteile zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen. Nicht geschützt von diesem Verbot wird hingegen der zuwendende Patient oder die Erwartung seiner Angehörigen, diesen zu beerben. Die Vorschrift zielt darauf ab, die Unabhängigkeit des behandelnden Arztes sowie das Ansehen und die Integrität der Ärzteschaft zu sichern. Dies kann durch berufsrechtliche Sanktionen vonseiten der Ärztekammer ausreichend sichergestellt werden.
Patient hatte Testierfreiheit
Auch die Testierfreiheit des Patienten verbietet es, ein zugunsten des behandelnden Arztes angeordnetes Vermächtnis wegen Verstoßes gegen eine Berufsordnung für unwirksam zu halten. Für eine Beschränkung der Testierfreiheit des Patienten fehlt schon eine ausreichende gesetzliche Grundlage.
Berufungsgericht muss erneut prüfen
Der Senat hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben. Er hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das den Parteien noch Gelegenheit geben muss, zu einem von ihm bislang nicht geprüften Verstoß der Vereinbarung des Vermächtnisses in dem Erbvertrag gegen die guten Sitten vorzutragen.
Quelle | BGH, Urteil vom 2.7.2025, IV ZR 93/24, PM 122/25
| Verkauft eine Kommanditgesellschaft ein Grundstück an eine andere Kommanditgesellschaft, ist dies auch dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB in Verbindung mit § 463 BGB), wenn es sich auf Verkäufer- und Käuferseite jeweils um Einpersonen-GmbH & Co. KGs mit demselben alleinigen Anteilsinhaber handelt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in zwei Parallelverfahren entschieden. |
Das war geschehen
Die Klägerinnen, verschiedene GmbH & Co. KGs, wenden sich gegen die Ausübung von Vorkaufsrechten nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB. Mit notariellen Kaufverträgen von Mai 2021 veräußerten sie Grundstücke an zuvor neu gegründete GmbH & Co. KGs, hinter denen jeweils dieselbe natürliche Person steht, wie auf Verkäuferseite.
Mit Bescheiden von Juli 2021 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht aus, in einem Fall zugunsten der beigeladenen stadteigenen Entwicklungsgesellschaft. Im anderen Verfahren gab die Erstkäuferin (Klägerin zu 2) eine Abwendungserklärung ab.
Klagen zunächst erfolgreich
Die Klagen waren erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht (VG) habe zu Recht angenommen, dass es an dem für ein Vorkaufsrecht erforderlichen Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 463 BGB fehle. Der Begriff des Dritten müsse einschränkend ausgelegt werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei hier nur eine Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre derselben natürlichen Personen erfolgt.
So sah es das Bundesverwaltungsgericht
Das BVerwG hat die angefochtenen Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Die Grundstückskaufverträge sind Verträge mit einem Dritten.
Gesellschaftsrechtlich sind die Kommanditgesellschaften auf Verkäufer- und Käuferseite trotz des Umstands, dass hinter ihnen jeweils dieselbe natürliche Person steht, selbstständige Rechtsträger. Eine wirtschaftliche Betrachtung auf Gesellschafterebene ist weder nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts noch verfassungsrechtlich geboten. Die Klägerinnen haben sich aus eigenem Entschluss für diese Form der Grundstücksübertragung entschieden.
Das BVerwG konnte mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Vorkaufsrechte im Übrigen rechtmäßig ausgeübt wurden. Das erfordert die Zurückverweisung an die Vorinstanz.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 17.6.2025, 4 C 4.24, PM 46/25
| In Architekten- und Ingenieurkammern, in denen die Fortbildung eine Berufspflicht ist und kontrolliert wird, kann das Nichtvorweisen entsprechender Fortbildungspunkte zum Ausschluss aus der jeweiligen Kammer führen. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen klargestellt. |
Fortbildungspflicht nicht erfüllt – zunächst Verweis und Geldbuße
Ein Mitglied der Ingenieurkammer-Bau NRW hatte in einem Jahr seine Fortbildungspflicht nicht erfüllt. Er hatte deshalb einen Verweis erhalten und musste eine Geldbuße zahlen.
Erneuter Pflichtverstoß: Kammerausschluss
Drei und sechs Jahr später geschah das Gleiche. Weil der Ingenieur auch bei der nächsten Stichprobe erneut keine Teilnahmebescheinigungen für anerkannte Fortbildungsveranstaltungen vorlegen konnte, schloss ihn das Berufsgericht aus der Kammer aus.
Oberverwaltungsgericht bestätigt Kammerausschluss
Die Klage dagegen wies das OVG ab. Der Ausschluss sei die angemessene berufsgerichtliche Maßnahme, auch wenn es sich um die schärfste berufsgerichtliche Sanktion handele. Die nochmalige Festsetzung einer Geldbuße als mildere Maßnahme komme nicht in Betracht.
Quelle | OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.8.2025, 39 A 834/24
| Lange war es ruhig um das sog. Kopplungsverbot. Jetzt hat das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg einen solchen Fall entschieden. Dieses stellt klar: Tritt ein Architekt wie ein Bauträger auf, findet das Kopplungsverbot Anwendung. Der Vertrag ist – wie hier entschieden – nichtig. |
Das besagt das Kopplungsverbot
Das Kopplungsverbot im Architektenrecht verbietet es, den Erwerb eines Grundstücks mit der Pflicht zu verbinden, einen bestimmten Architekten oder Ingenieur damit zu beauftragen, ein Bauwerk zu planen oder auszuführen. So soll der freie Wettbewerb unter Architekten geschützt werden. Außerdem soll so verhindert werden, dass sich Einzelne durch die Verknüpfung von Grundstückserwerb und Architektenleistung eine monopolartige Stellung verschaffen.
Bauherren werden geschützt
Das Verbot richtet sich gegen jede mit dem Erwerb eines Grundstücks zusammenhängende Bindung, die den Wettbewerb von Ingenieuren und Architekten beeinträchtigt. Die Vorschrift soll der Gefahr entgegenwirken, dass ein Architekt oder Ingenieur sich bei knapp gewordenem Baugrund dadurch Wettbewerbsvorteile verschafft, dass er ein Grundstück an der Hand hat.
Geschützt wird die Entschließungsfreiheit des Bauherrn, durch den Kauf eines Grundstücks, auf dem gebaut werden soll, nicht an einen bestimmten Architekten oder Ingenieur gebunden zu sein.
Quelle | OLG Nürnberg, Beschluss vom 8.5.2025, 6 U 1787/24
| Diese Frage musste das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf klären. Es neigte dazu, sie negativ zu beantworten. Die Parteien haben sich daraufhin entsprechend einem Vorschlag des Gerichts verglichen. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist seit 2013 in Vollzeit und im Schichtdienst an fünf Tagen in der Woche als Spielhallenaufsicht bei der Beklagten beschäftigt. Diese betreibt Spielhallen mit üblichem Publikumsverkehr und bietet dort u. a. Getränke an. Ausweislich der arbeitsvertraglich vereinbarten Stellenbeschreibung sind Haustiere in der Spielhalle verboten.
Im Jahr 2019 schloss die Klägerin mit der Hundehilfe Deutschland e.V. einen Tierüberlassungsschutzvertrag. Nachdem zunächst auch der Vater der Klägerin auf die Hündin aufgepasst hatte, brachte sie das Tier jedenfalls nach dem Ende der Corona-Lockdowns regelmäßig mit zur Arbeit. Verschiedene wechselnde Vorgesetzte erhoben zunächst keine Einwände. Ihr aktueller Vorgesetzter teilte ihr mit, dass der Geschäftsführer das Mitbringen der Hündin an den Arbeitsplatz nicht dulden werde bzw. – so die Klägerin – würde. Der Geschäftsführer der Beklagten bat die Klägerin dann schriftlich unter Bezugnahme auf die Stellenbeschreibung, es künftig zu unterlassen, die Hündin mit zur Arbeit zu bringen.
So sah es das Landesarbeitsgericht
Mit ihrer einstweiligen Verfügung hat die Klägerin begehrt, der Beklagten aufzugeben, die Mitnahme der Hündin während ihrer Arbeitszeiten in die Spielhalle bis zur erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache zu dulden. Die Kammer hat dann in der mündlichen Verhandlung im Rechtsgespräch mitgeteilt, dass sie davon ausgehe, dass das vertragliche Verbot weiterbestehen dürfte.
Die bloße Nichtdurchsetzung eines Verbots führe nicht zu dessen Aufhebung. Es spreche viel dafür, dass die Arbeitgeberin berechtigt sei, dies durchzusetzen, weil Kunden die Spielhalle z. B. aufgrund einer Tierhaarallergie oder Angst vor Hunden ggf. erst gar nicht aufsuchten. In der Verhandlung hat die Arbeitgeberin zudem angeführt, dass Beschäftigte in anderen von ihr betriebenen Spielhallen begännen, sich auf die von der Klägerin gelebte Praxis zu berufen.
Vergleich geschlossen
Das LAG hat dann mitgeteilt, dass die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Düsseldorf, das den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen hatte, wenig Aussicht auf Erfolg habe. Um die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und eine Gewöhnung der Hündin an andere Betreuungsmöglichkeiten zu ermöglichen, haben die Parteien auf Vorschlag des Gerichts einen Vergleich – auch zur Erledigung der Hauptsache – geschlossen. Die Klägerin durfte ihre Hündin noch für eine Übergangszeit von knapp zwei Monaten an den Arbeitsplatz mitbringen, danach jedoch nicht mehr.
Quelle | LAG Düsseldorf, Vergleich vom 8.4.2025, 8 GLa 5/25, PM vom 8.4.2025
| Ein Arbeitsgericht (ArbG) hatte bereits im letzten Jahr entschieden, dass ein Leiharbeitnehmer nicht ohne Weiteres eine Inflationsausgleichsprämie erhält, die im Entleiherbetrieb den dort Beschäftigten gezahlt wird. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holsteinhat dies nun bestätigt. |
So sah es die Arbeitnehmerin
Die Klägerin wurde von ihrer Arbeitgeberin, einem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen, in einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie („Entleiherin“) eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis endete zum 31.7.2023. Der Arbeitsvertrag der Parteien verwies u. a. auf die für Leiharbeitnehmer geltenden Tarifverträge über Branchenzuschläge für die Metall- und Elektroindustrie („TV BZ ME“) sowie Inflationsausgleichsprämie („TV IAPME“). Die Entleiherin füllte der Beklagten einen „Fragebogen zur Ermittlung von Equal Pay sowie des Branchenzuschlags ab dem 16. Einsatzmonat“ aus.
Die Mitarbeiter im Betrieb der Entleiherin erhielten im Juni 2023 eine Inflationsausgleichsprämie i.H.v. 1.000 Euro, die Klägerin dagegen nicht. Sie macht nun gerichtlich diese 1.000 Euro sowie weitere 1.200 Euro geltend.
Für die erste Zahlung bestehe durch den Fragebogen eine Equal-Pay-Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin, der Beklagten. Im Übrigen sei die Gleichstellung nicht per Tarifvertrag ausgeschlossen worden.
Hinsichtlich der zweiten Zahlung könne die Inflationsausgleichsprämie nach dem TV IAP ME bereits verlangt werden, wenn deren Voraussetzungen nach Inkrafttreten des Tarifvertrags, aber vor dem ersten Auszahlungszeitpunkt im Januar 2024 erfüllt gewesen seien. Damit sei die Prämie auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszuzahlen.
Landesarbeitsgericht: keine Equal-Pay-Vereinbarung und fehlender Vortrag
Das LAG entschied, dass der o. g. ausgefüllte Fragenbogen keine Equal-Pay-Vereinbarung mit deren Arbeitnehmern darstellt. Die Klägerin hat auch nicht die Voraussetzungen für eine Gleichstellung mit den Mitarbeitern der Entleiherin vorgetragen.
Dazu muss sie als darlegungs- und beweisbelaste Klägerin einen Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum vornehmen. Dem wird sie nicht gerecht: Der Verweis, der Klägerin müsse die Inflationsausgleichsprämie schon deshalb gezahlt werden, weil die Stammarbeitnehmer der Entleiherin diese erhalten hätten, reicht dafür nicht aus.
Die Klägerin kann die Inflationsausgleichsprämien auch nicht aus dem TV IAP ME beanspruchen: Die Auslegung des Tarifvertrags ergibt, dass im jeweiligen Auszahlungsmonat (Januar bis November 2024) der tariflichen Inflationsausgleichsprämien – anders als die Klägerin meint – noch ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden haben muss. Hier endete das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin aber bereits im Jahr 2023.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6.3.2025, 5 Sa 222 d/24, PM des LAG
| Dem Arbeitgeber kann weder die Kenntnis der Schwerbehindertenvertretung noch die eines Fachvorgesetzten von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zugerechnet werden. So sieht es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln in einer aktuellen Entscheidung. |
Keine rechtsgeschäftlichen Vertreter
Weder die Schwerbehindertenvertretung noch der Fachvorgesetzte des Arbeitnehmers hätten eine Stellung, die einem rechtsgeschäftlichen Vertreter des Arbeitgebers ähnlich sei. Denn die Schwerbehindertenvertretung vertrete die Interessen der schwerbehinderten Menschen gegenüber dem Arbeitsgericht. Sie sei nicht seiner Sphäre zuzurechnen.
Schwerbehindertenvertretung kümmert sich nicht um personalrechtliche Belange
Sie kümmere sich auch nicht um personalrechtliche Belange aus der Sicht des Arbeitgebers, sondern allenfalls aus der Sicht der schwerbehinderten Mitarbeiter.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 7.5.2025, 4 SLa 438/24
| Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen einer Universität und des durch die Universität disziplinarrechtlich beklagten Universitätsprofessors gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Göttingen jeweils zurückgewiesen, mit dem dieses den Universitätsprofessor um zwei Besoldungsgruppen von W 3 auf W 1 zurückgestuft hat. |
Das war geschehen
Die Universität hatte mit der von ihr gegen den Professor erhobenen Disziplinarklage seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erstrebt. Das VG hat mit der von beiden Beteiligten angegriffenen Entscheidung hingegen auf eine Zurückstufung um zwei Besoldungsstufen erkannt.
Nach der Vernehmung von neun Zeugen und unter Berücksichtigung der bereits durch das VG erhobenen Beweise hat das OVG es als erwiesen angesehen, dass der Universitätsprofessor mehrfach und über Jahre hinweg Studentinnen, Doktorandinnen und Mitarbeiterinnen grenzüberschreitend berührt und sich ihnen gegenüber anzüglich geäußert hatte.
So sah es das Oberverwaltungsgericht
Das OVG hat die erstinstanzliche Entscheidung mit seinem Urteil bestätigt. Der Universitätsprofessor habe ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen, das den Ausspruch der zweithöchsten Disziplinarmaßnahme erfordere. Ihm würden daher für einen Zeitraum von fünf Jahren die Bezüge aus der niedrigeren Besoldungsgruppe W 1 gezahlt, wobei er sein Statusamt als Universitätsprofessor behalte.
Mit seinem Verhalten habe er seine beamtenrechtliche Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verletzt. Erschwerend hat das OVG berücksichtigt, dass akademische Nachwuchskräfte in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu Professoren stünden, das über das übliche Verhältnis von Vorgesetzten und Beschäftigten weit hinausgehe.
Der Beklagte sei seiner mit besonderer Verantwortung einhergehenden Stellung als Universitätsprofessor nicht gerecht geworden und habe diese vielmehr dazu ausgenutzt, seine Macht zu demonstrieren und die betroffenen weiblichen Nachwuchskräfte in ihrer Würde zu verletzen. Sein Verhalten habe er zudem insbesondere trotz der Pflichtenmahnung durch die damalige Präsidentin der Universität in den Jahren 2012 und 2013 nicht verändert. Mildernd berücksichtigt hat das OVG demgegenüber die Länge des Disziplinarverfahrens von ca. acht Jahren, die sich für den Beklagten belastend ausgewirkt habe.
Die Entscheidung des Senats ist rechtskräftig.
Quelle | OVG Lüneburg, Urteil vom 25.6.2025, 3 LD 1/24, PM vom 30.6.2025
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass eine Methode zur Aufteilung des Verkaufspreises eines Sparmenüs nicht sachgerecht ist, wenn sie dazu führt, dass auf ein Produkt des Sparmenüs (z. B. Burger) ein anteiliger Verkaufspreis entfällt, der höher ist als der Einzelverkaufspreis. |
Hintergrund: Bei Sparmenüs, die zum Pauschalpreis angeboten und als „Außer-Haus-Menüs“ verkauft werden, ist hinsichtlich der Speisenlieferung der ermäßigte Steuersatz (7 %) und hinsichtlich des Getränks der Regelsteuersatz (19 %) anzuwenden. Wird vor Ort verzehrt, stellt sich die Aufteilungsfrage grundsätzlich nicht, da es sich um eine Restaurationsleistung handelt, sodass auch die Speisen mit 19 % zu versteuern sind.
Beachten Sie | Dies könnte sich aber bald ändern. Denn im Koalitionsvertrag steht, dass die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie zum 1.1.2026 auf 7 % reduziert werden soll.
Das war geschehen
Zwei GmbHs betrieben als Franchisenehmer Schnellrestaurants, in denen u. a. Sparmenüs (z. B. Getränk, Burger und Pommes frites) zu einem einheitlichen Gesamtpreis zum Verzehr außer Haus verkauft wurden.
„Food-and-Paper“-Methode zur Aufteilung von Speisen und Getränken
Die GmbHs teilten den Gesamtpreis des Sparmenüs nach der „Food-and-Paper“-Methode auf die Speisen und das Getränk auf. Die Aufteilung erfolgt dabei anhand des Wareneinsatzes, das heißt, der Summe aller Aufwendungen für die Speisen bzw. für das Getränk. Da in der Gastronomie die Gewinnspanne auf Getränke typischerweise deutlich höher ist als die Gewinnspanne auf Speisen, ergibt sich hieraus eine niedrigere Umsatzsteuer als bei einer Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen.
Das Finanzamt hielt diese Aufteilungsmethode für unzulässig, weil sie nicht so einfach sei, wie eine Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen und außerdem nicht zu sachgerechten Ergebnissen führe. Demgegenüber hielt das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg die „Food-and-Paper“-Methode für zulässig, der BFH aber nicht.
Aufteilung muss sachgerecht sein
Der BFH führte zwar aus, dass (entgegen der Ansicht des Finanzamts) der Unternehmer nicht immer die einfachste Methode anwenden muss. Wenn eine andere Methode zumindest ebenso sachgerecht ist, wie die Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen, darf er auch die andere Methode anwenden.
Gleichwohl erkannte der BFH die „Food-and-Paper“-Methode nicht an, weil sie in manchen Fällen dazu führt, dass der Preis eines Burgers mit einem hohen Wareneinsatz im Menü über dem Einzelverkaufspreis des Burgers liegt. Es widerspricht der wirtschaftlichen Realität, dass der Verkaufspreis eines Produkts in einem mit Rabatt verkauften Menü höher sein kann als der Einzelverkaufspreis.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 19/23, PM 38/25 vom 5.6.2025
| Seit dem 1.1.2025 beträgt der gesetzliche Mindestlohn 12,82 Euro pro Stunde. Die Mindestlohnkommission hat nun eine stufenweise Erhöhung des Mindestlohns auf 13,90 Euro zum 1.1.2026 und auf 14,60 Euro zum 1.1.2027 beschlossen. |
Hintergrund: Mindestlohngesetz
Im Mindestlohngesetz ist geregelt, dass „die Mindestlohnkommission alle zwei Jahre über Anpassungen der Höhe des Mindestlohns zu beschließen“ hat. Diesem Auftrag ist die Kommission in ihrer Sitzung vom 27.6.2025 nun nachgekommen. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas hat bereits angekündigt, der Bundesregierung vorzuschlagen, die Anpassung durch Rechtsverordnung zum 1.1.2026 verbindlich zu machen.
Folge: Auch erhöhte Minijob-Grenze
Die Erhöhung hat auch Auswirkungen auf die Minijob-Grenze( derzeit 556 Euro monatlich), da diese an den Mindestlohn „gekoppelt“ ist.
Beachten Sie | Die Geringfügigkeitsgrenze bezeichnet das monatliche Arbeitsentgelt, das bei einer Arbeitszeit von zehn Wochenstunden zum Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (hier: § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG ) erzielt wird. Sie wird berechnet, indem der Mindestlohn mit 130 vervielfacht, durch drei geteilt und auf volle Euro aufgerundet wird.
Das bedeutet Folgendes: Bei einem gesetzlichen Mindestlohn von 13,90 Euro ergibt sich ab dem 1.1.2026 eine Geringfügigkeitsgrenze von 603 Euro (13,90 Euro × 130 ÷ 3). Ab dem 1.1.2027 sind es dann 633 Euro.
Quelle | BMAS, Mitteilung vom 27.6.2025: „Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1.1.2026“
| Verkauft eine Kommanditgesellschaft (KG) ein Grundstück an eine andere KG, ist dies auch dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB in Verbindung mit § 463 BGB), wenn es sich auf Verkäufer- und Käuferseite jeweils um Einpersonen-GmbH & Co. KG mit demselben alleinigen Anteilsinhaber handelt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in zwei Parallelverfahren entschieden. |
Das war geschehen
Die Klägerinnen, verschiedene GmbH & Co. KG, wenden sich gegen die Ausübung von Vorkaufsrechten nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB. Mit notariellen Kaufverträgen von Mai 2021 veräußerten sie Grundstücke an zuvor neu gegründete GmbH & Co. KG, hinter denen jeweils dieselbe natürliche Person steht wie auf Verkäuferseite. Mit Bescheiden von Juli 2021 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht aus, in einem Fall zugunsten der beigeladenen stadteigenen Entwicklungsgesellschaft. Im anderen Verfahren gab eine der Klägerinnen, die Erstkäuferin, eine Abwendungserklärung ab.
Die Klagen waren erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht (VG) habe zu Recht angenommen, dass es an dem für ein Vorkaufsrecht erforderlichen Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 463 BGB fehle. Der Begriff des Dritten müsse einschränkend ausgelegt werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei hier nur eine Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre derselben natürlichen Personen erfolgt.
So sieht es das Bundesverwaltungsgericht
Das BVerwG hat die angefochtenen Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Die Grundstückskaufverträge sind Verträge mit einem Dritten. Gesellschaftsrechtlich sind die KG auf Verkäufer- und Käuferseite trotz des Umstands, dass hinter ihnen jeweils dieselbe natürliche Person steht, selbstständige Rechtsträger.
Eine wirtschaftliche Betrachtung auf Gesellschafterebene ist weder nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts noch verfassungsrechtlich geboten. Die Klägerinnen haben sich aus eigenem Entschluss für diese Form der Grundstücksübertragung entschieden. Das BVerwG konnte mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Vorkaufsrechte im Übrigen rechtmäßig ausgeübt wurden. Das erfordert die Zurückverweisung an die Vorinstanz.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 17.6.2025, 4 C 4.24, PM 46/25
| Die Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) hat jüngst mitgeteilt, dass die Steuerfahndung ein Datenpaket mehrerer Social-Media-Plattformen analysiert. Ziel der Ermittlungen sind professionelle Influencer, die ihre steuerlichen Pflichten mit hoher krimineller Energie umgehen. |
300 Mio. Euro Steuervolumen
Das Influencer-Team des Landesamts zur Bekämpfung der Finanzkriminalität in NRW (LBF NRW) ist vorsätzlichen Steuerbetrügern in den sozialen Netzwerken auf der Spur. Derzeit werten die Experten ein Datenpaket von mehreren großen Plattformen aus. Darin enthalten sind 6.000 Datensätze, die auf nicht versteuerte Gewinne mit Werbung, Abos und Co. hinweisen. Sie beziehen sich nur auf Influencer aus NRW und umfassen ein strafrechtlich relevantes Steuervolumen in Höhe von rund 300 Mio. Euro.
Nur „Große Fische“ im Visier
Im Visier stehen die „großen Fische“. Stephanie Thien, Leiterin des LBF NRW, betont: „Im Fokus unseres Influencer-Teams stehen ausdrücklich nicht junge Menschen, die ein paar Follower gesammelt und ein paar Cremes oder Kleider beworben haben.“
Beachten Sie | Auch die Finanzämter in Hamburg nehmen die Influencer ins Visier. Bereits im Jahr 2022 wurde eine Expertengruppe zur Besteuerung von Influencern und anderen Social-Media-Akteuren gegründet. Seit 2024 wird die Branche im Zuge einer Branchenprüfung verstärkt in den Fokus genommen.
Quelle | Finanzverwaltung NRW, Mitteilung vom 15.7.2025: „Verdacht auf Steuerbetrug in großem Stil: LBF NRW wertet Influencer-Datenpaket aus“; Finanzbehörde Hamburg, Mitteilung vom 17.7.2025: „Auch Hamburger Finanzämter nehmen Influencerinnen und Influencer ins Visier“
| Die Übernachtungspauschale für Berufskraftfahrer mit mehrtägiger Auswärtstätigkeit setzt neben dem bestehenden Anspruch auf eine Verpflegungspauschale eine tatsächliche Übernachtung in dem Kraftfahrzeug voraus. Die Pauschale steht einem Berufskraftfahrer daher nicht für jeden An- und Abreisetag zu. So sieht es zumindest das Finanzgericht (FG) Thüringen. Wegen der anhängigen Revision ist nun der Bundesfinanzhof (BFH) gefragt. |
Werbungskostenabzug
Hintergrund: Entstehen einem Arbeitnehmer während seiner auswärtigen beruflichen Tätigkeit auf einem Kfz des Arbeitgebers oder eines vom Arbeitgeber beauftragten Dritten im Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kfz Aufwendungen (insbesondere Gebühren für die Toilettenbenutzung sowie Park- und Abstellgebühren), kann er diese als Werbungskosten abziehen.
Beachten Sie | Anstelle der tatsächlichen Aufwendungen ist allerdings auch eine Pauschale i. H. von 9 Euro für Kalendertage möglich, an denen der Arbeitnehmer in dem Kfz übernachtet und eine Pauschale für Verpflegungsmehraufwand geltend machen kann.
Bundesfinanzhof ist gefragt
Der BFH muss nun entscheiden, ob die Pauschale durch die Kopplung an die Verpflegungspauschalen auch für den An- und Abreisetag zu gewähren ist.
Oder anders ausgedrückt: Kann ein Arbeitnehmer, der am Montag seine Tour startet, auf dem Fahrzeug übernachtet und am Freitag zurückkehrt, die Pauschale für fünf oder nur für vier Tage absetzen? Denn für fünf Tage ist Verpflegungsmehraufwand abzugsfähig, er übernachtet in dem Fahrzeug jedoch nur viermal.
Quelle | FG Thüringen, Urteil vom 18.6.2024, 2 K 534/22, Rev. BFH: VI R 6/25
| Bisher konnten Anfragen an das Bundeszentralamt für Steuern zur Bestätigung ausländischer Umsatzsteuer-Identifikationsnummern schriftlich, über das Internet oder telefonisch erfolgen. Doch das hat sich seit dem 20.7.2025 geändert. Seitdem können etwaige Anfragen ausschließlich über die vom Bundeszentralamt für Steuern im Internet bereitgestellte Online-Abfrage durchgeführt werden. |
Hintergrund: Innergemeinschaftliche Lieferungen sind von der Umsatzsteuer befreit. Seit dem 1.1.2020 ist die Verwendung einer gültigen ausländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer durch den Kunden zwingende Voraussetzung für die Umsatzsteuerfreiheit. Dies ist im Umsatzsteuergesetz (hier: § 6 a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 4 UStG) geregelt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 6.6.2025, III C 5 - S 7427-d/00014/001/002
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat eine steuerzahlerfreundliche Entscheidung getroffen: Führt der Steuerpflichtige im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung am Ort des Lebensmittelpunkts einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung nicht. |
Hintergrund: Notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen, können als Werbungskosten steuerlich abgesetzt werden.
Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt. Hierbei darf sich der Lebensmittelpunkt nicht am Beschäftigungsort befinden.
Zudem ist die einschlägige Vorschrift des Einkommensteuergesetzes (hier: § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 3 EStG) zu beachten: „Das Vorliegen eines eigenen Hausstandes setzt das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus.“ Um diese Voraussetzung ging es im Fall des BGH.
Das war geschehen
Der 1986 geborene Steuerpflichtige bewohnte das Obergeschoss im Wohnhaus seiner Eltern – und zwar allein und unentgeltlich. Zudem hatte er am Ort seiner nichtselbstständigen wissenschaftlichen Tätigkeit eine Unterkunft und machte Kosten für eine doppelte Haushaltsführung geltend. Das Finanzamt erkannte die doppelte Haushaltsführung allerdings mangels finanzieller Beteiligung am Haushalt der Eltern nicht an und berücksichtigte nur Fahrtkosten als Werbungskosten. So sah das auch das Finanzgericht (FG) München, nicht aber der BFH, der die Vorentscheidung aufhob.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Wohnung, die der Steuerpflichtige außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte innehat, seinen Erst- oder Haupthaushalt darstellen muss (Stichwort: Lebensmittelpunkt). Es ist entscheidend, dass sich der Steuerpflichtige in dem Haushalt – im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit – aufhält. Allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte reicht nicht. Ferner darf der Steuerpflichtige nicht nur in einen anderen Hausstand eingegliedert sein, wie es regelmäßig bei jungen Arbeitnehmern der Fall ist, die nach Beendigung der Ausbildung weiterhin im elterlichen Haushalt ihre Zimmer bewohnen. Die elterliche Wohnung kann zwar, wie bisher, der Mittelpunkt der Lebensinteressen sein, sie ist aber kein vom Kind unterhaltener eigener Hausstand. Wird jedoch der Haushalt in einer in sich abgeschlossenen Wohnung geführt, die auch nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet, wird regelmäßig vom Unterhalten eines eigenen Hausstands ausgegangen.
Sohn wohnte noch zu Hause – aber in eigener Wohnung
Im Streitfall hatten die Eltern dem Steuerpflichtigen sämtliche Räumlichkeiten im Obergeschoss ihres Hauses zur Nutzung überlassen. Hierbei handelte es sich um eine Wohnung, die dem Steuerpflichtigen nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet. Der Umstand, dass es sich hierbei um eine (bloße) Nutzungsüberlassung und nicht um ein Mietverhältnis handelt, steht dem nicht entgegen. Ob die Wohnung im Obergeschoss gegenüber der von den Eltern bewohnten Wohnung im Erdgeschoss baulich abgeschlossen ist, ist für das Vorliegen eines eigenen Hausstands ebenfalls unerheblich. Für einen eigenen Hausstand ist es zudem erforderlich, dass eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung erfolgt – aber nur, soweit der Steuerpflichtige am Lebensmittelpunkt einem Mehrpersonenhaushalt (z. B. im Rahmen eines Mehrgenerationenhaushalts) angehört. Denn nur, wenn mehrere Personen einen gemeinsamen Haushalt führen, kann sich der Einzelne an den Kosten dieses Haushalts und damit den Kosten der Lebensführung beteiligen.
„Denknotwendig‘“: Ein-Personen-Haushalt trägt immer gesamte Kosten
Führt der Steuerpflichtige dagegen (wie im Streitfall) einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten dieses Haushalts nicht. Denn die Kosten der Lebensführung eines Ein-Personen-Haushalts werden denknotwendig von dieser einen Person getragen. Woher die hierfür erforderlichen Mittel stammen – ob aus eigenen Einkünften, staatlichen Transferleistungen, Darlehen, Unterhaltsleistungen oder familiären Geldgeschenken – ist unerheblich.
Quelle | BFH, Urteil vom 29.4.2025, VI R 12/23
| Aufwendungen für die eigene Bestattungsvorsorge sind nicht als außergewöhnliche Belastungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 33 Abs. 1 EStG) abziehbar. Das hat das Finanzgericht (FG) Münster entschieden. |
Das war geschehen
Ein Steuerpflichtiger hatte einen Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag abgeschlossen. Den Betrag in Höhe von 6.500 Euro machte er als außergewöhnliche Belastungen geltend. Begründung: Da die Übernahme der Beerdigungskosten auf Ebene des Erben zu außergewöhnlichen Belastungen führen könne, dürfe nichts anderes gelten, wenn er selbst einen Bestattungsvorsorgevertrag abschließe, um seinen Angehörigen die Beerdigungskosten zu ersparen. Das FG ist dieser Argumentation indes nicht gefolgt.
Vom Anwendungsbereich des § 33 EStG sind die üblichen Aufwendungen der Lebensführung ausgeschlossen, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind.
Argumentation: Eigener Sterbefall nicht „außergewöhnlich“…
Bei Aufwendungen für eine Bestattungsvorsorge handelt es sich nicht um Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf, die derart außergewöhnlich wären, dass sie sich einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Denn der Eintritt des Todes und damit die Notwendigkeit, bestattet zu werden, trifft jeden Steuerpflichtigen. Es handelt sich damit nicht um Aufwendungen, die größer sind als die, die einer Mehrzahl der Steuerpflichtigen erwachsen.
… Beerdigungskosten für Dritte hingegen schon
Der Unterschied zu den Aufwendungen für Beerdigungskosten naher Angehöriger besteht bereits darin, dass nicht jeder Steuerpflichtige irgendwann einmal solche Aufwendungen für einen nahen Angehörigen zu tragen hat und auch nicht jeder Steuerpflichtige etwa auch in der Anzahl und Höhe solcher Aufwendungen gleich belastet ist.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 23.6.2025, 10 K 1483/24 E
| Ein Verbrauchsgüterkauf und die Anforderungen an die vorvertragliche Informationspflicht des verkaufenden Unternehmers gegenüber dem kaufenden Verbraucher beschäftigte das Landgericht (LG) Kiel. |
In der Annonce war das Fahrzeug ohne Hinweis auf einen Unfallschaden angepriesen. Im Kaufvertrag und in der vorvertraglichen Information fand sich der Vermerk „entgegen der Annonce Unfallschaden lt. Vorbesitzer“. Genügt das für die wirksame negative Beschaffenheitsvereinbarung?
„Nein“, sagt das LG. Diese Angabe hätte zum einen hervorgehoben, also quasi unübersehbar gestaltet werden müssen. Zum anderen hätte genauer über Art und Umfang des Vorschadens aufgeklärt werden müssen.
Quelle | LG Kiel, Urteil vom 8.5.2025, 6 O 276/23
| Das Landgericht Frankenthal (LG) hat einen Fall entschieden, der in manchem Handwerksbetrieb für Aufsehen sorgen dürfte. Einem Handwerker, der einen Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, steht im Fall des Widerrufs auch nach vollständig erbrachter Arbeit kein Geld zu. Das LG hat deshalb die Klage eines Gartenbauers auf Zahlung des kompletten Werklohns abgewiesen. |
Streit um Rechnung
Im April 2024 bestellte der Besitzer eines großen Gartens den Gartenbauer auf sein Grundstück. Vor Ort gab der Gartenbesitzer umfangreiche Arbeiten an dem völlig verwilderten Gelände in Auftrag. Nach Abschluss der Arbeiten stellte der Gartenbauer seine Rechnung in Höhe von knapp 19.000 Euro. Es kam aber zum Streit über den vereinbarten Stundensatz sowie die Frage, ob die erstellte Rechnung prüffähig sei. Der Gartenbesitzer verweigerte schließlich die Zahlung und widerrief den Vertrag im September 2024.
Auftraggeber durfte sich auf Widerrufsrecht berufen
Das LG gab dem Gartenbesitzer vollumfänglich Recht. Da er als Verbraucher anzusehen sei und sämtliche Arbeiten außerhalb von Geschäftsräumen in Auftrag gegeben wurden, stehe ihm ein gesetzliches Widerrufsrecht zu. Die grundsätzlich mit Vertragsschluss beginnende vierzehntägige Widerrufsfrist habe nicht zu laufen begonnen, weil der Gartenbauer den Verbraucher nicht darüber belehrt habe. Es gelte in diesem Fall eine Höchstfrist von einem Jahr und vierzehn Tagen für den Widerruf, die vorliegend eingehalten worden sei. Der Anspruch des Werkunternehmers auf Werklohn sei dadurch vollständig entfallen. Wegen der unterlassenen Belehrung könne er auch keinen Wertersatz oder einen sonstigen Ausgleich für seine Arbeit verlangen. Denn das europäische Verbraucherschutzrecht verlange bei einer unterlassenen Widerrufsbelehrung eine Sanktion von Unternehmern, um sie zur ordnungsgemäßen Belehrung anzuhalten, so das LG unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 15.4.2025, 8 O 214/24, PM vom 29.4.2025; EuGH, Urteil vom 17.5.2023, C-91/22
| Das Landgericht (LG) Köln hat die Klage der Inhaberin einer Entrümpelungsfirma gerichtet auf Zahlung eines Teilbetrags (100.000 Euro) für in der Wohnung entdecktes Bargeld von über 600.000 Euro als auch Finderlohn abgewiesen. Insbesondere vertragliche Ansprüche würden ausscheiden, da eine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Entrümpelungsunternehmens unwirksam sei, dass mit Beginn der Tätigkeit alle in dem Auftragshaushalt befindlichen Gegenstände in das Eigentum des Auftragnehmers übergehen. Das LG hat zudem festgestellt, dass der Inhaberin auch keine weiteren Ansprüche auf Zahlung wegen des Bargeldes sowie auf Herausgabe von Schmuck und Münzen oder entsprechenden Wertersatz zustehen. |
Das war geschehen
Die Klägerin betreibt in Bayern ein Unternehmen zur Entrümpelung von Wohnungen. Die Beklagte, für die eine Betreuung angeordnet ist, lebte bis zum Jahr 2022 in Bayern. Nachdem der ebenfalls unter Betreuung stehende Lebensgefährte nicht mehr in der Wohnung leben konnte, wollte die Beklagte nach Köln ziehen. Die Beklagte, vertreten durch ihren Betreuer, beauftragte die Klägerin mit der Entrümpelung der im Eigentum der Beklagten stehenden Wohnung gegen Zahlung von knapp 2.900 Euro.
Vereinbarung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Die Parteien vereinbarten die Geltung der AGB der Klägerin. Darin ist u. a. geregelt: „Bei all unseren angebotenen Leistungen, […] sind in den Räumlichkeiten befindliche Wertgegenstände vorab vom Auftraggeber (Kunden) zu entfernen bzw. sicherzustellen. Mit Beginn der Tätigkeit gehen alle in dem Auftragshaushalt befindlichen Gegenstände in das Eigentum des Auftragnehmers über. Die weitere Verwertung obliegt dem Auftragnehmer.“
Erhebliche Bargeldsumme und Schmuck
Für den Betreuer der Beklagten übergab die Betreuerin des Lebensgefährten die von ihr durchgesehene Wohnung an die Klägerin. Die Klägerin und ihre Mitarbeiter räumten zunächst die Wohnung, in der sie unter anderem in Windelpackungen und an anderen streitigen Orten Bargeld in Höhe von 557.000 Euro sowie Schmuck und Münzen mit einem durchschnittlichen Verkehrswert von 29.017 Euro bis 32.017 Euro fanden. Bargeld, Schmuck und Münzen wurden auf Wunsch des Betreuers der Beklagten an die Betreuerin des Lebensgefährten herausgegeben. Ebenso geschah es mit später im Keller der Wohnung in einem Koffer aufgefundenem weiteren Bargeld in Höhe von 66.500 Euro. Die Parteien verständigten sich wegen des Mehraufwands der Klägerin bezüglich der Abwicklung von Bargeld, Schmuck und Münzen auf die Zahlung von Mehrvergütung in Höhe von 2.000 Euro zzgl. Umsatzsteuer. Außergerichtliche Aufforderungen der Klägerin auf Auszahlung des aufgefundenen Geldbetrags und des Schmucks seitens der Beklagten blieben erfolglos.
So sah es das Landgericht
Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagte wegen des aufgefundenen Bargelds und Finderlohns auf einen Teilbetrag von 100.000 Euro in Anspruch. Sie ist insbesondere der Ansicht, dass ihr ein Anspruch darauf aufgrund der Regelung in ihren AGB zustehe. Der Betreuer der Beklagten habe bei der Durchsicht der Wohnung vor Übergabe an die Klägerin seine Pflichten verletzt. Zudem behauptet sie, sie habe Geld, Schmuck und Münzen nur herausgegeben, um für eine sichere Verwahrung zu sorgen, nachdem – was die Beklagte in Abrede stellt – eine Bank die Annahme verweigert habe. Dieser Argumentation ist das LG nicht gefolgt. Zur Begründung führte das LG insbesondere aus, dass der Klägerin aus dem Vertrag keinerlei Ansprüche zustehen würden. Die in ihren AGB verwendete, o. g. Klausel sei unwirksam, weil sie eine Erklärung des Auftraggebers, hier die für einen Eigentumsübergang notwendige Übereignungserklärung fingiere, ohne dem Auftraggeber die Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung zu eröffnen und ihn unangemessen benachteilige.
Eigentumsverhältnisse eindeutig
Mögliche Ansprüche auf Herausgabe des Geldes aus Eigentumsgesichtspunkten nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 985 BGB) lehnt das LG ebenso ab, da die Klägerin ihr Eigentum jedenfalls aufgrund der Einzahlung des Bargelds bei einem Kreditinstitut verloren habe. § 985 BGB begründe keinen Anspruch auf einen entsprechenden Geldwert (sog. Geldwertvindikation). Bereicherungsansprüche stünden der Klägerin aufgrund der erläuterten Rechtslage ebenfalls nicht zu, weil der Beklagten als Eigentümerin von Bargeld, Schmuck und Münzen diese zugestanden hätten, die Übergabe durch die Klägerin also nicht ohne Rechtsgrund erfolgt sei und die Beklagte auch nichts auf Kosten der Klägerin erlangt habe.
Quelle | LG Köln, Urteil vom 8.5.2025, 15 O 56/25, PM vom 2.6.2025
| Online geschlossene Verträge beschäftigen die Rechtsprechung immer wieder. So wie in einem aktuellen Fall des Amtsgerichts (AG) München, das bereits den Vertragsschluss als nicht zustande gekommen betrachtete. |
Reisebuchung über Website
Eine Frau besuchte im November 2021 die Website der Beklagten, um nach Reisen im Dezember 2021 zu suchen. Unter den Suchergebnissen befand sich eine Reise nach Dubai für zwei Personen. Die Klägerin gab die Personendaten ein, um den endgültigen Reisepreis zu erfahren.
„Jetzt-kaufen“-Button
Anschließend wurde die Frau auf eine Website weitergeleitet, die Hinweise zur Unterrichtung von Reisenden bei einer Pauschalreise enthielt. Darunter befand sich ein farblich abgesetzter Kasten mit dem Text „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB […]. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben.“ Hierunter befand sich der Button „Jetzt kaufen“ mit dem Symbol eines Einkaufswagens daneben. Die Frau klickte auf die Schaltfläche „Jetzt kaufen“ und verließ anschließend die Website.
Am selben Abend erhielt die Frau eine Buchungsbestätigung und Zahlungsaufforderung der Beklagten für eine Reise nach Dubai zu einem Preis von 2.834 Euro. Da die Frau die Zahlung verweigerte, stornierte die Beklagte die Reise und stellte eine Storno-Gebühr in Höhe von 2.692,30 Euro in Rechnung. Diese bezahlte die Frau unter Vorbehalt.
War ein Vertrag geschlossen worden?
Die Frau meint, es sei kein Vertrag zwischen ihr und der Beklagten zustande gekommen, da die Gestaltung der Website nicht den gesetzlichen Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 312j Abs. 3 BGB) entspreche. Sie verklagte das Reiseunternehmen daher vor dem AG auf Rückzahlung der 2.692,30 Euro.
Amtsgericht gab der Frau Recht
Das AG gab der Frau Recht und verurteilte die Beklagte dazu, den Betrag nebst Zinsen zu zahlen. Zwischen den Parteien, so das AG, wurde schon kein wirksamer Vertrag im Sinne des § 651 a Abs. 1 BGB geschlossen. Für den Abschluss eines Vertrags bedarf es zweier übereinstimmender Willenserklärungen – Angebot und Annahme.
Es lag nach Ansicht des AG kein Angebot der Beklagten in dem Zurverfügungstellen der Internetseite mit dem Button „Jetzt kaufen“ vor. Unstreitig hat die Frau zwar auf diesen Button geklickt. Die Gestaltung der Website der Beklagten vor Bestellabschluss genügte aber nicht den Anforderungen des § 312 j Abs. 3 BGB. Denn zwar weist der Text des Buttons „Jetzt kaufen“ auf die Entgeltlichkeit des zu schließenden Vertrags hin. Allerdings kann das Symbol eines Einkaufswagens neben dem Schriftzug dahingehend verstanden werden, dass der Kunde durch das Klicken auf den Button erst seinen Warenkorb befüllt und sich nicht schon am Ende des Buchungsprozesses befindet.
Text war irreführend
Außerdem, so das AG, ist der Text „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben“ irreführend. Denn durch Auslegung ergibt sich, dass der Kunde durch das Klicken auf den „Jetzt kaufen“ - Button lediglich AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptiert, sowie die Richtigkeit der eingegebenen Daten [und] den Erhalt des Formblatts bestätigt. Von der Abgabe einer abschließenden Willenserklärung nach § 145 BGB wegen einer Reise ist dem Text nichts zu entnehmen. Vielmehr legt der Text nahe, dass bei Fortsetzung des Buchungsprozesses noch weitere Erklärungen abzugeben sind. Außerdem fehlt eine Übersicht über die zu buchenden Reise sowie eine Preisangabe.
Ein bindendes Angebot der Beklagten sah das Gericht jedoch in der übersandten Buchungsbestätigung. Dieses wurde aber von der Frau nicht angenommen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 26.1.2023, 191 C 1446/22, PM 15/25
| Das Amtsgericht (AG) Hanau hat entschieden: Der Inhalt eines Zustandsprotokolls hinsichtlich der Mietwohnung bei Ein- oder Auszug, das die Parteien unterschreiben, ist bindend. Sie können daher nicht später etwas anderes behaupten. |
Das war geschehen
Die Vermieter klagten gegen die Mieterin u. a. auf Zahlung mehrerer nicht geleisteter Mieten. Bei Rückgabe der Wohnung während des Prozesses unterschrieben beide Seiten ein Protokoll, in dem die Wohnung als mangelfrei bezeichnet wurde. Die Mieterin machte geltend, sie sei während der Mietzeit zur Mietminderung berechtigt gewesen, weil die Wohnung bis zuletzt mangelhaft gewesen sei. Sie widersprach zudem der Behauptung der Vermieter, dass frühere Mängel behoben worden wären.
Amtsgericht: Rückgabeprotokoll ist für beide Seiten verbindlich
Das AG hat die ehemalige Mieterin zur Zahlung der ausstehenden Mieten verurteilt. Diese könne sich auf Mängel der Wohnung nicht berufen. Dass solche, wie sie behauptete, bis zum Schluss vorlagen, sei schon aufgrund des von beiden Seiten unterzeichneten Protokolls widergelegt, aus dem sich ein mangelfreier Zustand bei Mietende ergebe. Denn ein solches Protokoll sei als Zustandsvereinbarung für die Parteien bindend. Dessen Zweck bestehe – gerade, weil die Erstellung freiwillig ist – darin, den dokumentierten Zustand festzuhalten, damit später keine Seite etwas anderes behaupten kann.
Dass die Mieterin, wie sie vorträgt, bestehende Mängel nur deshalb nicht aufgenommen habe, weil sie fürchtete, von den Vermietern selbst für diese verantwortlich gemacht zu werden, steht dem nicht entgegen, weil es für die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Erklärungen nicht auf die Motivation ankommt. Zugleich könne sie sich auch nicht darauf berufen, dass früher Mängel vorlagen, denn sie hat der Behauptung der Vermieter widersprochen, dass jemals Mängel behoben worden seien. Dann aber wären diese auch bei Mietende noch vorhanden gewesen, was durch das unterzeichnete Protokoll bindend widerlegt ist.
Quelle | AG Hanau, Urteil vom 11.4.2025, 32 C 37/24, PM vom 17.6.2025
| Vereinbaren Vermieter und Mieter mündlich, die Nebenkostenvorauszahlungen zu erhöhen, ist dies unwirksam. So sieht es der Bundesgerichtshof (BGH). |
Mietvertragsparteien beschlossen mündlich, die Vorauszahlungen zu erhöhen
Mieter und Vermieter vereinbarten, die Nebenkostenvorauszahlungen zu erhöhen. Dies geschah allerdings mündlich. Nachdem der Vermieter die Immobilie verkauft hatte, war der Erwerber mit der Erhöhung nicht einverstanden.
Erwerber war nicht einverstanden
Später verkaufte der Vermieter das Grundstück. Der Erwerber meinte jedoch, die o. g. Vereinbarung sei formunwirksam. Daher reduzierte er die Höhe der Vorauszahlungen.
Mieter klagte
Der Mieter wollte dies nicht akzeptieren. Schließlich musste der BGH entscheiden. Er sah die Veränderung der Nebenkostenvorauszahlungen als formbedürftig an, da sie wesentlicher Bestandteil der Miete sind.
Der BGH stellte klar, dass auch der Erwerber eines Grundstücks, der in einen bestehenden Mietvertrag eintritt, genau wissen muss, wie hoch die Miete inklusive der Nebenkostenvorauszahlung ist. Nur so kann er seine Rechte als Vermieter wahrnehmen. Der BGH nannte als Beispiel den Fall, dass ein Vermieter einem Mieter wegen Mietrückständen kündigen möchte. Dann muss er durch schriftliche Urkunden zuverlässig informiert sein.
Quelle | BGH, Beschluss vom 14.5.2025, XII ZR 88/23
| Ist eine echte Quadratmetermiete vereinbart – etwa durch Angabe eines Mietpreises pro m² – ist die Miete stets nach der tatsächlichen Fläche zu berechnen. Eine Flächenabweichung führt dann unabhängig vom Ausmaß zur Rückzahlung überzahlter Miete. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Dresden. |
Tatsächliche Fläche wich von vertraglich vereinbarter ab
Der Kläger hatte Büroräume gemietet. Der Vertrag wies eine Fläche von „ca. 70 qm“ aus und bestimmte eine Miete von „EUR 5,00/qm“. Die tatsächliche Fläche betrug jedoch nur 45,6 qm. Der Vermieter verlangte monatlich 350 EUR, der Kläger begehrte Rückzahlung der Überzahlung von 120 EUR monatlich.
Quadratmetermiete vereinbart
Das OLG Dresden stellte klar: Auch wenn die Flächenangabe laut Vertrag keine Sollbeschaffenheit festlege, wurde eine Quadratmetermiete vereinbart. In diesem Fall sei die Miete unabhängig von der Abweichung stets anhand der tatsächlichen Fläche zu berechnen.
Die Rückzahlung überzahlter Miete folge aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Das gelte unabhängig von der 10 Prozent-Grenze, die bei einem Mangel nach § 536 BGB zu beachten wäre.
Ein Wermutstropfen für den Mieter: Seine Ansprüche waren teilweise verjährt, soweit sie das Jahr 2020 betrafen.
Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 19.3.2025, 5 U 1633/24
| Die Anfechtung der Ausschlagung des Erbes wegen einer vermeintlichen Überschuldung des Nachlasses scheidet aus, wenn der Anfechtende seine Anfechtungsentscheidung nicht auf Basis von Fakten, sondern auf Basis von Spekulationen getroffen hat. Wird die Ausschlagung lediglich auf Verdacht hin erklärt, fehlt es letztlich auch an der erforderlichen Kausalität der Fehlvorstellung für die erklärte Ausschlagung. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschieden.
Erbschaft wegen Überschuldung ausgeschlagen
Die Tochter des Erblassers aus dessen erster Ehe sowie deren volljähriger Sohn haben nach dessen Tod wirksam die Ausschlagung der Erbschaft bei gesetzlicher Erbfolge wegen „Schulden/private Gründe“ erklärt. Etwa zwei Monate später hat die Tochter ihre Ausschlagungserklärung zu Protokoll des Nachlassgerichts mit der Begründung angefochten, dass sie bei der Ausschlagung der Erbschaft von der Überschuldung des Nachlasses ausgegangen sei. Dies habe ihr Bruder ihr so mitgeteilt. Sie selbst habe seit 20 Jahren keinen Kontakt zu ihrem Vater gehabt. Nun habe sie durch eigene Recherchen in Erfahrung gebracht, dass ihr Vater in einem eigenen Haus gelebt habe, was sie vorher nicht gewusst habe.
Ausschlagungsanfechtung wirksam?
Im Erbscheinsverfahren stellte die Tochter des Erblassers den Antrag, einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge zu erteilen. Die weiteren gesetzlichen Erben stellten den Antrag, einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge unter Ausschluss der Tochter zu erteilen, weil diese die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und die Anfechtungserklärung unwirksam und unbegründet sei. Diesem Antrag ist das Nachlassgericht nachgekommen und hat dabei erklärt, dass die Ausschlagungsanfechtung der Tochter des Erblassers unwirksam und unbegründet sei. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Tochter des Erblassers, der das Nachlassgericht nicht abgeholfen hat.
Oberlandesgericht: „Nein“!
Die vom Nachlassgericht dem OLG zur Entscheidung vorgelegte Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen, weil das Nachlassgericht zu Recht zu der Auffassung gelangt sei, dass die von der Tochter erklärte Ausschlagung der Erbschaft weiterhin wirksam ist.
Der Anfechtende sei bei einer Anfechtung einer erfolgten Erbausschlagung beweispflichtig für die Voraussetzungen der jeweiligen Anfechtungstatbestände. Hinsichtlich des geltend gemachten erheblichen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses im Hinblick auf eine angenommene Überschuldung sei es zwar richtig, dass die Überschuldung eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses darstellen könne. Jedoch werde eine Fehlvorstellung darüber, dass die (Nachlass-)Verbindlichkeiten den (Aktiv-)Wert des Nachlasses übersteigen, nur dann als relevant angesehen, wenn sie darauf beruhe, dass der Ausschlagende unrichtige Vorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses hatte.
Dagegen werde gemäß der vom Nachlassgericht in dem angefochtenen Beschluss zitierten Rechtsprechung ein erheblicher Irrtum über eine Überschuldung als eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses verneint und stattdessen ein nicht zu einer Anfechtung berechtigender Motivirrtum angenommen, wenn der Anfechtende zu seiner Vorstellung nicht aufgrund einer Bewertung ihm bekannter oder zugänglicher Fakten zu dem Ergebnis gelangt sei, sondern seine Entscheidung, die Erbschaft auszuschlagen, auf spekulativer, bewusst ungesicherter Grundlage getroffen habe.
Folge: Das Nachlassgericht habe zu Recht das Vorliegen eines zur Anfechtung berechtigten Irrtums bei der Tochter des Erblassers verneint, da diese keineswegs dargelegt und schon gar nicht bewiesen habe, dass sie die Ausschlagung wegen einer angeblichen Überschuldung des Nachlasses erst nach einer Bewertung der ihr bekannten und zugänglichen Fakten vorgenommen habe.
Quelle | OLG Zweibrücken, Urteil vom 7.3.2025, 8 W 20/24
| Die Suche nach einem Testament hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Das Fazit: Mit der richtigen Vorsorge lassen sich später Schwierigkeiten vermeiden. |
Nach dem Tod eines Mannes stritten seine Witwe und sein Sohn darüber, ob er ein Testament hinterlassen hatte: Die Witwe behauptete das – doch gefunden hatte sie das Testament nicht. In der ersten Instanz hatte das Landgericht (LG) deshalb zehn Zeugen vernommen, die aber keine endgültige Klärung brachten. Beim OLG nahm die Frau schließlich ihre Klage zurück und erkannte den Sohn als gesetzlichen Miterben an.
Mögliche Erben tragen die Beweislast
Der Fall ist keine Seltenheit: Viele Angehörige müssen sich nach dem Tod ihres Verwandten die Frage stellen, ob es ein Testament gibt und wo es sich befindet. Auf vermeintlich sichere Orte ist dabei nicht immer Verlass. In dem entschiedenen Fall wurde vergeblich nach einem Bankschließfach gesucht, in einem anderen aktuellen Fall ebenso erfolglos in einem Waffenschrank. Für die möglichen Erben kann das entscheidend sein: Wer sich auf ein Testament berufen will, muss auch dessen Existenz und Inhalt beweisen.
Amtsgerichte und Notare bieten Sicherheit
Schutz vor Ungewissheiten bieten die Amtsgerichte (AG) und Notare. Wenn ein Testament von einem Notar errichtet oder bei einem Amtsgericht hinterlegt wird, wird das im Zentralen Testamentsregister vermerkt. Im Todesfall gibt es einen Informationsaustausch zwischen dem Standesamt, dem Testamentsregister und der Stelle, die das Testament verwahrt. Das Testament wird dann automatisch an das zuständige AG weitergeleitet, das die Erben informiert und das Testament eröffnet. Eine Hinterlegung beim AG mit Registrierung kostet 93 Euro.
Quelle | OLG Celle, PM vom 11.4.2025
| Das Verwaltungsgericht (VG) Braunschweig hat die Klage zweier Hauseigentümer abgewiesen, die eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach ihres Gebäudes in der als Denkmal geschützten und von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannten Altstadt Goslars errichten wollten. |
Das VG stellte in seinem Urteil fest: Nach den geltenden Regelungen des Bundes- und Landesrechts müssen die Behörden Solaranlagen in aller Regel auf denkmalgeschützten Gebäuden genehmigen. Die Nutzung erneuerbarer Energien habe weitgehend Vorrang, in der weitaus größten Zahl der Fälle bestehe deswegen ein Rechtsanspruch auf Genehmigung von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden. Für „atypische Situationen“ sehe das Gesetz aber Ausnahmen vor. Das gelte für besonders wertvolle Denkmäler und bei besonders schwerwiegenden Eingriffen in ein Denkmal. In diesen Fällen sei eine Abwägung erforderlich. Ein solcher (seltener) Ausnahmefall liege hier vor: Das Gebäude der Kläger sei als Bestandteil des UNESCO-Weltkulturerbes in besonderem Maße schutzbedürftig. Zusätzlich liege in der Installation der Anlage nach der fachlichen Einschätzung des zum Verfahren beigeladenen Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege (NLD) auch ein besonders schwerer Eingriff in das Denkmal vor. Das Gesamterscheinungsbild der zusammenhängenden historischen Bebauung, die den Denkmalwert hier gerade ausmache, würde nach der Darstellung des NLD durch die Installation der Solaranlage erheblich gestört werden. Das Gebäudes ei aus dem öffentlichen Straßenraum heraus wahrnehmbar und die Solaranlage würde sich außerdem durch die vorgesehene dunkle Farbe deutlich von dem Dachgebilde abheben.
Das VG folgte dieser fachlichen Einschätzung. Weil hier ein besonders schutzwürdiges Denkmal (Goslarer Altstadt als Gruppendenkmal) beeinträchtigt sei und ein besonders schwerwiegender Eingriff vorliege, überwiege der Denkmalschutz in diesem besonderen Fall ausnahmsweise das Interesse an der Nutzung erneuerbarer Energien. Das VG wies auf die Präzedenzwirkung hin, die eine Genehmigung hätte: In allen Fällen dieser Art müssten dann Solaranlagen genehmigt werden; dies würde die historische Dachlandschaft der Altstadt weitgehend verändern.
Quelle | VG Braunschweig, Urteil vom 25.6.2025, 2 A 21/23, PM vom 25.6.2025
| Wie muss eine Baustelle abgesichert sein, damit der Bauherr seiner ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht genügt? Diese Frage musste das Landgericht (LG) Koblenz entscheiden. |
Das war geschehen
Die Parteien stritten über von der Klägerin geltend gemachte Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld aus einem Sturz im Bereich einer Straße. Diese Straße verfügt über keinen gesondert ausgewiesenen Gehweg.
Die Beklagte führte zu diesem Zeitpunkt Straßenbaumaßnahmen auf der teilweise deutlich erneuerungsbedürftigen Straße durch. Diese führten u. a. zu einer Fräskante auf der Straße. Der betroffene Streckenabschnitt war gemäß der behördlichen Anordnung beschildert. Die Klägerin stürzte an der Fräskante und erlitt eine distale Radiusfraktur links. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt habe. Auf die Fräskante sei nicht ordnungsgemäß hingewiesen worden. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass sie ihre Verkehrssicherungspflichten vollumfänglich erfüllt habe. Jedenfalls sei der Klägerin ein so erhebliches Mitverschulden anzulasten, dass schon aus diesem Grund der geltend gemachte Anspruch ausgeschlossen sei.
Amtsgericht: Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht, aber auch Mitverschulden
Das Amtsgericht (AG) hat die Beklagte verurteilt, rund 1.000 Euro sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 272,60 Euro, jeweils zuzüglich Zinsen, an die Klägerin zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits legte das AG den Parteien zu je 50 % auf.
Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte eine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Es fehle an einem Schild mit ausdrücklichem Bezug zu einer Baustelle oder an einem Schild mit dem Hinweis auf Fahrbahnunebenheiten. Das AG sah zulasten der Klägerin jedoch auch ein Mitverschulden, da sie nach Überqueren der ersten Fräskante eine weitere Fräskante habe erwarten müssen.
Hiergegen wenden sich beide Parteien jeweils mit dem Rechtsmittel der Berufung und dem Ziel, mit ihren jeweiligen Anträgen vollumfänglich zu obsiegen.
Landgericht: Klage abgewiesen
Das LG hat dem Antrag der Beklagten auf Klageabweisung vollumfänglich stattgegeben und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Schmerzensgeld oder materiellen Schadenersatz gegen die Beklagte. Der Beklagten könne bereits keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht vorgeworfen werden. Auf ein mögliches Mitverschulden der Klägerin komme es vor diesem Hintergrund schon nicht mehr an.
Grundsätzlich Verkehrssicherungspflicht bei Gefahrenquelle, ...
Im Grundsatz sei der, der eine Gefahrenquelle schafft, dazu verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu vermeiden. Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflicht beginne erst dort, wo auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintrete und nicht rechtzeitig erkennbar sei. Entscheidend seien daher auch die äußeren Gesamtumstände. Für Gefahrenstellen innerhalb eines erkennbaren Baustellenbereiches bedeute dies, dass nicht jede Unebenheit besonders gekennzeichnet werden müsse. Unebenheiten seien in Baustellenbereichen grundsätzlich zu erwarten. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte den Baustellenbereich ausreichend deutlich gekennzeichnet. Bei einer Fräskante handele es sich um eine typische Baustellenunebenheit, mit der ein Fußgänger im Bereich einer Baustelle zu rechnen hätte.
... aber erkennbarer Baustellenbereich und Dunkelheit erfordern erhöhte Aufmerksamkeit
Die Sturzstelle liege auf einer untergeordneten Straße mit deutlich erkennbaren erheblichen Beschädigungen, die vor allem dem Fahrzeugverkehr gewidmet sei. Fußgänger dürften hier keinen hindernisfreien Weg erwarten, wie beispielsweise bei einer Fußgängerzone. Die Straße sei zum Zeitpunkt des Vorfalls bei Dunkelheit (20:20 Uhr an einem Februartag) nicht durchgängig beleuchtet gewesen, weswegen Fußgänger in eigener Verantwortung besonders auf den Fahrbahnbelag zu achten hätten. Durch die Aufstellung der Warnbaken mit Blinklichtern und das erkennbar vorübergehend angeordnete Einfahrtsverbot für Fahrzeuge aller Art hätte der Klägerin bewusst sein müssen, dass sie einen Baustellenbereich betrete. Wie bereits ausgeführt, habe sich der Straßenbelag schon zuvor in einem schlechten Zustand befunden. Dass bei einer Baustelleneinrichtung daher (auch) Ausbesserungsarbeiten am Straßenbelag durchgeführt werden, sei zu erwarten. Dies schließe ebenfalls Abfräsarbeiten von altem Straßenbelag mit ein.
Quelle | LG Koblenz, Urteil vom 31.1.2025, 13 S 32/24, PM des LG
| Inflationsausgleichszahlungen für Beamte in Elternteilzeit zu kürzen, ist zulässig. So sieht es das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |
Das Landesgesetz zur Anpassung der Besoldung 2024/2025 in Rheinland-Pfalz sah eine einmalige Inflationsausgleichszahlung von 1.800 Euro vor. Teilzeitbeschäftigte Beamte erhielten den Betrag anteilig gemäß ihrer Arbeitszeit. Berechtigt waren Beamte mit Dienstverhältnis am 9.12.2023 und mindestens einem Tag Anspruch auf Dienstbezüge zwischen dem 1.8.2023 und dem Stichtag. Die Kläger, eine Beamtin und ein Beamter, arbeiteten während ihrer Elternzeit in Teilzeit und erhielten gekürzte Zahlungen, während vollzeitfreigestellte Kollegen die volle Summe erhielten. Diese Ungleichbehandlung wurde von ihnen als verfassungswidrig gesehen.
Das VG: Der Gesetzgeber verfügt bei solchen Sonderzahlungen über einen großen Gestaltungsspielraum. Die Differenzierung zwischen vollzeitfreigestellten und teilzeitbeschäftigten Beamten ist gerechtfertigt. Während man die Höhe der Sonderzahlung für Letztere anhand des (reduzierten) Umfangs ihrer Arbeitszeit am Stichtag des 9.12.2023 errechnen konnte, war dies bei den vollständig freigestellten Beamten nicht der Fall. Vollzeitfreigestellten Beamten ohne Dienstleistung hätte gemäß ihrer Arbeitszeit kein Anspruch zugestanden. Insoweit hat ein sachliches Bedürfnis bestanden, den Stichtag für sie zu verschieben. Aufgrund der unterschiedlichen Entlohnungssysteme kommt es ferner nicht darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen der Personengruppe der Tarifbeschäftigten Sonderzahlungen gewährt worden sind.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 1.4.2025, 5 K 967/24.KO
| Es ist Sache des Arbeitgebers, zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren will. Liegt in Gestalt einer Konfliktlage einhinreichender Anlass vor und ist eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, ist grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Der Arbeitgeber verletzt seinen Ermessensspielraum erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lässt. So hat es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden. |
Das war geschehen
Das LAG musste über die Versetzung eines Arbeitnehmers aufgrund des Vorwurfs der sexuellen Belästigung entscheiden. Dabei kam es zum Ergebnis, dass die örtliche Umsetzung dem billigen Ermessen entsprochen habe.
Mehrfache sexuelle Belästigung einer Arbeitskollegin stand im Raum
Der Vorwurf der mehrfachen sexuellen Belästigung einer Arbeitskollegin und die ausgesprochene Empfehlung der Antidiskriminierungsstelle, dem Arbeitnehmer für das Büro ein Betretungsverbot auszusprechen, waren zwar Auslöser für die Umsetzungsentscheidung des Arbeitgebers. Der gerichtliche Nachweis einer sexuellen Belästigung sei aber keine Tatbestandsvoraussetzung für die Umsetzung. Daher sei es unerheblich, dass der beklagte Arbeitgeber in der über einem Jahr später stattgefundenen Beweisaufnahme die sexuelle Belästigung nicht habe nachweisen können. Dies ergebe sich zudem daraus, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle der Zeitpunkt sei, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen habe.
Arbeitgeber hat Ermessensspielraum
Es sei Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren wolle. Er müsse dabei nicht zunächst die Ursachen und Verantwortlichkeiten für die entstandenen Konflikte im Einzelnen aufklären. Liege in Gestalt einer Konfliktlage ein hinreichender Anlass vor und sei eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, sei ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Seinen Ermessensspielraum verletze der Arbeitgeber erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lasse. Diese waren hier nicht gegeben.
Zwar möge der Arbeitnehmer die Umsetzung als „Strafe“ empfinden. Die Umsetzung diene aber der Befriedung des Konflikts und sei keine „Bestrafung“. Der Arbeitgeber habe sich bei der Entscheidung von zutreffenden Erwägungen leiten lassen. Eine räumliche Trennung der Protagonisten innerhalb des Projektbüros sei aufgrund dessen Größe und der gemeinsam genutzten Flächen nicht möglich. Es sei daher ermessensgerecht, dem Arbeitnehmer einen anderen Dienstort zuzuweisen.
Betriebsfrieden war gefährdet
Letztlich konnte sich das LAG nicht vorstellen, wie die Arbeitnehmerin und der Arbeitnehmer jemals wieder unbefangen hätten zusammenarbeiten können. Denn mindestens aus Sicht der Kollegin sei der Arbeitnehmer ein sexueller Belästiger. Und aus Sicht des Arbeitnehmers sei die Frau eine Falschbeschuldigerin. Dies beeinträchtige nicht nur das Verhältnis der Protagonisten untereinander, sondern in einem so kleinen Büro auch den Betriebsfrieden insgesamt.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 25.2.2025, 7 SLa 456/24
| Auch in einem Minijob gibt es bezahlten Urlaub. Doch in diesem Zusammenhang stellen sich viele Fragen: Wie viele freie Tage stehen einem Minijobber zu? Was gilt bei unregelmäßiger Arbeitszeit? Wie wirkt sich das Urlaubsgeld auf den Minijob aus? Diese und weitere Fragen hat die Minijob-Zentrale jüngst beantwortet. |
So erläutert die Minijob-Zentrale beispielsweise, dass der Lohn während des Urlaubs weitergezahlt werden muss (Urlaubsentgelt). Das ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt. Zusätzlich kann es Urlaubsgeld geben (als freiwillige Zahlung zum Urlaub).
Quelle | Minijob-Zentrale vom 11.6.2025 „Urlaub im Minijob: Ihre Fragen – Wir antworten!"
| Es gibt steuerliche Betriebsprüfungen, die bereits nach kurzer Zeit abgeschlossen sind. Andere Prüfungen hingegen ziehen sich über Monate oder sogar über Jahre hin. Um die Betriebsprüfung zu beschleunigen, wurden nun mehrere gesetzliche Änderungen vorgenommen. |
Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen
Verzögerungen bei einer Betriebsprüfung können mitunter auf eine unzureichende Mitwirkung des Steuerpflichtigen zurückzuführen sein. Um dem entgegenzuwirken, sieht der neue § 200 a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) das qualifizierte Mitwirkungsverlangen vor, das sich auf die Mitwirkungspflichten nach § 200 AO stützt. Danach hat der Steuerpflichtige u. a. Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben.
Ermessensentscheidung des Prüfers
Das (neue) qualifizierte Mitwirkungsverlangen stellt eine Ermessensentscheidung des Prüfers dar, die frühestens nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ergehen darf. Entscheidet sich der Prüfer für ein solches Mitwirkungsverlangen, ist es schriftlich oder elektronisch (versehen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung) zu erteilen.
Beachten Sie | Der Steuerpflichtige muss in diesem Fall schnell handeln. Denn das Mitwirkungsverlangen ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe zu erfüllen. Nur in begründeten Einzelfällen kann die Frist verlängert werden.
Neu: Mitwirkungsverzögerungsgeld
Problematisch wird das qualifizierte Mitwirkungsverlangen für den Steuerpflichtigen, wenn es nicht oder nicht hinreichend innerhalb der Frist erfüllt wird. Denn in diesen Fällen wird das neu eingeführte Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt (§ 200 a Abs. 2 AO). Ausnahme: Die Mitwirkungsverzögerung erscheint entschuldbar, beispielsweise bei einer stark beeinträchtigenden Erkrankung.
Beachten Sie | Das Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung (also für jeden vollen Tag nach Verstreichen der im Mitwirkungsverlangen gesetzten Frist) 75 Euro. Gerechnet werden die Tage bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Mitwirkungsverlangen erfüllt wird – spätestens bis zum Tag der Schlussbesprechung. Denn nach der Schlussbesprechung gibt es keinen Bedarf mehr, eine Mitwirkung sicherzustellen.
Allerdings dürfen maximal 150 Tage zugrunde gelegt werden, sodass das Mitwirkungsverzögerungsgeld maximal 11.250 Euro betragen kann (150 Tage × 75 Euro).
Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld
Nicht immer bleibt es bei dem Mitwirkungsverzögerungsgeld. Denn es steht im Ermessen des Prüfers, nach § 200 a Abs. 3 AO zusätzlich einen Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzen. Voraussetzung ist, dass
- gegen den Steuerpflichtigen in den letzten fünf Jahren ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wurde und zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt oder
- wegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt. Davon ist auszugehen, wenn die Umsatzerlöse in einem der von der Prüfung umfassten Jahre mindestens 12 Mio. Euro betragen oder sich die konsolidierten Umsatzerlöse bei Konzernen auf mindestens 120 Mio. Euro belaufen.
Entscheidet sich der Prüfer für den Zuschlag, steht auch die Höhe in seinem Ermessen. Dabei darf der Zuschlag höchstens 25.000 Euro für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung betragen – ebenfalls für maximal 150 Tage (maximal somit 3,75 Mio. Euro).
Teilabschlussbescheid und Inkrafttreten
Um die Betriebsprüfungen zu beschleunigen, wurde auch der neue Teilabschlussbescheid eingeführt. Denn oft scheitert der zeitnahe Abschluss an einem einzelnen Sachverhalt, der nur durch intensiven Arbeitseinsatz aufgeklärt werden kann. Das Problem: So entsteht keine Rechtssicherheit bezüglich weiterer geprüfter Sachverhalte.
Durch den neuen § 202 Abs. 3 AO hat der Prüfer die Möglichkeit, bereits vor Abschluss der Prüfung einen Teilprüfungsbericht zu übermitteln und im Anschluss einen Teilabschlussbescheid zu erlassen. Hierdurch lassen sich einzelne im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte und abgrenzbare Feststellungen vor dem abschließenden Prüfungsbericht gesondert feststellen. Kann der Steuerpflichtige ein erhebliches Interesse an einem Teilabschlussbescheid glaubhaft machen, soll dieser auf Antrag ergehen.
Beachten Sie | Die Neuerungen gelten erst für Steuern und Steuervergütungen, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Sie sind aber auch für Steuern und Steuervergütungen anzuwenden, die vor dem 1.1.2025 entstehen, wenn für diese Steuern und Steuervergütungen nach dem 31.12.2024 eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde.
Quelle | Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie, BGBl I 2022, S. 2730
| Verlängert sich die dem Verbraucher gesetzlich eingeräumte 14-tägige Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge, wenn der Verkäufer in seiner Widerrufsbelehrung seine Telefonnummer nicht angibt? Diese Frage hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden. |
Kauf im Online-Shop über 62.000 Euro
Der Kläger hatte am 4.5.2022 über den Onlineshop der Beklagten ein Elektrofahrzeug zum Preis von rund 62.000 Euro erworben. Die Auslieferung des Fahrzeugs erfolgte am 20.12.2022. Am 14.8.2023 erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrags. Zu spät, entschied nun auch das OLG in zweiter Instanz und wies damit die Berufung des Klägers zurück.
Rechtlicher Hintergrund
Verbrauchern steht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: §§ 312 g Abs. 1, 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, im Normalfall beginnend ab Erhalt der Ware. Wird der Verbraucher jedoch nicht korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB). Die Informationspflichten des Unternehmers ergeben sich aus dem Einführungsgesetz zum BGB (hier: Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB). Der Unternehmer kann die Informationspflichten auch durch die Verwendung einer Musterwiderrufsbelehrung erfüllen, die sich in der Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB befindet.
Fehlende Telefonnummer ohne Auswirkungen
Hier hatte die Autohändlerin in ihrer selbst formulierten Widerrufsbelehrung, die sie dem Kläger übermittelte, keine Telefonnummer angegeben. Diese war jedoch auf der Internetseite der Beklagten zu finden. Das OLG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist geführt hat.
Widerruf eines Autokaufs wahrscheinlich eher schriftlich als per Telefon
Es entschied, dass die Widerrufsbelehrung auch ohne Angabe einer Telefonnummer den gesetzlichen Anforderungen genügt und sich die Widerrufsfrist daher nicht verlängert. Die Nichtangabe der Telefonnummer begründe bei einem Autokauf, der von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sei, nicht die Gefahr, dass der Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werde.
Ein typischer Kunde würde allein aus Beweiszwecken bei den hohen Summen eines Elektroautokaufs den Widerruf vernünftigerweise auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. per E-Mail) übermitteln.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 7.11.2024, 14 U 95/24, PM 8/25
| Hat sich der Übergeber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anlässlich der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ein Wohnungsrecht an einer Wohnung des übergebenen Vermögens vorbehalten, ist ein Sonderausgabenabzug des Mietwerts nach Meinung der Finanzverwaltung ausgeschlossen. Dieser Ansicht hat aber nun das Finanzgericht (FG) Nürnberg widersprochen. |
Hintergrund: Wird ein Betrieb gegen Versorgungsleistungen auf nahe Angehörige übertragen, kann der Betriebsübernehmer die Versorgungsleistungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 a Nr. 2 EStG) als Sonderausgaben abziehen, die der Empfänger versteuern muss (nach § 22 Nr. 1a EStG).
Das war geschehen
Anlässlich einer Hofübergabe wurde dem Übergeber ein Altenteil in Form eines vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts, Taschengelds und der Mitbenutzung von Gegenständen eingeräumt. Den vom Vermögensübernehmer als Sonderausgaben geltend gemachten Nutzungswert der Altenteilerwohnung erkannte das Finanzamt allerdings nicht an, da nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2010 nur die mit der Nutzungsüberlassung tatsächlich zusammenhängenden Aufwendungen (wie Strom, Heizung, Wasser und Instandhaltungskosten), nicht jedoch der Nutzungswert der Altenteilerwohnung berücksichtigt werden können.
Finanzgericht gibt Kläger Recht, Revision ist eingelegt
Die hiergegen eingelegte Klage war vor dem FG Nürnberg erfolgreich. Nach Auffassung des FG kann der Fall, dass der Versorgungsberechtigte mit dem ihm gewährten (höheren) Barunterhalt selbst eine Wohnung mietet, für den Bereich des Sonderausgabenabzugs nicht anders behandelt werden als der Fall, in dem sich die Versorgungsleistung aus (niedrigerem) Barunterhalt und unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zusammensetzt.
Da die Revision anhängig ist, muss nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden.
Quelle | FG Nürnberg, Urteil vom 6.2.2025, 4 K 1279/23, Rev. BFH: X R 5/25, BMF-Schreiben vom 11.3.2010, IV C 3 - S 2221/09/10004, Rz. 46
| Der Bundesfinanzhof (BFHZ) hat jüngst entschieden, dass die Erteilung von Reitunterricht nicht von der Umsatzsteuer befreit ist, es sei denn, der Unterricht dient der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung. |
Das war geschehen
Im Streitfall begehrte der Kläger die Steuerbefreiung verschiedener Reitkurse für Kinder und Jugendliche auf seinem Reiterhof in den Jahren 2007 bis 2011. In der „Ponygruppe“ wurden Kinder und Jugendliche und bei „Klassenfahrten“ wurden Schulklassen im Umgang mit Pferden unterrichtet.
Zudem wurden Kurse für eine „Große Pferdegruppe“ angeboten, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen gerichtet waren. Die unterrichteten Kinder und Jugendlichen wurden darüber hinaus verpflegt und übernachteten teilweise auch auf dem Reiterhof.
Uneinigkeit der gerichtlichen Instanzen
Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, dass sämtliche Leistungen steuerpflichtig seien. Das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein sah das aber größtenteils anders. So seien die Umsätze insoweit steuerfrei, als sie auf die Beherbergung und Verpflegung sowie auf den Teil des Reitunterrichts entfielen, mit dem die formalen Voraussetzungen dafür erlangt werden können, später den Beruf des Turniersportreiters auszuüben („Große Pferdegruppe“).
Der Meinung des Finanzgerichts hat sich der BFH aber nicht vollumfänglich angeschlossen.
Der BFH stellte klar, dass es sich bei der Beherbergung und Verpflegung von Kindern und Jugendlichen um selbstständige steuerbare Leistungen neben dem Reitunterricht handelt. Er hob weiter hervor, dass Reitunterricht (als spezialisierter Unterricht) kein „Schul- und Hochschulunterricht“ ist.
Beachten Sie | Entsprechendes ist bereits für Segel-, Fahr-, Schwimm-, Jagd- und Tanzschulen entschieden worden.
Anerkennung als Ausbildung an strenge Voraussetzungen geknüft
Die Einstufung von Reitunterricht als „Ausbildung“ oder „Fortbildung“ kommt nach Auffassung des BFH nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Reitunterricht, der typischerweise der Freizeitgestaltung dient, ist in der Regel keine Ausbildung oder Fortbildung, da er nicht auf einen bestimmten Beruf vorbereitet. Die Kurse der „Ponygruppe“ und für Schulklassen im Rahmen der „Klassenfahrten“ sind daher umsatzsteuerpflichtig.
Beachten Sie | Die Ansicht des BFH dürfte insoweit strenger sein als die Auffassung der Finanzverwaltung zu Ballett-, Tanz- oder Musikunterricht.
Spätere Turniersportreiter: umsatzsteuerfreie Kurse
Bei den Kursen der „Großen Pferdegruppe“ lagen hingegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme vor, da zahlreiche Teilnehmer später Turniersportreiter wurden. Diese Kurse sind folglich umsatzsteuerfrei.
Hinsichtlich der Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für die Kinder und Jugendlichen führte der BFH aus, dass die hierfür seinerzeit geltende Steuerbefreiung nur in Betracht kommt, wenn eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter vorliegt. Bereits hieran fehlte es aber im Streitfall. Denn der Kläger konnte eine solche Anerkennung nicht vorweisen.
Beachten Sie | Seit dem 1.1.2020 können nur noch die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben insoweit umsatzsteuerbefreit sein, was der Kläger aber nicht ist.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 9/22, PM 35/25 vom 30.5.2025
| Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen und übernimmt der neue Eigentümer die auf dem Grundstück lastenden Schulden, liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund : Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Spekulationsbesteuerung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 23 EStG).
Beachten Sie | Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die
- im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
Das war geschehen
Der Vater hatte im Jahr 2014 ein Grundstück für 143.950 Euro erworben und teilweise fremdfinanziert. 2019 übertrug er das Grundstück auf seine Tochter. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Grundstück einen Wert von 210.000 Euro. Die Tochter übernahm die am Übertragungstag bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 115.000 Euro.
Finanzamt: Aufteilung in entgeltlich und unentgeltlich
Das Finanzamt teilte den Vorgang (ausgehend vom Verkehrswert im Zeitpunkt der Übertragung) in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichenTeil auf. Soweit das Grundstück unter Übernahme der Verbindlichkeiten entgeltlich übertragen worden war, besteuerte das Finanzamt den Vorgang als privates Veräußerungsgeschäft.
Hiergegen klagte der Vater vor dem Finanzgericht (FG) Niedersachsen und bekam Recht. Die Begründung: Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten sind keine Veräußerungen (im Sinne des § 23 EStG).
Höchste Instanz bestätigt Vorgehen des Finanzamts
Doch die Freude währte nicht lange, denn der BFH schloss sich der Ansicht des Finanzamts an.
- Wird ein Wirtschaftsgut übertragen und werden damit zusammenhängende Verbindlichkeiten übernommen, liegt regelmäßig ein teilentgeltlicher Vorgang vor. In diesem Fall erfolgt eine Aufteilung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichenTeil.
- Wird das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen, unterfällt der Vorgang hinsichtlich des entgeltlichen Teils als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensteuer.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.3.2025, IX R 17/24, PM 37/25 vom 30.5.2025
| Frauen muslimischen Glaubens haben keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kfz mit einem Gesichtsschleier (Niqab). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin bestätigt. |
Antrag auf Ausnahmegenehmigung
Die Klägerin hatte ihren Antrag auf Ausnahmegenehmigung damit begründet, dass sie sich gemäß ihrem Glauben außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Da sie im Auto den Blicken fremder Menschen ausgesetzt sei, müsse es ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Das VG hatte die Klage abgewiesen.
Berufung nicht zugelassen
Das OVG hat den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Mit ihren Einwendungen hat die Klägerin es nicht vermocht, ernstliche Richtigkeitszweifel an der Entscheidung des VG zu wecken oder Verfahrensfehler offenzulegen.
Keine wesentliche Einschränkung der Religionsfreiheit
Die Annahme des VG, dass das Tragen einer Gesichtsverschleierung während des Autofahrens für die Religionsausübung typischerweise keine wesentliche Einschränkung bedeutet und angesichts der zeitlich und örtlich eingeschränkten Wirkung des Verbots hinzunehmen ist, konnte sie nicht durchgreifend in Frage stellen.
Dasselbe gilt für die Annahme des VG, dass das der zuständigen Behörde bei der Frage der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt wurde, weil der Eingriff zur Sicherstellung der effektiven automatisierten Verkehrsüberwachung gerechtfertigt ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Quelle | OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.4.2025, OVG 1 N 17/25 , PM 11/25
| Wer seine SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergibt, hat keinen Anspruch auf Rückzahlung abgebuchter Kreditkartenbeträge. So entschied es das Amtsgericht (AG) München. |
Das war geschehen
Der Ehemann der Klägerin wollte am Samstag, den 6.1.2024, für seine Ehefrau und sich eine Reise im Internet buchen. Hierzu gab er auf der Website „Check24“ die Daten der Kreditkarte seiner Ehefrau ein. Kurz darauf erschien eine Mitteilung, dass ein Betrag in Höhe von 318,99 Euro vorgemerkt sei, ehe weitere Mitteilungen über vergleichbare Vormerkungen erschienen. Die Klägerin veranlasste noch am selben Abend telefonisch die Sperrung der Kreditkarte. Am Montag, den 8.1.2024 sind sechs unberechtigte Abbuchungen zu je 318,99 Euro für Giftcards vom Konto der Klägerin erfolgt, insgesamt 1.953,29 Euro.
Zur Autorisierung der Transaktionen fand das Mastercard 3D-Secure-Verfahren Anwendung. Zur Aktivierung dieses Verfahrens auf einem weiteren Gerät übersandte die beklagte Bank am 6.1.2024 eine SMS-TAN an die von der Klägerin bei der Beklagten hinterlegte Mobilfunknummer. Die an die Klägerin versandte SMS-TAN wurde dann auf dem weiteren mobilen Endgerät, auf dem auch die Banking-App freigeschaltet wurde, am 6.1.2024 eingegeben und damit das Secure-Verfahren aktiviert.
Die Klägerin behauptete, dass sie diese Abbuchungen nicht autorisiert habe. Bei der Buchung sei sie nicht nach PIN oder Passwort gefragt worden, sie habe auch nirgendwo eine SMS-Tan eingegeben. Es sei nicht erkannt worden, dass es sich möglicherweise um eine „Fake“-Website handelte.
Die beklagte Bank ging davon aus, dass die Frau die SMS-Tan an einen Dritten weitergegeben haben muss, da eine Freigabe der Buchungen anders technisch nicht möglich gewesen sei und verweigerte die Zahlung. Die Klägerin verklagte die Bank daher vor dem AG auf Rückzahlung der 1.953,29 Euro.
So sah das Amtsgericht den Sachverhalt
Das AG wies die Klage ab. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Abbuchungen nicht von der Klägerin autorisiert waren, sondern von Dritten getätigt wurden. Aufgrund der Beweisaufnahme war das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin die SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergegeben haben muss, weshalb ein Schadenersatzanspruch der Bank gegen die Klägerin in gleicher Höhe bestehe, mit dem die Bank aufgerechnet habe.
Das AG: Der Vortrag der Bank, dass diese in ihren Systemen feststellen konnte, dass das Mastercard 3D-Secure Verfahren per Banking App für die Kreditkarte der Klägerin am 6.1.2024 um 13:30 Uhr aktiviert wurde, und zur Aktivierung dieses Verfahrens auf dem neuen Gerät eine SMS-TAN an die im Vertrag hinterlegte Mobilfunknummer der Klägerin versandt wurde, wurde durch Inaugenscheinnahme des Mobiltelefons der Klägerin bestätigt. Dort befindet sich eine SMS vom 6.1.2024 13:29 Uhr mit dem Inhalt: „ … ist Ihre TAN für die Aktivierung von Mastercard Identity Check vom 6.1.2024 13:44 Uhr.“ Der Eingang der SMS um 13:29 Uhr war im eingesehenen Nachrichtenverlauf um 13:29 Uhr dokumentiert und wird auch durch das vorgelegte IT-Protokoll belegt. Der Vortrag der Klägerin, keine SMS-TAN erhalten zu haben und dass ihr Mobiltelefon nicht in die Freigabe involviert war, erwies sich damit als widerlegt.
SMS-Tan war unzweifelhaft eingegeben worden
Die Bank hat unbestritten vorgetragen, dass aufgrund der manuellen Eingabe einer an die Mobilfunknummer der Klägerin versandten SMS-Tan ein Fremdzugriff technisch ausgeschlossen ist. Es wurde ein neues Gerät im Online-Banking der Klägerin als Freigabeinstrument im Rahmen des 2-Faktor-Authentifizierungsverfahrens hinterlegt. Hierzu war – technisch zwingend – die Eingabe der SMS-Tan erforderlich. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Klägerin durch Preisgabe der SMS-Tan Dritten eine Registrierung eines Geräts ermöglicht hat, wobei die Preisgabe persönlicher Sicherheitsmerkmale an Dritte gemäß den vertraglichen Bestimmungen untersagt war.
Verhalten der Klägerin war grob fahrlässig
Das Verhalten der Klägerin bewertet das Gericht als grob fahrlässig. Es ist eine Sache, wenn man seine Kreditkartendaten offenbart. Diese werden bei jeder Verwendung offenbart und können auch von der Karte abgelesen werden.
Die Weitergabe eines im Rahmen einer Zwei-Faktor-Autorisierung erhaltenden Zugangscodes kann nicht damit gleichgesetzt werden. Mit dieser Weitergabe hilft der Nutzer, die Sicherheitsarchitektur grundlegend auszuhebeln. Es muss jedem verständigen Nutzer solcher Kreditkarten klar sein, welches Risiko er mit der Weitergabe derartiger Daten schafft. Die Klägerin mag dies nicht bewusst getan haben und es mag auch nicht erinnerlich sein. Indessen lässt sich der Vorgang plausibel nicht anders erklären.
Quelle | AG München, Urteil vom 8.1.2025, 271 C 16677/24, PM 14/25
| Nach den Vorgaben des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes (FKAustG) werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates automatisch ausgetauscht. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun die Staatenaustauschliste 2025 bekanntgegeben. Enthalten sind die Staaten, mit denen der automatische Datenaustausch zum 30.9.2025 erfolgt. Weitere Informationen zum Informationsaustausch erhalten Sie u. a. auf der Website des Bundeszentralamts für Steuern (abrufbar unter www.iww.de/s2991). |
Quelle | BMF-Schreiben vom 3.6.2025, IV D 3 - S1315/00304/070/025
| Die Vermietung von Zimmerkontingenten an eine Kommune zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter überschreitet nicht den Nutzungszweck eines zum Hotelbetrieb gepachteten Gebäudes. Dies gilt jedenfalls, solange hiermit keine übermäßige Abnutzung oder sonstige Beeinträchtigung für den Verpächter verbunden ist, die über die übliche Nutzung durch Hotelgäste hinausgeht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die auf Räumung und Herausgabe des Hotels gerichtete Klage der Verpächterin abgewiesen. |
War die Unterbringung Geflüchteter vertragswidrig?
Die Klägerin schloss 2016 mit der Beklagten einen Vertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb des „Hotel F.“ in Gießen. Die Sache durfte vertraglich nur zum vereinbarten Nutzungszweck gebraucht werden. Seit Herbst 2022 buchte das Jugendamt der Stadt Gießen regelmäßig Zimmer für in seiner Obhut stehende Jugendliche. Nach Abmahnung kündigte die Klägerin 2023 fristlos. Sie hält die Unterbringung unbegleiteter Jugendlicher für vertragswidrig. Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt.
In der Berufung wies das OLG die Klage ab. Der Vertrag zwischen den Parteien sei nicht wirksam fristlos gekündigt worden. Die Beklagte habe nicht die Rechte der Klägerin durch eine unbefugte Überlassung an Dritte in erheblichem Maße verletzt. Dem Betrieb eines Hotels sei es immanent, dass es zu Beherbungsverträgen mit Dritten komme. Davon umfasst sei auch, dass bei der Buchung von Zimmerkontingenten durch Firmen o. Ä. ein ganzes Hotel faktisch durch denselben Mieter belegt werde. Der Abschluss von zeitlich begrenzten und auf bestimmte Zimmer bezogenen Beherbungsverträgen mit der Stadt Gießen sei folglich nicht unbefugt gewesen. Die Grenze zur unzulässigen Gebrauchsüberlassung wäre nur überschritten, wenn die Stadt das gesamte Gebäude übernommen und zu einem Flüchtlingsheim umgebaut hätte.
Keine Gefährdung der Mietsache, keine Pflichtverletzung
Eine zur Kündigung berechtigende Gefährdung der Mietsache durch unbegleitete minderjährige Geflüchtete sei nicht erkennbar. Es liege keine Pflichtverletzung wegen Überschreitung des Vertragszwecks vor, die zur Kündigung berechtigte. Die zeitweilige Vermietung zum o. g. Zweck überschreite nicht den Vertragszweck. Die vertraglich vereinbarte Nutzungsart als Hotel sei durch das Angebot von individueller Unterkunft, Service, Verpflegung und Nebenleistungen gekennzeichnet. Aufenthaltsdauer, -zweck und Motive für die Anmietung der Zimmer stellten keine entscheidenden Kriterien für die Bewertung als Hotelbetrieb dar. Es bestehe kein Anspruch darauf, „dass die Vermietung nur an einen bestimmten Personenkreis erfolgen darf, solange keine Beeinträchtigungen der Räumlichkeiten vorliegen bzw. zu befürchten sind“, unterstrich das OLG und es sei auch nicht vorgetragen, dass „Geflüchtete die Zimmer intensiver und nachlässiger nutzten als dies bei einer „normalen“ Vermietung an Hotelgäste der Fall wäre“.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.2.2025, 2 U 63/24, PM 21/25
| Das Landgericht (LG) Hanau hat entschieden: Die Anforderung von Belegkopien der Betriebskostenabrechnung ist kein wirksames Einsichtnahmeersuchen, wenn die Einsicht beim Vermieter zumutbar ist. Hierfür kommt es auf die Entfernung zur Mietwohnung an und nicht auf den Ort, an den der Mieter nach Mietende verzogen ist. |
Muss Mieter Belege einsehen oder muss Vermieter sie zuschicken?
Nach Mietvertragsende verlangte der Mieter die geleistete Kaution zurück. Die dann noch erstellte Betriebskostenabrechnung wies eine Nachforderung auf, die der Vermieter mit der Kaution verrechnete. Der inzwischen über 120 km weit weggezogene Mieter widersprach der Abrechnung, forderte die Übersendung von Belegkopien, um die Abrechnung zu prüfen, und klagte auf Rückzahlung der gesamten Kaution. Er bringt vor, keine Kopien erhalten zu haben, zumal der Vermieter für eine Einsichtnahme bei diesem nun zu weit entfernt sei.
So sahen es die Gerichte
Das Amtsgericht (AG) hat die Klage in Höhe der verrechneten Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das LG entschied, dass die Einwände gegen die Abrechnung zu unkonkret waren, weil der Mieter die Belege nicht geprüft hat. Der Vermieter habe die Belegeinsicht auch nicht verweigert, weil der Mieter unzulässigerweise die Übersendung von Kopien verlangte. Da die Belegprüfung grundsätzlich beim Vermieter erfolgen muss, lag schon kein wirksames Einsichtnahmeersuchen vor.
Kein Ausnahmefall
Der Mieter könne auch nicht ausnahmsweise die Zusendung von Kopien fordern. Das sei zwar möglich, wenn der Vermieter zu weit entfernt ansässig ist. Hierfür komme es jedoch auf die Entfernung der Mietsache zu diesem an, wobei eine Anreise von Hanau nach Frankfurt zumutbar sei. Dass der Mieter nun über 120 km entfernt wohnt, liege hingegen in seinem Risikobereich und führe nicht zu einem Recht auf Übersendung von Kopien.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | LG Hanau, Beschluss vom 24.3.2025, 2 S 43/24, PM vom 8.5.2025
| Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg bestätigte die Vorinstanz: Der kulturelle und familiäre Wert einer Sammlung aus Gemälden und historischen Gegenständen ist höher zu setzen als das Interesse einzelner Familienmitglieder an der Verwertung der Gegenstände. Letzteres hatte ein Teil der Familie aufgrund interner Differenzen verlangt. |
Das war geschehen
Die Nachfahren einer Nürnberger Patrizierfamilie stritten in einem Zivilprozess um den Erhalt ihrer Familiensammlung – einer Sammlung von Gemälden und historischen Gegenständen, die über Jahrzehnte als ungeteiltes Familienvermögen innerhalb der Familie über die Erbfolge weitergegeben wurde. Ein Teil der Familie begehrte den Pfandverkauf der historischen Sammlungsgegenstände, die teils in privater Nutzung sind, teils im Germanischen Nationalmuseum verwahrt werden, um die Erben- und Bruchteilsgemeinschaft auseinanderzusetzen. Die beklagten Familienmitglieder widersetzten sich dem und beriefen sich auf ein in einem Familienvertrag aus dem Jahr 1936 festgelegtes immerwährendes Teilungsverbot für das verfahrensgegenständliche Familienvermögen. Die Kläger verwiesen auf eine spätere Aufhebung sowie Nichtigkeit dieses Familienvertrags, denn dessen Regelungen sahen unter anderem die Weitergabe der Familiensammlung nur an männliche Nachkommen vor.
So sah es die erste Instanz
Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth hatte in erster Instanz die Klage abgewiesen. Es sah die Aufhebung des Familienvertrags nicht durch die vorhandenen Protokolle der Familienversammlungen belegt und erachtete das von der Familie im Jahr 1936 in Bezug auf die Familiensammlung vereinbarte dauerhafte Teilungsverbot als wirksam und fortbestehend an. Die Klagepartei habe auch keine Umstände vorgebracht, die als wichtiger Grund eine Aufhebung der Gemeinschaft rechtfertigen könne. Die im Verfahren vorgetragenen innerfamiliären Differenzen reichten hierfür nicht aus.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Hiergegen legte ein Familienmitglied der unterlegenen Klageseite Berufung zum OLG ein. Dieses hat das Ersturteil bestätigt und die zur Begründung des Aufhebungsanspruchs vorgebrachten Gründe und Einwendungen der Berufung für nicht durchgreifend erachtet. Wie das Erstgericht bewerte der Senat die erbrechtliche Regelung im Familienvertrag zum Ausschluss der weiblichen Nachkommen als nichtig, was aber die Wirksamkeit des dauerhaften Teilungsverbots nicht berühre. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kam das OLG zu dem Ergebnis, dass das beklagtenseits eingewandte familiäre als auch öffentliche Interesse am Erhalt der Gesamtheit der Sammlung als Kulturgut dem klägerischen Interesse an einer Aufhebung der Gemeinschaft und an einer damit verbundenen Zerschlagung der Sammlung überwiege.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 28.2.2025, 1 U 2451/23 Erb, PM 12/25
| Bauarbeiter, die auf Baustellen einfache Arbeiten verrichten, einen festen Stundenlohn erhalten und am Markt nicht erkennbar unternehmerisch auftreten, sind regelmäßig abhängig Beschäftigte, für die die Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen. Dies entschied in drei Urteilen das Hessische Landessozialgericht (LSG). |
Baufirmen müssenSozialversicherungsbeiträge nachzahlen
Die Deutsche Rentenversicherung entschied in mehreren Fällen, dass Bauarbeiter abhängig beschäftigt sind. In zwei Fällen forderte sie nach entsprechenden Betriebsprüfungen von den im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge in fünfstelliger Höhe. In einem weiteren Verfahren hatte sie zunächst über den Antrag auf Statusfeststellung zu entscheiden.
Weder schriftliche Verträge noch eigene Werkzeuge
In diesen Fällen hatten angeblich selbstständige Werkunternehmer auf Baustellen der jeweils klagenden Baufirma gearbeitet. Bei diesen Bauarbeitern handelte es sich um ausländische Staatsangehörige mit allenfalls geringen Deutschkenntnissen. Sie erledigten Abbrucharbeiten, Maurertätigkeiten und Pflasterarbeiten, sanierten Bäder oder arbeiteten im Trockenbau. Schriftliche Verträge oder Auftragsbestätigungen gab es nicht. Die Abrechnungen erfolgten auf Basis der aufgeschriebenen Stunden bei einem Stundenlohn zwischen 10 und 15 Euro. Die Materialien und Werkzeuge wurden bis auf Kleinwerkzeuge von den jeweiligen Baufirmen gestellt.
Scheinselbstständige statt Werkunternehmer
Das LSG folgte der Einschätzung der Rentenversicherung. In allen drei Verfahren liege Scheinselbständigkeit vor.
Bei einfachen, typischen Arbeitnehmerverrichtungen, die der Beschäftigte im Wesentlichen ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübe, spreche die Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis. Die betroffenen Bauarbeiter seien jeweils in den Betrieb der klagenden Baufirma eingegliedert gewesen und hätten einfache Bauarbeiten getätigt, wie sie typischerweise abhängig Beschäftigte verrichteten.
Kein unternehmerisches Auftreten
Werkvertragstypische Vereinbarungen einer unternehmerischen Leistung hätten nicht festgestellt werden können. Zudem seien die angeblichen „Werkunternehmer“ schon aufgrund ihrer geringen Deutschkenntnisse zu einem unternehmerischen Auftreten am Markt nicht in der Lage gewesen.
Zwischen den Baufirmen und den Bauarbeitern getroffene Vereinbarungen über eine (angeblich) selbstständige Tätigkeit seien nicht relevant und könnten die gesetzlich angeordnete Sozialversicherungspflicht nicht ausschließen.
Quelle | Hessisches LSG, Urteil vom 3.4.2025, L 8 BA 4/22, L 8 BA 62/22 und L 8 BA 64/21, PM vom 3.4.2025
| Wandhängende WCs und Handtuchheizkörper in Standardausführung sowie Balkone in der Größe von vier qm sind in Milieuschutzgebieten genehmigungsfähig, weil sie der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dienen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden. |
Bauliche Änderungen nicht ohne Genehmigung
Die Klägerinnen sind jeweils Eigentümerinnen von Wohngebäuden in Milieuschutzgebieten in Berlin-Mitte. Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen soziale Erhaltungsverordnungen (umgangssprachlich Milieuschutzverordnungen) gelten. Sie sollen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im jeweiligen Gebiet schützen. Bauliche Änderungen bedürfen in Milieuschutzgebieten grundsätzlich einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Den Erlass von Milieuschutzverordnungen erlaubt ein Bundesgesetz, nämlich das Baugesetzbuch. In Berlin sind dafür die Bezirke zuständig. Aktuell gelten in Berlin über 40 Milieuschutzverordnungen.
Eine Klägerin möchte im Badezimmer einer Wohnung ein Stand-WC durch ein wandhängendes WC ersetzen sowie einen Handtuchheizkörper einbauen. Eine weitere Klägerin begehrt den Anbau von dreizehn Balkonen in der Größe von jeweils vier qm an die Wohnungen ihres Mehrfamilienhauses. Die Maßnahmen stellen nach Ansicht der Klägerinnen einen zeitgemäßen Ausstattungszustand ihrer Wohnungen dar. Das Bezirksamt versagte den Klägerinnen die erhaltungsrechtlichen Genehmigungen. Die Vorhaben gingen über einen zeitgemäßen Ausstattungszustand hinaus und seien als wohnwerterhöhende bauliche Änderungen im Milieuschutzgebiet nicht zulässig.
Genehmigungen sind zu erteilen
Das VG gab den dagegen erhobenen Klagen statt und verpflichtete das Bezirksamt, die Genehmigungen zu erteilen. Der Gesetzgeber habe im Baugesetzbuch geregelt, dass eine erhaltungsrechtliche Genehmigung zu erteilen sei, wenn die bauliche Maßnahme der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen diene.
Mittlerer Standard nicht wohnwerterhöhend
Der Gesetzgeber habe den Genehmigungsanspruch auch nicht auf bauliche Maßnahmen beschränkt, die der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dienten. Vielmehr habe er zugelassen, dass darüber hinaus auch in Milieuschutzgebieten eine behutsame Anhebung des Ausstattungszustands auf den Standard mittlerer Wohnverhältnisse erfolgen könne. Daran sei ein bundeseinheitlicher Maßstab anzulegen. Bei wandhängenden WCs und Handtuchheizkörpern in einer Standardausführung sowie bei vier qm großen Balkonen werde dieser Standard nicht überschritten. Dafür sprächen unter anderem die Verbreitung dieser Ausstattungsmerkmale bundesweit sowie der Umstand, dass die Mietspiegel der größeren deutschen Städte sie überwiegend nicht als wohnwerterhöhend einstuften.
Quelle | VG Berlin, Urteile vom 2.4.2025, VG 19 K 17/22 und VG 19 K 351/23, PM 24/25
| Trotz erfolgreich absolviertem ersten juristischen Staatsexamen hat ein Antragsteller, der erwiesenermaßen die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft, keinen Anspruch darauf, den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) zu durchlaufen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz. |
Fehlende Verfassungstreue
Der Antragsteller wollte nach erfolgreichem Jurastudium als Rechtsreferendar in den juristischen Vorbereitungsdienst eintreten. Dies lehnte das Oberlandesgericht (OLG) wegen fehlender Verfassungstreue des Antragstellers ab. Dieser suchte daraufhin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um gerichtlichen Rechtsschutz mit dem Ziel nach, ihn im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses einzustellen.
Eindeutige Publikationen
Der Antrag blieb ohne Erfolg. Dem Antragsteller, so das VG, fehle der notwendige sog. Anordnungsanspruch. Aus den einschlägigen Vorschriften des Landesgesetzes über die juristische Ausbildung sowie des Landesbeamtengesetzes folge, dass die juristische Ausbildung am Leitbild einer dem Rechtsstaat verpflichteten Person zu orientieren sei. Rechtsreferendare müssten sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Der Antragsteller werde dem nicht gerecht, wie von ihm verfasste und publizierte Texte belegten.
In einem von ihm geschriebenen Roman würden beispielsweise schwarze Menschen durch die Verwendung menschenverachtender Bezeichnungen pauschal herabgewürdigt. Es werde hierin behauptet, ein – namentlich genannter – österreichischer Fußballspieler, der dunkelhäutig sei, könne kein Deutscher oder Österreicher sein. In einem anderen Text attestierte er dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Demontage des Volksbegriffs. Der von dem Antragsteller vertretene Volksbegriff mit der Forderung nach einer „positiven Erneuerung Deutschlands“ könne nur als Forderung nach einer Umkehrung eines vermeintlichen „Bevölkerungsaustauschs“ verstanden werden. Zudem sei der Antragsteller Mitglied bei der „Jungen Alternative für Deutschland“ und dem Verein „Ein Prozent e. V.“ gewesen. Er habe in beiden Organisationen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Frühjahr 2023 als gesichert rechtsextremistisch einstufe, zumindest zeitweise herausgehobene Funktionen übernommen.
Die Entscheidung ist bestandskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 9.5.2025, 5 L 416/25.KO, PM 14/25
| Eine Tätowierung ist heute typischer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Während sichtbare Tattoos im Arbeitsleben immer normaler werden, stellt sich damit aber zunehmend die Frage, wer eigentlich das finanzielle Risiko trägt, wenn beim Stechen des Tattoos nicht alles glatt verläuft. Dazu liegt nun eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vor: Wer sich tätowieren lässt, erhält bei Komplikationen keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das LAG bestätigt damit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Flensburg. |
Pflegekraft ließ sich tätowieren
Die als Pflegehilfskraft beschäftigte Klägerin ließ sich am Unterarm tätowieren. In der Folge entzündete sich die tätowierte Stelle. Die Klägerin wurde daraufhin für mehrere Tage krankgeschrieben. Die beklagte Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum ab.
Die Klägerin führte vor Gericht aus, dass sie ja nicht Entgeltfortzahlung für den Tätowierungsvorgang geltend mache, sondern für eine davon zu trennende zeitlich nachfolgende Entzündung der Haut. Ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen. Es habe sich ein sehr geringes Risiko verwirklicht, das nur bei ein bis fünf Prozent der Fälle von Tätowierungen auftrete. Tätowierungen seien als Teil der privaten Lebensführung geschützt und mittlerweile weit verbreitet.
Die Arbeitgeberin entgegnete, die Klägerin habe bei der Tätowierung in eine Körperverletzung eingewilligt. Das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre deshalb nicht zum normalen Krankheitsrisiko und könne dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden.
Arbeitsunfähigkeit verschuldet
Das LAG ist der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Diese war zwar arbeitsunfähig krank. Sie hat die Arbeitsunfähigkeit aber verschuldet. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz handelt ein Arbeitnehmer immer schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt.
Die Klägerin musste bei der Tätowierung damit rechnen, dass sich ihr Unterarm entzündet. Dieses Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen ihr eigenes Gesundheitsinteresse dar. Sie hat selbst vorgetragen, in bis zu 5 % der Fälle komme es nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut. Dies ist keine völlig fernliegende Komplikation. Bei Medikamenten wird eine Nebenwirkung als „häufig“ angegeben, wenn diese in mehr als einem, aber weniger als zehn Prozent der Fälle auftritt. Zudem ist die Komplikation in der Hautverletzung durch die Tätowierung selbst angelegt.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.5.2025, 5 Sa 284 a/24, PM vom 2.7.2025
| Wenn ein Arbeitnehmer sich beim Kaffeetrinken verschluckt und infolgedessen stürzt, kann das im Einzelfall einen Arbeitsunfall darstellen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden. |
Nasenbeinbruch während morgendlicher Besprechung
Der Kläger war als Vorarbeiter auf einer Baustellebeschäftigt. Beim Kaffeetrinken während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer verschluckte er sich, ging hustend zur Tür, um sich draußen auszuhusten, verlor kurz das Bewusstsein und stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter. Dabei brach er sich das Nasenbein.
Berufsgenossenschaft und Sozialgericht: kein Arbeitsunfall
Das sei kein Arbeitsunfall, befand die zuständige Berufsgenossenschaft, denn das Kaffeetrinken habe keinen betrieblichen Zwecken gedient. Es sei vielmehr dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen. So sah es auch das Sozialgericht (SG), das in erster Instanz über den Fall entschieden hatte.
Landessozialgericht: auch Nahrungsaufnahme geschützt
Zu Unrecht, befand nun das LSG. Zwar erstrecke sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit damit ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird. Im vorliegenden Fall sei das Kaffeetrinken aber nicht auf das Grundbedürfnis des Durstlöschens gerichtet gewesen, sondern habe (auch) betrieblichen Zwecken gedient. Der gemeinsame Kaffeegenuss während der verpflichtend vorgeschriebenen Besprechung habe eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft bewirkt.
Arbeitgeber stellte den Kaffee zur Verfügung
Zudem habe der Kaffee für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesorgt. Das sei auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, der sich teilweise selbst um das Auffüllen der Kaffeevorräte gekümmert habe. Deshalb sei der Fall auch anders zu beurteilen, als wenn sich ein Arbeitnehmer z. B. in der Frühstückspause an einem Kaffee verschluckt, den er selbst in der Thermoskanne mitgebracht hat.
Quelle | LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.5.2025, L 6 U 45/23, PM 2/25
| Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Hostprovider – hier Meta – muss nach einem Hinweis auf einen rechtsverletzenden Post auf der Social-Media-Plattform Facebook auch ohne weitere Hinweise sinngleiche Inhalte sperren. Sinngleich sind etwa Beiträge mit identischem Text und Bild, aber abweichender Gestaltung (Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung), bloßer Änderung typografischer Zeichen oder Hinzufügung von Elementen, etwa sog. Captions, die den Aussagegehalt nicht verändern. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Arzt und bewarb in der Vergangenheit u. a. die sog. „Hirschhausen Diät“. Der Kläger wies die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach auf sog. Fake-Werbe-Videos hin, in denen er vermeintlich u. a. für Abnehmmittel werbe.
Gegenstand dieses Eilverfahrens sind zwei weitere solcher Deep-Fake Videos: Nutzer haben zum einen ein Video unter Verwendung eines Ausschnitts aus der Sendung von Markus Lanz hergestellt, in denen der Name, das Bildnis und die Stimme des Klägers verwendet werden und in dem dieser vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme wirbt. Dieses Video entfernte die Beklagte zeitnah nach Abmahnung durch den Kläger. In einem nachfolgend erschienenen, nahezu inhaltsgleichen weiteren Deep-Fake Video warb der Kläger ebenfalls vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme. Dieses Video entfernte die Beklagte ebenfalls – erst – nach entsprechendem Hinweis durch den Kläger. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassen der Verbreitung dieser beiden Videos in Anspruch. Das Landgericht (LG) hat den Antrag zurückgewiesen.
So sah es das Oberlandesgericht
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hatte teilweise Erfolg. Hinsichtlich des ersten Videos bestehe kein Unterlassungsanspruch, entschied das OLG. Die Beklagte sei als Hostproviderin grundsätzlich nicht verpflichtet, von den Nutzern ins Netz gestellte Beiträge vor ihrer Veröffentlichung auf etwaige Rechtsverletzungen hin zu prüfen. Ihre Haftung setze die Verletzung von Prüf- und Verhaltenspflichten voraus. Vor der Abmahnung des Klägers betreffend das erste Video sei die Beklagte nicht zur Löschung verpflichtet gewesen. Eine Löschpflicht habe sich insbesondere nicht aus den vorausgegangenen Hinweisen des Klägers auf andere, nicht sinngleiche sog. Fake-Werbungen ergeben. Grundsätzlich lösten derartige Hinweise nur Prüfpflichten hinsichtlich „sinngleicher Inhalte“ aus. Darunter fielen Inhalte, die in Bild und Text identisch, aber bei gleichbleibendem Gesamteindruck etwa abweichend gestaltet seien. Dies könne sich etwa auf die Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung mit Rahmen oder Zufügung sog. Caption beziehen. Die vorausgegangenen Hinweise des Klägers hätten sich hier jedoch auf in Bild und Text abweichende Inhalte bezogen.
Prüfplicht des Providers bestand
Hinsichtlich des zweiten Videos habe die Beklagte dagegen schon aufgrund der Abmahnung des Klägers hinsichtlich des ersten Videos eine Prüfpflicht getroffen. Es habe keiner weiteren Abmahnung bedurft. Das zweite Video unterscheide sich allenfalls marginal vom ersten. Nach dem Eindruck des OLG wirkten die Videos – bei voneinander abweichender Überschrift – nahezu identisch. Es lägen damit sinngleiche Inhalte vor. Da die Beklagte das zweite Video nicht bereits ohne weitere Abmahnung gesperrt habe, habe sie gegen ihre Prüfpflichten verstoßen. Im Ergebnis bestehe daher ein Unterlassungsanspruch.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nich tanfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.3.2025, 16 W 10/25, PM 14/25
| Zahlreiche Betriebsprüfungen zeigen, dass die Kassenführung oft beanstandet wird. Das Problem dabei: Ist die Kassenführung nicht ordnungsmäßig, drohen erhebliche Hinzuschätzungen. So war es auch in einem Fall, der vom Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein zu entscheiden war. |
Im Streitfall hatte bei einem bargeldintensiven Imbiss mit Sitzgelegenheiten eine Betriebsprüfung stattgefunden. Der Betreiberin, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte, wurden dabei zahlreiche Mängel in der Kassenführung vorgeworfen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem FG blieb erfolglos.
Beachten Sie | Allerdings ist inzwischen die Revision anhängig, in der insbesondere diese interessanten Fragen zu klären sind:
- Ist bei bestehenden Zweifeln im Hinblick auf den Programmierzustand und das Vorhandensein von Manipulationsspuren an der Registrierkasse vom FG ein Sachverständigengutachten einzuholen?
- Rechtfertigen fehlende Programmierprotokolle für die verwendete Kasse eine Schätzung dem Grunde nach?
- Ergibt sich aus einer angeblichen Abweichung von der Richtsatzsammlung eine Schätzungsbefugnis?
Quelle | FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.8.2023, 3 K 25/22, Rev. BFH, X R 27/24
| Hat eine Gesellschaft ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr, ist für die Berechnung der Steuerermäßigung gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 EStG) nicht auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums abzustellen, sondern auf das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahrs. Für die Aufteilung des Steuerermäßigungsbetrags sind der Gewerbesteuer-Messbetrag und die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des Wirtschaftsjahrs an der Gesellschaft beteiligt waren. So lautet ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Hintergrund: Unter den Voraussetzungen des § 35 EStG wirddie Gewerbesteuerbelastung kompensiert, indem die tarifliche Einkommensteuer um das Vierfache des festgesetzten Steuermessbetrags gemindert wird.
Quelle | BFH, Urteil vom 10.4.2025, IV R 21/22
| Mit Wirkung ab 1.6.2025 wurden die Gebühren für Eintragungen im Handelsregister um 50 Prozent erhöht. Demzufolge werden auch Unternehmensgründungen teurer. |
In der Begründung der Verordnung wird hierzu u. a. ausgeführt: „Die daraus insgesamt resultierenden Gebühreneinnahmen sollen dazu dienen, den Aufwand der Länder für den Betrieb der Registergerichte weitgehend zu decken, damit die Gerichte den Anforderungen an eine moderne, effiziente und sichere Registerführung auch künftig gerecht werden können.“
Quelle | Dritte Verordnung zur Änderung der Handelsregistergebührenverordnung, BGBl I 2025, Nr. 127
| Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft wird nur bereit sein, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung einer Eigentumswohnung zu (privaten) Wohnzwecken (also im privaten Interesse) eines Gesellschafters zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe erstattet werden und sie zudem einen angemessenen Gewinnaufschlag erhält. Vor diesem Hintergrund hat es das Finanzgericht (FG) Niedersachsen im Streitfall als rechtmäßig beurteilt, dass das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) angesetzt hat. |
Zum Hintergrund: Bei einer vGA handelt es sich – vereinfacht – um Vermögensvorteile, die dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gewährt werden. Eine vGA darf den Gewinn der Gesellschaft nicht mindern.
Im Anschluss an ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahr 2016 führte das FG weiter aus: Eine Vermietung zu marktüblichen, aber nicht kostendeckenden Bedingungen würde ein gewissenhafter Geschäftsführer (ausnahmsweise) in Betracht ziehen, wenn er bezogen auf den jeweils zu beurteilenden Veranlagungszeitraum bereits von der Erzielbarkeit einer angemessenen Rendite ausgehen kann.
Beachten Sie | Die danach für den Fremdvergleich maßgebliche Kostenmiete ist auch dann als Maßstab heranzuziehen, wenn der Gegenstand des Unternehmens der Kapitalgesellschaft auch neben der an die Gesellschafterin vermieteten Wohnung in der Vermietung von Immobilien besteht.
Gegen das Urteil ist die Revision anhängig. Gleichwohl sollte in vergleichbaren Fällen eine vGA bedacht werden. Es empfiehlt sich, Mietverträge zu prüfen und ggf. anzupassen.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 15.8.2024, 10 K 255/21, Rev. BFH, I R 21/24
| Ein Freiwilliger Wehrdienst kann bei einem volljährigen Kind für sich genommen keinen Kindergeldanspruch begründen. Gleichwohl kann während der Zeit des Wehrdienstes ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, wenn das Kind einen der gesetzlichen Berücksichtigungstatbestände erfüllt, also z. B. während des Wehrdienstes für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dabei ist es unschädlich, wenn das Kind nach Abschluss der Grundausbildung im Rahmen des Freiwilligen Wehrdienstes Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad ausübt. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Das war geschehen
Der Sohn absolvierte nach seinem Abitur einen zehn Monate dauernden Freiwilligen Wehrdienst. Die Familienkasse bewilligte dem Vater für die Übergangszeit zwischen Abitur und Grundausbildung sowie für die Zeit der Grundausbildung Kindergeld. Nach der Grundausbildung verrichtete der Sohn Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad, eine weitere Ausbildung bei der Bundeswehr fand nicht statt. Nach dem Ende des Wehrdienstes studierte er an einer zivilen Hochschule. Den Entschluss dazu hatte er während des Wehrdienstes gefasst.
Die Familienkasse versagte für die Zeit nach Beendigung der Grundausbildung bis zum Beginn des Studiums die Festsetzung von Kindergeld. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Vater Klage vor dem Finanzgericht (FG) Bremen. Da das FG die Revision zugelassen hatte und diese auch eingelegt wurde, musste nun der BFH entscheiden.
Beachten Sie | Der Freiwillige Wehrdienst gehört – anders als ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr – nicht zu den im Einkommensteuergesetz (hier: § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG) genannten Berücksichtigungstatbeständen, die schon für sich genommen einen Kindergeldanspruch begründen können.
Bundesfinanzhof: Kindergeldanspruch bestand
Dennoch entschied der BFH, dass auch nach dem Ende der Grundausbildung und trotz einer Erwerbstätigkeit des Kindes als Soldat mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden ein Kindergeldanspruch bestehen kann, wenn das Kind (wie im Streitfall) eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.
Beachten Sie | Die drei Monate dauernde Grundausbildung war zwar Teil einer Ausbildung zum Offizier oder Unteroffizier. Ihre Beendigung führte jedoch nicht zu einem für den weiteren Kindergeldbezug ggf. schädlichen Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung (i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG).
Es kam auf den Zeitpunkt des Entschlusses an
Für einen Monat wies der BFH die Revision jedoch zurück, weil sich der Entschluss des Sohnes, sich um einen Studienplatz zu bemühen, erst im Folgemonat objektiviert hatte. Der bloße Vortrag des Kindergeldberechtigten und des Kindes, der Entschluss zu einer Ausbildung oder zu einem Studium sei früher gefasst worden, ist für die Begründung des Anspruchs nicht ausreichend.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.2.2025, III R 43/22, PM 28/2025 vom 2.5.2025
| Ab Mai 2025 setzen vier Pilotfinanzämter (Brühl, Bielefeld-Außenstadt, Hamm und Lübbecke) des Landes Nordrhein-Westfalen erstmals ein KI-Modul zur Unterstützung der Steuerveranlagung ein. Das Ziel: Steuererklärungen sollen effizienter, schneller und treffsicherer bearbeitet werden.
Das neue KI-Modul ergänzt das bewährte Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung. Es erkennt Muster in den Steuerdaten und kann gut nachvollziehbare Fälle mit geringem Prüfbedarf gezielt identifizieren. Diese werden automatisiert verarbeitet – und damit schneller abgeschlossen.
Gestartet wird mit Arbeitnehmerfällen (also Steuererklärungen mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalerträgen, Vorsorgeaufwendungen, Sonderausgaben, haushaltsnahen Dienstleistungen und ähnlichen Bereichen). Die Ausweitung auf weitere Fallkonstellationen ist bereits in Planung.
Nordrhein-Westfalen übernimmt die Vorreiterrolle. Nach erfolgreichem Testlauf ist die landesweite Einführung geplant.
Quelle | FinMin NRW, Mitteilung vom 22.4.2025
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der auf Dienstreisen seinen privaten Pkw einsetzt, die tatsächlichen Kosten für jeden gefahrenen Kilometer auch dann ansetzen kann (im Streitfall: 2,28 Euro/km für einen Sportwagen), wenn er von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt bekommt, den er grundsätzlich für dienstliche und private Fahrten nutzen kann. |
Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall jedoch den Nachweis erbringen, dass er das Privatfahrzeug tatsächlich beruflich eingesetzt hat. Eine Angemessenheitsprüfung dem Grunde nach (hier: berufliche Nutzung eines privaten Fahrzeugs durch einen Arbeitnehmer, dem von seinem Arbeitgeber ein Geschäftsfahrzeug überlassen wurde) findet nicht statt.
Beachten Sie | Das Finanzamt will diese Entscheidung aber nicht akzeptieren und hat Revision eingelegt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.9.2024, 9 K 183/23, Rev. BFH: VI R 30/24
| Kinderbetreuungskosten sind als Sonderausgaben abzugsfähig. Bei Aufwendungen für Unterricht, für die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen ist ein Sonderausgabenabzug allerdings gesetzlich ausgeschlossen. Mit dem Abzugsverbot hat sich nun der Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt. |
Hintergrund: Kinderbetreuungskosten können nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) als Sonderausgaben steuerlich absetzbar sein. Folgende Aspekte sind hier zu beachten:
- Abzug von 80 % der Betreuungsleistungen, maximal 4.800 Euro pro Jahr.
- Der Abzug ist zulässig für haushaltszugehörige Kinder unter 14 Jahren (oder aufgrund Behinderung, Eintritt vor dem 25. Lebensjahr, Übergangsregel 27. Lebensjahr).
- Grundsätzlicherforderlich: Rechnung und Überweisung.
- Nichtabziehbar: Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen.
Betreuungscharakter muss im Vordergrund stehen
Nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen vor, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbstständigten Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichts- oder Kurszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen (sprachlichen, musischen, sportlichen) Fähigkeiten in den Hintergrund rückt.
Nicht begünstigteAufwendungen
Entsprechendes gilt für sportliche und andere Freizeitbetätigungen. Nicht begünstigte Aufwendungen für derartige Aktivitäten liegen daher vor, wenn
- die Betätigung organisatorisch, zeitlich und räumlich getrennt von einer Kindertagesstätte, einem Schulhort oder einer ähnlichen Einrichtung stattfindet und
- dabei nicht die altersbedingt erforderliche Betreuung des Kindes, sondern die Aktivität im Vordergrund steht.
Quelle | BFH, Urteil vom 23.1.2025, III R 33/24 (III R 50/17)
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen hat die Stadt Marburg dazu verpflichtet, einer Studentin einen Bewohnerparkausweis zu erteilen, die ein in Tschechien zugelassenes Fahrzeug nutzt. |
Kfz in Tschechien zugelassen
Die Klägerin wohnt in einem Bewohnerparkgebiet der Beklagten. Sie nutzt ein Kraftfahrzeug ihres Vaters, der tschechischer Staatsangehöriger ist und das Fahrzeug in Tschechien zugelassen hat. Im Frühjahr 2024 beantragte sie bei der Stadt Marburg, ihr einen Bewohnerparkausweises zu erteilen. Dies lehnte die Stadt mit der Begründung ab, dass sie Bewohnerparkausweise für Fahrzeuge mit ausländischer Zulassung nicht erteilen könne. Im Rahmen des Klageverfahrens argumentierte die Stadt weiter, dass eine ausländische Zulassung gegen eine dauerhafte Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin spreche, weil ein im Ausland zugelassenes Kraftfahrzeug nur vorübergehend am Verkehr in Deutschland teilnehmen dürfe.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG bejahte hingegen den Anspruch der Studentin auf einen Bewohnerparkausweis. Bei der Klägerin handele es sich um eine Anwohnerin, die das betroffene Fahrzeug nachweislich dauerhaft nutze.
Gegen eine dauerhafte Nutzung spreche insbesondere nicht, dass Kraftfahrzeuge mit ausländischer Zulassung nur vorübergehend am Straßenverkehr in Deutschland teilnehmen dürfen. Es sei bereits nicht klar, ob das von der Klägerin genutzte Fahrzeug diese Voraussetzungen erfülle. Die Klägerin gab nämlich an, dass sie das Fahrzeug während der Semesterferien nicht in Deutschland nutze. Diese Prüfung obliege der Zulassungsbehörde, die je nach Einzelfall eine Untersagung des Betriebs im öffentlichen Straßenverkehr ohne deutsche Zulassung aussprechen könne.
Die Versagung eines Bewohnerparkausweises für im Ausland zugelassene Fahrzeuge entspreche nicht dem Zweck der Vorschriften. Ein Bewohnerparkgebiet diene dem Anwohnerinteresse, in innerstädtischen Wohnstraßen eine Abstellmöglichkeit für ein (dauerhaft) genutztes Kraftfahrzeug zu finden.
Quelle | VG Gießen, Urteil vom 13.11.2024, 6 K 2830/24.GI, PM vom 19.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Ein zur Nichtigkeit der entsprechenden Vereinbarung führender Verstoß gegen den im Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 656 d BGB) geregelten Grundsatz der hälftigen Teilung des Maklerlohns liegt vor, wenn ein Makler allein für den Verkäufer einer Immobilie tätig geworden ist und der Käufer zur Zahlung des vollen Honorars an den Makler verpflichtet wird. |
Das war geschehen
Die Kläger erwarben ein mit einer Doppelhaushälfte bebautesGrundstück. Mit der Vermittlung des Verkaufs hatte die Verkäuferin das beklagte Maklerunternehmen beauftragt. Für die Vermittlung der Immobilie entstand zugunsten der Beklagten gegenüber der Verkäuferin ein Maklerlohnanspruch in Höhe von 25.000 Euro. Der im Exposé zunächst vorgesehene Kaufpreis wurde um einen Betrag in dieser Höhe reduziert. Zugleich verpflichteten sich die Kläger gegenüber der Beklagten zur Zahlung eines Honorars in gleicher Höhe, das sie nach notarieller Beurkundung des Kaufvertrags bezahlten. Eine Maklerlohnzahlung durch die Verkäuferin erfolgte nicht. Die Kläger verlangten die Rückzahlung des geleisteten Betrags.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: § 656 d BGB ist nicht nur auf Vereinbarungen der Parteien des Kaufvertrags über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus untereinander anwendbar, sondern erfasst jegliche Art einer vertraglichen Vereinbarung, durch die unmittelbar oder mittelbar ein Anspruch des Maklers auf Zahlung oder Erstattung von Maklerlohn gegenüber der Partei des Kaufvertrags begründet wird, die nicht Partei des Maklervertrags ist. Umfasst sind daher auch alle auf eine Verpflichtung zur Zahlung oder Erstattung des Maklerlohns gerichteten Vereinbarungen des Maklers mit der Partei des Kaufvertrags, die nicht Partei des Maklervertrags ist.
Der Anwendbarkeit des § 656 d BGB steht es deshalb auch nicht entgegen, dass die Verkäuferin der Immobilie von der Pflicht, den vereinbarten Maklerlohn zu entrichten, gegenüber der Beklagten nicht entbunden war. Da die Käufer im Innenverhältnis zur Verkäuferin verpflichtet waren, den Maklerlohn in voller Höhe zu bezahlen, blieb die Verkäuferin als die Partei, die den Maklervertrag abgeschlossen hat, nicht zur Zahlung des Maklerlohns mindestens in gleicher Höhe verpflichtet.
Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung
Der Verstoß gegen § 656 d BGB führt zur Gesamtnichtigkeit einer entsprechenden Vereinbarung. Die Kläger können von der Beklagten die Rückzahlung des Maklerlohns in voller Höhe verlangen.
Quelle | BGH, Urteil vom 6.3.2025, I ZR 138/24, PM 45/25
| Eine 77-jährige Frau, die über einer Supermarktfiliale wohnt, tätigte dort ihre Einkäufe bis zu einem Hausverbot Anfang des Jahres 2024 durch die Filialleitung. Sie behauptet, das Hausverbot sei nach einer Beschwerde ihrerseits ohne ersichtlichen Grund erteilt worden. Sie sei gesundheitlich stark eingeschränkt und nicht in der Lage, längere Strecken zurückzulegen und daher auf die Filiale angewiesen. Ohne ein Betreten des Supermarkts sei ihr eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verwehrt. Das Amtsgericht (AG) München wies ihre Klage ab. |
Wiederholtes Fehlverhalten
Die Filialleitung begründete das Hausverbot mit wiederholtem Fehlverhalten. Die Münchnerin habe Kunden beim Betreten des Markts von ihrer Wohnung aus beschimpft, habe das Geschäft regelmäßig ohne Einkaufsabsicht aufgesucht, Mitarbeiter in Gespräche verwickelt und diese von der Arbeit abgehalten. Sie habe sich zudem immer wieder an der Frischetheke des Markts Ware aufschneiden lassen und diese dann, anstatt zu kaufen, im Laden abgelegt.
Da der Supermarkt sich weigerte, das Hausverbot zurückzunehmen, verklagte sie den Betreiber vor dem AG auf Gewährung des Zutritts zum Supermarkt – ohne Erfolg.
Hausrecht deckt Hausverbot
Der Beklagte ist als Betreiber des Supermarkts aufgrund seines Hausrechts grundsätzlich berechtigt, Kunden selbst ohne sachlichen Grund ein Hausverbot zu erteilen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein Fehlverhalten der Klägerin vorlag.
Dem Betreiber einer Einrichtung, die erhebliche Bedeutung für das gesellschaftliche und kulturelle Leben hat, wird eine besondere rechtliche Verantwortung zugewiesen, die es ihm verbietet, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund auszuschließen. Entgegen der Auffassung der Klägerin entscheidet die Verweigerung des Zutritts für sie nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Ein Supermarkt dient der Daseinsvorsorge in Form von Einkäufen des täglichen Bedarfs, insbesondere an Lebensmitteln, nicht der sozialen Interaktion oder des kulturellen Austauschs.
Klägerin konnte auf konkurrierenden Supermarkt ausweichen
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Monopolstellung oder sonstige strukturelle Überlegenheit des Beklagten vorliegt, die dazu führt, dass bestimmte Personen nicht ohne sachlichen Grund ausgeschlossen werden könnten. Eine solche Monopolstellung des Markts des Beklagten für die tägliche Daseinsvorsorge ist im konkreten Fall nicht gegeben. Der Beklagte hat unbestritten ausgeführt, dass in fußläufiger Entfernung (ab 500 Metern) weitere Supermärkte vorhanden sind, die somit auch für betagtere Kunden problemlos zu erreichen sind.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 11.10.2024, 142 C 18533/24, PM 12/25
| Legt beim Gebrauchtwagenkauf der Verkäufer den Fahrzeugbrief vor, kann sich der Käufer normalerweise darauf verlassen, dass er es auch tatsächlich mit dem Eigentümer und nicht mit einem Betrüger zu tun hat. Dieses Vertrauen kann aber erschüttert sein, wenn die Umstände des Verkaufs trotzdem Verdacht erregen müssen. Dann muss der Käufer im Betrugsfall das Fahrzeug dem wahren Eigentümer zurückgeben und bleibt auf dem gezahlten Kaufpreis als Schaden sitzen. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal (Pfalz) entschieden. Es hat die Klage eines Autokäufers abgewiesen, der auf einen Betrüger hereingefallen war. |
Autokäufer war auf Betrüger hereingefallen
Der Käufer hatte den PKW von einem Betrüger für mehr als 35.000 Euro erworben. Kurze Zeit nach dem Kauf beschlagnahmte die Polizei das Fahrzeug und gab es dem ursprünglichen Eigentümer zurück. Dieser verkaufte es anschließend für knapp 49.000 Euro weiter.
Den Kaufpreis reklamierte der betrogene Käufer für sich. Er sei trotz des Betrugs Eigentümer des Fahrzeugs geworden. Er sei im Internet auf das Fahrzeug gestoßen und habe sich im Saarland zur Besichtigung verabredet. Auf dem Weg dorthin habe er die Mitteilung erhalten, dass das Kind des Verkäufers einen Treppensturz erlitten habe und in einem Krankenhaus in Frankreich liege. Dorthin sei er nun umgeleitet worden, wo der Kauf auf dem Parkplatz durch Barzahlung auch abgewickelt worden sei. Der Betrüger habe einen vermeintlich echten Fahrzeugbrief und einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt. Er habe deshalb daran glauben dürfen, dass das Fahrzeug diesem auch gehört habe.
Umstände des Kaufs waren dubios, Zweifel daher angebracht
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Der Käufer habe trotz Vorlage des scheinbar echten Fahrzeugbriefs grob fahrlässig gehandelt und das Fahrzeug daher nicht gutgläubig erworben. Denn die Umstände des Verkaufs hätten beim Käufer Zweifel erregen müssen, dass er den wahren Eigentümer vor sich hatte. So habe dieser einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt, obwohl sein im Kaufvertrag genannter Wohnsitz Frankenthal gewesen sei und das Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen zugelassen war.
Kurzfristige Verlegung der Übergabe ins Ausland
Auffällig sei ferner, dass der Verkäufer ursprünglich als Treffpunkt das vom angegebenen Wohnort abweichende Dillingen/Saar genannt habe. Typisch für unlautere Automobilgeschäfte sei auch das Bargeschäft und die kurzfristige telefonische Verlegung des Verkaufsorts an einen fremden und noch dazu im Ausland befindlichen Ort. Nach alledem könne der Käufer dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entgehen und habe den Schaden selbst zu tragen, so der Richter.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 3.4.2025, 3 O 388/24, PM vom 22.5.2025
| Das Amtsgericht (AG) Berlin-Charlottenburg hat entschieden: Hatte der frühere Vermieter die Hundehaltung erlaubt, kann der in das Mietverhältnis eingetretene Vermieter diese Gestattung nur aus wichtigem Grund widerrufen. Dies gilt, auch wenn es sich um einen Kampfhund handeln sollte. Dass sich Mitmieter aufgrund der Größe und Kraft eines solchen Hundes subjektiv bedroht fühlen, reicht für den Widerruf nicht aus. |
Vorheriger Vermieter hatte Hundehaltung gestattet, neuer Vermieter widerrief Erlaubnis
Die Parteien eines Mietvertrags über ein möbliertes Apartment stritten um die Räumung und Herausgabe einer Wohnung. Der Kläger, der aktuelle Vermieter, war nachträglich in das Mietverhältnis eingetreten. Der beklagte Mieter hält einen Hund, was ihm ausdrücklich vom früheren Vermieter erlaubt worden war.
Der Kläger hat die Erlaubnis zur Hundehaltung im Juni 2023 widerrufen und die Haltung eines Kampfhundes untersagt. Der Beklagte sollte seinen Hund bis Ende Juni 2023 entfernen. Noch im Juni mahnte der Kläger den Beklagten wegen nicht gestatteter Tierhaltung ab. Anfang August 2023 kündigte der Kläger das Mietverhältnis ordentlich zum 30.11.2023 und begründete dies mit der weiteren Haltung eines Kampfhundes sowie des Einsetzens des Hundes als Druck- und Nötigungsmittel.
Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung
Der Kläger behauptete, bei dem vom Beklagten gehaltenen Tier würde es sich um einen Kampfhund handeln. Der Beklagte würde dieses Tier gegenüber Nachbarn im Objekt als Druck- und Nötigungsmittel einsetzen, um Vorrang auf Wegen oder im Treppenhaus zu erzwingen. Mehr als ein anderer Bewohner im Objekt habe Angst vor dem Hund, die wollten aber nicht namentlich genannt werden. Er verklagte den Mieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Der Mieter behauptete hingegen, es handele sich nicht um einen „Listenhund“, sondern um eine Mischung aus Old-English-Bulldog und Weimeraner. Er reichte dazu zwei Fotos sowie eine tierärztliche Bescheinigung und weitere Unterlagen ein.
So entschied das Amtsgericht
Der Vermieter kann das Mietverhältnis nur aus berechtigtem Interesse kündigen. Das ist z. B. der Fall, wenn der Mieter vertragliche Pflichten erheblich verletzt, indem er z. B. ein Tier trotz Abmahnung weiter hält.
Im Fall des AG war es aber anders: Der ursprüngliche Vermieter hatte die Hundehaltung erlaubt. Der – große und kräftige – Hund, war– ohne Maulkorb – stets an der Leine geführt worden. Beißvorfälle oder -versuche oder Bedrohungen von Nachbarn mit dem Hund konnten nicht bewiesen werden. Ein – subjektives – Bedrohtfühlen genügt nicht, um die Erlaubnis zu widerrufen.
Quelle | AG Charlottenburg, Urteil vom 30.5.2024, 218 C 243/23
| Ein Streit um einen Erbschein hat kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Eine Erbin hatte falsche Angaben gemacht – mit unangenehmen Folgen. |
Wahrheitswidrige Angaben zum Testament
Eine Frau hatte nach dem Tod ihrer Mutter einen Erbschein beantragt, um als Alleinerbin ausgewiesen zu werden. Sie berief sich dabei auf ein Testament, machte aber falsche Angaben: Sie versicherte eidesstattlich, dass das Testament von der Verstorbenen eigenhändig verfasst worden sei. In Wirklichkeit hatte jedoch die Tochter das Testament geschrieben und die Mutter nur ihre Unterschrift darunter gesetzt.
Testament muss eigenhändig geschrieben sein
Die falschen Angaben betrafen einen entscheidenden Punkt: Ein Testament muss eigenhändig geschrieben oder von einem Notar beurkundet werden. Eigenhändig heißt, dass der Erblasser es komplett selbst und von Hand niederschreiben muss. Die bloße Unterschrift der Mutter reichte deshalb nicht aus – das Testament war unwirksam. Statt des Testaments galt die gesetzliche Erbfolge, das heißt: Die Antragstellerin musste sich das Erbe mit ihren Geschwistern teilen.
Streit um Anwaltskosten
Im Erbscheinverfahren vor dem Amtsgericht (AG) wurden die falschen Angaben aufgeklärt. Der Streit war damit aber nicht erledigt. Denn die Geschwister hatten Anwälte beauftragt, um gegen den unberechtigten Antrag vorzugehen. Zwei Schwestern verlangten die Erstattung der angefallenen Anwaltskosten. Das OLG gab ihnen nun Recht.
Mögliche strafrechtliche Konsequenzen
Für die unterlegene Schwester hat dies nicht nur finanzielle Folgen: Die Akten werden nun der Staatsanwaltschaft übergeben, denn eine falsche eidesstattliche Versicherung ist strafbar. Das OLG sah einen entsprechenden Anfangsverdacht; bis zu einer möglichen Entscheidung im Strafverfahren gilt für die Betroffene die Unschuldsvermutung.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 9.1.2025, 6 W 156/24, PM vom 20.2.2025
| Das Zerreißen eines Testaments durch den Erblasser ist eine Widerrufshandlung. Es wird gesetzlich vermutet, dass dieser Widerrufshandlung eine Widerrufsabsicht zugrunde lag. Die Aufbewahrung des zerrissenen Testaments im Schließfach widerlegt diese Vermutung nicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die Beschwerde des in dem zerrissenen Testament Begünstigten gegen einen auf Basis gesetzlicher Erbfolge erteilten Erbschein zurückgewiesen. |
Testament zerrissen, aber aufbewahrt
Der Erblasser war mit seiner Frau in letzter Ehe kinderlos verheiratet. Nach seinem Versterben beantragte die Frau einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Das Nachlassgericht erteilte den Erbschein, der die Frau neben der Mutter des Erblassers als Erben auswies. Zwei Monate später öffneten die Frau und ein Vertreter der Mutter des Erblassers das Schließfach des Erblassers. Dort befand sich ein handschriftliches Testament, das eine andere Person begünstigte. Es war längs in der Mitte durchgerissen. Das Nachlassgericht hat den Antrag des Begünstigten abgelehnt, den bereits erteilten Erbschein im Hinblick auf das nun aufgefundene, zerrissene Testament einzuziehen.
Widerruf durch schlüssige Handlung
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das Nachlassgericht habe die Einziehung des Erbscheins zu Recht abgelehnt, da dieser nicht unrichtig geworden sei. Der Begünstigte sei nichttestamentarischer Erbe geworden. Der Erblasser habe das den Begünstigten alsErben einsetzende Testament durch schlüssige Handlung widerrufen.
Durch das Zerreißen des Testaments in der Mitte habe derErblasser das Testament vernichtet. Es liege insoweit eine Widerrufshandlungvor. Das Testament sei unzweifelhaft auch „nicht durch äußere Einflüsse „anderweitig“ in zwei Teile geraten“. Dafür spreche, dass das Papier mittig, aber nicht vollständig gerade getrennt worden sei. Die Trennränder seien zudem nicht glatt. Anhaltspunkte für ein – ggf. sachverständig aufzuklärendes – anderweitiges Trennen des Schriftstücks in zwei Teile lägen nicht vor. Es sei auch davon auszugehen, dass der Erblasser selbst das Testament zerrissen habe, da nur er Zugang zum Bankschließfach gehabt habe. Nach den Angaben der bei Öffnung des Schließfachs Anwesenden bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Testament beim Öffnen oder Schließen des Schließfachs versehentlich von einer dritten Person zerrissen worden sei.
Gesetzliche Vermutung nicht widerlegt
Es werde gesetzlich vermutet, dass diese Widerrufshandlung mit Widerrufsabsicht erfolgte. Indizien, die diese Vermutung widerlegen würden, seien nicht erkennbar. Warum der Erblasser das zerstörte Testament im Schließfach aufbewahrte, sei zwar nicht nachvollziehbar. Dies allein genüge aber nicht zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung. Der Erblasser habe ausweislich der dokumentierten 31 Öffnungen des Schließfachs dieses offensichtlich nicht ausschließlich zur Aufbewahrung eines ungültigenTestaments angemietet.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.4.2025, 21 W 26/25, PM 26/25
| Das Landgericht (LG) Berlin II hat eine Energieberatungsfirma zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von rund 6.000 Euro wegen einer Falschberatung verurteilt. Aufgrund der Falschberatung habe der Kläger – ein Verbraucher – Fenster und Dachfenster mit zu hohen Wärmedurchgangskoeffizienten einbauen lassen, die daher nicht förderfähig seien. |
Förderleistungen beantragt – Bundesamt lehnt ab
Der Kläger hatte die Beklagte mit der Energieberatung für die energetische Sanierung seines Einfamilienhauses beauftragt. In Zusammenarbeit mit der Beklagten beantragte er beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Förderleistungen gemäß der Richtlinie der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG-Richtlinie) und erhielt einen entsprechenden Zuwendungsbescheid. Anschließend holte er Angebote für die Sanierungsmaßnahmen ein und schickte sie der Beklagten, die diese nicht beanstandete.
Für den Verwendungsnachweis der Fördermittel gab der Kläger in Absprache mit der Beklagten die Wärmedurchgangskoeffizienten an, die mit den verbauten Dämmmaterialien an der Gebäudehülle erreicht werden konnten – für das Dach und die Geschossdecke einen Koeffizienten von 0,2, für die Fenster von 1,1 und für die Dachflächenfenster von 1,3. Das Bundesamt teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die technischen Mindestanforderungen bei der Sanierung nicht erreicht seien und hob den Förderbescheid teilweise auf. Die BEG-Richtlinie fordert Koeffizienten an Dachgebilden von 0,14 und an Fenstern von 0,95 bzw. 1,0 bei Dachflächenfenstern.
Energieberater muss Förderleistung zahlen
Das Gericht sprach dem Kläger nun Schadenersatz in Höhe der eigentlich zu gewährenden Förderungssumme zu. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur fachlich zutreffenden Beratung verletzt. Sie hätte insbesondere die vom Kläger vorgelegten Angebote auf ihre Förderungsfähigkeit prüfen müssen.
Der Verweis der Beklagten, der Kläger hätte sich selbst über die förderungsrelevanten Wärmedurchgangskoeffizienten informieren können, führe ihr Leistungsangebot ad absurdum. Es sei gerade ihre Hauptleistungspflicht, einen Verbraucher und Laien über die Richtlinien und Richtwerte fachlich zu beraten. Darüber hinaus habe die Beklagte den Kläger falsch beraten, weil sie selbst von falschen Werten ausgegangen sei. Rechtsirrig habe sie in E-Mails an den Kläger auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und nicht auf die Werte der BEG-Richtlinie verwiesen. Die Beratung sei auch deshalb unzureichend und fehlerhaft gewesen.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23, PM 3/25
| Bei einer mehr als unerheblichen Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks scheidet die Annahme eines faktischen Kerngebiets aus, also als Gebiet, das vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Stadt versagte Nutzung eines Gebäudes als Spielhalle
Die Klägerin begehrt einen Bauvorbescheid für die Nutzung eines Geschäftsgebäudes in der Innenstadt der Beklagten als Spielhalle. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, der Widerspruch blieb erfolglos.
Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht sahen das anders
Das Verwaltungsgericht (VG) gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) zurück. Das Vorhaben sei als Vergnügungsstätte zulässig. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Kerngebiet i. S. d. Baunutzungverordnung (hier: § 7 BauNVO). Die nicht unerhebliche, aber noch untergeordnete Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks stehe dieser Einordnung nicht entgegen, obwohl sie im vorhandenen Umfang nur aufgrund von Festsetzungen in einem Bebauungsplan zulässig wäre.
Bundesverwaltungsgericht rügte mangelnde Tatsachenfeststellung
Das BVerwG hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Auffassung des OVG, dass ein faktisches Kerngebiet auch bei einer nicht unerheblichen Wohnnutzung vorliegt, steht mit der Regelungssystematik der Baunutzungsverordnung nicht in Einklang. Die Verweisung in § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB auf die §§ 2 ff. BauNVO findet dort eine Grenze, wo die Baunutzungsverordnung eine planerische Entscheidung der Gemeinde vorsieht. Der Verordnungsgeber hat die Entscheidung darüber, ob die sonstige Wohnnutzung in einem Kerngebiet über Ausnahmen hinausgehen darf, der Gemeinde überlassen. Ihr Spielraum darf bei der Einordnung als faktisches Kerngebiet nicht übergangen werden. Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen konnte das BVerwG nicht abschließend entscheiden.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 20.5.2025, 4 C 2.24, PM 37/25
| Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf der Grundlage von über 2.300 geleisteten Mehrarbeitsstunden im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer für mehrere Monate frei, muss er ihm in diesen Monaten das Entgelt nach dem Lohnausfallprinzip zahlen, also das Entgelt, das zu zahlen gewesen wäre, wenn der Arbeitnehmer in diesen Monaten gearbeitet hätte. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |
Das LAG: Nichts anderes ergibt sich, wenn die unstreitige Mehrarbeit vor 20 Jahren geleistet worden war, also in einem Zeitraum, für den die Parteien ein viel geringeres Bruttomonatsentgelt vereinbart hatten.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 23.8.2024, 6 Sa 663/23
| Ein Bewerber um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugdienst kann verlangen, nicht wegen eines genetisch bedingten erhöhten Thromboserisikos vom Bewerbungsverfahren der Bundespolizei ausgeschlossen zu werden. Bei der beim Kläger diagnostizierten sog. Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich um einen angeborenen Gendefekt, bei dem es zu Störungen der Blutgerinnung kommt und der mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergeht. Die Entscheidung der Bundespolizeiakademie, die Bewerbung des Klägers um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst im Jahr 2023 aufgrund fehlender gesundheitlicher Eignung nicht zu berücksichtigen, hatte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Aachen keinen Bestand. Über die Bewerbung des Klägers muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden werden. |
Geringe Risiken
Zur Begründung hat das VG ausgeführt, dass es bereits in erheblichem Maße zweifelhaft ist, ob hinreichende sachliche Gründe für den Ausschluss von Beamten mit einem solchen Gendefekt bestehen. Denn das durch eine solche Mutation bedingte Thromboserisiko ist verhältnismäßig gering. In der beim Kläger vorliegenden Form ist es zwar gegenüber gesunden Menschen erhöht, entspricht jedoch ungefähr dem Thromboserisiko durch die Einnahme der Antibabypille bei Frauen und damit einem Risiko, das der Dienstherr als hinnehmbar ansieht.
Ergebnisse der genetischen Untersuchung durften nicht mitgeteilt werden
Unabhängig davon durfte der Gendefekt nicht zulasten des Klägers im Einstellungsverfahren berücksichtigt werden, weil er aufgrund einer genetischen Untersuchung diagnostiziert wurde. Die Mitteilung des diesbezüglichen Ergebnisses durfte die Bundespolizei aus Rechtsgründen nicht verlangen.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 10.3.2025, 1 K 1304/23, PM vom 10.3.2025
| Die Verwendung eines abstrakt gefährlichen Gegenstands – hier eines Klappmessers – zu einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch – hier Reparaturversuch an einer Uhr – läuft den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider und steht deshalb der Anerkennung eines Unfallereignisses als Dienstunfall entgegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Mit dem Messer versucht, Klemmfeder zu richten
Der mittlerweile pensionierte Kläger war Polizeivollzugsbeamter im saarländischen Landesdienst. Im April 2019 erstattete er bei seiner Dienststelle eine Dienstunfallanzeige. Danach habe er zu Dienstbeginn festgestellt, dass die sonst über der Tür hängende Wanduhr auf der Fensterbank gelegen habe. Es sei ihm aufgefallen, dass die Batterie der Uhr unsachgemäß im Batteriefach gesteckt habe und die Klemmfeder verbogen gewesen sei. Er habe mit seinem Klappmesser die verbogene Feder wieder richten wollen. Hierbei sei das Messer zugeschnappt und er habe sich einen tiefen Schnitt am kleinen Finger der rechten Hand zugezogen.
Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls
Sein Antrag auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall ist behördlich und in den beiden gerichtlichen Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwiderlaufe, wenn ein Beamter sich ohne Not einem Verletzungsrisiko durch Hantieren mit einem privaten, abstrakt gefährlichen Gegenstand aussetze, dessen Funktionstauglichkeit der Dienstherr nicht prüfen könne.
Keine dienstliche Aufgabe
Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall. Zwar hat sich der Unfall in einem Dienstgebäude zur Dienstzeit ereignet und ist damit grundsätzlich als „in Ausübung des Dienstes eingetreten“ vom Dienstunfallschutz erfasst. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Reparatur der Uhr nicht zu den dienstlichen Aufgaben des Klägers als Polizeibeamter gehörte. Dienstunfallschutz wird jedoch nicht gewährt, wenn dieTätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft. Das ist hier der Fall.
Entgegen den Interessen des Dienstherrn
Dabei kann dahinstehen, ob es sich um ein Einhandmesser im Sinne des Waffengesetzes handelte und das Führen des Messers bereits deshalb verboten war. Jedenfalls lief die Benutzung dieses Messers zum Zweck einer Uhrreparatur den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider. Das verwendete Messer ist ein abstrakt gefährlicher Gegenstand, der für den Zweck der Reparatur ersichtlich nicht bestimmt und nicht geeignet war.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 13.3.2025, 2 C 8.24, PM 16/25
| Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellt den Arbeitnehmer trotz dessen Beschäftigungsanspruchs von der Arbeit frei, unterlässt der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig in Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 615 S. 2 BGB) anderweitigen Verdienst, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis eingeht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Das war geschehen
Der Kläger war seit November 2019 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Senior Consultant gegen eine monatliche Vergütung von 6.440 Euro brutto. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.3.2023 ordentlich zum 30.6.2023 und stellte den Kläger unter Einbringung von Resturlaub unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht (ArbG) am 29.6.2023 statt, die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) am 11.6.2024 zurückgewiesen.
Arbeitgeber schlug Stellenangebote vor
Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Kläger Anfang April 2023 arbeitssuchend und erhielt von der Agentur für Arbeit erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge. Die Beklagte übersandte ihm hingegen schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote, die nach ihrer Einschätzung für den Kläger in Betracht gekommen wären.
Arbeitnehmer bewarb sich – aber erst zum Beschäftigungsende
Auf sieben davon bewarb sich der Kläger, allerdings erst ab Ende Juni 2023. Nachdem die Beklagte dem Kläger für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, hat er diese mit einer Klage geltend gemacht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewendet, der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bei der Beklagten bezogenen Gehalts anrechnen lassen.
Arbeitgeber war durch einseitige Freistellung im Annahmeverzug
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) ihr stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Beklagte befand sich aufgrund der von ihr einseitig erklärten Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug und schuldet dem Kläger (nach § 615 S. 1 BGB iVm. § 611 a Abs. 2 BGB) die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss sich der Kläger nicht (nach § 615 S. 2 BGB) anrechnen lassen. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil ist nur gerechtfertigt, wenn dieser wider Treu und Glauben (nach § 242 BGB) untätig geblieben ist. Weil § 615 S. 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend hiervon bestand für ihn keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Beklagten ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.
Quelle | BAG, Urteil vom 12.0.2025, 5 AZR 127/24, PM 6/2
Steuerrecht
| Ein Verkauf von Unternehmensvermögen unterliegt der Umsatzsteuer. Eine Entnahme kann hingegen ohne Umsatzsteuer bleiben, wenn der Gegenstand ohne Vorsteuerabzug Unternehmensvermögen wurde. Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Niedersachsen gelten für dieses „Entnahme-Verkauf-Modell“ aber strenge Voraussetzungen. |
Hintergrund: Wurde ein Wirtschaftsgut ohne Vorsteuerabzug erworben und in das Unternehmensvermögen eingelegt, kann es grundsätzlich nicht umsatzsteuerbar entnommen und anschließend ohne Umsatzsteuer verkauft werden. So hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Jahr 2002 Folgendes festgestellt: Entnimmt der Steuerpflichtige den Pkw, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hatte, vor der Veräußerung seinem Unternehmen, ist es unzulässig, die Entnahme zu besteuern. Wenn der Steuerpflichtige den Pkw dann veräußert, ist diese Leistung seinem privaten Bereich zuzurechnen. Sie unterliegt daher nicht der Umsatzsteuer. Zu den Voraussetzungen musste jüngst das FG entscheiden.
Das war geschehen
Ein Unternehmer hatte einen Pkw und ein Wohnmobil aus seinem Privatvermögen in das Betriebsvermögen eingelegt. Es erfolgte jeweils eine Zuordnung zum Unternehmensvermögen ohne Vorsteuerabzug. Aus den Reparaturaufwendungen wurde dann jedoch der Vorsteuerabzug geltend gemacht.
Später verkaufte der Unternehmer die Fahrzeuge ohne Umsatzsteuerausweis. Der Kaufvertrag für den Pkw datierte vom 22.10.2016 (Übergabe am 25.10.2016), der Kaufvertrag für das Wohnmobil vom 25.8.2018 (Übergabe am 29.8.2018). In der Buchhaltung wurde eine Entnahme des Pkw zum 25.10.2016 und eine Entnahme des Wohnmobils zum 25.8.2018 jeweils ohne Umsatzsteuer erfasst.
Das Finanzamt setzte für die Verkäufe Umsatzsteuer fest. Wegen der engen zeitlichen Zusammenhänge liege weder für den Pkw noch für das Wohnmobil ein ausreichender Nachweis einer Entnahmehandlung vor. Die buchhalterische Erfassung allein genüge nicht.
Die hiergegen gerichtete Klage war erfolglos.
So argumentiert das Finanzgericht
Für eine vorherige nicht umsatzsteuerbare Entnahme bedarf es objektiver Anhaltspunkte und einer gewissen Zeitspanne zwischen Entnahme und Verkauf. Der Umstand, dass die Entnahme zeitlich mit der Lieferung am gleichen Tag erfolgt sein soll, spricht gegen eine Entnahme.
Die nach außen erkennbare Entnahme eines Gegenstands aus dem unternehmerischen Bereich hat zeitlich vor dem Verkauf zu erfolgen, wobei es dabei zur erforderlichen eindeutigen Abgrenzung auf den Zeitpunkt des ersten Angebots zum Verkauf des Gegenstands bzw. die erste Verkaufsbemühung ankommt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 3.4.2025, 5 K 15/24
| Bei der Frage, ob die Sachbezugsfreigrenze gemäß Einkommensteuergesetz (hier: § 8 Abs. 2 S. 11 EStG) in Höhe von 50 Euro pro Monat überschritten wird, sind die vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten anteilig den für die Nutzung des Firmenfitnessprogramms registrierten Arbeitnehmern zuzurechnen. Auf die Anzahl der vom Arbeitgeber erworbenen Lizenzen kommt es nicht an, wenn diese nicht der Zahl der für das Programm registrierten Arbeit-nehmer entspricht. Dies hat das Finanzgericht (FG) Niedersachsen entschieden. |
Beispiel in Anlehnung an den Urteilssachverhalt
Die A-GmbH hat 100 Arbeitnehmer. Sie schließt mit dem Fitnessstudiobetreiber X eine Firmenfitness-Mitgliedschaftsvereinbarung, wonach die Arbeitnehmer der A-GmbH berechtigt sind, das Fitnessstudio des X zu nutzen.
Somit erwirbt die A-GmbH 50 Lizenzen für monatlich 4.000 Euro inkl. Umsatzsteuer. Die Anzahl wurde anhand der Personalstruktur als Kalkulationsgrundlage für X prognostiziert. Die Lizenzen haben keine Auswirkung auf die Menge der tatsächlich nutzungsberechtigten Arbeitnehmer.
Mitarbeiter, die das Angebot in Anspruch nehmen wollen, haben im Fitnessstudio eine Berechtigung vorzulegen, die X aufgrund der mitgeteilten Namen erstellte. Von den 100 Mitarbeitern haben sich 80 für das Fitnessprogramm angemeldet. Tatsächlich teilgenommen haben 50 Mitarbeiter.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind die Kosten auf die Anzahl der Lizenzen zu verteilen. Das würde im Beispiel bedeuten, dass je Arbeitnehmer 80 Euro (4.000 Euro/50 Lizenzen) zu berücksichtigen wären, mithin der Betrag in voller Höhe steuerpflichtig wäre.
Finanzgericht widersprach der Finanzverwaltung
Dem widersprach jedoch das FG: Entspricht die Anzahl der Lizenzen nicht der Zahl der für das Programm registrierten Mitarbeiter, kommt es auf die Menge der Lizenzen nicht an. Vielmehr sind dann die vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten anteilig den für die Nutzung des Firmenfitnessprogramms registrierten Mitarbeitern zuzurechnen. Im Beispiel ergeben sich somit 50 Euro je Arbeitnehmer (4.000 Euro/80 Arbeitnehmer). Da der Betrag nicht die Freigrenze übersteigt, ist er nicht zu versteuern.
Beachten Sie | Die Kosten sind nicht nur auf die Mitarbeiter zu verteilen, die das Angebot tatsächlich in Anspruch genommen haben. Denn die Arbeitnehmer haben den Nutzungsvorteil, dass für sie jederzeit eine Trainingsmöglichkeit vorgehalten wird.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 17.4.2024, 3 K 10/24
| Ein Steuerbescheid ist nach der Abgabenordnung (hier: § 175 b AO) zu ändern, wenn elektronische Daten von Dritten (z. B. dem Rentenversicherungsträger) bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Dies gilt laut Bundesfinanzhof (BFH) selbst dann, wenn diese Informationen bereits aus der Steuererklärung ersichtlich waren. |
Das war geschehen
Eheleute hatten eine korrekte Steuererklärung abgegeben. Darin hatten sie auch ihre Renteneinkünfte zutreffend erklärt. Das Finanzamt erließ allerdings einen Einkommensteuerbescheid, in dem die Renteneinkünfte nicht erfasst waren. Später erhielt das Finanzamt auch auf elektronischem Wege durch eine Datenübermittlung des Rentenversicherungsträgers von der Höhe der Renteneinkünfte Kenntnis und änderte daraufhin den Einkommensteuerbescheid zulasten der Eheleute und setzte erstmals die Renteneinkünfte an.
Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen und der BFH haben diese Handhabung nun bestätigt.
Abweichende Regelungen in der „analogen Welt“
In der analogen Welt war die Änderung eines einmal ergangenen Steuerbescheids (sowohl zugunsten als auch zulasten des Steuerpflichtigen) nur möglich, wenn hierfür besondere Voraussetzungen erfüllt waren (z. B. ausdrücklicher Vorbehalt der Nachprüfung im Steuerbescheid oder nachträglich bekannt gewordene Tatsachen).
Beachten Sie | Diese Voraussetzungen waren im Streitfall nicht erfüllt, da das Finanzamt die Rente trotz voller Kenntnis des Sachverhalts im ursprünglichen Steuerbescheid außer Ansatz gelassen hatte.
Digitalisierung: Änderung des Steuerbescheids, wenn Daten nicht berücksichtigt waren
Im Zuge der Digitalisierung erhalten aber auch die Finanzämter immer mehr besteuerungsrelevante Daten auf elektronischem Weg. Daher hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 2017 § 175 b AO eingeführt. Danach kann ein Steuerbescheid geändert werden, soweit Daten an das Finanzamt übermittelt werden, die bisher nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Weitere (insbesondere einschränkende) Voraussetzungen enthält diese Norm nicht.
Beachten Sie | Eine auf § 175 b AO gestützte Änderung ist somit auch vorzunehmen, wenn dem Finanzamt oder dem Steuerpflichtigen zuvor ein Fehler unterlaufen ist. Dies hat sich im Streitfall zugunsten des Finanzamts ausgewirkt, würde aber umgekehrt ebenso zugunsten des Steuerpflichtigen gelten.
Quelle | BFH, Urteil vom 27.11.2024, X R 25/22
| Liegt Arbeitslohn vor, wenn ein Teil eines Veräußerungspreises für Gesellschaftsanteile dafür gezahlt wird, dass der (dann ehemalige) Gesellschafter für einen bestimmten Zeitraum noch als Geschäftsführer tätig wird? Mit dieser Frage muss sich der Bundesfinanzhof (BFH) befassen. Das Finanzgericht (FG) Köln hatte auf Arbeitslohn plädiert. |
Das war geschehen
Der Steuerpflichtige A war an einer GmbH beteiligt und zugleich deren Geschäftsführer. Im Streitjahr verkaufte A seine Anteile. In dem Kaufpreis war vertragsgemäß ein Teilbetrag für die Fortsetzung der Geschäftsführung über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren enthalten.
Teileinkünfteverfahren oder Arbeitslohn?
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass es sich bei dem Teilbetrag um eine Gegenleistung für die mehrjährige Geschäftsführertätigkeit des A handle und diese nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 19 i. V. mit § 34 Abs. 1 EStG) als Arbeitslohn der Besteuerung unterliege.
Der Verkäufer A wandte dagegen ein, dass der Teilbetrag im Rahmen der Ermittlung des Gewinns i. S. des § 17 EStG („Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften“ unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens) zu berücksichtigen sei.
Das FG sprach sich im Klageverfahren unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls für Arbeitslohn aus.
Das spricht für Arbeitslohn
Für die Annahme von Arbeitslohn spricht insbesondere, dass der Verkäufer A den auf die Geschäftsführertätigkeit entfallenden Anteil nur behalten darf, wenn er weiter als Geschäftsführer tätig ist. Das Fortbestehen des Geschäftsführerverhältnisses ist nach dem Kaufvertrag notwendige Voraussetzung für die Vorteilsgewährung.
Beachten Sie | Diese Verknüpfung wird nicht durch die Anteilsübertragung überlagert, denn die prägende Gegenleistung für den Streitbetrag ist die Arbeitsleistung und nicht die Anteilsübertragung.
Höchstrichterliche Entscheidung gefragt
Das FG Köln hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Denn, soweit ersichtlich, ist die Abgrenzung zwischen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit i. S. des § 19 EStG und solchen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften i. S. des § 17 EStG bisher nicht höchstrichterlich geklärt.
Da die Revision auch eingelegt wurde, hat der BFH nun Gelegenheit, für Klarheit zu sorgen.
Quelle | FG Köln, Urteil vom 4.12.2024, 12 K 1271/23
| Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Münster kann eine Ferienwohnung, die der Einkünfteerzielung dient, eine erste Tätigkeitsstätte bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung darstellen, wenn der Vermieter mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit für das Objekt dort verrichtet. |
Hintergrund: Suchen Vermieter in (un)regelmäßigen Abständen ihre Vermietungsobjekte auf, um z. B. Reparaturen vorzunehmen oder mit dem Mieter in Kontakt zu treten, stehen die dabei entstehenden Fahrtkosten mit den Mieteinkünften im Zusammenhang und lassen sich als Werbungskosten absetzen.
Grundsätzlich sind die Fahrtkosten dann nach Reisekostengrundsätzen zu ermitteln, sodass die tatsächlichen Kosten bzw. 0,30 Euro je Kilometer für die Hin- und die Rückfahrt anzusetzen sind.
In dem Streitfall ging es nun u. a. um die Frage, ob eine Ferienwohnung auch eine erste Tätigkeitsstätte darstellen kann – mit der Folge, dass lediglich die Entfernungspauschale (0,30 Euro pro Entfernungskilometer bzw. 0,38 Euro ab dem 21. Kilometer) abgezogen werden kann.
Das war geschehen
Eine aus Vater und Sohn bestehende GbR erzielte Einkünfteaus der Vermietung zweier Ferienwohnungen. Für das Jahr 2019 machte die GbR u. a. Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen im Zusammenhang mit Reparatur- und Reinigungsarbeiten an den Wohnungen als Werbungskosten geltend.
Das Finanzamt stellte bei der Prüfung der Unterlagen und Belege Ungereimtheiten fest und erkannte die Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen wegen privater Mitveranlassung nicht an. Die hiergegen gerichtete Klage war vor dem FG teilweise erfolgreich.
Das Gericht begründete seine Entscheidung u. a. wie folgt: Die Fahrtkosten sind mit der Entfernungspauschale und unter Abzug eines Privatanteils zu berücksichtigen. Die beiden Wohnungen sind jeweils als erste Tätigkeitsstätte anzusehen.
Hier keine Zuordnung durch Arbeitgeber, sondern quantitative Kriterien
Der Verweis im Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 3 EStG) auf die vorrangig für Arbeitnehmer geltenden Regelungen führt bei den Vermietungseinkünften dazu, dass jedenfalls dann eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt, wenn der Steuerpflichtige mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit für das Mietobjekt dort selbst verrichtet. Maßgeblich sind in erster Linie quantitative Kriterien, da – anders als bei Arbeitnehmern – eine Zuordnung durch einen Arbeitgeber nicht in Betracht kommt.
Private Veranlassungsanteile
Da die Ferienwohnungen im Wesentlichen durch Dritte verwaltet wurden, während die Gesellschafter die Reparaturarbeiten selbst durchführten, ist die quantitative Grenze von einem Drittel im Streitfall deutlich überschritten. Für jede einzelne Reise hat das Gericht eine Aufteilung der Fahrtkosten vorgenommen und die privaten Veranlassungsanteile nicht als Werbungskosten anerkannt.
Die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen wären bestenfalls innerhalb der ersten drei Monate anzuerkennen. Im Streitfall war die Dreimonatsfrist aber bereits abgelaufen.
Beachten Sie | DasFG Münster hatte die Revision zugelassen, weil bis dato keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 9 Abs. 3 EStG vorliegt und hierzu im Streitfall entscheidungserhebliche Fragen grundsätzlich klärungsbedürftig sind. Da die Revision aber nicht eingelegt wurde, muss man vorerst weiter auf eine höchstrichterliche Entscheidung warten.
Allerdings zeigt der Streitfall, dass eine gute Beweisvorsorge unerlässlich ist. Das gilt nicht nur für die Anzahl der Fahrten,s ondern auch für den mit der Vermietung zusammenhängenden Hintergrund der Fahrten und der möglichst fehlenden privaten Mitveranlassung. Zudem wird deutlich, dass bei sehr vielen Fahrten zum Mietobjekt die Gefahr besteht, dass das Finanzamt nur die Entfernungspauschale gewährt.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 15.5.2025, 12 K 1916/21 F
| Eine Frau parkte in der Tiefgarage ihres Arbeitgebers. Beim Ausparken stieß sie mit der Beifahrertür ihres BMW versehentlich gegen einen rechteckigen, ca. kniehohen Sockel einer Säule. Der Sockel befand sich unterhalb der Sichtachse und war nicht gekennzeichnet oder markiert. Sie verlangte Schadenersatz. Ihre Klage wies das Amtsgericht (AG) München ab. |
Das verlangte die Klägerin
Die Klägerin behauptet, durch den Unfall sei ein Schaden an der Beifahrertür von über 3.200 Euro netto entstanden. Der Sockel sei bei Umbaumaßnahmen im Zeitraum 2019 bis 2022 errichtet worden. Die Klägerin habe erfahren, dass es mehrere Unfälle an dem Betonsockel gegeben habe. Sie verklagte daraufhin das Bauunternehmen, das die Verkehrssicherungspflicht für die von ihm durchgeführten Arbeiten übernommen hatte.
Die beklagte Baufirma gab an, der Sockel stünde dort bereits seit 50 Jahren. Sie bezweifelte, dass der Schaden vollständig auf einen Kontakt mit dem Sockel zurückzuführen sei.
So urteilte das Amtsgericht
Das AG wies die Klage ab. Begründung: Das Bauunternehmen habe bereits keine sog. Verkehrssicherungspflicht verletzt. Der Betonsockel stellte schon keine besondere Gefahrenquelle für Fahrzeuge in einer Parkgarage dar. Dabei sei zu berücksichtigen, dass jeder Kraftfahrer in einer Parkgarage ohnehin nur so schnell fahren darf, dass er im Hinblick auf die ständig zu erwartenden Ein- und Ausparkvorgänge, aber auch wegen des dort herrschenden Fußgängerverkehrs jederzeit anhalten kann. Beim Ein- und Ausparkvorgang sei es daher jederzeit möglich, anzuhalten, auszusteigen und sich zu vergewissern, wie breit die Fahrbahn oder der Parkplatz an dieser Stelle ist.
Dies gelte insbesondere hinsichtlich des streitgegenständlichen Betonsockels, der von allen Seiten gut sichtbar sei, da er breiter sei als die dahinterstehende Säule. Ein kniehoher Betonsockel sei auch kein überraschendes Hindernis für Parkgaragennutzer, da enge Parkbuchten in einer älteren Parkgarage durchaus üblich seien.
Altschäden auf Fahrfehler zurückzuführen
Selbst, wenn man unterstelle, dass mehrere Fahrer mit ihren Fahrzeugen den Betonsockel in der Vergangenheit gestreift haben sollen, was angesichts eines vorgelegten Fotos und den darauf sichtbaren Lackspuren durchaus plausibel erscheine, sei eine Gefahr, dass Rechtsgüter Dritter durch den statischen Betonsockel verletzte werden, für das Bauunternehmen nicht erkennbar gewesen. Dieses habe als sog. Verkehrssicherungspflichtige darauf vertrauen dürfen, dass die Parkgaragennutzer den gut sichtbaren Betonsockel erkennen und, sofern ihr Fahrzeug zu breit für den Parkplatz sei, eine andere noch freie Parkbucht ohne einen Betonsockel nutzen. Beschädigungen des Sockels durfte das Bauunternehmen daher auf Fahrfehler zurückführen.
Mitverschulden der Autofahrerin
Selbst, wenn man eine Verkehrssicherungspflicht annehmen würde, träfe die Frau ein Mitverschulden, das eine Haftung des Bauunternehmens vollständig entfallen ließe. Die Klägerin nutzte die Parkgarage ihres Arbeitgebers bereits fast zwei Monate nach den Umbaumaßnahmen. Ihr waren sowohl der Zustand der Parkgarage als auch ihre baulichen Merkmale aufgrund der längeren Nutzung bekannt oder sie hätten ihr bekannt sein müssen.
Quelle | AG München, Urteil vom 9.8.2024, 231 C 13838/24. PM 13/25
| Der im Land Berlin eingeführte Probeunterricht zur Eignungsfeststellung für das Gymnasium ab dem Schuljahr 2025/2026 bei Schülern, die nach der Förderprognose den erforderlichen Notendurchschnitt verfehlt haben, ist nicht zu beanstanden. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in mehreren Eilverfahren entschieden. |
Schulgesetz geändert
Im August 2024 änderte das Land Berlin die Regelungen des Schulgesetzes für die Aufnahme in das Gymnasium zur 7. Jahrgangsstufe. Nach der Neuregelung können die Erziehungsberechtigten ein Kind mit einem Notenschnitt zwischen 2,3 und 2,7 nur an einem Gymnasium anmelden, wenn die Eignung für den Besuch des Gymnasiums durch die Teilnahme an einem Probeunterricht nachgewiesen wird.
Die Antragsteller sind Schüler, die bei diesem Probeunterricht weniger als die geforderten mindestens 75 Prozent der erreichbaren Bewertungseinheiten erzielten. Im gerichtlichen Eilverfahren begehren sie dennoch die vorläufige Feststellung ihrer Eignung für das Gymnasium, weil sie die Einführung des Probeunterrichts für rechtswidrig halten.
Verwaltungsgericht: Probeunterricht nicht zu beanstanden
Das VG hat die Eilanträge zurückgewiesen. Die Ausgestaltung des Probeunterrichts und die jeweils konkreten Bewertungen seien rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar betreffe der Probeunterricht auch Kinder, die bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits in der 5. Klasse der Grundschule gewesen seien. Das sei aber verhältnismäßig, weil die legitimen Interessen des Gesetzgebers, insbesondere auch an einer zügigen neuen Aufnahmeregelung für Gymnasien, das Interesse der Betroffenen am Erhalt der bestehenden Regeln überwögen: Der Probeunterricht ermögliche eine prognostische, an allgemeingültigen Maßstäben ausgerichtete und zugleich auf den Einzelfall bezogene pädagogische Beurteilung, ob die Eignung für das Gymnasium vorliege. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des Probeunterrichts auf den Umstand reagiert, dass in der Vergangenheit durchschnittlich sieben Prozent das (mit der Neuregelung abgeschaffte) Probejahr am Gymnasium nicht bestanden hätten, im Schuljahr 2022/23 von den Schülerinnen und Schüler ohne Gymnasialempfehlung sogar 34 Prozent.
Der Probeunterricht trage den begrenzten Kapazitäten der Gymnasien und Lehrressourcen Rechnung, vermeide eine absehbare Überforderung der betroffenen Schülerinnen und Schüler und wirke durch rechtzeitige Prognose einem unnötigen Hin und Her entgegen. Die Aufgaben des Probeunterrichts seien anhand der Vorgaben des gemeinsamen Rahmenlehrplans für Berlin und Brandenburg entwickelt worden. Verbindliche Angaben der Schulaufsichtsbehörde zur Punkteverteilung im Erwartungshorizont hätten eine einheitliche Bewertung sichergestellt. Schließlich habe die zeitliche Ausgestaltung des Probeunterrichts mit ausreichenden Pausen zwischen den drei 45-minütigen Prüfungsteilen die besondere Prüfungssituation der Kinder berücksichtigt.
Quelle | VG Berlin, Beschlüsse vom 9.4.2025, VG 3 L 77/25 u. a., PM 25/25
| Die Universität Duisburg-Essen hat einer Studentin zu Recht diejenigen „Prüfungsleistungen“ aberkannt, die in dem System der Universität als bestanden ausgewiesen waren, weil die Studentin für diese Eintragung einer ehemaligen Mitarbeiterin des Prüfungsamts der Universität Geld gezahlt hatte. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen entschieden. |
Nicht zur Prüfung erschienen – Geldzahlungen an ehemalige Mitarbeiterin
Die Studentin war zu fünf Prüfungsterminen ihres Studiengangs Bachelor Wirtschaftswissenschaft, Katholische Religion und Bildungswissenschaften mit der Lehramtsoption Berufskolleg nicht erschienen. Dies war in den internen Notenlisten der Prüfer vermerkt. Eine ehemalige Mitarbeiterin des Prüfungsamts der Universität vermerkte gegen Geldzahlung in dem System der Universität, die Studentin habe die Prüfungen bestanden und trug dazu Noten ein. Im Masterstudiengang wiederholte sich dies bei vier Prüfungen. Der Prüfungsausschuss der Fakultät Wirtschaftswissenschaften beschloss, die Prüfungsleistungen jeweils als nicht bestanden (Note 5,0) zu bewerten, die von der Fakultät Bildungswissenschaften verliehenen Universitätsabschlüsse (Bachelor und Master) abzuerkennen, und forderte die Abschlusszeugnisse zurück.
Klagen gegen Aufhebung der Prüfungsleistungen
Die Klage gegen die Aufhebung der Prüfungsleistungen und ihre Bewertung als nicht bestanden hat das VG abgewiesen. Die Studentin hat die Prüfungsleistungen nicht bestanden, weil sie nicht an den Prüfungen teilgenommen hat. Die Aberkennung der Abschlüsse und die damit zusammenhängenden Anordnungen hob die Universität in der mündlichen Verhandlung auf, weil hierüber der unzuständige Prüfungsausschuss entschieden hatte. Zuständig ist der Prüfungsausschuss für Bildungswissenschaften, der die Abschlüsse verliehen hat.
Eine weitere Klage einer anderen Studentin im Studiengang Bachelor für das Lehramt Berufskolleg gegen die Bewertung von vier Prüfungsleistungen als nicht bestanden (Note 5,0) durch den Prüfungsausschuss hat das VG ebenfalls abgewiesen. Die Studentin hatte eine Prüfung nicht bestanden und war zu drei weiteren nicht erschienen. Gegen Geldzahlung an eine ehemalige Mitarbeiterin des Prüfungsamts wurden diese Prüfungen als bestanden in das System der Universität eingetragen.
Quelle | VG Gelsenkirchen, Urteile vom 28.4.2025, 4 K 1226/22 und 4 K 1227/22, PM vom 29.4.2025
| Ein Jäger, der im betrunkenen Zustand seine Jagdwaffe im Pkw transportiert, besitzt nicht die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit zur (Wieder-)Erteilung eines Jagdscheins – unabhängig davon, ob die mitgeführte Waffe geladen war oder nicht. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Münster entschieden. |
Jäger verursachte hohen Schaden
Der Jäger aus dem Kreis Coesfeld war im Jahr 2020 in Rheinland-Pfalz auf dem Rückweg von einer Jagdveranstaltung und transportierte seine Langwaffe im Fahrzeug. Dabei kam er von der Fahrbahn ab, fuhr zwei Verkehrsschilder um und in eine Hauswand. Es entstand ein Fremdschaden in Höhe von etwa 50.000 Euro. Ein Atemalkoholtest nach dem Unfall ergab einen Wert von 1,69 Promille, zwei Blutentnahmen Werte von 1,48 und 1,39 Promille. Nach dem Unfall nahm der Kläger seine in einem Futteral befindliche Langwaffe aus dem Fahrzeug und stellte sie in ein nahes Wartehäuschen, wo sie von der Polizei sichergestellt wurde.
Antrag auf erneutes Ausstellen eines Jagdscheins
Es kam zu einem Strafverfahren. Zudem wurde die Waffenbesitzkarte des Mannes widerrufen, sodass er seine Schusswaffen abgeben musste. In der Zwischenzeit lief die Gültigkeit seines Jagdscheins aus. Im Jahr 2022 beantragte der Kläger dann die erneute Ausstellung eines Jagdscheins, blieb damit bei der Behörde jedoch ohne Erfolg.
Die Klage hiergegen wies das Gericht nun ab, denn der Kläger sei waffenrechtlich unzuverlässig. Es rechtfertigten Tatsachen die Annahme, dass er mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehe oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werde. Bei der zu treffenden Prognose genüge es, wenn bei Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen bestehe. Im Bereich des Waffenrechts müsse kein Restrisiko hingenommen werden. Ob, wie zuletzt zwischen den Beteiligten streitig, die Waffe im Auto des Klägers bei der Trunkenheitsfahrt geladen war, und ob er sie nach dem Unfall genügend beaufsichtigt hat, könne offenbleiben. Genügende Anhaltspunkte für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang des Klägers mit Waffen ergäben sich bereits daraus, dass er seine Jagdwaffe bei einer Autofahrt mitgeführt hat, obwohl er eine Atemalkoholkonzentration von 1,69 Promille bzw. eine Blutalkoholkonzentration von 1,48 Promille aufwies und sich damit in einem Zustand befand, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können und vorliegend – in Form der zu dem Verkehrsunfall mit erheblichem Sachschaden führenden Unaufmerksamkeit – auch aufgetreten sind.
Als Waffenbesitzer unzuverlässig
Die Blutalkoholkonzentration übersteige den Grenzwert absoluter Fahruntüchtigkeit von Kraftfahrern (1,1 Promille). Mit einer Schusswaffe gehe nicht vorsichtig und sachgemäß um, wer diese in einem Zustand gebrauche, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können – unabhängig davon, ob solche auch tatsächlich aufträten. Das gelte auch für das Mitführen einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe bei einer Autofahrt in alkoholisiertem Zustand, das waffenrechtlich als „Führen der Schusswaffe“ einzuordnen sei.
Es bestehe zum einen die Gefahr, dass der Waffenbesitzer in einer Konfliktsituation mit anderen Verkehrsteilnehmern aufgrund alkoholbedingter Ausfallerscheinungen inadäquat reagieren und zur Konfliktlösung auf die von ihm mitgeführte Schusswaffe zurückgreifen könnte. Zum anderen bestehe beim Transport einer Schusswaffe im Straßenverkehr bei alkoholbedingten Ausfallerscheinungen des Waffenbesitzers die reale Möglichkeit des Abhandenkommens der Schusswaffe. Jedenfalls dann, wenn es – wie hier – zu einem Unfall kommt, bestehe das Risiko, dass der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, den Zugriff Dritter auf die Waffe auszuschließen. Dass der Kläger zwischenzeitlich seinen Führerschein wiedererlangt habe, ändere an dem Ergebnis nichts.
Quelle | VG Münster, Urteil vom 1.4.2025, 1 K 2756/22, PM vom 7.4.2025
| Die Ordnungsmaßnahme einer Gesamtschule im Rhein-Kreis-Neuss, einen Zehntklässler mit sofortiger Wirkung von der Schule zu entlassen, weil dieser mit weiteren Jugendlichen einen Obdachlosen angegriffen und auf den am Boden liegenden Mann eingetreten und -geschlagen hat, ist rechtmäßig. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf entschieden und den gegen die Schulentlassung gerichteten Eilantrag des Schülers abgelehnt. |
Schweres Fehlverhalten
Das VG: Die Voraussetzungen der Entlassung von der Schule liegen vor, da der Schüler durch schweres Fehlverhalten die Rechte des Obdachlosen ernstlich verletzt und hierdurch zugleich die Erfüllung der Aufgaben der Schule ernstlich gefährdet hat. Es ist unstreitig, dass der Schüler mit massiver, nahezu hemmungsloser Aggression mindestens achtmal auf den am Boden liegenden Obdachlosen (teils mit Anlauf) eingetreten und (teils mit voller Wucht) mit der Faust gegen dessen Körper und Kopf geschlagen hat, obgleich von dem Mann zu diesem Zeitpunkt erkennbar keinerlei Gefahr ausging und dieser sich – im Gegenteil – die Hände schützend vor seinen Kopf hielt.
Schulfrieden massiv beeinträchtigt
Zugleich hat der Schüler durch dieses Verhalten seine Pflicht verletzt, an der Erfüllung der Aufgaben der Schule mitzuarbeiten. Der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule hat keine festen räumlichen Grenzen. Vielmehr kommt es darauf an, ob das Fehlverhalten – wie hier – störend in den Schulbetrieb hineinwirkt. Dadurch, dass der Schüler während der Schulzeit in der Mittagspause zwischen zwei Unterrichtseinheiten in unmittelbarer Nähe des Schulgeländes den Obdachlosen gemeinsam mit weiteren Jugendlichen angegriffen hat, waren in den darauffolgenden Tagen der Schulfrieden und der Unterricht der Schule massiv beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund handelt es sich nicht um ein bloßes „außerschulisches Fehlverhalten“ des Schülers, sondern wurde der Konflikt in die Schule hineingetragen, da dieses ohne jeden Zweifel erheblich in das Unterrichtsgeschehen der nachfolgenden Tage hineingewirkt hat.
Keine vorherige Androhung erforderlich
Die Entlassung von der Schule ist angesichts des objektiven Schweregrades der Pflichtverletzung und der zeitnah bevorstehenden Zentralen Prüfungen zur Erlangung des Mittleren Schulabschlusses nach Ansicht des VG auch ohne vorherige Androhung der Entlassung von der Schule verhältnismäßig. Die Entlassung des Schülers von der Schule stellt angesichts der besonderen Schwere der Pflichtverletzung das einzig sichere Mittel dar, um weiteres Fehlverhalten des Schülers auszuschließen und den Schulfrieden der Schule wiederherzustellen.
Schüler war bereits vorher auffällig
Bei der Abwägung war insoweit zu berücksichtigen, dass der Schüler bereits im August 2023 einem Mitschüler einen Faustschlag in das Gesicht versetzt hatte, der Antragsteller seine Impulse in Ausnahme- oder Stresssituationen mithin nicht jederzeit unter Kontrolle hat, sondern zu gewalttätigen Reaktionen neigt, und dass zudem die seinerzeit ergriffene Ordnungsmaßnahme offenbar auch nicht die gewünschte nachhaltige positive Verhaltensänderung bei dem Schüler bewirkt hat. Zudem war zu berücksichtigen, dass der Schüler mit Blick auf die am 27.5.2025 beginnenden Zentralen Prüfungen am Ende der Klasse 10 nur noch kurze Zeit den Unterricht besucht.
Angesichts dessen erweisen sich andere, im Verhältnis zur Entlassung von der Schule mildere Ordnungsmaßnahmen – etwa die Überweisung in eine Parallelklasse oder die Androhung der Entlassung von der Schule – ersichtlich als zur Zweckerreichung nicht gleichermaßen geeignet. Denn sowohl die Androhung der Entlassung als auch die Überweisung in eine Parallelklasse können aus Sicht der Kammer bei lebensnaher Betrachtung im Hinblick auf die nur noch verbleibenden wenigen Unterrichtstage erkennbar keinen nennenswerten erzieherischen Einfluss auf den Schüler entfalten.
Quelle | VG Düsseldorf, Beschluss vom 4.4.2025, 18 L 1171/25, PM vom 4.4.2025
| Was dürfen Eigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft beim Thema Gestaltung ihrer Wohnung und was nicht? Diese Frage beschäftigt Gerichte immer wieder – so auch das Amtsgericht (AG) München in einem aktuellen Fall. |
Das beabsichtigten die Eigentümer
Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung in einem neunstöckigen Wohnkomplex. Die Balkone des Gebäudes sind mit einer Loggia ausgestattet. Die Eigentümer der Wohnung planten, zusätzlich zur bereits bestehenden Balkontür, in einem anderen Zimmer der Wohnung ein vorhandenes Fenster zur Balkontür umbauen zu lassen. Hierfür beantragten sie die Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Eigentümergemeinschaft verweigerte die Zustimmung
Diese verweigerte jedoch die Zustimmung aufgrund von Bedenken im Zusammenhang mit der konstruktiven Stabilität, der Gefahr von Kälte- und Wassereintritt und der Sorge, dass die Versetzung eines aktuell vor dem Fenster befindlichen Heizkörpers Auswirkungen auf das Heizungssystem des Gebäudes habe.
Klage vor dem Amtsgericht
Da die Eigentümer sich im Recht wähnten, verklagten sie die Eigentümergemeinschaft vor dem AG auf Zustimmung. Dieses gab den Klägern Recht. Es ersetzte die grundsätzliche Zustimmung zum geplanten Umbau und legte der Eigentümergemeinschaft auf, die Modalitäten und Einzelheiten in der Eigentümerversammlung zu beschließen.
Das AG sagt: Der Umbau eines Fensters stelle jedenfalls hinsichtlich des Mauerdurchbruchs durch die Außenwand eine auf Dauer angelegte gegenständliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums dar, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehe und damit eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums darstelle.
Das Wohnungseigentumsgesetz (hier: § 20 Abs. 3 WEG) begründe einen Anspruch auf Gestattung einer baulichen Veränderung, durch die kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt werde. Eine Beeinträchtigung sei rechtlich nicht relevant, wenn sie nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehe oder die über dieses Maß hinaus beeinträchtigten Wohnungseigentümer einverstanden seien.
Soweit nicht auszuschließen sein soll, dass durch den Einbau eines neuen Heizkörpers Nachteile für das übrige Heizungssystem entstehen könnten, mache die Beklagte keine konkrete und objektive Beeinträchtigung geltend, durch die ein Wohnungseigentümer sich beeinträchtigt fühlen könne.Vielmehr handele es sich hier um ein nicht zu berücksichtigendes hypothetisches Risiko. Auch dass sich der Wandausschnitt, der durch den Einbau einer Terrassentür vergrößert würde, in der Außenmauer des Gebäudes befinde, und damit Gemeinschaftseigentum verändert würde, stelle für sich genommen keine erhebliche Beeinträchtigung dar.
Vorliegend sei nicht ersichtlich, in welcher Weise die in Rede stehende Maßnahme andere Eigentümer konkret beeinträchtigen würde. Soweit die Beklagte geltend mache, es bestünden nicht auszuschließende Folgen für die Abgeschlossenheit der Wohnung sowie die statische Sicherheit, handele es sich wiederum um rein theoretische Bedenken, denen durch entsprechende Auflagen, wie dem Verlangen nach fachkundiger Planung und ggf. statischer Berechnung durch ein Fachunternehmen nach den Regeln der Baukunst, Rechnung getragen werden könne.
Soweit die Beklagte weiter geltend mache, durch eine Veränderung in der Außenhülle des Gebäudes bestehe die Gefahr von Kälte- oder Wassereintritt, sei nicht ersichtlich, inwiefern dies andere Wohnungseigentümer als die Kläger beeinträchtigen sollte. Zudem handele es sich im Hinblick darauf, dass der von dem Mauerdurchbruch betroffenen Wand die Loggia vorgelagert sei, um theoretische Befürchtungen und nicht um konkrete und objektive Beeinträchtigungen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 27.5.2025, 1293 C 26254/24, PM 27/25
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Bei Fehlen eines schriftlichen Energieversorgungsvertrags richtet sich das Leistungsangebot eines Strom- und Gasversorgungsunternehmens an den Vermieter (Eigentümer) – und nicht, wie sonst regelmäßig der Fall, an den Mieter. Dies gilt im Fall einer Wohnung, wenn die einzelnen Zimmer durch separate Mietverträge vermietet sind und diese lediglich über einen Zähler für Strom und Gas verfügt. |
Das war geschehen
Die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, nahm die beklagte Vermieterin auf Zahlung von Entgelt für die Belieferung mit Strom und Gas im Rahmen der Grundversorgung in Anspruch. Die Zimmer der Wohnung waren einzeln mit gesonderten Mietverträgen über unterschiedliche Laufzeiten vermietet, wobei sämtlichen Mietern das Recht zur Nutzung der Gemeinschaftsräume, wie Küche und Bad, eingeräumt wurde. Nur die Wohnung, nicht hingegen die einzelnen Zimmer, verfügte über einen Zähler für Strom und Gas und wurde von der Klägerin mit Strom und Gas beliefert. Ein schriftlicher Energieversorgungsvertrag bestand nicht. Die Parteien stritten, ob ein durch die Entnahme von Strom und Gas konkludent zustande gekommener Versorgungsvertrag mit der Vermieterin (Eigentümerin) oder mit den Mietern besteht.
Die auf Zahlung der Versorgungsentgelte für einen Zeitraum von fünf Jahren gerichtete Klage hat das Amtsgericht (AG) abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht (LG) das erstinstanzliche Urteil geändert und der Klage stattgegeben. Die Beklagte begehrte beim BGH daher, das klageabweisende erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Das Berufungsgericht, so der BGH, hat zu Recht angenommen, dass unter den hier gegebenen Umständen ein Versorgungsvertrag mit der beklagten Vermieterin der Wohnung besteht. Entgegen der Ansicht der Revision war das in der Bereitstellung von Strom und Gas liegende (konkludente) Angebot der Klägerin weder an die Mieter der einzelnen Zimmer noch an die Gesamtheit der Mieter gerichtet.
Zwar haben allein die Mieter Einfluss auf den Strom- und Gasverbrauch in der Wohnung. Jedoch lässt sich dieser Verbrauch – mangels separater Zähler – nicht den einzelnen vermieteten Zimmern zuordnen. Zudem haben die einzelnen Mieter bei objektiver Betrachtung typischerweise kein Interesse daran, auch für die Verbräuche der anderen Mieter einzustehen. Der Umstand, dass sich das konkludente Angebot des Energieversorgungsunternehmens daher an die Vermieterin richtete, ist Folge des von ihr gewählten besonderen Vermietungskonzepts.
Quelle | BGH, Beschluss vom 15.4.2025, VIII ZR 300/23, PM 79/25
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Eine Zuwendung von Todes wegen zugunsten des Hausarztes des Erblassers ist nicht unwirksam, weil sie gegen ein den Hausarzt treffendes berufsständisches Zuwendungsverbot verstößt. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Hausarztes, der den Erblasser seit 2015 behandelt hatte. Im Januar 2016 schloss der Erblasser mit dem Hausarzt sowie der ihn pflegenden Beklagten und deren Tochter vor einem Notar eine als „Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag“ bezeichnete Vereinbarung. In dieser verpflichtete sich der Hausarzt gegenüber dem Erblasser zu verschiedenen ärztlichen Leistungen, unter anderem zu medizinischer Beratung und Behandlung, zu Hausbesuchen und telefonischer Erreichbarkeit sowie zu Betreuungsleistungen im häuslichen Bereich. Als Gegenleistung sollte der Arzt im Falle des Todes des Erblassers das Eigentum an einem dem Erblasser gehörenden Grundstück erhalten. Im März 2016 verfügte der Erblasser in einem notariellen Testament, dass ihn die Beklagte hinsichtlich seines im Vertrag vom Januar 2016 nicht erfassten Vermögens allein beerben solle.
Im Januar 2018 verstarb der Erblasser. Die Pflegerin (Beklagte) nahm seinen Nachlass in Besitz. Im Dezember 2019 wurde über das Vermögen des Hausarztes das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger hat als Insolvenzverwalter die Beklagte auf Übertragung des dem Arzt in der Vereinbarung vom Januar 2016 zugewandten Grundstücks an die Insolvenzmasse in Anspruch genommen.
So sah es der Bundesgerichtshof
Die Zuwendung des Grundstücks an den Hausarzt im Wege des Vermächtnisses ist wirksam. Selbst, wenn der Arzt gegen seine Berufsordnung verstoßen hätte, indem er die Zuwendung annahm, führt dies nicht zur Unwirksamkeit des Vermächtnisses.
Die Berufsordnung für Ärzte (hier: § 32 Abs. 1 S. 1 BO-Ä) regelt als berufsständische Vorschrift das Verhältnis zwischen dem Arzt und der für ihn zuständigen Landesärztekammer. Die Vorschrift verbietet deshalb nur ein Verhalten des Arztes, dem es nicht gestattet ist, Geschenke oder andere Vorteile zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen. Nicht geschützt von diesem Verbot wird hingegen der zuwendende Patient oder die Erwartung seiner Angehörigen, diesen zu beerben. Die Vorschrift zielt darauf ab, die Unabhängigkeit des behandelnden Arztes sowie das Ansehen und die Integrität der Ärzteschaft zu sichern. Dies kann durch berufsrechtliche Sanktionen vonseiten der Ärztekammer ausreichend sichergestellt werden.
Patient hatte Testierfreiheit
Auch die Testierfreiheit des Patienten verbietet es, ein zugunsten des behandelnden Arztes angeordnetes Vermächtnis wegen Verstoßes gegen eine Berufsordnung für unwirksam zu halten. Für eine Beschränkung der Testierfreiheit des Patienten fehlt schon eine ausreichende gesetzliche Grundlage.
Berufungsgericht muss erneut prüfen
Der Senat hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben. Er hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das den Parteien noch Gelegenheit geben muss, zu einem von ihm bislang nicht geprüften Verstoß der Vereinbarung des Vermächtnisses in dem Erbvertrag gegen die guten Sitten vorzutragen.
Quelle | BGH, Urteil vom 2.7.2025, IV ZR 93/24, PM 122/25
| Verkauft eine Kommanditgesellschaft ein Grundstück an eine andere Kommanditgesellschaft, ist dies auch dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB in Verbindung mit § 463 BGB), wenn es sich auf Verkäufer- und Käuferseite jeweils um Einpersonen-GmbH & Co. KGs mit demselben alleinigen Anteilsinhaber handelt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in zwei Parallelverfahren entschieden. |
Das war geschehen
Die Klägerinnen, verschiedene GmbH & Co. KGs, wenden sich gegen die Ausübung von Vorkaufsrechten nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB. Mit notariellen Kaufverträgen von Mai 2021 veräußerten sie Grundstücke an zuvor neu gegründete GmbH & Co. KGs, hinter denen jeweils dieselbe natürliche Person steht, wie auf Verkäuferseite.
Mit Bescheiden von Juli 2021 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht aus, in einem Fall zugunsten der beigeladenen stadteigenen Entwicklungsgesellschaft. Im anderen Verfahren gab die Erstkäuferin (Klägerin zu 2) eine Abwendungserklärung ab.
Klagen zunächst erfolgreich
Die Klagen waren erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht (VG) habe zu Recht angenommen, dass es an dem für ein Vorkaufsrecht erforderlichen Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 463 BGB fehle. Der Begriff des Dritten müsse einschränkend ausgelegt werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei hier nur eine Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre derselben natürlichen Personen erfolgt.
So sah es das Bundesverwaltungsgericht
Das BVerwG hat die angefochtenen Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Die Grundstückskaufverträge sind Verträge mit einem Dritten.
Gesellschaftsrechtlich sind die Kommanditgesellschaften auf Verkäufer- und Käuferseite trotz des Umstands, dass hinter ihnen jeweils dieselbe natürliche Person steht, selbstständige Rechtsträger. Eine wirtschaftliche Betrachtung auf Gesellschafterebene ist weder nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts noch verfassungsrechtlich geboten. Die Klägerinnen haben sich aus eigenem Entschluss für diese Form der Grundstücksübertragung entschieden.
Das BVerwG konnte mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Vorkaufsrechte im Übrigen rechtmäßig ausgeübt wurden. Das erfordert die Zurückverweisung an die Vorinstanz.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 17.6.2025, 4 C 4.24, PM 46/25
| In Architekten- und Ingenieurkammern, in denen die Fortbildung eine Berufspflicht ist und kontrolliert wird, kann das Nichtvorweisen entsprechender Fortbildungspunkte zum Ausschluss aus der jeweiligen Kammer führen. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen klargestellt. |
Fortbildungspflicht nicht erfüllt – zunächst Verweis und Geldbuße
Ein Mitglied der Ingenieurkammer-Bau NRW hatte in einem Jahr seine Fortbildungspflicht nicht erfüllt. Er hatte deshalb einen Verweis erhalten und musste eine Geldbuße zahlen.
Erneuter Pflichtverstoß: Kammerausschluss
Drei und sechs Jahr später geschah das Gleiche. Weil der Ingenieur auch bei der nächsten Stichprobe erneut keine Teilnahmebescheinigungen für anerkannte Fortbildungsveranstaltungen vorlegen konnte, schloss ihn das Berufsgericht aus der Kammer aus.
Oberverwaltungsgericht bestätigt Kammerausschluss
Die Klage dagegen wies das OVG ab. Der Ausschluss sei die angemessene berufsgerichtliche Maßnahme, auch wenn es sich um die schärfste berufsgerichtliche Sanktion handele. Die nochmalige Festsetzung einer Geldbuße als mildere Maßnahme komme nicht in Betracht.
Quelle | OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.8.2025, 39 A 834/24
| Lange war es ruhig um das sog. Kopplungsverbot. Jetzt hat das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg einen solchen Fall entschieden. Dieses stellt klar: Tritt ein Architekt wie ein Bauträger auf, findet das Kopplungsverbot Anwendung. Der Vertrag ist – wie hier entschieden – nichtig. |
Das besagt das Kopplungsverbot
Das Kopplungsverbot im Architektenrecht verbietet es, den Erwerb eines Grundstücks mit der Pflicht zu verbinden, einen bestimmten Architekten oder Ingenieur damit zu beauftragen, ein Bauwerk zu planen oder auszuführen. So soll der freie Wettbewerb unter Architekten geschützt werden. Außerdem soll so verhindert werden, dass sich Einzelne durch die Verknüpfung von Grundstückserwerb und Architektenleistung eine monopolartige Stellung verschaffen.
Bauherren werden geschützt
Das Verbot richtet sich gegen jede mit dem Erwerb eines Grundstücks zusammenhängende Bindung, die den Wettbewerb von Ingenieuren und Architekten beeinträchtigt. Die Vorschrift soll der Gefahr entgegenwirken, dass ein Architekt oder Ingenieur sich bei knapp gewordenem Baugrund dadurch Wettbewerbsvorteile verschafft, dass er ein Grundstück an der Hand hat.
Geschützt wird die Entschließungsfreiheit des Bauherrn, durch den Kauf eines Grundstücks, auf dem gebaut werden soll, nicht an einen bestimmten Architekten oder Ingenieur gebunden zu sein.
Quelle | OLG Nürnberg, Beschluss vom 8.5.2025, 6 U 1787/24
| Diese Frage musste das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf klären. Es neigte dazu, sie negativ zu beantworten. Die Parteien haben sich daraufhin entsprechend einem Vorschlag des Gerichts verglichen. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist seit 2013 in Vollzeit und im Schichtdienst an fünf Tagen in der Woche als Spielhallenaufsicht bei der Beklagten beschäftigt. Diese betreibt Spielhallen mit üblichem Publikumsverkehr und bietet dort u. a. Getränke an. Ausweislich der arbeitsvertraglich vereinbarten Stellenbeschreibung sind Haustiere in der Spielhalle verboten.
Im Jahr 2019 schloss die Klägerin mit der Hundehilfe Deutschland e.V. einen Tierüberlassungsschutzvertrag. Nachdem zunächst auch der Vater der Klägerin auf die Hündin aufgepasst hatte, brachte sie das Tier jedenfalls nach dem Ende der Corona-Lockdowns regelmäßig mit zur Arbeit. Verschiedene wechselnde Vorgesetzte erhoben zunächst keine Einwände. Ihr aktueller Vorgesetzter teilte ihr mit, dass der Geschäftsführer das Mitbringen der Hündin an den Arbeitsplatz nicht dulden werde bzw. – so die Klägerin – würde. Der Geschäftsführer der Beklagten bat die Klägerin dann schriftlich unter Bezugnahme auf die Stellenbeschreibung, es künftig zu unterlassen, die Hündin mit zur Arbeit zu bringen.
So sah es das Landesarbeitsgericht
Mit ihrer einstweiligen Verfügung hat die Klägerin begehrt, der Beklagten aufzugeben, die Mitnahme der Hündin während ihrer Arbeitszeiten in die Spielhalle bis zur erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache zu dulden. Die Kammer hat dann in der mündlichen Verhandlung im Rechtsgespräch mitgeteilt, dass sie davon ausgehe, dass das vertragliche Verbot weiterbestehen dürfte.
Die bloße Nichtdurchsetzung eines Verbots führe nicht zu dessen Aufhebung. Es spreche viel dafür, dass die Arbeitgeberin berechtigt sei, dies durchzusetzen, weil Kunden die Spielhalle z. B. aufgrund einer Tierhaarallergie oder Angst vor Hunden ggf. erst gar nicht aufsuchten. In der Verhandlung hat die Arbeitgeberin zudem angeführt, dass Beschäftigte in anderen von ihr betriebenen Spielhallen begännen, sich auf die von der Klägerin gelebte Praxis zu berufen.
Vergleich geschlossen
Das LAG hat dann mitgeteilt, dass die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Düsseldorf, das den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen hatte, wenig Aussicht auf Erfolg habe. Um die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und eine Gewöhnung der Hündin an andere Betreuungsmöglichkeiten zu ermöglichen, haben die Parteien auf Vorschlag des Gerichts einen Vergleich – auch zur Erledigung der Hauptsache – geschlossen. Die Klägerin durfte ihre Hündin noch für eine Übergangszeit von knapp zwei Monaten an den Arbeitsplatz mitbringen, danach jedoch nicht mehr.
Quelle | LAG Düsseldorf, Vergleich vom 8.4.2025, 8 GLa 5/25, PM vom 8.4.2025
| Ein Arbeitsgericht (ArbG) hatte bereits im letzten Jahr entschieden, dass ein Leiharbeitnehmer nicht ohne Weiteres eine Inflationsausgleichsprämie erhält, die im Entleiherbetrieb den dort Beschäftigten gezahlt wird. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holsteinhat dies nun bestätigt. |
So sah es die Arbeitnehmerin
Die Klägerin wurde von ihrer Arbeitgeberin, einem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen, in einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie („Entleiherin“) eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis endete zum 31.7.2023. Der Arbeitsvertrag der Parteien verwies u. a. auf die für Leiharbeitnehmer geltenden Tarifverträge über Branchenzuschläge für die Metall- und Elektroindustrie („TV BZ ME“) sowie Inflationsausgleichsprämie („TV IAPME“). Die Entleiherin füllte der Beklagten einen „Fragebogen zur Ermittlung von Equal Pay sowie des Branchenzuschlags ab dem 16. Einsatzmonat“ aus.
Die Mitarbeiter im Betrieb der Entleiherin erhielten im Juni 2023 eine Inflationsausgleichsprämie i.H.v. 1.000 Euro, die Klägerin dagegen nicht. Sie macht nun gerichtlich diese 1.000 Euro sowie weitere 1.200 Euro geltend.
Für die erste Zahlung bestehe durch den Fragebogen eine Equal-Pay-Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin, der Beklagten. Im Übrigen sei die Gleichstellung nicht per Tarifvertrag ausgeschlossen worden.
Hinsichtlich der zweiten Zahlung könne die Inflationsausgleichsprämie nach dem TV IAP ME bereits verlangt werden, wenn deren Voraussetzungen nach Inkrafttreten des Tarifvertrags, aber vor dem ersten Auszahlungszeitpunkt im Januar 2024 erfüllt gewesen seien. Damit sei die Prämie auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszuzahlen.
Landesarbeitsgericht: keine Equal-Pay-Vereinbarung und fehlender Vortrag
Das LAG entschied, dass der o. g. ausgefüllte Fragenbogen keine Equal-Pay-Vereinbarung mit deren Arbeitnehmern darstellt. Die Klägerin hat auch nicht die Voraussetzungen für eine Gleichstellung mit den Mitarbeitern der Entleiherin vorgetragen.
Dazu muss sie als darlegungs- und beweisbelaste Klägerin einen Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum vornehmen. Dem wird sie nicht gerecht: Der Verweis, der Klägerin müsse die Inflationsausgleichsprämie schon deshalb gezahlt werden, weil die Stammarbeitnehmer der Entleiherin diese erhalten hätten, reicht dafür nicht aus.
Die Klägerin kann die Inflationsausgleichsprämien auch nicht aus dem TV IAP ME beanspruchen: Die Auslegung des Tarifvertrags ergibt, dass im jeweiligen Auszahlungsmonat (Januar bis November 2024) der tariflichen Inflationsausgleichsprämien – anders als die Klägerin meint – noch ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden haben muss. Hier endete das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin aber bereits im Jahr 2023.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6.3.2025, 5 Sa 222 d/24, PM des LAG
| Dem Arbeitgeber kann weder die Kenntnis der Schwerbehindertenvertretung noch die eines Fachvorgesetzten von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zugerechnet werden. So sieht es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln in einer aktuellen Entscheidung. |
Keine rechtsgeschäftlichen Vertreter
Weder die Schwerbehindertenvertretung noch der Fachvorgesetzte des Arbeitnehmers hätten eine Stellung, die einem rechtsgeschäftlichen Vertreter des Arbeitgebers ähnlich sei. Denn die Schwerbehindertenvertretung vertrete die Interessen der schwerbehinderten Menschen gegenüber dem Arbeitsgericht. Sie sei nicht seiner Sphäre zuzurechnen.
Schwerbehindertenvertretung kümmert sich nicht um personalrechtliche Belange
Sie kümmere sich auch nicht um personalrechtliche Belange aus der Sicht des Arbeitgebers, sondern allenfalls aus der Sicht der schwerbehinderten Mitarbeiter.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 7.5.2025, 4 SLa 438/24
| Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen einer Universität und des durch die Universität disziplinarrechtlich beklagten Universitätsprofessors gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Göttingen jeweils zurückgewiesen, mit dem dieses den Universitätsprofessor um zwei Besoldungsgruppen von W 3 auf W 1 zurückgestuft hat. |
Das war geschehen
Die Universität hatte mit der von ihr gegen den Professor erhobenen Disziplinarklage seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erstrebt. Das VG hat mit der von beiden Beteiligten angegriffenen Entscheidung hingegen auf eine Zurückstufung um zwei Besoldungsstufen erkannt.
Nach der Vernehmung von neun Zeugen und unter Berücksichtigung der bereits durch das VG erhobenen Beweise hat das OVG es als erwiesen angesehen, dass der Universitätsprofessor mehrfach und über Jahre hinweg Studentinnen, Doktorandinnen und Mitarbeiterinnen grenzüberschreitend berührt und sich ihnen gegenüber anzüglich geäußert hatte.
So sah es das Oberverwaltungsgericht
Das OVG hat die erstinstanzliche Entscheidung mit seinem Urteil bestätigt. Der Universitätsprofessor habe ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen, das den Ausspruch der zweithöchsten Disziplinarmaßnahme erfordere. Ihm würden daher für einen Zeitraum von fünf Jahren die Bezüge aus der niedrigeren Besoldungsgruppe W 1 gezahlt, wobei er sein Statusamt als Universitätsprofessor behalte.
Mit seinem Verhalten habe er seine beamtenrechtliche Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verletzt. Erschwerend hat das OVG berücksichtigt, dass akademische Nachwuchskräfte in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu Professoren stünden, das über das übliche Verhältnis von Vorgesetzten und Beschäftigten weit hinausgehe.
Der Beklagte sei seiner mit besonderer Verantwortung einhergehenden Stellung als Universitätsprofessor nicht gerecht geworden und habe diese vielmehr dazu ausgenutzt, seine Macht zu demonstrieren und die betroffenen weiblichen Nachwuchskräfte in ihrer Würde zu verletzen. Sein Verhalten habe er zudem insbesondere trotz der Pflichtenmahnung durch die damalige Präsidentin der Universität in den Jahren 2012 und 2013 nicht verändert. Mildernd berücksichtigt hat das OVG demgegenüber die Länge des Disziplinarverfahrens von ca. acht Jahren, die sich für den Beklagten belastend ausgewirkt habe.
Die Entscheidung des Senats ist rechtskräftig.
Quelle | OVG Lüneburg, Urteil vom 25.6.2025, 3 LD 1/24, PM vom 30.6.2025
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass eine Methode zur Aufteilung des Verkaufspreises eines Sparmenüs nicht sachgerecht ist, wenn sie dazu führt, dass auf ein Produkt des Sparmenüs (z. B. Burger) ein anteiliger Verkaufspreis entfällt, der höher ist als der Einzelverkaufspreis. |
Hintergrund: Bei Sparmenüs, die zum Pauschalpreis angeboten und als „Außer-Haus-Menüs“ verkauft werden, ist hinsichtlich der Speisenlieferung der ermäßigte Steuersatz (7 %) und hinsichtlich des Getränks der Regelsteuersatz (19 %) anzuwenden. Wird vor Ort verzehrt, stellt sich die Aufteilungsfrage grundsätzlich nicht, da es sich um eine Restaurationsleistung handelt, sodass auch die Speisen mit 19 % zu versteuern sind.
Beachten Sie | Dies könnte sich aber bald ändern. Denn im Koalitionsvertrag steht, dass die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie zum 1.1.2026 auf 7 % reduziert werden soll.
Das war geschehen
Zwei GmbHs betrieben als Franchisenehmer Schnellrestaurants, in denen u. a. Sparmenüs (z. B. Getränk, Burger und Pommes frites) zu einem einheitlichen Gesamtpreis zum Verzehr außer Haus verkauft wurden.
„Food-and-Paper“-Methode zur Aufteilung von Speisen und Getränken
Die GmbHs teilten den Gesamtpreis des Sparmenüs nach der „Food-and-Paper“-Methode auf die Speisen und das Getränk auf. Die Aufteilung erfolgt dabei anhand des Wareneinsatzes, das heißt, der Summe aller Aufwendungen für die Speisen bzw. für das Getränk. Da in der Gastronomie die Gewinnspanne auf Getränke typischerweise deutlich höher ist als die Gewinnspanne auf Speisen, ergibt sich hieraus eine niedrigere Umsatzsteuer als bei einer Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen.
Das Finanzamt hielt diese Aufteilungsmethode für unzulässig, weil sie nicht so einfach sei, wie eine Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen und außerdem nicht zu sachgerechten Ergebnissen führe. Demgegenüber hielt das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg die „Food-and-Paper“-Methode für zulässig, der BFH aber nicht.
Aufteilung muss sachgerecht sein
Der BFH führte zwar aus, dass (entgegen der Ansicht des Finanzamts) der Unternehmer nicht immer die einfachste Methode anwenden muss. Wenn eine andere Methode zumindest ebenso sachgerecht ist, wie die Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen, darf er auch die andere Methode anwenden.
Gleichwohl erkannte der BFH die „Food-and-Paper“-Methode nicht an, weil sie in manchen Fällen dazu führt, dass der Preis eines Burgers mit einem hohen Wareneinsatz im Menü über dem Einzelverkaufspreis des Burgers liegt. Es widerspricht der wirtschaftlichen Realität, dass der Verkaufspreis eines Produkts in einem mit Rabatt verkauften Menü höher sein kann als der Einzelverkaufspreis.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 19/23, PM 38/25 vom 5.6.2025
| Seit dem 1.1.2025 beträgt der gesetzliche Mindestlohn 12,82 Euro pro Stunde. Die Mindestlohnkommission hat nun eine stufenweise Erhöhung des Mindestlohns auf 13,90 Euro zum 1.1.2026 und auf 14,60 Euro zum 1.1.2027 beschlossen. |
Hintergrund: Mindestlohngesetz
Im Mindestlohngesetz ist geregelt, dass „die Mindestlohnkommission alle zwei Jahre über Anpassungen der Höhe des Mindestlohns zu beschließen“ hat. Diesem Auftrag ist die Kommission in ihrer Sitzung vom 27.6.2025 nun nachgekommen. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas hat bereits angekündigt, der Bundesregierung vorzuschlagen, die Anpassung durch Rechtsverordnung zum 1.1.2026 verbindlich zu machen.
Folge: Auch erhöhte Minijob-Grenze
Die Erhöhung hat auch Auswirkungen auf die Minijob-Grenze( derzeit 556 Euro monatlich), da diese an den Mindestlohn „gekoppelt“ ist.
Beachten Sie | Die Geringfügigkeitsgrenze bezeichnet das monatliche Arbeitsentgelt, das bei einer Arbeitszeit von zehn Wochenstunden zum Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (hier: § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG ) erzielt wird. Sie wird berechnet, indem der Mindestlohn mit 130 vervielfacht, durch drei geteilt und auf volle Euro aufgerundet wird.
Das bedeutet Folgendes: Bei einem gesetzlichen Mindestlohn von 13,90 Euro ergibt sich ab dem 1.1.2026 eine Geringfügigkeitsgrenze von 603 Euro (13,90 Euro × 130 ÷ 3). Ab dem 1.1.2027 sind es dann 633 Euro.
Quelle | BMAS, Mitteilung vom 27.6.2025: „Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1.1.2026“
| Verkauft eine Kommanditgesellschaft (KG) ein Grundstück an eine andere KG, ist dies auch dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB in Verbindung mit § 463 BGB), wenn es sich auf Verkäufer- und Käuferseite jeweils um Einpersonen-GmbH & Co. KG mit demselben alleinigen Anteilsinhaber handelt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in zwei Parallelverfahren entschieden. |
Das war geschehen
Die Klägerinnen, verschiedene GmbH & Co. KG, wenden sich gegen die Ausübung von Vorkaufsrechten nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB. Mit notariellen Kaufverträgen von Mai 2021 veräußerten sie Grundstücke an zuvor neu gegründete GmbH & Co. KG, hinter denen jeweils dieselbe natürliche Person steht wie auf Verkäuferseite. Mit Bescheiden von Juli 2021 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht aus, in einem Fall zugunsten der beigeladenen stadteigenen Entwicklungsgesellschaft. Im anderen Verfahren gab eine der Klägerinnen, die Erstkäuferin, eine Abwendungserklärung ab.
Die Klagen waren erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht (VG) habe zu Recht angenommen, dass es an dem für ein Vorkaufsrecht erforderlichen Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 463 BGB fehle. Der Begriff des Dritten müsse einschränkend ausgelegt werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei hier nur eine Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre derselben natürlichen Personen erfolgt.
So sieht es das Bundesverwaltungsgericht
Das BVerwG hat die angefochtenen Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Die Grundstückskaufverträge sind Verträge mit einem Dritten. Gesellschaftsrechtlich sind die KG auf Verkäufer- und Käuferseite trotz des Umstands, dass hinter ihnen jeweils dieselbe natürliche Person steht, selbstständige Rechtsträger.
Eine wirtschaftliche Betrachtung auf Gesellschafterebene ist weder nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts noch verfassungsrechtlich geboten. Die Klägerinnen haben sich aus eigenem Entschluss für diese Form der Grundstücksübertragung entschieden. Das BVerwG konnte mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Vorkaufsrechte im Übrigen rechtmäßig ausgeübt wurden. Das erfordert die Zurückverweisung an die Vorinstanz.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 17.6.2025, 4 C 4.24, PM 46/25
| Die Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) hat jüngst mitgeteilt, dass die Steuerfahndung ein Datenpaket mehrerer Social-Media-Plattformen analysiert. Ziel der Ermittlungen sind professionelle Influencer, die ihre steuerlichen Pflichten mit hoher krimineller Energie umgehen. |
300 Mio. Euro Steuervolumen
Das Influencer-Team des Landesamts zur Bekämpfung der Finanzkriminalität in NRW (LBF NRW) ist vorsätzlichen Steuerbetrügern in den sozialen Netzwerken auf der Spur. Derzeit werten die Experten ein Datenpaket von mehreren großen Plattformen aus. Darin enthalten sind 6.000 Datensätze, die auf nicht versteuerte Gewinne mit Werbung, Abos und Co. hinweisen. Sie beziehen sich nur auf Influencer aus NRW und umfassen ein strafrechtlich relevantes Steuervolumen in Höhe von rund 300 Mio. Euro.
Nur „Große Fische“ im Visier
Im Visier stehen die „großen Fische“. Stephanie Thien, Leiterin des LBF NRW, betont: „Im Fokus unseres Influencer-Teams stehen ausdrücklich nicht junge Menschen, die ein paar Follower gesammelt und ein paar Cremes oder Kleider beworben haben.“
Beachten Sie | Auch die Finanzämter in Hamburg nehmen die Influencer ins Visier. Bereits im Jahr 2022 wurde eine Expertengruppe zur Besteuerung von Influencern und anderen Social-Media-Akteuren gegründet. Seit 2024 wird die Branche im Zuge einer Branchenprüfung verstärkt in den Fokus genommen.
Quelle | Finanzverwaltung NRW, Mitteilung vom 15.7.2025: „Verdacht auf Steuerbetrug in großem Stil: LBF NRW wertet Influencer-Datenpaket aus“; Finanzbehörde Hamburg, Mitteilung vom 17.7.2025: „Auch Hamburger Finanzämter nehmen Influencerinnen und Influencer ins Visier“
| Die Übernachtungspauschale für Berufskraftfahrer mit mehrtägiger Auswärtstätigkeit setzt neben dem bestehenden Anspruch auf eine Verpflegungspauschale eine tatsächliche Übernachtung in dem Kraftfahrzeug voraus. Die Pauschale steht einem Berufskraftfahrer daher nicht für jeden An- und Abreisetag zu. So sieht es zumindest das Finanzgericht (FG) Thüringen. Wegen der anhängigen Revision ist nun der Bundesfinanzhof (BFH) gefragt. |
Werbungskostenabzug
Hintergrund: Entstehen einem Arbeitnehmer während seiner auswärtigen beruflichen Tätigkeit auf einem Kfz des Arbeitgebers oder eines vom Arbeitgeber beauftragten Dritten im Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kfz Aufwendungen (insbesondere Gebühren für die Toilettenbenutzung sowie Park- und Abstellgebühren), kann er diese als Werbungskosten abziehen.
Beachten Sie | Anstelle der tatsächlichen Aufwendungen ist allerdings auch eine Pauschale i. H. von 9 Euro für Kalendertage möglich, an denen der Arbeitnehmer in dem Kfz übernachtet und eine Pauschale für Verpflegungsmehraufwand geltend machen kann.
Bundesfinanzhof ist gefragt
Der BFH muss nun entscheiden, ob die Pauschale durch die Kopplung an die Verpflegungspauschalen auch für den An- und Abreisetag zu gewähren ist.
Oder anders ausgedrückt: Kann ein Arbeitnehmer, der am Montag seine Tour startet, auf dem Fahrzeug übernachtet und am Freitag zurückkehrt, die Pauschale für fünf oder nur für vier Tage absetzen? Denn für fünf Tage ist Verpflegungsmehraufwand abzugsfähig, er übernachtet in dem Fahrzeug jedoch nur viermal.
Quelle | FG Thüringen, Urteil vom 18.6.2024, 2 K 534/22, Rev. BFH: VI R 6/25
| Bisher konnten Anfragen an das Bundeszentralamt für Steuern zur Bestätigung ausländischer Umsatzsteuer-Identifikationsnummern schriftlich, über das Internet oder telefonisch erfolgen. Doch das hat sich seit dem 20.7.2025 geändert. Seitdem können etwaige Anfragen ausschließlich über die vom Bundeszentralamt für Steuern im Internet bereitgestellte Online-Abfrage durchgeführt werden. |
Hintergrund: Innergemeinschaftliche Lieferungen sind von der Umsatzsteuer befreit. Seit dem 1.1.2020 ist die Verwendung einer gültigen ausländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer durch den Kunden zwingende Voraussetzung für die Umsatzsteuerfreiheit. Dies ist im Umsatzsteuergesetz (hier: § 6 a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 4 UStG) geregelt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 6.6.2025, III C 5 - S 7427-d/00014/001/002
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat eine steuerzahlerfreundliche Entscheidung getroffen: Führt der Steuerpflichtige im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung am Ort des Lebensmittelpunkts einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung nicht. |
Hintergrund: Notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen, können als Werbungskosten steuerlich abgesetzt werden.
Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt. Hierbei darf sich der Lebensmittelpunkt nicht am Beschäftigungsort befinden.
Zudem ist die einschlägige Vorschrift des Einkommensteuergesetzes (hier: § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 3 EStG) zu beachten: „Das Vorliegen eines eigenen Hausstandes setzt das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus.“ Um diese Voraussetzung ging es im Fall des BGH.
Das war geschehen
Der 1986 geborene Steuerpflichtige bewohnte das Obergeschoss im Wohnhaus seiner Eltern – und zwar allein und unentgeltlich. Zudem hatte er am Ort seiner nichtselbstständigen wissenschaftlichen Tätigkeit eine Unterkunft und machte Kosten für eine doppelte Haushaltsführung geltend. Das Finanzamt erkannte die doppelte Haushaltsführung allerdings mangels finanzieller Beteiligung am Haushalt der Eltern nicht an und berücksichtigte nur Fahrtkosten als Werbungskosten. So sah das auch das Finanzgericht (FG) München, nicht aber der BFH, der die Vorentscheidung aufhob.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Wohnung, die der Steuerpflichtige außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte innehat, seinen Erst- oder Haupthaushalt darstellen muss (Stichwort: Lebensmittelpunkt). Es ist entscheidend, dass sich der Steuerpflichtige in dem Haushalt – im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit – aufhält. Allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte reicht nicht. Ferner darf der Steuerpflichtige nicht nur in einen anderen Hausstand eingegliedert sein, wie es regelmäßig bei jungen Arbeitnehmern der Fall ist, die nach Beendigung der Ausbildung weiterhin im elterlichen Haushalt ihre Zimmer bewohnen. Die elterliche Wohnung kann zwar, wie bisher, der Mittelpunkt der Lebensinteressen sein, sie ist aber kein vom Kind unterhaltener eigener Hausstand. Wird jedoch der Haushalt in einer in sich abgeschlossenen Wohnung geführt, die auch nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet, wird regelmäßig vom Unterhalten eines eigenen Hausstands ausgegangen.
Sohn wohnte noch zu Hause – aber in eigener Wohnung
Im Streitfall hatten die Eltern dem Steuerpflichtigen sämtliche Räumlichkeiten im Obergeschoss ihres Hauses zur Nutzung überlassen. Hierbei handelte es sich um eine Wohnung, die dem Steuerpflichtigen nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet. Der Umstand, dass es sich hierbei um eine (bloße) Nutzungsüberlassung und nicht um ein Mietverhältnis handelt, steht dem nicht entgegen. Ob die Wohnung im Obergeschoss gegenüber der von den Eltern bewohnten Wohnung im Erdgeschoss baulich abgeschlossen ist, ist für das Vorliegen eines eigenen Hausstands ebenfalls unerheblich. Für einen eigenen Hausstand ist es zudem erforderlich, dass eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung erfolgt – aber nur, soweit der Steuerpflichtige am Lebensmittelpunkt einem Mehrpersonenhaushalt (z. B. im Rahmen eines Mehrgenerationenhaushalts) angehört. Denn nur, wenn mehrere Personen einen gemeinsamen Haushalt führen, kann sich der Einzelne an den Kosten dieses Haushalts und damit den Kosten der Lebensführung beteiligen.
„Denknotwendig‘“: Ein-Personen-Haushalt trägt immer gesamte Kosten
Führt der Steuerpflichtige dagegen (wie im Streitfall) einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten dieses Haushalts nicht. Denn die Kosten der Lebensführung eines Ein-Personen-Haushalts werden denknotwendig von dieser einen Person getragen. Woher die hierfür erforderlichen Mittel stammen – ob aus eigenen Einkünften, staatlichen Transferleistungen, Darlehen, Unterhaltsleistungen oder familiären Geldgeschenken – ist unerheblich.
Quelle | BFH, Urteil vom 29.4.2025, VI R 12/23
| Aufwendungen für die eigene Bestattungsvorsorge sind nicht als außergewöhnliche Belastungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 33 Abs. 1 EStG) abziehbar. Das hat das Finanzgericht (FG) Münster entschieden. |
Das war geschehen
Ein Steuerpflichtiger hatte einen Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag abgeschlossen. Den Betrag in Höhe von 6.500 Euro machte er als außergewöhnliche Belastungen geltend. Begründung: Da die Übernahme der Beerdigungskosten auf Ebene des Erben zu außergewöhnlichen Belastungen führen könne, dürfe nichts anderes gelten, wenn er selbst einen Bestattungsvorsorgevertrag abschließe, um seinen Angehörigen die Beerdigungskosten zu ersparen. Das FG ist dieser Argumentation indes nicht gefolgt.
Vom Anwendungsbereich des § 33 EStG sind die üblichen Aufwendungen der Lebensführung ausgeschlossen, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind.
Argumentation: Eigener Sterbefall nicht „außergewöhnlich“…
Bei Aufwendungen für eine Bestattungsvorsorge handelt es sich nicht um Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf, die derart außergewöhnlich wären, dass sie sich einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Denn der Eintritt des Todes und damit die Notwendigkeit, bestattet zu werden, trifft jeden Steuerpflichtigen. Es handelt sich damit nicht um Aufwendungen, die größer sind als die, die einer Mehrzahl der Steuerpflichtigen erwachsen.
… Beerdigungskosten für Dritte hingegen schon
Der Unterschied zu den Aufwendungen für Beerdigungskosten naher Angehöriger besteht bereits darin, dass nicht jeder Steuerpflichtige irgendwann einmal solche Aufwendungen für einen nahen Angehörigen zu tragen hat und auch nicht jeder Steuerpflichtige etwa auch in der Anzahl und Höhe solcher Aufwendungen gleich belastet ist.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 23.6.2025, 10 K 1483/24 E
| Ein Verbrauchsgüterkauf und die Anforderungen an die vorvertragliche Informationspflicht des verkaufenden Unternehmers gegenüber dem kaufenden Verbraucher beschäftigte das Landgericht (LG) Kiel. |
In der Annonce war das Fahrzeug ohne Hinweis auf einen Unfallschaden angepriesen. Im Kaufvertrag und in der vorvertraglichen Information fand sich der Vermerk „entgegen der Annonce Unfallschaden lt. Vorbesitzer“. Genügt das für die wirksame negative Beschaffenheitsvereinbarung?
„Nein“, sagt das LG. Diese Angabe hätte zum einen hervorgehoben, also quasi unübersehbar gestaltet werden müssen. Zum anderen hätte genauer über Art und Umfang des Vorschadens aufgeklärt werden müssen.
Quelle | LG Kiel, Urteil vom 8.5.2025, 6 O 276/23
| Das Landgericht Frankenthal (LG) hat einen Fall entschieden, der in manchem Handwerksbetrieb für Aufsehen sorgen dürfte. Einem Handwerker, der einen Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, steht im Fall des Widerrufs auch nach vollständig erbrachter Arbeit kein Geld zu. Das LG hat deshalb die Klage eines Gartenbauers auf Zahlung des kompletten Werklohns abgewiesen. |
Streit um Rechnung
Im April 2024 bestellte der Besitzer eines großen Gartens den Gartenbauer auf sein Grundstück. Vor Ort gab der Gartenbesitzer umfangreiche Arbeiten an dem völlig verwilderten Gelände in Auftrag. Nach Abschluss der Arbeiten stellte der Gartenbauer seine Rechnung in Höhe von knapp 19.000 Euro. Es kam aber zum Streit über den vereinbarten Stundensatz sowie die Frage, ob die erstellte Rechnung prüffähig sei. Der Gartenbesitzer verweigerte schließlich die Zahlung und widerrief den Vertrag im September 2024.
Auftraggeber durfte sich auf Widerrufsrecht berufen
Das LG gab dem Gartenbesitzer vollumfänglich Recht. Da er als Verbraucher anzusehen sei und sämtliche Arbeiten außerhalb von Geschäftsräumen in Auftrag gegeben wurden, stehe ihm ein gesetzliches Widerrufsrecht zu. Die grundsätzlich mit Vertragsschluss beginnende vierzehntägige Widerrufsfrist habe nicht zu laufen begonnen, weil der Gartenbauer den Verbraucher nicht darüber belehrt habe. Es gelte in diesem Fall eine Höchstfrist von einem Jahr und vierzehn Tagen für den Widerruf, die vorliegend eingehalten worden sei. Der Anspruch des Werkunternehmers auf Werklohn sei dadurch vollständig entfallen. Wegen der unterlassenen Belehrung könne er auch keinen Wertersatz oder einen sonstigen Ausgleich für seine Arbeit verlangen. Denn das europäische Verbraucherschutzrecht verlange bei einer unterlassenen Widerrufsbelehrung eine Sanktion von Unternehmern, um sie zur ordnungsgemäßen Belehrung anzuhalten, so das LG unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 15.4.2025, 8 O 214/24, PM vom 29.4.2025; EuGH, Urteil vom 17.5.2023, C-91/22
| Das Landgericht (LG) Köln hat die Klage der Inhaberin einer Entrümpelungsfirma gerichtet auf Zahlung eines Teilbetrags (100.000 Euro) für in der Wohnung entdecktes Bargeld von über 600.000 Euro als auch Finderlohn abgewiesen. Insbesondere vertragliche Ansprüche würden ausscheiden, da eine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Entrümpelungsunternehmens unwirksam sei, dass mit Beginn der Tätigkeit alle in dem Auftragshaushalt befindlichen Gegenstände in das Eigentum des Auftragnehmers übergehen. Das LG hat zudem festgestellt, dass der Inhaberin auch keine weiteren Ansprüche auf Zahlung wegen des Bargeldes sowie auf Herausgabe von Schmuck und Münzen oder entsprechenden Wertersatz zustehen. |
Das war geschehen
Die Klägerin betreibt in Bayern ein Unternehmen zur Entrümpelung von Wohnungen. Die Beklagte, für die eine Betreuung angeordnet ist, lebte bis zum Jahr 2022 in Bayern. Nachdem der ebenfalls unter Betreuung stehende Lebensgefährte nicht mehr in der Wohnung leben konnte, wollte die Beklagte nach Köln ziehen. Die Beklagte, vertreten durch ihren Betreuer, beauftragte die Klägerin mit der Entrümpelung der im Eigentum der Beklagten stehenden Wohnung gegen Zahlung von knapp 2.900 Euro.
Vereinbarung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Die Parteien vereinbarten die Geltung der AGB der Klägerin. Darin ist u. a. geregelt: „Bei all unseren angebotenen Leistungen, […] sind in den Räumlichkeiten befindliche Wertgegenstände vorab vom Auftraggeber (Kunden) zu entfernen bzw. sicherzustellen. Mit Beginn der Tätigkeit gehen alle in dem Auftragshaushalt befindlichen Gegenstände in das Eigentum des Auftragnehmers über. Die weitere Verwertung obliegt dem Auftragnehmer.“
Erhebliche Bargeldsumme und Schmuck
Für den Betreuer der Beklagten übergab die Betreuerin des Lebensgefährten die von ihr durchgesehene Wohnung an die Klägerin. Die Klägerin und ihre Mitarbeiter räumten zunächst die Wohnung, in der sie unter anderem in Windelpackungen und an anderen streitigen Orten Bargeld in Höhe von 557.000 Euro sowie Schmuck und Münzen mit einem durchschnittlichen Verkehrswert von 29.017 Euro bis 32.017 Euro fanden. Bargeld, Schmuck und Münzen wurden auf Wunsch des Betreuers der Beklagten an die Betreuerin des Lebensgefährten herausgegeben. Ebenso geschah es mit später im Keller der Wohnung in einem Koffer aufgefundenem weiteren Bargeld in Höhe von 66.500 Euro. Die Parteien verständigten sich wegen des Mehraufwands der Klägerin bezüglich der Abwicklung von Bargeld, Schmuck und Münzen auf die Zahlung von Mehrvergütung in Höhe von 2.000 Euro zzgl. Umsatzsteuer. Außergerichtliche Aufforderungen der Klägerin auf Auszahlung des aufgefundenen Geldbetrags und des Schmucks seitens der Beklagten blieben erfolglos.
So sah es das Landgericht
Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagte wegen des aufgefundenen Bargelds und Finderlohns auf einen Teilbetrag von 100.000 Euro in Anspruch. Sie ist insbesondere der Ansicht, dass ihr ein Anspruch darauf aufgrund der Regelung in ihren AGB zustehe. Der Betreuer der Beklagten habe bei der Durchsicht der Wohnung vor Übergabe an die Klägerin seine Pflichten verletzt. Zudem behauptet sie, sie habe Geld, Schmuck und Münzen nur herausgegeben, um für eine sichere Verwahrung zu sorgen, nachdem – was die Beklagte in Abrede stellt – eine Bank die Annahme verweigert habe. Dieser Argumentation ist das LG nicht gefolgt. Zur Begründung führte das LG insbesondere aus, dass der Klägerin aus dem Vertrag keinerlei Ansprüche zustehen würden. Die in ihren AGB verwendete, o. g. Klausel sei unwirksam, weil sie eine Erklärung des Auftraggebers, hier die für einen Eigentumsübergang notwendige Übereignungserklärung fingiere, ohne dem Auftraggeber die Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung zu eröffnen und ihn unangemessen benachteilige.
Eigentumsverhältnisse eindeutig
Mögliche Ansprüche auf Herausgabe des Geldes aus Eigentumsgesichtspunkten nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 985 BGB) lehnt das LG ebenso ab, da die Klägerin ihr Eigentum jedenfalls aufgrund der Einzahlung des Bargelds bei einem Kreditinstitut verloren habe. § 985 BGB begründe keinen Anspruch auf einen entsprechenden Geldwert (sog. Geldwertvindikation). Bereicherungsansprüche stünden der Klägerin aufgrund der erläuterten Rechtslage ebenfalls nicht zu, weil der Beklagten als Eigentümerin von Bargeld, Schmuck und Münzen diese zugestanden hätten, die Übergabe durch die Klägerin also nicht ohne Rechtsgrund erfolgt sei und die Beklagte auch nichts auf Kosten der Klägerin erlangt habe.
Quelle | LG Köln, Urteil vom 8.5.2025, 15 O 56/25, PM vom 2.6.2025
| Online geschlossene Verträge beschäftigen die Rechtsprechung immer wieder. So wie in einem aktuellen Fall des Amtsgerichts (AG) München, das bereits den Vertragsschluss als nicht zustande gekommen betrachtete. |
Reisebuchung über Website
Eine Frau besuchte im November 2021 die Website der Beklagten, um nach Reisen im Dezember 2021 zu suchen. Unter den Suchergebnissen befand sich eine Reise nach Dubai für zwei Personen. Die Klägerin gab die Personendaten ein, um den endgültigen Reisepreis zu erfahren.
„Jetzt-kaufen“-Button
Anschließend wurde die Frau auf eine Website weitergeleitet, die Hinweise zur Unterrichtung von Reisenden bei einer Pauschalreise enthielt. Darunter befand sich ein farblich abgesetzter Kasten mit dem Text „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB […]. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben.“ Hierunter befand sich der Button „Jetzt kaufen“ mit dem Symbol eines Einkaufswagens daneben. Die Frau klickte auf die Schaltfläche „Jetzt kaufen“ und verließ anschließend die Website.
Am selben Abend erhielt die Frau eine Buchungsbestätigung und Zahlungsaufforderung der Beklagten für eine Reise nach Dubai zu einem Preis von 2.834 Euro. Da die Frau die Zahlung verweigerte, stornierte die Beklagte die Reise und stellte eine Storno-Gebühr in Höhe von 2.692,30 Euro in Rechnung. Diese bezahlte die Frau unter Vorbehalt.
War ein Vertrag geschlossen worden?
Die Frau meint, es sei kein Vertrag zwischen ihr und der Beklagten zustande gekommen, da die Gestaltung der Website nicht den gesetzlichen Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 312j Abs. 3 BGB) entspreche. Sie verklagte das Reiseunternehmen daher vor dem AG auf Rückzahlung der 2.692,30 Euro.
Amtsgericht gab der Frau Recht
Das AG gab der Frau Recht und verurteilte die Beklagte dazu, den Betrag nebst Zinsen zu zahlen. Zwischen den Parteien, so das AG, wurde schon kein wirksamer Vertrag im Sinne des § 651 a Abs. 1 BGB geschlossen. Für den Abschluss eines Vertrags bedarf es zweier übereinstimmender Willenserklärungen – Angebot und Annahme.
Es lag nach Ansicht des AG kein Angebot der Beklagten in dem Zurverfügungstellen der Internetseite mit dem Button „Jetzt kaufen“ vor. Unstreitig hat die Frau zwar auf diesen Button geklickt. Die Gestaltung der Website der Beklagten vor Bestellabschluss genügte aber nicht den Anforderungen des § 312 j Abs. 3 BGB. Denn zwar weist der Text des Buttons „Jetzt kaufen“ auf die Entgeltlichkeit des zu schließenden Vertrags hin. Allerdings kann das Symbol eines Einkaufswagens neben dem Schriftzug dahingehend verstanden werden, dass der Kunde durch das Klicken auf den Button erst seinen Warenkorb befüllt und sich nicht schon am Ende des Buchungsprozesses befindet.
Text war irreführend
Außerdem, so das AG, ist der Text „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben“ irreführend. Denn durch Auslegung ergibt sich, dass der Kunde durch das Klicken auf den „Jetzt kaufen“ - Button lediglich AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptiert, sowie die Richtigkeit der eingegebenen Daten [und] den Erhalt des Formblatts bestätigt. Von der Abgabe einer abschließenden Willenserklärung nach § 145 BGB wegen einer Reise ist dem Text nichts zu entnehmen. Vielmehr legt der Text nahe, dass bei Fortsetzung des Buchungsprozesses noch weitere Erklärungen abzugeben sind. Außerdem fehlt eine Übersicht über die zu buchenden Reise sowie eine Preisangabe.
Ein bindendes Angebot der Beklagten sah das Gericht jedoch in der übersandten Buchungsbestätigung. Dieses wurde aber von der Frau nicht angenommen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 26.1.2023, 191 C 1446/22, PM 15/25
| Das Amtsgericht (AG) Hanau hat entschieden: Der Inhalt eines Zustandsprotokolls hinsichtlich der Mietwohnung bei Ein- oder Auszug, das die Parteien unterschreiben, ist bindend. Sie können daher nicht später etwas anderes behaupten. |
Das war geschehen
Die Vermieter klagten gegen die Mieterin u. a. auf Zahlung mehrerer nicht geleisteter Mieten. Bei Rückgabe der Wohnung während des Prozesses unterschrieben beide Seiten ein Protokoll, in dem die Wohnung als mangelfrei bezeichnet wurde. Die Mieterin machte geltend, sie sei während der Mietzeit zur Mietminderung berechtigt gewesen, weil die Wohnung bis zuletzt mangelhaft gewesen sei. Sie widersprach zudem der Behauptung der Vermieter, dass frühere Mängel behoben worden wären.
Amtsgericht: Rückgabeprotokoll ist für beide Seiten verbindlich
Das AG hat die ehemalige Mieterin zur Zahlung der ausstehenden Mieten verurteilt. Diese könne sich auf Mängel der Wohnung nicht berufen. Dass solche, wie sie behauptete, bis zum Schluss vorlagen, sei schon aufgrund des von beiden Seiten unterzeichneten Protokolls widergelegt, aus dem sich ein mangelfreier Zustand bei Mietende ergebe. Denn ein solches Protokoll sei als Zustandsvereinbarung für die Parteien bindend. Dessen Zweck bestehe – gerade, weil die Erstellung freiwillig ist – darin, den dokumentierten Zustand festzuhalten, damit später keine Seite etwas anderes behaupten kann.
Dass die Mieterin, wie sie vorträgt, bestehende Mängel nur deshalb nicht aufgenommen habe, weil sie fürchtete, von den Vermietern selbst für diese verantwortlich gemacht zu werden, steht dem nicht entgegen, weil es für die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Erklärungen nicht auf die Motivation ankommt. Zugleich könne sie sich auch nicht darauf berufen, dass früher Mängel vorlagen, denn sie hat der Behauptung der Vermieter widersprochen, dass jemals Mängel behoben worden seien. Dann aber wären diese auch bei Mietende noch vorhanden gewesen, was durch das unterzeichnete Protokoll bindend widerlegt ist.
Quelle | AG Hanau, Urteil vom 11.4.2025, 32 C 37/24, PM vom 17.6.2025
| Vereinbaren Vermieter und Mieter mündlich, die Nebenkostenvorauszahlungen zu erhöhen, ist dies unwirksam. So sieht es der Bundesgerichtshof (BGH). |
Mietvertragsparteien beschlossen mündlich, die Vorauszahlungen zu erhöhen
Mieter und Vermieter vereinbarten, die Nebenkostenvorauszahlungen zu erhöhen. Dies geschah allerdings mündlich. Nachdem der Vermieter die Immobilie verkauft hatte, war der Erwerber mit der Erhöhung nicht einverstanden.
Erwerber war nicht einverstanden
Später verkaufte der Vermieter das Grundstück. Der Erwerber meinte jedoch, die o. g. Vereinbarung sei formunwirksam. Daher reduzierte er die Höhe der Vorauszahlungen.
Mieter klagte
Der Mieter wollte dies nicht akzeptieren. Schließlich musste der BGH entscheiden. Er sah die Veränderung der Nebenkostenvorauszahlungen als formbedürftig an, da sie wesentlicher Bestandteil der Miete sind.
Der BGH stellte klar, dass auch der Erwerber eines Grundstücks, der in einen bestehenden Mietvertrag eintritt, genau wissen muss, wie hoch die Miete inklusive der Nebenkostenvorauszahlung ist. Nur so kann er seine Rechte als Vermieter wahrnehmen. Der BGH nannte als Beispiel den Fall, dass ein Vermieter einem Mieter wegen Mietrückständen kündigen möchte. Dann muss er durch schriftliche Urkunden zuverlässig informiert sein.
Quelle | BGH, Beschluss vom 14.5.2025, XII ZR 88/23
| Ist eine echte Quadratmetermiete vereinbart – etwa durch Angabe eines Mietpreises pro m² – ist die Miete stets nach der tatsächlichen Fläche zu berechnen. Eine Flächenabweichung führt dann unabhängig vom Ausmaß zur Rückzahlung überzahlter Miete. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Dresden. |
Tatsächliche Fläche wich von vertraglich vereinbarter ab
Der Kläger hatte Büroräume gemietet. Der Vertrag wies eine Fläche von „ca. 70 qm“ aus und bestimmte eine Miete von „EUR 5,00/qm“. Die tatsächliche Fläche betrug jedoch nur 45,6 qm. Der Vermieter verlangte monatlich 350 EUR, der Kläger begehrte Rückzahlung der Überzahlung von 120 EUR monatlich.
Quadratmetermiete vereinbart
Das OLG Dresden stellte klar: Auch wenn die Flächenangabe laut Vertrag keine Sollbeschaffenheit festlege, wurde eine Quadratmetermiete vereinbart. In diesem Fall sei die Miete unabhängig von der Abweichung stets anhand der tatsächlichen Fläche zu berechnen.
Die Rückzahlung überzahlter Miete folge aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Das gelte unabhängig von der 10 Prozent-Grenze, die bei einem Mangel nach § 536 BGB zu beachten wäre.
Ein Wermutstropfen für den Mieter: Seine Ansprüche waren teilweise verjährt, soweit sie das Jahr 2020 betrafen.
Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 19.3.2025, 5 U 1633/24
| Die Anfechtung der Ausschlagung des Erbes wegen einer vermeintlichen Überschuldung des Nachlasses scheidet aus, wenn der Anfechtende seine Anfechtungsentscheidung nicht auf Basis von Fakten, sondern auf Basis von Spekulationen getroffen hat. Wird die Ausschlagung lediglich auf Verdacht hin erklärt, fehlt es letztlich auch an der erforderlichen Kausalität der Fehlvorstellung für die erklärte Ausschlagung. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschieden.
Erbschaft wegen Überschuldung ausgeschlagen
Die Tochter des Erblassers aus dessen erster Ehe sowie deren volljähriger Sohn haben nach dessen Tod wirksam die Ausschlagung der Erbschaft bei gesetzlicher Erbfolge wegen „Schulden/private Gründe“ erklärt. Etwa zwei Monate später hat die Tochter ihre Ausschlagungserklärung zu Protokoll des Nachlassgerichts mit der Begründung angefochten, dass sie bei der Ausschlagung der Erbschaft von der Überschuldung des Nachlasses ausgegangen sei. Dies habe ihr Bruder ihr so mitgeteilt. Sie selbst habe seit 20 Jahren keinen Kontakt zu ihrem Vater gehabt. Nun habe sie durch eigene Recherchen in Erfahrung gebracht, dass ihr Vater in einem eigenen Haus gelebt habe, was sie vorher nicht gewusst habe.
Ausschlagungsanfechtung wirksam?
Im Erbscheinsverfahren stellte die Tochter des Erblassers den Antrag, einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge zu erteilen. Die weiteren gesetzlichen Erben stellten den Antrag, einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge unter Ausschluss der Tochter zu erteilen, weil diese die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und die Anfechtungserklärung unwirksam und unbegründet sei. Diesem Antrag ist das Nachlassgericht nachgekommen und hat dabei erklärt, dass die Ausschlagungsanfechtung der Tochter des Erblassers unwirksam und unbegründet sei. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Tochter des Erblassers, der das Nachlassgericht nicht abgeholfen hat.
Oberlandesgericht: „Nein“!
Die vom Nachlassgericht dem OLG zur Entscheidung vorgelegte Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen, weil das Nachlassgericht zu Recht zu der Auffassung gelangt sei, dass die von der Tochter erklärte Ausschlagung der Erbschaft weiterhin wirksam ist.
Der Anfechtende sei bei einer Anfechtung einer erfolgten Erbausschlagung beweispflichtig für die Voraussetzungen der jeweiligen Anfechtungstatbestände. Hinsichtlich des geltend gemachten erheblichen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses im Hinblick auf eine angenommene Überschuldung sei es zwar richtig, dass die Überschuldung eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses darstellen könne. Jedoch werde eine Fehlvorstellung darüber, dass die (Nachlass-)Verbindlichkeiten den (Aktiv-)Wert des Nachlasses übersteigen, nur dann als relevant angesehen, wenn sie darauf beruhe, dass der Ausschlagende unrichtige Vorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses hatte.
Dagegen werde gemäß der vom Nachlassgericht in dem angefochtenen Beschluss zitierten Rechtsprechung ein erheblicher Irrtum über eine Überschuldung als eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses verneint und stattdessen ein nicht zu einer Anfechtung berechtigender Motivirrtum angenommen, wenn der Anfechtende zu seiner Vorstellung nicht aufgrund einer Bewertung ihm bekannter oder zugänglicher Fakten zu dem Ergebnis gelangt sei, sondern seine Entscheidung, die Erbschaft auszuschlagen, auf spekulativer, bewusst ungesicherter Grundlage getroffen habe.
Folge: Das Nachlassgericht habe zu Recht das Vorliegen eines zur Anfechtung berechtigten Irrtums bei der Tochter des Erblassers verneint, da diese keineswegs dargelegt und schon gar nicht bewiesen habe, dass sie die Ausschlagung wegen einer angeblichen Überschuldung des Nachlasses erst nach einer Bewertung der ihr bekannten und zugänglichen Fakten vorgenommen habe.
Quelle | OLG Zweibrücken, Urteil vom 7.3.2025, 8 W 20/24
| Die Suche nach einem Testament hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Das Fazit: Mit der richtigen Vorsorge lassen sich später Schwierigkeiten vermeiden. |
Nach dem Tod eines Mannes stritten seine Witwe und sein Sohn darüber, ob er ein Testament hinterlassen hatte: Die Witwe behauptete das – doch gefunden hatte sie das Testament nicht. In der ersten Instanz hatte das Landgericht (LG) deshalb zehn Zeugen vernommen, die aber keine endgültige Klärung brachten. Beim OLG nahm die Frau schließlich ihre Klage zurück und erkannte den Sohn als gesetzlichen Miterben an.
Mögliche Erben tragen die Beweislast
Der Fall ist keine Seltenheit: Viele Angehörige müssen sich nach dem Tod ihres Verwandten die Frage stellen, ob es ein Testament gibt und wo es sich befindet. Auf vermeintlich sichere Orte ist dabei nicht immer Verlass. In dem entschiedenen Fall wurde vergeblich nach einem Bankschließfach gesucht, in einem anderen aktuellen Fall ebenso erfolglos in einem Waffenschrank. Für die möglichen Erben kann das entscheidend sein: Wer sich auf ein Testament berufen will, muss auch dessen Existenz und Inhalt beweisen.
Amtsgerichte und Notare bieten Sicherheit
Schutz vor Ungewissheiten bieten die Amtsgerichte (AG) und Notare. Wenn ein Testament von einem Notar errichtet oder bei einem Amtsgericht hinterlegt wird, wird das im Zentralen Testamentsregister vermerkt. Im Todesfall gibt es einen Informationsaustausch zwischen dem Standesamt, dem Testamentsregister und der Stelle, die das Testament verwahrt. Das Testament wird dann automatisch an das zuständige AG weitergeleitet, das die Erben informiert und das Testament eröffnet. Eine Hinterlegung beim AG mit Registrierung kostet 93 Euro.
Quelle | OLG Celle, PM vom 11.4.2025
| Das Verwaltungsgericht (VG) Braunschweig hat die Klage zweier Hauseigentümer abgewiesen, die eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach ihres Gebäudes in der als Denkmal geschützten und von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannten Altstadt Goslars errichten wollten. |
Das VG stellte in seinem Urteil fest: Nach den geltenden Regelungen des Bundes- und Landesrechts müssen die Behörden Solaranlagen in aller Regel auf denkmalgeschützten Gebäuden genehmigen. Die Nutzung erneuerbarer Energien habe weitgehend Vorrang, in der weitaus größten Zahl der Fälle bestehe deswegen ein Rechtsanspruch auf Genehmigung von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden. Für „atypische Situationen“ sehe das Gesetz aber Ausnahmen vor. Das gelte für besonders wertvolle Denkmäler und bei besonders schwerwiegenden Eingriffen in ein Denkmal. In diesen Fällen sei eine Abwägung erforderlich. Ein solcher (seltener) Ausnahmefall liege hier vor: Das Gebäude der Kläger sei als Bestandteil des UNESCO-Weltkulturerbes in besonderem Maße schutzbedürftig. Zusätzlich liege in der Installation der Anlage nach der fachlichen Einschätzung des zum Verfahren beigeladenen Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege (NLD) auch ein besonders schwerer Eingriff in das Denkmal vor. Das Gesamterscheinungsbild der zusammenhängenden historischen Bebauung, die den Denkmalwert hier gerade ausmache, würde nach der Darstellung des NLD durch die Installation der Solaranlage erheblich gestört werden. Das Gebäudes ei aus dem öffentlichen Straßenraum heraus wahrnehmbar und die Solaranlage würde sich außerdem durch die vorgesehene dunkle Farbe deutlich von dem Dachgebilde abheben.
Das VG folgte dieser fachlichen Einschätzung. Weil hier ein besonders schutzwürdiges Denkmal (Goslarer Altstadt als Gruppendenkmal) beeinträchtigt sei und ein besonders schwerwiegender Eingriff vorliege, überwiege der Denkmalschutz in diesem besonderen Fall ausnahmsweise das Interesse an der Nutzung erneuerbarer Energien. Das VG wies auf die Präzedenzwirkung hin, die eine Genehmigung hätte: In allen Fällen dieser Art müssten dann Solaranlagen genehmigt werden; dies würde die historische Dachlandschaft der Altstadt weitgehend verändern.
Quelle | VG Braunschweig, Urteil vom 25.6.2025, 2 A 21/23, PM vom 25.6.2025
| Wie muss eine Baustelle abgesichert sein, damit der Bauherr seiner ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht genügt? Diese Frage musste das Landgericht (LG) Koblenz entscheiden. |
Das war geschehen
Die Parteien stritten über von der Klägerin geltend gemachte Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld aus einem Sturz im Bereich einer Straße. Diese Straße verfügt über keinen gesondert ausgewiesenen Gehweg.
Die Beklagte führte zu diesem Zeitpunkt Straßenbaumaßnahmen auf der teilweise deutlich erneuerungsbedürftigen Straße durch. Diese führten u. a. zu einer Fräskante auf der Straße. Der betroffene Streckenabschnitt war gemäß der behördlichen Anordnung beschildert. Die Klägerin stürzte an der Fräskante und erlitt eine distale Radiusfraktur links. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt habe. Auf die Fräskante sei nicht ordnungsgemäß hingewiesen worden. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass sie ihre Verkehrssicherungspflichten vollumfänglich erfüllt habe. Jedenfalls sei der Klägerin ein so erhebliches Mitverschulden anzulasten, dass schon aus diesem Grund der geltend gemachte Anspruch ausgeschlossen sei.
Amtsgericht: Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht, aber auch Mitverschulden
Das Amtsgericht (AG) hat die Beklagte verurteilt, rund 1.000 Euro sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 272,60 Euro, jeweils zuzüglich Zinsen, an die Klägerin zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits legte das AG den Parteien zu je 50 % auf.
Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte eine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Es fehle an einem Schild mit ausdrücklichem Bezug zu einer Baustelle oder an einem Schild mit dem Hinweis auf Fahrbahnunebenheiten. Das AG sah zulasten der Klägerin jedoch auch ein Mitverschulden, da sie nach Überqueren der ersten Fräskante eine weitere Fräskante habe erwarten müssen.
Hiergegen wenden sich beide Parteien jeweils mit dem Rechtsmittel der Berufung und dem Ziel, mit ihren jeweiligen Anträgen vollumfänglich zu obsiegen.
Landgericht: Klage abgewiesen
Das LG hat dem Antrag der Beklagten auf Klageabweisung vollumfänglich stattgegeben und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Schmerzensgeld oder materiellen Schadenersatz gegen die Beklagte. Der Beklagten könne bereits keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht vorgeworfen werden. Auf ein mögliches Mitverschulden der Klägerin komme es vor diesem Hintergrund schon nicht mehr an.
Grundsätzlich Verkehrssicherungspflicht bei Gefahrenquelle, ...
Im Grundsatz sei der, der eine Gefahrenquelle schafft, dazu verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu vermeiden. Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflicht beginne erst dort, wo auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintrete und nicht rechtzeitig erkennbar sei. Entscheidend seien daher auch die äußeren Gesamtumstände. Für Gefahrenstellen innerhalb eines erkennbaren Baustellenbereiches bedeute dies, dass nicht jede Unebenheit besonders gekennzeichnet werden müsse. Unebenheiten seien in Baustellenbereichen grundsätzlich zu erwarten. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte den Baustellenbereich ausreichend deutlich gekennzeichnet. Bei einer Fräskante handele es sich um eine typische Baustellenunebenheit, mit der ein Fußgänger im Bereich einer Baustelle zu rechnen hätte.
... aber erkennbarer Baustellenbereich und Dunkelheit erfordern erhöhte Aufmerksamkeit
Die Sturzstelle liege auf einer untergeordneten Straße mit deutlich erkennbaren erheblichen Beschädigungen, die vor allem dem Fahrzeugverkehr gewidmet sei. Fußgänger dürften hier keinen hindernisfreien Weg erwarten, wie beispielsweise bei einer Fußgängerzone. Die Straße sei zum Zeitpunkt des Vorfalls bei Dunkelheit (20:20 Uhr an einem Februartag) nicht durchgängig beleuchtet gewesen, weswegen Fußgänger in eigener Verantwortung besonders auf den Fahrbahnbelag zu achten hätten. Durch die Aufstellung der Warnbaken mit Blinklichtern und das erkennbar vorübergehend angeordnete Einfahrtsverbot für Fahrzeuge aller Art hätte der Klägerin bewusst sein müssen, dass sie einen Baustellenbereich betrete. Wie bereits ausgeführt, habe sich der Straßenbelag schon zuvor in einem schlechten Zustand befunden. Dass bei einer Baustelleneinrichtung daher (auch) Ausbesserungsarbeiten am Straßenbelag durchgeführt werden, sei zu erwarten. Dies schließe ebenfalls Abfräsarbeiten von altem Straßenbelag mit ein.
Quelle | LG Koblenz, Urteil vom 31.1.2025, 13 S 32/24, PM des LG
| Inflationsausgleichszahlungen für Beamte in Elternteilzeit zu kürzen, ist zulässig. So sieht es das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |
Das Landesgesetz zur Anpassung der Besoldung 2024/2025 in Rheinland-Pfalz sah eine einmalige Inflationsausgleichszahlung von 1.800 Euro vor. Teilzeitbeschäftigte Beamte erhielten den Betrag anteilig gemäß ihrer Arbeitszeit. Berechtigt waren Beamte mit Dienstverhältnis am 9.12.2023 und mindestens einem Tag Anspruch auf Dienstbezüge zwischen dem 1.8.2023 und dem Stichtag. Die Kläger, eine Beamtin und ein Beamter, arbeiteten während ihrer Elternzeit in Teilzeit und erhielten gekürzte Zahlungen, während vollzeitfreigestellte Kollegen die volle Summe erhielten. Diese Ungleichbehandlung wurde von ihnen als verfassungswidrig gesehen.
Das VG: Der Gesetzgeber verfügt bei solchen Sonderzahlungen über einen großen Gestaltungsspielraum. Die Differenzierung zwischen vollzeitfreigestellten und teilzeitbeschäftigten Beamten ist gerechtfertigt. Während man die Höhe der Sonderzahlung für Letztere anhand des (reduzierten) Umfangs ihrer Arbeitszeit am Stichtag des 9.12.2023 errechnen konnte, war dies bei den vollständig freigestellten Beamten nicht der Fall. Vollzeitfreigestellten Beamten ohne Dienstleistung hätte gemäß ihrer Arbeitszeit kein Anspruch zugestanden. Insoweit hat ein sachliches Bedürfnis bestanden, den Stichtag für sie zu verschieben. Aufgrund der unterschiedlichen Entlohnungssysteme kommt es ferner nicht darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen der Personengruppe der Tarifbeschäftigten Sonderzahlungen gewährt worden sind.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 1.4.2025, 5 K 967/24.KO
| Es ist Sache des Arbeitgebers, zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren will. Liegt in Gestalt einer Konfliktlage einhinreichender Anlass vor und ist eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, ist grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Der Arbeitgeber verletzt seinen Ermessensspielraum erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lässt. So hat es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden. |
Das war geschehen
Das LAG musste über die Versetzung eines Arbeitnehmers aufgrund des Vorwurfs der sexuellen Belästigung entscheiden. Dabei kam es zum Ergebnis, dass die örtliche Umsetzung dem billigen Ermessen entsprochen habe.
Mehrfache sexuelle Belästigung einer Arbeitskollegin stand im Raum
Der Vorwurf der mehrfachen sexuellen Belästigung einer Arbeitskollegin und die ausgesprochene Empfehlung der Antidiskriminierungsstelle, dem Arbeitnehmer für das Büro ein Betretungsverbot auszusprechen, waren zwar Auslöser für die Umsetzungsentscheidung des Arbeitgebers. Der gerichtliche Nachweis einer sexuellen Belästigung sei aber keine Tatbestandsvoraussetzung für die Umsetzung. Daher sei es unerheblich, dass der beklagte Arbeitgeber in der über einem Jahr später stattgefundenen Beweisaufnahme die sexuelle Belästigung nicht habe nachweisen können. Dies ergebe sich zudem daraus, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle der Zeitpunkt sei, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen habe.
Arbeitgeber hat Ermessensspielraum
Es sei Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren wolle. Er müsse dabei nicht zunächst die Ursachen und Verantwortlichkeiten für die entstandenen Konflikte im Einzelnen aufklären. Liege in Gestalt einer Konfliktlage ein hinreichender Anlass vor und sei eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, sei ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Seinen Ermessensspielraum verletze der Arbeitgeber erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lasse. Diese waren hier nicht gegeben.
Zwar möge der Arbeitnehmer die Umsetzung als „Strafe“ empfinden. Die Umsetzung diene aber der Befriedung des Konflikts und sei keine „Bestrafung“. Der Arbeitgeber habe sich bei der Entscheidung von zutreffenden Erwägungen leiten lassen. Eine räumliche Trennung der Protagonisten innerhalb des Projektbüros sei aufgrund dessen Größe und der gemeinsam genutzten Flächen nicht möglich. Es sei daher ermessensgerecht, dem Arbeitnehmer einen anderen Dienstort zuzuweisen.
Betriebsfrieden war gefährdet
Letztlich konnte sich das LAG nicht vorstellen, wie die Arbeitnehmerin und der Arbeitnehmer jemals wieder unbefangen hätten zusammenarbeiten können. Denn mindestens aus Sicht der Kollegin sei der Arbeitnehmer ein sexueller Belästiger. Und aus Sicht des Arbeitnehmers sei die Frau eine Falschbeschuldigerin. Dies beeinträchtige nicht nur das Verhältnis der Protagonisten untereinander, sondern in einem so kleinen Büro auch den Betriebsfrieden insgesamt.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 25.2.2025, 7 SLa 456/24
| Auch in einem Minijob gibt es bezahlten Urlaub. Doch in diesem Zusammenhang stellen sich viele Fragen: Wie viele freie Tage stehen einem Minijobber zu? Was gilt bei unregelmäßiger Arbeitszeit? Wie wirkt sich das Urlaubsgeld auf den Minijob aus? Diese und weitere Fragen hat die Minijob-Zentrale jüngst beantwortet. |
So erläutert die Minijob-Zentrale beispielsweise, dass der Lohn während des Urlaubs weitergezahlt werden muss (Urlaubsentgelt). Das ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt. Zusätzlich kann es Urlaubsgeld geben (als freiwillige Zahlung zum Urlaub).
Quelle | Minijob-Zentrale vom 11.6.2025 „Urlaub im Minijob: Ihre Fragen – Wir antworten!"
| Es gibt steuerliche Betriebsprüfungen, die bereits nach kurzer Zeit abgeschlossen sind. Andere Prüfungen hingegen ziehen sich über Monate oder sogar über Jahre hin. Um die Betriebsprüfung zu beschleunigen, wurden nun mehrere gesetzliche Änderungen vorgenommen. |
Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen
Verzögerungen bei einer Betriebsprüfung können mitunter auf eine unzureichende Mitwirkung des Steuerpflichtigen zurückzuführen sein. Um dem entgegenzuwirken, sieht der neue § 200 a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) das qualifizierte Mitwirkungsverlangen vor, das sich auf die Mitwirkungspflichten nach § 200 AO stützt. Danach hat der Steuerpflichtige u. a. Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben.
Ermessensentscheidung des Prüfers
Das (neue) qualifizierte Mitwirkungsverlangen stellt eine Ermessensentscheidung des Prüfers dar, die frühestens nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ergehen darf. Entscheidet sich der Prüfer für ein solches Mitwirkungsverlangen, ist es schriftlich oder elektronisch (versehen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung) zu erteilen.
Beachten Sie | Der Steuerpflichtige muss in diesem Fall schnell handeln. Denn das Mitwirkungsverlangen ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe zu erfüllen. Nur in begründeten Einzelfällen kann die Frist verlängert werden.
Neu: Mitwirkungsverzögerungsgeld
Problematisch wird das qualifizierte Mitwirkungsverlangen für den Steuerpflichtigen, wenn es nicht oder nicht hinreichend innerhalb der Frist erfüllt wird. Denn in diesen Fällen wird das neu eingeführte Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt (§ 200 a Abs. 2 AO). Ausnahme: Die Mitwirkungsverzögerung erscheint entschuldbar, beispielsweise bei einer stark beeinträchtigenden Erkrankung.
Beachten Sie | Das Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung (also für jeden vollen Tag nach Verstreichen der im Mitwirkungsverlangen gesetzten Frist) 75 Euro. Gerechnet werden die Tage bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Mitwirkungsverlangen erfüllt wird – spätestens bis zum Tag der Schlussbesprechung. Denn nach der Schlussbesprechung gibt es keinen Bedarf mehr, eine Mitwirkung sicherzustellen.
Allerdings dürfen maximal 150 Tage zugrunde gelegt werden, sodass das Mitwirkungsverzögerungsgeld maximal 11.250 Euro betragen kann (150 Tage × 75 Euro).
Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld
Nicht immer bleibt es bei dem Mitwirkungsverzögerungsgeld. Denn es steht im Ermessen des Prüfers, nach § 200 a Abs. 3 AO zusätzlich einen Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzen. Voraussetzung ist, dass
- gegen den Steuerpflichtigen in den letzten fünf Jahren ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wurde und zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt oder
- wegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt. Davon ist auszugehen, wenn die Umsatzerlöse in einem der von der Prüfung umfassten Jahre mindestens 12 Mio. Euro betragen oder sich die konsolidierten Umsatzerlöse bei Konzernen auf mindestens 120 Mio. Euro belaufen.
Entscheidet sich der Prüfer für den Zuschlag, steht auch die Höhe in seinem Ermessen. Dabei darf der Zuschlag höchstens 25.000 Euro für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung betragen – ebenfalls für maximal 150 Tage (maximal somit 3,75 Mio. Euro).
Teilabschlussbescheid und Inkrafttreten
Um die Betriebsprüfungen zu beschleunigen, wurde auch der neue Teilabschlussbescheid eingeführt. Denn oft scheitert der zeitnahe Abschluss an einem einzelnen Sachverhalt, der nur durch intensiven Arbeitseinsatz aufgeklärt werden kann. Das Problem: So entsteht keine Rechtssicherheit bezüglich weiterer geprüfter Sachverhalte.
Durch den neuen § 202 Abs. 3 AO hat der Prüfer die Möglichkeit, bereits vor Abschluss der Prüfung einen Teilprüfungsbericht zu übermitteln und im Anschluss einen Teilabschlussbescheid zu erlassen. Hierdurch lassen sich einzelne im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte und abgrenzbare Feststellungen vor dem abschließenden Prüfungsbericht gesondert feststellen. Kann der Steuerpflichtige ein erhebliches Interesse an einem Teilabschlussbescheid glaubhaft machen, soll dieser auf Antrag ergehen.
Beachten Sie | Die Neuerungen gelten erst für Steuern und Steuervergütungen, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Sie sind aber auch für Steuern und Steuervergütungen anzuwenden, die vor dem 1.1.2025 entstehen, wenn für diese Steuern und Steuervergütungen nach dem 31.12.2024 eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde.
Quelle | Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie, BGBl I 2022, S. 2730
| Verlängert sich die dem Verbraucher gesetzlich eingeräumte 14-tägige Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge, wenn der Verkäufer in seiner Widerrufsbelehrung seine Telefonnummer nicht angibt? Diese Frage hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden. |
Kauf im Online-Shop über 62.000 Euro
Der Kläger hatte am 4.5.2022 über den Onlineshop der Beklagten ein Elektrofahrzeug zum Preis von rund 62.000 Euro erworben. Die Auslieferung des Fahrzeugs erfolgte am 20.12.2022. Am 14.8.2023 erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrags. Zu spät, entschied nun auch das OLG in zweiter Instanz und wies damit die Berufung des Klägers zurück.
Rechtlicher Hintergrund
Verbrauchern steht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: §§ 312 g Abs. 1, 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, im Normalfall beginnend ab Erhalt der Ware. Wird der Verbraucher jedoch nicht korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB). Die Informationspflichten des Unternehmers ergeben sich aus dem Einführungsgesetz zum BGB (hier: Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB). Der Unternehmer kann die Informationspflichten auch durch die Verwendung einer Musterwiderrufsbelehrung erfüllen, die sich in der Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB befindet.
Fehlende Telefonnummer ohne Auswirkungen
Hier hatte die Autohändlerin in ihrer selbst formulierten Widerrufsbelehrung, die sie dem Kläger übermittelte, keine Telefonnummer angegeben. Diese war jedoch auf der Internetseite der Beklagten zu finden. Das OLG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist geführt hat.
Widerruf eines Autokaufs wahrscheinlich eher schriftlich als per Telefon
Es entschied, dass die Widerrufsbelehrung auch ohne Angabe einer Telefonnummer den gesetzlichen Anforderungen genügt und sich die Widerrufsfrist daher nicht verlängert. Die Nichtangabe der Telefonnummer begründe bei einem Autokauf, der von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sei, nicht die Gefahr, dass der Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werde.
Ein typischer Kunde würde allein aus Beweiszwecken bei den hohen Summen eines Elektroautokaufs den Widerruf vernünftigerweise auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. per E-Mail) übermitteln.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 7.11.2024, 14 U 95/24, PM 8/25
| Hat sich der Übergeber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anlässlich der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ein Wohnungsrecht an einer Wohnung des übergebenen Vermögens vorbehalten, ist ein Sonderausgabenabzug des Mietwerts nach Meinung der Finanzverwaltung ausgeschlossen. Dieser Ansicht hat aber nun das Finanzgericht (FG) Nürnberg widersprochen. |
Hintergrund: Wird ein Betrieb gegen Versorgungsleistungen auf nahe Angehörige übertragen, kann der Betriebsübernehmer die Versorgungsleistungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 a Nr. 2 EStG) als Sonderausgaben abziehen, die der Empfänger versteuern muss (nach § 22 Nr. 1a EStG).
Das war geschehen
Anlässlich einer Hofübergabe wurde dem Übergeber ein Altenteil in Form eines vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts, Taschengelds und der Mitbenutzung von Gegenständen eingeräumt. Den vom Vermögensübernehmer als Sonderausgaben geltend gemachten Nutzungswert der Altenteilerwohnung erkannte das Finanzamt allerdings nicht an, da nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2010 nur die mit der Nutzungsüberlassung tatsächlich zusammenhängenden Aufwendungen (wie Strom, Heizung, Wasser und Instandhaltungskosten), nicht jedoch der Nutzungswert der Altenteilerwohnung berücksichtigt werden können.
Finanzgericht gibt Kläger Recht, Revision ist eingelegt
Die hiergegen eingelegte Klage war vor dem FG Nürnberg erfolgreich. Nach Auffassung des FG kann der Fall, dass der Versorgungsberechtigte mit dem ihm gewährten (höheren) Barunterhalt selbst eine Wohnung mietet, für den Bereich des Sonderausgabenabzugs nicht anders behandelt werden als der Fall, in dem sich die Versorgungsleistung aus (niedrigerem) Barunterhalt und unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zusammensetzt.
Da die Revision anhängig ist, muss nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden.
Quelle | FG Nürnberg, Urteil vom 6.2.2025, 4 K 1279/23, Rev. BFH: X R 5/25, BMF-Schreiben vom 11.3.2010, IV C 3 - S 2221/09/10004, Rz. 46
| Der Bundesfinanzhof (BFHZ) hat jüngst entschieden, dass die Erteilung von Reitunterricht nicht von der Umsatzsteuer befreit ist, es sei denn, der Unterricht dient der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung. |
Das war geschehen
Im Streitfall begehrte der Kläger die Steuerbefreiung verschiedener Reitkurse für Kinder und Jugendliche auf seinem Reiterhof in den Jahren 2007 bis 2011. In der „Ponygruppe“ wurden Kinder und Jugendliche und bei „Klassenfahrten“ wurden Schulklassen im Umgang mit Pferden unterrichtet.
Zudem wurden Kurse für eine „Große Pferdegruppe“ angeboten, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen gerichtet waren. Die unterrichteten Kinder und Jugendlichen wurden darüber hinaus verpflegt und übernachteten teilweise auch auf dem Reiterhof.
Uneinigkeit der gerichtlichen Instanzen
Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, dass sämtliche Leistungen steuerpflichtig seien. Das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein sah das aber größtenteils anders. So seien die Umsätze insoweit steuerfrei, als sie auf die Beherbergung und Verpflegung sowie auf den Teil des Reitunterrichts entfielen, mit dem die formalen Voraussetzungen dafür erlangt werden können, später den Beruf des Turniersportreiters auszuüben („Große Pferdegruppe“).
Der Meinung des Finanzgerichts hat sich der BFH aber nicht vollumfänglich angeschlossen.
Der BFH stellte klar, dass es sich bei der Beherbergung und Verpflegung von Kindern und Jugendlichen um selbstständige steuerbare Leistungen neben dem Reitunterricht handelt. Er hob weiter hervor, dass Reitunterricht (als spezialisierter Unterricht) kein „Schul- und Hochschulunterricht“ ist.
Beachten Sie | Entsprechendes ist bereits für Segel-, Fahr-, Schwimm-, Jagd- und Tanzschulen entschieden worden.
Anerkennung als Ausbildung an strenge Voraussetzungen geknüft
Die Einstufung von Reitunterricht als „Ausbildung“ oder „Fortbildung“ kommt nach Auffassung des BFH nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Reitunterricht, der typischerweise der Freizeitgestaltung dient, ist in der Regel keine Ausbildung oder Fortbildung, da er nicht auf einen bestimmten Beruf vorbereitet. Die Kurse der „Ponygruppe“ und für Schulklassen im Rahmen der „Klassenfahrten“ sind daher umsatzsteuerpflichtig.
Beachten Sie | Die Ansicht des BFH dürfte insoweit strenger sein als die Auffassung der Finanzverwaltung zu Ballett-, Tanz- oder Musikunterricht.
Spätere Turniersportreiter: umsatzsteuerfreie Kurse
Bei den Kursen der „Großen Pferdegruppe“ lagen hingegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme vor, da zahlreiche Teilnehmer später Turniersportreiter wurden. Diese Kurse sind folglich umsatzsteuerfrei.
Hinsichtlich der Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für die Kinder und Jugendlichen führte der BFH aus, dass die hierfür seinerzeit geltende Steuerbefreiung nur in Betracht kommt, wenn eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter vorliegt. Bereits hieran fehlte es aber im Streitfall. Denn der Kläger konnte eine solche Anerkennung nicht vorweisen.
Beachten Sie | Seit dem 1.1.2020 können nur noch die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben insoweit umsatzsteuerbefreit sein, was der Kläger aber nicht ist.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 9/22, PM 35/25 vom 30.5.2025
| Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen und übernimmt der neue Eigentümer die auf dem Grundstück lastenden Schulden, liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund : Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Spekulationsbesteuerung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 23 EStG).
Beachten Sie | Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die
- im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
Das war geschehen
Der Vater hatte im Jahr 2014 ein Grundstück für 143.950 Euro erworben und teilweise fremdfinanziert. 2019 übertrug er das Grundstück auf seine Tochter. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Grundstück einen Wert von 210.000 Euro. Die Tochter übernahm die am Übertragungstag bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 115.000 Euro.
Finanzamt: Aufteilung in entgeltlich und unentgeltlich
Das Finanzamt teilte den Vorgang (ausgehend vom Verkehrswert im Zeitpunkt der Übertragung) in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichenTeil auf. Soweit das Grundstück unter Übernahme der Verbindlichkeiten entgeltlich übertragen worden war, besteuerte das Finanzamt den Vorgang als privates Veräußerungsgeschäft.
Hiergegen klagte der Vater vor dem Finanzgericht (FG) Niedersachsen und bekam Recht. Die Begründung: Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten sind keine Veräußerungen (im Sinne des § 23 EStG).
Höchste Instanz bestätigt Vorgehen des Finanzamts
Doch die Freude währte nicht lange, denn der BFH schloss sich der Ansicht des Finanzamts an.
- Wird ein Wirtschaftsgut übertragen und werden damit zusammenhängende Verbindlichkeiten übernommen, liegt regelmäßig ein teilentgeltlicher Vorgang vor. In diesem Fall erfolgt eine Aufteilung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichenTeil.
- Wird das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen, unterfällt der Vorgang hinsichtlich des entgeltlichen Teils als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensteuer.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.3.2025, IX R 17/24, PM 37/25 vom 30.5.2025
| Frauen muslimischen Glaubens haben keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kfz mit einem Gesichtsschleier (Niqab). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin bestätigt. |
Antrag auf Ausnahmegenehmigung
Die Klägerin hatte ihren Antrag auf Ausnahmegenehmigung damit begründet, dass sie sich gemäß ihrem Glauben außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Da sie im Auto den Blicken fremder Menschen ausgesetzt sei, müsse es ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Das VG hatte die Klage abgewiesen.
Berufung nicht zugelassen
Das OVG hat den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Mit ihren Einwendungen hat die Klägerin es nicht vermocht, ernstliche Richtigkeitszweifel an der Entscheidung des VG zu wecken oder Verfahrensfehler offenzulegen.
Keine wesentliche Einschränkung der Religionsfreiheit
Die Annahme des VG, dass das Tragen einer Gesichtsverschleierung während des Autofahrens für die Religionsausübung typischerweise keine wesentliche Einschränkung bedeutet und angesichts der zeitlich und örtlich eingeschränkten Wirkung des Verbots hinzunehmen ist, konnte sie nicht durchgreifend in Frage stellen.
Dasselbe gilt für die Annahme des VG, dass das der zuständigen Behörde bei der Frage der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt wurde, weil der Eingriff zur Sicherstellung der effektiven automatisierten Verkehrsüberwachung gerechtfertigt ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Quelle | OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.4.2025, OVG 1 N 17/25 , PM 11/25
| Wer seine SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergibt, hat keinen Anspruch auf Rückzahlung abgebuchter Kreditkartenbeträge. So entschied es das Amtsgericht (AG) München. |
Das war geschehen
Der Ehemann der Klägerin wollte am Samstag, den 6.1.2024, für seine Ehefrau und sich eine Reise im Internet buchen. Hierzu gab er auf der Website „Check24“ die Daten der Kreditkarte seiner Ehefrau ein. Kurz darauf erschien eine Mitteilung, dass ein Betrag in Höhe von 318,99 Euro vorgemerkt sei, ehe weitere Mitteilungen über vergleichbare Vormerkungen erschienen. Die Klägerin veranlasste noch am selben Abend telefonisch die Sperrung der Kreditkarte. Am Montag, den 8.1.2024 sind sechs unberechtigte Abbuchungen zu je 318,99 Euro für Giftcards vom Konto der Klägerin erfolgt, insgesamt 1.953,29 Euro.
Zur Autorisierung der Transaktionen fand das Mastercard 3D-Secure-Verfahren Anwendung. Zur Aktivierung dieses Verfahrens auf einem weiteren Gerät übersandte die beklagte Bank am 6.1.2024 eine SMS-TAN an die von der Klägerin bei der Beklagten hinterlegte Mobilfunknummer. Die an die Klägerin versandte SMS-TAN wurde dann auf dem weiteren mobilen Endgerät, auf dem auch die Banking-App freigeschaltet wurde, am 6.1.2024 eingegeben und damit das Secure-Verfahren aktiviert.
Die Klägerin behauptete, dass sie diese Abbuchungen nicht autorisiert habe. Bei der Buchung sei sie nicht nach PIN oder Passwort gefragt worden, sie habe auch nirgendwo eine SMS-Tan eingegeben. Es sei nicht erkannt worden, dass es sich möglicherweise um eine „Fake“-Website handelte.
Die beklagte Bank ging davon aus, dass die Frau die SMS-Tan an einen Dritten weitergegeben haben muss, da eine Freigabe der Buchungen anders technisch nicht möglich gewesen sei und verweigerte die Zahlung. Die Klägerin verklagte die Bank daher vor dem AG auf Rückzahlung der 1.953,29 Euro.
So sah das Amtsgericht den Sachverhalt
Das AG wies die Klage ab. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Abbuchungen nicht von der Klägerin autorisiert waren, sondern von Dritten getätigt wurden. Aufgrund der Beweisaufnahme war das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin die SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergegeben haben muss, weshalb ein Schadenersatzanspruch der Bank gegen die Klägerin in gleicher Höhe bestehe, mit dem die Bank aufgerechnet habe.
Das AG: Der Vortrag der Bank, dass diese in ihren Systemen feststellen konnte, dass das Mastercard 3D-Secure Verfahren per Banking App für die Kreditkarte der Klägerin am 6.1.2024 um 13:30 Uhr aktiviert wurde, und zur Aktivierung dieses Verfahrens auf dem neuen Gerät eine SMS-TAN an die im Vertrag hinterlegte Mobilfunknummer der Klägerin versandt wurde, wurde durch Inaugenscheinnahme des Mobiltelefons der Klägerin bestätigt. Dort befindet sich eine SMS vom 6.1.2024 13:29 Uhr mit dem Inhalt: „ … ist Ihre TAN für die Aktivierung von Mastercard Identity Check vom 6.1.2024 13:44 Uhr.“ Der Eingang der SMS um 13:29 Uhr war im eingesehenen Nachrichtenverlauf um 13:29 Uhr dokumentiert und wird auch durch das vorgelegte IT-Protokoll belegt. Der Vortrag der Klägerin, keine SMS-TAN erhalten zu haben und dass ihr Mobiltelefon nicht in die Freigabe involviert war, erwies sich damit als widerlegt.
SMS-Tan war unzweifelhaft eingegeben worden
Die Bank hat unbestritten vorgetragen, dass aufgrund der manuellen Eingabe einer an die Mobilfunknummer der Klägerin versandten SMS-Tan ein Fremdzugriff technisch ausgeschlossen ist. Es wurde ein neues Gerät im Online-Banking der Klägerin als Freigabeinstrument im Rahmen des 2-Faktor-Authentifizierungsverfahrens hinterlegt. Hierzu war – technisch zwingend – die Eingabe der SMS-Tan erforderlich. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Klägerin durch Preisgabe der SMS-Tan Dritten eine Registrierung eines Geräts ermöglicht hat, wobei die Preisgabe persönlicher Sicherheitsmerkmale an Dritte gemäß den vertraglichen Bestimmungen untersagt war.
Verhalten der Klägerin war grob fahrlässig
Das Verhalten der Klägerin bewertet das Gericht als grob fahrlässig. Es ist eine Sache, wenn man seine Kreditkartendaten offenbart. Diese werden bei jeder Verwendung offenbart und können auch von der Karte abgelesen werden.
Die Weitergabe eines im Rahmen einer Zwei-Faktor-Autorisierung erhaltenden Zugangscodes kann nicht damit gleichgesetzt werden. Mit dieser Weitergabe hilft der Nutzer, die Sicherheitsarchitektur grundlegend auszuhebeln. Es muss jedem verständigen Nutzer solcher Kreditkarten klar sein, welches Risiko er mit der Weitergabe derartiger Daten schafft. Die Klägerin mag dies nicht bewusst getan haben und es mag auch nicht erinnerlich sein. Indessen lässt sich der Vorgang plausibel nicht anders erklären.
Quelle | AG München, Urteil vom 8.1.2025, 271 C 16677/24, PM 14/25
| Nach den Vorgaben des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes (FKAustG) werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates automatisch ausgetauscht. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun die Staatenaustauschliste 2025 bekanntgegeben. Enthalten sind die Staaten, mit denen der automatische Datenaustausch zum 30.9.2025 erfolgt. Weitere Informationen zum Informationsaustausch erhalten Sie u. a. auf der Website des Bundeszentralamts für Steuern (abrufbar unter www.iww.de/s2991). |
Quelle | BMF-Schreiben vom 3.6.2025, IV D 3 - S1315/00304/070/025
| Die Vermietung von Zimmerkontingenten an eine Kommune zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter überschreitet nicht den Nutzungszweck eines zum Hotelbetrieb gepachteten Gebäudes. Dies gilt jedenfalls, solange hiermit keine übermäßige Abnutzung oder sonstige Beeinträchtigung für den Verpächter verbunden ist, die über die übliche Nutzung durch Hotelgäste hinausgeht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die auf Räumung und Herausgabe des Hotels gerichtete Klage der Verpächterin abgewiesen. |
War die Unterbringung Geflüchteter vertragswidrig?
Die Klägerin schloss 2016 mit der Beklagten einen Vertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb des „Hotel F.“ in Gießen. Die Sache durfte vertraglich nur zum vereinbarten Nutzungszweck gebraucht werden. Seit Herbst 2022 buchte das Jugendamt der Stadt Gießen regelmäßig Zimmer für in seiner Obhut stehende Jugendliche. Nach Abmahnung kündigte die Klägerin 2023 fristlos. Sie hält die Unterbringung unbegleiteter Jugendlicher für vertragswidrig. Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt.
In der Berufung wies das OLG die Klage ab. Der Vertrag zwischen den Parteien sei nicht wirksam fristlos gekündigt worden. Die Beklagte habe nicht die Rechte der Klägerin durch eine unbefugte Überlassung an Dritte in erheblichem Maße verletzt. Dem Betrieb eines Hotels sei es immanent, dass es zu Beherbungsverträgen mit Dritten komme. Davon umfasst sei auch, dass bei der Buchung von Zimmerkontingenten durch Firmen o. Ä. ein ganzes Hotel faktisch durch denselben Mieter belegt werde. Der Abschluss von zeitlich begrenzten und auf bestimmte Zimmer bezogenen Beherbungsverträgen mit der Stadt Gießen sei folglich nicht unbefugt gewesen. Die Grenze zur unzulässigen Gebrauchsüberlassung wäre nur überschritten, wenn die Stadt das gesamte Gebäude übernommen und zu einem Flüchtlingsheim umgebaut hätte.
Keine Gefährdung der Mietsache, keine Pflichtverletzung
Eine zur Kündigung berechtigende Gefährdung der Mietsache durch unbegleitete minderjährige Geflüchtete sei nicht erkennbar. Es liege keine Pflichtverletzung wegen Überschreitung des Vertragszwecks vor, die zur Kündigung berechtigte. Die zeitweilige Vermietung zum o. g. Zweck überschreite nicht den Vertragszweck. Die vertraglich vereinbarte Nutzungsart als Hotel sei durch das Angebot von individueller Unterkunft, Service, Verpflegung und Nebenleistungen gekennzeichnet. Aufenthaltsdauer, -zweck und Motive für die Anmietung der Zimmer stellten keine entscheidenden Kriterien für die Bewertung als Hotelbetrieb dar. Es bestehe kein Anspruch darauf, „dass die Vermietung nur an einen bestimmten Personenkreis erfolgen darf, solange keine Beeinträchtigungen der Räumlichkeiten vorliegen bzw. zu befürchten sind“, unterstrich das OLG und es sei auch nicht vorgetragen, dass „Geflüchtete die Zimmer intensiver und nachlässiger nutzten als dies bei einer „normalen“ Vermietung an Hotelgäste der Fall wäre“.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.2.2025, 2 U 63/24, PM 21/25
| Das Landgericht (LG) Hanau hat entschieden: Die Anforderung von Belegkopien der Betriebskostenabrechnung ist kein wirksames Einsichtnahmeersuchen, wenn die Einsicht beim Vermieter zumutbar ist. Hierfür kommt es auf die Entfernung zur Mietwohnung an und nicht auf den Ort, an den der Mieter nach Mietende verzogen ist. |
Muss Mieter Belege einsehen oder muss Vermieter sie zuschicken?
Nach Mietvertragsende verlangte der Mieter die geleistete Kaution zurück. Die dann noch erstellte Betriebskostenabrechnung wies eine Nachforderung auf, die der Vermieter mit der Kaution verrechnete. Der inzwischen über 120 km weit weggezogene Mieter widersprach der Abrechnung, forderte die Übersendung von Belegkopien, um die Abrechnung zu prüfen, und klagte auf Rückzahlung der gesamten Kaution. Er bringt vor, keine Kopien erhalten zu haben, zumal der Vermieter für eine Einsichtnahme bei diesem nun zu weit entfernt sei.
So sahen es die Gerichte
Das Amtsgericht (AG) hat die Klage in Höhe der verrechneten Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das LG entschied, dass die Einwände gegen die Abrechnung zu unkonkret waren, weil der Mieter die Belege nicht geprüft hat. Der Vermieter habe die Belegeinsicht auch nicht verweigert, weil der Mieter unzulässigerweise die Übersendung von Kopien verlangte. Da die Belegprüfung grundsätzlich beim Vermieter erfolgen muss, lag schon kein wirksames Einsichtnahmeersuchen vor.
Kein Ausnahmefall
Der Mieter könne auch nicht ausnahmsweise die Zusendung von Kopien fordern. Das sei zwar möglich, wenn der Vermieter zu weit entfernt ansässig ist. Hierfür komme es jedoch auf die Entfernung der Mietsache zu diesem an, wobei eine Anreise von Hanau nach Frankfurt zumutbar sei. Dass der Mieter nun über 120 km entfernt wohnt, liege hingegen in seinem Risikobereich und führe nicht zu einem Recht auf Übersendung von Kopien.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | LG Hanau, Beschluss vom 24.3.2025, 2 S 43/24, PM vom 8.5.2025
| Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg bestätigte die Vorinstanz: Der kulturelle und familiäre Wert einer Sammlung aus Gemälden und historischen Gegenständen ist höher zu setzen als das Interesse einzelner Familienmitglieder an der Verwertung der Gegenstände. Letzteres hatte ein Teil der Familie aufgrund interner Differenzen verlangt. |
Das war geschehen
Die Nachfahren einer Nürnberger Patrizierfamilie stritten in einem Zivilprozess um den Erhalt ihrer Familiensammlung – einer Sammlung von Gemälden und historischen Gegenständen, die über Jahrzehnte als ungeteiltes Familienvermögen innerhalb der Familie über die Erbfolge weitergegeben wurde. Ein Teil der Familie begehrte den Pfandverkauf der historischen Sammlungsgegenstände, die teils in privater Nutzung sind, teils im Germanischen Nationalmuseum verwahrt werden, um die Erben- und Bruchteilsgemeinschaft auseinanderzusetzen. Die beklagten Familienmitglieder widersetzten sich dem und beriefen sich auf ein in einem Familienvertrag aus dem Jahr 1936 festgelegtes immerwährendes Teilungsverbot für das verfahrensgegenständliche Familienvermögen. Die Kläger verwiesen auf eine spätere Aufhebung sowie Nichtigkeit dieses Familienvertrags, denn dessen Regelungen sahen unter anderem die Weitergabe der Familiensammlung nur an männliche Nachkommen vor.
So sah es die erste Instanz
Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth hatte in erster Instanz die Klage abgewiesen. Es sah die Aufhebung des Familienvertrags nicht durch die vorhandenen Protokolle der Familienversammlungen belegt und erachtete das von der Familie im Jahr 1936 in Bezug auf die Familiensammlung vereinbarte dauerhafte Teilungsverbot als wirksam und fortbestehend an. Die Klagepartei habe auch keine Umstände vorgebracht, die als wichtiger Grund eine Aufhebung der Gemeinschaft rechtfertigen könne. Die im Verfahren vorgetragenen innerfamiliären Differenzen reichten hierfür nicht aus.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Hiergegen legte ein Familienmitglied der unterlegenen Klageseite Berufung zum OLG ein. Dieses hat das Ersturteil bestätigt und die zur Begründung des Aufhebungsanspruchs vorgebrachten Gründe und Einwendungen der Berufung für nicht durchgreifend erachtet. Wie das Erstgericht bewerte der Senat die erbrechtliche Regelung im Familienvertrag zum Ausschluss der weiblichen Nachkommen als nichtig, was aber die Wirksamkeit des dauerhaften Teilungsverbots nicht berühre. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kam das OLG zu dem Ergebnis, dass das beklagtenseits eingewandte familiäre als auch öffentliche Interesse am Erhalt der Gesamtheit der Sammlung als Kulturgut dem klägerischen Interesse an einer Aufhebung der Gemeinschaft und an einer damit verbundenen Zerschlagung der Sammlung überwiege.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 28.2.2025, 1 U 2451/23 Erb, PM 12/25
| Bauarbeiter, die auf Baustellen einfache Arbeiten verrichten, einen festen Stundenlohn erhalten und am Markt nicht erkennbar unternehmerisch auftreten, sind regelmäßig abhängig Beschäftigte, für die die Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen. Dies entschied in drei Urteilen das Hessische Landessozialgericht (LSG). |
Baufirmen müssenSozialversicherungsbeiträge nachzahlen
Die Deutsche Rentenversicherung entschied in mehreren Fällen, dass Bauarbeiter abhängig beschäftigt sind. In zwei Fällen forderte sie nach entsprechenden Betriebsprüfungen von den im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge in fünfstelliger Höhe. In einem weiteren Verfahren hatte sie zunächst über den Antrag auf Statusfeststellung zu entscheiden.
Weder schriftliche Verträge noch eigene Werkzeuge
In diesen Fällen hatten angeblich selbstständige Werkunternehmer auf Baustellen der jeweils klagenden Baufirma gearbeitet. Bei diesen Bauarbeitern handelte es sich um ausländische Staatsangehörige mit allenfalls geringen Deutschkenntnissen. Sie erledigten Abbrucharbeiten, Maurertätigkeiten und Pflasterarbeiten, sanierten Bäder oder arbeiteten im Trockenbau. Schriftliche Verträge oder Auftragsbestätigungen gab es nicht. Die Abrechnungen erfolgten auf Basis der aufgeschriebenen Stunden bei einem Stundenlohn zwischen 10 und 15 Euro. Die Materialien und Werkzeuge wurden bis auf Kleinwerkzeuge von den jeweiligen Baufirmen gestellt.
Scheinselbstständige statt Werkunternehmer
Das LSG folgte der Einschätzung der Rentenversicherung. In allen drei Verfahren liege Scheinselbständigkeit vor.
Bei einfachen, typischen Arbeitnehmerverrichtungen, die der Beschäftigte im Wesentlichen ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübe, spreche die Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis. Die betroffenen Bauarbeiter seien jeweils in den Betrieb der klagenden Baufirma eingegliedert gewesen und hätten einfache Bauarbeiten getätigt, wie sie typischerweise abhängig Beschäftigte verrichteten.
Kein unternehmerisches Auftreten
Werkvertragstypische Vereinbarungen einer unternehmerischen Leistung hätten nicht festgestellt werden können. Zudem seien die angeblichen „Werkunternehmer“ schon aufgrund ihrer geringen Deutschkenntnisse zu einem unternehmerischen Auftreten am Markt nicht in der Lage gewesen.
Zwischen den Baufirmen und den Bauarbeitern getroffene Vereinbarungen über eine (angeblich) selbstständige Tätigkeit seien nicht relevant und könnten die gesetzlich angeordnete Sozialversicherungspflicht nicht ausschließen.
Quelle | Hessisches LSG, Urteil vom 3.4.2025, L 8 BA 4/22, L 8 BA 62/22 und L 8 BA 64/21, PM vom 3.4.2025
| Wandhängende WCs und Handtuchheizkörper in Standardausführung sowie Balkone in der Größe von vier qm sind in Milieuschutzgebieten genehmigungsfähig, weil sie der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dienen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden. |
Bauliche Änderungen nicht ohne Genehmigung
Die Klägerinnen sind jeweils Eigentümerinnen von Wohngebäuden in Milieuschutzgebieten in Berlin-Mitte. Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen soziale Erhaltungsverordnungen (umgangssprachlich Milieuschutzverordnungen) gelten. Sie sollen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im jeweiligen Gebiet schützen. Bauliche Änderungen bedürfen in Milieuschutzgebieten grundsätzlich einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Den Erlass von Milieuschutzverordnungen erlaubt ein Bundesgesetz, nämlich das Baugesetzbuch. In Berlin sind dafür die Bezirke zuständig. Aktuell gelten in Berlin über 40 Milieuschutzverordnungen.
Eine Klägerin möchte im Badezimmer einer Wohnung ein Stand-WC durch ein wandhängendes WC ersetzen sowie einen Handtuchheizkörper einbauen. Eine weitere Klägerin begehrt den Anbau von dreizehn Balkonen in der Größe von jeweils vier qm an die Wohnungen ihres Mehrfamilienhauses. Die Maßnahmen stellen nach Ansicht der Klägerinnen einen zeitgemäßen Ausstattungszustand ihrer Wohnungen dar. Das Bezirksamt versagte den Klägerinnen die erhaltungsrechtlichen Genehmigungen. Die Vorhaben gingen über einen zeitgemäßen Ausstattungszustand hinaus und seien als wohnwerterhöhende bauliche Änderungen im Milieuschutzgebiet nicht zulässig.
Genehmigungen sind zu erteilen
Das VG gab den dagegen erhobenen Klagen statt und verpflichtete das Bezirksamt, die Genehmigungen zu erteilen. Der Gesetzgeber habe im Baugesetzbuch geregelt, dass eine erhaltungsrechtliche Genehmigung zu erteilen sei, wenn die bauliche Maßnahme der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen diene.
Mittlerer Standard nicht wohnwerterhöhend
Der Gesetzgeber habe den Genehmigungsanspruch auch nicht auf bauliche Maßnahmen beschränkt, die der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dienten. Vielmehr habe er zugelassen, dass darüber hinaus auch in Milieuschutzgebieten eine behutsame Anhebung des Ausstattungszustands auf den Standard mittlerer Wohnverhältnisse erfolgen könne. Daran sei ein bundeseinheitlicher Maßstab anzulegen. Bei wandhängenden WCs und Handtuchheizkörpern in einer Standardausführung sowie bei vier qm großen Balkonen werde dieser Standard nicht überschritten. Dafür sprächen unter anderem die Verbreitung dieser Ausstattungsmerkmale bundesweit sowie der Umstand, dass die Mietspiegel der größeren deutschen Städte sie überwiegend nicht als wohnwerterhöhend einstuften.
Quelle | VG Berlin, Urteile vom 2.4.2025, VG 19 K 17/22 und VG 19 K 351/23, PM 24/25
| Trotz erfolgreich absolviertem ersten juristischen Staatsexamen hat ein Antragsteller, der erwiesenermaßen die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft, keinen Anspruch darauf, den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) zu durchlaufen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz. |
Fehlende Verfassungstreue
Der Antragsteller wollte nach erfolgreichem Jurastudium als Rechtsreferendar in den juristischen Vorbereitungsdienst eintreten. Dies lehnte das Oberlandesgericht (OLG) wegen fehlender Verfassungstreue des Antragstellers ab. Dieser suchte daraufhin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um gerichtlichen Rechtsschutz mit dem Ziel nach, ihn im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses einzustellen.
Eindeutige Publikationen
Der Antrag blieb ohne Erfolg. Dem Antragsteller, so das VG, fehle der notwendige sog. Anordnungsanspruch. Aus den einschlägigen Vorschriften des Landesgesetzes über die juristische Ausbildung sowie des Landesbeamtengesetzes folge, dass die juristische Ausbildung am Leitbild einer dem Rechtsstaat verpflichteten Person zu orientieren sei. Rechtsreferendare müssten sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Der Antragsteller werde dem nicht gerecht, wie von ihm verfasste und publizierte Texte belegten.
In einem von ihm geschriebenen Roman würden beispielsweise schwarze Menschen durch die Verwendung menschenverachtender Bezeichnungen pauschal herabgewürdigt. Es werde hierin behauptet, ein – namentlich genannter – österreichischer Fußballspieler, der dunkelhäutig sei, könne kein Deutscher oder Österreicher sein. In einem anderen Text attestierte er dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Demontage des Volksbegriffs. Der von dem Antragsteller vertretene Volksbegriff mit der Forderung nach einer „positiven Erneuerung Deutschlands“ könne nur als Forderung nach einer Umkehrung eines vermeintlichen „Bevölkerungsaustauschs“ verstanden werden. Zudem sei der Antragsteller Mitglied bei der „Jungen Alternative für Deutschland“ und dem Verein „Ein Prozent e. V.“ gewesen. Er habe in beiden Organisationen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Frühjahr 2023 als gesichert rechtsextremistisch einstufe, zumindest zeitweise herausgehobene Funktionen übernommen.
Die Entscheidung ist bestandskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 9.5.2025, 5 L 416/25.KO, PM 14/25
| Eine Tätowierung ist heute typischer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Während sichtbare Tattoos im Arbeitsleben immer normaler werden, stellt sich damit aber zunehmend die Frage, wer eigentlich das finanzielle Risiko trägt, wenn beim Stechen des Tattoos nicht alles glatt verläuft. Dazu liegt nun eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vor: Wer sich tätowieren lässt, erhält bei Komplikationen keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das LAG bestätigt damit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Flensburg. |
Pflegekraft ließ sich tätowieren
Die als Pflegehilfskraft beschäftigte Klägerin ließ sich am Unterarm tätowieren. In der Folge entzündete sich die tätowierte Stelle. Die Klägerin wurde daraufhin für mehrere Tage krankgeschrieben. Die beklagte Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum ab.
Die Klägerin führte vor Gericht aus, dass sie ja nicht Entgeltfortzahlung für den Tätowierungsvorgang geltend mache, sondern für eine davon zu trennende zeitlich nachfolgende Entzündung der Haut. Ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen. Es habe sich ein sehr geringes Risiko verwirklicht, das nur bei ein bis fünf Prozent der Fälle von Tätowierungen auftrete. Tätowierungen seien als Teil der privaten Lebensführung geschützt und mittlerweile weit verbreitet.
Die Arbeitgeberin entgegnete, die Klägerin habe bei der Tätowierung in eine Körperverletzung eingewilligt. Das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre deshalb nicht zum normalen Krankheitsrisiko und könne dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden.
Arbeitsunfähigkeit verschuldet
Das LAG ist der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Diese war zwar arbeitsunfähig krank. Sie hat die Arbeitsunfähigkeit aber verschuldet. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz handelt ein Arbeitnehmer immer schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt.
Die Klägerin musste bei der Tätowierung damit rechnen, dass sich ihr Unterarm entzündet. Dieses Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen ihr eigenes Gesundheitsinteresse dar. Sie hat selbst vorgetragen, in bis zu 5 % der Fälle komme es nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut. Dies ist keine völlig fernliegende Komplikation. Bei Medikamenten wird eine Nebenwirkung als „häufig“ angegeben, wenn diese in mehr als einem, aber weniger als zehn Prozent der Fälle auftritt. Zudem ist die Komplikation in der Hautverletzung durch die Tätowierung selbst angelegt.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.5.2025, 5 Sa 284 a/24, PM vom 2.7.2025
| Wenn ein Arbeitnehmer sich beim Kaffeetrinken verschluckt und infolgedessen stürzt, kann das im Einzelfall einen Arbeitsunfall darstellen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden. |
Nasenbeinbruch während morgendlicher Besprechung
Der Kläger war als Vorarbeiter auf einer Baustellebeschäftigt. Beim Kaffeetrinken während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer verschluckte er sich, ging hustend zur Tür, um sich draußen auszuhusten, verlor kurz das Bewusstsein und stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter. Dabei brach er sich das Nasenbein.
Berufsgenossenschaft und Sozialgericht: kein Arbeitsunfall
Das sei kein Arbeitsunfall, befand die zuständige Berufsgenossenschaft, denn das Kaffeetrinken habe keinen betrieblichen Zwecken gedient. Es sei vielmehr dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen. So sah es auch das Sozialgericht (SG), das in erster Instanz über den Fall entschieden hatte.
Landessozialgericht: auch Nahrungsaufnahme geschützt
Zu Unrecht, befand nun das LSG. Zwar erstrecke sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit damit ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird. Im vorliegenden Fall sei das Kaffeetrinken aber nicht auf das Grundbedürfnis des Durstlöschens gerichtet gewesen, sondern habe (auch) betrieblichen Zwecken gedient. Der gemeinsame Kaffeegenuss während der verpflichtend vorgeschriebenen Besprechung habe eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft bewirkt.
Arbeitgeber stellte den Kaffee zur Verfügung
Zudem habe der Kaffee für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesorgt. Das sei auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, der sich teilweise selbst um das Auffüllen der Kaffeevorräte gekümmert habe. Deshalb sei der Fall auch anders zu beurteilen, als wenn sich ein Arbeitnehmer z. B. in der Frühstückspause an einem Kaffee verschluckt, den er selbst in der Thermoskanne mitgebracht hat.
Quelle | LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.5.2025, L 6 U 45/23, PM 2/25
| Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Hostprovider – hier Meta – muss nach einem Hinweis auf einen rechtsverletzenden Post auf der Social-Media-Plattform Facebook auch ohne weitere Hinweise sinngleiche Inhalte sperren. Sinngleich sind etwa Beiträge mit identischem Text und Bild, aber abweichender Gestaltung (Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung), bloßer Änderung typografischer Zeichen oder Hinzufügung von Elementen, etwa sog. Captions, die den Aussagegehalt nicht verändern. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Arzt und bewarb in der Vergangenheit u. a. die sog. „Hirschhausen Diät“. Der Kläger wies die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach auf sog. Fake-Werbe-Videos hin, in denen er vermeintlich u. a. für Abnehmmittel werbe.
Gegenstand dieses Eilverfahrens sind zwei weitere solcher Deep-Fake Videos: Nutzer haben zum einen ein Video unter Verwendung eines Ausschnitts aus der Sendung von Markus Lanz hergestellt, in denen der Name, das Bildnis und die Stimme des Klägers verwendet werden und in dem dieser vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme wirbt. Dieses Video entfernte die Beklagte zeitnah nach Abmahnung durch den Kläger. In einem nachfolgend erschienenen, nahezu inhaltsgleichen weiteren Deep-Fake Video warb der Kläger ebenfalls vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme. Dieses Video entfernte die Beklagte ebenfalls – erst – nach entsprechendem Hinweis durch den Kläger. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassen der Verbreitung dieser beiden Videos in Anspruch. Das Landgericht (LG) hat den Antrag zurückgewiesen.
So sah es das Oberlandesgericht
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hatte teilweise Erfolg. Hinsichtlich des ersten Videos bestehe kein Unterlassungsanspruch, entschied das OLG. Die Beklagte sei als Hostproviderin grundsätzlich nicht verpflichtet, von den Nutzern ins Netz gestellte Beiträge vor ihrer Veröffentlichung auf etwaige Rechtsverletzungen hin zu prüfen. Ihre Haftung setze die Verletzung von Prüf- und Verhaltenspflichten voraus. Vor der Abmahnung des Klägers betreffend das erste Video sei die Beklagte nicht zur Löschung verpflichtet gewesen. Eine Löschpflicht habe sich insbesondere nicht aus den vorausgegangenen Hinweisen des Klägers auf andere, nicht sinngleiche sog. Fake-Werbungen ergeben. Grundsätzlich lösten derartige Hinweise nur Prüfpflichten hinsichtlich „sinngleicher Inhalte“ aus. Darunter fielen Inhalte, die in Bild und Text identisch, aber bei gleichbleibendem Gesamteindruck etwa abweichend gestaltet seien. Dies könne sich etwa auf die Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung mit Rahmen oder Zufügung sog. Caption beziehen. Die vorausgegangenen Hinweise des Klägers hätten sich hier jedoch auf in Bild und Text abweichende Inhalte bezogen.
Prüfplicht des Providers bestand
Hinsichtlich des zweiten Videos habe die Beklagte dagegen schon aufgrund der Abmahnung des Klägers hinsichtlich des ersten Videos eine Prüfpflicht getroffen. Es habe keiner weiteren Abmahnung bedurft. Das zweite Video unterscheide sich allenfalls marginal vom ersten. Nach dem Eindruck des OLG wirkten die Videos – bei voneinander abweichender Überschrift – nahezu identisch. Es lägen damit sinngleiche Inhalte vor. Da die Beklagte das zweite Video nicht bereits ohne weitere Abmahnung gesperrt habe, habe sie gegen ihre Prüfpflichten verstoßen. Im Ergebnis bestehe daher ein Unterlassungsanspruch.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nich tanfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.3.2025, 16 W 10/25, PM 14/25
| Zahlreiche Betriebsprüfungen zeigen, dass die Kassenführung oft beanstandet wird. Das Problem dabei: Ist die Kassenführung nicht ordnungsmäßig, drohen erhebliche Hinzuschätzungen. So war es auch in einem Fall, der vom Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein zu entscheiden war. |
Im Streitfall hatte bei einem bargeldintensiven Imbiss mit Sitzgelegenheiten eine Betriebsprüfung stattgefunden. Der Betreiberin, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte, wurden dabei zahlreiche Mängel in der Kassenführung vorgeworfen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem FG blieb erfolglos.
Beachten Sie | Allerdings ist inzwischen die Revision anhängig, in der insbesondere diese interessanten Fragen zu klären sind:
- Ist bei bestehenden Zweifeln im Hinblick auf den Programmierzustand und das Vorhandensein von Manipulationsspuren an der Registrierkasse vom FG ein Sachverständigengutachten einzuholen?
- Rechtfertigen fehlende Programmierprotokolle für die verwendete Kasse eine Schätzung dem Grunde nach?
- Ergibt sich aus einer angeblichen Abweichung von der Richtsatzsammlung eine Schätzungsbefugnis?
Quelle | FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.8.2023, 3 K 25/22, Rev. BFH, X R 27/24
| Hat eine Gesellschaft ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr, ist für die Berechnung der Steuerermäßigung gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 EStG) nicht auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums abzustellen, sondern auf das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahrs. Für die Aufteilung des Steuerermäßigungsbetrags sind der Gewerbesteuer-Messbetrag und die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des Wirtschaftsjahrs an der Gesellschaft beteiligt waren. So lautet ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Hintergrund: Unter den Voraussetzungen des § 35 EStG wirddie Gewerbesteuerbelastung kompensiert, indem die tarifliche Einkommensteuer um das Vierfache des festgesetzten Steuermessbetrags gemindert wird.
Quelle | BFH, Urteil vom 10.4.2025, IV R 21/22
| Mit Wirkung ab 1.6.2025 wurden die Gebühren für Eintragungen im Handelsregister um 50 Prozent erhöht. Demzufolge werden auch Unternehmensgründungen teurer. |
In der Begründung der Verordnung wird hierzu u. a. ausgeführt: „Die daraus insgesamt resultierenden Gebühreneinnahmen sollen dazu dienen, den Aufwand der Länder für den Betrieb der Registergerichte weitgehend zu decken, damit die Gerichte den Anforderungen an eine moderne, effiziente und sichere Registerführung auch künftig gerecht werden können.“
Quelle | Dritte Verordnung zur Änderung der Handelsregistergebührenverordnung, BGBl I 2025, Nr. 127
| Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft wird nur bereit sein, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung einer Eigentumswohnung zu (privaten) Wohnzwecken (also im privaten Interesse) eines Gesellschafters zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe erstattet werden und sie zudem einen angemessenen Gewinnaufschlag erhält. Vor diesem Hintergrund hat es das Finanzgericht (FG) Niedersachsen im Streitfall als rechtmäßig beurteilt, dass das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) angesetzt hat. |
Zum Hintergrund: Bei einer vGA handelt es sich – vereinfacht – um Vermögensvorteile, die dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gewährt werden. Eine vGA darf den Gewinn der Gesellschaft nicht mindern.
Im Anschluss an ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahr 2016 führte das FG weiter aus: Eine Vermietung zu marktüblichen, aber nicht kostendeckenden Bedingungen würde ein gewissenhafter Geschäftsführer (ausnahmsweise) in Betracht ziehen, wenn er bezogen auf den jeweils zu beurteilenden Veranlagungszeitraum bereits von der Erzielbarkeit einer angemessenen Rendite ausgehen kann.
Beachten Sie | Die danach für den Fremdvergleich maßgebliche Kostenmiete ist auch dann als Maßstab heranzuziehen, wenn der Gegenstand des Unternehmens der Kapitalgesellschaft auch neben der an die Gesellschafterin vermieteten Wohnung in der Vermietung von Immobilien besteht.
Gegen das Urteil ist die Revision anhängig. Gleichwohl sollte in vergleichbaren Fällen eine vGA bedacht werden. Es empfiehlt sich, Mietverträge zu prüfen und ggf. anzupassen.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 15.8.2024, 10 K 255/21, Rev. BFH, I R 21/24
| Ein Freiwilliger Wehrdienst kann bei einem volljährigen Kind für sich genommen keinen Kindergeldanspruch begründen. Gleichwohl kann während der Zeit des Wehrdienstes ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, wenn das Kind einen der gesetzlichen Berücksichtigungstatbestände erfüllt, also z. B. während des Wehrdienstes für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dabei ist es unschädlich, wenn das Kind nach Abschluss der Grundausbildung im Rahmen des Freiwilligen Wehrdienstes Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad ausübt. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Das war geschehen
Der Sohn absolvierte nach seinem Abitur einen zehn Monate dauernden Freiwilligen Wehrdienst. Die Familienkasse bewilligte dem Vater für die Übergangszeit zwischen Abitur und Grundausbildung sowie für die Zeit der Grundausbildung Kindergeld. Nach der Grundausbildung verrichtete der Sohn Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad, eine weitere Ausbildung bei der Bundeswehr fand nicht statt. Nach dem Ende des Wehrdienstes studierte er an einer zivilen Hochschule. Den Entschluss dazu hatte er während des Wehrdienstes gefasst.
Die Familienkasse versagte für die Zeit nach Beendigung der Grundausbildung bis zum Beginn des Studiums die Festsetzung von Kindergeld. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Vater Klage vor dem Finanzgericht (FG) Bremen. Da das FG die Revision zugelassen hatte und diese auch eingelegt wurde, musste nun der BFH entscheiden.
Beachten Sie | Der Freiwillige Wehrdienst gehört – anders als ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr – nicht zu den im Einkommensteuergesetz (hier: § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG) genannten Berücksichtigungstatbeständen, die schon für sich genommen einen Kindergeldanspruch begründen können.
Bundesfinanzhof: Kindergeldanspruch bestand
Dennoch entschied der BFH, dass auch nach dem Ende der Grundausbildung und trotz einer Erwerbstätigkeit des Kindes als Soldat mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden ein Kindergeldanspruch bestehen kann, wenn das Kind (wie im Streitfall) eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.
Beachten Sie | Die drei Monate dauernde Grundausbildung war zwar Teil einer Ausbildung zum Offizier oder Unteroffizier. Ihre Beendigung führte jedoch nicht zu einem für den weiteren Kindergeldbezug ggf. schädlichen Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung (i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG).
Es kam auf den Zeitpunkt des Entschlusses an
Für einen Monat wies der BFH die Revision jedoch zurück, weil sich der Entschluss des Sohnes, sich um einen Studienplatz zu bemühen, erst im Folgemonat objektiviert hatte. Der bloße Vortrag des Kindergeldberechtigten und des Kindes, der Entschluss zu einer Ausbildung oder zu einem Studium sei früher gefasst worden, ist für die Begründung des Anspruchs nicht ausreichend.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.2.2025, III R 43/22, PM 28/2025 vom 2.5.2025
| Ab Mai 2025 setzen vier Pilotfinanzämter (Brühl, Bielefeld-Außenstadt, Hamm und Lübbecke) des Landes Nordrhein-Westfalen erstmals ein KI-Modul zur Unterstützung der Steuerveranlagung ein. Das Ziel: Steuererklärungen sollen effizienter, schneller und treffsicherer bearbeitet werden.
Das neue KI-Modul ergänzt das bewährte Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung. Es erkennt Muster in den Steuerdaten und kann gut nachvollziehbare Fälle mit geringem Prüfbedarf gezielt identifizieren. Diese werden automatisiert verarbeitet – und damit schneller abgeschlossen.
Gestartet wird mit Arbeitnehmerfällen (also Steuererklärungen mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalerträgen, Vorsorgeaufwendungen, Sonderausgaben, haushaltsnahen Dienstleistungen und ähnlichen Bereichen). Die Ausweitung auf weitere Fallkonstellationen ist bereits in Planung.
Nordrhein-Westfalen übernimmt die Vorreiterrolle. Nach erfolgreichem Testlauf ist die landesweite Einführung geplant.
Quelle | FinMin NRW, Mitteilung vom 22.4.2025
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der auf Dienstreisen seinen privaten Pkw einsetzt, die tatsächlichen Kosten für jeden gefahrenen Kilometer auch dann ansetzen kann (im Streitfall: 2,28 Euro/km für einen Sportwagen), wenn er von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt bekommt, den er grundsätzlich für dienstliche und private Fahrten nutzen kann. |
Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall jedoch den Nachweis erbringen, dass er das Privatfahrzeug tatsächlich beruflich eingesetzt hat. Eine Angemessenheitsprüfung dem Grunde nach (hier: berufliche Nutzung eines privaten Fahrzeugs durch einen Arbeitnehmer, dem von seinem Arbeitgeber ein Geschäftsfahrzeug überlassen wurde) findet nicht statt.
Beachten Sie | Das Finanzamt will diese Entscheidung aber nicht akzeptieren und hat Revision eingelegt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.9.2024, 9 K 183/23, Rev. BFH: VI R 30/24
| Kinderbetreuungskosten sind als Sonderausgaben abzugsfähig. Bei Aufwendungen für Unterricht, für die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen ist ein Sonderausgabenabzug allerdings gesetzlich ausgeschlossen. Mit dem Abzugsverbot hat sich nun der Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt. |
Hintergrund: Kinderbetreuungskosten können nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) als Sonderausgaben steuerlich absetzbar sein. Folgende Aspekte sind hier zu beachten:
- Abzug von 80 % der Betreuungsleistungen, maximal 4.800 Euro pro Jahr.
- Der Abzug ist zulässig für haushaltszugehörige Kinder unter 14 Jahren (oder aufgrund Behinderung, Eintritt vor dem 25. Lebensjahr, Übergangsregel 27. Lebensjahr).
- Grundsätzlicherforderlich: Rechnung und Überweisung.
- Nichtabziehbar: Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen.
Betreuungscharakter muss im Vordergrund stehen
Nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen vor, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbstständigten Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichts- oder Kurszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen (sprachlichen, musischen, sportlichen) Fähigkeiten in den Hintergrund rückt.
Nicht begünstigteAufwendungen
Entsprechendes gilt für sportliche und andere Freizeitbetätigungen. Nicht begünstigte Aufwendungen für derartige Aktivitäten liegen daher vor, wenn
- die Betätigung organisatorisch, zeitlich und räumlich getrennt von einer Kindertagesstätte, einem Schulhort oder einer ähnlichen Einrichtung stattfindet und
- dabei nicht die altersbedingt erforderliche Betreuung des Kindes, sondern die Aktivität im Vordergrund steht.
Quelle | BFH, Urteil vom 23.1.2025, III R 33/24 (III R 50/17)
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen hat die Stadt Marburg dazu verpflichtet, einer Studentin einen Bewohnerparkausweis zu erteilen, die ein in Tschechien zugelassenes Fahrzeug nutzt. |
Kfz in Tschechien zugelassen
Die Klägerin wohnt in einem Bewohnerparkgebiet der Beklagten. Sie nutzt ein Kraftfahrzeug ihres Vaters, der tschechischer Staatsangehöriger ist und das Fahrzeug in Tschechien zugelassen hat. Im Frühjahr 2024 beantragte sie bei der Stadt Marburg, ihr einen Bewohnerparkausweises zu erteilen. Dies lehnte die Stadt mit der Begründung ab, dass sie Bewohnerparkausweise für Fahrzeuge mit ausländischer Zulassung nicht erteilen könne. Im Rahmen des Klageverfahrens argumentierte die Stadt weiter, dass eine ausländische Zulassung gegen eine dauerhafte Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin spreche, weil ein im Ausland zugelassenes Kraftfahrzeug nur vorübergehend am Verkehr in Deutschland teilnehmen dürfe.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG bejahte hingegen den Anspruch der Studentin auf einen Bewohnerparkausweis. Bei der Klägerin handele es sich um eine Anwohnerin, die das betroffene Fahrzeug nachweislich dauerhaft nutze.
Gegen eine dauerhafte Nutzung spreche insbesondere nicht, dass Kraftfahrzeuge mit ausländischer Zulassung nur vorübergehend am Straßenverkehr in Deutschland teilnehmen dürfen. Es sei bereits nicht klar, ob das von der Klägerin genutzte Fahrzeug diese Voraussetzungen erfülle. Die Klägerin gab nämlich an, dass sie das Fahrzeug während der Semesterferien nicht in Deutschland nutze. Diese Prüfung obliege der Zulassungsbehörde, die je nach Einzelfall eine Untersagung des Betriebs im öffentlichen Straßenverkehr ohne deutsche Zulassung aussprechen könne.
Die Versagung eines Bewohnerparkausweises für im Ausland zugelassene Fahrzeuge entspreche nicht dem Zweck der Vorschriften. Ein Bewohnerparkgebiet diene dem Anwohnerinteresse, in innerstädtischen Wohnstraßen eine Abstellmöglichkeit für ein (dauerhaft) genutztes Kraftfahrzeug zu finden.
Quelle | VG Gießen, Urteil vom 13.11.2024, 6 K 2830/24.GI, PM vom 19.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Ein zur Nichtigkeit der entsprechenden Vereinbarung führender Verstoß gegen den im Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 656 d BGB) geregelten Grundsatz der hälftigen Teilung des Maklerlohns liegt vor, wenn ein Makler allein für den Verkäufer einer Immobilie tätig geworden ist und der Käufer zur Zahlung des vollen Honorars an den Makler verpflichtet wird. |
Das war geschehen
Die Kläger erwarben ein mit einer Doppelhaushälfte bebautesGrundstück. Mit der Vermittlung des Verkaufs hatte die Verkäuferin das beklagte Maklerunternehmen beauftragt. Für die Vermittlung der Immobilie entstand zugunsten der Beklagten gegenüber der Verkäuferin ein Maklerlohnanspruch in Höhe von 25.000 Euro. Der im Exposé zunächst vorgesehene Kaufpreis wurde um einen Betrag in dieser Höhe reduziert. Zugleich verpflichteten sich die Kläger gegenüber der Beklagten zur Zahlung eines Honorars in gleicher Höhe, das sie nach notarieller Beurkundung des Kaufvertrags bezahlten. Eine Maklerlohnzahlung durch die Verkäuferin erfolgte nicht. Die Kläger verlangten die Rückzahlung des geleisteten Betrags.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: § 656 d BGB ist nicht nur auf Vereinbarungen der Parteien des Kaufvertrags über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus untereinander anwendbar, sondern erfasst jegliche Art einer vertraglichen Vereinbarung, durch die unmittelbar oder mittelbar ein Anspruch des Maklers auf Zahlung oder Erstattung von Maklerlohn gegenüber der Partei des Kaufvertrags begründet wird, die nicht Partei des Maklervertrags ist. Umfasst sind daher auch alle auf eine Verpflichtung zur Zahlung oder Erstattung des Maklerlohns gerichteten Vereinbarungen des Maklers mit der Partei des Kaufvertrags, die nicht Partei des Maklervertrags ist.
Der Anwendbarkeit des § 656 d BGB steht es deshalb auch nicht entgegen, dass die Verkäuferin der Immobilie von der Pflicht, den vereinbarten Maklerlohn zu entrichten, gegenüber der Beklagten nicht entbunden war. Da die Käufer im Innenverhältnis zur Verkäuferin verpflichtet waren, den Maklerlohn in voller Höhe zu bezahlen, blieb die Verkäuferin als die Partei, die den Maklervertrag abgeschlossen hat, nicht zur Zahlung des Maklerlohns mindestens in gleicher Höhe verpflichtet.
Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung
Der Verstoß gegen § 656 d BGB führt zur Gesamtnichtigkeit einer entsprechenden Vereinbarung. Die Kläger können von der Beklagten die Rückzahlung des Maklerlohns in voller Höhe verlangen.
Quelle | BGH, Urteil vom 6.3.2025, I ZR 138/24, PM 45/25
| Eine 77-jährige Frau, die über einer Supermarktfiliale wohnt, tätigte dort ihre Einkäufe bis zu einem Hausverbot Anfang des Jahres 2024 durch die Filialleitung. Sie behauptet, das Hausverbot sei nach einer Beschwerde ihrerseits ohne ersichtlichen Grund erteilt worden. Sie sei gesundheitlich stark eingeschränkt und nicht in der Lage, längere Strecken zurückzulegen und daher auf die Filiale angewiesen. Ohne ein Betreten des Supermarkts sei ihr eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verwehrt. Das Amtsgericht (AG) München wies ihre Klage ab. |
Wiederholtes Fehlverhalten
Die Filialleitung begründete das Hausverbot mit wiederholtem Fehlverhalten. Die Münchnerin habe Kunden beim Betreten des Markts von ihrer Wohnung aus beschimpft, habe das Geschäft regelmäßig ohne Einkaufsabsicht aufgesucht, Mitarbeiter in Gespräche verwickelt und diese von der Arbeit abgehalten. Sie habe sich zudem immer wieder an der Frischetheke des Markts Ware aufschneiden lassen und diese dann, anstatt zu kaufen, im Laden abgelegt.
Da der Supermarkt sich weigerte, das Hausverbot zurückzunehmen, verklagte sie den Betreiber vor dem AG auf Gewährung des Zutritts zum Supermarkt – ohne Erfolg.
Hausrecht deckt Hausverbot
Der Beklagte ist als Betreiber des Supermarkts aufgrund seines Hausrechts grundsätzlich berechtigt, Kunden selbst ohne sachlichen Grund ein Hausverbot zu erteilen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein Fehlverhalten der Klägerin vorlag.
Dem Betreiber einer Einrichtung, die erhebliche Bedeutung für das gesellschaftliche und kulturelle Leben hat, wird eine besondere rechtliche Verantwortung zugewiesen, die es ihm verbietet, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund auszuschließen. Entgegen der Auffassung der Klägerin entscheidet die Verweigerung des Zutritts für sie nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Ein Supermarkt dient der Daseinsvorsorge in Form von Einkäufen des täglichen Bedarfs, insbesondere an Lebensmitteln, nicht der sozialen Interaktion oder des kulturellen Austauschs.
Klägerin konnte auf konkurrierenden Supermarkt ausweichen
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Monopolstellung oder sonstige strukturelle Überlegenheit des Beklagten vorliegt, die dazu führt, dass bestimmte Personen nicht ohne sachlichen Grund ausgeschlossen werden könnten. Eine solche Monopolstellung des Markts des Beklagten für die tägliche Daseinsvorsorge ist im konkreten Fall nicht gegeben. Der Beklagte hat unbestritten ausgeführt, dass in fußläufiger Entfernung (ab 500 Metern) weitere Supermärkte vorhanden sind, die somit auch für betagtere Kunden problemlos zu erreichen sind.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 11.10.2024, 142 C 18533/24, PM 12/25
| Legt beim Gebrauchtwagenkauf der Verkäufer den Fahrzeugbrief vor, kann sich der Käufer normalerweise darauf verlassen, dass er es auch tatsächlich mit dem Eigentümer und nicht mit einem Betrüger zu tun hat. Dieses Vertrauen kann aber erschüttert sein, wenn die Umstände des Verkaufs trotzdem Verdacht erregen müssen. Dann muss der Käufer im Betrugsfall das Fahrzeug dem wahren Eigentümer zurückgeben und bleibt auf dem gezahlten Kaufpreis als Schaden sitzen. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal (Pfalz) entschieden. Es hat die Klage eines Autokäufers abgewiesen, der auf einen Betrüger hereingefallen war. |
Autokäufer war auf Betrüger hereingefallen
Der Käufer hatte den PKW von einem Betrüger für mehr als 35.000 Euro erworben. Kurze Zeit nach dem Kauf beschlagnahmte die Polizei das Fahrzeug und gab es dem ursprünglichen Eigentümer zurück. Dieser verkaufte es anschließend für knapp 49.000 Euro weiter.
Den Kaufpreis reklamierte der betrogene Käufer für sich. Er sei trotz des Betrugs Eigentümer des Fahrzeugs geworden. Er sei im Internet auf das Fahrzeug gestoßen und habe sich im Saarland zur Besichtigung verabredet. Auf dem Weg dorthin habe er die Mitteilung erhalten, dass das Kind des Verkäufers einen Treppensturz erlitten habe und in einem Krankenhaus in Frankreich liege. Dorthin sei er nun umgeleitet worden, wo der Kauf auf dem Parkplatz durch Barzahlung auch abgewickelt worden sei. Der Betrüger habe einen vermeintlich echten Fahrzeugbrief und einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt. Er habe deshalb daran glauben dürfen, dass das Fahrzeug diesem auch gehört habe.
Umstände des Kaufs waren dubios, Zweifel daher angebracht
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Der Käufer habe trotz Vorlage des scheinbar echten Fahrzeugbriefs grob fahrlässig gehandelt und das Fahrzeug daher nicht gutgläubig erworben. Denn die Umstände des Verkaufs hätten beim Käufer Zweifel erregen müssen, dass er den wahren Eigentümer vor sich hatte. So habe dieser einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt, obwohl sein im Kaufvertrag genannter Wohnsitz Frankenthal gewesen sei und das Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen zugelassen war.
Kurzfristige Verlegung der Übergabe ins Ausland
Auffällig sei ferner, dass der Verkäufer ursprünglich als Treffpunkt das vom angegebenen Wohnort abweichende Dillingen/Saar genannt habe. Typisch für unlautere Automobilgeschäfte sei auch das Bargeschäft und die kurzfristige telefonische Verlegung des Verkaufsorts an einen fremden und noch dazu im Ausland befindlichen Ort. Nach alledem könne der Käufer dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entgehen und habe den Schaden selbst zu tragen, so der Richter.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 3.4.2025, 3 O 388/24, PM vom 22.5.2025
| Das Amtsgericht (AG) Berlin-Charlottenburg hat entschieden: Hatte der frühere Vermieter die Hundehaltung erlaubt, kann der in das Mietverhältnis eingetretene Vermieter diese Gestattung nur aus wichtigem Grund widerrufen. Dies gilt, auch wenn es sich um einen Kampfhund handeln sollte. Dass sich Mitmieter aufgrund der Größe und Kraft eines solchen Hundes subjektiv bedroht fühlen, reicht für den Widerruf nicht aus. |
Vorheriger Vermieter hatte Hundehaltung gestattet, neuer Vermieter widerrief Erlaubnis
Die Parteien eines Mietvertrags über ein möbliertes Apartment stritten um die Räumung und Herausgabe einer Wohnung. Der Kläger, der aktuelle Vermieter, war nachträglich in das Mietverhältnis eingetreten. Der beklagte Mieter hält einen Hund, was ihm ausdrücklich vom früheren Vermieter erlaubt worden war.
Der Kläger hat die Erlaubnis zur Hundehaltung im Juni 2023 widerrufen und die Haltung eines Kampfhundes untersagt. Der Beklagte sollte seinen Hund bis Ende Juni 2023 entfernen. Noch im Juni mahnte der Kläger den Beklagten wegen nicht gestatteter Tierhaltung ab. Anfang August 2023 kündigte der Kläger das Mietverhältnis ordentlich zum 30.11.2023 und begründete dies mit der weiteren Haltung eines Kampfhundes sowie des Einsetzens des Hundes als Druck- und Nötigungsmittel.
Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung
Der Kläger behauptete, bei dem vom Beklagten gehaltenen Tier würde es sich um einen Kampfhund handeln. Der Beklagte würde dieses Tier gegenüber Nachbarn im Objekt als Druck- und Nötigungsmittel einsetzen, um Vorrang auf Wegen oder im Treppenhaus zu erzwingen. Mehr als ein anderer Bewohner im Objekt habe Angst vor dem Hund, die wollten aber nicht namentlich genannt werden. Er verklagte den Mieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Der Mieter behauptete hingegen, es handele sich nicht um einen „Listenhund“, sondern um eine Mischung aus Old-English-Bulldog und Weimeraner. Er reichte dazu zwei Fotos sowie eine tierärztliche Bescheinigung und weitere Unterlagen ein.
So entschied das Amtsgericht
Der Vermieter kann das Mietverhältnis nur aus berechtigtem Interesse kündigen. Das ist z. B. der Fall, wenn der Mieter vertragliche Pflichten erheblich verletzt, indem er z. B. ein Tier trotz Abmahnung weiter hält.
Im Fall des AG war es aber anders: Der ursprüngliche Vermieter hatte die Hundehaltung erlaubt. Der – große und kräftige – Hund, war– ohne Maulkorb – stets an der Leine geführt worden. Beißvorfälle oder -versuche oder Bedrohungen von Nachbarn mit dem Hund konnten nicht bewiesen werden. Ein – subjektives – Bedrohtfühlen genügt nicht, um die Erlaubnis zu widerrufen.
Quelle | AG Charlottenburg, Urteil vom 30.5.2024, 218 C 243/23
| Ein Streit um einen Erbschein hat kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Eine Erbin hatte falsche Angaben gemacht – mit unangenehmen Folgen. |
Wahrheitswidrige Angaben zum Testament
Eine Frau hatte nach dem Tod ihrer Mutter einen Erbschein beantragt, um als Alleinerbin ausgewiesen zu werden. Sie berief sich dabei auf ein Testament, machte aber falsche Angaben: Sie versicherte eidesstattlich, dass das Testament von der Verstorbenen eigenhändig verfasst worden sei. In Wirklichkeit hatte jedoch die Tochter das Testament geschrieben und die Mutter nur ihre Unterschrift darunter gesetzt.
Testament muss eigenhändig geschrieben sein
Die falschen Angaben betrafen einen entscheidenden Punkt: Ein Testament muss eigenhändig geschrieben oder von einem Notar beurkundet werden. Eigenhändig heißt, dass der Erblasser es komplett selbst und von Hand niederschreiben muss. Die bloße Unterschrift der Mutter reichte deshalb nicht aus – das Testament war unwirksam. Statt des Testaments galt die gesetzliche Erbfolge, das heißt: Die Antragstellerin musste sich das Erbe mit ihren Geschwistern teilen.
Streit um Anwaltskosten
Im Erbscheinverfahren vor dem Amtsgericht (AG) wurden die falschen Angaben aufgeklärt. Der Streit war damit aber nicht erledigt. Denn die Geschwister hatten Anwälte beauftragt, um gegen den unberechtigten Antrag vorzugehen. Zwei Schwestern verlangten die Erstattung der angefallenen Anwaltskosten. Das OLG gab ihnen nun Recht.
Mögliche strafrechtliche Konsequenzen
Für die unterlegene Schwester hat dies nicht nur finanzielle Folgen: Die Akten werden nun der Staatsanwaltschaft übergeben, denn eine falsche eidesstattliche Versicherung ist strafbar. Das OLG sah einen entsprechenden Anfangsverdacht; bis zu einer möglichen Entscheidung im Strafverfahren gilt für die Betroffene die Unschuldsvermutung.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 9.1.2025, 6 W 156/24, PM vom 20.2.2025
| Das Zerreißen eines Testaments durch den Erblasser ist eine Widerrufshandlung. Es wird gesetzlich vermutet, dass dieser Widerrufshandlung eine Widerrufsabsicht zugrunde lag. Die Aufbewahrung des zerrissenen Testaments im Schließfach widerlegt diese Vermutung nicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die Beschwerde des in dem zerrissenen Testament Begünstigten gegen einen auf Basis gesetzlicher Erbfolge erteilten Erbschein zurückgewiesen. |
Testament zerrissen, aber aufbewahrt
Der Erblasser war mit seiner Frau in letzter Ehe kinderlos verheiratet. Nach seinem Versterben beantragte die Frau einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Das Nachlassgericht erteilte den Erbschein, der die Frau neben der Mutter des Erblassers als Erben auswies. Zwei Monate später öffneten die Frau und ein Vertreter der Mutter des Erblassers das Schließfach des Erblassers. Dort befand sich ein handschriftliches Testament, das eine andere Person begünstigte. Es war längs in der Mitte durchgerissen. Das Nachlassgericht hat den Antrag des Begünstigten abgelehnt, den bereits erteilten Erbschein im Hinblick auf das nun aufgefundene, zerrissene Testament einzuziehen.
Widerruf durch schlüssige Handlung
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das Nachlassgericht habe die Einziehung des Erbscheins zu Recht abgelehnt, da dieser nicht unrichtig geworden sei. Der Begünstigte sei nichttestamentarischer Erbe geworden. Der Erblasser habe das den Begünstigten alsErben einsetzende Testament durch schlüssige Handlung widerrufen.
Durch das Zerreißen des Testaments in der Mitte habe derErblasser das Testament vernichtet. Es liege insoweit eine Widerrufshandlungvor. Das Testament sei unzweifelhaft auch „nicht durch äußere Einflüsse „anderweitig“ in zwei Teile geraten“. Dafür spreche, dass das Papier mittig, aber nicht vollständig gerade getrennt worden sei. Die Trennränder seien zudem nicht glatt. Anhaltspunkte für ein – ggf. sachverständig aufzuklärendes – anderweitiges Trennen des Schriftstücks in zwei Teile lägen nicht vor. Es sei auch davon auszugehen, dass der Erblasser selbst das Testament zerrissen habe, da nur er Zugang zum Bankschließfach gehabt habe. Nach den Angaben der bei Öffnung des Schließfachs Anwesenden bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Testament beim Öffnen oder Schließen des Schließfachs versehentlich von einer dritten Person zerrissen worden sei.
Gesetzliche Vermutung nicht widerlegt
Es werde gesetzlich vermutet, dass diese Widerrufshandlung mit Widerrufsabsicht erfolgte. Indizien, die diese Vermutung widerlegen würden, seien nicht erkennbar. Warum der Erblasser das zerstörte Testament im Schließfach aufbewahrte, sei zwar nicht nachvollziehbar. Dies allein genüge aber nicht zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung. Der Erblasser habe ausweislich der dokumentierten 31 Öffnungen des Schließfachs dieses offensichtlich nicht ausschließlich zur Aufbewahrung eines ungültigenTestaments angemietet.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.4.2025, 21 W 26/25, PM 26/25
| Das Landgericht (LG) Berlin II hat eine Energieberatungsfirma zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von rund 6.000 Euro wegen einer Falschberatung verurteilt. Aufgrund der Falschberatung habe der Kläger – ein Verbraucher – Fenster und Dachfenster mit zu hohen Wärmedurchgangskoeffizienten einbauen lassen, die daher nicht förderfähig seien. |
Förderleistungen beantragt – Bundesamt lehnt ab
Der Kläger hatte die Beklagte mit der Energieberatung für die energetische Sanierung seines Einfamilienhauses beauftragt. In Zusammenarbeit mit der Beklagten beantragte er beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Förderleistungen gemäß der Richtlinie der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG-Richtlinie) und erhielt einen entsprechenden Zuwendungsbescheid. Anschließend holte er Angebote für die Sanierungsmaßnahmen ein und schickte sie der Beklagten, die diese nicht beanstandete.
Für den Verwendungsnachweis der Fördermittel gab der Kläger in Absprache mit der Beklagten die Wärmedurchgangskoeffizienten an, die mit den verbauten Dämmmaterialien an der Gebäudehülle erreicht werden konnten – für das Dach und die Geschossdecke einen Koeffizienten von 0,2, für die Fenster von 1,1 und für die Dachflächenfenster von 1,3. Das Bundesamt teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die technischen Mindestanforderungen bei der Sanierung nicht erreicht seien und hob den Förderbescheid teilweise auf. Die BEG-Richtlinie fordert Koeffizienten an Dachgebilden von 0,14 und an Fenstern von 0,95 bzw. 1,0 bei Dachflächenfenstern.
Energieberater muss Förderleistung zahlen
Das Gericht sprach dem Kläger nun Schadenersatz in Höhe der eigentlich zu gewährenden Förderungssumme zu. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur fachlich zutreffenden Beratung verletzt. Sie hätte insbesondere die vom Kläger vorgelegten Angebote auf ihre Förderungsfähigkeit prüfen müssen.
Der Verweis der Beklagten, der Kläger hätte sich selbst über die förderungsrelevanten Wärmedurchgangskoeffizienten informieren können, führe ihr Leistungsangebot ad absurdum. Es sei gerade ihre Hauptleistungspflicht, einen Verbraucher und Laien über die Richtlinien und Richtwerte fachlich zu beraten. Darüber hinaus habe die Beklagte den Kläger falsch beraten, weil sie selbst von falschen Werten ausgegangen sei. Rechtsirrig habe sie in E-Mails an den Kläger auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und nicht auf die Werte der BEG-Richtlinie verwiesen. Die Beratung sei auch deshalb unzureichend und fehlerhaft gewesen.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23, PM 3/25
| Bei einer mehr als unerheblichen Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks scheidet die Annahme eines faktischen Kerngebiets aus, also als Gebiet, das vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Stadt versagte Nutzung eines Gebäudes als Spielhalle
Die Klägerin begehrt einen Bauvorbescheid für die Nutzung eines Geschäftsgebäudes in der Innenstadt der Beklagten als Spielhalle. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, der Widerspruch blieb erfolglos.
Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht sahen das anders
Das Verwaltungsgericht (VG) gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) zurück. Das Vorhaben sei als Vergnügungsstätte zulässig. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Kerngebiet i. S. d. Baunutzungverordnung (hier: § 7 BauNVO). Die nicht unerhebliche, aber noch untergeordnete Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks stehe dieser Einordnung nicht entgegen, obwohl sie im vorhandenen Umfang nur aufgrund von Festsetzungen in einem Bebauungsplan zulässig wäre.
Bundesverwaltungsgericht rügte mangelnde Tatsachenfeststellung
Das BVerwG hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Auffassung des OVG, dass ein faktisches Kerngebiet auch bei einer nicht unerheblichen Wohnnutzung vorliegt, steht mit der Regelungssystematik der Baunutzungsverordnung nicht in Einklang. Die Verweisung in § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB auf die §§ 2 ff. BauNVO findet dort eine Grenze, wo die Baunutzungsverordnung eine planerische Entscheidung der Gemeinde vorsieht. Der Verordnungsgeber hat die Entscheidung darüber, ob die sonstige Wohnnutzung in einem Kerngebiet über Ausnahmen hinausgehen darf, der Gemeinde überlassen. Ihr Spielraum darf bei der Einordnung als faktisches Kerngebiet nicht übergangen werden. Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen konnte das BVerwG nicht abschließend entscheiden.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 20.5.2025, 4 C 2.24, PM 37/25
| Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf der Grundlage von über 2.300 geleisteten Mehrarbeitsstunden im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer für mehrere Monate frei, muss er ihm in diesen Monaten das Entgelt nach dem Lohnausfallprinzip zahlen, also das Entgelt, das zu zahlen gewesen wäre, wenn der Arbeitnehmer in diesen Monaten gearbeitet hätte. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |
Das LAG: Nichts anderes ergibt sich, wenn die unstreitige Mehrarbeit vor 20 Jahren geleistet worden war, also in einem Zeitraum, für den die Parteien ein viel geringeres Bruttomonatsentgelt vereinbart hatten.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 23.8.2024, 6 Sa 663/23
| Ein Bewerber um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugdienst kann verlangen, nicht wegen eines genetisch bedingten erhöhten Thromboserisikos vom Bewerbungsverfahren der Bundespolizei ausgeschlossen zu werden. Bei der beim Kläger diagnostizierten sog. Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich um einen angeborenen Gendefekt, bei dem es zu Störungen der Blutgerinnung kommt und der mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergeht. Die Entscheidung der Bundespolizeiakademie, die Bewerbung des Klägers um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst im Jahr 2023 aufgrund fehlender gesundheitlicher Eignung nicht zu berücksichtigen, hatte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Aachen keinen Bestand. Über die Bewerbung des Klägers muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden werden. |
Geringe Risiken
Zur Begründung hat das VG ausgeführt, dass es bereits in erheblichem Maße zweifelhaft ist, ob hinreichende sachliche Gründe für den Ausschluss von Beamten mit einem solchen Gendefekt bestehen. Denn das durch eine solche Mutation bedingte Thromboserisiko ist verhältnismäßig gering. In der beim Kläger vorliegenden Form ist es zwar gegenüber gesunden Menschen erhöht, entspricht jedoch ungefähr dem Thromboserisiko durch die Einnahme der Antibabypille bei Frauen und damit einem Risiko, das der Dienstherr als hinnehmbar ansieht.
Ergebnisse der genetischen Untersuchung durften nicht mitgeteilt werden
Unabhängig davon durfte der Gendefekt nicht zulasten des Klägers im Einstellungsverfahren berücksichtigt werden, weil er aufgrund einer genetischen Untersuchung diagnostiziert wurde. Die Mitteilung des diesbezüglichen Ergebnisses durfte die Bundespolizei aus Rechtsgründen nicht verlangen.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 10.3.2025, 1 K 1304/23, PM vom 10.3.2025
| Die Verwendung eines abstrakt gefährlichen Gegenstands – hier eines Klappmessers – zu einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch – hier Reparaturversuch an einer Uhr – läuft den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider und steht deshalb der Anerkennung eines Unfallereignisses als Dienstunfall entgegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Mit dem Messer versucht, Klemmfeder zu richten
Der mittlerweile pensionierte Kläger war Polizeivollzugsbeamter im saarländischen Landesdienst. Im April 2019 erstattete er bei seiner Dienststelle eine Dienstunfallanzeige. Danach habe er zu Dienstbeginn festgestellt, dass die sonst über der Tür hängende Wanduhr auf der Fensterbank gelegen habe. Es sei ihm aufgefallen, dass die Batterie der Uhr unsachgemäß im Batteriefach gesteckt habe und die Klemmfeder verbogen gewesen sei. Er habe mit seinem Klappmesser die verbogene Feder wieder richten wollen. Hierbei sei das Messer zugeschnappt und er habe sich einen tiefen Schnitt am kleinen Finger der rechten Hand zugezogen.
Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls
Sein Antrag auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall ist behördlich und in den beiden gerichtlichen Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwiderlaufe, wenn ein Beamter sich ohne Not einem Verletzungsrisiko durch Hantieren mit einem privaten, abstrakt gefährlichen Gegenstand aussetze, dessen Funktionstauglichkeit der Dienstherr nicht prüfen könne.
Keine dienstliche Aufgabe
Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall. Zwar hat sich der Unfall in einem Dienstgebäude zur Dienstzeit ereignet und ist damit grundsätzlich als „in Ausübung des Dienstes eingetreten“ vom Dienstunfallschutz erfasst. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Reparatur der Uhr nicht zu den dienstlichen Aufgaben des Klägers als Polizeibeamter gehörte. Dienstunfallschutz wird jedoch nicht gewährt, wenn dieTätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft. Das ist hier der Fall.
Entgegen den Interessen des Dienstherrn
Dabei kann dahinstehen, ob es sich um ein Einhandmesser im Sinne des Waffengesetzes handelte und das Führen des Messers bereits deshalb verboten war. Jedenfalls lief die Benutzung dieses Messers zum Zweck einer Uhrreparatur den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider. Das verwendete Messer ist ein abstrakt gefährlicher Gegenstand, der für den Zweck der Reparatur ersichtlich nicht bestimmt und nicht geeignet war.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 13.3.2025, 2 C 8.24, PM 16/25
| Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellt den Arbeitnehmer trotz dessen Beschäftigungsanspruchs von der Arbeit frei, unterlässt der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig in Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 615 S. 2 BGB) anderweitigen Verdienst, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis eingeht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Das war geschehen
Der Kläger war seit November 2019 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Senior Consultant gegen eine monatliche Vergütung von 6.440 Euro brutto. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.3.2023 ordentlich zum 30.6.2023 und stellte den Kläger unter Einbringung von Resturlaub unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht (ArbG) am 29.6.2023 statt, die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) am 11.6.2024 zurückgewiesen.
Arbeitgeber schlug Stellenangebote vor
Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Kläger Anfang April 2023 arbeitssuchend und erhielt von der Agentur für Arbeit erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge. Die Beklagte übersandte ihm hingegen schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote, die nach ihrer Einschätzung für den Kläger in Betracht gekommen wären.
Arbeitnehmer bewarb sich – aber erst zum Beschäftigungsende
Auf sieben davon bewarb sich der Kläger, allerdings erst ab Ende Juni 2023. Nachdem die Beklagte dem Kläger für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, hat er diese mit einer Klage geltend gemacht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewendet, der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bei der Beklagten bezogenen Gehalts anrechnen lassen.
Arbeitgeber war durch einseitige Freistellung im Annahmeverzug
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) ihr stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Beklagte befand sich aufgrund der von ihr einseitig erklärten Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug und schuldet dem Kläger (nach § 615 S. 1 BGB iVm. § 611 a Abs. 2 BGB) die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss sich der Kläger nicht (nach § 615 S. 2 BGB) anrechnen lassen. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil ist nur gerechtfertigt, wenn dieser wider Treu und Glauben (nach § 242 BGB) untätig geblieben ist. Weil § 615 S. 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend hiervon bestand für ihn keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Beklagten ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.
Quelle | BAG, Urteil vom 12.0.2025, 5 AZR 127/24, PM 6/2
Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht
| Ein Verkauf von Unternehmensvermögen unterliegt der Umsatzsteuer. Eine Entnahme kann hingegen ohne Umsatzsteuer bleiben, wenn der Gegenstand ohne Vorsteuerabzug Unternehmensvermögen wurde. Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Niedersachsen gelten für dieses „Entnahme-Verkauf-Modell“ aber strenge Voraussetzungen. |
Hintergrund: Wurde ein Wirtschaftsgut ohne Vorsteuerabzug erworben und in das Unternehmensvermögen eingelegt, kann es grundsätzlich nicht umsatzsteuerbar entnommen und anschließend ohne Umsatzsteuer verkauft werden. So hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Jahr 2002 Folgendes festgestellt: Entnimmt der Steuerpflichtige den Pkw, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hatte, vor der Veräußerung seinem Unternehmen, ist es unzulässig, die Entnahme zu besteuern. Wenn der Steuerpflichtige den Pkw dann veräußert, ist diese Leistung seinem privaten Bereich zuzurechnen. Sie unterliegt daher nicht der Umsatzsteuer. Zu den Voraussetzungen musste jüngst das FG entscheiden.
Das war geschehen
Ein Unternehmer hatte einen Pkw und ein Wohnmobil aus seinem Privatvermögen in das Betriebsvermögen eingelegt. Es erfolgte jeweils eine Zuordnung zum Unternehmensvermögen ohne Vorsteuerabzug. Aus den Reparaturaufwendungen wurde dann jedoch der Vorsteuerabzug geltend gemacht.
Später verkaufte der Unternehmer die Fahrzeuge ohne Umsatzsteuerausweis. Der Kaufvertrag für den Pkw datierte vom 22.10.2016 (Übergabe am 25.10.2016), der Kaufvertrag für das Wohnmobil vom 25.8.2018 (Übergabe am 29.8.2018). In der Buchhaltung wurde eine Entnahme des Pkw zum 25.10.2016 und eine Entnahme des Wohnmobils zum 25.8.2018 jeweils ohne Umsatzsteuer erfasst.
Das Finanzamt setzte für die Verkäufe Umsatzsteuer fest. Wegen der engen zeitlichen Zusammenhänge liege weder für den Pkw noch für das Wohnmobil ein ausreichender Nachweis einer Entnahmehandlung vor. Die buchhalterische Erfassung allein genüge nicht.
Die hiergegen gerichtete Klage war erfolglos.
So argumentiert das Finanzgericht
Für eine vorherige nicht umsatzsteuerbare Entnahme bedarf es objektiver Anhaltspunkte und einer gewissen Zeitspanne zwischen Entnahme und Verkauf. Der Umstand, dass die Entnahme zeitlich mit der Lieferung am gleichen Tag erfolgt sein soll, spricht gegen eine Entnahme.
Die nach außen erkennbare Entnahme eines Gegenstands aus dem unternehmerischen Bereich hat zeitlich vor dem Verkauf zu erfolgen, wobei es dabei zur erforderlichen eindeutigen Abgrenzung auf den Zeitpunkt des ersten Angebots zum Verkauf des Gegenstands bzw. die erste Verkaufsbemühung ankommt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 3.4.2025, 5 K 15/24
| Bei der Frage, ob die Sachbezugsfreigrenze gemäß Einkommensteuergesetz (hier: § 8 Abs. 2 S. 11 EStG) in Höhe von 50 Euro pro Monat überschritten wird, sind die vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten anteilig den für die Nutzung des Firmenfitnessprogramms registrierten Arbeitnehmern zuzurechnen. Auf die Anzahl der vom Arbeitgeber erworbenen Lizenzen kommt es nicht an, wenn diese nicht der Zahl der für das Programm registrierten Arbeit-nehmer entspricht. Dies hat das Finanzgericht (FG) Niedersachsen entschieden. |
Beispiel in Anlehnung an den Urteilssachverhalt
Die A-GmbH hat 100 Arbeitnehmer. Sie schließt mit dem Fitnessstudiobetreiber X eine Firmenfitness-Mitgliedschaftsvereinbarung, wonach die Arbeitnehmer der A-GmbH berechtigt sind, das Fitnessstudio des X zu nutzen.
Somit erwirbt die A-GmbH 50 Lizenzen für monatlich 4.000 Euro inkl. Umsatzsteuer. Die Anzahl wurde anhand der Personalstruktur als Kalkulationsgrundlage für X prognostiziert. Die Lizenzen haben keine Auswirkung auf die Menge der tatsächlich nutzungsberechtigten Arbeitnehmer.
Mitarbeiter, die das Angebot in Anspruch nehmen wollen, haben im Fitnessstudio eine Berechtigung vorzulegen, die X aufgrund der mitgeteilten Namen erstellte. Von den 100 Mitarbeitern haben sich 80 für das Fitnessprogramm angemeldet. Tatsächlich teilgenommen haben 50 Mitarbeiter.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind die Kosten auf die Anzahl der Lizenzen zu verteilen. Das würde im Beispiel bedeuten, dass je Arbeitnehmer 80 Euro (4.000 Euro/50 Lizenzen) zu berücksichtigen wären, mithin der Betrag in voller Höhe steuerpflichtig wäre.
Finanzgericht widersprach der Finanzverwaltung
Dem widersprach jedoch das FG: Entspricht die Anzahl der Lizenzen nicht der Zahl der für das Programm registrierten Mitarbeiter, kommt es auf die Menge der Lizenzen nicht an. Vielmehr sind dann die vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten anteilig den für die Nutzung des Firmenfitnessprogramms registrierten Mitarbeitern zuzurechnen. Im Beispiel ergeben sich somit 50 Euro je Arbeitnehmer (4.000 Euro/80 Arbeitnehmer). Da der Betrag nicht die Freigrenze übersteigt, ist er nicht zu versteuern.
Beachten Sie | Die Kosten sind nicht nur auf die Mitarbeiter zu verteilen, die das Angebot tatsächlich in Anspruch genommen haben. Denn die Arbeitnehmer haben den Nutzungsvorteil, dass für sie jederzeit eine Trainingsmöglichkeit vorgehalten wird.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 17.4.2024, 3 K 10/24
| Ein Steuerbescheid ist nach der Abgabenordnung (hier: § 175 b AO) zu ändern, wenn elektronische Daten von Dritten (z. B. dem Rentenversicherungsträger) bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Dies gilt laut Bundesfinanzhof (BFH) selbst dann, wenn diese Informationen bereits aus der Steuererklärung ersichtlich waren. |
Das war geschehen
Eheleute hatten eine korrekte Steuererklärung abgegeben. Darin hatten sie auch ihre Renteneinkünfte zutreffend erklärt. Das Finanzamt erließ allerdings einen Einkommensteuerbescheid, in dem die Renteneinkünfte nicht erfasst waren. Später erhielt das Finanzamt auch auf elektronischem Wege durch eine Datenübermittlung des Rentenversicherungsträgers von der Höhe der Renteneinkünfte Kenntnis und änderte daraufhin den Einkommensteuerbescheid zulasten der Eheleute und setzte erstmals die Renteneinkünfte an.
Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen und der BFH haben diese Handhabung nun bestätigt.
Abweichende Regelungen in der „analogen Welt“
In der analogen Welt war die Änderung eines einmal ergangenen Steuerbescheids (sowohl zugunsten als auch zulasten des Steuerpflichtigen) nur möglich, wenn hierfür besondere Voraussetzungen erfüllt waren (z. B. ausdrücklicher Vorbehalt der Nachprüfung im Steuerbescheid oder nachträglich bekannt gewordene Tatsachen).
Beachten Sie | Diese Voraussetzungen waren im Streitfall nicht erfüllt, da das Finanzamt die Rente trotz voller Kenntnis des Sachverhalts im ursprünglichen Steuerbescheid außer Ansatz gelassen hatte.
Digitalisierung: Änderung des Steuerbescheids, wenn Daten nicht berücksichtigt waren
Im Zuge der Digitalisierung erhalten aber auch die Finanzämter immer mehr besteuerungsrelevante Daten auf elektronischem Weg. Daher hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 2017 § 175 b AO eingeführt. Danach kann ein Steuerbescheid geändert werden, soweit Daten an das Finanzamt übermittelt werden, die bisher nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Weitere (insbesondere einschränkende) Voraussetzungen enthält diese Norm nicht.
Beachten Sie | Eine auf § 175 b AO gestützte Änderung ist somit auch vorzunehmen, wenn dem Finanzamt oder dem Steuerpflichtigen zuvor ein Fehler unterlaufen ist. Dies hat sich im Streitfall zugunsten des Finanzamts ausgewirkt, würde aber umgekehrt ebenso zugunsten des Steuerpflichtigen gelten.
Quelle | BFH, Urteil vom 27.11.2024, X R 25/22
| Liegt Arbeitslohn vor, wenn ein Teil eines Veräußerungspreises für Gesellschaftsanteile dafür gezahlt wird, dass der (dann ehemalige) Gesellschafter für einen bestimmten Zeitraum noch als Geschäftsführer tätig wird? Mit dieser Frage muss sich der Bundesfinanzhof (BFH) befassen. Das Finanzgericht (FG) Köln hatte auf Arbeitslohn plädiert. |
Das war geschehen
Der Steuerpflichtige A war an einer GmbH beteiligt und zugleich deren Geschäftsführer. Im Streitjahr verkaufte A seine Anteile. In dem Kaufpreis war vertragsgemäß ein Teilbetrag für die Fortsetzung der Geschäftsführung über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren enthalten.
Teileinkünfteverfahren oder Arbeitslohn?
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass es sich bei dem Teilbetrag um eine Gegenleistung für die mehrjährige Geschäftsführertätigkeit des A handle und diese nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 19 i. V. mit § 34 Abs. 1 EStG) als Arbeitslohn der Besteuerung unterliege.
Der Verkäufer A wandte dagegen ein, dass der Teilbetrag im Rahmen der Ermittlung des Gewinns i. S. des § 17 EStG („Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften“ unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens) zu berücksichtigen sei.
Das FG sprach sich im Klageverfahren unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls für Arbeitslohn aus.
Das spricht für Arbeitslohn
Für die Annahme von Arbeitslohn spricht insbesondere, dass der Verkäufer A den auf die Geschäftsführertätigkeit entfallenden Anteil nur behalten darf, wenn er weiter als Geschäftsführer tätig ist. Das Fortbestehen des Geschäftsführerverhältnisses ist nach dem Kaufvertrag notwendige Voraussetzung für die Vorteilsgewährung.
Beachten Sie | Diese Verknüpfung wird nicht durch die Anteilsübertragung überlagert, denn die prägende Gegenleistung für den Streitbetrag ist die Arbeitsleistung und nicht die Anteilsübertragung.
Höchstrichterliche Entscheidung gefragt
Das FG Köln hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Denn, soweit ersichtlich, ist die Abgrenzung zwischen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit i. S. des § 19 EStG und solchen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften i. S. des § 17 EStG bisher nicht höchstrichterlich geklärt.
Da die Revision auch eingelegt wurde, hat der BFH nun Gelegenheit, für Klarheit zu sorgen.
Quelle | FG Köln, Urteil vom 4.12.2024, 12 K 1271/23
| Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Münster kann eine Ferienwohnung, die der Einkünfteerzielung dient, eine erste Tätigkeitsstätte bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung darstellen, wenn der Vermieter mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit für das Objekt dort verrichtet. |
Hintergrund: Suchen Vermieter in (un)regelmäßigen Abständen ihre Vermietungsobjekte auf, um z. B. Reparaturen vorzunehmen oder mit dem Mieter in Kontakt zu treten, stehen die dabei entstehenden Fahrtkosten mit den Mieteinkünften im Zusammenhang und lassen sich als Werbungskosten absetzen.
Grundsätzlich sind die Fahrtkosten dann nach Reisekostengrundsätzen zu ermitteln, sodass die tatsächlichen Kosten bzw. 0,30 Euro je Kilometer für die Hin- und die Rückfahrt anzusetzen sind.
In dem Streitfall ging es nun u. a. um die Frage, ob eine Ferienwohnung auch eine erste Tätigkeitsstätte darstellen kann – mit der Folge, dass lediglich die Entfernungspauschale (0,30 Euro pro Entfernungskilometer bzw. 0,38 Euro ab dem 21. Kilometer) abgezogen werden kann.
Das war geschehen
Eine aus Vater und Sohn bestehende GbR erzielte Einkünfteaus der Vermietung zweier Ferienwohnungen. Für das Jahr 2019 machte die GbR u. a. Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen im Zusammenhang mit Reparatur- und Reinigungsarbeiten an den Wohnungen als Werbungskosten geltend.
Das Finanzamt stellte bei der Prüfung der Unterlagen und Belege Ungereimtheiten fest und erkannte die Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen wegen privater Mitveranlassung nicht an. Die hiergegen gerichtete Klage war vor dem FG teilweise erfolgreich.
Das Gericht begründete seine Entscheidung u. a. wie folgt: Die Fahrtkosten sind mit der Entfernungspauschale und unter Abzug eines Privatanteils zu berücksichtigen. Die beiden Wohnungen sind jeweils als erste Tätigkeitsstätte anzusehen.
Hier keine Zuordnung durch Arbeitgeber, sondern quantitative Kriterien
Der Verweis im Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 3 EStG) auf die vorrangig für Arbeitnehmer geltenden Regelungen führt bei den Vermietungseinkünften dazu, dass jedenfalls dann eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt, wenn der Steuerpflichtige mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit für das Mietobjekt dort selbst verrichtet. Maßgeblich sind in erster Linie quantitative Kriterien, da – anders als bei Arbeitnehmern – eine Zuordnung durch einen Arbeitgeber nicht in Betracht kommt.
Private Veranlassungsanteile
Da die Ferienwohnungen im Wesentlichen durch Dritte verwaltet wurden, während die Gesellschafter die Reparaturarbeiten selbst durchführten, ist die quantitative Grenze von einem Drittel im Streitfall deutlich überschritten. Für jede einzelne Reise hat das Gericht eine Aufteilung der Fahrtkosten vorgenommen und die privaten Veranlassungsanteile nicht als Werbungskosten anerkannt.
Die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen wären bestenfalls innerhalb der ersten drei Monate anzuerkennen. Im Streitfall war die Dreimonatsfrist aber bereits abgelaufen.
Beachten Sie | DasFG Münster hatte die Revision zugelassen, weil bis dato keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 9 Abs. 3 EStG vorliegt und hierzu im Streitfall entscheidungserhebliche Fragen grundsätzlich klärungsbedürftig sind. Da die Revision aber nicht eingelegt wurde, muss man vorerst weiter auf eine höchstrichterliche Entscheidung warten.
Allerdings zeigt der Streitfall, dass eine gute Beweisvorsorge unerlässlich ist. Das gilt nicht nur für die Anzahl der Fahrten,s ondern auch für den mit der Vermietung zusammenhängenden Hintergrund der Fahrten und der möglichst fehlenden privaten Mitveranlassung. Zudem wird deutlich, dass bei sehr vielen Fahrten zum Mietobjekt die Gefahr besteht, dass das Finanzamt nur die Entfernungspauschale gewährt.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 15.5.2025, 12 K 1916/21 F
| Eine Frau parkte in der Tiefgarage ihres Arbeitgebers. Beim Ausparken stieß sie mit der Beifahrertür ihres BMW versehentlich gegen einen rechteckigen, ca. kniehohen Sockel einer Säule. Der Sockel befand sich unterhalb der Sichtachse und war nicht gekennzeichnet oder markiert. Sie verlangte Schadenersatz. Ihre Klage wies das Amtsgericht (AG) München ab. |
Das verlangte die Klägerin
Die Klägerin behauptet, durch den Unfall sei ein Schaden an der Beifahrertür von über 3.200 Euro netto entstanden. Der Sockel sei bei Umbaumaßnahmen im Zeitraum 2019 bis 2022 errichtet worden. Die Klägerin habe erfahren, dass es mehrere Unfälle an dem Betonsockel gegeben habe. Sie verklagte daraufhin das Bauunternehmen, das die Verkehrssicherungspflicht für die von ihm durchgeführten Arbeiten übernommen hatte.
Die beklagte Baufirma gab an, der Sockel stünde dort bereits seit 50 Jahren. Sie bezweifelte, dass der Schaden vollständig auf einen Kontakt mit dem Sockel zurückzuführen sei.
So urteilte das Amtsgericht
Das AG wies die Klage ab. Begründung: Das Bauunternehmen habe bereits keine sog. Verkehrssicherungspflicht verletzt. Der Betonsockel stellte schon keine besondere Gefahrenquelle für Fahrzeuge in einer Parkgarage dar. Dabei sei zu berücksichtigen, dass jeder Kraftfahrer in einer Parkgarage ohnehin nur so schnell fahren darf, dass er im Hinblick auf die ständig zu erwartenden Ein- und Ausparkvorgänge, aber auch wegen des dort herrschenden Fußgängerverkehrs jederzeit anhalten kann. Beim Ein- und Ausparkvorgang sei es daher jederzeit möglich, anzuhalten, auszusteigen und sich zu vergewissern, wie breit die Fahrbahn oder der Parkplatz an dieser Stelle ist.
Dies gelte insbesondere hinsichtlich des streitgegenständlichen Betonsockels, der von allen Seiten gut sichtbar sei, da er breiter sei als die dahinterstehende Säule. Ein kniehoher Betonsockel sei auch kein überraschendes Hindernis für Parkgaragennutzer, da enge Parkbuchten in einer älteren Parkgarage durchaus üblich seien.
Altschäden auf Fahrfehler zurückzuführen
Selbst, wenn man unterstelle, dass mehrere Fahrer mit ihren Fahrzeugen den Betonsockel in der Vergangenheit gestreift haben sollen, was angesichts eines vorgelegten Fotos und den darauf sichtbaren Lackspuren durchaus plausibel erscheine, sei eine Gefahr, dass Rechtsgüter Dritter durch den statischen Betonsockel verletzte werden, für das Bauunternehmen nicht erkennbar gewesen. Dieses habe als sog. Verkehrssicherungspflichtige darauf vertrauen dürfen, dass die Parkgaragennutzer den gut sichtbaren Betonsockel erkennen und, sofern ihr Fahrzeug zu breit für den Parkplatz sei, eine andere noch freie Parkbucht ohne einen Betonsockel nutzen. Beschädigungen des Sockels durfte das Bauunternehmen daher auf Fahrfehler zurückführen.
Mitverschulden der Autofahrerin
Selbst, wenn man eine Verkehrssicherungspflicht annehmen würde, träfe die Frau ein Mitverschulden, das eine Haftung des Bauunternehmens vollständig entfallen ließe. Die Klägerin nutzte die Parkgarage ihres Arbeitgebers bereits fast zwei Monate nach den Umbaumaßnahmen. Ihr waren sowohl der Zustand der Parkgarage als auch ihre baulichen Merkmale aufgrund der längeren Nutzung bekannt oder sie hätten ihr bekannt sein müssen.
Quelle | AG München, Urteil vom 9.8.2024, 231 C 13838/24. PM 13/25
| Der im Land Berlin eingeführte Probeunterricht zur Eignungsfeststellung für das Gymnasium ab dem Schuljahr 2025/2026 bei Schülern, die nach der Förderprognose den erforderlichen Notendurchschnitt verfehlt haben, ist nicht zu beanstanden. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in mehreren Eilverfahren entschieden. |
Schulgesetz geändert
Im August 2024 änderte das Land Berlin die Regelungen des Schulgesetzes für die Aufnahme in das Gymnasium zur 7. Jahrgangsstufe. Nach der Neuregelung können die Erziehungsberechtigten ein Kind mit einem Notenschnitt zwischen 2,3 und 2,7 nur an einem Gymnasium anmelden, wenn die Eignung für den Besuch des Gymnasiums durch die Teilnahme an einem Probeunterricht nachgewiesen wird.
Die Antragsteller sind Schüler, die bei diesem Probeunterricht weniger als die geforderten mindestens 75 Prozent der erreichbaren Bewertungseinheiten erzielten. Im gerichtlichen Eilverfahren begehren sie dennoch die vorläufige Feststellung ihrer Eignung für das Gymnasium, weil sie die Einführung des Probeunterrichts für rechtswidrig halten.
Verwaltungsgericht: Probeunterricht nicht zu beanstanden
Das VG hat die Eilanträge zurückgewiesen. Die Ausgestaltung des Probeunterrichts und die jeweils konkreten Bewertungen seien rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar betreffe der Probeunterricht auch Kinder, die bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits in der 5. Klasse der Grundschule gewesen seien. Das sei aber verhältnismäßig, weil die legitimen Interessen des Gesetzgebers, insbesondere auch an einer zügigen neuen Aufnahmeregelung für Gymnasien, das Interesse der Betroffenen am Erhalt der bestehenden Regeln überwögen: Der Probeunterricht ermögliche eine prognostische, an allgemeingültigen Maßstäben ausgerichtete und zugleich auf den Einzelfall bezogene pädagogische Beurteilung, ob die Eignung für das Gymnasium vorliege. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des Probeunterrichts auf den Umstand reagiert, dass in der Vergangenheit durchschnittlich sieben Prozent das (mit der Neuregelung abgeschaffte) Probejahr am Gymnasium nicht bestanden hätten, im Schuljahr 2022/23 von den Schülerinnen und Schüler ohne Gymnasialempfehlung sogar 34 Prozent.
Der Probeunterricht trage den begrenzten Kapazitäten der Gymnasien und Lehrressourcen Rechnung, vermeide eine absehbare Überforderung der betroffenen Schülerinnen und Schüler und wirke durch rechtzeitige Prognose einem unnötigen Hin und Her entgegen. Die Aufgaben des Probeunterrichts seien anhand der Vorgaben des gemeinsamen Rahmenlehrplans für Berlin und Brandenburg entwickelt worden. Verbindliche Angaben der Schulaufsichtsbehörde zur Punkteverteilung im Erwartungshorizont hätten eine einheitliche Bewertung sichergestellt. Schließlich habe die zeitliche Ausgestaltung des Probeunterrichts mit ausreichenden Pausen zwischen den drei 45-minütigen Prüfungsteilen die besondere Prüfungssituation der Kinder berücksichtigt.
Quelle | VG Berlin, Beschlüsse vom 9.4.2025, VG 3 L 77/25 u. a., PM 25/25
| Die Universität Duisburg-Essen hat einer Studentin zu Recht diejenigen „Prüfungsleistungen“ aberkannt, die in dem System der Universität als bestanden ausgewiesen waren, weil die Studentin für diese Eintragung einer ehemaligen Mitarbeiterin des Prüfungsamts der Universität Geld gezahlt hatte. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen entschieden. |
Nicht zur Prüfung erschienen – Geldzahlungen an ehemalige Mitarbeiterin
Die Studentin war zu fünf Prüfungsterminen ihres Studiengangs Bachelor Wirtschaftswissenschaft, Katholische Religion und Bildungswissenschaften mit der Lehramtsoption Berufskolleg nicht erschienen. Dies war in den internen Notenlisten der Prüfer vermerkt. Eine ehemalige Mitarbeiterin des Prüfungsamts der Universität vermerkte gegen Geldzahlung in dem System der Universität, die Studentin habe die Prüfungen bestanden und trug dazu Noten ein. Im Masterstudiengang wiederholte sich dies bei vier Prüfungen. Der Prüfungsausschuss der Fakultät Wirtschaftswissenschaften beschloss, die Prüfungsleistungen jeweils als nicht bestanden (Note 5,0) zu bewerten, die von der Fakultät Bildungswissenschaften verliehenen Universitätsabschlüsse (Bachelor und Master) abzuerkennen, und forderte die Abschlusszeugnisse zurück.
Klagen gegen Aufhebung der Prüfungsleistungen
Die Klage gegen die Aufhebung der Prüfungsleistungen und ihre Bewertung als nicht bestanden hat das VG abgewiesen. Die Studentin hat die Prüfungsleistungen nicht bestanden, weil sie nicht an den Prüfungen teilgenommen hat. Die Aberkennung der Abschlüsse und die damit zusammenhängenden Anordnungen hob die Universität in der mündlichen Verhandlung auf, weil hierüber der unzuständige Prüfungsausschuss entschieden hatte. Zuständig ist der Prüfungsausschuss für Bildungswissenschaften, der die Abschlüsse verliehen hat.
Eine weitere Klage einer anderen Studentin im Studiengang Bachelor für das Lehramt Berufskolleg gegen die Bewertung von vier Prüfungsleistungen als nicht bestanden (Note 5,0) durch den Prüfungsausschuss hat das VG ebenfalls abgewiesen. Die Studentin hatte eine Prüfung nicht bestanden und war zu drei weiteren nicht erschienen. Gegen Geldzahlung an eine ehemalige Mitarbeiterin des Prüfungsamts wurden diese Prüfungen als bestanden in das System der Universität eingetragen.
Quelle | VG Gelsenkirchen, Urteile vom 28.4.2025, 4 K 1226/22 und 4 K 1227/22, PM vom 29.4.2025
| Ein Jäger, der im betrunkenen Zustand seine Jagdwaffe im Pkw transportiert, besitzt nicht die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit zur (Wieder-)Erteilung eines Jagdscheins – unabhängig davon, ob die mitgeführte Waffe geladen war oder nicht. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Münster entschieden. |
Jäger verursachte hohen Schaden
Der Jäger aus dem Kreis Coesfeld war im Jahr 2020 in Rheinland-Pfalz auf dem Rückweg von einer Jagdveranstaltung und transportierte seine Langwaffe im Fahrzeug. Dabei kam er von der Fahrbahn ab, fuhr zwei Verkehrsschilder um und in eine Hauswand. Es entstand ein Fremdschaden in Höhe von etwa 50.000 Euro. Ein Atemalkoholtest nach dem Unfall ergab einen Wert von 1,69 Promille, zwei Blutentnahmen Werte von 1,48 und 1,39 Promille. Nach dem Unfall nahm der Kläger seine in einem Futteral befindliche Langwaffe aus dem Fahrzeug und stellte sie in ein nahes Wartehäuschen, wo sie von der Polizei sichergestellt wurde.
Antrag auf erneutes Ausstellen eines Jagdscheins
Es kam zu einem Strafverfahren. Zudem wurde die Waffenbesitzkarte des Mannes widerrufen, sodass er seine Schusswaffen abgeben musste. In der Zwischenzeit lief die Gültigkeit seines Jagdscheins aus. Im Jahr 2022 beantragte der Kläger dann die erneute Ausstellung eines Jagdscheins, blieb damit bei der Behörde jedoch ohne Erfolg.
Die Klage hiergegen wies das Gericht nun ab, denn der Kläger sei waffenrechtlich unzuverlässig. Es rechtfertigten Tatsachen die Annahme, dass er mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehe oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werde. Bei der zu treffenden Prognose genüge es, wenn bei Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen bestehe. Im Bereich des Waffenrechts müsse kein Restrisiko hingenommen werden. Ob, wie zuletzt zwischen den Beteiligten streitig, die Waffe im Auto des Klägers bei der Trunkenheitsfahrt geladen war, und ob er sie nach dem Unfall genügend beaufsichtigt hat, könne offenbleiben. Genügende Anhaltspunkte für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang des Klägers mit Waffen ergäben sich bereits daraus, dass er seine Jagdwaffe bei einer Autofahrt mitgeführt hat, obwohl er eine Atemalkoholkonzentration von 1,69 Promille bzw. eine Blutalkoholkonzentration von 1,48 Promille aufwies und sich damit in einem Zustand befand, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können und vorliegend – in Form der zu dem Verkehrsunfall mit erheblichem Sachschaden führenden Unaufmerksamkeit – auch aufgetreten sind.
Als Waffenbesitzer unzuverlässig
Die Blutalkoholkonzentration übersteige den Grenzwert absoluter Fahruntüchtigkeit von Kraftfahrern (1,1 Promille). Mit einer Schusswaffe gehe nicht vorsichtig und sachgemäß um, wer diese in einem Zustand gebrauche, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können – unabhängig davon, ob solche auch tatsächlich aufträten. Das gelte auch für das Mitführen einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe bei einer Autofahrt in alkoholisiertem Zustand, das waffenrechtlich als „Führen der Schusswaffe“ einzuordnen sei.
Es bestehe zum einen die Gefahr, dass der Waffenbesitzer in einer Konfliktsituation mit anderen Verkehrsteilnehmern aufgrund alkoholbedingter Ausfallerscheinungen inadäquat reagieren und zur Konfliktlösung auf die von ihm mitgeführte Schusswaffe zurückgreifen könnte. Zum anderen bestehe beim Transport einer Schusswaffe im Straßenverkehr bei alkoholbedingten Ausfallerscheinungen des Waffenbesitzers die reale Möglichkeit des Abhandenkommens der Schusswaffe. Jedenfalls dann, wenn es – wie hier – zu einem Unfall kommt, bestehe das Risiko, dass der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, den Zugriff Dritter auf die Waffe auszuschließen. Dass der Kläger zwischenzeitlich seinen Führerschein wiedererlangt habe, ändere an dem Ergebnis nichts.
Quelle | VG Münster, Urteil vom 1.4.2025, 1 K 2756/22, PM vom 7.4.2025
| Die Ordnungsmaßnahme einer Gesamtschule im Rhein-Kreis-Neuss, einen Zehntklässler mit sofortiger Wirkung von der Schule zu entlassen, weil dieser mit weiteren Jugendlichen einen Obdachlosen angegriffen und auf den am Boden liegenden Mann eingetreten und -geschlagen hat, ist rechtmäßig. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf entschieden und den gegen die Schulentlassung gerichteten Eilantrag des Schülers abgelehnt. |
Schweres Fehlverhalten
Das VG: Die Voraussetzungen der Entlassung von der Schule liegen vor, da der Schüler durch schweres Fehlverhalten die Rechte des Obdachlosen ernstlich verletzt und hierdurch zugleich die Erfüllung der Aufgaben der Schule ernstlich gefährdet hat. Es ist unstreitig, dass der Schüler mit massiver, nahezu hemmungsloser Aggression mindestens achtmal auf den am Boden liegenden Obdachlosen (teils mit Anlauf) eingetreten und (teils mit voller Wucht) mit der Faust gegen dessen Körper und Kopf geschlagen hat, obgleich von dem Mann zu diesem Zeitpunkt erkennbar keinerlei Gefahr ausging und dieser sich – im Gegenteil – die Hände schützend vor seinen Kopf hielt.
Schulfrieden massiv beeinträchtigt
Zugleich hat der Schüler durch dieses Verhalten seine Pflicht verletzt, an der Erfüllung der Aufgaben der Schule mitzuarbeiten. Der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule hat keine festen räumlichen Grenzen. Vielmehr kommt es darauf an, ob das Fehlverhalten – wie hier – störend in den Schulbetrieb hineinwirkt. Dadurch, dass der Schüler während der Schulzeit in der Mittagspause zwischen zwei Unterrichtseinheiten in unmittelbarer Nähe des Schulgeländes den Obdachlosen gemeinsam mit weiteren Jugendlichen angegriffen hat, waren in den darauffolgenden Tagen der Schulfrieden und der Unterricht der Schule massiv beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund handelt es sich nicht um ein bloßes „außerschulisches Fehlverhalten“ des Schülers, sondern wurde der Konflikt in die Schule hineingetragen, da dieses ohne jeden Zweifel erheblich in das Unterrichtsgeschehen der nachfolgenden Tage hineingewirkt hat.
Keine vorherige Androhung erforderlich
Die Entlassung von der Schule ist angesichts des objektiven Schweregrades der Pflichtverletzung und der zeitnah bevorstehenden Zentralen Prüfungen zur Erlangung des Mittleren Schulabschlusses nach Ansicht des VG auch ohne vorherige Androhung der Entlassung von der Schule verhältnismäßig. Die Entlassung des Schülers von der Schule stellt angesichts der besonderen Schwere der Pflichtverletzung das einzig sichere Mittel dar, um weiteres Fehlverhalten des Schülers auszuschließen und den Schulfrieden der Schule wiederherzustellen.
Schüler war bereits vorher auffällig
Bei der Abwägung war insoweit zu berücksichtigen, dass der Schüler bereits im August 2023 einem Mitschüler einen Faustschlag in das Gesicht versetzt hatte, der Antragsteller seine Impulse in Ausnahme- oder Stresssituationen mithin nicht jederzeit unter Kontrolle hat, sondern zu gewalttätigen Reaktionen neigt, und dass zudem die seinerzeit ergriffene Ordnungsmaßnahme offenbar auch nicht die gewünschte nachhaltige positive Verhaltensänderung bei dem Schüler bewirkt hat. Zudem war zu berücksichtigen, dass der Schüler mit Blick auf die am 27.5.2025 beginnenden Zentralen Prüfungen am Ende der Klasse 10 nur noch kurze Zeit den Unterricht besucht.
Angesichts dessen erweisen sich andere, im Verhältnis zur Entlassung von der Schule mildere Ordnungsmaßnahmen – etwa die Überweisung in eine Parallelklasse oder die Androhung der Entlassung von der Schule – ersichtlich als zur Zweckerreichung nicht gleichermaßen geeignet. Denn sowohl die Androhung der Entlassung als auch die Überweisung in eine Parallelklasse können aus Sicht der Kammer bei lebensnaher Betrachtung im Hinblick auf die nur noch verbleibenden wenigen Unterrichtstage erkennbar keinen nennenswerten erzieherischen Einfluss auf den Schüler entfalten.
Quelle | VG Düsseldorf, Beschluss vom 4.4.2025, 18 L 1171/25, PM vom 4.4.2025
| Was dürfen Eigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft beim Thema Gestaltung ihrer Wohnung und was nicht? Diese Frage beschäftigt Gerichte immer wieder – so auch das Amtsgericht (AG) München in einem aktuellen Fall. |
Das beabsichtigten die Eigentümer
Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung in einem neunstöckigen Wohnkomplex. Die Balkone des Gebäudes sind mit einer Loggia ausgestattet. Die Eigentümer der Wohnung planten, zusätzlich zur bereits bestehenden Balkontür, in einem anderen Zimmer der Wohnung ein vorhandenes Fenster zur Balkontür umbauen zu lassen. Hierfür beantragten sie die Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Eigentümergemeinschaft verweigerte die Zustimmung
Diese verweigerte jedoch die Zustimmung aufgrund von Bedenken im Zusammenhang mit der konstruktiven Stabilität, der Gefahr von Kälte- und Wassereintritt und der Sorge, dass die Versetzung eines aktuell vor dem Fenster befindlichen Heizkörpers Auswirkungen auf das Heizungssystem des Gebäudes habe.
Klage vor dem Amtsgericht
Da die Eigentümer sich im Recht wähnten, verklagten sie die Eigentümergemeinschaft vor dem AG auf Zustimmung. Dieses gab den Klägern Recht. Es ersetzte die grundsätzliche Zustimmung zum geplanten Umbau und legte der Eigentümergemeinschaft auf, die Modalitäten und Einzelheiten in der Eigentümerversammlung zu beschließen.
Das AG sagt: Der Umbau eines Fensters stelle jedenfalls hinsichtlich des Mauerdurchbruchs durch die Außenwand eine auf Dauer angelegte gegenständliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums dar, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehe und damit eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums darstelle.
Das Wohnungseigentumsgesetz (hier: § 20 Abs. 3 WEG) begründe einen Anspruch auf Gestattung einer baulichen Veränderung, durch die kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt werde. Eine Beeinträchtigung sei rechtlich nicht relevant, wenn sie nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehe oder die über dieses Maß hinaus beeinträchtigten Wohnungseigentümer einverstanden seien.
Soweit nicht auszuschließen sein soll, dass durch den Einbau eines neuen Heizkörpers Nachteile für das übrige Heizungssystem entstehen könnten, mache die Beklagte keine konkrete und objektive Beeinträchtigung geltend, durch die ein Wohnungseigentümer sich beeinträchtigt fühlen könne.Vielmehr handele es sich hier um ein nicht zu berücksichtigendes hypothetisches Risiko. Auch dass sich der Wandausschnitt, der durch den Einbau einer Terrassentür vergrößert würde, in der Außenmauer des Gebäudes befinde, und damit Gemeinschaftseigentum verändert würde, stelle für sich genommen keine erhebliche Beeinträchtigung dar.
Vorliegend sei nicht ersichtlich, in welcher Weise die in Rede stehende Maßnahme andere Eigentümer konkret beeinträchtigen würde. Soweit die Beklagte geltend mache, es bestünden nicht auszuschließende Folgen für die Abgeschlossenheit der Wohnung sowie die statische Sicherheit, handele es sich wiederum um rein theoretische Bedenken, denen durch entsprechende Auflagen, wie dem Verlangen nach fachkundiger Planung und ggf. statischer Berechnung durch ein Fachunternehmen nach den Regeln der Baukunst, Rechnung getragen werden könne.
Soweit die Beklagte weiter geltend mache, durch eine Veränderung in der Außenhülle des Gebäudes bestehe die Gefahr von Kälte- oder Wassereintritt, sei nicht ersichtlich, inwiefern dies andere Wohnungseigentümer als die Kläger beeinträchtigen sollte. Zudem handele es sich im Hinblick darauf, dass der von dem Mauerdurchbruch betroffenen Wand die Loggia vorgelagert sei, um theoretische Befürchtungen und nicht um konkrete und objektive Beeinträchtigungen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 27.5.2025, 1293 C 26254/24, PM 27/25
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Bei Fehlen eines schriftlichen Energieversorgungsvertrags richtet sich das Leistungsangebot eines Strom- und Gasversorgungsunternehmens an den Vermieter (Eigentümer) – und nicht, wie sonst regelmäßig der Fall, an den Mieter. Dies gilt im Fall einer Wohnung, wenn die einzelnen Zimmer durch separate Mietverträge vermietet sind und diese lediglich über einen Zähler für Strom und Gas verfügt. |
Das war geschehen
Die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, nahm die beklagte Vermieterin auf Zahlung von Entgelt für die Belieferung mit Strom und Gas im Rahmen der Grundversorgung in Anspruch. Die Zimmer der Wohnung waren einzeln mit gesonderten Mietverträgen über unterschiedliche Laufzeiten vermietet, wobei sämtlichen Mietern das Recht zur Nutzung der Gemeinschaftsräume, wie Küche und Bad, eingeräumt wurde. Nur die Wohnung, nicht hingegen die einzelnen Zimmer, verfügte über einen Zähler für Strom und Gas und wurde von der Klägerin mit Strom und Gas beliefert. Ein schriftlicher Energieversorgungsvertrag bestand nicht. Die Parteien stritten, ob ein durch die Entnahme von Strom und Gas konkludent zustande gekommener Versorgungsvertrag mit der Vermieterin (Eigentümerin) oder mit den Mietern besteht.
Die auf Zahlung der Versorgungsentgelte für einen Zeitraum von fünf Jahren gerichtete Klage hat das Amtsgericht (AG) abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht (LG) das erstinstanzliche Urteil geändert und der Klage stattgegeben. Die Beklagte begehrte beim BGH daher, das klageabweisende erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Das Berufungsgericht, so der BGH, hat zu Recht angenommen, dass unter den hier gegebenen Umständen ein Versorgungsvertrag mit der beklagten Vermieterin der Wohnung besteht. Entgegen der Ansicht der Revision war das in der Bereitstellung von Strom und Gas liegende (konkludente) Angebot der Klägerin weder an die Mieter der einzelnen Zimmer noch an die Gesamtheit der Mieter gerichtet.
Zwar haben allein die Mieter Einfluss auf den Strom- und Gasverbrauch in der Wohnung. Jedoch lässt sich dieser Verbrauch – mangels separater Zähler – nicht den einzelnen vermieteten Zimmern zuordnen. Zudem haben die einzelnen Mieter bei objektiver Betrachtung typischerweise kein Interesse daran, auch für die Verbräuche der anderen Mieter einzustehen. Der Umstand, dass sich das konkludente Angebot des Energieversorgungsunternehmens daher an die Vermieterin richtete, ist Folge des von ihr gewählten besonderen Vermietungskonzepts.
Quelle | BGH, Beschluss vom 15.4.2025, VIII ZR 300/23, PM 79/25
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Eine Zuwendung von Todes wegen zugunsten des Hausarztes des Erblassers ist nicht unwirksam, weil sie gegen ein den Hausarzt treffendes berufsständisches Zuwendungsverbot verstößt. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Hausarztes, der den Erblasser seit 2015 behandelt hatte. Im Januar 2016 schloss der Erblasser mit dem Hausarzt sowie der ihn pflegenden Beklagten und deren Tochter vor einem Notar eine als „Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag“ bezeichnete Vereinbarung. In dieser verpflichtete sich der Hausarzt gegenüber dem Erblasser zu verschiedenen ärztlichen Leistungen, unter anderem zu medizinischer Beratung und Behandlung, zu Hausbesuchen und telefonischer Erreichbarkeit sowie zu Betreuungsleistungen im häuslichen Bereich. Als Gegenleistung sollte der Arzt im Falle des Todes des Erblassers das Eigentum an einem dem Erblasser gehörenden Grundstück erhalten. Im März 2016 verfügte der Erblasser in einem notariellen Testament, dass ihn die Beklagte hinsichtlich seines im Vertrag vom Januar 2016 nicht erfassten Vermögens allein beerben solle.
Im Januar 2018 verstarb der Erblasser. Die Pflegerin (Beklagte) nahm seinen Nachlass in Besitz. Im Dezember 2019 wurde über das Vermögen des Hausarztes das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger hat als Insolvenzverwalter die Beklagte auf Übertragung des dem Arzt in der Vereinbarung vom Januar 2016 zugewandten Grundstücks an die Insolvenzmasse in Anspruch genommen.
So sah es der Bundesgerichtshof
Die Zuwendung des Grundstücks an den Hausarzt im Wege des Vermächtnisses ist wirksam. Selbst, wenn der Arzt gegen seine Berufsordnung verstoßen hätte, indem er die Zuwendung annahm, führt dies nicht zur Unwirksamkeit des Vermächtnisses.
Die Berufsordnung für Ärzte (hier: § 32 Abs. 1 S. 1 BO-Ä) regelt als berufsständische Vorschrift das Verhältnis zwischen dem Arzt und der für ihn zuständigen Landesärztekammer. Die Vorschrift verbietet deshalb nur ein Verhalten des Arztes, dem es nicht gestattet ist, Geschenke oder andere Vorteile zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen. Nicht geschützt von diesem Verbot wird hingegen der zuwendende Patient oder die Erwartung seiner Angehörigen, diesen zu beerben. Die Vorschrift zielt darauf ab, die Unabhängigkeit des behandelnden Arztes sowie das Ansehen und die Integrität der Ärzteschaft zu sichern. Dies kann durch berufsrechtliche Sanktionen vonseiten der Ärztekammer ausreichend sichergestellt werden.
Patient hatte Testierfreiheit
Auch die Testierfreiheit des Patienten verbietet es, ein zugunsten des behandelnden Arztes angeordnetes Vermächtnis wegen Verstoßes gegen eine Berufsordnung für unwirksam zu halten. Für eine Beschränkung der Testierfreiheit des Patienten fehlt schon eine ausreichende gesetzliche Grundlage.
Berufungsgericht muss erneut prüfen
Der Senat hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben. Er hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das den Parteien noch Gelegenheit geben muss, zu einem von ihm bislang nicht geprüften Verstoß der Vereinbarung des Vermächtnisses in dem Erbvertrag gegen die guten Sitten vorzutragen.
Quelle | BGH, Urteil vom 2.7.2025, IV ZR 93/24, PM 122/25
| Verkauft eine Kommanditgesellschaft ein Grundstück an eine andere Kommanditgesellschaft, ist dies auch dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB in Verbindung mit § 463 BGB), wenn es sich auf Verkäufer- und Käuferseite jeweils um Einpersonen-GmbH & Co. KGs mit demselben alleinigen Anteilsinhaber handelt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in zwei Parallelverfahren entschieden. |
Das war geschehen
Die Klägerinnen, verschiedene GmbH & Co. KGs, wenden sich gegen die Ausübung von Vorkaufsrechten nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB. Mit notariellen Kaufverträgen von Mai 2021 veräußerten sie Grundstücke an zuvor neu gegründete GmbH & Co. KGs, hinter denen jeweils dieselbe natürliche Person steht, wie auf Verkäuferseite.
Mit Bescheiden von Juli 2021 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht aus, in einem Fall zugunsten der beigeladenen stadteigenen Entwicklungsgesellschaft. Im anderen Verfahren gab die Erstkäuferin (Klägerin zu 2) eine Abwendungserklärung ab.
Klagen zunächst erfolgreich
Die Klagen waren erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht (VG) habe zu Recht angenommen, dass es an dem für ein Vorkaufsrecht erforderlichen Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 463 BGB fehle. Der Begriff des Dritten müsse einschränkend ausgelegt werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei hier nur eine Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre derselben natürlichen Personen erfolgt.
So sah es das Bundesverwaltungsgericht
Das BVerwG hat die angefochtenen Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Die Grundstückskaufverträge sind Verträge mit einem Dritten.
Gesellschaftsrechtlich sind die Kommanditgesellschaften auf Verkäufer- und Käuferseite trotz des Umstands, dass hinter ihnen jeweils dieselbe natürliche Person steht, selbstständige Rechtsträger. Eine wirtschaftliche Betrachtung auf Gesellschafterebene ist weder nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts noch verfassungsrechtlich geboten. Die Klägerinnen haben sich aus eigenem Entschluss für diese Form der Grundstücksübertragung entschieden.
Das BVerwG konnte mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Vorkaufsrechte im Übrigen rechtmäßig ausgeübt wurden. Das erfordert die Zurückverweisung an die Vorinstanz.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 17.6.2025, 4 C 4.24, PM 46/25
| In Architekten- und Ingenieurkammern, in denen die Fortbildung eine Berufspflicht ist und kontrolliert wird, kann das Nichtvorweisen entsprechender Fortbildungspunkte zum Ausschluss aus der jeweiligen Kammer führen. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen klargestellt. |
Fortbildungspflicht nicht erfüllt – zunächst Verweis und Geldbuße
Ein Mitglied der Ingenieurkammer-Bau NRW hatte in einem Jahr seine Fortbildungspflicht nicht erfüllt. Er hatte deshalb einen Verweis erhalten und musste eine Geldbuße zahlen.
Erneuter Pflichtverstoß: Kammerausschluss
Drei und sechs Jahr später geschah das Gleiche. Weil der Ingenieur auch bei der nächsten Stichprobe erneut keine Teilnahmebescheinigungen für anerkannte Fortbildungsveranstaltungen vorlegen konnte, schloss ihn das Berufsgericht aus der Kammer aus.
Oberverwaltungsgericht bestätigt Kammerausschluss
Die Klage dagegen wies das OVG ab. Der Ausschluss sei die angemessene berufsgerichtliche Maßnahme, auch wenn es sich um die schärfste berufsgerichtliche Sanktion handele. Die nochmalige Festsetzung einer Geldbuße als mildere Maßnahme komme nicht in Betracht.
Quelle | OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.8.2025, 39 A 834/24
| Lange war es ruhig um das sog. Kopplungsverbot. Jetzt hat das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg einen solchen Fall entschieden. Dieses stellt klar: Tritt ein Architekt wie ein Bauträger auf, findet das Kopplungsverbot Anwendung. Der Vertrag ist – wie hier entschieden – nichtig. |
Das besagt das Kopplungsverbot
Das Kopplungsverbot im Architektenrecht verbietet es, den Erwerb eines Grundstücks mit der Pflicht zu verbinden, einen bestimmten Architekten oder Ingenieur damit zu beauftragen, ein Bauwerk zu planen oder auszuführen. So soll der freie Wettbewerb unter Architekten geschützt werden. Außerdem soll so verhindert werden, dass sich Einzelne durch die Verknüpfung von Grundstückserwerb und Architektenleistung eine monopolartige Stellung verschaffen.
Bauherren werden geschützt
Das Verbot richtet sich gegen jede mit dem Erwerb eines Grundstücks zusammenhängende Bindung, die den Wettbewerb von Ingenieuren und Architekten beeinträchtigt. Die Vorschrift soll der Gefahr entgegenwirken, dass ein Architekt oder Ingenieur sich bei knapp gewordenem Baugrund dadurch Wettbewerbsvorteile verschafft, dass er ein Grundstück an der Hand hat.
Geschützt wird die Entschließungsfreiheit des Bauherrn, durch den Kauf eines Grundstücks, auf dem gebaut werden soll, nicht an einen bestimmten Architekten oder Ingenieur gebunden zu sein.
Quelle | OLG Nürnberg, Beschluss vom 8.5.2025, 6 U 1787/24
| Diese Frage musste das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf klären. Es neigte dazu, sie negativ zu beantworten. Die Parteien haben sich daraufhin entsprechend einem Vorschlag des Gerichts verglichen. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist seit 2013 in Vollzeit und im Schichtdienst an fünf Tagen in der Woche als Spielhallenaufsicht bei der Beklagten beschäftigt. Diese betreibt Spielhallen mit üblichem Publikumsverkehr und bietet dort u. a. Getränke an. Ausweislich der arbeitsvertraglich vereinbarten Stellenbeschreibung sind Haustiere in der Spielhalle verboten.
Im Jahr 2019 schloss die Klägerin mit der Hundehilfe Deutschland e.V. einen Tierüberlassungsschutzvertrag. Nachdem zunächst auch der Vater der Klägerin auf die Hündin aufgepasst hatte, brachte sie das Tier jedenfalls nach dem Ende der Corona-Lockdowns regelmäßig mit zur Arbeit. Verschiedene wechselnde Vorgesetzte erhoben zunächst keine Einwände. Ihr aktueller Vorgesetzter teilte ihr mit, dass der Geschäftsführer das Mitbringen der Hündin an den Arbeitsplatz nicht dulden werde bzw. – so die Klägerin – würde. Der Geschäftsführer der Beklagten bat die Klägerin dann schriftlich unter Bezugnahme auf die Stellenbeschreibung, es künftig zu unterlassen, die Hündin mit zur Arbeit zu bringen.
So sah es das Landesarbeitsgericht
Mit ihrer einstweiligen Verfügung hat die Klägerin begehrt, der Beklagten aufzugeben, die Mitnahme der Hündin während ihrer Arbeitszeiten in die Spielhalle bis zur erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache zu dulden. Die Kammer hat dann in der mündlichen Verhandlung im Rechtsgespräch mitgeteilt, dass sie davon ausgehe, dass das vertragliche Verbot weiterbestehen dürfte.
Die bloße Nichtdurchsetzung eines Verbots führe nicht zu dessen Aufhebung. Es spreche viel dafür, dass die Arbeitgeberin berechtigt sei, dies durchzusetzen, weil Kunden die Spielhalle z. B. aufgrund einer Tierhaarallergie oder Angst vor Hunden ggf. erst gar nicht aufsuchten. In der Verhandlung hat die Arbeitgeberin zudem angeführt, dass Beschäftigte in anderen von ihr betriebenen Spielhallen begännen, sich auf die von der Klägerin gelebte Praxis zu berufen.
Vergleich geschlossen
Das LAG hat dann mitgeteilt, dass die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Düsseldorf, das den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen hatte, wenig Aussicht auf Erfolg habe. Um die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und eine Gewöhnung der Hündin an andere Betreuungsmöglichkeiten zu ermöglichen, haben die Parteien auf Vorschlag des Gerichts einen Vergleich – auch zur Erledigung der Hauptsache – geschlossen. Die Klägerin durfte ihre Hündin noch für eine Übergangszeit von knapp zwei Monaten an den Arbeitsplatz mitbringen, danach jedoch nicht mehr.
Quelle | LAG Düsseldorf, Vergleich vom 8.4.2025, 8 GLa 5/25, PM vom 8.4.2025
| Ein Arbeitsgericht (ArbG) hatte bereits im letzten Jahr entschieden, dass ein Leiharbeitnehmer nicht ohne Weiteres eine Inflationsausgleichsprämie erhält, die im Entleiherbetrieb den dort Beschäftigten gezahlt wird. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holsteinhat dies nun bestätigt. |
So sah es die Arbeitnehmerin
Die Klägerin wurde von ihrer Arbeitgeberin, einem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen, in einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie („Entleiherin“) eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis endete zum 31.7.2023. Der Arbeitsvertrag der Parteien verwies u. a. auf die für Leiharbeitnehmer geltenden Tarifverträge über Branchenzuschläge für die Metall- und Elektroindustrie („TV BZ ME“) sowie Inflationsausgleichsprämie („TV IAPME“). Die Entleiherin füllte der Beklagten einen „Fragebogen zur Ermittlung von Equal Pay sowie des Branchenzuschlags ab dem 16. Einsatzmonat“ aus.
Die Mitarbeiter im Betrieb der Entleiherin erhielten im Juni 2023 eine Inflationsausgleichsprämie i.H.v. 1.000 Euro, die Klägerin dagegen nicht. Sie macht nun gerichtlich diese 1.000 Euro sowie weitere 1.200 Euro geltend.
Für die erste Zahlung bestehe durch den Fragebogen eine Equal-Pay-Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin, der Beklagten. Im Übrigen sei die Gleichstellung nicht per Tarifvertrag ausgeschlossen worden.
Hinsichtlich der zweiten Zahlung könne die Inflationsausgleichsprämie nach dem TV IAP ME bereits verlangt werden, wenn deren Voraussetzungen nach Inkrafttreten des Tarifvertrags, aber vor dem ersten Auszahlungszeitpunkt im Januar 2024 erfüllt gewesen seien. Damit sei die Prämie auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszuzahlen.
Landesarbeitsgericht: keine Equal-Pay-Vereinbarung und fehlender Vortrag
Das LAG entschied, dass der o. g. ausgefüllte Fragenbogen keine Equal-Pay-Vereinbarung mit deren Arbeitnehmern darstellt. Die Klägerin hat auch nicht die Voraussetzungen für eine Gleichstellung mit den Mitarbeitern der Entleiherin vorgetragen.
Dazu muss sie als darlegungs- und beweisbelaste Klägerin einen Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum vornehmen. Dem wird sie nicht gerecht: Der Verweis, der Klägerin müsse die Inflationsausgleichsprämie schon deshalb gezahlt werden, weil die Stammarbeitnehmer der Entleiherin diese erhalten hätten, reicht dafür nicht aus.
Die Klägerin kann die Inflationsausgleichsprämien auch nicht aus dem TV IAP ME beanspruchen: Die Auslegung des Tarifvertrags ergibt, dass im jeweiligen Auszahlungsmonat (Januar bis November 2024) der tariflichen Inflationsausgleichsprämien – anders als die Klägerin meint – noch ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden haben muss. Hier endete das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin aber bereits im Jahr 2023.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6.3.2025, 5 Sa 222 d/24, PM des LAG
| Dem Arbeitgeber kann weder die Kenntnis der Schwerbehindertenvertretung noch die eines Fachvorgesetzten von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zugerechnet werden. So sieht es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln in einer aktuellen Entscheidung. |
Keine rechtsgeschäftlichen Vertreter
Weder die Schwerbehindertenvertretung noch der Fachvorgesetzte des Arbeitnehmers hätten eine Stellung, die einem rechtsgeschäftlichen Vertreter des Arbeitgebers ähnlich sei. Denn die Schwerbehindertenvertretung vertrete die Interessen der schwerbehinderten Menschen gegenüber dem Arbeitsgericht. Sie sei nicht seiner Sphäre zuzurechnen.
Schwerbehindertenvertretung kümmert sich nicht um personalrechtliche Belange
Sie kümmere sich auch nicht um personalrechtliche Belange aus der Sicht des Arbeitgebers, sondern allenfalls aus der Sicht der schwerbehinderten Mitarbeiter.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 7.5.2025, 4 SLa 438/24
| Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen einer Universität und des durch die Universität disziplinarrechtlich beklagten Universitätsprofessors gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Göttingen jeweils zurückgewiesen, mit dem dieses den Universitätsprofessor um zwei Besoldungsgruppen von W 3 auf W 1 zurückgestuft hat. |
Das war geschehen
Die Universität hatte mit der von ihr gegen den Professor erhobenen Disziplinarklage seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erstrebt. Das VG hat mit der von beiden Beteiligten angegriffenen Entscheidung hingegen auf eine Zurückstufung um zwei Besoldungsstufen erkannt.
Nach der Vernehmung von neun Zeugen und unter Berücksichtigung der bereits durch das VG erhobenen Beweise hat das OVG es als erwiesen angesehen, dass der Universitätsprofessor mehrfach und über Jahre hinweg Studentinnen, Doktorandinnen und Mitarbeiterinnen grenzüberschreitend berührt und sich ihnen gegenüber anzüglich geäußert hatte.
So sah es das Oberverwaltungsgericht
Das OVG hat die erstinstanzliche Entscheidung mit seinem Urteil bestätigt. Der Universitätsprofessor habe ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen, das den Ausspruch der zweithöchsten Disziplinarmaßnahme erfordere. Ihm würden daher für einen Zeitraum von fünf Jahren die Bezüge aus der niedrigeren Besoldungsgruppe W 1 gezahlt, wobei er sein Statusamt als Universitätsprofessor behalte.
Mit seinem Verhalten habe er seine beamtenrechtliche Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verletzt. Erschwerend hat das OVG berücksichtigt, dass akademische Nachwuchskräfte in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu Professoren stünden, das über das übliche Verhältnis von Vorgesetzten und Beschäftigten weit hinausgehe.
Der Beklagte sei seiner mit besonderer Verantwortung einhergehenden Stellung als Universitätsprofessor nicht gerecht geworden und habe diese vielmehr dazu ausgenutzt, seine Macht zu demonstrieren und die betroffenen weiblichen Nachwuchskräfte in ihrer Würde zu verletzen. Sein Verhalten habe er zudem insbesondere trotz der Pflichtenmahnung durch die damalige Präsidentin der Universität in den Jahren 2012 und 2013 nicht verändert. Mildernd berücksichtigt hat das OVG demgegenüber die Länge des Disziplinarverfahrens von ca. acht Jahren, die sich für den Beklagten belastend ausgewirkt habe.
Die Entscheidung des Senats ist rechtskräftig.
Quelle | OVG Lüneburg, Urteil vom 25.6.2025, 3 LD 1/24, PM vom 30.6.2025
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass eine Methode zur Aufteilung des Verkaufspreises eines Sparmenüs nicht sachgerecht ist, wenn sie dazu führt, dass auf ein Produkt des Sparmenüs (z. B. Burger) ein anteiliger Verkaufspreis entfällt, der höher ist als der Einzelverkaufspreis. |
Hintergrund: Bei Sparmenüs, die zum Pauschalpreis angeboten und als „Außer-Haus-Menüs“ verkauft werden, ist hinsichtlich der Speisenlieferung der ermäßigte Steuersatz (7 %) und hinsichtlich des Getränks der Regelsteuersatz (19 %) anzuwenden. Wird vor Ort verzehrt, stellt sich die Aufteilungsfrage grundsätzlich nicht, da es sich um eine Restaurationsleistung handelt, sodass auch die Speisen mit 19 % zu versteuern sind.
Beachten Sie | Dies könnte sich aber bald ändern. Denn im Koalitionsvertrag steht, dass die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie zum 1.1.2026 auf 7 % reduziert werden soll.
Das war geschehen
Zwei GmbHs betrieben als Franchisenehmer Schnellrestaurants, in denen u. a. Sparmenüs (z. B. Getränk, Burger und Pommes frites) zu einem einheitlichen Gesamtpreis zum Verzehr außer Haus verkauft wurden.
„Food-and-Paper“-Methode zur Aufteilung von Speisen und Getränken
Die GmbHs teilten den Gesamtpreis des Sparmenüs nach der „Food-and-Paper“-Methode auf die Speisen und das Getränk auf. Die Aufteilung erfolgt dabei anhand des Wareneinsatzes, das heißt, der Summe aller Aufwendungen für die Speisen bzw. für das Getränk. Da in der Gastronomie die Gewinnspanne auf Getränke typischerweise deutlich höher ist als die Gewinnspanne auf Speisen, ergibt sich hieraus eine niedrigere Umsatzsteuer als bei einer Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen.
Das Finanzamt hielt diese Aufteilungsmethode für unzulässig, weil sie nicht so einfach sei, wie eine Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen und außerdem nicht zu sachgerechten Ergebnissen führe. Demgegenüber hielt das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg die „Food-and-Paper“-Methode für zulässig, der BFH aber nicht.
Aufteilung muss sachgerecht sein
Der BFH führte zwar aus, dass (entgegen der Ansicht des Finanzamts) der Unternehmer nicht immer die einfachste Methode anwenden muss. Wenn eine andere Methode zumindest ebenso sachgerecht ist, wie die Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen, darf er auch die andere Methode anwenden.
Gleichwohl erkannte der BFH die „Food-and-Paper“-Methode nicht an, weil sie in manchen Fällen dazu führt, dass der Preis eines Burgers mit einem hohen Wareneinsatz im Menü über dem Einzelverkaufspreis des Burgers liegt. Es widerspricht der wirtschaftlichen Realität, dass der Verkaufspreis eines Produkts in einem mit Rabatt verkauften Menü höher sein kann als der Einzelverkaufspreis.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 19/23, PM 38/25 vom 5.6.2025
| Seit dem 1.1.2025 beträgt der gesetzliche Mindestlohn 12,82 Euro pro Stunde. Die Mindestlohnkommission hat nun eine stufenweise Erhöhung des Mindestlohns auf 13,90 Euro zum 1.1.2026 und auf 14,60 Euro zum 1.1.2027 beschlossen. |
Hintergrund: Mindestlohngesetz
Im Mindestlohngesetz ist geregelt, dass „die Mindestlohnkommission alle zwei Jahre über Anpassungen der Höhe des Mindestlohns zu beschließen“ hat. Diesem Auftrag ist die Kommission in ihrer Sitzung vom 27.6.2025 nun nachgekommen. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas hat bereits angekündigt, der Bundesregierung vorzuschlagen, die Anpassung durch Rechtsverordnung zum 1.1.2026 verbindlich zu machen.
Folge: Auch erhöhte Minijob-Grenze
Die Erhöhung hat auch Auswirkungen auf die Minijob-Grenze( derzeit 556 Euro monatlich), da diese an den Mindestlohn „gekoppelt“ ist.
Beachten Sie | Die Geringfügigkeitsgrenze bezeichnet das monatliche Arbeitsentgelt, das bei einer Arbeitszeit von zehn Wochenstunden zum Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (hier: § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG ) erzielt wird. Sie wird berechnet, indem der Mindestlohn mit 130 vervielfacht, durch drei geteilt und auf volle Euro aufgerundet wird.
Das bedeutet Folgendes: Bei einem gesetzlichen Mindestlohn von 13,90 Euro ergibt sich ab dem 1.1.2026 eine Geringfügigkeitsgrenze von 603 Euro (13,90 Euro × 130 ÷ 3). Ab dem 1.1.2027 sind es dann 633 Euro.
Quelle | BMAS, Mitteilung vom 27.6.2025: „Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1.1.2026“
| Verkauft eine Kommanditgesellschaft (KG) ein Grundstück an eine andere KG, ist dies auch dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB in Verbindung mit § 463 BGB), wenn es sich auf Verkäufer- und Käuferseite jeweils um Einpersonen-GmbH & Co. KG mit demselben alleinigen Anteilsinhaber handelt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in zwei Parallelverfahren entschieden. |
Das war geschehen
Die Klägerinnen, verschiedene GmbH & Co. KG, wenden sich gegen die Ausübung von Vorkaufsrechten nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB. Mit notariellen Kaufverträgen von Mai 2021 veräußerten sie Grundstücke an zuvor neu gegründete GmbH & Co. KG, hinter denen jeweils dieselbe natürliche Person steht wie auf Verkäuferseite. Mit Bescheiden von Juli 2021 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht aus, in einem Fall zugunsten der beigeladenen stadteigenen Entwicklungsgesellschaft. Im anderen Verfahren gab eine der Klägerinnen, die Erstkäuferin, eine Abwendungserklärung ab.
Die Klagen waren erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht (VG) habe zu Recht angenommen, dass es an dem für ein Vorkaufsrecht erforderlichen Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 463 BGB fehle. Der Begriff des Dritten müsse einschränkend ausgelegt werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei hier nur eine Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre derselben natürlichen Personen erfolgt.
So sieht es das Bundesverwaltungsgericht
Das BVerwG hat die angefochtenen Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Die Grundstückskaufverträge sind Verträge mit einem Dritten. Gesellschaftsrechtlich sind die KG auf Verkäufer- und Käuferseite trotz des Umstands, dass hinter ihnen jeweils dieselbe natürliche Person steht, selbstständige Rechtsträger.
Eine wirtschaftliche Betrachtung auf Gesellschafterebene ist weder nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts noch verfassungsrechtlich geboten. Die Klägerinnen haben sich aus eigenem Entschluss für diese Form der Grundstücksübertragung entschieden. Das BVerwG konnte mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Vorkaufsrechte im Übrigen rechtmäßig ausgeübt wurden. Das erfordert die Zurückverweisung an die Vorinstanz.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 17.6.2025, 4 C 4.24, PM 46/25
| Die Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) hat jüngst mitgeteilt, dass die Steuerfahndung ein Datenpaket mehrerer Social-Media-Plattformen analysiert. Ziel der Ermittlungen sind professionelle Influencer, die ihre steuerlichen Pflichten mit hoher krimineller Energie umgehen. |
300 Mio. Euro Steuervolumen
Das Influencer-Team des Landesamts zur Bekämpfung der Finanzkriminalität in NRW (LBF NRW) ist vorsätzlichen Steuerbetrügern in den sozialen Netzwerken auf der Spur. Derzeit werten die Experten ein Datenpaket von mehreren großen Plattformen aus. Darin enthalten sind 6.000 Datensätze, die auf nicht versteuerte Gewinne mit Werbung, Abos und Co. hinweisen. Sie beziehen sich nur auf Influencer aus NRW und umfassen ein strafrechtlich relevantes Steuervolumen in Höhe von rund 300 Mio. Euro.
Nur „Große Fische“ im Visier
Im Visier stehen die „großen Fische“. Stephanie Thien, Leiterin des LBF NRW, betont: „Im Fokus unseres Influencer-Teams stehen ausdrücklich nicht junge Menschen, die ein paar Follower gesammelt und ein paar Cremes oder Kleider beworben haben.“
Beachten Sie | Auch die Finanzämter in Hamburg nehmen die Influencer ins Visier. Bereits im Jahr 2022 wurde eine Expertengruppe zur Besteuerung von Influencern und anderen Social-Media-Akteuren gegründet. Seit 2024 wird die Branche im Zuge einer Branchenprüfung verstärkt in den Fokus genommen.
Quelle | Finanzverwaltung NRW, Mitteilung vom 15.7.2025: „Verdacht auf Steuerbetrug in großem Stil: LBF NRW wertet Influencer-Datenpaket aus“; Finanzbehörde Hamburg, Mitteilung vom 17.7.2025: „Auch Hamburger Finanzämter nehmen Influencerinnen und Influencer ins Visier“
| Die Übernachtungspauschale für Berufskraftfahrer mit mehrtägiger Auswärtstätigkeit setzt neben dem bestehenden Anspruch auf eine Verpflegungspauschale eine tatsächliche Übernachtung in dem Kraftfahrzeug voraus. Die Pauschale steht einem Berufskraftfahrer daher nicht für jeden An- und Abreisetag zu. So sieht es zumindest das Finanzgericht (FG) Thüringen. Wegen der anhängigen Revision ist nun der Bundesfinanzhof (BFH) gefragt. |
Werbungskostenabzug
Hintergrund: Entstehen einem Arbeitnehmer während seiner auswärtigen beruflichen Tätigkeit auf einem Kfz des Arbeitgebers oder eines vom Arbeitgeber beauftragten Dritten im Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kfz Aufwendungen (insbesondere Gebühren für die Toilettenbenutzung sowie Park- und Abstellgebühren), kann er diese als Werbungskosten abziehen.
Beachten Sie | Anstelle der tatsächlichen Aufwendungen ist allerdings auch eine Pauschale i. H. von 9 Euro für Kalendertage möglich, an denen der Arbeitnehmer in dem Kfz übernachtet und eine Pauschale für Verpflegungsmehraufwand geltend machen kann.
Bundesfinanzhof ist gefragt
Der BFH muss nun entscheiden, ob die Pauschale durch die Kopplung an die Verpflegungspauschalen auch für den An- und Abreisetag zu gewähren ist.
Oder anders ausgedrückt: Kann ein Arbeitnehmer, der am Montag seine Tour startet, auf dem Fahrzeug übernachtet und am Freitag zurückkehrt, die Pauschale für fünf oder nur für vier Tage absetzen? Denn für fünf Tage ist Verpflegungsmehraufwand abzugsfähig, er übernachtet in dem Fahrzeug jedoch nur viermal.
Quelle | FG Thüringen, Urteil vom 18.6.2024, 2 K 534/22, Rev. BFH: VI R 6/25
| Bisher konnten Anfragen an das Bundeszentralamt für Steuern zur Bestätigung ausländischer Umsatzsteuer-Identifikationsnummern schriftlich, über das Internet oder telefonisch erfolgen. Doch das hat sich seit dem 20.7.2025 geändert. Seitdem können etwaige Anfragen ausschließlich über die vom Bundeszentralamt für Steuern im Internet bereitgestellte Online-Abfrage durchgeführt werden. |
Hintergrund: Innergemeinschaftliche Lieferungen sind von der Umsatzsteuer befreit. Seit dem 1.1.2020 ist die Verwendung einer gültigen ausländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer durch den Kunden zwingende Voraussetzung für die Umsatzsteuerfreiheit. Dies ist im Umsatzsteuergesetz (hier: § 6 a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 4 UStG) geregelt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 6.6.2025, III C 5 - S 7427-d/00014/001/002
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat eine steuerzahlerfreundliche Entscheidung getroffen: Führt der Steuerpflichtige im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung am Ort des Lebensmittelpunkts einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung nicht. |
Hintergrund: Notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen, können als Werbungskosten steuerlich abgesetzt werden.
Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt. Hierbei darf sich der Lebensmittelpunkt nicht am Beschäftigungsort befinden.
Zudem ist die einschlägige Vorschrift des Einkommensteuergesetzes (hier: § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 3 EStG) zu beachten: „Das Vorliegen eines eigenen Hausstandes setzt das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus.“ Um diese Voraussetzung ging es im Fall des BGH.
Das war geschehen
Der 1986 geborene Steuerpflichtige bewohnte das Obergeschoss im Wohnhaus seiner Eltern – und zwar allein und unentgeltlich. Zudem hatte er am Ort seiner nichtselbstständigen wissenschaftlichen Tätigkeit eine Unterkunft und machte Kosten für eine doppelte Haushaltsführung geltend. Das Finanzamt erkannte die doppelte Haushaltsführung allerdings mangels finanzieller Beteiligung am Haushalt der Eltern nicht an und berücksichtigte nur Fahrtkosten als Werbungskosten. So sah das auch das Finanzgericht (FG) München, nicht aber der BFH, der die Vorentscheidung aufhob.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Wohnung, die der Steuerpflichtige außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte innehat, seinen Erst- oder Haupthaushalt darstellen muss (Stichwort: Lebensmittelpunkt). Es ist entscheidend, dass sich der Steuerpflichtige in dem Haushalt – im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit – aufhält. Allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte reicht nicht. Ferner darf der Steuerpflichtige nicht nur in einen anderen Hausstand eingegliedert sein, wie es regelmäßig bei jungen Arbeitnehmern der Fall ist, die nach Beendigung der Ausbildung weiterhin im elterlichen Haushalt ihre Zimmer bewohnen. Die elterliche Wohnung kann zwar, wie bisher, der Mittelpunkt der Lebensinteressen sein, sie ist aber kein vom Kind unterhaltener eigener Hausstand. Wird jedoch der Haushalt in einer in sich abgeschlossenen Wohnung geführt, die auch nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet, wird regelmäßig vom Unterhalten eines eigenen Hausstands ausgegangen.
Sohn wohnte noch zu Hause – aber in eigener Wohnung
Im Streitfall hatten die Eltern dem Steuerpflichtigen sämtliche Räumlichkeiten im Obergeschoss ihres Hauses zur Nutzung überlassen. Hierbei handelte es sich um eine Wohnung, die dem Steuerpflichtigen nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet. Der Umstand, dass es sich hierbei um eine (bloße) Nutzungsüberlassung und nicht um ein Mietverhältnis handelt, steht dem nicht entgegen. Ob die Wohnung im Obergeschoss gegenüber der von den Eltern bewohnten Wohnung im Erdgeschoss baulich abgeschlossen ist, ist für das Vorliegen eines eigenen Hausstands ebenfalls unerheblich. Für einen eigenen Hausstand ist es zudem erforderlich, dass eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung erfolgt – aber nur, soweit der Steuerpflichtige am Lebensmittelpunkt einem Mehrpersonenhaushalt (z. B. im Rahmen eines Mehrgenerationenhaushalts) angehört. Denn nur, wenn mehrere Personen einen gemeinsamen Haushalt führen, kann sich der Einzelne an den Kosten dieses Haushalts und damit den Kosten der Lebensführung beteiligen.
„Denknotwendig‘“: Ein-Personen-Haushalt trägt immer gesamte Kosten
Führt der Steuerpflichtige dagegen (wie im Streitfall) einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten dieses Haushalts nicht. Denn die Kosten der Lebensführung eines Ein-Personen-Haushalts werden denknotwendig von dieser einen Person getragen. Woher die hierfür erforderlichen Mittel stammen – ob aus eigenen Einkünften, staatlichen Transferleistungen, Darlehen, Unterhaltsleistungen oder familiären Geldgeschenken – ist unerheblich.
Quelle | BFH, Urteil vom 29.4.2025, VI R 12/23
| Aufwendungen für die eigene Bestattungsvorsorge sind nicht als außergewöhnliche Belastungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 33 Abs. 1 EStG) abziehbar. Das hat das Finanzgericht (FG) Münster entschieden. |
Das war geschehen
Ein Steuerpflichtiger hatte einen Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag abgeschlossen. Den Betrag in Höhe von 6.500 Euro machte er als außergewöhnliche Belastungen geltend. Begründung: Da die Übernahme der Beerdigungskosten auf Ebene des Erben zu außergewöhnlichen Belastungen führen könne, dürfe nichts anderes gelten, wenn er selbst einen Bestattungsvorsorgevertrag abschließe, um seinen Angehörigen die Beerdigungskosten zu ersparen. Das FG ist dieser Argumentation indes nicht gefolgt.
Vom Anwendungsbereich des § 33 EStG sind die üblichen Aufwendungen der Lebensführung ausgeschlossen, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind.
Argumentation: Eigener Sterbefall nicht „außergewöhnlich“…
Bei Aufwendungen für eine Bestattungsvorsorge handelt es sich nicht um Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf, die derart außergewöhnlich wären, dass sie sich einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Denn der Eintritt des Todes und damit die Notwendigkeit, bestattet zu werden, trifft jeden Steuerpflichtigen. Es handelt sich damit nicht um Aufwendungen, die größer sind als die, die einer Mehrzahl der Steuerpflichtigen erwachsen.
… Beerdigungskosten für Dritte hingegen schon
Der Unterschied zu den Aufwendungen für Beerdigungskosten naher Angehöriger besteht bereits darin, dass nicht jeder Steuerpflichtige irgendwann einmal solche Aufwendungen für einen nahen Angehörigen zu tragen hat und auch nicht jeder Steuerpflichtige etwa auch in der Anzahl und Höhe solcher Aufwendungen gleich belastet ist.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 23.6.2025, 10 K 1483/24 E
| Ein Verbrauchsgüterkauf und die Anforderungen an die vorvertragliche Informationspflicht des verkaufenden Unternehmers gegenüber dem kaufenden Verbraucher beschäftigte das Landgericht (LG) Kiel. |
In der Annonce war das Fahrzeug ohne Hinweis auf einen Unfallschaden angepriesen. Im Kaufvertrag und in der vorvertraglichen Information fand sich der Vermerk „entgegen der Annonce Unfallschaden lt. Vorbesitzer“. Genügt das für die wirksame negative Beschaffenheitsvereinbarung?
„Nein“, sagt das LG. Diese Angabe hätte zum einen hervorgehoben, also quasi unübersehbar gestaltet werden müssen. Zum anderen hätte genauer über Art und Umfang des Vorschadens aufgeklärt werden müssen.
Quelle | LG Kiel, Urteil vom 8.5.2025, 6 O 276/23
| Das Landgericht Frankenthal (LG) hat einen Fall entschieden, der in manchem Handwerksbetrieb für Aufsehen sorgen dürfte. Einem Handwerker, der einen Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, steht im Fall des Widerrufs auch nach vollständig erbrachter Arbeit kein Geld zu. Das LG hat deshalb die Klage eines Gartenbauers auf Zahlung des kompletten Werklohns abgewiesen. |
Streit um Rechnung
Im April 2024 bestellte der Besitzer eines großen Gartens den Gartenbauer auf sein Grundstück. Vor Ort gab der Gartenbesitzer umfangreiche Arbeiten an dem völlig verwilderten Gelände in Auftrag. Nach Abschluss der Arbeiten stellte der Gartenbauer seine Rechnung in Höhe von knapp 19.000 Euro. Es kam aber zum Streit über den vereinbarten Stundensatz sowie die Frage, ob die erstellte Rechnung prüffähig sei. Der Gartenbesitzer verweigerte schließlich die Zahlung und widerrief den Vertrag im September 2024.
Auftraggeber durfte sich auf Widerrufsrecht berufen
Das LG gab dem Gartenbesitzer vollumfänglich Recht. Da er als Verbraucher anzusehen sei und sämtliche Arbeiten außerhalb von Geschäftsräumen in Auftrag gegeben wurden, stehe ihm ein gesetzliches Widerrufsrecht zu. Die grundsätzlich mit Vertragsschluss beginnende vierzehntägige Widerrufsfrist habe nicht zu laufen begonnen, weil der Gartenbauer den Verbraucher nicht darüber belehrt habe. Es gelte in diesem Fall eine Höchstfrist von einem Jahr und vierzehn Tagen für den Widerruf, die vorliegend eingehalten worden sei. Der Anspruch des Werkunternehmers auf Werklohn sei dadurch vollständig entfallen. Wegen der unterlassenen Belehrung könne er auch keinen Wertersatz oder einen sonstigen Ausgleich für seine Arbeit verlangen. Denn das europäische Verbraucherschutzrecht verlange bei einer unterlassenen Widerrufsbelehrung eine Sanktion von Unternehmern, um sie zur ordnungsgemäßen Belehrung anzuhalten, so das LG unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 15.4.2025, 8 O 214/24, PM vom 29.4.2025; EuGH, Urteil vom 17.5.2023, C-91/22
| Das Landgericht (LG) Köln hat die Klage der Inhaberin einer Entrümpelungsfirma gerichtet auf Zahlung eines Teilbetrags (100.000 Euro) für in der Wohnung entdecktes Bargeld von über 600.000 Euro als auch Finderlohn abgewiesen. Insbesondere vertragliche Ansprüche würden ausscheiden, da eine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Entrümpelungsunternehmens unwirksam sei, dass mit Beginn der Tätigkeit alle in dem Auftragshaushalt befindlichen Gegenstände in das Eigentum des Auftragnehmers übergehen. Das LG hat zudem festgestellt, dass der Inhaberin auch keine weiteren Ansprüche auf Zahlung wegen des Bargeldes sowie auf Herausgabe von Schmuck und Münzen oder entsprechenden Wertersatz zustehen. |
Das war geschehen
Die Klägerin betreibt in Bayern ein Unternehmen zur Entrümpelung von Wohnungen. Die Beklagte, für die eine Betreuung angeordnet ist, lebte bis zum Jahr 2022 in Bayern. Nachdem der ebenfalls unter Betreuung stehende Lebensgefährte nicht mehr in der Wohnung leben konnte, wollte die Beklagte nach Köln ziehen. Die Beklagte, vertreten durch ihren Betreuer, beauftragte die Klägerin mit der Entrümpelung der im Eigentum der Beklagten stehenden Wohnung gegen Zahlung von knapp 2.900 Euro.
Vereinbarung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Die Parteien vereinbarten die Geltung der AGB der Klägerin. Darin ist u. a. geregelt: „Bei all unseren angebotenen Leistungen, […] sind in den Räumlichkeiten befindliche Wertgegenstände vorab vom Auftraggeber (Kunden) zu entfernen bzw. sicherzustellen. Mit Beginn der Tätigkeit gehen alle in dem Auftragshaushalt befindlichen Gegenstände in das Eigentum des Auftragnehmers über. Die weitere Verwertung obliegt dem Auftragnehmer.“
Erhebliche Bargeldsumme und Schmuck
Für den Betreuer der Beklagten übergab die Betreuerin des Lebensgefährten die von ihr durchgesehene Wohnung an die Klägerin. Die Klägerin und ihre Mitarbeiter räumten zunächst die Wohnung, in der sie unter anderem in Windelpackungen und an anderen streitigen Orten Bargeld in Höhe von 557.000 Euro sowie Schmuck und Münzen mit einem durchschnittlichen Verkehrswert von 29.017 Euro bis 32.017 Euro fanden. Bargeld, Schmuck und Münzen wurden auf Wunsch des Betreuers der Beklagten an die Betreuerin des Lebensgefährten herausgegeben. Ebenso geschah es mit später im Keller der Wohnung in einem Koffer aufgefundenem weiteren Bargeld in Höhe von 66.500 Euro. Die Parteien verständigten sich wegen des Mehraufwands der Klägerin bezüglich der Abwicklung von Bargeld, Schmuck und Münzen auf die Zahlung von Mehrvergütung in Höhe von 2.000 Euro zzgl. Umsatzsteuer. Außergerichtliche Aufforderungen der Klägerin auf Auszahlung des aufgefundenen Geldbetrags und des Schmucks seitens der Beklagten blieben erfolglos.
So sah es das Landgericht
Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagte wegen des aufgefundenen Bargelds und Finderlohns auf einen Teilbetrag von 100.000 Euro in Anspruch. Sie ist insbesondere der Ansicht, dass ihr ein Anspruch darauf aufgrund der Regelung in ihren AGB zustehe. Der Betreuer der Beklagten habe bei der Durchsicht der Wohnung vor Übergabe an die Klägerin seine Pflichten verletzt. Zudem behauptet sie, sie habe Geld, Schmuck und Münzen nur herausgegeben, um für eine sichere Verwahrung zu sorgen, nachdem – was die Beklagte in Abrede stellt – eine Bank die Annahme verweigert habe. Dieser Argumentation ist das LG nicht gefolgt. Zur Begründung führte das LG insbesondere aus, dass der Klägerin aus dem Vertrag keinerlei Ansprüche zustehen würden. Die in ihren AGB verwendete, o. g. Klausel sei unwirksam, weil sie eine Erklärung des Auftraggebers, hier die für einen Eigentumsübergang notwendige Übereignungserklärung fingiere, ohne dem Auftraggeber die Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung zu eröffnen und ihn unangemessen benachteilige.
Eigentumsverhältnisse eindeutig
Mögliche Ansprüche auf Herausgabe des Geldes aus Eigentumsgesichtspunkten nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 985 BGB) lehnt das LG ebenso ab, da die Klägerin ihr Eigentum jedenfalls aufgrund der Einzahlung des Bargelds bei einem Kreditinstitut verloren habe. § 985 BGB begründe keinen Anspruch auf einen entsprechenden Geldwert (sog. Geldwertvindikation). Bereicherungsansprüche stünden der Klägerin aufgrund der erläuterten Rechtslage ebenfalls nicht zu, weil der Beklagten als Eigentümerin von Bargeld, Schmuck und Münzen diese zugestanden hätten, die Übergabe durch die Klägerin also nicht ohne Rechtsgrund erfolgt sei und die Beklagte auch nichts auf Kosten der Klägerin erlangt habe.
Quelle | LG Köln, Urteil vom 8.5.2025, 15 O 56/25, PM vom 2.6.2025
| Online geschlossene Verträge beschäftigen die Rechtsprechung immer wieder. So wie in einem aktuellen Fall des Amtsgerichts (AG) München, das bereits den Vertragsschluss als nicht zustande gekommen betrachtete. |
Reisebuchung über Website
Eine Frau besuchte im November 2021 die Website der Beklagten, um nach Reisen im Dezember 2021 zu suchen. Unter den Suchergebnissen befand sich eine Reise nach Dubai für zwei Personen. Die Klägerin gab die Personendaten ein, um den endgültigen Reisepreis zu erfahren.
„Jetzt-kaufen“-Button
Anschließend wurde die Frau auf eine Website weitergeleitet, die Hinweise zur Unterrichtung von Reisenden bei einer Pauschalreise enthielt. Darunter befand sich ein farblich abgesetzter Kasten mit dem Text „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB […]. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben.“ Hierunter befand sich der Button „Jetzt kaufen“ mit dem Symbol eines Einkaufswagens daneben. Die Frau klickte auf die Schaltfläche „Jetzt kaufen“ und verließ anschließend die Website.
Am selben Abend erhielt die Frau eine Buchungsbestätigung und Zahlungsaufforderung der Beklagten für eine Reise nach Dubai zu einem Preis von 2.834 Euro. Da die Frau die Zahlung verweigerte, stornierte die Beklagte die Reise und stellte eine Storno-Gebühr in Höhe von 2.692,30 Euro in Rechnung. Diese bezahlte die Frau unter Vorbehalt.
War ein Vertrag geschlossen worden?
Die Frau meint, es sei kein Vertrag zwischen ihr und der Beklagten zustande gekommen, da die Gestaltung der Website nicht den gesetzlichen Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 312j Abs. 3 BGB) entspreche. Sie verklagte das Reiseunternehmen daher vor dem AG auf Rückzahlung der 2.692,30 Euro.
Amtsgericht gab der Frau Recht
Das AG gab der Frau Recht und verurteilte die Beklagte dazu, den Betrag nebst Zinsen zu zahlen. Zwischen den Parteien, so das AG, wurde schon kein wirksamer Vertrag im Sinne des § 651 a Abs. 1 BGB geschlossen. Für den Abschluss eines Vertrags bedarf es zweier übereinstimmender Willenserklärungen – Angebot und Annahme.
Es lag nach Ansicht des AG kein Angebot der Beklagten in dem Zurverfügungstellen der Internetseite mit dem Button „Jetzt kaufen“ vor. Unstreitig hat die Frau zwar auf diesen Button geklickt. Die Gestaltung der Website der Beklagten vor Bestellabschluss genügte aber nicht den Anforderungen des § 312 j Abs. 3 BGB. Denn zwar weist der Text des Buttons „Jetzt kaufen“ auf die Entgeltlichkeit des zu schließenden Vertrags hin. Allerdings kann das Symbol eines Einkaufswagens neben dem Schriftzug dahingehend verstanden werden, dass der Kunde durch das Klicken auf den Button erst seinen Warenkorb befüllt und sich nicht schon am Ende des Buchungsprozesses befindet.
Text war irreführend
Außerdem, so das AG, ist der Text „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben“ irreführend. Denn durch Auslegung ergibt sich, dass der Kunde durch das Klicken auf den „Jetzt kaufen“ - Button lediglich AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptiert, sowie die Richtigkeit der eingegebenen Daten [und] den Erhalt des Formblatts bestätigt. Von der Abgabe einer abschließenden Willenserklärung nach § 145 BGB wegen einer Reise ist dem Text nichts zu entnehmen. Vielmehr legt der Text nahe, dass bei Fortsetzung des Buchungsprozesses noch weitere Erklärungen abzugeben sind. Außerdem fehlt eine Übersicht über die zu buchenden Reise sowie eine Preisangabe.
Ein bindendes Angebot der Beklagten sah das Gericht jedoch in der übersandten Buchungsbestätigung. Dieses wurde aber von der Frau nicht angenommen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 26.1.2023, 191 C 1446/22, PM 15/25
| Das Amtsgericht (AG) Hanau hat entschieden: Der Inhalt eines Zustandsprotokolls hinsichtlich der Mietwohnung bei Ein- oder Auszug, das die Parteien unterschreiben, ist bindend. Sie können daher nicht später etwas anderes behaupten. |
Das war geschehen
Die Vermieter klagten gegen die Mieterin u. a. auf Zahlung mehrerer nicht geleisteter Mieten. Bei Rückgabe der Wohnung während des Prozesses unterschrieben beide Seiten ein Protokoll, in dem die Wohnung als mangelfrei bezeichnet wurde. Die Mieterin machte geltend, sie sei während der Mietzeit zur Mietminderung berechtigt gewesen, weil die Wohnung bis zuletzt mangelhaft gewesen sei. Sie widersprach zudem der Behauptung der Vermieter, dass frühere Mängel behoben worden wären.
Amtsgericht: Rückgabeprotokoll ist für beide Seiten verbindlich
Das AG hat die ehemalige Mieterin zur Zahlung der ausstehenden Mieten verurteilt. Diese könne sich auf Mängel der Wohnung nicht berufen. Dass solche, wie sie behauptete, bis zum Schluss vorlagen, sei schon aufgrund des von beiden Seiten unterzeichneten Protokolls widergelegt, aus dem sich ein mangelfreier Zustand bei Mietende ergebe. Denn ein solches Protokoll sei als Zustandsvereinbarung für die Parteien bindend. Dessen Zweck bestehe – gerade, weil die Erstellung freiwillig ist – darin, den dokumentierten Zustand festzuhalten, damit später keine Seite etwas anderes behaupten kann.
Dass die Mieterin, wie sie vorträgt, bestehende Mängel nur deshalb nicht aufgenommen habe, weil sie fürchtete, von den Vermietern selbst für diese verantwortlich gemacht zu werden, steht dem nicht entgegen, weil es für die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Erklärungen nicht auf die Motivation ankommt. Zugleich könne sie sich auch nicht darauf berufen, dass früher Mängel vorlagen, denn sie hat der Behauptung der Vermieter widersprochen, dass jemals Mängel behoben worden seien. Dann aber wären diese auch bei Mietende noch vorhanden gewesen, was durch das unterzeichnete Protokoll bindend widerlegt ist.
Quelle | AG Hanau, Urteil vom 11.4.2025, 32 C 37/24, PM vom 17.6.2025
| Vereinbaren Vermieter und Mieter mündlich, die Nebenkostenvorauszahlungen zu erhöhen, ist dies unwirksam. So sieht es der Bundesgerichtshof (BGH). |
Mietvertragsparteien beschlossen mündlich, die Vorauszahlungen zu erhöhen
Mieter und Vermieter vereinbarten, die Nebenkostenvorauszahlungen zu erhöhen. Dies geschah allerdings mündlich. Nachdem der Vermieter die Immobilie verkauft hatte, war der Erwerber mit der Erhöhung nicht einverstanden.
Erwerber war nicht einverstanden
Später verkaufte der Vermieter das Grundstück. Der Erwerber meinte jedoch, die o. g. Vereinbarung sei formunwirksam. Daher reduzierte er die Höhe der Vorauszahlungen.
Mieter klagte
Der Mieter wollte dies nicht akzeptieren. Schließlich musste der BGH entscheiden. Er sah die Veränderung der Nebenkostenvorauszahlungen als formbedürftig an, da sie wesentlicher Bestandteil der Miete sind.
Der BGH stellte klar, dass auch der Erwerber eines Grundstücks, der in einen bestehenden Mietvertrag eintritt, genau wissen muss, wie hoch die Miete inklusive der Nebenkostenvorauszahlung ist. Nur so kann er seine Rechte als Vermieter wahrnehmen. Der BGH nannte als Beispiel den Fall, dass ein Vermieter einem Mieter wegen Mietrückständen kündigen möchte. Dann muss er durch schriftliche Urkunden zuverlässig informiert sein.
Quelle | BGH, Beschluss vom 14.5.2025, XII ZR 88/23
| Ist eine echte Quadratmetermiete vereinbart – etwa durch Angabe eines Mietpreises pro m² – ist die Miete stets nach der tatsächlichen Fläche zu berechnen. Eine Flächenabweichung führt dann unabhängig vom Ausmaß zur Rückzahlung überzahlter Miete. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Dresden. |
Tatsächliche Fläche wich von vertraglich vereinbarter ab
Der Kläger hatte Büroräume gemietet. Der Vertrag wies eine Fläche von „ca. 70 qm“ aus und bestimmte eine Miete von „EUR 5,00/qm“. Die tatsächliche Fläche betrug jedoch nur 45,6 qm. Der Vermieter verlangte monatlich 350 EUR, der Kläger begehrte Rückzahlung der Überzahlung von 120 EUR monatlich.
Quadratmetermiete vereinbart
Das OLG Dresden stellte klar: Auch wenn die Flächenangabe laut Vertrag keine Sollbeschaffenheit festlege, wurde eine Quadratmetermiete vereinbart. In diesem Fall sei die Miete unabhängig von der Abweichung stets anhand der tatsächlichen Fläche zu berechnen.
Die Rückzahlung überzahlter Miete folge aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Das gelte unabhängig von der 10 Prozent-Grenze, die bei einem Mangel nach § 536 BGB zu beachten wäre.
Ein Wermutstropfen für den Mieter: Seine Ansprüche waren teilweise verjährt, soweit sie das Jahr 2020 betrafen.
Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 19.3.2025, 5 U 1633/24
| Die Anfechtung der Ausschlagung des Erbes wegen einer vermeintlichen Überschuldung des Nachlasses scheidet aus, wenn der Anfechtende seine Anfechtungsentscheidung nicht auf Basis von Fakten, sondern auf Basis von Spekulationen getroffen hat. Wird die Ausschlagung lediglich auf Verdacht hin erklärt, fehlt es letztlich auch an der erforderlichen Kausalität der Fehlvorstellung für die erklärte Ausschlagung. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschieden.
Erbschaft wegen Überschuldung ausgeschlagen
Die Tochter des Erblassers aus dessen erster Ehe sowie deren volljähriger Sohn haben nach dessen Tod wirksam die Ausschlagung der Erbschaft bei gesetzlicher Erbfolge wegen „Schulden/private Gründe“ erklärt. Etwa zwei Monate später hat die Tochter ihre Ausschlagungserklärung zu Protokoll des Nachlassgerichts mit der Begründung angefochten, dass sie bei der Ausschlagung der Erbschaft von der Überschuldung des Nachlasses ausgegangen sei. Dies habe ihr Bruder ihr so mitgeteilt. Sie selbst habe seit 20 Jahren keinen Kontakt zu ihrem Vater gehabt. Nun habe sie durch eigene Recherchen in Erfahrung gebracht, dass ihr Vater in einem eigenen Haus gelebt habe, was sie vorher nicht gewusst habe.
Ausschlagungsanfechtung wirksam?
Im Erbscheinsverfahren stellte die Tochter des Erblassers den Antrag, einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge zu erteilen. Die weiteren gesetzlichen Erben stellten den Antrag, einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge unter Ausschluss der Tochter zu erteilen, weil diese die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und die Anfechtungserklärung unwirksam und unbegründet sei. Diesem Antrag ist das Nachlassgericht nachgekommen und hat dabei erklärt, dass die Ausschlagungsanfechtung der Tochter des Erblassers unwirksam und unbegründet sei. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Tochter des Erblassers, der das Nachlassgericht nicht abgeholfen hat.
Oberlandesgericht: „Nein“!
Die vom Nachlassgericht dem OLG zur Entscheidung vorgelegte Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen, weil das Nachlassgericht zu Recht zu der Auffassung gelangt sei, dass die von der Tochter erklärte Ausschlagung der Erbschaft weiterhin wirksam ist.
Der Anfechtende sei bei einer Anfechtung einer erfolgten Erbausschlagung beweispflichtig für die Voraussetzungen der jeweiligen Anfechtungstatbestände. Hinsichtlich des geltend gemachten erheblichen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses im Hinblick auf eine angenommene Überschuldung sei es zwar richtig, dass die Überschuldung eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses darstellen könne. Jedoch werde eine Fehlvorstellung darüber, dass die (Nachlass-)Verbindlichkeiten den (Aktiv-)Wert des Nachlasses übersteigen, nur dann als relevant angesehen, wenn sie darauf beruhe, dass der Ausschlagende unrichtige Vorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses hatte.
Dagegen werde gemäß der vom Nachlassgericht in dem angefochtenen Beschluss zitierten Rechtsprechung ein erheblicher Irrtum über eine Überschuldung als eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses verneint und stattdessen ein nicht zu einer Anfechtung berechtigender Motivirrtum angenommen, wenn der Anfechtende zu seiner Vorstellung nicht aufgrund einer Bewertung ihm bekannter oder zugänglicher Fakten zu dem Ergebnis gelangt sei, sondern seine Entscheidung, die Erbschaft auszuschlagen, auf spekulativer, bewusst ungesicherter Grundlage getroffen habe.
Folge: Das Nachlassgericht habe zu Recht das Vorliegen eines zur Anfechtung berechtigten Irrtums bei der Tochter des Erblassers verneint, da diese keineswegs dargelegt und schon gar nicht bewiesen habe, dass sie die Ausschlagung wegen einer angeblichen Überschuldung des Nachlasses erst nach einer Bewertung der ihr bekannten und zugänglichen Fakten vorgenommen habe.
Quelle | OLG Zweibrücken, Urteil vom 7.3.2025, 8 W 20/24
| Die Suche nach einem Testament hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Das Fazit: Mit der richtigen Vorsorge lassen sich später Schwierigkeiten vermeiden. |
Nach dem Tod eines Mannes stritten seine Witwe und sein Sohn darüber, ob er ein Testament hinterlassen hatte: Die Witwe behauptete das – doch gefunden hatte sie das Testament nicht. In der ersten Instanz hatte das Landgericht (LG) deshalb zehn Zeugen vernommen, die aber keine endgültige Klärung brachten. Beim OLG nahm die Frau schließlich ihre Klage zurück und erkannte den Sohn als gesetzlichen Miterben an.
Mögliche Erben tragen die Beweislast
Der Fall ist keine Seltenheit: Viele Angehörige müssen sich nach dem Tod ihres Verwandten die Frage stellen, ob es ein Testament gibt und wo es sich befindet. Auf vermeintlich sichere Orte ist dabei nicht immer Verlass. In dem entschiedenen Fall wurde vergeblich nach einem Bankschließfach gesucht, in einem anderen aktuellen Fall ebenso erfolglos in einem Waffenschrank. Für die möglichen Erben kann das entscheidend sein: Wer sich auf ein Testament berufen will, muss auch dessen Existenz und Inhalt beweisen.
Amtsgerichte und Notare bieten Sicherheit
Schutz vor Ungewissheiten bieten die Amtsgerichte (AG) und Notare. Wenn ein Testament von einem Notar errichtet oder bei einem Amtsgericht hinterlegt wird, wird das im Zentralen Testamentsregister vermerkt. Im Todesfall gibt es einen Informationsaustausch zwischen dem Standesamt, dem Testamentsregister und der Stelle, die das Testament verwahrt. Das Testament wird dann automatisch an das zuständige AG weitergeleitet, das die Erben informiert und das Testament eröffnet. Eine Hinterlegung beim AG mit Registrierung kostet 93 Euro.
Quelle | OLG Celle, PM vom 11.4.2025
| Das Verwaltungsgericht (VG) Braunschweig hat die Klage zweier Hauseigentümer abgewiesen, die eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach ihres Gebäudes in der als Denkmal geschützten und von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannten Altstadt Goslars errichten wollten. |
Das VG stellte in seinem Urteil fest: Nach den geltenden Regelungen des Bundes- und Landesrechts müssen die Behörden Solaranlagen in aller Regel auf denkmalgeschützten Gebäuden genehmigen. Die Nutzung erneuerbarer Energien habe weitgehend Vorrang, in der weitaus größten Zahl der Fälle bestehe deswegen ein Rechtsanspruch auf Genehmigung von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden. Für „atypische Situationen“ sehe das Gesetz aber Ausnahmen vor. Das gelte für besonders wertvolle Denkmäler und bei besonders schwerwiegenden Eingriffen in ein Denkmal. In diesen Fällen sei eine Abwägung erforderlich. Ein solcher (seltener) Ausnahmefall liege hier vor: Das Gebäude der Kläger sei als Bestandteil des UNESCO-Weltkulturerbes in besonderem Maße schutzbedürftig. Zusätzlich liege in der Installation der Anlage nach der fachlichen Einschätzung des zum Verfahren beigeladenen Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege (NLD) auch ein besonders schwerer Eingriff in das Denkmal vor. Das Gesamterscheinungsbild der zusammenhängenden historischen Bebauung, die den Denkmalwert hier gerade ausmache, würde nach der Darstellung des NLD durch die Installation der Solaranlage erheblich gestört werden. Das Gebäudes ei aus dem öffentlichen Straßenraum heraus wahrnehmbar und die Solaranlage würde sich außerdem durch die vorgesehene dunkle Farbe deutlich von dem Dachgebilde abheben.
Das VG folgte dieser fachlichen Einschätzung. Weil hier ein besonders schutzwürdiges Denkmal (Goslarer Altstadt als Gruppendenkmal) beeinträchtigt sei und ein besonders schwerwiegender Eingriff vorliege, überwiege der Denkmalschutz in diesem besonderen Fall ausnahmsweise das Interesse an der Nutzung erneuerbarer Energien. Das VG wies auf die Präzedenzwirkung hin, die eine Genehmigung hätte: In allen Fällen dieser Art müssten dann Solaranlagen genehmigt werden; dies würde die historische Dachlandschaft der Altstadt weitgehend verändern.
Quelle | VG Braunschweig, Urteil vom 25.6.2025, 2 A 21/23, PM vom 25.6.2025
| Wie muss eine Baustelle abgesichert sein, damit der Bauherr seiner ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht genügt? Diese Frage musste das Landgericht (LG) Koblenz entscheiden. |
Das war geschehen
Die Parteien stritten über von der Klägerin geltend gemachte Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld aus einem Sturz im Bereich einer Straße. Diese Straße verfügt über keinen gesondert ausgewiesenen Gehweg.
Die Beklagte führte zu diesem Zeitpunkt Straßenbaumaßnahmen auf der teilweise deutlich erneuerungsbedürftigen Straße durch. Diese führten u. a. zu einer Fräskante auf der Straße. Der betroffene Streckenabschnitt war gemäß der behördlichen Anordnung beschildert. Die Klägerin stürzte an der Fräskante und erlitt eine distale Radiusfraktur links. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt habe. Auf die Fräskante sei nicht ordnungsgemäß hingewiesen worden. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass sie ihre Verkehrssicherungspflichten vollumfänglich erfüllt habe. Jedenfalls sei der Klägerin ein so erhebliches Mitverschulden anzulasten, dass schon aus diesem Grund der geltend gemachte Anspruch ausgeschlossen sei.
Amtsgericht: Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht, aber auch Mitverschulden
Das Amtsgericht (AG) hat die Beklagte verurteilt, rund 1.000 Euro sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 272,60 Euro, jeweils zuzüglich Zinsen, an die Klägerin zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits legte das AG den Parteien zu je 50 % auf.
Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte eine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Es fehle an einem Schild mit ausdrücklichem Bezug zu einer Baustelle oder an einem Schild mit dem Hinweis auf Fahrbahnunebenheiten. Das AG sah zulasten der Klägerin jedoch auch ein Mitverschulden, da sie nach Überqueren der ersten Fräskante eine weitere Fräskante habe erwarten müssen.
Hiergegen wenden sich beide Parteien jeweils mit dem Rechtsmittel der Berufung und dem Ziel, mit ihren jeweiligen Anträgen vollumfänglich zu obsiegen.
Landgericht: Klage abgewiesen
Das LG hat dem Antrag der Beklagten auf Klageabweisung vollumfänglich stattgegeben und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Schmerzensgeld oder materiellen Schadenersatz gegen die Beklagte. Der Beklagten könne bereits keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht vorgeworfen werden. Auf ein mögliches Mitverschulden der Klägerin komme es vor diesem Hintergrund schon nicht mehr an.
Grundsätzlich Verkehrssicherungspflicht bei Gefahrenquelle, ...
Im Grundsatz sei der, der eine Gefahrenquelle schafft, dazu verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu vermeiden. Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflicht beginne erst dort, wo auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintrete und nicht rechtzeitig erkennbar sei. Entscheidend seien daher auch die äußeren Gesamtumstände. Für Gefahrenstellen innerhalb eines erkennbaren Baustellenbereiches bedeute dies, dass nicht jede Unebenheit besonders gekennzeichnet werden müsse. Unebenheiten seien in Baustellenbereichen grundsätzlich zu erwarten. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte den Baustellenbereich ausreichend deutlich gekennzeichnet. Bei einer Fräskante handele es sich um eine typische Baustellenunebenheit, mit der ein Fußgänger im Bereich einer Baustelle zu rechnen hätte.
... aber erkennbarer Baustellenbereich und Dunkelheit erfordern erhöhte Aufmerksamkeit
Die Sturzstelle liege auf einer untergeordneten Straße mit deutlich erkennbaren erheblichen Beschädigungen, die vor allem dem Fahrzeugverkehr gewidmet sei. Fußgänger dürften hier keinen hindernisfreien Weg erwarten, wie beispielsweise bei einer Fußgängerzone. Die Straße sei zum Zeitpunkt des Vorfalls bei Dunkelheit (20:20 Uhr an einem Februartag) nicht durchgängig beleuchtet gewesen, weswegen Fußgänger in eigener Verantwortung besonders auf den Fahrbahnbelag zu achten hätten. Durch die Aufstellung der Warnbaken mit Blinklichtern und das erkennbar vorübergehend angeordnete Einfahrtsverbot für Fahrzeuge aller Art hätte der Klägerin bewusst sein müssen, dass sie einen Baustellenbereich betrete. Wie bereits ausgeführt, habe sich der Straßenbelag schon zuvor in einem schlechten Zustand befunden. Dass bei einer Baustelleneinrichtung daher (auch) Ausbesserungsarbeiten am Straßenbelag durchgeführt werden, sei zu erwarten. Dies schließe ebenfalls Abfräsarbeiten von altem Straßenbelag mit ein.
Quelle | LG Koblenz, Urteil vom 31.1.2025, 13 S 32/24, PM des LG
| Inflationsausgleichszahlungen für Beamte in Elternteilzeit zu kürzen, ist zulässig. So sieht es das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |
Das Landesgesetz zur Anpassung der Besoldung 2024/2025 in Rheinland-Pfalz sah eine einmalige Inflationsausgleichszahlung von 1.800 Euro vor. Teilzeitbeschäftigte Beamte erhielten den Betrag anteilig gemäß ihrer Arbeitszeit. Berechtigt waren Beamte mit Dienstverhältnis am 9.12.2023 und mindestens einem Tag Anspruch auf Dienstbezüge zwischen dem 1.8.2023 und dem Stichtag. Die Kläger, eine Beamtin und ein Beamter, arbeiteten während ihrer Elternzeit in Teilzeit und erhielten gekürzte Zahlungen, während vollzeitfreigestellte Kollegen die volle Summe erhielten. Diese Ungleichbehandlung wurde von ihnen als verfassungswidrig gesehen.
Das VG: Der Gesetzgeber verfügt bei solchen Sonderzahlungen über einen großen Gestaltungsspielraum. Die Differenzierung zwischen vollzeitfreigestellten und teilzeitbeschäftigten Beamten ist gerechtfertigt. Während man die Höhe der Sonderzahlung für Letztere anhand des (reduzierten) Umfangs ihrer Arbeitszeit am Stichtag des 9.12.2023 errechnen konnte, war dies bei den vollständig freigestellten Beamten nicht der Fall. Vollzeitfreigestellten Beamten ohne Dienstleistung hätte gemäß ihrer Arbeitszeit kein Anspruch zugestanden. Insoweit hat ein sachliches Bedürfnis bestanden, den Stichtag für sie zu verschieben. Aufgrund der unterschiedlichen Entlohnungssysteme kommt es ferner nicht darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen der Personengruppe der Tarifbeschäftigten Sonderzahlungen gewährt worden sind.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 1.4.2025, 5 K 967/24.KO
| Es ist Sache des Arbeitgebers, zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren will. Liegt in Gestalt einer Konfliktlage einhinreichender Anlass vor und ist eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, ist grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Der Arbeitgeber verletzt seinen Ermessensspielraum erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lässt. So hat es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden. |
Das war geschehen
Das LAG musste über die Versetzung eines Arbeitnehmers aufgrund des Vorwurfs der sexuellen Belästigung entscheiden. Dabei kam es zum Ergebnis, dass die örtliche Umsetzung dem billigen Ermessen entsprochen habe.
Mehrfache sexuelle Belästigung einer Arbeitskollegin stand im Raum
Der Vorwurf der mehrfachen sexuellen Belästigung einer Arbeitskollegin und die ausgesprochene Empfehlung der Antidiskriminierungsstelle, dem Arbeitnehmer für das Büro ein Betretungsverbot auszusprechen, waren zwar Auslöser für die Umsetzungsentscheidung des Arbeitgebers. Der gerichtliche Nachweis einer sexuellen Belästigung sei aber keine Tatbestandsvoraussetzung für die Umsetzung. Daher sei es unerheblich, dass der beklagte Arbeitgeber in der über einem Jahr später stattgefundenen Beweisaufnahme die sexuelle Belästigung nicht habe nachweisen können. Dies ergebe sich zudem daraus, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle der Zeitpunkt sei, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen habe.
Arbeitgeber hat Ermessensspielraum
Es sei Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren wolle. Er müsse dabei nicht zunächst die Ursachen und Verantwortlichkeiten für die entstandenen Konflikte im Einzelnen aufklären. Liege in Gestalt einer Konfliktlage ein hinreichender Anlass vor und sei eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, sei ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Seinen Ermessensspielraum verletze der Arbeitgeber erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lasse. Diese waren hier nicht gegeben.
Zwar möge der Arbeitnehmer die Umsetzung als „Strafe“ empfinden. Die Umsetzung diene aber der Befriedung des Konflikts und sei keine „Bestrafung“. Der Arbeitgeber habe sich bei der Entscheidung von zutreffenden Erwägungen leiten lassen. Eine räumliche Trennung der Protagonisten innerhalb des Projektbüros sei aufgrund dessen Größe und der gemeinsam genutzten Flächen nicht möglich. Es sei daher ermessensgerecht, dem Arbeitnehmer einen anderen Dienstort zuzuweisen.
Betriebsfrieden war gefährdet
Letztlich konnte sich das LAG nicht vorstellen, wie die Arbeitnehmerin und der Arbeitnehmer jemals wieder unbefangen hätten zusammenarbeiten können. Denn mindestens aus Sicht der Kollegin sei der Arbeitnehmer ein sexueller Belästiger. Und aus Sicht des Arbeitnehmers sei die Frau eine Falschbeschuldigerin. Dies beeinträchtige nicht nur das Verhältnis der Protagonisten untereinander, sondern in einem so kleinen Büro auch den Betriebsfrieden insgesamt.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 25.2.2025, 7 SLa 456/24
| Auch in einem Minijob gibt es bezahlten Urlaub. Doch in diesem Zusammenhang stellen sich viele Fragen: Wie viele freie Tage stehen einem Minijobber zu? Was gilt bei unregelmäßiger Arbeitszeit? Wie wirkt sich das Urlaubsgeld auf den Minijob aus? Diese und weitere Fragen hat die Minijob-Zentrale jüngst beantwortet. |
So erläutert die Minijob-Zentrale beispielsweise, dass der Lohn während des Urlaubs weitergezahlt werden muss (Urlaubsentgelt). Das ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt. Zusätzlich kann es Urlaubsgeld geben (als freiwillige Zahlung zum Urlaub).
Quelle | Minijob-Zentrale vom 11.6.2025 „Urlaub im Minijob: Ihre Fragen – Wir antworten!"
| Es gibt steuerliche Betriebsprüfungen, die bereits nach kurzer Zeit abgeschlossen sind. Andere Prüfungen hingegen ziehen sich über Monate oder sogar über Jahre hin. Um die Betriebsprüfung zu beschleunigen, wurden nun mehrere gesetzliche Änderungen vorgenommen. |
Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen
Verzögerungen bei einer Betriebsprüfung können mitunter auf eine unzureichende Mitwirkung des Steuerpflichtigen zurückzuführen sein. Um dem entgegenzuwirken, sieht der neue § 200 a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) das qualifizierte Mitwirkungsverlangen vor, das sich auf die Mitwirkungspflichten nach § 200 AO stützt. Danach hat der Steuerpflichtige u. a. Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben.
Ermessensentscheidung des Prüfers
Das (neue) qualifizierte Mitwirkungsverlangen stellt eine Ermessensentscheidung des Prüfers dar, die frühestens nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ergehen darf. Entscheidet sich der Prüfer für ein solches Mitwirkungsverlangen, ist es schriftlich oder elektronisch (versehen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung) zu erteilen.
Beachten Sie | Der Steuerpflichtige muss in diesem Fall schnell handeln. Denn das Mitwirkungsverlangen ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe zu erfüllen. Nur in begründeten Einzelfällen kann die Frist verlängert werden.
Neu: Mitwirkungsverzögerungsgeld
Problematisch wird das qualifizierte Mitwirkungsverlangen für den Steuerpflichtigen, wenn es nicht oder nicht hinreichend innerhalb der Frist erfüllt wird. Denn in diesen Fällen wird das neu eingeführte Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt (§ 200 a Abs. 2 AO). Ausnahme: Die Mitwirkungsverzögerung erscheint entschuldbar, beispielsweise bei einer stark beeinträchtigenden Erkrankung.
Beachten Sie | Das Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung (also für jeden vollen Tag nach Verstreichen der im Mitwirkungsverlangen gesetzten Frist) 75 Euro. Gerechnet werden die Tage bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Mitwirkungsverlangen erfüllt wird – spätestens bis zum Tag der Schlussbesprechung. Denn nach der Schlussbesprechung gibt es keinen Bedarf mehr, eine Mitwirkung sicherzustellen.
Allerdings dürfen maximal 150 Tage zugrunde gelegt werden, sodass das Mitwirkungsverzögerungsgeld maximal 11.250 Euro betragen kann (150 Tage × 75 Euro).
Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld
Nicht immer bleibt es bei dem Mitwirkungsverzögerungsgeld. Denn es steht im Ermessen des Prüfers, nach § 200 a Abs. 3 AO zusätzlich einen Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzen. Voraussetzung ist, dass
- gegen den Steuerpflichtigen in den letzten fünf Jahren ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wurde und zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt oder
- wegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt. Davon ist auszugehen, wenn die Umsatzerlöse in einem der von der Prüfung umfassten Jahre mindestens 12 Mio. Euro betragen oder sich die konsolidierten Umsatzerlöse bei Konzernen auf mindestens 120 Mio. Euro belaufen.
Entscheidet sich der Prüfer für den Zuschlag, steht auch die Höhe in seinem Ermessen. Dabei darf der Zuschlag höchstens 25.000 Euro für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung betragen – ebenfalls für maximal 150 Tage (maximal somit 3,75 Mio. Euro).
Teilabschlussbescheid und Inkrafttreten
Um die Betriebsprüfungen zu beschleunigen, wurde auch der neue Teilabschlussbescheid eingeführt. Denn oft scheitert der zeitnahe Abschluss an einem einzelnen Sachverhalt, der nur durch intensiven Arbeitseinsatz aufgeklärt werden kann. Das Problem: So entsteht keine Rechtssicherheit bezüglich weiterer geprüfter Sachverhalte.
Durch den neuen § 202 Abs. 3 AO hat der Prüfer die Möglichkeit, bereits vor Abschluss der Prüfung einen Teilprüfungsbericht zu übermitteln und im Anschluss einen Teilabschlussbescheid zu erlassen. Hierdurch lassen sich einzelne im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte und abgrenzbare Feststellungen vor dem abschließenden Prüfungsbericht gesondert feststellen. Kann der Steuerpflichtige ein erhebliches Interesse an einem Teilabschlussbescheid glaubhaft machen, soll dieser auf Antrag ergehen.
Beachten Sie | Die Neuerungen gelten erst für Steuern und Steuervergütungen, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Sie sind aber auch für Steuern und Steuervergütungen anzuwenden, die vor dem 1.1.2025 entstehen, wenn für diese Steuern und Steuervergütungen nach dem 31.12.2024 eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde.
Quelle | Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie, BGBl I 2022, S. 2730
| Verlängert sich die dem Verbraucher gesetzlich eingeräumte 14-tägige Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge, wenn der Verkäufer in seiner Widerrufsbelehrung seine Telefonnummer nicht angibt? Diese Frage hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden. |
Kauf im Online-Shop über 62.000 Euro
Der Kläger hatte am 4.5.2022 über den Onlineshop der Beklagten ein Elektrofahrzeug zum Preis von rund 62.000 Euro erworben. Die Auslieferung des Fahrzeugs erfolgte am 20.12.2022. Am 14.8.2023 erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrags. Zu spät, entschied nun auch das OLG in zweiter Instanz und wies damit die Berufung des Klägers zurück.
Rechtlicher Hintergrund
Verbrauchern steht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: §§ 312 g Abs. 1, 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, im Normalfall beginnend ab Erhalt der Ware. Wird der Verbraucher jedoch nicht korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB). Die Informationspflichten des Unternehmers ergeben sich aus dem Einführungsgesetz zum BGB (hier: Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB). Der Unternehmer kann die Informationspflichten auch durch die Verwendung einer Musterwiderrufsbelehrung erfüllen, die sich in der Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB befindet.
Fehlende Telefonnummer ohne Auswirkungen
Hier hatte die Autohändlerin in ihrer selbst formulierten Widerrufsbelehrung, die sie dem Kläger übermittelte, keine Telefonnummer angegeben. Diese war jedoch auf der Internetseite der Beklagten zu finden. Das OLG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist geführt hat.
Widerruf eines Autokaufs wahrscheinlich eher schriftlich als per Telefon
Es entschied, dass die Widerrufsbelehrung auch ohne Angabe einer Telefonnummer den gesetzlichen Anforderungen genügt und sich die Widerrufsfrist daher nicht verlängert. Die Nichtangabe der Telefonnummer begründe bei einem Autokauf, der von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sei, nicht die Gefahr, dass der Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werde.
Ein typischer Kunde würde allein aus Beweiszwecken bei den hohen Summen eines Elektroautokaufs den Widerruf vernünftigerweise auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. per E-Mail) übermitteln.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 7.11.2024, 14 U 95/24, PM 8/25
| Hat sich der Übergeber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anlässlich der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ein Wohnungsrecht an einer Wohnung des übergebenen Vermögens vorbehalten, ist ein Sonderausgabenabzug des Mietwerts nach Meinung der Finanzverwaltung ausgeschlossen. Dieser Ansicht hat aber nun das Finanzgericht (FG) Nürnberg widersprochen. |
Hintergrund: Wird ein Betrieb gegen Versorgungsleistungen auf nahe Angehörige übertragen, kann der Betriebsübernehmer die Versorgungsleistungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 a Nr. 2 EStG) als Sonderausgaben abziehen, die der Empfänger versteuern muss (nach § 22 Nr. 1a EStG).
Das war geschehen
Anlässlich einer Hofübergabe wurde dem Übergeber ein Altenteil in Form eines vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts, Taschengelds und der Mitbenutzung von Gegenständen eingeräumt. Den vom Vermögensübernehmer als Sonderausgaben geltend gemachten Nutzungswert der Altenteilerwohnung erkannte das Finanzamt allerdings nicht an, da nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2010 nur die mit der Nutzungsüberlassung tatsächlich zusammenhängenden Aufwendungen (wie Strom, Heizung, Wasser und Instandhaltungskosten), nicht jedoch der Nutzungswert der Altenteilerwohnung berücksichtigt werden können.
Finanzgericht gibt Kläger Recht, Revision ist eingelegt
Die hiergegen eingelegte Klage war vor dem FG Nürnberg erfolgreich. Nach Auffassung des FG kann der Fall, dass der Versorgungsberechtigte mit dem ihm gewährten (höheren) Barunterhalt selbst eine Wohnung mietet, für den Bereich des Sonderausgabenabzugs nicht anders behandelt werden als der Fall, in dem sich die Versorgungsleistung aus (niedrigerem) Barunterhalt und unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zusammensetzt.
Da die Revision anhängig ist, muss nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden.
Quelle | FG Nürnberg, Urteil vom 6.2.2025, 4 K 1279/23, Rev. BFH: X R 5/25, BMF-Schreiben vom 11.3.2010, IV C 3 - S 2221/09/10004, Rz. 46
| Der Bundesfinanzhof (BFHZ) hat jüngst entschieden, dass die Erteilung von Reitunterricht nicht von der Umsatzsteuer befreit ist, es sei denn, der Unterricht dient der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung. |
Das war geschehen
Im Streitfall begehrte der Kläger die Steuerbefreiung verschiedener Reitkurse für Kinder und Jugendliche auf seinem Reiterhof in den Jahren 2007 bis 2011. In der „Ponygruppe“ wurden Kinder und Jugendliche und bei „Klassenfahrten“ wurden Schulklassen im Umgang mit Pferden unterrichtet.
Zudem wurden Kurse für eine „Große Pferdegruppe“ angeboten, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen gerichtet waren. Die unterrichteten Kinder und Jugendlichen wurden darüber hinaus verpflegt und übernachteten teilweise auch auf dem Reiterhof.
Uneinigkeit der gerichtlichen Instanzen
Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, dass sämtliche Leistungen steuerpflichtig seien. Das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein sah das aber größtenteils anders. So seien die Umsätze insoweit steuerfrei, als sie auf die Beherbergung und Verpflegung sowie auf den Teil des Reitunterrichts entfielen, mit dem die formalen Voraussetzungen dafür erlangt werden können, später den Beruf des Turniersportreiters auszuüben („Große Pferdegruppe“).
Der Meinung des Finanzgerichts hat sich der BFH aber nicht vollumfänglich angeschlossen.
Der BFH stellte klar, dass es sich bei der Beherbergung und Verpflegung von Kindern und Jugendlichen um selbstständige steuerbare Leistungen neben dem Reitunterricht handelt. Er hob weiter hervor, dass Reitunterricht (als spezialisierter Unterricht) kein „Schul- und Hochschulunterricht“ ist.
Beachten Sie | Entsprechendes ist bereits für Segel-, Fahr-, Schwimm-, Jagd- und Tanzschulen entschieden worden.
Anerkennung als Ausbildung an strenge Voraussetzungen geknüft
Die Einstufung von Reitunterricht als „Ausbildung“ oder „Fortbildung“ kommt nach Auffassung des BFH nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Reitunterricht, der typischerweise der Freizeitgestaltung dient, ist in der Regel keine Ausbildung oder Fortbildung, da er nicht auf einen bestimmten Beruf vorbereitet. Die Kurse der „Ponygruppe“ und für Schulklassen im Rahmen der „Klassenfahrten“ sind daher umsatzsteuerpflichtig.
Beachten Sie | Die Ansicht des BFH dürfte insoweit strenger sein als die Auffassung der Finanzverwaltung zu Ballett-, Tanz- oder Musikunterricht.
Spätere Turniersportreiter: umsatzsteuerfreie Kurse
Bei den Kursen der „Großen Pferdegruppe“ lagen hingegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme vor, da zahlreiche Teilnehmer später Turniersportreiter wurden. Diese Kurse sind folglich umsatzsteuerfrei.
Hinsichtlich der Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für die Kinder und Jugendlichen führte der BFH aus, dass die hierfür seinerzeit geltende Steuerbefreiung nur in Betracht kommt, wenn eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter vorliegt. Bereits hieran fehlte es aber im Streitfall. Denn der Kläger konnte eine solche Anerkennung nicht vorweisen.
Beachten Sie | Seit dem 1.1.2020 können nur noch die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben insoweit umsatzsteuerbefreit sein, was der Kläger aber nicht ist.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 9/22, PM 35/25 vom 30.5.2025
| Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen und übernimmt der neue Eigentümer die auf dem Grundstück lastenden Schulden, liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund : Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Spekulationsbesteuerung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 23 EStG).
Beachten Sie | Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die
- im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
Das war geschehen
Der Vater hatte im Jahr 2014 ein Grundstück für 143.950 Euro erworben und teilweise fremdfinanziert. 2019 übertrug er das Grundstück auf seine Tochter. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Grundstück einen Wert von 210.000 Euro. Die Tochter übernahm die am Übertragungstag bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 115.000 Euro.
Finanzamt: Aufteilung in entgeltlich und unentgeltlich
Das Finanzamt teilte den Vorgang (ausgehend vom Verkehrswert im Zeitpunkt der Übertragung) in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichenTeil auf. Soweit das Grundstück unter Übernahme der Verbindlichkeiten entgeltlich übertragen worden war, besteuerte das Finanzamt den Vorgang als privates Veräußerungsgeschäft.
Hiergegen klagte der Vater vor dem Finanzgericht (FG) Niedersachsen und bekam Recht. Die Begründung: Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten sind keine Veräußerungen (im Sinne des § 23 EStG).
Höchste Instanz bestätigt Vorgehen des Finanzamts
Doch die Freude währte nicht lange, denn der BFH schloss sich der Ansicht des Finanzamts an.
- Wird ein Wirtschaftsgut übertragen und werden damit zusammenhängende Verbindlichkeiten übernommen, liegt regelmäßig ein teilentgeltlicher Vorgang vor. In diesem Fall erfolgt eine Aufteilung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichenTeil.
- Wird das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen, unterfällt der Vorgang hinsichtlich des entgeltlichen Teils als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensteuer.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.3.2025, IX R 17/24, PM 37/25 vom 30.5.2025
| Frauen muslimischen Glaubens haben keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kfz mit einem Gesichtsschleier (Niqab). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin bestätigt. |
Antrag auf Ausnahmegenehmigung
Die Klägerin hatte ihren Antrag auf Ausnahmegenehmigung damit begründet, dass sie sich gemäß ihrem Glauben außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Da sie im Auto den Blicken fremder Menschen ausgesetzt sei, müsse es ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Das VG hatte die Klage abgewiesen.
Berufung nicht zugelassen
Das OVG hat den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Mit ihren Einwendungen hat die Klägerin es nicht vermocht, ernstliche Richtigkeitszweifel an der Entscheidung des VG zu wecken oder Verfahrensfehler offenzulegen.
Keine wesentliche Einschränkung der Religionsfreiheit
Die Annahme des VG, dass das Tragen einer Gesichtsverschleierung während des Autofahrens für die Religionsausübung typischerweise keine wesentliche Einschränkung bedeutet und angesichts der zeitlich und örtlich eingeschränkten Wirkung des Verbots hinzunehmen ist, konnte sie nicht durchgreifend in Frage stellen.
Dasselbe gilt für die Annahme des VG, dass das der zuständigen Behörde bei der Frage der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt wurde, weil der Eingriff zur Sicherstellung der effektiven automatisierten Verkehrsüberwachung gerechtfertigt ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Quelle | OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.4.2025, OVG 1 N 17/25 , PM 11/25
| Wer seine SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergibt, hat keinen Anspruch auf Rückzahlung abgebuchter Kreditkartenbeträge. So entschied es das Amtsgericht (AG) München. |
Das war geschehen
Der Ehemann der Klägerin wollte am Samstag, den 6.1.2024, für seine Ehefrau und sich eine Reise im Internet buchen. Hierzu gab er auf der Website „Check24“ die Daten der Kreditkarte seiner Ehefrau ein. Kurz darauf erschien eine Mitteilung, dass ein Betrag in Höhe von 318,99 Euro vorgemerkt sei, ehe weitere Mitteilungen über vergleichbare Vormerkungen erschienen. Die Klägerin veranlasste noch am selben Abend telefonisch die Sperrung der Kreditkarte. Am Montag, den 8.1.2024 sind sechs unberechtigte Abbuchungen zu je 318,99 Euro für Giftcards vom Konto der Klägerin erfolgt, insgesamt 1.953,29 Euro.
Zur Autorisierung der Transaktionen fand das Mastercard 3D-Secure-Verfahren Anwendung. Zur Aktivierung dieses Verfahrens auf einem weiteren Gerät übersandte die beklagte Bank am 6.1.2024 eine SMS-TAN an die von der Klägerin bei der Beklagten hinterlegte Mobilfunknummer. Die an die Klägerin versandte SMS-TAN wurde dann auf dem weiteren mobilen Endgerät, auf dem auch die Banking-App freigeschaltet wurde, am 6.1.2024 eingegeben und damit das Secure-Verfahren aktiviert.
Die Klägerin behauptete, dass sie diese Abbuchungen nicht autorisiert habe. Bei der Buchung sei sie nicht nach PIN oder Passwort gefragt worden, sie habe auch nirgendwo eine SMS-Tan eingegeben. Es sei nicht erkannt worden, dass es sich möglicherweise um eine „Fake“-Website handelte.
Die beklagte Bank ging davon aus, dass die Frau die SMS-Tan an einen Dritten weitergegeben haben muss, da eine Freigabe der Buchungen anders technisch nicht möglich gewesen sei und verweigerte die Zahlung. Die Klägerin verklagte die Bank daher vor dem AG auf Rückzahlung der 1.953,29 Euro.
So sah das Amtsgericht den Sachverhalt
Das AG wies die Klage ab. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Abbuchungen nicht von der Klägerin autorisiert waren, sondern von Dritten getätigt wurden. Aufgrund der Beweisaufnahme war das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin die SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergegeben haben muss, weshalb ein Schadenersatzanspruch der Bank gegen die Klägerin in gleicher Höhe bestehe, mit dem die Bank aufgerechnet habe.
Das AG: Der Vortrag der Bank, dass diese in ihren Systemen feststellen konnte, dass das Mastercard 3D-Secure Verfahren per Banking App für die Kreditkarte der Klägerin am 6.1.2024 um 13:30 Uhr aktiviert wurde, und zur Aktivierung dieses Verfahrens auf dem neuen Gerät eine SMS-TAN an die im Vertrag hinterlegte Mobilfunknummer der Klägerin versandt wurde, wurde durch Inaugenscheinnahme des Mobiltelefons der Klägerin bestätigt. Dort befindet sich eine SMS vom 6.1.2024 13:29 Uhr mit dem Inhalt: „ … ist Ihre TAN für die Aktivierung von Mastercard Identity Check vom 6.1.2024 13:44 Uhr.“ Der Eingang der SMS um 13:29 Uhr war im eingesehenen Nachrichtenverlauf um 13:29 Uhr dokumentiert und wird auch durch das vorgelegte IT-Protokoll belegt. Der Vortrag der Klägerin, keine SMS-TAN erhalten zu haben und dass ihr Mobiltelefon nicht in die Freigabe involviert war, erwies sich damit als widerlegt.
SMS-Tan war unzweifelhaft eingegeben worden
Die Bank hat unbestritten vorgetragen, dass aufgrund der manuellen Eingabe einer an die Mobilfunknummer der Klägerin versandten SMS-Tan ein Fremdzugriff technisch ausgeschlossen ist. Es wurde ein neues Gerät im Online-Banking der Klägerin als Freigabeinstrument im Rahmen des 2-Faktor-Authentifizierungsverfahrens hinterlegt. Hierzu war – technisch zwingend – die Eingabe der SMS-Tan erforderlich. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Klägerin durch Preisgabe der SMS-Tan Dritten eine Registrierung eines Geräts ermöglicht hat, wobei die Preisgabe persönlicher Sicherheitsmerkmale an Dritte gemäß den vertraglichen Bestimmungen untersagt war.
Verhalten der Klägerin war grob fahrlässig
Das Verhalten der Klägerin bewertet das Gericht als grob fahrlässig. Es ist eine Sache, wenn man seine Kreditkartendaten offenbart. Diese werden bei jeder Verwendung offenbart und können auch von der Karte abgelesen werden.
Die Weitergabe eines im Rahmen einer Zwei-Faktor-Autorisierung erhaltenden Zugangscodes kann nicht damit gleichgesetzt werden. Mit dieser Weitergabe hilft der Nutzer, die Sicherheitsarchitektur grundlegend auszuhebeln. Es muss jedem verständigen Nutzer solcher Kreditkarten klar sein, welches Risiko er mit der Weitergabe derartiger Daten schafft. Die Klägerin mag dies nicht bewusst getan haben und es mag auch nicht erinnerlich sein. Indessen lässt sich der Vorgang plausibel nicht anders erklären.
Quelle | AG München, Urteil vom 8.1.2025, 271 C 16677/24, PM 14/25
| Nach den Vorgaben des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes (FKAustG) werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates automatisch ausgetauscht. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun die Staatenaustauschliste 2025 bekanntgegeben. Enthalten sind die Staaten, mit denen der automatische Datenaustausch zum 30.9.2025 erfolgt. Weitere Informationen zum Informationsaustausch erhalten Sie u. a. auf der Website des Bundeszentralamts für Steuern (abrufbar unter www.iww.de/s2991). |
Quelle | BMF-Schreiben vom 3.6.2025, IV D 3 - S1315/00304/070/025
| Die Vermietung von Zimmerkontingenten an eine Kommune zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter überschreitet nicht den Nutzungszweck eines zum Hotelbetrieb gepachteten Gebäudes. Dies gilt jedenfalls, solange hiermit keine übermäßige Abnutzung oder sonstige Beeinträchtigung für den Verpächter verbunden ist, die über die übliche Nutzung durch Hotelgäste hinausgeht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die auf Räumung und Herausgabe des Hotels gerichtete Klage der Verpächterin abgewiesen. |
War die Unterbringung Geflüchteter vertragswidrig?
Die Klägerin schloss 2016 mit der Beklagten einen Vertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb des „Hotel F.“ in Gießen. Die Sache durfte vertraglich nur zum vereinbarten Nutzungszweck gebraucht werden. Seit Herbst 2022 buchte das Jugendamt der Stadt Gießen regelmäßig Zimmer für in seiner Obhut stehende Jugendliche. Nach Abmahnung kündigte die Klägerin 2023 fristlos. Sie hält die Unterbringung unbegleiteter Jugendlicher für vertragswidrig. Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt.
In der Berufung wies das OLG die Klage ab. Der Vertrag zwischen den Parteien sei nicht wirksam fristlos gekündigt worden. Die Beklagte habe nicht die Rechte der Klägerin durch eine unbefugte Überlassung an Dritte in erheblichem Maße verletzt. Dem Betrieb eines Hotels sei es immanent, dass es zu Beherbungsverträgen mit Dritten komme. Davon umfasst sei auch, dass bei der Buchung von Zimmerkontingenten durch Firmen o. Ä. ein ganzes Hotel faktisch durch denselben Mieter belegt werde. Der Abschluss von zeitlich begrenzten und auf bestimmte Zimmer bezogenen Beherbungsverträgen mit der Stadt Gießen sei folglich nicht unbefugt gewesen. Die Grenze zur unzulässigen Gebrauchsüberlassung wäre nur überschritten, wenn die Stadt das gesamte Gebäude übernommen und zu einem Flüchtlingsheim umgebaut hätte.
Keine Gefährdung der Mietsache, keine Pflichtverletzung
Eine zur Kündigung berechtigende Gefährdung der Mietsache durch unbegleitete minderjährige Geflüchtete sei nicht erkennbar. Es liege keine Pflichtverletzung wegen Überschreitung des Vertragszwecks vor, die zur Kündigung berechtigte. Die zeitweilige Vermietung zum o. g. Zweck überschreite nicht den Vertragszweck. Die vertraglich vereinbarte Nutzungsart als Hotel sei durch das Angebot von individueller Unterkunft, Service, Verpflegung und Nebenleistungen gekennzeichnet. Aufenthaltsdauer, -zweck und Motive für die Anmietung der Zimmer stellten keine entscheidenden Kriterien für die Bewertung als Hotelbetrieb dar. Es bestehe kein Anspruch darauf, „dass die Vermietung nur an einen bestimmten Personenkreis erfolgen darf, solange keine Beeinträchtigungen der Räumlichkeiten vorliegen bzw. zu befürchten sind“, unterstrich das OLG und es sei auch nicht vorgetragen, dass „Geflüchtete die Zimmer intensiver und nachlässiger nutzten als dies bei einer „normalen“ Vermietung an Hotelgäste der Fall wäre“.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.2.2025, 2 U 63/24, PM 21/25
| Das Landgericht (LG) Hanau hat entschieden: Die Anforderung von Belegkopien der Betriebskostenabrechnung ist kein wirksames Einsichtnahmeersuchen, wenn die Einsicht beim Vermieter zumutbar ist. Hierfür kommt es auf die Entfernung zur Mietwohnung an und nicht auf den Ort, an den der Mieter nach Mietende verzogen ist. |
Muss Mieter Belege einsehen oder muss Vermieter sie zuschicken?
Nach Mietvertragsende verlangte der Mieter die geleistete Kaution zurück. Die dann noch erstellte Betriebskostenabrechnung wies eine Nachforderung auf, die der Vermieter mit der Kaution verrechnete. Der inzwischen über 120 km weit weggezogene Mieter widersprach der Abrechnung, forderte die Übersendung von Belegkopien, um die Abrechnung zu prüfen, und klagte auf Rückzahlung der gesamten Kaution. Er bringt vor, keine Kopien erhalten zu haben, zumal der Vermieter für eine Einsichtnahme bei diesem nun zu weit entfernt sei.
So sahen es die Gerichte
Das Amtsgericht (AG) hat die Klage in Höhe der verrechneten Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das LG entschied, dass die Einwände gegen die Abrechnung zu unkonkret waren, weil der Mieter die Belege nicht geprüft hat. Der Vermieter habe die Belegeinsicht auch nicht verweigert, weil der Mieter unzulässigerweise die Übersendung von Kopien verlangte. Da die Belegprüfung grundsätzlich beim Vermieter erfolgen muss, lag schon kein wirksames Einsichtnahmeersuchen vor.
Kein Ausnahmefall
Der Mieter könne auch nicht ausnahmsweise die Zusendung von Kopien fordern. Das sei zwar möglich, wenn der Vermieter zu weit entfernt ansässig ist. Hierfür komme es jedoch auf die Entfernung der Mietsache zu diesem an, wobei eine Anreise von Hanau nach Frankfurt zumutbar sei. Dass der Mieter nun über 120 km entfernt wohnt, liege hingegen in seinem Risikobereich und führe nicht zu einem Recht auf Übersendung von Kopien.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | LG Hanau, Beschluss vom 24.3.2025, 2 S 43/24, PM vom 8.5.2025
| Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg bestätigte die Vorinstanz: Der kulturelle und familiäre Wert einer Sammlung aus Gemälden und historischen Gegenständen ist höher zu setzen als das Interesse einzelner Familienmitglieder an der Verwertung der Gegenstände. Letzteres hatte ein Teil der Familie aufgrund interner Differenzen verlangt. |
Das war geschehen
Die Nachfahren einer Nürnberger Patrizierfamilie stritten in einem Zivilprozess um den Erhalt ihrer Familiensammlung – einer Sammlung von Gemälden und historischen Gegenständen, die über Jahrzehnte als ungeteiltes Familienvermögen innerhalb der Familie über die Erbfolge weitergegeben wurde. Ein Teil der Familie begehrte den Pfandverkauf der historischen Sammlungsgegenstände, die teils in privater Nutzung sind, teils im Germanischen Nationalmuseum verwahrt werden, um die Erben- und Bruchteilsgemeinschaft auseinanderzusetzen. Die beklagten Familienmitglieder widersetzten sich dem und beriefen sich auf ein in einem Familienvertrag aus dem Jahr 1936 festgelegtes immerwährendes Teilungsverbot für das verfahrensgegenständliche Familienvermögen. Die Kläger verwiesen auf eine spätere Aufhebung sowie Nichtigkeit dieses Familienvertrags, denn dessen Regelungen sahen unter anderem die Weitergabe der Familiensammlung nur an männliche Nachkommen vor.
So sah es die erste Instanz
Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth hatte in erster Instanz die Klage abgewiesen. Es sah die Aufhebung des Familienvertrags nicht durch die vorhandenen Protokolle der Familienversammlungen belegt und erachtete das von der Familie im Jahr 1936 in Bezug auf die Familiensammlung vereinbarte dauerhafte Teilungsverbot als wirksam und fortbestehend an. Die Klagepartei habe auch keine Umstände vorgebracht, die als wichtiger Grund eine Aufhebung der Gemeinschaft rechtfertigen könne. Die im Verfahren vorgetragenen innerfamiliären Differenzen reichten hierfür nicht aus.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Hiergegen legte ein Familienmitglied der unterlegenen Klageseite Berufung zum OLG ein. Dieses hat das Ersturteil bestätigt und die zur Begründung des Aufhebungsanspruchs vorgebrachten Gründe und Einwendungen der Berufung für nicht durchgreifend erachtet. Wie das Erstgericht bewerte der Senat die erbrechtliche Regelung im Familienvertrag zum Ausschluss der weiblichen Nachkommen als nichtig, was aber die Wirksamkeit des dauerhaften Teilungsverbots nicht berühre. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kam das OLG zu dem Ergebnis, dass das beklagtenseits eingewandte familiäre als auch öffentliche Interesse am Erhalt der Gesamtheit der Sammlung als Kulturgut dem klägerischen Interesse an einer Aufhebung der Gemeinschaft und an einer damit verbundenen Zerschlagung der Sammlung überwiege.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 28.2.2025, 1 U 2451/23 Erb, PM 12/25
| Bauarbeiter, die auf Baustellen einfache Arbeiten verrichten, einen festen Stundenlohn erhalten und am Markt nicht erkennbar unternehmerisch auftreten, sind regelmäßig abhängig Beschäftigte, für die die Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen. Dies entschied in drei Urteilen das Hessische Landessozialgericht (LSG). |
Baufirmen müssenSozialversicherungsbeiträge nachzahlen
Die Deutsche Rentenversicherung entschied in mehreren Fällen, dass Bauarbeiter abhängig beschäftigt sind. In zwei Fällen forderte sie nach entsprechenden Betriebsprüfungen von den im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge in fünfstelliger Höhe. In einem weiteren Verfahren hatte sie zunächst über den Antrag auf Statusfeststellung zu entscheiden.
Weder schriftliche Verträge noch eigene Werkzeuge
In diesen Fällen hatten angeblich selbstständige Werkunternehmer auf Baustellen der jeweils klagenden Baufirma gearbeitet. Bei diesen Bauarbeitern handelte es sich um ausländische Staatsangehörige mit allenfalls geringen Deutschkenntnissen. Sie erledigten Abbrucharbeiten, Maurertätigkeiten und Pflasterarbeiten, sanierten Bäder oder arbeiteten im Trockenbau. Schriftliche Verträge oder Auftragsbestätigungen gab es nicht. Die Abrechnungen erfolgten auf Basis der aufgeschriebenen Stunden bei einem Stundenlohn zwischen 10 und 15 Euro. Die Materialien und Werkzeuge wurden bis auf Kleinwerkzeuge von den jeweiligen Baufirmen gestellt.
Scheinselbstständige statt Werkunternehmer
Das LSG folgte der Einschätzung der Rentenversicherung. In allen drei Verfahren liege Scheinselbständigkeit vor.
Bei einfachen, typischen Arbeitnehmerverrichtungen, die der Beschäftigte im Wesentlichen ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübe, spreche die Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis. Die betroffenen Bauarbeiter seien jeweils in den Betrieb der klagenden Baufirma eingegliedert gewesen und hätten einfache Bauarbeiten getätigt, wie sie typischerweise abhängig Beschäftigte verrichteten.
Kein unternehmerisches Auftreten
Werkvertragstypische Vereinbarungen einer unternehmerischen Leistung hätten nicht festgestellt werden können. Zudem seien die angeblichen „Werkunternehmer“ schon aufgrund ihrer geringen Deutschkenntnisse zu einem unternehmerischen Auftreten am Markt nicht in der Lage gewesen.
Zwischen den Baufirmen und den Bauarbeitern getroffene Vereinbarungen über eine (angeblich) selbstständige Tätigkeit seien nicht relevant und könnten die gesetzlich angeordnete Sozialversicherungspflicht nicht ausschließen.
Quelle | Hessisches LSG, Urteil vom 3.4.2025, L 8 BA 4/22, L 8 BA 62/22 und L 8 BA 64/21, PM vom 3.4.2025
| Wandhängende WCs und Handtuchheizkörper in Standardausführung sowie Balkone in der Größe von vier qm sind in Milieuschutzgebieten genehmigungsfähig, weil sie der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dienen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden. |
Bauliche Änderungen nicht ohne Genehmigung
Die Klägerinnen sind jeweils Eigentümerinnen von Wohngebäuden in Milieuschutzgebieten in Berlin-Mitte. Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen soziale Erhaltungsverordnungen (umgangssprachlich Milieuschutzverordnungen) gelten. Sie sollen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im jeweiligen Gebiet schützen. Bauliche Änderungen bedürfen in Milieuschutzgebieten grundsätzlich einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Den Erlass von Milieuschutzverordnungen erlaubt ein Bundesgesetz, nämlich das Baugesetzbuch. In Berlin sind dafür die Bezirke zuständig. Aktuell gelten in Berlin über 40 Milieuschutzverordnungen.
Eine Klägerin möchte im Badezimmer einer Wohnung ein Stand-WC durch ein wandhängendes WC ersetzen sowie einen Handtuchheizkörper einbauen. Eine weitere Klägerin begehrt den Anbau von dreizehn Balkonen in der Größe von jeweils vier qm an die Wohnungen ihres Mehrfamilienhauses. Die Maßnahmen stellen nach Ansicht der Klägerinnen einen zeitgemäßen Ausstattungszustand ihrer Wohnungen dar. Das Bezirksamt versagte den Klägerinnen die erhaltungsrechtlichen Genehmigungen. Die Vorhaben gingen über einen zeitgemäßen Ausstattungszustand hinaus und seien als wohnwerterhöhende bauliche Änderungen im Milieuschutzgebiet nicht zulässig.
Genehmigungen sind zu erteilen
Das VG gab den dagegen erhobenen Klagen statt und verpflichtete das Bezirksamt, die Genehmigungen zu erteilen. Der Gesetzgeber habe im Baugesetzbuch geregelt, dass eine erhaltungsrechtliche Genehmigung zu erteilen sei, wenn die bauliche Maßnahme der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen diene.
Mittlerer Standard nicht wohnwerterhöhend
Der Gesetzgeber habe den Genehmigungsanspruch auch nicht auf bauliche Maßnahmen beschränkt, die der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dienten. Vielmehr habe er zugelassen, dass darüber hinaus auch in Milieuschutzgebieten eine behutsame Anhebung des Ausstattungszustands auf den Standard mittlerer Wohnverhältnisse erfolgen könne. Daran sei ein bundeseinheitlicher Maßstab anzulegen. Bei wandhängenden WCs und Handtuchheizkörpern in einer Standardausführung sowie bei vier qm großen Balkonen werde dieser Standard nicht überschritten. Dafür sprächen unter anderem die Verbreitung dieser Ausstattungsmerkmale bundesweit sowie der Umstand, dass die Mietspiegel der größeren deutschen Städte sie überwiegend nicht als wohnwerterhöhend einstuften.
Quelle | VG Berlin, Urteile vom 2.4.2025, VG 19 K 17/22 und VG 19 K 351/23, PM 24/25
| Trotz erfolgreich absolviertem ersten juristischen Staatsexamen hat ein Antragsteller, der erwiesenermaßen die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft, keinen Anspruch darauf, den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) zu durchlaufen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz. |
Fehlende Verfassungstreue
Der Antragsteller wollte nach erfolgreichem Jurastudium als Rechtsreferendar in den juristischen Vorbereitungsdienst eintreten. Dies lehnte das Oberlandesgericht (OLG) wegen fehlender Verfassungstreue des Antragstellers ab. Dieser suchte daraufhin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um gerichtlichen Rechtsschutz mit dem Ziel nach, ihn im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses einzustellen.
Eindeutige Publikationen
Der Antrag blieb ohne Erfolg. Dem Antragsteller, so das VG, fehle der notwendige sog. Anordnungsanspruch. Aus den einschlägigen Vorschriften des Landesgesetzes über die juristische Ausbildung sowie des Landesbeamtengesetzes folge, dass die juristische Ausbildung am Leitbild einer dem Rechtsstaat verpflichteten Person zu orientieren sei. Rechtsreferendare müssten sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Der Antragsteller werde dem nicht gerecht, wie von ihm verfasste und publizierte Texte belegten.
In einem von ihm geschriebenen Roman würden beispielsweise schwarze Menschen durch die Verwendung menschenverachtender Bezeichnungen pauschal herabgewürdigt. Es werde hierin behauptet, ein – namentlich genannter – österreichischer Fußballspieler, der dunkelhäutig sei, könne kein Deutscher oder Österreicher sein. In einem anderen Text attestierte er dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Demontage des Volksbegriffs. Der von dem Antragsteller vertretene Volksbegriff mit der Forderung nach einer „positiven Erneuerung Deutschlands“ könne nur als Forderung nach einer Umkehrung eines vermeintlichen „Bevölkerungsaustauschs“ verstanden werden. Zudem sei der Antragsteller Mitglied bei der „Jungen Alternative für Deutschland“ und dem Verein „Ein Prozent e. V.“ gewesen. Er habe in beiden Organisationen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Frühjahr 2023 als gesichert rechtsextremistisch einstufe, zumindest zeitweise herausgehobene Funktionen übernommen.
Die Entscheidung ist bestandskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 9.5.2025, 5 L 416/25.KO, PM 14/25
| Eine Tätowierung ist heute typischer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Während sichtbare Tattoos im Arbeitsleben immer normaler werden, stellt sich damit aber zunehmend die Frage, wer eigentlich das finanzielle Risiko trägt, wenn beim Stechen des Tattoos nicht alles glatt verläuft. Dazu liegt nun eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vor: Wer sich tätowieren lässt, erhält bei Komplikationen keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das LAG bestätigt damit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Flensburg. |
Pflegekraft ließ sich tätowieren
Die als Pflegehilfskraft beschäftigte Klägerin ließ sich am Unterarm tätowieren. In der Folge entzündete sich die tätowierte Stelle. Die Klägerin wurde daraufhin für mehrere Tage krankgeschrieben. Die beklagte Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum ab.
Die Klägerin führte vor Gericht aus, dass sie ja nicht Entgeltfortzahlung für den Tätowierungsvorgang geltend mache, sondern für eine davon zu trennende zeitlich nachfolgende Entzündung der Haut. Ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen. Es habe sich ein sehr geringes Risiko verwirklicht, das nur bei ein bis fünf Prozent der Fälle von Tätowierungen auftrete. Tätowierungen seien als Teil der privaten Lebensführung geschützt und mittlerweile weit verbreitet.
Die Arbeitgeberin entgegnete, die Klägerin habe bei der Tätowierung in eine Körperverletzung eingewilligt. Das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre deshalb nicht zum normalen Krankheitsrisiko und könne dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden.
Arbeitsunfähigkeit verschuldet
Das LAG ist der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Diese war zwar arbeitsunfähig krank. Sie hat die Arbeitsunfähigkeit aber verschuldet. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz handelt ein Arbeitnehmer immer schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt.
Die Klägerin musste bei der Tätowierung damit rechnen, dass sich ihr Unterarm entzündet. Dieses Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen ihr eigenes Gesundheitsinteresse dar. Sie hat selbst vorgetragen, in bis zu 5 % der Fälle komme es nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut. Dies ist keine völlig fernliegende Komplikation. Bei Medikamenten wird eine Nebenwirkung als „häufig“ angegeben, wenn diese in mehr als einem, aber weniger als zehn Prozent der Fälle auftritt. Zudem ist die Komplikation in der Hautverletzung durch die Tätowierung selbst angelegt.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.5.2025, 5 Sa 284 a/24, PM vom 2.7.2025
| Wenn ein Arbeitnehmer sich beim Kaffeetrinken verschluckt und infolgedessen stürzt, kann das im Einzelfall einen Arbeitsunfall darstellen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden. |
Nasenbeinbruch während morgendlicher Besprechung
Der Kläger war als Vorarbeiter auf einer Baustellebeschäftigt. Beim Kaffeetrinken während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer verschluckte er sich, ging hustend zur Tür, um sich draußen auszuhusten, verlor kurz das Bewusstsein und stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter. Dabei brach er sich das Nasenbein.
Berufsgenossenschaft und Sozialgericht: kein Arbeitsunfall
Das sei kein Arbeitsunfall, befand die zuständige Berufsgenossenschaft, denn das Kaffeetrinken habe keinen betrieblichen Zwecken gedient. Es sei vielmehr dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen. So sah es auch das Sozialgericht (SG), das in erster Instanz über den Fall entschieden hatte.
Landessozialgericht: auch Nahrungsaufnahme geschützt
Zu Unrecht, befand nun das LSG. Zwar erstrecke sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit damit ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird. Im vorliegenden Fall sei das Kaffeetrinken aber nicht auf das Grundbedürfnis des Durstlöschens gerichtet gewesen, sondern habe (auch) betrieblichen Zwecken gedient. Der gemeinsame Kaffeegenuss während der verpflichtend vorgeschriebenen Besprechung habe eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft bewirkt.
Arbeitgeber stellte den Kaffee zur Verfügung
Zudem habe der Kaffee für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesorgt. Das sei auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, der sich teilweise selbst um das Auffüllen der Kaffeevorräte gekümmert habe. Deshalb sei der Fall auch anders zu beurteilen, als wenn sich ein Arbeitnehmer z. B. in der Frühstückspause an einem Kaffee verschluckt, den er selbst in der Thermoskanne mitgebracht hat.
Quelle | LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.5.2025, L 6 U 45/23, PM 2/25
| Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Hostprovider – hier Meta – muss nach einem Hinweis auf einen rechtsverletzenden Post auf der Social-Media-Plattform Facebook auch ohne weitere Hinweise sinngleiche Inhalte sperren. Sinngleich sind etwa Beiträge mit identischem Text und Bild, aber abweichender Gestaltung (Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung), bloßer Änderung typografischer Zeichen oder Hinzufügung von Elementen, etwa sog. Captions, die den Aussagegehalt nicht verändern. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Arzt und bewarb in der Vergangenheit u. a. die sog. „Hirschhausen Diät“. Der Kläger wies die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach auf sog. Fake-Werbe-Videos hin, in denen er vermeintlich u. a. für Abnehmmittel werbe.
Gegenstand dieses Eilverfahrens sind zwei weitere solcher Deep-Fake Videos: Nutzer haben zum einen ein Video unter Verwendung eines Ausschnitts aus der Sendung von Markus Lanz hergestellt, in denen der Name, das Bildnis und die Stimme des Klägers verwendet werden und in dem dieser vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme wirbt. Dieses Video entfernte die Beklagte zeitnah nach Abmahnung durch den Kläger. In einem nachfolgend erschienenen, nahezu inhaltsgleichen weiteren Deep-Fake Video warb der Kläger ebenfalls vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme. Dieses Video entfernte die Beklagte ebenfalls – erst – nach entsprechendem Hinweis durch den Kläger. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassen der Verbreitung dieser beiden Videos in Anspruch. Das Landgericht (LG) hat den Antrag zurückgewiesen.
So sah es das Oberlandesgericht
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hatte teilweise Erfolg. Hinsichtlich des ersten Videos bestehe kein Unterlassungsanspruch, entschied das OLG. Die Beklagte sei als Hostproviderin grundsätzlich nicht verpflichtet, von den Nutzern ins Netz gestellte Beiträge vor ihrer Veröffentlichung auf etwaige Rechtsverletzungen hin zu prüfen. Ihre Haftung setze die Verletzung von Prüf- und Verhaltenspflichten voraus. Vor der Abmahnung des Klägers betreffend das erste Video sei die Beklagte nicht zur Löschung verpflichtet gewesen. Eine Löschpflicht habe sich insbesondere nicht aus den vorausgegangenen Hinweisen des Klägers auf andere, nicht sinngleiche sog. Fake-Werbungen ergeben. Grundsätzlich lösten derartige Hinweise nur Prüfpflichten hinsichtlich „sinngleicher Inhalte“ aus. Darunter fielen Inhalte, die in Bild und Text identisch, aber bei gleichbleibendem Gesamteindruck etwa abweichend gestaltet seien. Dies könne sich etwa auf die Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung mit Rahmen oder Zufügung sog. Caption beziehen. Die vorausgegangenen Hinweise des Klägers hätten sich hier jedoch auf in Bild und Text abweichende Inhalte bezogen.
Prüfplicht des Providers bestand
Hinsichtlich des zweiten Videos habe die Beklagte dagegen schon aufgrund der Abmahnung des Klägers hinsichtlich des ersten Videos eine Prüfpflicht getroffen. Es habe keiner weiteren Abmahnung bedurft. Das zweite Video unterscheide sich allenfalls marginal vom ersten. Nach dem Eindruck des OLG wirkten die Videos – bei voneinander abweichender Überschrift – nahezu identisch. Es lägen damit sinngleiche Inhalte vor. Da die Beklagte das zweite Video nicht bereits ohne weitere Abmahnung gesperrt habe, habe sie gegen ihre Prüfpflichten verstoßen. Im Ergebnis bestehe daher ein Unterlassungsanspruch.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nich tanfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.3.2025, 16 W 10/25, PM 14/25
| Zahlreiche Betriebsprüfungen zeigen, dass die Kassenführung oft beanstandet wird. Das Problem dabei: Ist die Kassenführung nicht ordnungsmäßig, drohen erhebliche Hinzuschätzungen. So war es auch in einem Fall, der vom Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein zu entscheiden war. |
Im Streitfall hatte bei einem bargeldintensiven Imbiss mit Sitzgelegenheiten eine Betriebsprüfung stattgefunden. Der Betreiberin, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte, wurden dabei zahlreiche Mängel in der Kassenführung vorgeworfen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem FG blieb erfolglos.
Beachten Sie | Allerdings ist inzwischen die Revision anhängig, in der insbesondere diese interessanten Fragen zu klären sind:
- Ist bei bestehenden Zweifeln im Hinblick auf den Programmierzustand und das Vorhandensein von Manipulationsspuren an der Registrierkasse vom FG ein Sachverständigengutachten einzuholen?
- Rechtfertigen fehlende Programmierprotokolle für die verwendete Kasse eine Schätzung dem Grunde nach?
- Ergibt sich aus einer angeblichen Abweichung von der Richtsatzsammlung eine Schätzungsbefugnis?
Quelle | FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.8.2023, 3 K 25/22, Rev. BFH, X R 27/24
| Hat eine Gesellschaft ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr, ist für die Berechnung der Steuerermäßigung gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 EStG) nicht auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums abzustellen, sondern auf das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahrs. Für die Aufteilung des Steuerermäßigungsbetrags sind der Gewerbesteuer-Messbetrag und die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des Wirtschaftsjahrs an der Gesellschaft beteiligt waren. So lautet ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Hintergrund: Unter den Voraussetzungen des § 35 EStG wirddie Gewerbesteuerbelastung kompensiert, indem die tarifliche Einkommensteuer um das Vierfache des festgesetzten Steuermessbetrags gemindert wird.
Quelle | BFH, Urteil vom 10.4.2025, IV R 21/22
| Mit Wirkung ab 1.6.2025 wurden die Gebühren für Eintragungen im Handelsregister um 50 Prozent erhöht. Demzufolge werden auch Unternehmensgründungen teurer. |
In der Begründung der Verordnung wird hierzu u. a. ausgeführt: „Die daraus insgesamt resultierenden Gebühreneinnahmen sollen dazu dienen, den Aufwand der Länder für den Betrieb der Registergerichte weitgehend zu decken, damit die Gerichte den Anforderungen an eine moderne, effiziente und sichere Registerführung auch künftig gerecht werden können.“
Quelle | Dritte Verordnung zur Änderung der Handelsregistergebührenverordnung, BGBl I 2025, Nr. 127
| Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft wird nur bereit sein, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung einer Eigentumswohnung zu (privaten) Wohnzwecken (also im privaten Interesse) eines Gesellschafters zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe erstattet werden und sie zudem einen angemessenen Gewinnaufschlag erhält. Vor diesem Hintergrund hat es das Finanzgericht (FG) Niedersachsen im Streitfall als rechtmäßig beurteilt, dass das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) angesetzt hat. |
Zum Hintergrund: Bei einer vGA handelt es sich – vereinfacht – um Vermögensvorteile, die dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gewährt werden. Eine vGA darf den Gewinn der Gesellschaft nicht mindern.
Im Anschluss an ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahr 2016 führte das FG weiter aus: Eine Vermietung zu marktüblichen, aber nicht kostendeckenden Bedingungen würde ein gewissenhafter Geschäftsführer (ausnahmsweise) in Betracht ziehen, wenn er bezogen auf den jeweils zu beurteilenden Veranlagungszeitraum bereits von der Erzielbarkeit einer angemessenen Rendite ausgehen kann.
Beachten Sie | Die danach für den Fremdvergleich maßgebliche Kostenmiete ist auch dann als Maßstab heranzuziehen, wenn der Gegenstand des Unternehmens der Kapitalgesellschaft auch neben der an die Gesellschafterin vermieteten Wohnung in der Vermietung von Immobilien besteht.
Gegen das Urteil ist die Revision anhängig. Gleichwohl sollte in vergleichbaren Fällen eine vGA bedacht werden. Es empfiehlt sich, Mietverträge zu prüfen und ggf. anzupassen.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 15.8.2024, 10 K 255/21, Rev. BFH, I R 21/24
| Ein Freiwilliger Wehrdienst kann bei einem volljährigen Kind für sich genommen keinen Kindergeldanspruch begründen. Gleichwohl kann während der Zeit des Wehrdienstes ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, wenn das Kind einen der gesetzlichen Berücksichtigungstatbestände erfüllt, also z. B. während des Wehrdienstes für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dabei ist es unschädlich, wenn das Kind nach Abschluss der Grundausbildung im Rahmen des Freiwilligen Wehrdienstes Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad ausübt. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Das war geschehen
Der Sohn absolvierte nach seinem Abitur einen zehn Monate dauernden Freiwilligen Wehrdienst. Die Familienkasse bewilligte dem Vater für die Übergangszeit zwischen Abitur und Grundausbildung sowie für die Zeit der Grundausbildung Kindergeld. Nach der Grundausbildung verrichtete der Sohn Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad, eine weitere Ausbildung bei der Bundeswehr fand nicht statt. Nach dem Ende des Wehrdienstes studierte er an einer zivilen Hochschule. Den Entschluss dazu hatte er während des Wehrdienstes gefasst.
Die Familienkasse versagte für die Zeit nach Beendigung der Grundausbildung bis zum Beginn des Studiums die Festsetzung von Kindergeld. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Vater Klage vor dem Finanzgericht (FG) Bremen. Da das FG die Revision zugelassen hatte und diese auch eingelegt wurde, musste nun der BFH entscheiden.
Beachten Sie | Der Freiwillige Wehrdienst gehört – anders als ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr – nicht zu den im Einkommensteuergesetz (hier: § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG) genannten Berücksichtigungstatbeständen, die schon für sich genommen einen Kindergeldanspruch begründen können.
Bundesfinanzhof: Kindergeldanspruch bestand
Dennoch entschied der BFH, dass auch nach dem Ende der Grundausbildung und trotz einer Erwerbstätigkeit des Kindes als Soldat mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden ein Kindergeldanspruch bestehen kann, wenn das Kind (wie im Streitfall) eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.
Beachten Sie | Die drei Monate dauernde Grundausbildung war zwar Teil einer Ausbildung zum Offizier oder Unteroffizier. Ihre Beendigung führte jedoch nicht zu einem für den weiteren Kindergeldbezug ggf. schädlichen Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung (i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG).
Es kam auf den Zeitpunkt des Entschlusses an
Für einen Monat wies der BFH die Revision jedoch zurück, weil sich der Entschluss des Sohnes, sich um einen Studienplatz zu bemühen, erst im Folgemonat objektiviert hatte. Der bloße Vortrag des Kindergeldberechtigten und des Kindes, der Entschluss zu einer Ausbildung oder zu einem Studium sei früher gefasst worden, ist für die Begründung des Anspruchs nicht ausreichend.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.2.2025, III R 43/22, PM 28/2025 vom 2.5.2025
| Ab Mai 2025 setzen vier Pilotfinanzämter (Brühl, Bielefeld-Außenstadt, Hamm und Lübbecke) des Landes Nordrhein-Westfalen erstmals ein KI-Modul zur Unterstützung der Steuerveranlagung ein. Das Ziel: Steuererklärungen sollen effizienter, schneller und treffsicherer bearbeitet werden.
Das neue KI-Modul ergänzt das bewährte Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung. Es erkennt Muster in den Steuerdaten und kann gut nachvollziehbare Fälle mit geringem Prüfbedarf gezielt identifizieren. Diese werden automatisiert verarbeitet – und damit schneller abgeschlossen.
Gestartet wird mit Arbeitnehmerfällen (also Steuererklärungen mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalerträgen, Vorsorgeaufwendungen, Sonderausgaben, haushaltsnahen Dienstleistungen und ähnlichen Bereichen). Die Ausweitung auf weitere Fallkonstellationen ist bereits in Planung.
Nordrhein-Westfalen übernimmt die Vorreiterrolle. Nach erfolgreichem Testlauf ist die landesweite Einführung geplant.
Quelle | FinMin NRW, Mitteilung vom 22.4.2025
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der auf Dienstreisen seinen privaten Pkw einsetzt, die tatsächlichen Kosten für jeden gefahrenen Kilometer auch dann ansetzen kann (im Streitfall: 2,28 Euro/km für einen Sportwagen), wenn er von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt bekommt, den er grundsätzlich für dienstliche und private Fahrten nutzen kann. |
Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall jedoch den Nachweis erbringen, dass er das Privatfahrzeug tatsächlich beruflich eingesetzt hat. Eine Angemessenheitsprüfung dem Grunde nach (hier: berufliche Nutzung eines privaten Fahrzeugs durch einen Arbeitnehmer, dem von seinem Arbeitgeber ein Geschäftsfahrzeug überlassen wurde) findet nicht statt.
Beachten Sie | Das Finanzamt will diese Entscheidung aber nicht akzeptieren und hat Revision eingelegt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.9.2024, 9 K 183/23, Rev. BFH: VI R 30/24
| Kinderbetreuungskosten sind als Sonderausgaben abzugsfähig. Bei Aufwendungen für Unterricht, für die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen ist ein Sonderausgabenabzug allerdings gesetzlich ausgeschlossen. Mit dem Abzugsverbot hat sich nun der Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt. |
Hintergrund: Kinderbetreuungskosten können nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) als Sonderausgaben steuerlich absetzbar sein. Folgende Aspekte sind hier zu beachten:
- Abzug von 80 % der Betreuungsleistungen, maximal 4.800 Euro pro Jahr.
- Der Abzug ist zulässig für haushaltszugehörige Kinder unter 14 Jahren (oder aufgrund Behinderung, Eintritt vor dem 25. Lebensjahr, Übergangsregel 27. Lebensjahr).
- Grundsätzlicherforderlich: Rechnung und Überweisung.
- Nichtabziehbar: Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen.
Betreuungscharakter muss im Vordergrund stehen
Nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen vor, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbstständigten Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichts- oder Kurszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen (sprachlichen, musischen, sportlichen) Fähigkeiten in den Hintergrund rückt.
Nicht begünstigteAufwendungen
Entsprechendes gilt für sportliche und andere Freizeitbetätigungen. Nicht begünstigte Aufwendungen für derartige Aktivitäten liegen daher vor, wenn
- die Betätigung organisatorisch, zeitlich und räumlich getrennt von einer Kindertagesstätte, einem Schulhort oder einer ähnlichen Einrichtung stattfindet und
- dabei nicht die altersbedingt erforderliche Betreuung des Kindes, sondern die Aktivität im Vordergrund steht.
Quelle | BFH, Urteil vom 23.1.2025, III R 33/24 (III R 50/17)
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen hat die Stadt Marburg dazu verpflichtet, einer Studentin einen Bewohnerparkausweis zu erteilen, die ein in Tschechien zugelassenes Fahrzeug nutzt. |
Kfz in Tschechien zugelassen
Die Klägerin wohnt in einem Bewohnerparkgebiet der Beklagten. Sie nutzt ein Kraftfahrzeug ihres Vaters, der tschechischer Staatsangehöriger ist und das Fahrzeug in Tschechien zugelassen hat. Im Frühjahr 2024 beantragte sie bei der Stadt Marburg, ihr einen Bewohnerparkausweises zu erteilen. Dies lehnte die Stadt mit der Begründung ab, dass sie Bewohnerparkausweise für Fahrzeuge mit ausländischer Zulassung nicht erteilen könne. Im Rahmen des Klageverfahrens argumentierte die Stadt weiter, dass eine ausländische Zulassung gegen eine dauerhafte Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin spreche, weil ein im Ausland zugelassenes Kraftfahrzeug nur vorübergehend am Verkehr in Deutschland teilnehmen dürfe.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG bejahte hingegen den Anspruch der Studentin auf einen Bewohnerparkausweis. Bei der Klägerin handele es sich um eine Anwohnerin, die das betroffene Fahrzeug nachweislich dauerhaft nutze.
Gegen eine dauerhafte Nutzung spreche insbesondere nicht, dass Kraftfahrzeuge mit ausländischer Zulassung nur vorübergehend am Straßenverkehr in Deutschland teilnehmen dürfen. Es sei bereits nicht klar, ob das von der Klägerin genutzte Fahrzeug diese Voraussetzungen erfülle. Die Klägerin gab nämlich an, dass sie das Fahrzeug während der Semesterferien nicht in Deutschland nutze. Diese Prüfung obliege der Zulassungsbehörde, die je nach Einzelfall eine Untersagung des Betriebs im öffentlichen Straßenverkehr ohne deutsche Zulassung aussprechen könne.
Die Versagung eines Bewohnerparkausweises für im Ausland zugelassene Fahrzeuge entspreche nicht dem Zweck der Vorschriften. Ein Bewohnerparkgebiet diene dem Anwohnerinteresse, in innerstädtischen Wohnstraßen eine Abstellmöglichkeit für ein (dauerhaft) genutztes Kraftfahrzeug zu finden.
Quelle | VG Gießen, Urteil vom 13.11.2024, 6 K 2830/24.GI, PM vom 19.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Ein zur Nichtigkeit der entsprechenden Vereinbarung führender Verstoß gegen den im Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 656 d BGB) geregelten Grundsatz der hälftigen Teilung des Maklerlohns liegt vor, wenn ein Makler allein für den Verkäufer einer Immobilie tätig geworden ist und der Käufer zur Zahlung des vollen Honorars an den Makler verpflichtet wird. |
Das war geschehen
Die Kläger erwarben ein mit einer Doppelhaushälfte bebautesGrundstück. Mit der Vermittlung des Verkaufs hatte die Verkäuferin das beklagte Maklerunternehmen beauftragt. Für die Vermittlung der Immobilie entstand zugunsten der Beklagten gegenüber der Verkäuferin ein Maklerlohnanspruch in Höhe von 25.000 Euro. Der im Exposé zunächst vorgesehene Kaufpreis wurde um einen Betrag in dieser Höhe reduziert. Zugleich verpflichteten sich die Kläger gegenüber der Beklagten zur Zahlung eines Honorars in gleicher Höhe, das sie nach notarieller Beurkundung des Kaufvertrags bezahlten. Eine Maklerlohnzahlung durch die Verkäuferin erfolgte nicht. Die Kläger verlangten die Rückzahlung des geleisteten Betrags.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: § 656 d BGB ist nicht nur auf Vereinbarungen der Parteien des Kaufvertrags über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus untereinander anwendbar, sondern erfasst jegliche Art einer vertraglichen Vereinbarung, durch die unmittelbar oder mittelbar ein Anspruch des Maklers auf Zahlung oder Erstattung von Maklerlohn gegenüber der Partei des Kaufvertrags begründet wird, die nicht Partei des Maklervertrags ist. Umfasst sind daher auch alle auf eine Verpflichtung zur Zahlung oder Erstattung des Maklerlohns gerichteten Vereinbarungen des Maklers mit der Partei des Kaufvertrags, die nicht Partei des Maklervertrags ist.
Der Anwendbarkeit des § 656 d BGB steht es deshalb auch nicht entgegen, dass die Verkäuferin der Immobilie von der Pflicht, den vereinbarten Maklerlohn zu entrichten, gegenüber der Beklagten nicht entbunden war. Da die Käufer im Innenverhältnis zur Verkäuferin verpflichtet waren, den Maklerlohn in voller Höhe zu bezahlen, blieb die Verkäuferin als die Partei, die den Maklervertrag abgeschlossen hat, nicht zur Zahlung des Maklerlohns mindestens in gleicher Höhe verpflichtet.
Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung
Der Verstoß gegen § 656 d BGB führt zur Gesamtnichtigkeit einer entsprechenden Vereinbarung. Die Kläger können von der Beklagten die Rückzahlung des Maklerlohns in voller Höhe verlangen.
Quelle | BGH, Urteil vom 6.3.2025, I ZR 138/24, PM 45/25
| Eine 77-jährige Frau, die über einer Supermarktfiliale wohnt, tätigte dort ihre Einkäufe bis zu einem Hausverbot Anfang des Jahres 2024 durch die Filialleitung. Sie behauptet, das Hausverbot sei nach einer Beschwerde ihrerseits ohne ersichtlichen Grund erteilt worden. Sie sei gesundheitlich stark eingeschränkt und nicht in der Lage, längere Strecken zurückzulegen und daher auf die Filiale angewiesen. Ohne ein Betreten des Supermarkts sei ihr eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verwehrt. Das Amtsgericht (AG) München wies ihre Klage ab. |
Wiederholtes Fehlverhalten
Die Filialleitung begründete das Hausverbot mit wiederholtem Fehlverhalten. Die Münchnerin habe Kunden beim Betreten des Markts von ihrer Wohnung aus beschimpft, habe das Geschäft regelmäßig ohne Einkaufsabsicht aufgesucht, Mitarbeiter in Gespräche verwickelt und diese von der Arbeit abgehalten. Sie habe sich zudem immer wieder an der Frischetheke des Markts Ware aufschneiden lassen und diese dann, anstatt zu kaufen, im Laden abgelegt.
Da der Supermarkt sich weigerte, das Hausverbot zurückzunehmen, verklagte sie den Betreiber vor dem AG auf Gewährung des Zutritts zum Supermarkt – ohne Erfolg.
Hausrecht deckt Hausverbot
Der Beklagte ist als Betreiber des Supermarkts aufgrund seines Hausrechts grundsätzlich berechtigt, Kunden selbst ohne sachlichen Grund ein Hausverbot zu erteilen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein Fehlverhalten der Klägerin vorlag.
Dem Betreiber einer Einrichtung, die erhebliche Bedeutung für das gesellschaftliche und kulturelle Leben hat, wird eine besondere rechtliche Verantwortung zugewiesen, die es ihm verbietet, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund auszuschließen. Entgegen der Auffassung der Klägerin entscheidet die Verweigerung des Zutritts für sie nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Ein Supermarkt dient der Daseinsvorsorge in Form von Einkäufen des täglichen Bedarfs, insbesondere an Lebensmitteln, nicht der sozialen Interaktion oder des kulturellen Austauschs.
Klägerin konnte auf konkurrierenden Supermarkt ausweichen
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Monopolstellung oder sonstige strukturelle Überlegenheit des Beklagten vorliegt, die dazu führt, dass bestimmte Personen nicht ohne sachlichen Grund ausgeschlossen werden könnten. Eine solche Monopolstellung des Markts des Beklagten für die tägliche Daseinsvorsorge ist im konkreten Fall nicht gegeben. Der Beklagte hat unbestritten ausgeführt, dass in fußläufiger Entfernung (ab 500 Metern) weitere Supermärkte vorhanden sind, die somit auch für betagtere Kunden problemlos zu erreichen sind.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 11.10.2024, 142 C 18533/24, PM 12/25
| Legt beim Gebrauchtwagenkauf der Verkäufer den Fahrzeugbrief vor, kann sich der Käufer normalerweise darauf verlassen, dass er es auch tatsächlich mit dem Eigentümer und nicht mit einem Betrüger zu tun hat. Dieses Vertrauen kann aber erschüttert sein, wenn die Umstände des Verkaufs trotzdem Verdacht erregen müssen. Dann muss der Käufer im Betrugsfall das Fahrzeug dem wahren Eigentümer zurückgeben und bleibt auf dem gezahlten Kaufpreis als Schaden sitzen. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal (Pfalz) entschieden. Es hat die Klage eines Autokäufers abgewiesen, der auf einen Betrüger hereingefallen war. |
Autokäufer war auf Betrüger hereingefallen
Der Käufer hatte den PKW von einem Betrüger für mehr als 35.000 Euro erworben. Kurze Zeit nach dem Kauf beschlagnahmte die Polizei das Fahrzeug und gab es dem ursprünglichen Eigentümer zurück. Dieser verkaufte es anschließend für knapp 49.000 Euro weiter.
Den Kaufpreis reklamierte der betrogene Käufer für sich. Er sei trotz des Betrugs Eigentümer des Fahrzeugs geworden. Er sei im Internet auf das Fahrzeug gestoßen und habe sich im Saarland zur Besichtigung verabredet. Auf dem Weg dorthin habe er die Mitteilung erhalten, dass das Kind des Verkäufers einen Treppensturz erlitten habe und in einem Krankenhaus in Frankreich liege. Dorthin sei er nun umgeleitet worden, wo der Kauf auf dem Parkplatz durch Barzahlung auch abgewickelt worden sei. Der Betrüger habe einen vermeintlich echten Fahrzeugbrief und einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt. Er habe deshalb daran glauben dürfen, dass das Fahrzeug diesem auch gehört habe.
Umstände des Kaufs waren dubios, Zweifel daher angebracht
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Der Käufer habe trotz Vorlage des scheinbar echten Fahrzeugbriefs grob fahrlässig gehandelt und das Fahrzeug daher nicht gutgläubig erworben. Denn die Umstände des Verkaufs hätten beim Käufer Zweifel erregen müssen, dass er den wahren Eigentümer vor sich hatte. So habe dieser einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt, obwohl sein im Kaufvertrag genannter Wohnsitz Frankenthal gewesen sei und das Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen zugelassen war.
Kurzfristige Verlegung der Übergabe ins Ausland
Auffällig sei ferner, dass der Verkäufer ursprünglich als Treffpunkt das vom angegebenen Wohnort abweichende Dillingen/Saar genannt habe. Typisch für unlautere Automobilgeschäfte sei auch das Bargeschäft und die kurzfristige telefonische Verlegung des Verkaufsorts an einen fremden und noch dazu im Ausland befindlichen Ort. Nach alledem könne der Käufer dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entgehen und habe den Schaden selbst zu tragen, so der Richter.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 3.4.2025, 3 O 388/24, PM vom 22.5.2025
| Das Amtsgericht (AG) Berlin-Charlottenburg hat entschieden: Hatte der frühere Vermieter die Hundehaltung erlaubt, kann der in das Mietverhältnis eingetretene Vermieter diese Gestattung nur aus wichtigem Grund widerrufen. Dies gilt, auch wenn es sich um einen Kampfhund handeln sollte. Dass sich Mitmieter aufgrund der Größe und Kraft eines solchen Hundes subjektiv bedroht fühlen, reicht für den Widerruf nicht aus. |
Vorheriger Vermieter hatte Hundehaltung gestattet, neuer Vermieter widerrief Erlaubnis
Die Parteien eines Mietvertrags über ein möbliertes Apartment stritten um die Räumung und Herausgabe einer Wohnung. Der Kläger, der aktuelle Vermieter, war nachträglich in das Mietverhältnis eingetreten. Der beklagte Mieter hält einen Hund, was ihm ausdrücklich vom früheren Vermieter erlaubt worden war.
Der Kläger hat die Erlaubnis zur Hundehaltung im Juni 2023 widerrufen und die Haltung eines Kampfhundes untersagt. Der Beklagte sollte seinen Hund bis Ende Juni 2023 entfernen. Noch im Juni mahnte der Kläger den Beklagten wegen nicht gestatteter Tierhaltung ab. Anfang August 2023 kündigte der Kläger das Mietverhältnis ordentlich zum 30.11.2023 und begründete dies mit der weiteren Haltung eines Kampfhundes sowie des Einsetzens des Hundes als Druck- und Nötigungsmittel.
Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung
Der Kläger behauptete, bei dem vom Beklagten gehaltenen Tier würde es sich um einen Kampfhund handeln. Der Beklagte würde dieses Tier gegenüber Nachbarn im Objekt als Druck- und Nötigungsmittel einsetzen, um Vorrang auf Wegen oder im Treppenhaus zu erzwingen. Mehr als ein anderer Bewohner im Objekt habe Angst vor dem Hund, die wollten aber nicht namentlich genannt werden. Er verklagte den Mieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Der Mieter behauptete hingegen, es handele sich nicht um einen „Listenhund“, sondern um eine Mischung aus Old-English-Bulldog und Weimeraner. Er reichte dazu zwei Fotos sowie eine tierärztliche Bescheinigung und weitere Unterlagen ein.
So entschied das Amtsgericht
Der Vermieter kann das Mietverhältnis nur aus berechtigtem Interesse kündigen. Das ist z. B. der Fall, wenn der Mieter vertragliche Pflichten erheblich verletzt, indem er z. B. ein Tier trotz Abmahnung weiter hält.
Im Fall des AG war es aber anders: Der ursprüngliche Vermieter hatte die Hundehaltung erlaubt. Der – große und kräftige – Hund, war– ohne Maulkorb – stets an der Leine geführt worden. Beißvorfälle oder -versuche oder Bedrohungen von Nachbarn mit dem Hund konnten nicht bewiesen werden. Ein – subjektives – Bedrohtfühlen genügt nicht, um die Erlaubnis zu widerrufen.
Quelle | AG Charlottenburg, Urteil vom 30.5.2024, 218 C 243/23
| Ein Streit um einen Erbschein hat kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Eine Erbin hatte falsche Angaben gemacht – mit unangenehmen Folgen. |
Wahrheitswidrige Angaben zum Testament
Eine Frau hatte nach dem Tod ihrer Mutter einen Erbschein beantragt, um als Alleinerbin ausgewiesen zu werden. Sie berief sich dabei auf ein Testament, machte aber falsche Angaben: Sie versicherte eidesstattlich, dass das Testament von der Verstorbenen eigenhändig verfasst worden sei. In Wirklichkeit hatte jedoch die Tochter das Testament geschrieben und die Mutter nur ihre Unterschrift darunter gesetzt.
Testament muss eigenhändig geschrieben sein
Die falschen Angaben betrafen einen entscheidenden Punkt: Ein Testament muss eigenhändig geschrieben oder von einem Notar beurkundet werden. Eigenhändig heißt, dass der Erblasser es komplett selbst und von Hand niederschreiben muss. Die bloße Unterschrift der Mutter reichte deshalb nicht aus – das Testament war unwirksam. Statt des Testaments galt die gesetzliche Erbfolge, das heißt: Die Antragstellerin musste sich das Erbe mit ihren Geschwistern teilen.
Streit um Anwaltskosten
Im Erbscheinverfahren vor dem Amtsgericht (AG) wurden die falschen Angaben aufgeklärt. Der Streit war damit aber nicht erledigt. Denn die Geschwister hatten Anwälte beauftragt, um gegen den unberechtigten Antrag vorzugehen. Zwei Schwestern verlangten die Erstattung der angefallenen Anwaltskosten. Das OLG gab ihnen nun Recht.
Mögliche strafrechtliche Konsequenzen
Für die unterlegene Schwester hat dies nicht nur finanzielle Folgen: Die Akten werden nun der Staatsanwaltschaft übergeben, denn eine falsche eidesstattliche Versicherung ist strafbar. Das OLG sah einen entsprechenden Anfangsverdacht; bis zu einer möglichen Entscheidung im Strafverfahren gilt für die Betroffene die Unschuldsvermutung.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 9.1.2025, 6 W 156/24, PM vom 20.2.2025
| Das Zerreißen eines Testaments durch den Erblasser ist eine Widerrufshandlung. Es wird gesetzlich vermutet, dass dieser Widerrufshandlung eine Widerrufsabsicht zugrunde lag. Die Aufbewahrung des zerrissenen Testaments im Schließfach widerlegt diese Vermutung nicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die Beschwerde des in dem zerrissenen Testament Begünstigten gegen einen auf Basis gesetzlicher Erbfolge erteilten Erbschein zurückgewiesen. |
Testament zerrissen, aber aufbewahrt
Der Erblasser war mit seiner Frau in letzter Ehe kinderlos verheiratet. Nach seinem Versterben beantragte die Frau einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Das Nachlassgericht erteilte den Erbschein, der die Frau neben der Mutter des Erblassers als Erben auswies. Zwei Monate später öffneten die Frau und ein Vertreter der Mutter des Erblassers das Schließfach des Erblassers. Dort befand sich ein handschriftliches Testament, das eine andere Person begünstigte. Es war längs in der Mitte durchgerissen. Das Nachlassgericht hat den Antrag des Begünstigten abgelehnt, den bereits erteilten Erbschein im Hinblick auf das nun aufgefundene, zerrissene Testament einzuziehen.
Widerruf durch schlüssige Handlung
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das Nachlassgericht habe die Einziehung des Erbscheins zu Recht abgelehnt, da dieser nicht unrichtig geworden sei. Der Begünstigte sei nichttestamentarischer Erbe geworden. Der Erblasser habe das den Begünstigten alsErben einsetzende Testament durch schlüssige Handlung widerrufen.
Durch das Zerreißen des Testaments in der Mitte habe derErblasser das Testament vernichtet. Es liege insoweit eine Widerrufshandlungvor. Das Testament sei unzweifelhaft auch „nicht durch äußere Einflüsse „anderweitig“ in zwei Teile geraten“. Dafür spreche, dass das Papier mittig, aber nicht vollständig gerade getrennt worden sei. Die Trennränder seien zudem nicht glatt. Anhaltspunkte für ein – ggf. sachverständig aufzuklärendes – anderweitiges Trennen des Schriftstücks in zwei Teile lägen nicht vor. Es sei auch davon auszugehen, dass der Erblasser selbst das Testament zerrissen habe, da nur er Zugang zum Bankschließfach gehabt habe. Nach den Angaben der bei Öffnung des Schließfachs Anwesenden bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Testament beim Öffnen oder Schließen des Schließfachs versehentlich von einer dritten Person zerrissen worden sei.
Gesetzliche Vermutung nicht widerlegt
Es werde gesetzlich vermutet, dass diese Widerrufshandlung mit Widerrufsabsicht erfolgte. Indizien, die diese Vermutung widerlegen würden, seien nicht erkennbar. Warum der Erblasser das zerstörte Testament im Schließfach aufbewahrte, sei zwar nicht nachvollziehbar. Dies allein genüge aber nicht zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung. Der Erblasser habe ausweislich der dokumentierten 31 Öffnungen des Schließfachs dieses offensichtlich nicht ausschließlich zur Aufbewahrung eines ungültigenTestaments angemietet.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.4.2025, 21 W 26/25, PM 26/25
| Das Landgericht (LG) Berlin II hat eine Energieberatungsfirma zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von rund 6.000 Euro wegen einer Falschberatung verurteilt. Aufgrund der Falschberatung habe der Kläger – ein Verbraucher – Fenster und Dachfenster mit zu hohen Wärmedurchgangskoeffizienten einbauen lassen, die daher nicht förderfähig seien. |
Förderleistungen beantragt – Bundesamt lehnt ab
Der Kläger hatte die Beklagte mit der Energieberatung für die energetische Sanierung seines Einfamilienhauses beauftragt. In Zusammenarbeit mit der Beklagten beantragte er beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Förderleistungen gemäß der Richtlinie der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG-Richtlinie) und erhielt einen entsprechenden Zuwendungsbescheid. Anschließend holte er Angebote für die Sanierungsmaßnahmen ein und schickte sie der Beklagten, die diese nicht beanstandete.
Für den Verwendungsnachweis der Fördermittel gab der Kläger in Absprache mit der Beklagten die Wärmedurchgangskoeffizienten an, die mit den verbauten Dämmmaterialien an der Gebäudehülle erreicht werden konnten – für das Dach und die Geschossdecke einen Koeffizienten von 0,2, für die Fenster von 1,1 und für die Dachflächenfenster von 1,3. Das Bundesamt teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die technischen Mindestanforderungen bei der Sanierung nicht erreicht seien und hob den Förderbescheid teilweise auf. Die BEG-Richtlinie fordert Koeffizienten an Dachgebilden von 0,14 und an Fenstern von 0,95 bzw. 1,0 bei Dachflächenfenstern.
Energieberater muss Förderleistung zahlen
Das Gericht sprach dem Kläger nun Schadenersatz in Höhe der eigentlich zu gewährenden Förderungssumme zu. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur fachlich zutreffenden Beratung verletzt. Sie hätte insbesondere die vom Kläger vorgelegten Angebote auf ihre Förderungsfähigkeit prüfen müssen.
Der Verweis der Beklagten, der Kläger hätte sich selbst über die förderungsrelevanten Wärmedurchgangskoeffizienten informieren können, führe ihr Leistungsangebot ad absurdum. Es sei gerade ihre Hauptleistungspflicht, einen Verbraucher und Laien über die Richtlinien und Richtwerte fachlich zu beraten. Darüber hinaus habe die Beklagte den Kläger falsch beraten, weil sie selbst von falschen Werten ausgegangen sei. Rechtsirrig habe sie in E-Mails an den Kläger auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und nicht auf die Werte der BEG-Richtlinie verwiesen. Die Beratung sei auch deshalb unzureichend und fehlerhaft gewesen.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23, PM 3/25
| Bei einer mehr als unerheblichen Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks scheidet die Annahme eines faktischen Kerngebiets aus, also als Gebiet, das vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Stadt versagte Nutzung eines Gebäudes als Spielhalle
Die Klägerin begehrt einen Bauvorbescheid für die Nutzung eines Geschäftsgebäudes in der Innenstadt der Beklagten als Spielhalle. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, der Widerspruch blieb erfolglos.
Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht sahen das anders
Das Verwaltungsgericht (VG) gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) zurück. Das Vorhaben sei als Vergnügungsstätte zulässig. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Kerngebiet i. S. d. Baunutzungverordnung (hier: § 7 BauNVO). Die nicht unerhebliche, aber noch untergeordnete Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks stehe dieser Einordnung nicht entgegen, obwohl sie im vorhandenen Umfang nur aufgrund von Festsetzungen in einem Bebauungsplan zulässig wäre.
Bundesverwaltungsgericht rügte mangelnde Tatsachenfeststellung
Das BVerwG hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Auffassung des OVG, dass ein faktisches Kerngebiet auch bei einer nicht unerheblichen Wohnnutzung vorliegt, steht mit der Regelungssystematik der Baunutzungsverordnung nicht in Einklang. Die Verweisung in § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB auf die §§ 2 ff. BauNVO findet dort eine Grenze, wo die Baunutzungsverordnung eine planerische Entscheidung der Gemeinde vorsieht. Der Verordnungsgeber hat die Entscheidung darüber, ob die sonstige Wohnnutzung in einem Kerngebiet über Ausnahmen hinausgehen darf, der Gemeinde überlassen. Ihr Spielraum darf bei der Einordnung als faktisches Kerngebiet nicht übergangen werden. Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen konnte das BVerwG nicht abschließend entscheiden.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 20.5.2025, 4 C 2.24, PM 37/25
| Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf der Grundlage von über 2.300 geleisteten Mehrarbeitsstunden im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer für mehrere Monate frei, muss er ihm in diesen Monaten das Entgelt nach dem Lohnausfallprinzip zahlen, also das Entgelt, das zu zahlen gewesen wäre, wenn der Arbeitnehmer in diesen Monaten gearbeitet hätte. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |
Das LAG: Nichts anderes ergibt sich, wenn die unstreitige Mehrarbeit vor 20 Jahren geleistet worden war, also in einem Zeitraum, für den die Parteien ein viel geringeres Bruttomonatsentgelt vereinbart hatten.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 23.8.2024, 6 Sa 663/23
| Ein Bewerber um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugdienst kann verlangen, nicht wegen eines genetisch bedingten erhöhten Thromboserisikos vom Bewerbungsverfahren der Bundespolizei ausgeschlossen zu werden. Bei der beim Kläger diagnostizierten sog. Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich um einen angeborenen Gendefekt, bei dem es zu Störungen der Blutgerinnung kommt und der mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergeht. Die Entscheidung der Bundespolizeiakademie, die Bewerbung des Klägers um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst im Jahr 2023 aufgrund fehlender gesundheitlicher Eignung nicht zu berücksichtigen, hatte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Aachen keinen Bestand. Über die Bewerbung des Klägers muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden werden. |
Geringe Risiken
Zur Begründung hat das VG ausgeführt, dass es bereits in erheblichem Maße zweifelhaft ist, ob hinreichende sachliche Gründe für den Ausschluss von Beamten mit einem solchen Gendefekt bestehen. Denn das durch eine solche Mutation bedingte Thromboserisiko ist verhältnismäßig gering. In der beim Kläger vorliegenden Form ist es zwar gegenüber gesunden Menschen erhöht, entspricht jedoch ungefähr dem Thromboserisiko durch die Einnahme der Antibabypille bei Frauen und damit einem Risiko, das der Dienstherr als hinnehmbar ansieht.
Ergebnisse der genetischen Untersuchung durften nicht mitgeteilt werden
Unabhängig davon durfte der Gendefekt nicht zulasten des Klägers im Einstellungsverfahren berücksichtigt werden, weil er aufgrund einer genetischen Untersuchung diagnostiziert wurde. Die Mitteilung des diesbezüglichen Ergebnisses durfte die Bundespolizei aus Rechtsgründen nicht verlangen.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 10.3.2025, 1 K 1304/23, PM vom 10.3.2025
| Die Verwendung eines abstrakt gefährlichen Gegenstands – hier eines Klappmessers – zu einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch – hier Reparaturversuch an einer Uhr – läuft den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider und steht deshalb der Anerkennung eines Unfallereignisses als Dienstunfall entgegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Mit dem Messer versucht, Klemmfeder zu richten
Der mittlerweile pensionierte Kläger war Polizeivollzugsbeamter im saarländischen Landesdienst. Im April 2019 erstattete er bei seiner Dienststelle eine Dienstunfallanzeige. Danach habe er zu Dienstbeginn festgestellt, dass die sonst über der Tür hängende Wanduhr auf der Fensterbank gelegen habe. Es sei ihm aufgefallen, dass die Batterie der Uhr unsachgemäß im Batteriefach gesteckt habe und die Klemmfeder verbogen gewesen sei. Er habe mit seinem Klappmesser die verbogene Feder wieder richten wollen. Hierbei sei das Messer zugeschnappt und er habe sich einen tiefen Schnitt am kleinen Finger der rechten Hand zugezogen.
Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls
Sein Antrag auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall ist behördlich und in den beiden gerichtlichen Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwiderlaufe, wenn ein Beamter sich ohne Not einem Verletzungsrisiko durch Hantieren mit einem privaten, abstrakt gefährlichen Gegenstand aussetze, dessen Funktionstauglichkeit der Dienstherr nicht prüfen könne.
Keine dienstliche Aufgabe
Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall. Zwar hat sich der Unfall in einem Dienstgebäude zur Dienstzeit ereignet und ist damit grundsätzlich als „in Ausübung des Dienstes eingetreten“ vom Dienstunfallschutz erfasst. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Reparatur der Uhr nicht zu den dienstlichen Aufgaben des Klägers als Polizeibeamter gehörte. Dienstunfallschutz wird jedoch nicht gewährt, wenn dieTätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft. Das ist hier der Fall.
Entgegen den Interessen des Dienstherrn
Dabei kann dahinstehen, ob es sich um ein Einhandmesser im Sinne des Waffengesetzes handelte und das Führen des Messers bereits deshalb verboten war. Jedenfalls lief die Benutzung dieses Messers zum Zweck einer Uhrreparatur den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider. Das verwendete Messer ist ein abstrakt gefährlicher Gegenstand, der für den Zweck der Reparatur ersichtlich nicht bestimmt und nicht geeignet war.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 13.3.2025, 2 C 8.24, PM 16/25
| Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellt den Arbeitnehmer trotz dessen Beschäftigungsanspruchs von der Arbeit frei, unterlässt der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig in Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 615 S. 2 BGB) anderweitigen Verdienst, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis eingeht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Das war geschehen
Der Kläger war seit November 2019 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Senior Consultant gegen eine monatliche Vergütung von 6.440 Euro brutto. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.3.2023 ordentlich zum 30.6.2023 und stellte den Kläger unter Einbringung von Resturlaub unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht (ArbG) am 29.6.2023 statt, die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) am 11.6.2024 zurückgewiesen.
Arbeitgeber schlug Stellenangebote vor
Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Kläger Anfang April 2023 arbeitssuchend und erhielt von der Agentur für Arbeit erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge. Die Beklagte übersandte ihm hingegen schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote, die nach ihrer Einschätzung für den Kläger in Betracht gekommen wären.
Arbeitnehmer bewarb sich – aber erst zum Beschäftigungsende
Auf sieben davon bewarb sich der Kläger, allerdings erst ab Ende Juni 2023. Nachdem die Beklagte dem Kläger für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, hat er diese mit einer Klage geltend gemacht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewendet, der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bei der Beklagten bezogenen Gehalts anrechnen lassen.
Arbeitgeber war durch einseitige Freistellung im Annahmeverzug
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) ihr stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Beklagte befand sich aufgrund der von ihr einseitig erklärten Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug und schuldet dem Kläger (nach § 615 S. 1 BGB iVm. § 611 a Abs. 2 BGB) die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss sich der Kläger nicht (nach § 615 S. 2 BGB) anrechnen lassen. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil ist nur gerechtfertigt, wenn dieser wider Treu und Glauben (nach § 242 BGB) untätig geblieben ist. Weil § 615 S. 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend hiervon bestand für ihn keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Beklagten ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.
Quelle | BAG, Urteil vom 12.0.2025, 5 AZR 127/24, PM 6/2
Abschließende Hinweise
| Ein Verkauf von Unternehmensvermögen unterliegt der Umsatzsteuer. Eine Entnahme kann hingegen ohne Umsatzsteuer bleiben, wenn der Gegenstand ohne Vorsteuerabzug Unternehmensvermögen wurde. Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Niedersachsen gelten für dieses „Entnahme-Verkauf-Modell“ aber strenge Voraussetzungen. |
Hintergrund: Wurde ein Wirtschaftsgut ohne Vorsteuerabzug erworben und in das Unternehmensvermögen eingelegt, kann es grundsätzlich nicht umsatzsteuerbar entnommen und anschließend ohne Umsatzsteuer verkauft werden. So hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Jahr 2002 Folgendes festgestellt: Entnimmt der Steuerpflichtige den Pkw, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hatte, vor der Veräußerung seinem Unternehmen, ist es unzulässig, die Entnahme zu besteuern. Wenn der Steuerpflichtige den Pkw dann veräußert, ist diese Leistung seinem privaten Bereich zuzurechnen. Sie unterliegt daher nicht der Umsatzsteuer. Zu den Voraussetzungen musste jüngst das FG entscheiden.
Das war geschehen
Ein Unternehmer hatte einen Pkw und ein Wohnmobil aus seinem Privatvermögen in das Betriebsvermögen eingelegt. Es erfolgte jeweils eine Zuordnung zum Unternehmensvermögen ohne Vorsteuerabzug. Aus den Reparaturaufwendungen wurde dann jedoch der Vorsteuerabzug geltend gemacht.
Später verkaufte der Unternehmer die Fahrzeuge ohne Umsatzsteuerausweis. Der Kaufvertrag für den Pkw datierte vom 22.10.2016 (Übergabe am 25.10.2016), der Kaufvertrag für das Wohnmobil vom 25.8.2018 (Übergabe am 29.8.2018). In der Buchhaltung wurde eine Entnahme des Pkw zum 25.10.2016 und eine Entnahme des Wohnmobils zum 25.8.2018 jeweils ohne Umsatzsteuer erfasst.
Das Finanzamt setzte für die Verkäufe Umsatzsteuer fest. Wegen der engen zeitlichen Zusammenhänge liege weder für den Pkw noch für das Wohnmobil ein ausreichender Nachweis einer Entnahmehandlung vor. Die buchhalterische Erfassung allein genüge nicht.
Die hiergegen gerichtete Klage war erfolglos.
So argumentiert das Finanzgericht
Für eine vorherige nicht umsatzsteuerbare Entnahme bedarf es objektiver Anhaltspunkte und einer gewissen Zeitspanne zwischen Entnahme und Verkauf. Der Umstand, dass die Entnahme zeitlich mit der Lieferung am gleichen Tag erfolgt sein soll, spricht gegen eine Entnahme.
Die nach außen erkennbare Entnahme eines Gegenstands aus dem unternehmerischen Bereich hat zeitlich vor dem Verkauf zu erfolgen, wobei es dabei zur erforderlichen eindeutigen Abgrenzung auf den Zeitpunkt des ersten Angebots zum Verkauf des Gegenstands bzw. die erste Verkaufsbemühung ankommt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 3.4.2025, 5 K 15/24
| Bei der Frage, ob die Sachbezugsfreigrenze gemäß Einkommensteuergesetz (hier: § 8 Abs. 2 S. 11 EStG) in Höhe von 50 Euro pro Monat überschritten wird, sind die vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten anteilig den für die Nutzung des Firmenfitnessprogramms registrierten Arbeitnehmern zuzurechnen. Auf die Anzahl der vom Arbeitgeber erworbenen Lizenzen kommt es nicht an, wenn diese nicht der Zahl der für das Programm registrierten Arbeit-nehmer entspricht. Dies hat das Finanzgericht (FG) Niedersachsen entschieden. |
Beispiel in Anlehnung an den Urteilssachverhalt
Die A-GmbH hat 100 Arbeitnehmer. Sie schließt mit dem Fitnessstudiobetreiber X eine Firmenfitness-Mitgliedschaftsvereinbarung, wonach die Arbeitnehmer der A-GmbH berechtigt sind, das Fitnessstudio des X zu nutzen.
Somit erwirbt die A-GmbH 50 Lizenzen für monatlich 4.000 Euro inkl. Umsatzsteuer. Die Anzahl wurde anhand der Personalstruktur als Kalkulationsgrundlage für X prognostiziert. Die Lizenzen haben keine Auswirkung auf die Menge der tatsächlich nutzungsberechtigten Arbeitnehmer.
Mitarbeiter, die das Angebot in Anspruch nehmen wollen, haben im Fitnessstudio eine Berechtigung vorzulegen, die X aufgrund der mitgeteilten Namen erstellte. Von den 100 Mitarbeitern haben sich 80 für das Fitnessprogramm angemeldet. Tatsächlich teilgenommen haben 50 Mitarbeiter.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind die Kosten auf die Anzahl der Lizenzen zu verteilen. Das würde im Beispiel bedeuten, dass je Arbeitnehmer 80 Euro (4.000 Euro/50 Lizenzen) zu berücksichtigen wären, mithin der Betrag in voller Höhe steuerpflichtig wäre.
Finanzgericht widersprach der Finanzverwaltung
Dem widersprach jedoch das FG: Entspricht die Anzahl der Lizenzen nicht der Zahl der für das Programm registrierten Mitarbeiter, kommt es auf die Menge der Lizenzen nicht an. Vielmehr sind dann die vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten anteilig den für die Nutzung des Firmenfitnessprogramms registrierten Mitarbeitern zuzurechnen. Im Beispiel ergeben sich somit 50 Euro je Arbeitnehmer (4.000 Euro/80 Arbeitnehmer). Da der Betrag nicht die Freigrenze übersteigt, ist er nicht zu versteuern.
Beachten Sie | Die Kosten sind nicht nur auf die Mitarbeiter zu verteilen, die das Angebot tatsächlich in Anspruch genommen haben. Denn die Arbeitnehmer haben den Nutzungsvorteil, dass für sie jederzeit eine Trainingsmöglichkeit vorgehalten wird.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 17.4.2024, 3 K 10/24
| Ein Steuerbescheid ist nach der Abgabenordnung (hier: § 175 b AO) zu ändern, wenn elektronische Daten von Dritten (z. B. dem Rentenversicherungsträger) bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Dies gilt laut Bundesfinanzhof (BFH) selbst dann, wenn diese Informationen bereits aus der Steuererklärung ersichtlich waren. |
Das war geschehen
Eheleute hatten eine korrekte Steuererklärung abgegeben. Darin hatten sie auch ihre Renteneinkünfte zutreffend erklärt. Das Finanzamt erließ allerdings einen Einkommensteuerbescheid, in dem die Renteneinkünfte nicht erfasst waren. Später erhielt das Finanzamt auch auf elektronischem Wege durch eine Datenübermittlung des Rentenversicherungsträgers von der Höhe der Renteneinkünfte Kenntnis und änderte daraufhin den Einkommensteuerbescheid zulasten der Eheleute und setzte erstmals die Renteneinkünfte an.
Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen und der BFH haben diese Handhabung nun bestätigt.
Abweichende Regelungen in der „analogen Welt“
In der analogen Welt war die Änderung eines einmal ergangenen Steuerbescheids (sowohl zugunsten als auch zulasten des Steuerpflichtigen) nur möglich, wenn hierfür besondere Voraussetzungen erfüllt waren (z. B. ausdrücklicher Vorbehalt der Nachprüfung im Steuerbescheid oder nachträglich bekannt gewordene Tatsachen).
Beachten Sie | Diese Voraussetzungen waren im Streitfall nicht erfüllt, da das Finanzamt die Rente trotz voller Kenntnis des Sachverhalts im ursprünglichen Steuerbescheid außer Ansatz gelassen hatte.
Digitalisierung: Änderung des Steuerbescheids, wenn Daten nicht berücksichtigt waren
Im Zuge der Digitalisierung erhalten aber auch die Finanzämter immer mehr besteuerungsrelevante Daten auf elektronischem Weg. Daher hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 2017 § 175 b AO eingeführt. Danach kann ein Steuerbescheid geändert werden, soweit Daten an das Finanzamt übermittelt werden, die bisher nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Weitere (insbesondere einschränkende) Voraussetzungen enthält diese Norm nicht.
Beachten Sie | Eine auf § 175 b AO gestützte Änderung ist somit auch vorzunehmen, wenn dem Finanzamt oder dem Steuerpflichtigen zuvor ein Fehler unterlaufen ist. Dies hat sich im Streitfall zugunsten des Finanzamts ausgewirkt, würde aber umgekehrt ebenso zugunsten des Steuerpflichtigen gelten.
Quelle | BFH, Urteil vom 27.11.2024, X R 25/22
| Liegt Arbeitslohn vor, wenn ein Teil eines Veräußerungspreises für Gesellschaftsanteile dafür gezahlt wird, dass der (dann ehemalige) Gesellschafter für einen bestimmten Zeitraum noch als Geschäftsführer tätig wird? Mit dieser Frage muss sich der Bundesfinanzhof (BFH) befassen. Das Finanzgericht (FG) Köln hatte auf Arbeitslohn plädiert. |
Das war geschehen
Der Steuerpflichtige A war an einer GmbH beteiligt und zugleich deren Geschäftsführer. Im Streitjahr verkaufte A seine Anteile. In dem Kaufpreis war vertragsgemäß ein Teilbetrag für die Fortsetzung der Geschäftsführung über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren enthalten.
Teileinkünfteverfahren oder Arbeitslohn?
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass es sich bei dem Teilbetrag um eine Gegenleistung für die mehrjährige Geschäftsführertätigkeit des A handle und diese nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 19 i. V. mit § 34 Abs. 1 EStG) als Arbeitslohn der Besteuerung unterliege.
Der Verkäufer A wandte dagegen ein, dass der Teilbetrag im Rahmen der Ermittlung des Gewinns i. S. des § 17 EStG („Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften“ unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens) zu berücksichtigen sei.
Das FG sprach sich im Klageverfahren unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls für Arbeitslohn aus.
Das spricht für Arbeitslohn
Für die Annahme von Arbeitslohn spricht insbesondere, dass der Verkäufer A den auf die Geschäftsführertätigkeit entfallenden Anteil nur behalten darf, wenn er weiter als Geschäftsführer tätig ist. Das Fortbestehen des Geschäftsführerverhältnisses ist nach dem Kaufvertrag notwendige Voraussetzung für die Vorteilsgewährung.
Beachten Sie | Diese Verknüpfung wird nicht durch die Anteilsübertragung überlagert, denn die prägende Gegenleistung für den Streitbetrag ist die Arbeitsleistung und nicht die Anteilsübertragung.
Höchstrichterliche Entscheidung gefragt
Das FG Köln hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Denn, soweit ersichtlich, ist die Abgrenzung zwischen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit i. S. des § 19 EStG und solchen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften i. S. des § 17 EStG bisher nicht höchstrichterlich geklärt.
Da die Revision auch eingelegt wurde, hat der BFH nun Gelegenheit, für Klarheit zu sorgen.
Quelle | FG Köln, Urteil vom 4.12.2024, 12 K 1271/23
| Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Münster kann eine Ferienwohnung, die der Einkünfteerzielung dient, eine erste Tätigkeitsstätte bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung darstellen, wenn der Vermieter mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit für das Objekt dort verrichtet. |
Hintergrund: Suchen Vermieter in (un)regelmäßigen Abständen ihre Vermietungsobjekte auf, um z. B. Reparaturen vorzunehmen oder mit dem Mieter in Kontakt zu treten, stehen die dabei entstehenden Fahrtkosten mit den Mieteinkünften im Zusammenhang und lassen sich als Werbungskosten absetzen.
Grundsätzlich sind die Fahrtkosten dann nach Reisekostengrundsätzen zu ermitteln, sodass die tatsächlichen Kosten bzw. 0,30 Euro je Kilometer für die Hin- und die Rückfahrt anzusetzen sind.
In dem Streitfall ging es nun u. a. um die Frage, ob eine Ferienwohnung auch eine erste Tätigkeitsstätte darstellen kann – mit der Folge, dass lediglich die Entfernungspauschale (0,30 Euro pro Entfernungskilometer bzw. 0,38 Euro ab dem 21. Kilometer) abgezogen werden kann.
Das war geschehen
Eine aus Vater und Sohn bestehende GbR erzielte Einkünfteaus der Vermietung zweier Ferienwohnungen. Für das Jahr 2019 machte die GbR u. a. Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen im Zusammenhang mit Reparatur- und Reinigungsarbeiten an den Wohnungen als Werbungskosten geltend.
Das Finanzamt stellte bei der Prüfung der Unterlagen und Belege Ungereimtheiten fest und erkannte die Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen wegen privater Mitveranlassung nicht an. Die hiergegen gerichtete Klage war vor dem FG teilweise erfolgreich.
Das Gericht begründete seine Entscheidung u. a. wie folgt: Die Fahrtkosten sind mit der Entfernungspauschale und unter Abzug eines Privatanteils zu berücksichtigen. Die beiden Wohnungen sind jeweils als erste Tätigkeitsstätte anzusehen.
Hier keine Zuordnung durch Arbeitgeber, sondern quantitative Kriterien
Der Verweis im Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 3 EStG) auf die vorrangig für Arbeitnehmer geltenden Regelungen führt bei den Vermietungseinkünften dazu, dass jedenfalls dann eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt, wenn der Steuerpflichtige mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit für das Mietobjekt dort selbst verrichtet. Maßgeblich sind in erster Linie quantitative Kriterien, da – anders als bei Arbeitnehmern – eine Zuordnung durch einen Arbeitgeber nicht in Betracht kommt.
Private Veranlassungsanteile
Da die Ferienwohnungen im Wesentlichen durch Dritte verwaltet wurden, während die Gesellschafter die Reparaturarbeiten selbst durchführten, ist die quantitative Grenze von einem Drittel im Streitfall deutlich überschritten. Für jede einzelne Reise hat das Gericht eine Aufteilung der Fahrtkosten vorgenommen und die privaten Veranlassungsanteile nicht als Werbungskosten anerkannt.
Die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen wären bestenfalls innerhalb der ersten drei Monate anzuerkennen. Im Streitfall war die Dreimonatsfrist aber bereits abgelaufen.
Beachten Sie | DasFG Münster hatte die Revision zugelassen, weil bis dato keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 9 Abs. 3 EStG vorliegt und hierzu im Streitfall entscheidungserhebliche Fragen grundsätzlich klärungsbedürftig sind. Da die Revision aber nicht eingelegt wurde, muss man vorerst weiter auf eine höchstrichterliche Entscheidung warten.
Allerdings zeigt der Streitfall, dass eine gute Beweisvorsorge unerlässlich ist. Das gilt nicht nur für die Anzahl der Fahrten,s ondern auch für den mit der Vermietung zusammenhängenden Hintergrund der Fahrten und der möglichst fehlenden privaten Mitveranlassung. Zudem wird deutlich, dass bei sehr vielen Fahrten zum Mietobjekt die Gefahr besteht, dass das Finanzamt nur die Entfernungspauschale gewährt.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 15.5.2025, 12 K 1916/21 F
| Eine Frau parkte in der Tiefgarage ihres Arbeitgebers. Beim Ausparken stieß sie mit der Beifahrertür ihres BMW versehentlich gegen einen rechteckigen, ca. kniehohen Sockel einer Säule. Der Sockel befand sich unterhalb der Sichtachse und war nicht gekennzeichnet oder markiert. Sie verlangte Schadenersatz. Ihre Klage wies das Amtsgericht (AG) München ab. |
Das verlangte die Klägerin
Die Klägerin behauptet, durch den Unfall sei ein Schaden an der Beifahrertür von über 3.200 Euro netto entstanden. Der Sockel sei bei Umbaumaßnahmen im Zeitraum 2019 bis 2022 errichtet worden. Die Klägerin habe erfahren, dass es mehrere Unfälle an dem Betonsockel gegeben habe. Sie verklagte daraufhin das Bauunternehmen, das die Verkehrssicherungspflicht für die von ihm durchgeführten Arbeiten übernommen hatte.
Die beklagte Baufirma gab an, der Sockel stünde dort bereits seit 50 Jahren. Sie bezweifelte, dass der Schaden vollständig auf einen Kontakt mit dem Sockel zurückzuführen sei.
So urteilte das Amtsgericht
Das AG wies die Klage ab. Begründung: Das Bauunternehmen habe bereits keine sog. Verkehrssicherungspflicht verletzt. Der Betonsockel stellte schon keine besondere Gefahrenquelle für Fahrzeuge in einer Parkgarage dar. Dabei sei zu berücksichtigen, dass jeder Kraftfahrer in einer Parkgarage ohnehin nur so schnell fahren darf, dass er im Hinblick auf die ständig zu erwartenden Ein- und Ausparkvorgänge, aber auch wegen des dort herrschenden Fußgängerverkehrs jederzeit anhalten kann. Beim Ein- und Ausparkvorgang sei es daher jederzeit möglich, anzuhalten, auszusteigen und sich zu vergewissern, wie breit die Fahrbahn oder der Parkplatz an dieser Stelle ist.
Dies gelte insbesondere hinsichtlich des streitgegenständlichen Betonsockels, der von allen Seiten gut sichtbar sei, da er breiter sei als die dahinterstehende Säule. Ein kniehoher Betonsockel sei auch kein überraschendes Hindernis für Parkgaragennutzer, da enge Parkbuchten in einer älteren Parkgarage durchaus üblich seien.
Altschäden auf Fahrfehler zurückzuführen
Selbst, wenn man unterstelle, dass mehrere Fahrer mit ihren Fahrzeugen den Betonsockel in der Vergangenheit gestreift haben sollen, was angesichts eines vorgelegten Fotos und den darauf sichtbaren Lackspuren durchaus plausibel erscheine, sei eine Gefahr, dass Rechtsgüter Dritter durch den statischen Betonsockel verletzte werden, für das Bauunternehmen nicht erkennbar gewesen. Dieses habe als sog. Verkehrssicherungspflichtige darauf vertrauen dürfen, dass die Parkgaragennutzer den gut sichtbaren Betonsockel erkennen und, sofern ihr Fahrzeug zu breit für den Parkplatz sei, eine andere noch freie Parkbucht ohne einen Betonsockel nutzen. Beschädigungen des Sockels durfte das Bauunternehmen daher auf Fahrfehler zurückführen.
Mitverschulden der Autofahrerin
Selbst, wenn man eine Verkehrssicherungspflicht annehmen würde, träfe die Frau ein Mitverschulden, das eine Haftung des Bauunternehmens vollständig entfallen ließe. Die Klägerin nutzte die Parkgarage ihres Arbeitgebers bereits fast zwei Monate nach den Umbaumaßnahmen. Ihr waren sowohl der Zustand der Parkgarage als auch ihre baulichen Merkmale aufgrund der längeren Nutzung bekannt oder sie hätten ihr bekannt sein müssen.
Quelle | AG München, Urteil vom 9.8.2024, 231 C 13838/24. PM 13/25
| Der im Land Berlin eingeführte Probeunterricht zur Eignungsfeststellung für das Gymnasium ab dem Schuljahr 2025/2026 bei Schülern, die nach der Förderprognose den erforderlichen Notendurchschnitt verfehlt haben, ist nicht zu beanstanden. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in mehreren Eilverfahren entschieden. |
Schulgesetz geändert
Im August 2024 änderte das Land Berlin die Regelungen des Schulgesetzes für die Aufnahme in das Gymnasium zur 7. Jahrgangsstufe. Nach der Neuregelung können die Erziehungsberechtigten ein Kind mit einem Notenschnitt zwischen 2,3 und 2,7 nur an einem Gymnasium anmelden, wenn die Eignung für den Besuch des Gymnasiums durch die Teilnahme an einem Probeunterricht nachgewiesen wird.
Die Antragsteller sind Schüler, die bei diesem Probeunterricht weniger als die geforderten mindestens 75 Prozent der erreichbaren Bewertungseinheiten erzielten. Im gerichtlichen Eilverfahren begehren sie dennoch die vorläufige Feststellung ihrer Eignung für das Gymnasium, weil sie die Einführung des Probeunterrichts für rechtswidrig halten.
Verwaltungsgericht: Probeunterricht nicht zu beanstanden
Das VG hat die Eilanträge zurückgewiesen. Die Ausgestaltung des Probeunterrichts und die jeweils konkreten Bewertungen seien rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar betreffe der Probeunterricht auch Kinder, die bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits in der 5. Klasse der Grundschule gewesen seien. Das sei aber verhältnismäßig, weil die legitimen Interessen des Gesetzgebers, insbesondere auch an einer zügigen neuen Aufnahmeregelung für Gymnasien, das Interesse der Betroffenen am Erhalt der bestehenden Regeln überwögen: Der Probeunterricht ermögliche eine prognostische, an allgemeingültigen Maßstäben ausgerichtete und zugleich auf den Einzelfall bezogene pädagogische Beurteilung, ob die Eignung für das Gymnasium vorliege. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des Probeunterrichts auf den Umstand reagiert, dass in der Vergangenheit durchschnittlich sieben Prozent das (mit der Neuregelung abgeschaffte) Probejahr am Gymnasium nicht bestanden hätten, im Schuljahr 2022/23 von den Schülerinnen und Schüler ohne Gymnasialempfehlung sogar 34 Prozent.
Der Probeunterricht trage den begrenzten Kapazitäten der Gymnasien und Lehrressourcen Rechnung, vermeide eine absehbare Überforderung der betroffenen Schülerinnen und Schüler und wirke durch rechtzeitige Prognose einem unnötigen Hin und Her entgegen. Die Aufgaben des Probeunterrichts seien anhand der Vorgaben des gemeinsamen Rahmenlehrplans für Berlin und Brandenburg entwickelt worden. Verbindliche Angaben der Schulaufsichtsbehörde zur Punkteverteilung im Erwartungshorizont hätten eine einheitliche Bewertung sichergestellt. Schließlich habe die zeitliche Ausgestaltung des Probeunterrichts mit ausreichenden Pausen zwischen den drei 45-minütigen Prüfungsteilen die besondere Prüfungssituation der Kinder berücksichtigt.
Quelle | VG Berlin, Beschlüsse vom 9.4.2025, VG 3 L 77/25 u. a., PM 25/25
| Die Universität Duisburg-Essen hat einer Studentin zu Recht diejenigen „Prüfungsleistungen“ aberkannt, die in dem System der Universität als bestanden ausgewiesen waren, weil die Studentin für diese Eintragung einer ehemaligen Mitarbeiterin des Prüfungsamts der Universität Geld gezahlt hatte. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen entschieden. |
Nicht zur Prüfung erschienen – Geldzahlungen an ehemalige Mitarbeiterin
Die Studentin war zu fünf Prüfungsterminen ihres Studiengangs Bachelor Wirtschaftswissenschaft, Katholische Religion und Bildungswissenschaften mit der Lehramtsoption Berufskolleg nicht erschienen. Dies war in den internen Notenlisten der Prüfer vermerkt. Eine ehemalige Mitarbeiterin des Prüfungsamts der Universität vermerkte gegen Geldzahlung in dem System der Universität, die Studentin habe die Prüfungen bestanden und trug dazu Noten ein. Im Masterstudiengang wiederholte sich dies bei vier Prüfungen. Der Prüfungsausschuss der Fakultät Wirtschaftswissenschaften beschloss, die Prüfungsleistungen jeweils als nicht bestanden (Note 5,0) zu bewerten, die von der Fakultät Bildungswissenschaften verliehenen Universitätsabschlüsse (Bachelor und Master) abzuerkennen, und forderte die Abschlusszeugnisse zurück.
Klagen gegen Aufhebung der Prüfungsleistungen
Die Klage gegen die Aufhebung der Prüfungsleistungen und ihre Bewertung als nicht bestanden hat das VG abgewiesen. Die Studentin hat die Prüfungsleistungen nicht bestanden, weil sie nicht an den Prüfungen teilgenommen hat. Die Aberkennung der Abschlüsse und die damit zusammenhängenden Anordnungen hob die Universität in der mündlichen Verhandlung auf, weil hierüber der unzuständige Prüfungsausschuss entschieden hatte. Zuständig ist der Prüfungsausschuss für Bildungswissenschaften, der die Abschlüsse verliehen hat.
Eine weitere Klage einer anderen Studentin im Studiengang Bachelor für das Lehramt Berufskolleg gegen die Bewertung von vier Prüfungsleistungen als nicht bestanden (Note 5,0) durch den Prüfungsausschuss hat das VG ebenfalls abgewiesen. Die Studentin hatte eine Prüfung nicht bestanden und war zu drei weiteren nicht erschienen. Gegen Geldzahlung an eine ehemalige Mitarbeiterin des Prüfungsamts wurden diese Prüfungen als bestanden in das System der Universität eingetragen.
Quelle | VG Gelsenkirchen, Urteile vom 28.4.2025, 4 K 1226/22 und 4 K 1227/22, PM vom 29.4.2025
| Ein Jäger, der im betrunkenen Zustand seine Jagdwaffe im Pkw transportiert, besitzt nicht die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit zur (Wieder-)Erteilung eines Jagdscheins – unabhängig davon, ob die mitgeführte Waffe geladen war oder nicht. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Münster entschieden. |
Jäger verursachte hohen Schaden
Der Jäger aus dem Kreis Coesfeld war im Jahr 2020 in Rheinland-Pfalz auf dem Rückweg von einer Jagdveranstaltung und transportierte seine Langwaffe im Fahrzeug. Dabei kam er von der Fahrbahn ab, fuhr zwei Verkehrsschilder um und in eine Hauswand. Es entstand ein Fremdschaden in Höhe von etwa 50.000 Euro. Ein Atemalkoholtest nach dem Unfall ergab einen Wert von 1,69 Promille, zwei Blutentnahmen Werte von 1,48 und 1,39 Promille. Nach dem Unfall nahm der Kläger seine in einem Futteral befindliche Langwaffe aus dem Fahrzeug und stellte sie in ein nahes Wartehäuschen, wo sie von der Polizei sichergestellt wurde.
Antrag auf erneutes Ausstellen eines Jagdscheins
Es kam zu einem Strafverfahren. Zudem wurde die Waffenbesitzkarte des Mannes widerrufen, sodass er seine Schusswaffen abgeben musste. In der Zwischenzeit lief die Gültigkeit seines Jagdscheins aus. Im Jahr 2022 beantragte der Kläger dann die erneute Ausstellung eines Jagdscheins, blieb damit bei der Behörde jedoch ohne Erfolg.
Die Klage hiergegen wies das Gericht nun ab, denn der Kläger sei waffenrechtlich unzuverlässig. Es rechtfertigten Tatsachen die Annahme, dass er mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehe oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werde. Bei der zu treffenden Prognose genüge es, wenn bei Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen bestehe. Im Bereich des Waffenrechts müsse kein Restrisiko hingenommen werden. Ob, wie zuletzt zwischen den Beteiligten streitig, die Waffe im Auto des Klägers bei der Trunkenheitsfahrt geladen war, und ob er sie nach dem Unfall genügend beaufsichtigt hat, könne offenbleiben. Genügende Anhaltspunkte für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang des Klägers mit Waffen ergäben sich bereits daraus, dass er seine Jagdwaffe bei einer Autofahrt mitgeführt hat, obwohl er eine Atemalkoholkonzentration von 1,69 Promille bzw. eine Blutalkoholkonzentration von 1,48 Promille aufwies und sich damit in einem Zustand befand, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können und vorliegend – in Form der zu dem Verkehrsunfall mit erheblichem Sachschaden führenden Unaufmerksamkeit – auch aufgetreten sind.
Als Waffenbesitzer unzuverlässig
Die Blutalkoholkonzentration übersteige den Grenzwert absoluter Fahruntüchtigkeit von Kraftfahrern (1,1 Promille). Mit einer Schusswaffe gehe nicht vorsichtig und sachgemäß um, wer diese in einem Zustand gebrauche, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können – unabhängig davon, ob solche auch tatsächlich aufträten. Das gelte auch für das Mitführen einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe bei einer Autofahrt in alkoholisiertem Zustand, das waffenrechtlich als „Führen der Schusswaffe“ einzuordnen sei.
Es bestehe zum einen die Gefahr, dass der Waffenbesitzer in einer Konfliktsituation mit anderen Verkehrsteilnehmern aufgrund alkoholbedingter Ausfallerscheinungen inadäquat reagieren und zur Konfliktlösung auf die von ihm mitgeführte Schusswaffe zurückgreifen könnte. Zum anderen bestehe beim Transport einer Schusswaffe im Straßenverkehr bei alkoholbedingten Ausfallerscheinungen des Waffenbesitzers die reale Möglichkeit des Abhandenkommens der Schusswaffe. Jedenfalls dann, wenn es – wie hier – zu einem Unfall kommt, bestehe das Risiko, dass der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, den Zugriff Dritter auf die Waffe auszuschließen. Dass der Kläger zwischenzeitlich seinen Führerschein wiedererlangt habe, ändere an dem Ergebnis nichts.
Quelle | VG Münster, Urteil vom 1.4.2025, 1 K 2756/22, PM vom 7.4.2025
| Die Ordnungsmaßnahme einer Gesamtschule im Rhein-Kreis-Neuss, einen Zehntklässler mit sofortiger Wirkung von der Schule zu entlassen, weil dieser mit weiteren Jugendlichen einen Obdachlosen angegriffen und auf den am Boden liegenden Mann eingetreten und -geschlagen hat, ist rechtmäßig. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf entschieden und den gegen die Schulentlassung gerichteten Eilantrag des Schülers abgelehnt. |
Schweres Fehlverhalten
Das VG: Die Voraussetzungen der Entlassung von der Schule liegen vor, da der Schüler durch schweres Fehlverhalten die Rechte des Obdachlosen ernstlich verletzt und hierdurch zugleich die Erfüllung der Aufgaben der Schule ernstlich gefährdet hat. Es ist unstreitig, dass der Schüler mit massiver, nahezu hemmungsloser Aggression mindestens achtmal auf den am Boden liegenden Obdachlosen (teils mit Anlauf) eingetreten und (teils mit voller Wucht) mit der Faust gegen dessen Körper und Kopf geschlagen hat, obgleich von dem Mann zu diesem Zeitpunkt erkennbar keinerlei Gefahr ausging und dieser sich – im Gegenteil – die Hände schützend vor seinen Kopf hielt.
Schulfrieden massiv beeinträchtigt
Zugleich hat der Schüler durch dieses Verhalten seine Pflicht verletzt, an der Erfüllung der Aufgaben der Schule mitzuarbeiten. Der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule hat keine festen räumlichen Grenzen. Vielmehr kommt es darauf an, ob das Fehlverhalten – wie hier – störend in den Schulbetrieb hineinwirkt. Dadurch, dass der Schüler während der Schulzeit in der Mittagspause zwischen zwei Unterrichtseinheiten in unmittelbarer Nähe des Schulgeländes den Obdachlosen gemeinsam mit weiteren Jugendlichen angegriffen hat, waren in den darauffolgenden Tagen der Schulfrieden und der Unterricht der Schule massiv beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund handelt es sich nicht um ein bloßes „außerschulisches Fehlverhalten“ des Schülers, sondern wurde der Konflikt in die Schule hineingetragen, da dieses ohne jeden Zweifel erheblich in das Unterrichtsgeschehen der nachfolgenden Tage hineingewirkt hat.
Keine vorherige Androhung erforderlich
Die Entlassung von der Schule ist angesichts des objektiven Schweregrades der Pflichtverletzung und der zeitnah bevorstehenden Zentralen Prüfungen zur Erlangung des Mittleren Schulabschlusses nach Ansicht des VG auch ohne vorherige Androhung der Entlassung von der Schule verhältnismäßig. Die Entlassung des Schülers von der Schule stellt angesichts der besonderen Schwere der Pflichtverletzung das einzig sichere Mittel dar, um weiteres Fehlverhalten des Schülers auszuschließen und den Schulfrieden der Schule wiederherzustellen.
Schüler war bereits vorher auffällig
Bei der Abwägung war insoweit zu berücksichtigen, dass der Schüler bereits im August 2023 einem Mitschüler einen Faustschlag in das Gesicht versetzt hatte, der Antragsteller seine Impulse in Ausnahme- oder Stresssituationen mithin nicht jederzeit unter Kontrolle hat, sondern zu gewalttätigen Reaktionen neigt, und dass zudem die seinerzeit ergriffene Ordnungsmaßnahme offenbar auch nicht die gewünschte nachhaltige positive Verhaltensänderung bei dem Schüler bewirkt hat. Zudem war zu berücksichtigen, dass der Schüler mit Blick auf die am 27.5.2025 beginnenden Zentralen Prüfungen am Ende der Klasse 10 nur noch kurze Zeit den Unterricht besucht.
Angesichts dessen erweisen sich andere, im Verhältnis zur Entlassung von der Schule mildere Ordnungsmaßnahmen – etwa die Überweisung in eine Parallelklasse oder die Androhung der Entlassung von der Schule – ersichtlich als zur Zweckerreichung nicht gleichermaßen geeignet. Denn sowohl die Androhung der Entlassung als auch die Überweisung in eine Parallelklasse können aus Sicht der Kammer bei lebensnaher Betrachtung im Hinblick auf die nur noch verbleibenden wenigen Unterrichtstage erkennbar keinen nennenswerten erzieherischen Einfluss auf den Schüler entfalten.
Quelle | VG Düsseldorf, Beschluss vom 4.4.2025, 18 L 1171/25, PM vom 4.4.2025
| Was dürfen Eigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft beim Thema Gestaltung ihrer Wohnung und was nicht? Diese Frage beschäftigt Gerichte immer wieder – so auch das Amtsgericht (AG) München in einem aktuellen Fall. |
Das beabsichtigten die Eigentümer
Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung in einem neunstöckigen Wohnkomplex. Die Balkone des Gebäudes sind mit einer Loggia ausgestattet. Die Eigentümer der Wohnung planten, zusätzlich zur bereits bestehenden Balkontür, in einem anderen Zimmer der Wohnung ein vorhandenes Fenster zur Balkontür umbauen zu lassen. Hierfür beantragten sie die Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Eigentümergemeinschaft verweigerte die Zustimmung
Diese verweigerte jedoch die Zustimmung aufgrund von Bedenken im Zusammenhang mit der konstruktiven Stabilität, der Gefahr von Kälte- und Wassereintritt und der Sorge, dass die Versetzung eines aktuell vor dem Fenster befindlichen Heizkörpers Auswirkungen auf das Heizungssystem des Gebäudes habe.
Klage vor dem Amtsgericht
Da die Eigentümer sich im Recht wähnten, verklagten sie die Eigentümergemeinschaft vor dem AG auf Zustimmung. Dieses gab den Klägern Recht. Es ersetzte die grundsätzliche Zustimmung zum geplanten Umbau und legte der Eigentümergemeinschaft auf, die Modalitäten und Einzelheiten in der Eigentümerversammlung zu beschließen.
Das AG sagt: Der Umbau eines Fensters stelle jedenfalls hinsichtlich des Mauerdurchbruchs durch die Außenwand eine auf Dauer angelegte gegenständliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums dar, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehe und damit eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums darstelle.
Das Wohnungseigentumsgesetz (hier: § 20 Abs. 3 WEG) begründe einen Anspruch auf Gestattung einer baulichen Veränderung, durch die kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt werde. Eine Beeinträchtigung sei rechtlich nicht relevant, wenn sie nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehe oder die über dieses Maß hinaus beeinträchtigten Wohnungseigentümer einverstanden seien.
Soweit nicht auszuschließen sein soll, dass durch den Einbau eines neuen Heizkörpers Nachteile für das übrige Heizungssystem entstehen könnten, mache die Beklagte keine konkrete und objektive Beeinträchtigung geltend, durch die ein Wohnungseigentümer sich beeinträchtigt fühlen könne.Vielmehr handele es sich hier um ein nicht zu berücksichtigendes hypothetisches Risiko. Auch dass sich der Wandausschnitt, der durch den Einbau einer Terrassentür vergrößert würde, in der Außenmauer des Gebäudes befinde, und damit Gemeinschaftseigentum verändert würde, stelle für sich genommen keine erhebliche Beeinträchtigung dar.
Vorliegend sei nicht ersichtlich, in welcher Weise die in Rede stehende Maßnahme andere Eigentümer konkret beeinträchtigen würde. Soweit die Beklagte geltend mache, es bestünden nicht auszuschließende Folgen für die Abgeschlossenheit der Wohnung sowie die statische Sicherheit, handele es sich wiederum um rein theoretische Bedenken, denen durch entsprechende Auflagen, wie dem Verlangen nach fachkundiger Planung und ggf. statischer Berechnung durch ein Fachunternehmen nach den Regeln der Baukunst, Rechnung getragen werden könne.
Soweit die Beklagte weiter geltend mache, durch eine Veränderung in der Außenhülle des Gebäudes bestehe die Gefahr von Kälte- oder Wassereintritt, sei nicht ersichtlich, inwiefern dies andere Wohnungseigentümer als die Kläger beeinträchtigen sollte. Zudem handele es sich im Hinblick darauf, dass der von dem Mauerdurchbruch betroffenen Wand die Loggia vorgelagert sei, um theoretische Befürchtungen und nicht um konkrete und objektive Beeinträchtigungen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 27.5.2025, 1293 C 26254/24, PM 27/25
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Bei Fehlen eines schriftlichen Energieversorgungsvertrags richtet sich das Leistungsangebot eines Strom- und Gasversorgungsunternehmens an den Vermieter (Eigentümer) – und nicht, wie sonst regelmäßig der Fall, an den Mieter. Dies gilt im Fall einer Wohnung, wenn die einzelnen Zimmer durch separate Mietverträge vermietet sind und diese lediglich über einen Zähler für Strom und Gas verfügt. |
Das war geschehen
Die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, nahm die beklagte Vermieterin auf Zahlung von Entgelt für die Belieferung mit Strom und Gas im Rahmen der Grundversorgung in Anspruch. Die Zimmer der Wohnung waren einzeln mit gesonderten Mietverträgen über unterschiedliche Laufzeiten vermietet, wobei sämtlichen Mietern das Recht zur Nutzung der Gemeinschaftsräume, wie Küche und Bad, eingeräumt wurde. Nur die Wohnung, nicht hingegen die einzelnen Zimmer, verfügte über einen Zähler für Strom und Gas und wurde von der Klägerin mit Strom und Gas beliefert. Ein schriftlicher Energieversorgungsvertrag bestand nicht. Die Parteien stritten, ob ein durch die Entnahme von Strom und Gas konkludent zustande gekommener Versorgungsvertrag mit der Vermieterin (Eigentümerin) oder mit den Mietern besteht.
Die auf Zahlung der Versorgungsentgelte für einen Zeitraum von fünf Jahren gerichtete Klage hat das Amtsgericht (AG) abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht (LG) das erstinstanzliche Urteil geändert und der Klage stattgegeben. Die Beklagte begehrte beim BGH daher, das klageabweisende erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Das Berufungsgericht, so der BGH, hat zu Recht angenommen, dass unter den hier gegebenen Umständen ein Versorgungsvertrag mit der beklagten Vermieterin der Wohnung besteht. Entgegen der Ansicht der Revision war das in der Bereitstellung von Strom und Gas liegende (konkludente) Angebot der Klägerin weder an die Mieter der einzelnen Zimmer noch an die Gesamtheit der Mieter gerichtet.
Zwar haben allein die Mieter Einfluss auf den Strom- und Gasverbrauch in der Wohnung. Jedoch lässt sich dieser Verbrauch – mangels separater Zähler – nicht den einzelnen vermieteten Zimmern zuordnen. Zudem haben die einzelnen Mieter bei objektiver Betrachtung typischerweise kein Interesse daran, auch für die Verbräuche der anderen Mieter einzustehen. Der Umstand, dass sich das konkludente Angebot des Energieversorgungsunternehmens daher an die Vermieterin richtete, ist Folge des von ihr gewählten besonderen Vermietungskonzepts.
Quelle | BGH, Beschluss vom 15.4.2025, VIII ZR 300/23, PM 79/25
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Eine Zuwendung von Todes wegen zugunsten des Hausarztes des Erblassers ist nicht unwirksam, weil sie gegen ein den Hausarzt treffendes berufsständisches Zuwendungsverbot verstößt. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Hausarztes, der den Erblasser seit 2015 behandelt hatte. Im Januar 2016 schloss der Erblasser mit dem Hausarzt sowie der ihn pflegenden Beklagten und deren Tochter vor einem Notar eine als „Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag“ bezeichnete Vereinbarung. In dieser verpflichtete sich der Hausarzt gegenüber dem Erblasser zu verschiedenen ärztlichen Leistungen, unter anderem zu medizinischer Beratung und Behandlung, zu Hausbesuchen und telefonischer Erreichbarkeit sowie zu Betreuungsleistungen im häuslichen Bereich. Als Gegenleistung sollte der Arzt im Falle des Todes des Erblassers das Eigentum an einem dem Erblasser gehörenden Grundstück erhalten. Im März 2016 verfügte der Erblasser in einem notariellen Testament, dass ihn die Beklagte hinsichtlich seines im Vertrag vom Januar 2016 nicht erfassten Vermögens allein beerben solle.
Im Januar 2018 verstarb der Erblasser. Die Pflegerin (Beklagte) nahm seinen Nachlass in Besitz. Im Dezember 2019 wurde über das Vermögen des Hausarztes das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger hat als Insolvenzverwalter die Beklagte auf Übertragung des dem Arzt in der Vereinbarung vom Januar 2016 zugewandten Grundstücks an die Insolvenzmasse in Anspruch genommen.
So sah es der Bundesgerichtshof
Die Zuwendung des Grundstücks an den Hausarzt im Wege des Vermächtnisses ist wirksam. Selbst, wenn der Arzt gegen seine Berufsordnung verstoßen hätte, indem er die Zuwendung annahm, führt dies nicht zur Unwirksamkeit des Vermächtnisses.
Die Berufsordnung für Ärzte (hier: § 32 Abs. 1 S. 1 BO-Ä) regelt als berufsständische Vorschrift das Verhältnis zwischen dem Arzt und der für ihn zuständigen Landesärztekammer. Die Vorschrift verbietet deshalb nur ein Verhalten des Arztes, dem es nicht gestattet ist, Geschenke oder andere Vorteile zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen. Nicht geschützt von diesem Verbot wird hingegen der zuwendende Patient oder die Erwartung seiner Angehörigen, diesen zu beerben. Die Vorschrift zielt darauf ab, die Unabhängigkeit des behandelnden Arztes sowie das Ansehen und die Integrität der Ärzteschaft zu sichern. Dies kann durch berufsrechtliche Sanktionen vonseiten der Ärztekammer ausreichend sichergestellt werden.
Patient hatte Testierfreiheit
Auch die Testierfreiheit des Patienten verbietet es, ein zugunsten des behandelnden Arztes angeordnetes Vermächtnis wegen Verstoßes gegen eine Berufsordnung für unwirksam zu halten. Für eine Beschränkung der Testierfreiheit des Patienten fehlt schon eine ausreichende gesetzliche Grundlage.
Berufungsgericht muss erneut prüfen
Der Senat hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben. Er hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das den Parteien noch Gelegenheit geben muss, zu einem von ihm bislang nicht geprüften Verstoß der Vereinbarung des Vermächtnisses in dem Erbvertrag gegen die guten Sitten vorzutragen.
Quelle | BGH, Urteil vom 2.7.2025, IV ZR 93/24, PM 122/25
| Verkauft eine Kommanditgesellschaft ein Grundstück an eine andere Kommanditgesellschaft, ist dies auch dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB in Verbindung mit § 463 BGB), wenn es sich auf Verkäufer- und Käuferseite jeweils um Einpersonen-GmbH & Co. KGs mit demselben alleinigen Anteilsinhaber handelt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in zwei Parallelverfahren entschieden. |
Das war geschehen
Die Klägerinnen, verschiedene GmbH & Co. KGs, wenden sich gegen die Ausübung von Vorkaufsrechten nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB. Mit notariellen Kaufverträgen von Mai 2021 veräußerten sie Grundstücke an zuvor neu gegründete GmbH & Co. KGs, hinter denen jeweils dieselbe natürliche Person steht, wie auf Verkäuferseite.
Mit Bescheiden von Juli 2021 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht aus, in einem Fall zugunsten der beigeladenen stadteigenen Entwicklungsgesellschaft. Im anderen Verfahren gab die Erstkäuferin (Klägerin zu 2) eine Abwendungserklärung ab.
Klagen zunächst erfolgreich
Die Klagen waren erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht (VG) habe zu Recht angenommen, dass es an dem für ein Vorkaufsrecht erforderlichen Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 463 BGB fehle. Der Begriff des Dritten müsse einschränkend ausgelegt werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei hier nur eine Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre derselben natürlichen Personen erfolgt.
So sah es das Bundesverwaltungsgericht
Das BVerwG hat die angefochtenen Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Die Grundstückskaufverträge sind Verträge mit einem Dritten.
Gesellschaftsrechtlich sind die Kommanditgesellschaften auf Verkäufer- und Käuferseite trotz des Umstands, dass hinter ihnen jeweils dieselbe natürliche Person steht, selbstständige Rechtsträger. Eine wirtschaftliche Betrachtung auf Gesellschafterebene ist weder nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts noch verfassungsrechtlich geboten. Die Klägerinnen haben sich aus eigenem Entschluss für diese Form der Grundstücksübertragung entschieden.
Das BVerwG konnte mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Vorkaufsrechte im Übrigen rechtmäßig ausgeübt wurden. Das erfordert die Zurückverweisung an die Vorinstanz.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 17.6.2025, 4 C 4.24, PM 46/25
| In Architekten- und Ingenieurkammern, in denen die Fortbildung eine Berufspflicht ist und kontrolliert wird, kann das Nichtvorweisen entsprechender Fortbildungspunkte zum Ausschluss aus der jeweiligen Kammer führen. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen klargestellt. |
Fortbildungspflicht nicht erfüllt – zunächst Verweis und Geldbuße
Ein Mitglied der Ingenieurkammer-Bau NRW hatte in einem Jahr seine Fortbildungspflicht nicht erfüllt. Er hatte deshalb einen Verweis erhalten und musste eine Geldbuße zahlen.
Erneuter Pflichtverstoß: Kammerausschluss
Drei und sechs Jahr später geschah das Gleiche. Weil der Ingenieur auch bei der nächsten Stichprobe erneut keine Teilnahmebescheinigungen für anerkannte Fortbildungsveranstaltungen vorlegen konnte, schloss ihn das Berufsgericht aus der Kammer aus.
Oberverwaltungsgericht bestätigt Kammerausschluss
Die Klage dagegen wies das OVG ab. Der Ausschluss sei die angemessene berufsgerichtliche Maßnahme, auch wenn es sich um die schärfste berufsgerichtliche Sanktion handele. Die nochmalige Festsetzung einer Geldbuße als mildere Maßnahme komme nicht in Betracht.
Quelle | OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.8.2025, 39 A 834/24
| Lange war es ruhig um das sog. Kopplungsverbot. Jetzt hat das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg einen solchen Fall entschieden. Dieses stellt klar: Tritt ein Architekt wie ein Bauträger auf, findet das Kopplungsverbot Anwendung. Der Vertrag ist – wie hier entschieden – nichtig. |
Das besagt das Kopplungsverbot
Das Kopplungsverbot im Architektenrecht verbietet es, den Erwerb eines Grundstücks mit der Pflicht zu verbinden, einen bestimmten Architekten oder Ingenieur damit zu beauftragen, ein Bauwerk zu planen oder auszuführen. So soll der freie Wettbewerb unter Architekten geschützt werden. Außerdem soll so verhindert werden, dass sich Einzelne durch die Verknüpfung von Grundstückserwerb und Architektenleistung eine monopolartige Stellung verschaffen.
Bauherren werden geschützt
Das Verbot richtet sich gegen jede mit dem Erwerb eines Grundstücks zusammenhängende Bindung, die den Wettbewerb von Ingenieuren und Architekten beeinträchtigt. Die Vorschrift soll der Gefahr entgegenwirken, dass ein Architekt oder Ingenieur sich bei knapp gewordenem Baugrund dadurch Wettbewerbsvorteile verschafft, dass er ein Grundstück an der Hand hat.
Geschützt wird die Entschließungsfreiheit des Bauherrn, durch den Kauf eines Grundstücks, auf dem gebaut werden soll, nicht an einen bestimmten Architekten oder Ingenieur gebunden zu sein.
Quelle | OLG Nürnberg, Beschluss vom 8.5.2025, 6 U 1787/24
| Diese Frage musste das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf klären. Es neigte dazu, sie negativ zu beantworten. Die Parteien haben sich daraufhin entsprechend einem Vorschlag des Gerichts verglichen. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist seit 2013 in Vollzeit und im Schichtdienst an fünf Tagen in der Woche als Spielhallenaufsicht bei der Beklagten beschäftigt. Diese betreibt Spielhallen mit üblichem Publikumsverkehr und bietet dort u. a. Getränke an. Ausweislich der arbeitsvertraglich vereinbarten Stellenbeschreibung sind Haustiere in der Spielhalle verboten.
Im Jahr 2019 schloss die Klägerin mit der Hundehilfe Deutschland e.V. einen Tierüberlassungsschutzvertrag. Nachdem zunächst auch der Vater der Klägerin auf die Hündin aufgepasst hatte, brachte sie das Tier jedenfalls nach dem Ende der Corona-Lockdowns regelmäßig mit zur Arbeit. Verschiedene wechselnde Vorgesetzte erhoben zunächst keine Einwände. Ihr aktueller Vorgesetzter teilte ihr mit, dass der Geschäftsführer das Mitbringen der Hündin an den Arbeitsplatz nicht dulden werde bzw. – so die Klägerin – würde. Der Geschäftsführer der Beklagten bat die Klägerin dann schriftlich unter Bezugnahme auf die Stellenbeschreibung, es künftig zu unterlassen, die Hündin mit zur Arbeit zu bringen.
So sah es das Landesarbeitsgericht
Mit ihrer einstweiligen Verfügung hat die Klägerin begehrt, der Beklagten aufzugeben, die Mitnahme der Hündin während ihrer Arbeitszeiten in die Spielhalle bis zur erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache zu dulden. Die Kammer hat dann in der mündlichen Verhandlung im Rechtsgespräch mitgeteilt, dass sie davon ausgehe, dass das vertragliche Verbot weiterbestehen dürfte.
Die bloße Nichtdurchsetzung eines Verbots führe nicht zu dessen Aufhebung. Es spreche viel dafür, dass die Arbeitgeberin berechtigt sei, dies durchzusetzen, weil Kunden die Spielhalle z. B. aufgrund einer Tierhaarallergie oder Angst vor Hunden ggf. erst gar nicht aufsuchten. In der Verhandlung hat die Arbeitgeberin zudem angeführt, dass Beschäftigte in anderen von ihr betriebenen Spielhallen begännen, sich auf die von der Klägerin gelebte Praxis zu berufen.
Vergleich geschlossen
Das LAG hat dann mitgeteilt, dass die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Düsseldorf, das den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen hatte, wenig Aussicht auf Erfolg habe. Um die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und eine Gewöhnung der Hündin an andere Betreuungsmöglichkeiten zu ermöglichen, haben die Parteien auf Vorschlag des Gerichts einen Vergleich – auch zur Erledigung der Hauptsache – geschlossen. Die Klägerin durfte ihre Hündin noch für eine Übergangszeit von knapp zwei Monaten an den Arbeitsplatz mitbringen, danach jedoch nicht mehr.
Quelle | LAG Düsseldorf, Vergleich vom 8.4.2025, 8 GLa 5/25, PM vom 8.4.2025
| Ein Arbeitsgericht (ArbG) hatte bereits im letzten Jahr entschieden, dass ein Leiharbeitnehmer nicht ohne Weiteres eine Inflationsausgleichsprämie erhält, die im Entleiherbetrieb den dort Beschäftigten gezahlt wird. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holsteinhat dies nun bestätigt. |
So sah es die Arbeitnehmerin
Die Klägerin wurde von ihrer Arbeitgeberin, einem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen, in einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie („Entleiherin“) eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis endete zum 31.7.2023. Der Arbeitsvertrag der Parteien verwies u. a. auf die für Leiharbeitnehmer geltenden Tarifverträge über Branchenzuschläge für die Metall- und Elektroindustrie („TV BZ ME“) sowie Inflationsausgleichsprämie („TV IAPME“). Die Entleiherin füllte der Beklagten einen „Fragebogen zur Ermittlung von Equal Pay sowie des Branchenzuschlags ab dem 16. Einsatzmonat“ aus.
Die Mitarbeiter im Betrieb der Entleiherin erhielten im Juni 2023 eine Inflationsausgleichsprämie i.H.v. 1.000 Euro, die Klägerin dagegen nicht. Sie macht nun gerichtlich diese 1.000 Euro sowie weitere 1.200 Euro geltend.
Für die erste Zahlung bestehe durch den Fragebogen eine Equal-Pay-Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin, der Beklagten. Im Übrigen sei die Gleichstellung nicht per Tarifvertrag ausgeschlossen worden.
Hinsichtlich der zweiten Zahlung könne die Inflationsausgleichsprämie nach dem TV IAP ME bereits verlangt werden, wenn deren Voraussetzungen nach Inkrafttreten des Tarifvertrags, aber vor dem ersten Auszahlungszeitpunkt im Januar 2024 erfüllt gewesen seien. Damit sei die Prämie auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszuzahlen.
Landesarbeitsgericht: keine Equal-Pay-Vereinbarung und fehlender Vortrag
Das LAG entschied, dass der o. g. ausgefüllte Fragenbogen keine Equal-Pay-Vereinbarung mit deren Arbeitnehmern darstellt. Die Klägerin hat auch nicht die Voraussetzungen für eine Gleichstellung mit den Mitarbeitern der Entleiherin vorgetragen.
Dazu muss sie als darlegungs- und beweisbelaste Klägerin einen Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum vornehmen. Dem wird sie nicht gerecht: Der Verweis, der Klägerin müsse die Inflationsausgleichsprämie schon deshalb gezahlt werden, weil die Stammarbeitnehmer der Entleiherin diese erhalten hätten, reicht dafür nicht aus.
Die Klägerin kann die Inflationsausgleichsprämien auch nicht aus dem TV IAP ME beanspruchen: Die Auslegung des Tarifvertrags ergibt, dass im jeweiligen Auszahlungsmonat (Januar bis November 2024) der tariflichen Inflationsausgleichsprämien – anders als die Klägerin meint – noch ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden haben muss. Hier endete das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin aber bereits im Jahr 2023.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6.3.2025, 5 Sa 222 d/24, PM des LAG
| Dem Arbeitgeber kann weder die Kenntnis der Schwerbehindertenvertretung noch die eines Fachvorgesetzten von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zugerechnet werden. So sieht es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln in einer aktuellen Entscheidung. |
Keine rechtsgeschäftlichen Vertreter
Weder die Schwerbehindertenvertretung noch der Fachvorgesetzte des Arbeitnehmers hätten eine Stellung, die einem rechtsgeschäftlichen Vertreter des Arbeitgebers ähnlich sei. Denn die Schwerbehindertenvertretung vertrete die Interessen der schwerbehinderten Menschen gegenüber dem Arbeitsgericht. Sie sei nicht seiner Sphäre zuzurechnen.
Schwerbehindertenvertretung kümmert sich nicht um personalrechtliche Belange
Sie kümmere sich auch nicht um personalrechtliche Belange aus der Sicht des Arbeitgebers, sondern allenfalls aus der Sicht der schwerbehinderten Mitarbeiter.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 7.5.2025, 4 SLa 438/24
| Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen einer Universität und des durch die Universität disziplinarrechtlich beklagten Universitätsprofessors gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Göttingen jeweils zurückgewiesen, mit dem dieses den Universitätsprofessor um zwei Besoldungsgruppen von W 3 auf W 1 zurückgestuft hat. |
Das war geschehen
Die Universität hatte mit der von ihr gegen den Professor erhobenen Disziplinarklage seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erstrebt. Das VG hat mit der von beiden Beteiligten angegriffenen Entscheidung hingegen auf eine Zurückstufung um zwei Besoldungsstufen erkannt.
Nach der Vernehmung von neun Zeugen und unter Berücksichtigung der bereits durch das VG erhobenen Beweise hat das OVG es als erwiesen angesehen, dass der Universitätsprofessor mehrfach und über Jahre hinweg Studentinnen, Doktorandinnen und Mitarbeiterinnen grenzüberschreitend berührt und sich ihnen gegenüber anzüglich geäußert hatte.
So sah es das Oberverwaltungsgericht
Das OVG hat die erstinstanzliche Entscheidung mit seinem Urteil bestätigt. Der Universitätsprofessor habe ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen, das den Ausspruch der zweithöchsten Disziplinarmaßnahme erfordere. Ihm würden daher für einen Zeitraum von fünf Jahren die Bezüge aus der niedrigeren Besoldungsgruppe W 1 gezahlt, wobei er sein Statusamt als Universitätsprofessor behalte.
Mit seinem Verhalten habe er seine beamtenrechtliche Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verletzt. Erschwerend hat das OVG berücksichtigt, dass akademische Nachwuchskräfte in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu Professoren stünden, das über das übliche Verhältnis von Vorgesetzten und Beschäftigten weit hinausgehe.
Der Beklagte sei seiner mit besonderer Verantwortung einhergehenden Stellung als Universitätsprofessor nicht gerecht geworden und habe diese vielmehr dazu ausgenutzt, seine Macht zu demonstrieren und die betroffenen weiblichen Nachwuchskräfte in ihrer Würde zu verletzen. Sein Verhalten habe er zudem insbesondere trotz der Pflichtenmahnung durch die damalige Präsidentin der Universität in den Jahren 2012 und 2013 nicht verändert. Mildernd berücksichtigt hat das OVG demgegenüber die Länge des Disziplinarverfahrens von ca. acht Jahren, die sich für den Beklagten belastend ausgewirkt habe.
Die Entscheidung des Senats ist rechtskräftig.
Quelle | OVG Lüneburg, Urteil vom 25.6.2025, 3 LD 1/24, PM vom 30.6.2025
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass eine Methode zur Aufteilung des Verkaufspreises eines Sparmenüs nicht sachgerecht ist, wenn sie dazu führt, dass auf ein Produkt des Sparmenüs (z. B. Burger) ein anteiliger Verkaufspreis entfällt, der höher ist als der Einzelverkaufspreis. |
Hintergrund: Bei Sparmenüs, die zum Pauschalpreis angeboten und als „Außer-Haus-Menüs“ verkauft werden, ist hinsichtlich der Speisenlieferung der ermäßigte Steuersatz (7 %) und hinsichtlich des Getränks der Regelsteuersatz (19 %) anzuwenden. Wird vor Ort verzehrt, stellt sich die Aufteilungsfrage grundsätzlich nicht, da es sich um eine Restaurationsleistung handelt, sodass auch die Speisen mit 19 % zu versteuern sind.
Beachten Sie | Dies könnte sich aber bald ändern. Denn im Koalitionsvertrag steht, dass die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie zum 1.1.2026 auf 7 % reduziert werden soll.
Das war geschehen
Zwei GmbHs betrieben als Franchisenehmer Schnellrestaurants, in denen u. a. Sparmenüs (z. B. Getränk, Burger und Pommes frites) zu einem einheitlichen Gesamtpreis zum Verzehr außer Haus verkauft wurden.
„Food-and-Paper“-Methode zur Aufteilung von Speisen und Getränken
Die GmbHs teilten den Gesamtpreis des Sparmenüs nach der „Food-and-Paper“-Methode auf die Speisen und das Getränk auf. Die Aufteilung erfolgt dabei anhand des Wareneinsatzes, das heißt, der Summe aller Aufwendungen für die Speisen bzw. für das Getränk. Da in der Gastronomie die Gewinnspanne auf Getränke typischerweise deutlich höher ist als die Gewinnspanne auf Speisen, ergibt sich hieraus eine niedrigere Umsatzsteuer als bei einer Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen.
Das Finanzamt hielt diese Aufteilungsmethode für unzulässig, weil sie nicht so einfach sei, wie eine Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen und außerdem nicht zu sachgerechten Ergebnissen führe. Demgegenüber hielt das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg die „Food-and-Paper“-Methode für zulässig, der BFH aber nicht.
Aufteilung muss sachgerecht sein
Der BFH führte zwar aus, dass (entgegen der Ansicht des Finanzamts) der Unternehmer nicht immer die einfachste Methode anwenden muss. Wenn eine andere Methode zumindest ebenso sachgerecht ist, wie die Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen, darf er auch die andere Methode anwenden.
Gleichwohl erkannte der BFH die „Food-and-Paper“-Methode nicht an, weil sie in manchen Fällen dazu führt, dass der Preis eines Burgers mit einem hohen Wareneinsatz im Menü über dem Einzelverkaufspreis des Burgers liegt. Es widerspricht der wirtschaftlichen Realität, dass der Verkaufspreis eines Produkts in einem mit Rabatt verkauften Menü höher sein kann als der Einzelverkaufspreis.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 19/23, PM 38/25 vom 5.6.2025
| Seit dem 1.1.2025 beträgt der gesetzliche Mindestlohn 12,82 Euro pro Stunde. Die Mindestlohnkommission hat nun eine stufenweise Erhöhung des Mindestlohns auf 13,90 Euro zum 1.1.2026 und auf 14,60 Euro zum 1.1.2027 beschlossen. |
Hintergrund: Mindestlohngesetz
Im Mindestlohngesetz ist geregelt, dass „die Mindestlohnkommission alle zwei Jahre über Anpassungen der Höhe des Mindestlohns zu beschließen“ hat. Diesem Auftrag ist die Kommission in ihrer Sitzung vom 27.6.2025 nun nachgekommen. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas hat bereits angekündigt, der Bundesregierung vorzuschlagen, die Anpassung durch Rechtsverordnung zum 1.1.2026 verbindlich zu machen.
Folge: Auch erhöhte Minijob-Grenze
Die Erhöhung hat auch Auswirkungen auf die Minijob-Grenze( derzeit 556 Euro monatlich), da diese an den Mindestlohn „gekoppelt“ ist.
Beachten Sie | Die Geringfügigkeitsgrenze bezeichnet das monatliche Arbeitsentgelt, das bei einer Arbeitszeit von zehn Wochenstunden zum Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (hier: § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG ) erzielt wird. Sie wird berechnet, indem der Mindestlohn mit 130 vervielfacht, durch drei geteilt und auf volle Euro aufgerundet wird.
Das bedeutet Folgendes: Bei einem gesetzlichen Mindestlohn von 13,90 Euro ergibt sich ab dem 1.1.2026 eine Geringfügigkeitsgrenze von 603 Euro (13,90 Euro × 130 ÷ 3). Ab dem 1.1.2027 sind es dann 633 Euro.
Quelle | BMAS, Mitteilung vom 27.6.2025: „Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1.1.2026“
| Verkauft eine Kommanditgesellschaft (KG) ein Grundstück an eine andere KG, ist dies auch dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB in Verbindung mit § 463 BGB), wenn es sich auf Verkäufer- und Käuferseite jeweils um Einpersonen-GmbH & Co. KG mit demselben alleinigen Anteilsinhaber handelt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in zwei Parallelverfahren entschieden. |
Das war geschehen
Die Klägerinnen, verschiedene GmbH & Co. KG, wenden sich gegen die Ausübung von Vorkaufsrechten nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB. Mit notariellen Kaufverträgen von Mai 2021 veräußerten sie Grundstücke an zuvor neu gegründete GmbH & Co. KG, hinter denen jeweils dieselbe natürliche Person steht wie auf Verkäuferseite. Mit Bescheiden von Juli 2021 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht aus, in einem Fall zugunsten der beigeladenen stadteigenen Entwicklungsgesellschaft. Im anderen Verfahren gab eine der Klägerinnen, die Erstkäuferin, eine Abwendungserklärung ab.
Die Klagen waren erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht (VG) habe zu Recht angenommen, dass es an dem für ein Vorkaufsrecht erforderlichen Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 463 BGB fehle. Der Begriff des Dritten müsse einschränkend ausgelegt werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei hier nur eine Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre derselben natürlichen Personen erfolgt.
So sieht es das Bundesverwaltungsgericht
Das BVerwG hat die angefochtenen Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Die Grundstückskaufverträge sind Verträge mit einem Dritten. Gesellschaftsrechtlich sind die KG auf Verkäufer- und Käuferseite trotz des Umstands, dass hinter ihnen jeweils dieselbe natürliche Person steht, selbstständige Rechtsträger.
Eine wirtschaftliche Betrachtung auf Gesellschafterebene ist weder nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts noch verfassungsrechtlich geboten. Die Klägerinnen haben sich aus eigenem Entschluss für diese Form der Grundstücksübertragung entschieden. Das BVerwG konnte mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Vorkaufsrechte im Übrigen rechtmäßig ausgeübt wurden. Das erfordert die Zurückverweisung an die Vorinstanz.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 17.6.2025, 4 C 4.24, PM 46/25
| Die Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) hat jüngst mitgeteilt, dass die Steuerfahndung ein Datenpaket mehrerer Social-Media-Plattformen analysiert. Ziel der Ermittlungen sind professionelle Influencer, die ihre steuerlichen Pflichten mit hoher krimineller Energie umgehen. |
300 Mio. Euro Steuervolumen
Das Influencer-Team des Landesamts zur Bekämpfung der Finanzkriminalität in NRW (LBF NRW) ist vorsätzlichen Steuerbetrügern in den sozialen Netzwerken auf der Spur. Derzeit werten die Experten ein Datenpaket von mehreren großen Plattformen aus. Darin enthalten sind 6.000 Datensätze, die auf nicht versteuerte Gewinne mit Werbung, Abos und Co. hinweisen. Sie beziehen sich nur auf Influencer aus NRW und umfassen ein strafrechtlich relevantes Steuervolumen in Höhe von rund 300 Mio. Euro.
Nur „Große Fische“ im Visier
Im Visier stehen die „großen Fische“. Stephanie Thien, Leiterin des LBF NRW, betont: „Im Fokus unseres Influencer-Teams stehen ausdrücklich nicht junge Menschen, die ein paar Follower gesammelt und ein paar Cremes oder Kleider beworben haben.“
Beachten Sie | Auch die Finanzämter in Hamburg nehmen die Influencer ins Visier. Bereits im Jahr 2022 wurde eine Expertengruppe zur Besteuerung von Influencern und anderen Social-Media-Akteuren gegründet. Seit 2024 wird die Branche im Zuge einer Branchenprüfung verstärkt in den Fokus genommen.
Quelle | Finanzverwaltung NRW, Mitteilung vom 15.7.2025: „Verdacht auf Steuerbetrug in großem Stil: LBF NRW wertet Influencer-Datenpaket aus“; Finanzbehörde Hamburg, Mitteilung vom 17.7.2025: „Auch Hamburger Finanzämter nehmen Influencerinnen und Influencer ins Visier“
| Die Übernachtungspauschale für Berufskraftfahrer mit mehrtägiger Auswärtstätigkeit setzt neben dem bestehenden Anspruch auf eine Verpflegungspauschale eine tatsächliche Übernachtung in dem Kraftfahrzeug voraus. Die Pauschale steht einem Berufskraftfahrer daher nicht für jeden An- und Abreisetag zu. So sieht es zumindest das Finanzgericht (FG) Thüringen. Wegen der anhängigen Revision ist nun der Bundesfinanzhof (BFH) gefragt. |
Werbungskostenabzug
Hintergrund: Entstehen einem Arbeitnehmer während seiner auswärtigen beruflichen Tätigkeit auf einem Kfz des Arbeitgebers oder eines vom Arbeitgeber beauftragten Dritten im Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kfz Aufwendungen (insbesondere Gebühren für die Toilettenbenutzung sowie Park- und Abstellgebühren), kann er diese als Werbungskosten abziehen.
Beachten Sie | Anstelle der tatsächlichen Aufwendungen ist allerdings auch eine Pauschale i. H. von 9 Euro für Kalendertage möglich, an denen der Arbeitnehmer in dem Kfz übernachtet und eine Pauschale für Verpflegungsmehraufwand geltend machen kann.
Bundesfinanzhof ist gefragt
Der BFH muss nun entscheiden, ob die Pauschale durch die Kopplung an die Verpflegungspauschalen auch für den An- und Abreisetag zu gewähren ist.
Oder anders ausgedrückt: Kann ein Arbeitnehmer, der am Montag seine Tour startet, auf dem Fahrzeug übernachtet und am Freitag zurückkehrt, die Pauschale für fünf oder nur für vier Tage absetzen? Denn für fünf Tage ist Verpflegungsmehraufwand abzugsfähig, er übernachtet in dem Fahrzeug jedoch nur viermal.
Quelle | FG Thüringen, Urteil vom 18.6.2024, 2 K 534/22, Rev. BFH: VI R 6/25
| Bisher konnten Anfragen an das Bundeszentralamt für Steuern zur Bestätigung ausländischer Umsatzsteuer-Identifikationsnummern schriftlich, über das Internet oder telefonisch erfolgen. Doch das hat sich seit dem 20.7.2025 geändert. Seitdem können etwaige Anfragen ausschließlich über die vom Bundeszentralamt für Steuern im Internet bereitgestellte Online-Abfrage durchgeführt werden. |
Hintergrund: Innergemeinschaftliche Lieferungen sind von der Umsatzsteuer befreit. Seit dem 1.1.2020 ist die Verwendung einer gültigen ausländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer durch den Kunden zwingende Voraussetzung für die Umsatzsteuerfreiheit. Dies ist im Umsatzsteuergesetz (hier: § 6 a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 4 UStG) geregelt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 6.6.2025, III C 5 - S 7427-d/00014/001/002
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat eine steuerzahlerfreundliche Entscheidung getroffen: Führt der Steuerpflichtige im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung am Ort des Lebensmittelpunkts einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung nicht. |
Hintergrund: Notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen, können als Werbungskosten steuerlich abgesetzt werden.
Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt. Hierbei darf sich der Lebensmittelpunkt nicht am Beschäftigungsort befinden.
Zudem ist die einschlägige Vorschrift des Einkommensteuergesetzes (hier: § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 3 EStG) zu beachten: „Das Vorliegen eines eigenen Hausstandes setzt das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus.“ Um diese Voraussetzung ging es im Fall des BGH.
Das war geschehen
Der 1986 geborene Steuerpflichtige bewohnte das Obergeschoss im Wohnhaus seiner Eltern – und zwar allein und unentgeltlich. Zudem hatte er am Ort seiner nichtselbstständigen wissenschaftlichen Tätigkeit eine Unterkunft und machte Kosten für eine doppelte Haushaltsführung geltend. Das Finanzamt erkannte die doppelte Haushaltsführung allerdings mangels finanzieller Beteiligung am Haushalt der Eltern nicht an und berücksichtigte nur Fahrtkosten als Werbungskosten. So sah das auch das Finanzgericht (FG) München, nicht aber der BFH, der die Vorentscheidung aufhob.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Wohnung, die der Steuerpflichtige außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte innehat, seinen Erst- oder Haupthaushalt darstellen muss (Stichwort: Lebensmittelpunkt). Es ist entscheidend, dass sich der Steuerpflichtige in dem Haushalt – im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit – aufhält. Allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte reicht nicht. Ferner darf der Steuerpflichtige nicht nur in einen anderen Hausstand eingegliedert sein, wie es regelmäßig bei jungen Arbeitnehmern der Fall ist, die nach Beendigung der Ausbildung weiterhin im elterlichen Haushalt ihre Zimmer bewohnen. Die elterliche Wohnung kann zwar, wie bisher, der Mittelpunkt der Lebensinteressen sein, sie ist aber kein vom Kind unterhaltener eigener Hausstand. Wird jedoch der Haushalt in einer in sich abgeschlossenen Wohnung geführt, die auch nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet, wird regelmäßig vom Unterhalten eines eigenen Hausstands ausgegangen.
Sohn wohnte noch zu Hause – aber in eigener Wohnung
Im Streitfall hatten die Eltern dem Steuerpflichtigen sämtliche Räumlichkeiten im Obergeschoss ihres Hauses zur Nutzung überlassen. Hierbei handelte es sich um eine Wohnung, die dem Steuerpflichtigen nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet. Der Umstand, dass es sich hierbei um eine (bloße) Nutzungsüberlassung und nicht um ein Mietverhältnis handelt, steht dem nicht entgegen. Ob die Wohnung im Obergeschoss gegenüber der von den Eltern bewohnten Wohnung im Erdgeschoss baulich abgeschlossen ist, ist für das Vorliegen eines eigenen Hausstands ebenfalls unerheblich. Für einen eigenen Hausstand ist es zudem erforderlich, dass eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung erfolgt – aber nur, soweit der Steuerpflichtige am Lebensmittelpunkt einem Mehrpersonenhaushalt (z. B. im Rahmen eines Mehrgenerationenhaushalts) angehört. Denn nur, wenn mehrere Personen einen gemeinsamen Haushalt führen, kann sich der Einzelne an den Kosten dieses Haushalts und damit den Kosten der Lebensführung beteiligen.
„Denknotwendig‘“: Ein-Personen-Haushalt trägt immer gesamte Kosten
Führt der Steuerpflichtige dagegen (wie im Streitfall) einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten dieses Haushalts nicht. Denn die Kosten der Lebensführung eines Ein-Personen-Haushalts werden denknotwendig von dieser einen Person getragen. Woher die hierfür erforderlichen Mittel stammen – ob aus eigenen Einkünften, staatlichen Transferleistungen, Darlehen, Unterhaltsleistungen oder familiären Geldgeschenken – ist unerheblich.
Quelle | BFH, Urteil vom 29.4.2025, VI R 12/23
| Aufwendungen für die eigene Bestattungsvorsorge sind nicht als außergewöhnliche Belastungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 33 Abs. 1 EStG) abziehbar. Das hat das Finanzgericht (FG) Münster entschieden. |
Das war geschehen
Ein Steuerpflichtiger hatte einen Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag abgeschlossen. Den Betrag in Höhe von 6.500 Euro machte er als außergewöhnliche Belastungen geltend. Begründung: Da die Übernahme der Beerdigungskosten auf Ebene des Erben zu außergewöhnlichen Belastungen führen könne, dürfe nichts anderes gelten, wenn er selbst einen Bestattungsvorsorgevertrag abschließe, um seinen Angehörigen die Beerdigungskosten zu ersparen. Das FG ist dieser Argumentation indes nicht gefolgt.
Vom Anwendungsbereich des § 33 EStG sind die üblichen Aufwendungen der Lebensführung ausgeschlossen, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind.
Argumentation: Eigener Sterbefall nicht „außergewöhnlich“…
Bei Aufwendungen für eine Bestattungsvorsorge handelt es sich nicht um Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf, die derart außergewöhnlich wären, dass sie sich einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Denn der Eintritt des Todes und damit die Notwendigkeit, bestattet zu werden, trifft jeden Steuerpflichtigen. Es handelt sich damit nicht um Aufwendungen, die größer sind als die, die einer Mehrzahl der Steuerpflichtigen erwachsen.
… Beerdigungskosten für Dritte hingegen schon
Der Unterschied zu den Aufwendungen für Beerdigungskosten naher Angehöriger besteht bereits darin, dass nicht jeder Steuerpflichtige irgendwann einmal solche Aufwendungen für einen nahen Angehörigen zu tragen hat und auch nicht jeder Steuerpflichtige etwa auch in der Anzahl und Höhe solcher Aufwendungen gleich belastet ist.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 23.6.2025, 10 K 1483/24 E
| Ein Verbrauchsgüterkauf und die Anforderungen an die vorvertragliche Informationspflicht des verkaufenden Unternehmers gegenüber dem kaufenden Verbraucher beschäftigte das Landgericht (LG) Kiel. |
In der Annonce war das Fahrzeug ohne Hinweis auf einen Unfallschaden angepriesen. Im Kaufvertrag und in der vorvertraglichen Information fand sich der Vermerk „entgegen der Annonce Unfallschaden lt. Vorbesitzer“. Genügt das für die wirksame negative Beschaffenheitsvereinbarung?
„Nein“, sagt das LG. Diese Angabe hätte zum einen hervorgehoben, also quasi unübersehbar gestaltet werden müssen. Zum anderen hätte genauer über Art und Umfang des Vorschadens aufgeklärt werden müssen.
Quelle | LG Kiel, Urteil vom 8.5.2025, 6 O 276/23
| Das Landgericht Frankenthal (LG) hat einen Fall entschieden, der in manchem Handwerksbetrieb für Aufsehen sorgen dürfte. Einem Handwerker, der einen Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, steht im Fall des Widerrufs auch nach vollständig erbrachter Arbeit kein Geld zu. Das LG hat deshalb die Klage eines Gartenbauers auf Zahlung des kompletten Werklohns abgewiesen. |
Streit um Rechnung
Im April 2024 bestellte der Besitzer eines großen Gartens den Gartenbauer auf sein Grundstück. Vor Ort gab der Gartenbesitzer umfangreiche Arbeiten an dem völlig verwilderten Gelände in Auftrag. Nach Abschluss der Arbeiten stellte der Gartenbauer seine Rechnung in Höhe von knapp 19.000 Euro. Es kam aber zum Streit über den vereinbarten Stundensatz sowie die Frage, ob die erstellte Rechnung prüffähig sei. Der Gartenbesitzer verweigerte schließlich die Zahlung und widerrief den Vertrag im September 2024.
Auftraggeber durfte sich auf Widerrufsrecht berufen
Das LG gab dem Gartenbesitzer vollumfänglich Recht. Da er als Verbraucher anzusehen sei und sämtliche Arbeiten außerhalb von Geschäftsräumen in Auftrag gegeben wurden, stehe ihm ein gesetzliches Widerrufsrecht zu. Die grundsätzlich mit Vertragsschluss beginnende vierzehntägige Widerrufsfrist habe nicht zu laufen begonnen, weil der Gartenbauer den Verbraucher nicht darüber belehrt habe. Es gelte in diesem Fall eine Höchstfrist von einem Jahr und vierzehn Tagen für den Widerruf, die vorliegend eingehalten worden sei. Der Anspruch des Werkunternehmers auf Werklohn sei dadurch vollständig entfallen. Wegen der unterlassenen Belehrung könne er auch keinen Wertersatz oder einen sonstigen Ausgleich für seine Arbeit verlangen. Denn das europäische Verbraucherschutzrecht verlange bei einer unterlassenen Widerrufsbelehrung eine Sanktion von Unternehmern, um sie zur ordnungsgemäßen Belehrung anzuhalten, so das LG unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 15.4.2025, 8 O 214/24, PM vom 29.4.2025; EuGH, Urteil vom 17.5.2023, C-91/22
| Das Landgericht (LG) Köln hat die Klage der Inhaberin einer Entrümpelungsfirma gerichtet auf Zahlung eines Teilbetrags (100.000 Euro) für in der Wohnung entdecktes Bargeld von über 600.000 Euro als auch Finderlohn abgewiesen. Insbesondere vertragliche Ansprüche würden ausscheiden, da eine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Entrümpelungsunternehmens unwirksam sei, dass mit Beginn der Tätigkeit alle in dem Auftragshaushalt befindlichen Gegenstände in das Eigentum des Auftragnehmers übergehen. Das LG hat zudem festgestellt, dass der Inhaberin auch keine weiteren Ansprüche auf Zahlung wegen des Bargeldes sowie auf Herausgabe von Schmuck und Münzen oder entsprechenden Wertersatz zustehen. |
Das war geschehen
Die Klägerin betreibt in Bayern ein Unternehmen zur Entrümpelung von Wohnungen. Die Beklagte, für die eine Betreuung angeordnet ist, lebte bis zum Jahr 2022 in Bayern. Nachdem der ebenfalls unter Betreuung stehende Lebensgefährte nicht mehr in der Wohnung leben konnte, wollte die Beklagte nach Köln ziehen. Die Beklagte, vertreten durch ihren Betreuer, beauftragte die Klägerin mit der Entrümpelung der im Eigentum der Beklagten stehenden Wohnung gegen Zahlung von knapp 2.900 Euro.
Vereinbarung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Die Parteien vereinbarten die Geltung der AGB der Klägerin. Darin ist u. a. geregelt: „Bei all unseren angebotenen Leistungen, […] sind in den Räumlichkeiten befindliche Wertgegenstände vorab vom Auftraggeber (Kunden) zu entfernen bzw. sicherzustellen. Mit Beginn der Tätigkeit gehen alle in dem Auftragshaushalt befindlichen Gegenstände in das Eigentum des Auftragnehmers über. Die weitere Verwertung obliegt dem Auftragnehmer.“
Erhebliche Bargeldsumme und Schmuck
Für den Betreuer der Beklagten übergab die Betreuerin des Lebensgefährten die von ihr durchgesehene Wohnung an die Klägerin. Die Klägerin und ihre Mitarbeiter räumten zunächst die Wohnung, in der sie unter anderem in Windelpackungen und an anderen streitigen Orten Bargeld in Höhe von 557.000 Euro sowie Schmuck und Münzen mit einem durchschnittlichen Verkehrswert von 29.017 Euro bis 32.017 Euro fanden. Bargeld, Schmuck und Münzen wurden auf Wunsch des Betreuers der Beklagten an die Betreuerin des Lebensgefährten herausgegeben. Ebenso geschah es mit später im Keller der Wohnung in einem Koffer aufgefundenem weiteren Bargeld in Höhe von 66.500 Euro. Die Parteien verständigten sich wegen des Mehraufwands der Klägerin bezüglich der Abwicklung von Bargeld, Schmuck und Münzen auf die Zahlung von Mehrvergütung in Höhe von 2.000 Euro zzgl. Umsatzsteuer. Außergerichtliche Aufforderungen der Klägerin auf Auszahlung des aufgefundenen Geldbetrags und des Schmucks seitens der Beklagten blieben erfolglos.
So sah es das Landgericht
Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagte wegen des aufgefundenen Bargelds und Finderlohns auf einen Teilbetrag von 100.000 Euro in Anspruch. Sie ist insbesondere der Ansicht, dass ihr ein Anspruch darauf aufgrund der Regelung in ihren AGB zustehe. Der Betreuer der Beklagten habe bei der Durchsicht der Wohnung vor Übergabe an die Klägerin seine Pflichten verletzt. Zudem behauptet sie, sie habe Geld, Schmuck und Münzen nur herausgegeben, um für eine sichere Verwahrung zu sorgen, nachdem – was die Beklagte in Abrede stellt – eine Bank die Annahme verweigert habe. Dieser Argumentation ist das LG nicht gefolgt. Zur Begründung führte das LG insbesondere aus, dass der Klägerin aus dem Vertrag keinerlei Ansprüche zustehen würden. Die in ihren AGB verwendete, o. g. Klausel sei unwirksam, weil sie eine Erklärung des Auftraggebers, hier die für einen Eigentumsübergang notwendige Übereignungserklärung fingiere, ohne dem Auftraggeber die Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung zu eröffnen und ihn unangemessen benachteilige.
Eigentumsverhältnisse eindeutig
Mögliche Ansprüche auf Herausgabe des Geldes aus Eigentumsgesichtspunkten nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 985 BGB) lehnt das LG ebenso ab, da die Klägerin ihr Eigentum jedenfalls aufgrund der Einzahlung des Bargelds bei einem Kreditinstitut verloren habe. § 985 BGB begründe keinen Anspruch auf einen entsprechenden Geldwert (sog. Geldwertvindikation). Bereicherungsansprüche stünden der Klägerin aufgrund der erläuterten Rechtslage ebenfalls nicht zu, weil der Beklagten als Eigentümerin von Bargeld, Schmuck und Münzen diese zugestanden hätten, die Übergabe durch die Klägerin also nicht ohne Rechtsgrund erfolgt sei und die Beklagte auch nichts auf Kosten der Klägerin erlangt habe.
Quelle | LG Köln, Urteil vom 8.5.2025, 15 O 56/25, PM vom 2.6.2025
| Online geschlossene Verträge beschäftigen die Rechtsprechung immer wieder. So wie in einem aktuellen Fall des Amtsgerichts (AG) München, das bereits den Vertragsschluss als nicht zustande gekommen betrachtete. |
Reisebuchung über Website
Eine Frau besuchte im November 2021 die Website der Beklagten, um nach Reisen im Dezember 2021 zu suchen. Unter den Suchergebnissen befand sich eine Reise nach Dubai für zwei Personen. Die Klägerin gab die Personendaten ein, um den endgültigen Reisepreis zu erfahren.
„Jetzt-kaufen“-Button
Anschließend wurde die Frau auf eine Website weitergeleitet, die Hinweise zur Unterrichtung von Reisenden bei einer Pauschalreise enthielt. Darunter befand sich ein farblich abgesetzter Kasten mit dem Text „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB […]. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben.“ Hierunter befand sich der Button „Jetzt kaufen“ mit dem Symbol eines Einkaufswagens daneben. Die Frau klickte auf die Schaltfläche „Jetzt kaufen“ und verließ anschließend die Website.
Am selben Abend erhielt die Frau eine Buchungsbestätigung und Zahlungsaufforderung der Beklagten für eine Reise nach Dubai zu einem Preis von 2.834 Euro. Da die Frau die Zahlung verweigerte, stornierte die Beklagte die Reise und stellte eine Storno-Gebühr in Höhe von 2.692,30 Euro in Rechnung. Diese bezahlte die Frau unter Vorbehalt.
War ein Vertrag geschlossen worden?
Die Frau meint, es sei kein Vertrag zwischen ihr und der Beklagten zustande gekommen, da die Gestaltung der Website nicht den gesetzlichen Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 312j Abs. 3 BGB) entspreche. Sie verklagte das Reiseunternehmen daher vor dem AG auf Rückzahlung der 2.692,30 Euro.
Amtsgericht gab der Frau Recht
Das AG gab der Frau Recht und verurteilte die Beklagte dazu, den Betrag nebst Zinsen zu zahlen. Zwischen den Parteien, so das AG, wurde schon kein wirksamer Vertrag im Sinne des § 651 a Abs. 1 BGB geschlossen. Für den Abschluss eines Vertrags bedarf es zweier übereinstimmender Willenserklärungen – Angebot und Annahme.
Es lag nach Ansicht des AG kein Angebot der Beklagten in dem Zurverfügungstellen der Internetseite mit dem Button „Jetzt kaufen“ vor. Unstreitig hat die Frau zwar auf diesen Button geklickt. Die Gestaltung der Website der Beklagten vor Bestellabschluss genügte aber nicht den Anforderungen des § 312 j Abs. 3 BGB. Denn zwar weist der Text des Buttons „Jetzt kaufen“ auf die Entgeltlichkeit des zu schließenden Vertrags hin. Allerdings kann das Symbol eines Einkaufswagens neben dem Schriftzug dahingehend verstanden werden, dass der Kunde durch das Klicken auf den Button erst seinen Warenkorb befüllt und sich nicht schon am Ende des Buchungsprozesses befindet.
Text war irreführend
Außerdem, so das AG, ist der Text „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben“ irreführend. Denn durch Auslegung ergibt sich, dass der Kunde durch das Klicken auf den „Jetzt kaufen“ - Button lediglich AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptiert, sowie die Richtigkeit der eingegebenen Daten [und] den Erhalt des Formblatts bestätigt. Von der Abgabe einer abschließenden Willenserklärung nach § 145 BGB wegen einer Reise ist dem Text nichts zu entnehmen. Vielmehr legt der Text nahe, dass bei Fortsetzung des Buchungsprozesses noch weitere Erklärungen abzugeben sind. Außerdem fehlt eine Übersicht über die zu buchenden Reise sowie eine Preisangabe.
Ein bindendes Angebot der Beklagten sah das Gericht jedoch in der übersandten Buchungsbestätigung. Dieses wurde aber von der Frau nicht angenommen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 26.1.2023, 191 C 1446/22, PM 15/25
| Das Amtsgericht (AG) Hanau hat entschieden: Der Inhalt eines Zustandsprotokolls hinsichtlich der Mietwohnung bei Ein- oder Auszug, das die Parteien unterschreiben, ist bindend. Sie können daher nicht später etwas anderes behaupten. |
Das war geschehen
Die Vermieter klagten gegen die Mieterin u. a. auf Zahlung mehrerer nicht geleisteter Mieten. Bei Rückgabe der Wohnung während des Prozesses unterschrieben beide Seiten ein Protokoll, in dem die Wohnung als mangelfrei bezeichnet wurde. Die Mieterin machte geltend, sie sei während der Mietzeit zur Mietminderung berechtigt gewesen, weil die Wohnung bis zuletzt mangelhaft gewesen sei. Sie widersprach zudem der Behauptung der Vermieter, dass frühere Mängel behoben worden wären.
Amtsgericht: Rückgabeprotokoll ist für beide Seiten verbindlich
Das AG hat die ehemalige Mieterin zur Zahlung der ausstehenden Mieten verurteilt. Diese könne sich auf Mängel der Wohnung nicht berufen. Dass solche, wie sie behauptete, bis zum Schluss vorlagen, sei schon aufgrund des von beiden Seiten unterzeichneten Protokolls widergelegt, aus dem sich ein mangelfreier Zustand bei Mietende ergebe. Denn ein solches Protokoll sei als Zustandsvereinbarung für die Parteien bindend. Dessen Zweck bestehe – gerade, weil die Erstellung freiwillig ist – darin, den dokumentierten Zustand festzuhalten, damit später keine Seite etwas anderes behaupten kann.
Dass die Mieterin, wie sie vorträgt, bestehende Mängel nur deshalb nicht aufgenommen habe, weil sie fürchtete, von den Vermietern selbst für diese verantwortlich gemacht zu werden, steht dem nicht entgegen, weil es für die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Erklärungen nicht auf die Motivation ankommt. Zugleich könne sie sich auch nicht darauf berufen, dass früher Mängel vorlagen, denn sie hat der Behauptung der Vermieter widersprochen, dass jemals Mängel behoben worden seien. Dann aber wären diese auch bei Mietende noch vorhanden gewesen, was durch das unterzeichnete Protokoll bindend widerlegt ist.
Quelle | AG Hanau, Urteil vom 11.4.2025, 32 C 37/24, PM vom 17.6.2025
| Vereinbaren Vermieter und Mieter mündlich, die Nebenkostenvorauszahlungen zu erhöhen, ist dies unwirksam. So sieht es der Bundesgerichtshof (BGH). |
Mietvertragsparteien beschlossen mündlich, die Vorauszahlungen zu erhöhen
Mieter und Vermieter vereinbarten, die Nebenkostenvorauszahlungen zu erhöhen. Dies geschah allerdings mündlich. Nachdem der Vermieter die Immobilie verkauft hatte, war der Erwerber mit der Erhöhung nicht einverstanden.
Erwerber war nicht einverstanden
Später verkaufte der Vermieter das Grundstück. Der Erwerber meinte jedoch, die o. g. Vereinbarung sei formunwirksam. Daher reduzierte er die Höhe der Vorauszahlungen.
Mieter klagte
Der Mieter wollte dies nicht akzeptieren. Schließlich musste der BGH entscheiden. Er sah die Veränderung der Nebenkostenvorauszahlungen als formbedürftig an, da sie wesentlicher Bestandteil der Miete sind.
Der BGH stellte klar, dass auch der Erwerber eines Grundstücks, der in einen bestehenden Mietvertrag eintritt, genau wissen muss, wie hoch die Miete inklusive der Nebenkostenvorauszahlung ist. Nur so kann er seine Rechte als Vermieter wahrnehmen. Der BGH nannte als Beispiel den Fall, dass ein Vermieter einem Mieter wegen Mietrückständen kündigen möchte. Dann muss er durch schriftliche Urkunden zuverlässig informiert sein.
Quelle | BGH, Beschluss vom 14.5.2025, XII ZR 88/23
| Ist eine echte Quadratmetermiete vereinbart – etwa durch Angabe eines Mietpreises pro m² – ist die Miete stets nach der tatsächlichen Fläche zu berechnen. Eine Flächenabweichung führt dann unabhängig vom Ausmaß zur Rückzahlung überzahlter Miete. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Dresden. |
Tatsächliche Fläche wich von vertraglich vereinbarter ab
Der Kläger hatte Büroräume gemietet. Der Vertrag wies eine Fläche von „ca. 70 qm“ aus und bestimmte eine Miete von „EUR 5,00/qm“. Die tatsächliche Fläche betrug jedoch nur 45,6 qm. Der Vermieter verlangte monatlich 350 EUR, der Kläger begehrte Rückzahlung der Überzahlung von 120 EUR monatlich.
Quadratmetermiete vereinbart
Das OLG Dresden stellte klar: Auch wenn die Flächenangabe laut Vertrag keine Sollbeschaffenheit festlege, wurde eine Quadratmetermiete vereinbart. In diesem Fall sei die Miete unabhängig von der Abweichung stets anhand der tatsächlichen Fläche zu berechnen.
Die Rückzahlung überzahlter Miete folge aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Das gelte unabhängig von der 10 Prozent-Grenze, die bei einem Mangel nach § 536 BGB zu beachten wäre.
Ein Wermutstropfen für den Mieter: Seine Ansprüche waren teilweise verjährt, soweit sie das Jahr 2020 betrafen.
Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 19.3.2025, 5 U 1633/24
| Die Anfechtung der Ausschlagung des Erbes wegen einer vermeintlichen Überschuldung des Nachlasses scheidet aus, wenn der Anfechtende seine Anfechtungsentscheidung nicht auf Basis von Fakten, sondern auf Basis von Spekulationen getroffen hat. Wird die Ausschlagung lediglich auf Verdacht hin erklärt, fehlt es letztlich auch an der erforderlichen Kausalität der Fehlvorstellung für die erklärte Ausschlagung. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschieden.
Erbschaft wegen Überschuldung ausgeschlagen
Die Tochter des Erblassers aus dessen erster Ehe sowie deren volljähriger Sohn haben nach dessen Tod wirksam die Ausschlagung der Erbschaft bei gesetzlicher Erbfolge wegen „Schulden/private Gründe“ erklärt. Etwa zwei Monate später hat die Tochter ihre Ausschlagungserklärung zu Protokoll des Nachlassgerichts mit der Begründung angefochten, dass sie bei der Ausschlagung der Erbschaft von der Überschuldung des Nachlasses ausgegangen sei. Dies habe ihr Bruder ihr so mitgeteilt. Sie selbst habe seit 20 Jahren keinen Kontakt zu ihrem Vater gehabt. Nun habe sie durch eigene Recherchen in Erfahrung gebracht, dass ihr Vater in einem eigenen Haus gelebt habe, was sie vorher nicht gewusst habe.
Ausschlagungsanfechtung wirksam?
Im Erbscheinsverfahren stellte die Tochter des Erblassers den Antrag, einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge zu erteilen. Die weiteren gesetzlichen Erben stellten den Antrag, einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge unter Ausschluss der Tochter zu erteilen, weil diese die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und die Anfechtungserklärung unwirksam und unbegründet sei. Diesem Antrag ist das Nachlassgericht nachgekommen und hat dabei erklärt, dass die Ausschlagungsanfechtung der Tochter des Erblassers unwirksam und unbegründet sei. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Tochter des Erblassers, der das Nachlassgericht nicht abgeholfen hat.
Oberlandesgericht: „Nein“!
Die vom Nachlassgericht dem OLG zur Entscheidung vorgelegte Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen, weil das Nachlassgericht zu Recht zu der Auffassung gelangt sei, dass die von der Tochter erklärte Ausschlagung der Erbschaft weiterhin wirksam ist.
Der Anfechtende sei bei einer Anfechtung einer erfolgten Erbausschlagung beweispflichtig für die Voraussetzungen der jeweiligen Anfechtungstatbestände. Hinsichtlich des geltend gemachten erheblichen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses im Hinblick auf eine angenommene Überschuldung sei es zwar richtig, dass die Überschuldung eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses darstellen könne. Jedoch werde eine Fehlvorstellung darüber, dass die (Nachlass-)Verbindlichkeiten den (Aktiv-)Wert des Nachlasses übersteigen, nur dann als relevant angesehen, wenn sie darauf beruhe, dass der Ausschlagende unrichtige Vorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses hatte.
Dagegen werde gemäß der vom Nachlassgericht in dem angefochtenen Beschluss zitierten Rechtsprechung ein erheblicher Irrtum über eine Überschuldung als eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses verneint und stattdessen ein nicht zu einer Anfechtung berechtigender Motivirrtum angenommen, wenn der Anfechtende zu seiner Vorstellung nicht aufgrund einer Bewertung ihm bekannter oder zugänglicher Fakten zu dem Ergebnis gelangt sei, sondern seine Entscheidung, die Erbschaft auszuschlagen, auf spekulativer, bewusst ungesicherter Grundlage getroffen habe.
Folge: Das Nachlassgericht habe zu Recht das Vorliegen eines zur Anfechtung berechtigten Irrtums bei der Tochter des Erblassers verneint, da diese keineswegs dargelegt und schon gar nicht bewiesen habe, dass sie die Ausschlagung wegen einer angeblichen Überschuldung des Nachlasses erst nach einer Bewertung der ihr bekannten und zugänglichen Fakten vorgenommen habe.
Quelle | OLG Zweibrücken, Urteil vom 7.3.2025, 8 W 20/24
| Die Suche nach einem Testament hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Das Fazit: Mit der richtigen Vorsorge lassen sich später Schwierigkeiten vermeiden. |
Nach dem Tod eines Mannes stritten seine Witwe und sein Sohn darüber, ob er ein Testament hinterlassen hatte: Die Witwe behauptete das – doch gefunden hatte sie das Testament nicht. In der ersten Instanz hatte das Landgericht (LG) deshalb zehn Zeugen vernommen, die aber keine endgültige Klärung brachten. Beim OLG nahm die Frau schließlich ihre Klage zurück und erkannte den Sohn als gesetzlichen Miterben an.
Mögliche Erben tragen die Beweislast
Der Fall ist keine Seltenheit: Viele Angehörige müssen sich nach dem Tod ihres Verwandten die Frage stellen, ob es ein Testament gibt und wo es sich befindet. Auf vermeintlich sichere Orte ist dabei nicht immer Verlass. In dem entschiedenen Fall wurde vergeblich nach einem Bankschließfach gesucht, in einem anderen aktuellen Fall ebenso erfolglos in einem Waffenschrank. Für die möglichen Erben kann das entscheidend sein: Wer sich auf ein Testament berufen will, muss auch dessen Existenz und Inhalt beweisen.
Amtsgerichte und Notare bieten Sicherheit
Schutz vor Ungewissheiten bieten die Amtsgerichte (AG) und Notare. Wenn ein Testament von einem Notar errichtet oder bei einem Amtsgericht hinterlegt wird, wird das im Zentralen Testamentsregister vermerkt. Im Todesfall gibt es einen Informationsaustausch zwischen dem Standesamt, dem Testamentsregister und der Stelle, die das Testament verwahrt. Das Testament wird dann automatisch an das zuständige AG weitergeleitet, das die Erben informiert und das Testament eröffnet. Eine Hinterlegung beim AG mit Registrierung kostet 93 Euro.
Quelle | OLG Celle, PM vom 11.4.2025
| Das Verwaltungsgericht (VG) Braunschweig hat die Klage zweier Hauseigentümer abgewiesen, die eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach ihres Gebäudes in der als Denkmal geschützten und von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannten Altstadt Goslars errichten wollten. |
Das VG stellte in seinem Urteil fest: Nach den geltenden Regelungen des Bundes- und Landesrechts müssen die Behörden Solaranlagen in aller Regel auf denkmalgeschützten Gebäuden genehmigen. Die Nutzung erneuerbarer Energien habe weitgehend Vorrang, in der weitaus größten Zahl der Fälle bestehe deswegen ein Rechtsanspruch auf Genehmigung von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden. Für „atypische Situationen“ sehe das Gesetz aber Ausnahmen vor. Das gelte für besonders wertvolle Denkmäler und bei besonders schwerwiegenden Eingriffen in ein Denkmal. In diesen Fällen sei eine Abwägung erforderlich. Ein solcher (seltener) Ausnahmefall liege hier vor: Das Gebäude der Kläger sei als Bestandteil des UNESCO-Weltkulturerbes in besonderem Maße schutzbedürftig. Zusätzlich liege in der Installation der Anlage nach der fachlichen Einschätzung des zum Verfahren beigeladenen Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege (NLD) auch ein besonders schwerer Eingriff in das Denkmal vor. Das Gesamterscheinungsbild der zusammenhängenden historischen Bebauung, die den Denkmalwert hier gerade ausmache, würde nach der Darstellung des NLD durch die Installation der Solaranlage erheblich gestört werden. Das Gebäudes ei aus dem öffentlichen Straßenraum heraus wahrnehmbar und die Solaranlage würde sich außerdem durch die vorgesehene dunkle Farbe deutlich von dem Dachgebilde abheben.
Das VG folgte dieser fachlichen Einschätzung. Weil hier ein besonders schutzwürdiges Denkmal (Goslarer Altstadt als Gruppendenkmal) beeinträchtigt sei und ein besonders schwerwiegender Eingriff vorliege, überwiege der Denkmalschutz in diesem besonderen Fall ausnahmsweise das Interesse an der Nutzung erneuerbarer Energien. Das VG wies auf die Präzedenzwirkung hin, die eine Genehmigung hätte: In allen Fällen dieser Art müssten dann Solaranlagen genehmigt werden; dies würde die historische Dachlandschaft der Altstadt weitgehend verändern.
Quelle | VG Braunschweig, Urteil vom 25.6.2025, 2 A 21/23, PM vom 25.6.2025
| Wie muss eine Baustelle abgesichert sein, damit der Bauherr seiner ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht genügt? Diese Frage musste das Landgericht (LG) Koblenz entscheiden. |
Das war geschehen
Die Parteien stritten über von der Klägerin geltend gemachte Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld aus einem Sturz im Bereich einer Straße. Diese Straße verfügt über keinen gesondert ausgewiesenen Gehweg.
Die Beklagte führte zu diesem Zeitpunkt Straßenbaumaßnahmen auf der teilweise deutlich erneuerungsbedürftigen Straße durch. Diese führten u. a. zu einer Fräskante auf der Straße. Der betroffene Streckenabschnitt war gemäß der behördlichen Anordnung beschildert. Die Klägerin stürzte an der Fräskante und erlitt eine distale Radiusfraktur links. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt habe. Auf die Fräskante sei nicht ordnungsgemäß hingewiesen worden. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass sie ihre Verkehrssicherungspflichten vollumfänglich erfüllt habe. Jedenfalls sei der Klägerin ein so erhebliches Mitverschulden anzulasten, dass schon aus diesem Grund der geltend gemachte Anspruch ausgeschlossen sei.
Amtsgericht: Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht, aber auch Mitverschulden
Das Amtsgericht (AG) hat die Beklagte verurteilt, rund 1.000 Euro sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 272,60 Euro, jeweils zuzüglich Zinsen, an die Klägerin zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits legte das AG den Parteien zu je 50 % auf.
Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte eine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Es fehle an einem Schild mit ausdrücklichem Bezug zu einer Baustelle oder an einem Schild mit dem Hinweis auf Fahrbahnunebenheiten. Das AG sah zulasten der Klägerin jedoch auch ein Mitverschulden, da sie nach Überqueren der ersten Fräskante eine weitere Fräskante habe erwarten müssen.
Hiergegen wenden sich beide Parteien jeweils mit dem Rechtsmittel der Berufung und dem Ziel, mit ihren jeweiligen Anträgen vollumfänglich zu obsiegen.
Landgericht: Klage abgewiesen
Das LG hat dem Antrag der Beklagten auf Klageabweisung vollumfänglich stattgegeben und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Schmerzensgeld oder materiellen Schadenersatz gegen die Beklagte. Der Beklagten könne bereits keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht vorgeworfen werden. Auf ein mögliches Mitverschulden der Klägerin komme es vor diesem Hintergrund schon nicht mehr an.
Grundsätzlich Verkehrssicherungspflicht bei Gefahrenquelle, ...
Im Grundsatz sei der, der eine Gefahrenquelle schafft, dazu verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu vermeiden. Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflicht beginne erst dort, wo auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintrete und nicht rechtzeitig erkennbar sei. Entscheidend seien daher auch die äußeren Gesamtumstände. Für Gefahrenstellen innerhalb eines erkennbaren Baustellenbereiches bedeute dies, dass nicht jede Unebenheit besonders gekennzeichnet werden müsse. Unebenheiten seien in Baustellenbereichen grundsätzlich zu erwarten. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte den Baustellenbereich ausreichend deutlich gekennzeichnet. Bei einer Fräskante handele es sich um eine typische Baustellenunebenheit, mit der ein Fußgänger im Bereich einer Baustelle zu rechnen hätte.
... aber erkennbarer Baustellenbereich und Dunkelheit erfordern erhöhte Aufmerksamkeit
Die Sturzstelle liege auf einer untergeordneten Straße mit deutlich erkennbaren erheblichen Beschädigungen, die vor allem dem Fahrzeugverkehr gewidmet sei. Fußgänger dürften hier keinen hindernisfreien Weg erwarten, wie beispielsweise bei einer Fußgängerzone. Die Straße sei zum Zeitpunkt des Vorfalls bei Dunkelheit (20:20 Uhr an einem Februartag) nicht durchgängig beleuchtet gewesen, weswegen Fußgänger in eigener Verantwortung besonders auf den Fahrbahnbelag zu achten hätten. Durch die Aufstellung der Warnbaken mit Blinklichtern und das erkennbar vorübergehend angeordnete Einfahrtsverbot für Fahrzeuge aller Art hätte der Klägerin bewusst sein müssen, dass sie einen Baustellenbereich betrete. Wie bereits ausgeführt, habe sich der Straßenbelag schon zuvor in einem schlechten Zustand befunden. Dass bei einer Baustelleneinrichtung daher (auch) Ausbesserungsarbeiten am Straßenbelag durchgeführt werden, sei zu erwarten. Dies schließe ebenfalls Abfräsarbeiten von altem Straßenbelag mit ein.
Quelle | LG Koblenz, Urteil vom 31.1.2025, 13 S 32/24, PM des LG
| Inflationsausgleichszahlungen für Beamte in Elternteilzeit zu kürzen, ist zulässig. So sieht es das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |
Das Landesgesetz zur Anpassung der Besoldung 2024/2025 in Rheinland-Pfalz sah eine einmalige Inflationsausgleichszahlung von 1.800 Euro vor. Teilzeitbeschäftigte Beamte erhielten den Betrag anteilig gemäß ihrer Arbeitszeit. Berechtigt waren Beamte mit Dienstverhältnis am 9.12.2023 und mindestens einem Tag Anspruch auf Dienstbezüge zwischen dem 1.8.2023 und dem Stichtag. Die Kläger, eine Beamtin und ein Beamter, arbeiteten während ihrer Elternzeit in Teilzeit und erhielten gekürzte Zahlungen, während vollzeitfreigestellte Kollegen die volle Summe erhielten. Diese Ungleichbehandlung wurde von ihnen als verfassungswidrig gesehen.
Das VG: Der Gesetzgeber verfügt bei solchen Sonderzahlungen über einen großen Gestaltungsspielraum. Die Differenzierung zwischen vollzeitfreigestellten und teilzeitbeschäftigten Beamten ist gerechtfertigt. Während man die Höhe der Sonderzahlung für Letztere anhand des (reduzierten) Umfangs ihrer Arbeitszeit am Stichtag des 9.12.2023 errechnen konnte, war dies bei den vollständig freigestellten Beamten nicht der Fall. Vollzeitfreigestellten Beamten ohne Dienstleistung hätte gemäß ihrer Arbeitszeit kein Anspruch zugestanden. Insoweit hat ein sachliches Bedürfnis bestanden, den Stichtag für sie zu verschieben. Aufgrund der unterschiedlichen Entlohnungssysteme kommt es ferner nicht darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen der Personengruppe der Tarifbeschäftigten Sonderzahlungen gewährt worden sind.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 1.4.2025, 5 K 967/24.KO
| Es ist Sache des Arbeitgebers, zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren will. Liegt in Gestalt einer Konfliktlage einhinreichender Anlass vor und ist eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, ist grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Der Arbeitgeber verletzt seinen Ermessensspielraum erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lässt. So hat es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden. |
Das war geschehen
Das LAG musste über die Versetzung eines Arbeitnehmers aufgrund des Vorwurfs der sexuellen Belästigung entscheiden. Dabei kam es zum Ergebnis, dass die örtliche Umsetzung dem billigen Ermessen entsprochen habe.
Mehrfache sexuelle Belästigung einer Arbeitskollegin stand im Raum
Der Vorwurf der mehrfachen sexuellen Belästigung einer Arbeitskollegin und die ausgesprochene Empfehlung der Antidiskriminierungsstelle, dem Arbeitnehmer für das Büro ein Betretungsverbot auszusprechen, waren zwar Auslöser für die Umsetzungsentscheidung des Arbeitgebers. Der gerichtliche Nachweis einer sexuellen Belästigung sei aber keine Tatbestandsvoraussetzung für die Umsetzung. Daher sei es unerheblich, dass der beklagte Arbeitgeber in der über einem Jahr später stattgefundenen Beweisaufnahme die sexuelle Belästigung nicht habe nachweisen können. Dies ergebe sich zudem daraus, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle der Zeitpunkt sei, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen habe.
Arbeitgeber hat Ermessensspielraum
Es sei Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren wolle. Er müsse dabei nicht zunächst die Ursachen und Verantwortlichkeiten für die entstandenen Konflikte im Einzelnen aufklären. Liege in Gestalt einer Konfliktlage ein hinreichender Anlass vor und sei eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, sei ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Seinen Ermessensspielraum verletze der Arbeitgeber erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lasse. Diese waren hier nicht gegeben.
Zwar möge der Arbeitnehmer die Umsetzung als „Strafe“ empfinden. Die Umsetzung diene aber der Befriedung des Konflikts und sei keine „Bestrafung“. Der Arbeitgeber habe sich bei der Entscheidung von zutreffenden Erwägungen leiten lassen. Eine räumliche Trennung der Protagonisten innerhalb des Projektbüros sei aufgrund dessen Größe und der gemeinsam genutzten Flächen nicht möglich. Es sei daher ermessensgerecht, dem Arbeitnehmer einen anderen Dienstort zuzuweisen.
Betriebsfrieden war gefährdet
Letztlich konnte sich das LAG nicht vorstellen, wie die Arbeitnehmerin und der Arbeitnehmer jemals wieder unbefangen hätten zusammenarbeiten können. Denn mindestens aus Sicht der Kollegin sei der Arbeitnehmer ein sexueller Belästiger. Und aus Sicht des Arbeitnehmers sei die Frau eine Falschbeschuldigerin. Dies beeinträchtige nicht nur das Verhältnis der Protagonisten untereinander, sondern in einem so kleinen Büro auch den Betriebsfrieden insgesamt.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 25.2.2025, 7 SLa 456/24
| Auch in einem Minijob gibt es bezahlten Urlaub. Doch in diesem Zusammenhang stellen sich viele Fragen: Wie viele freie Tage stehen einem Minijobber zu? Was gilt bei unregelmäßiger Arbeitszeit? Wie wirkt sich das Urlaubsgeld auf den Minijob aus? Diese und weitere Fragen hat die Minijob-Zentrale jüngst beantwortet. |
So erläutert die Minijob-Zentrale beispielsweise, dass der Lohn während des Urlaubs weitergezahlt werden muss (Urlaubsentgelt). Das ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt. Zusätzlich kann es Urlaubsgeld geben (als freiwillige Zahlung zum Urlaub).
Quelle | Minijob-Zentrale vom 11.6.2025 „Urlaub im Minijob: Ihre Fragen – Wir antworten!"
| Es gibt steuerliche Betriebsprüfungen, die bereits nach kurzer Zeit abgeschlossen sind. Andere Prüfungen hingegen ziehen sich über Monate oder sogar über Jahre hin. Um die Betriebsprüfung zu beschleunigen, wurden nun mehrere gesetzliche Änderungen vorgenommen. |
Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen
Verzögerungen bei einer Betriebsprüfung können mitunter auf eine unzureichende Mitwirkung des Steuerpflichtigen zurückzuführen sein. Um dem entgegenzuwirken, sieht der neue § 200 a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) das qualifizierte Mitwirkungsverlangen vor, das sich auf die Mitwirkungspflichten nach § 200 AO stützt. Danach hat der Steuerpflichtige u. a. Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben.
Ermessensentscheidung des Prüfers
Das (neue) qualifizierte Mitwirkungsverlangen stellt eine Ermessensentscheidung des Prüfers dar, die frühestens nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ergehen darf. Entscheidet sich der Prüfer für ein solches Mitwirkungsverlangen, ist es schriftlich oder elektronisch (versehen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung) zu erteilen.
Beachten Sie | Der Steuerpflichtige muss in diesem Fall schnell handeln. Denn das Mitwirkungsverlangen ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe zu erfüllen. Nur in begründeten Einzelfällen kann die Frist verlängert werden.
Neu: Mitwirkungsverzögerungsgeld
Problematisch wird das qualifizierte Mitwirkungsverlangen für den Steuerpflichtigen, wenn es nicht oder nicht hinreichend innerhalb der Frist erfüllt wird. Denn in diesen Fällen wird das neu eingeführte Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt (§ 200 a Abs. 2 AO). Ausnahme: Die Mitwirkungsverzögerung erscheint entschuldbar, beispielsweise bei einer stark beeinträchtigenden Erkrankung.
Beachten Sie | Das Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung (also für jeden vollen Tag nach Verstreichen der im Mitwirkungsverlangen gesetzten Frist) 75 Euro. Gerechnet werden die Tage bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Mitwirkungsverlangen erfüllt wird – spätestens bis zum Tag der Schlussbesprechung. Denn nach der Schlussbesprechung gibt es keinen Bedarf mehr, eine Mitwirkung sicherzustellen.
Allerdings dürfen maximal 150 Tage zugrunde gelegt werden, sodass das Mitwirkungsverzögerungsgeld maximal 11.250 Euro betragen kann (150 Tage × 75 Euro).
Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld
Nicht immer bleibt es bei dem Mitwirkungsverzögerungsgeld. Denn es steht im Ermessen des Prüfers, nach § 200 a Abs. 3 AO zusätzlich einen Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzen. Voraussetzung ist, dass
- gegen den Steuerpflichtigen in den letzten fünf Jahren ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wurde und zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt oder
- wegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu befürchten ist, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten ohne einen Zuschlag nicht nachkommt. Davon ist auszugehen, wenn die Umsatzerlöse in einem der von der Prüfung umfassten Jahre mindestens 12 Mio. Euro betragen oder sich die konsolidierten Umsatzerlöse bei Konzernen auf mindestens 120 Mio. Euro belaufen.
Entscheidet sich der Prüfer für den Zuschlag, steht auch die Höhe in seinem Ermessen. Dabei darf der Zuschlag höchstens 25.000 Euro für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung betragen – ebenfalls für maximal 150 Tage (maximal somit 3,75 Mio. Euro).
Teilabschlussbescheid und Inkrafttreten
Um die Betriebsprüfungen zu beschleunigen, wurde auch der neue Teilabschlussbescheid eingeführt. Denn oft scheitert der zeitnahe Abschluss an einem einzelnen Sachverhalt, der nur durch intensiven Arbeitseinsatz aufgeklärt werden kann. Das Problem: So entsteht keine Rechtssicherheit bezüglich weiterer geprüfter Sachverhalte.
Durch den neuen § 202 Abs. 3 AO hat der Prüfer die Möglichkeit, bereits vor Abschluss der Prüfung einen Teilprüfungsbericht zu übermitteln und im Anschluss einen Teilabschlussbescheid zu erlassen. Hierdurch lassen sich einzelne im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte und abgrenzbare Feststellungen vor dem abschließenden Prüfungsbericht gesondert feststellen. Kann der Steuerpflichtige ein erhebliches Interesse an einem Teilabschlussbescheid glaubhaft machen, soll dieser auf Antrag ergehen.
Beachten Sie | Die Neuerungen gelten erst für Steuern und Steuervergütungen, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Sie sind aber auch für Steuern und Steuervergütungen anzuwenden, die vor dem 1.1.2025 entstehen, wenn für diese Steuern und Steuervergütungen nach dem 31.12.2024 eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde.
Quelle | Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie, BGBl I 2022, S. 2730
| Verlängert sich die dem Verbraucher gesetzlich eingeräumte 14-tägige Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge, wenn der Verkäufer in seiner Widerrufsbelehrung seine Telefonnummer nicht angibt? Diese Frage hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden. |
Kauf im Online-Shop über 62.000 Euro
Der Kläger hatte am 4.5.2022 über den Onlineshop der Beklagten ein Elektrofahrzeug zum Preis von rund 62.000 Euro erworben. Die Auslieferung des Fahrzeugs erfolgte am 20.12.2022. Am 14.8.2023 erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrags. Zu spät, entschied nun auch das OLG in zweiter Instanz und wies damit die Berufung des Klägers zurück.
Rechtlicher Hintergrund
Verbrauchern steht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: §§ 312 g Abs. 1, 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, im Normalfall beginnend ab Erhalt der Ware. Wird der Verbraucher jedoch nicht korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB). Die Informationspflichten des Unternehmers ergeben sich aus dem Einführungsgesetz zum BGB (hier: Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB). Der Unternehmer kann die Informationspflichten auch durch die Verwendung einer Musterwiderrufsbelehrung erfüllen, die sich in der Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB befindet.
Fehlende Telefonnummer ohne Auswirkungen
Hier hatte die Autohändlerin in ihrer selbst formulierten Widerrufsbelehrung, die sie dem Kläger übermittelte, keine Telefonnummer angegeben. Diese war jedoch auf der Internetseite der Beklagten zu finden. Das OLG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist geführt hat.
Widerruf eines Autokaufs wahrscheinlich eher schriftlich als per Telefon
Es entschied, dass die Widerrufsbelehrung auch ohne Angabe einer Telefonnummer den gesetzlichen Anforderungen genügt und sich die Widerrufsfrist daher nicht verlängert. Die Nichtangabe der Telefonnummer begründe bei einem Autokauf, der von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sei, nicht die Gefahr, dass der Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werde.
Ein typischer Kunde würde allein aus Beweiszwecken bei den hohen Summen eines Elektroautokaufs den Widerruf vernünftigerweise auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. per E-Mail) übermitteln.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 7.11.2024, 14 U 95/24, PM 8/25
| Hat sich der Übergeber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anlässlich der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ein Wohnungsrecht an einer Wohnung des übergebenen Vermögens vorbehalten, ist ein Sonderausgabenabzug des Mietwerts nach Meinung der Finanzverwaltung ausgeschlossen. Dieser Ansicht hat aber nun das Finanzgericht (FG) Nürnberg widersprochen. |
Hintergrund: Wird ein Betrieb gegen Versorgungsleistungen auf nahe Angehörige übertragen, kann der Betriebsübernehmer die Versorgungsleistungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 a Nr. 2 EStG) als Sonderausgaben abziehen, die der Empfänger versteuern muss (nach § 22 Nr. 1a EStG).
Das war geschehen
Anlässlich einer Hofübergabe wurde dem Übergeber ein Altenteil in Form eines vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts, Taschengelds und der Mitbenutzung von Gegenständen eingeräumt. Den vom Vermögensübernehmer als Sonderausgaben geltend gemachten Nutzungswert der Altenteilerwohnung erkannte das Finanzamt allerdings nicht an, da nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2010 nur die mit der Nutzungsüberlassung tatsächlich zusammenhängenden Aufwendungen (wie Strom, Heizung, Wasser und Instandhaltungskosten), nicht jedoch der Nutzungswert der Altenteilerwohnung berücksichtigt werden können.
Finanzgericht gibt Kläger Recht, Revision ist eingelegt
Die hiergegen eingelegte Klage war vor dem FG Nürnberg erfolgreich. Nach Auffassung des FG kann der Fall, dass der Versorgungsberechtigte mit dem ihm gewährten (höheren) Barunterhalt selbst eine Wohnung mietet, für den Bereich des Sonderausgabenabzugs nicht anders behandelt werden als der Fall, in dem sich die Versorgungsleistung aus (niedrigerem) Barunterhalt und unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zusammensetzt.
Da die Revision anhängig ist, muss nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden.
Quelle | FG Nürnberg, Urteil vom 6.2.2025, 4 K 1279/23, Rev. BFH: X R 5/25, BMF-Schreiben vom 11.3.2010, IV C 3 - S 2221/09/10004, Rz. 46
| Der Bundesfinanzhof (BFHZ) hat jüngst entschieden, dass die Erteilung von Reitunterricht nicht von der Umsatzsteuer befreit ist, es sei denn, der Unterricht dient der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung. |
Das war geschehen
Im Streitfall begehrte der Kläger die Steuerbefreiung verschiedener Reitkurse für Kinder und Jugendliche auf seinem Reiterhof in den Jahren 2007 bis 2011. In der „Ponygruppe“ wurden Kinder und Jugendliche und bei „Klassenfahrten“ wurden Schulklassen im Umgang mit Pferden unterrichtet.
Zudem wurden Kurse für eine „Große Pferdegruppe“ angeboten, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen gerichtet waren. Die unterrichteten Kinder und Jugendlichen wurden darüber hinaus verpflegt und übernachteten teilweise auch auf dem Reiterhof.
Uneinigkeit der gerichtlichen Instanzen
Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, dass sämtliche Leistungen steuerpflichtig seien. Das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein sah das aber größtenteils anders. So seien die Umsätze insoweit steuerfrei, als sie auf die Beherbergung und Verpflegung sowie auf den Teil des Reitunterrichts entfielen, mit dem die formalen Voraussetzungen dafür erlangt werden können, später den Beruf des Turniersportreiters auszuüben („Große Pferdegruppe“).
Der Meinung des Finanzgerichts hat sich der BFH aber nicht vollumfänglich angeschlossen.
Der BFH stellte klar, dass es sich bei der Beherbergung und Verpflegung von Kindern und Jugendlichen um selbstständige steuerbare Leistungen neben dem Reitunterricht handelt. Er hob weiter hervor, dass Reitunterricht (als spezialisierter Unterricht) kein „Schul- und Hochschulunterricht“ ist.
Beachten Sie | Entsprechendes ist bereits für Segel-, Fahr-, Schwimm-, Jagd- und Tanzschulen entschieden worden.
Anerkennung als Ausbildung an strenge Voraussetzungen geknüft
Die Einstufung von Reitunterricht als „Ausbildung“ oder „Fortbildung“ kommt nach Auffassung des BFH nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Reitunterricht, der typischerweise der Freizeitgestaltung dient, ist in der Regel keine Ausbildung oder Fortbildung, da er nicht auf einen bestimmten Beruf vorbereitet. Die Kurse der „Ponygruppe“ und für Schulklassen im Rahmen der „Klassenfahrten“ sind daher umsatzsteuerpflichtig.
Beachten Sie | Die Ansicht des BFH dürfte insoweit strenger sein als die Auffassung der Finanzverwaltung zu Ballett-, Tanz- oder Musikunterricht.
Spätere Turniersportreiter: umsatzsteuerfreie Kurse
Bei den Kursen der „Großen Pferdegruppe“ lagen hingegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme vor, da zahlreiche Teilnehmer später Turniersportreiter wurden. Diese Kurse sind folglich umsatzsteuerfrei.
Hinsichtlich der Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für die Kinder und Jugendlichen führte der BFH aus, dass die hierfür seinerzeit geltende Steuerbefreiung nur in Betracht kommt, wenn eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter vorliegt. Bereits hieran fehlte es aber im Streitfall. Denn der Kläger konnte eine solche Anerkennung nicht vorweisen.
Beachten Sie | Seit dem 1.1.2020 können nur noch die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben insoweit umsatzsteuerbefreit sein, was der Kläger aber nicht ist.
Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 9/22, PM 35/25 vom 30.5.2025
| Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen und übernimmt der neue Eigentümer die auf dem Grundstück lastenden Schulden, liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund : Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Spekulationsbesteuerung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 23 EStG).
Beachten Sie | Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die
- im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
Das war geschehen
Der Vater hatte im Jahr 2014 ein Grundstück für 143.950 Euro erworben und teilweise fremdfinanziert. 2019 übertrug er das Grundstück auf seine Tochter. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Grundstück einen Wert von 210.000 Euro. Die Tochter übernahm die am Übertragungstag bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 115.000 Euro.
Finanzamt: Aufteilung in entgeltlich und unentgeltlich
Das Finanzamt teilte den Vorgang (ausgehend vom Verkehrswert im Zeitpunkt der Übertragung) in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichenTeil auf. Soweit das Grundstück unter Übernahme der Verbindlichkeiten entgeltlich übertragen worden war, besteuerte das Finanzamt den Vorgang als privates Veräußerungsgeschäft.
Hiergegen klagte der Vater vor dem Finanzgericht (FG) Niedersachsen und bekam Recht. Die Begründung: Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten sind keine Veräußerungen (im Sinne des § 23 EStG).
Höchste Instanz bestätigt Vorgehen des Finanzamts
Doch die Freude währte nicht lange, denn der BFH schloss sich der Ansicht des Finanzamts an.
- Wird ein Wirtschaftsgut übertragen und werden damit zusammenhängende Verbindlichkeiten übernommen, liegt regelmäßig ein teilentgeltlicher Vorgang vor. In diesem Fall erfolgt eine Aufteilung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichenTeil.
- Wird das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen, unterfällt der Vorgang hinsichtlich des entgeltlichen Teils als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensteuer.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.3.2025, IX R 17/24, PM 37/25 vom 30.5.2025
| Frauen muslimischen Glaubens haben keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kfz mit einem Gesichtsschleier (Niqab). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin bestätigt. |
Antrag auf Ausnahmegenehmigung
Die Klägerin hatte ihren Antrag auf Ausnahmegenehmigung damit begründet, dass sie sich gemäß ihrem Glauben außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Da sie im Auto den Blicken fremder Menschen ausgesetzt sei, müsse es ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Das VG hatte die Klage abgewiesen.
Berufung nicht zugelassen
Das OVG hat den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Mit ihren Einwendungen hat die Klägerin es nicht vermocht, ernstliche Richtigkeitszweifel an der Entscheidung des VG zu wecken oder Verfahrensfehler offenzulegen.
Keine wesentliche Einschränkung der Religionsfreiheit
Die Annahme des VG, dass das Tragen einer Gesichtsverschleierung während des Autofahrens für die Religionsausübung typischerweise keine wesentliche Einschränkung bedeutet und angesichts der zeitlich und örtlich eingeschränkten Wirkung des Verbots hinzunehmen ist, konnte sie nicht durchgreifend in Frage stellen.
Dasselbe gilt für die Annahme des VG, dass das der zuständigen Behörde bei der Frage der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt wurde, weil der Eingriff zur Sicherstellung der effektiven automatisierten Verkehrsüberwachung gerechtfertigt ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Quelle | OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.4.2025, OVG 1 N 17/25 , PM 11/25
| Wer seine SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergibt, hat keinen Anspruch auf Rückzahlung abgebuchter Kreditkartenbeträge. So entschied es das Amtsgericht (AG) München. |
Das war geschehen
Der Ehemann der Klägerin wollte am Samstag, den 6.1.2024, für seine Ehefrau und sich eine Reise im Internet buchen. Hierzu gab er auf der Website „Check24“ die Daten der Kreditkarte seiner Ehefrau ein. Kurz darauf erschien eine Mitteilung, dass ein Betrag in Höhe von 318,99 Euro vorgemerkt sei, ehe weitere Mitteilungen über vergleichbare Vormerkungen erschienen. Die Klägerin veranlasste noch am selben Abend telefonisch die Sperrung der Kreditkarte. Am Montag, den 8.1.2024 sind sechs unberechtigte Abbuchungen zu je 318,99 Euro für Giftcards vom Konto der Klägerin erfolgt, insgesamt 1.953,29 Euro.
Zur Autorisierung der Transaktionen fand das Mastercard 3D-Secure-Verfahren Anwendung. Zur Aktivierung dieses Verfahrens auf einem weiteren Gerät übersandte die beklagte Bank am 6.1.2024 eine SMS-TAN an die von der Klägerin bei der Beklagten hinterlegte Mobilfunknummer. Die an die Klägerin versandte SMS-TAN wurde dann auf dem weiteren mobilen Endgerät, auf dem auch die Banking-App freigeschaltet wurde, am 6.1.2024 eingegeben und damit das Secure-Verfahren aktiviert.
Die Klägerin behauptete, dass sie diese Abbuchungen nicht autorisiert habe. Bei der Buchung sei sie nicht nach PIN oder Passwort gefragt worden, sie habe auch nirgendwo eine SMS-Tan eingegeben. Es sei nicht erkannt worden, dass es sich möglicherweise um eine „Fake“-Website handelte.
Die beklagte Bank ging davon aus, dass die Frau die SMS-Tan an einen Dritten weitergegeben haben muss, da eine Freigabe der Buchungen anders technisch nicht möglich gewesen sei und verweigerte die Zahlung. Die Klägerin verklagte die Bank daher vor dem AG auf Rückzahlung der 1.953,29 Euro.
So sah das Amtsgericht den Sachverhalt
Das AG wies die Klage ab. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Abbuchungen nicht von der Klägerin autorisiert waren, sondern von Dritten getätigt wurden. Aufgrund der Beweisaufnahme war das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin die SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergegeben haben muss, weshalb ein Schadenersatzanspruch der Bank gegen die Klägerin in gleicher Höhe bestehe, mit dem die Bank aufgerechnet habe.
Das AG: Der Vortrag der Bank, dass diese in ihren Systemen feststellen konnte, dass das Mastercard 3D-Secure Verfahren per Banking App für die Kreditkarte der Klägerin am 6.1.2024 um 13:30 Uhr aktiviert wurde, und zur Aktivierung dieses Verfahrens auf dem neuen Gerät eine SMS-TAN an die im Vertrag hinterlegte Mobilfunknummer der Klägerin versandt wurde, wurde durch Inaugenscheinnahme des Mobiltelefons der Klägerin bestätigt. Dort befindet sich eine SMS vom 6.1.2024 13:29 Uhr mit dem Inhalt: „ … ist Ihre TAN für die Aktivierung von Mastercard Identity Check vom 6.1.2024 13:44 Uhr.“ Der Eingang der SMS um 13:29 Uhr war im eingesehenen Nachrichtenverlauf um 13:29 Uhr dokumentiert und wird auch durch das vorgelegte IT-Protokoll belegt. Der Vortrag der Klägerin, keine SMS-TAN erhalten zu haben und dass ihr Mobiltelefon nicht in die Freigabe involviert war, erwies sich damit als widerlegt.
SMS-Tan war unzweifelhaft eingegeben worden
Die Bank hat unbestritten vorgetragen, dass aufgrund der manuellen Eingabe einer an die Mobilfunknummer der Klägerin versandten SMS-Tan ein Fremdzugriff technisch ausgeschlossen ist. Es wurde ein neues Gerät im Online-Banking der Klägerin als Freigabeinstrument im Rahmen des 2-Faktor-Authentifizierungsverfahrens hinterlegt. Hierzu war – technisch zwingend – die Eingabe der SMS-Tan erforderlich. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Klägerin durch Preisgabe der SMS-Tan Dritten eine Registrierung eines Geräts ermöglicht hat, wobei die Preisgabe persönlicher Sicherheitsmerkmale an Dritte gemäß den vertraglichen Bestimmungen untersagt war.
Verhalten der Klägerin war grob fahrlässig
Das Verhalten der Klägerin bewertet das Gericht als grob fahrlässig. Es ist eine Sache, wenn man seine Kreditkartendaten offenbart. Diese werden bei jeder Verwendung offenbart und können auch von der Karte abgelesen werden.
Die Weitergabe eines im Rahmen einer Zwei-Faktor-Autorisierung erhaltenden Zugangscodes kann nicht damit gleichgesetzt werden. Mit dieser Weitergabe hilft der Nutzer, die Sicherheitsarchitektur grundlegend auszuhebeln. Es muss jedem verständigen Nutzer solcher Kreditkarten klar sein, welches Risiko er mit der Weitergabe derartiger Daten schafft. Die Klägerin mag dies nicht bewusst getan haben und es mag auch nicht erinnerlich sein. Indessen lässt sich der Vorgang plausibel nicht anders erklären.
Quelle | AG München, Urteil vom 8.1.2025, 271 C 16677/24, PM 14/25
| Nach den Vorgaben des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes (FKAustG) werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates automatisch ausgetauscht. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun die Staatenaustauschliste 2025 bekanntgegeben. Enthalten sind die Staaten, mit denen der automatische Datenaustausch zum 30.9.2025 erfolgt. Weitere Informationen zum Informationsaustausch erhalten Sie u. a. auf der Website des Bundeszentralamts für Steuern (abrufbar unter www.iww.de/s2991). |
Quelle | BMF-Schreiben vom 3.6.2025, IV D 3 - S1315/00304/070/025
| Die Vermietung von Zimmerkontingenten an eine Kommune zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter überschreitet nicht den Nutzungszweck eines zum Hotelbetrieb gepachteten Gebäudes. Dies gilt jedenfalls, solange hiermit keine übermäßige Abnutzung oder sonstige Beeinträchtigung für den Verpächter verbunden ist, die über die übliche Nutzung durch Hotelgäste hinausgeht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die auf Räumung und Herausgabe des Hotels gerichtete Klage der Verpächterin abgewiesen. |
War die Unterbringung Geflüchteter vertragswidrig?
Die Klägerin schloss 2016 mit der Beklagten einen Vertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb des „Hotel F.“ in Gießen. Die Sache durfte vertraglich nur zum vereinbarten Nutzungszweck gebraucht werden. Seit Herbst 2022 buchte das Jugendamt der Stadt Gießen regelmäßig Zimmer für in seiner Obhut stehende Jugendliche. Nach Abmahnung kündigte die Klägerin 2023 fristlos. Sie hält die Unterbringung unbegleiteter Jugendlicher für vertragswidrig. Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt.
In der Berufung wies das OLG die Klage ab. Der Vertrag zwischen den Parteien sei nicht wirksam fristlos gekündigt worden. Die Beklagte habe nicht die Rechte der Klägerin durch eine unbefugte Überlassung an Dritte in erheblichem Maße verletzt. Dem Betrieb eines Hotels sei es immanent, dass es zu Beherbungsverträgen mit Dritten komme. Davon umfasst sei auch, dass bei der Buchung von Zimmerkontingenten durch Firmen o. Ä. ein ganzes Hotel faktisch durch denselben Mieter belegt werde. Der Abschluss von zeitlich begrenzten und auf bestimmte Zimmer bezogenen Beherbungsverträgen mit der Stadt Gießen sei folglich nicht unbefugt gewesen. Die Grenze zur unzulässigen Gebrauchsüberlassung wäre nur überschritten, wenn die Stadt das gesamte Gebäude übernommen und zu einem Flüchtlingsheim umgebaut hätte.
Keine Gefährdung der Mietsache, keine Pflichtverletzung
Eine zur Kündigung berechtigende Gefährdung der Mietsache durch unbegleitete minderjährige Geflüchtete sei nicht erkennbar. Es liege keine Pflichtverletzung wegen Überschreitung des Vertragszwecks vor, die zur Kündigung berechtigte. Die zeitweilige Vermietung zum o. g. Zweck überschreite nicht den Vertragszweck. Die vertraglich vereinbarte Nutzungsart als Hotel sei durch das Angebot von individueller Unterkunft, Service, Verpflegung und Nebenleistungen gekennzeichnet. Aufenthaltsdauer, -zweck und Motive für die Anmietung der Zimmer stellten keine entscheidenden Kriterien für die Bewertung als Hotelbetrieb dar. Es bestehe kein Anspruch darauf, „dass die Vermietung nur an einen bestimmten Personenkreis erfolgen darf, solange keine Beeinträchtigungen der Räumlichkeiten vorliegen bzw. zu befürchten sind“, unterstrich das OLG und es sei auch nicht vorgetragen, dass „Geflüchtete die Zimmer intensiver und nachlässiger nutzten als dies bei einer „normalen“ Vermietung an Hotelgäste der Fall wäre“.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.2.2025, 2 U 63/24, PM 21/25
| Das Landgericht (LG) Hanau hat entschieden: Die Anforderung von Belegkopien der Betriebskostenabrechnung ist kein wirksames Einsichtnahmeersuchen, wenn die Einsicht beim Vermieter zumutbar ist. Hierfür kommt es auf die Entfernung zur Mietwohnung an und nicht auf den Ort, an den der Mieter nach Mietende verzogen ist. |
Muss Mieter Belege einsehen oder muss Vermieter sie zuschicken?
Nach Mietvertragsende verlangte der Mieter die geleistete Kaution zurück. Die dann noch erstellte Betriebskostenabrechnung wies eine Nachforderung auf, die der Vermieter mit der Kaution verrechnete. Der inzwischen über 120 km weit weggezogene Mieter widersprach der Abrechnung, forderte die Übersendung von Belegkopien, um die Abrechnung zu prüfen, und klagte auf Rückzahlung der gesamten Kaution. Er bringt vor, keine Kopien erhalten zu haben, zumal der Vermieter für eine Einsichtnahme bei diesem nun zu weit entfernt sei.
So sahen es die Gerichte
Das Amtsgericht (AG) hat die Klage in Höhe der verrechneten Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das LG entschied, dass die Einwände gegen die Abrechnung zu unkonkret waren, weil der Mieter die Belege nicht geprüft hat. Der Vermieter habe die Belegeinsicht auch nicht verweigert, weil der Mieter unzulässigerweise die Übersendung von Kopien verlangte. Da die Belegprüfung grundsätzlich beim Vermieter erfolgen muss, lag schon kein wirksames Einsichtnahmeersuchen vor.
Kein Ausnahmefall
Der Mieter könne auch nicht ausnahmsweise die Zusendung von Kopien fordern. Das sei zwar möglich, wenn der Vermieter zu weit entfernt ansässig ist. Hierfür komme es jedoch auf die Entfernung der Mietsache zu diesem an, wobei eine Anreise von Hanau nach Frankfurt zumutbar sei. Dass der Mieter nun über 120 km entfernt wohnt, liege hingegen in seinem Risikobereich und führe nicht zu einem Recht auf Übersendung von Kopien.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | LG Hanau, Beschluss vom 24.3.2025, 2 S 43/24, PM vom 8.5.2025
| Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg bestätigte die Vorinstanz: Der kulturelle und familiäre Wert einer Sammlung aus Gemälden und historischen Gegenständen ist höher zu setzen als das Interesse einzelner Familienmitglieder an der Verwertung der Gegenstände. Letzteres hatte ein Teil der Familie aufgrund interner Differenzen verlangt. |
Das war geschehen
Die Nachfahren einer Nürnberger Patrizierfamilie stritten in einem Zivilprozess um den Erhalt ihrer Familiensammlung – einer Sammlung von Gemälden und historischen Gegenständen, die über Jahrzehnte als ungeteiltes Familienvermögen innerhalb der Familie über die Erbfolge weitergegeben wurde. Ein Teil der Familie begehrte den Pfandverkauf der historischen Sammlungsgegenstände, die teils in privater Nutzung sind, teils im Germanischen Nationalmuseum verwahrt werden, um die Erben- und Bruchteilsgemeinschaft auseinanderzusetzen. Die beklagten Familienmitglieder widersetzten sich dem und beriefen sich auf ein in einem Familienvertrag aus dem Jahr 1936 festgelegtes immerwährendes Teilungsverbot für das verfahrensgegenständliche Familienvermögen. Die Kläger verwiesen auf eine spätere Aufhebung sowie Nichtigkeit dieses Familienvertrags, denn dessen Regelungen sahen unter anderem die Weitergabe der Familiensammlung nur an männliche Nachkommen vor.
So sah es die erste Instanz
Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth hatte in erster Instanz die Klage abgewiesen. Es sah die Aufhebung des Familienvertrags nicht durch die vorhandenen Protokolle der Familienversammlungen belegt und erachtete das von der Familie im Jahr 1936 in Bezug auf die Familiensammlung vereinbarte dauerhafte Teilungsverbot als wirksam und fortbestehend an. Die Klagepartei habe auch keine Umstände vorgebracht, die als wichtiger Grund eine Aufhebung der Gemeinschaft rechtfertigen könne. Die im Verfahren vorgetragenen innerfamiliären Differenzen reichten hierfür nicht aus.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Hiergegen legte ein Familienmitglied der unterlegenen Klageseite Berufung zum OLG ein. Dieses hat das Ersturteil bestätigt und die zur Begründung des Aufhebungsanspruchs vorgebrachten Gründe und Einwendungen der Berufung für nicht durchgreifend erachtet. Wie das Erstgericht bewerte der Senat die erbrechtliche Regelung im Familienvertrag zum Ausschluss der weiblichen Nachkommen als nichtig, was aber die Wirksamkeit des dauerhaften Teilungsverbots nicht berühre. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kam das OLG zu dem Ergebnis, dass das beklagtenseits eingewandte familiäre als auch öffentliche Interesse am Erhalt der Gesamtheit der Sammlung als Kulturgut dem klägerischen Interesse an einer Aufhebung der Gemeinschaft und an einer damit verbundenen Zerschlagung der Sammlung überwiege.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 28.2.2025, 1 U 2451/23 Erb, PM 12/25
| Bauarbeiter, die auf Baustellen einfache Arbeiten verrichten, einen festen Stundenlohn erhalten und am Markt nicht erkennbar unternehmerisch auftreten, sind regelmäßig abhängig Beschäftigte, für die die Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen. Dies entschied in drei Urteilen das Hessische Landessozialgericht (LSG). |
Baufirmen müssenSozialversicherungsbeiträge nachzahlen
Die Deutsche Rentenversicherung entschied in mehreren Fällen, dass Bauarbeiter abhängig beschäftigt sind. In zwei Fällen forderte sie nach entsprechenden Betriebsprüfungen von den im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge in fünfstelliger Höhe. In einem weiteren Verfahren hatte sie zunächst über den Antrag auf Statusfeststellung zu entscheiden.
Weder schriftliche Verträge noch eigene Werkzeuge
In diesen Fällen hatten angeblich selbstständige Werkunternehmer auf Baustellen der jeweils klagenden Baufirma gearbeitet. Bei diesen Bauarbeitern handelte es sich um ausländische Staatsangehörige mit allenfalls geringen Deutschkenntnissen. Sie erledigten Abbrucharbeiten, Maurertätigkeiten und Pflasterarbeiten, sanierten Bäder oder arbeiteten im Trockenbau. Schriftliche Verträge oder Auftragsbestätigungen gab es nicht. Die Abrechnungen erfolgten auf Basis der aufgeschriebenen Stunden bei einem Stundenlohn zwischen 10 und 15 Euro. Die Materialien und Werkzeuge wurden bis auf Kleinwerkzeuge von den jeweiligen Baufirmen gestellt.
Scheinselbstständige statt Werkunternehmer
Das LSG folgte der Einschätzung der Rentenversicherung. In allen drei Verfahren liege Scheinselbständigkeit vor.
Bei einfachen, typischen Arbeitnehmerverrichtungen, die der Beschäftigte im Wesentlichen ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübe, spreche die Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis. Die betroffenen Bauarbeiter seien jeweils in den Betrieb der klagenden Baufirma eingegliedert gewesen und hätten einfache Bauarbeiten getätigt, wie sie typischerweise abhängig Beschäftigte verrichteten.
Kein unternehmerisches Auftreten
Werkvertragstypische Vereinbarungen einer unternehmerischen Leistung hätten nicht festgestellt werden können. Zudem seien die angeblichen „Werkunternehmer“ schon aufgrund ihrer geringen Deutschkenntnisse zu einem unternehmerischen Auftreten am Markt nicht in der Lage gewesen.
Zwischen den Baufirmen und den Bauarbeitern getroffene Vereinbarungen über eine (angeblich) selbstständige Tätigkeit seien nicht relevant und könnten die gesetzlich angeordnete Sozialversicherungspflicht nicht ausschließen.
Quelle | Hessisches LSG, Urteil vom 3.4.2025, L 8 BA 4/22, L 8 BA 62/22 und L 8 BA 64/21, PM vom 3.4.2025
| Wandhängende WCs und Handtuchheizkörper in Standardausführung sowie Balkone in der Größe von vier qm sind in Milieuschutzgebieten genehmigungsfähig, weil sie der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dienen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden. |
Bauliche Änderungen nicht ohne Genehmigung
Die Klägerinnen sind jeweils Eigentümerinnen von Wohngebäuden in Milieuschutzgebieten in Berlin-Mitte. Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen soziale Erhaltungsverordnungen (umgangssprachlich Milieuschutzverordnungen) gelten. Sie sollen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im jeweiligen Gebiet schützen. Bauliche Änderungen bedürfen in Milieuschutzgebieten grundsätzlich einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Den Erlass von Milieuschutzverordnungen erlaubt ein Bundesgesetz, nämlich das Baugesetzbuch. In Berlin sind dafür die Bezirke zuständig. Aktuell gelten in Berlin über 40 Milieuschutzverordnungen.
Eine Klägerin möchte im Badezimmer einer Wohnung ein Stand-WC durch ein wandhängendes WC ersetzen sowie einen Handtuchheizkörper einbauen. Eine weitere Klägerin begehrt den Anbau von dreizehn Balkonen in der Größe von jeweils vier qm an die Wohnungen ihres Mehrfamilienhauses. Die Maßnahmen stellen nach Ansicht der Klägerinnen einen zeitgemäßen Ausstattungszustand ihrer Wohnungen dar. Das Bezirksamt versagte den Klägerinnen die erhaltungsrechtlichen Genehmigungen. Die Vorhaben gingen über einen zeitgemäßen Ausstattungszustand hinaus und seien als wohnwerterhöhende bauliche Änderungen im Milieuschutzgebiet nicht zulässig.
Genehmigungen sind zu erteilen
Das VG gab den dagegen erhobenen Klagen statt und verpflichtete das Bezirksamt, die Genehmigungen zu erteilen. Der Gesetzgeber habe im Baugesetzbuch geregelt, dass eine erhaltungsrechtliche Genehmigung zu erteilen sei, wenn die bauliche Maßnahme der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen diene.
Mittlerer Standard nicht wohnwerterhöhend
Der Gesetzgeber habe den Genehmigungsanspruch auch nicht auf bauliche Maßnahmen beschränkt, die der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dienten. Vielmehr habe er zugelassen, dass darüber hinaus auch in Milieuschutzgebieten eine behutsame Anhebung des Ausstattungszustands auf den Standard mittlerer Wohnverhältnisse erfolgen könne. Daran sei ein bundeseinheitlicher Maßstab anzulegen. Bei wandhängenden WCs und Handtuchheizkörpern in einer Standardausführung sowie bei vier qm großen Balkonen werde dieser Standard nicht überschritten. Dafür sprächen unter anderem die Verbreitung dieser Ausstattungsmerkmale bundesweit sowie der Umstand, dass die Mietspiegel der größeren deutschen Städte sie überwiegend nicht als wohnwerterhöhend einstuften.
Quelle | VG Berlin, Urteile vom 2.4.2025, VG 19 K 17/22 und VG 19 K 351/23, PM 24/25
| Trotz erfolgreich absolviertem ersten juristischen Staatsexamen hat ein Antragsteller, der erwiesenermaßen die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft, keinen Anspruch darauf, den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) zu durchlaufen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz. |
Fehlende Verfassungstreue
Der Antragsteller wollte nach erfolgreichem Jurastudium als Rechtsreferendar in den juristischen Vorbereitungsdienst eintreten. Dies lehnte das Oberlandesgericht (OLG) wegen fehlender Verfassungstreue des Antragstellers ab. Dieser suchte daraufhin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um gerichtlichen Rechtsschutz mit dem Ziel nach, ihn im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses einzustellen.
Eindeutige Publikationen
Der Antrag blieb ohne Erfolg. Dem Antragsteller, so das VG, fehle der notwendige sog. Anordnungsanspruch. Aus den einschlägigen Vorschriften des Landesgesetzes über die juristische Ausbildung sowie des Landesbeamtengesetzes folge, dass die juristische Ausbildung am Leitbild einer dem Rechtsstaat verpflichteten Person zu orientieren sei. Rechtsreferendare müssten sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Der Antragsteller werde dem nicht gerecht, wie von ihm verfasste und publizierte Texte belegten.
In einem von ihm geschriebenen Roman würden beispielsweise schwarze Menschen durch die Verwendung menschenverachtender Bezeichnungen pauschal herabgewürdigt. Es werde hierin behauptet, ein – namentlich genannter – österreichischer Fußballspieler, der dunkelhäutig sei, könne kein Deutscher oder Österreicher sein. In einem anderen Text attestierte er dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Demontage des Volksbegriffs. Der von dem Antragsteller vertretene Volksbegriff mit der Forderung nach einer „positiven Erneuerung Deutschlands“ könne nur als Forderung nach einer Umkehrung eines vermeintlichen „Bevölkerungsaustauschs“ verstanden werden. Zudem sei der Antragsteller Mitglied bei der „Jungen Alternative für Deutschland“ und dem Verein „Ein Prozent e. V.“ gewesen. Er habe in beiden Organisationen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Frühjahr 2023 als gesichert rechtsextremistisch einstufe, zumindest zeitweise herausgehobene Funktionen übernommen.
Die Entscheidung ist bestandskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 9.5.2025, 5 L 416/25.KO, PM 14/25
| Eine Tätowierung ist heute typischer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Während sichtbare Tattoos im Arbeitsleben immer normaler werden, stellt sich damit aber zunehmend die Frage, wer eigentlich das finanzielle Risiko trägt, wenn beim Stechen des Tattoos nicht alles glatt verläuft. Dazu liegt nun eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vor: Wer sich tätowieren lässt, erhält bei Komplikationen keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das LAG bestätigt damit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Flensburg. |
Pflegekraft ließ sich tätowieren
Die als Pflegehilfskraft beschäftigte Klägerin ließ sich am Unterarm tätowieren. In der Folge entzündete sich die tätowierte Stelle. Die Klägerin wurde daraufhin für mehrere Tage krankgeschrieben. Die beklagte Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum ab.
Die Klägerin führte vor Gericht aus, dass sie ja nicht Entgeltfortzahlung für den Tätowierungsvorgang geltend mache, sondern für eine davon zu trennende zeitlich nachfolgende Entzündung der Haut. Ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen. Es habe sich ein sehr geringes Risiko verwirklicht, das nur bei ein bis fünf Prozent der Fälle von Tätowierungen auftrete. Tätowierungen seien als Teil der privaten Lebensführung geschützt und mittlerweile weit verbreitet.
Die Arbeitgeberin entgegnete, die Klägerin habe bei der Tätowierung in eine Körperverletzung eingewilligt. Das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre deshalb nicht zum normalen Krankheitsrisiko und könne dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden.
Arbeitsunfähigkeit verschuldet
Das LAG ist der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Diese war zwar arbeitsunfähig krank. Sie hat die Arbeitsunfähigkeit aber verschuldet. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz handelt ein Arbeitnehmer immer schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt.
Die Klägerin musste bei der Tätowierung damit rechnen, dass sich ihr Unterarm entzündet. Dieses Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen ihr eigenes Gesundheitsinteresse dar. Sie hat selbst vorgetragen, in bis zu 5 % der Fälle komme es nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut. Dies ist keine völlig fernliegende Komplikation. Bei Medikamenten wird eine Nebenwirkung als „häufig“ angegeben, wenn diese in mehr als einem, aber weniger als zehn Prozent der Fälle auftritt. Zudem ist die Komplikation in der Hautverletzung durch die Tätowierung selbst angelegt.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.5.2025, 5 Sa 284 a/24, PM vom 2.7.2025
| Wenn ein Arbeitnehmer sich beim Kaffeetrinken verschluckt und infolgedessen stürzt, kann das im Einzelfall einen Arbeitsunfall darstellen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden. |
Nasenbeinbruch während morgendlicher Besprechung
Der Kläger war als Vorarbeiter auf einer Baustellebeschäftigt. Beim Kaffeetrinken während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer verschluckte er sich, ging hustend zur Tür, um sich draußen auszuhusten, verlor kurz das Bewusstsein und stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter. Dabei brach er sich das Nasenbein.
Berufsgenossenschaft und Sozialgericht: kein Arbeitsunfall
Das sei kein Arbeitsunfall, befand die zuständige Berufsgenossenschaft, denn das Kaffeetrinken habe keinen betrieblichen Zwecken gedient. Es sei vielmehr dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen. So sah es auch das Sozialgericht (SG), das in erster Instanz über den Fall entschieden hatte.
Landessozialgericht: auch Nahrungsaufnahme geschützt
Zu Unrecht, befand nun das LSG. Zwar erstrecke sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit damit ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird. Im vorliegenden Fall sei das Kaffeetrinken aber nicht auf das Grundbedürfnis des Durstlöschens gerichtet gewesen, sondern habe (auch) betrieblichen Zwecken gedient. Der gemeinsame Kaffeegenuss während der verpflichtend vorgeschriebenen Besprechung habe eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft bewirkt.
Arbeitgeber stellte den Kaffee zur Verfügung
Zudem habe der Kaffee für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesorgt. Das sei auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, der sich teilweise selbst um das Auffüllen der Kaffeevorräte gekümmert habe. Deshalb sei der Fall auch anders zu beurteilen, als wenn sich ein Arbeitnehmer z. B. in der Frühstückspause an einem Kaffee verschluckt, den er selbst in der Thermoskanne mitgebracht hat.
Quelle | LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.5.2025, L 6 U 45/23, PM 2/25
| Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Hostprovider – hier Meta – muss nach einem Hinweis auf einen rechtsverletzenden Post auf der Social-Media-Plattform Facebook auch ohne weitere Hinweise sinngleiche Inhalte sperren. Sinngleich sind etwa Beiträge mit identischem Text und Bild, aber abweichender Gestaltung (Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung), bloßer Änderung typografischer Zeichen oder Hinzufügung von Elementen, etwa sog. Captions, die den Aussagegehalt nicht verändern. |
Das war geschehen
Der Kläger ist Arzt und bewarb in der Vergangenheit u. a. die sog. „Hirschhausen Diät“. Der Kläger wies die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach auf sog. Fake-Werbe-Videos hin, in denen er vermeintlich u. a. für Abnehmmittel werbe.
Gegenstand dieses Eilverfahrens sind zwei weitere solcher Deep-Fake Videos: Nutzer haben zum einen ein Video unter Verwendung eines Ausschnitts aus der Sendung von Markus Lanz hergestellt, in denen der Name, das Bildnis und die Stimme des Klägers verwendet werden und in dem dieser vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme wirbt. Dieses Video entfernte die Beklagte zeitnah nach Abmahnung durch den Kläger. In einem nachfolgend erschienenen, nahezu inhaltsgleichen weiteren Deep-Fake Video warb der Kläger ebenfalls vermeintlich für ein Mittel zur Gewichtsabnahme. Dieses Video entfernte die Beklagte ebenfalls – erst – nach entsprechendem Hinweis durch den Kläger. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassen der Verbreitung dieser beiden Videos in Anspruch. Das Landgericht (LG) hat den Antrag zurückgewiesen.
So sah es das Oberlandesgericht
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hatte teilweise Erfolg. Hinsichtlich des ersten Videos bestehe kein Unterlassungsanspruch, entschied das OLG. Die Beklagte sei als Hostproviderin grundsätzlich nicht verpflichtet, von den Nutzern ins Netz gestellte Beiträge vor ihrer Veröffentlichung auf etwaige Rechtsverletzungen hin zu prüfen. Ihre Haftung setze die Verletzung von Prüf- und Verhaltenspflichten voraus. Vor der Abmahnung des Klägers betreffend das erste Video sei die Beklagte nicht zur Löschung verpflichtet gewesen. Eine Löschpflicht habe sich insbesondere nicht aus den vorausgegangenen Hinweisen des Klägers auf andere, nicht sinngleiche sog. Fake-Werbungen ergeben. Grundsätzlich lösten derartige Hinweise nur Prüfpflichten hinsichtlich „sinngleicher Inhalte“ aus. Darunter fielen Inhalte, die in Bild und Text identisch, aber bei gleichbleibendem Gesamteindruck etwa abweichend gestaltet seien. Dies könne sich etwa auf die Auflösung, Größe/Zuschnitt, Verwendung von Farbfiltern, Einfassung mit Rahmen oder Zufügung sog. Caption beziehen. Die vorausgegangenen Hinweise des Klägers hätten sich hier jedoch auf in Bild und Text abweichende Inhalte bezogen.
Prüfplicht des Providers bestand
Hinsichtlich des zweiten Videos habe die Beklagte dagegen schon aufgrund der Abmahnung des Klägers hinsichtlich des ersten Videos eine Prüfpflicht getroffen. Es habe keiner weiteren Abmahnung bedurft. Das zweite Video unterscheide sich allenfalls marginal vom ersten. Nach dem Eindruck des OLG wirkten die Videos – bei voneinander abweichender Überschrift – nahezu identisch. Es lägen damit sinngleiche Inhalte vor. Da die Beklagte das zweite Video nicht bereits ohne weitere Abmahnung gesperrt habe, habe sie gegen ihre Prüfpflichten verstoßen. Im Ergebnis bestehe daher ein Unterlassungsanspruch.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nich tanfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.3.2025, 16 W 10/25, PM 14/25
| Zahlreiche Betriebsprüfungen zeigen, dass die Kassenführung oft beanstandet wird. Das Problem dabei: Ist die Kassenführung nicht ordnungsmäßig, drohen erhebliche Hinzuschätzungen. So war es auch in einem Fall, der vom Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein zu entscheiden war. |
Im Streitfall hatte bei einem bargeldintensiven Imbiss mit Sitzgelegenheiten eine Betriebsprüfung stattgefunden. Der Betreiberin, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte, wurden dabei zahlreiche Mängel in der Kassenführung vorgeworfen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem FG blieb erfolglos.
Beachten Sie | Allerdings ist inzwischen die Revision anhängig, in der insbesondere diese interessanten Fragen zu klären sind:
- Ist bei bestehenden Zweifeln im Hinblick auf den Programmierzustand und das Vorhandensein von Manipulationsspuren an der Registrierkasse vom FG ein Sachverständigengutachten einzuholen?
- Rechtfertigen fehlende Programmierprotokolle für die verwendete Kasse eine Schätzung dem Grunde nach?
- Ergibt sich aus einer angeblichen Abweichung von der Richtsatzsammlung eine Schätzungsbefugnis?
Quelle | FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.8.2023, 3 K 25/22, Rev. BFH, X R 27/24
| Hat eine Gesellschaft ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr, ist für die Berechnung der Steuerermäßigung gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 EStG) nicht auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums abzustellen, sondern auf das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahrs. Für die Aufteilung des Steuerermäßigungsbetrags sind der Gewerbesteuer-Messbetrag und die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des Wirtschaftsjahrs an der Gesellschaft beteiligt waren. So lautet ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Hintergrund: Unter den Voraussetzungen des § 35 EStG wirddie Gewerbesteuerbelastung kompensiert, indem die tarifliche Einkommensteuer um das Vierfache des festgesetzten Steuermessbetrags gemindert wird.
Quelle | BFH, Urteil vom 10.4.2025, IV R 21/22
| Mit Wirkung ab 1.6.2025 wurden die Gebühren für Eintragungen im Handelsregister um 50 Prozent erhöht. Demzufolge werden auch Unternehmensgründungen teurer. |
In der Begründung der Verordnung wird hierzu u. a. ausgeführt: „Die daraus insgesamt resultierenden Gebühreneinnahmen sollen dazu dienen, den Aufwand der Länder für den Betrieb der Registergerichte weitgehend zu decken, damit die Gerichte den Anforderungen an eine moderne, effiziente und sichere Registerführung auch künftig gerecht werden können.“
Quelle | Dritte Verordnung zur Änderung der Handelsregistergebührenverordnung, BGBl I 2025, Nr. 127
| Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft wird nur bereit sein, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung einer Eigentumswohnung zu (privaten) Wohnzwecken (also im privaten Interesse) eines Gesellschafters zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe erstattet werden und sie zudem einen angemessenen Gewinnaufschlag erhält. Vor diesem Hintergrund hat es das Finanzgericht (FG) Niedersachsen im Streitfall als rechtmäßig beurteilt, dass das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) angesetzt hat. |
Zum Hintergrund: Bei einer vGA handelt es sich – vereinfacht – um Vermögensvorteile, die dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gewährt werden. Eine vGA darf den Gewinn der Gesellschaft nicht mindern.
Im Anschluss an ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahr 2016 führte das FG weiter aus: Eine Vermietung zu marktüblichen, aber nicht kostendeckenden Bedingungen würde ein gewissenhafter Geschäftsführer (ausnahmsweise) in Betracht ziehen, wenn er bezogen auf den jeweils zu beurteilenden Veranlagungszeitraum bereits von der Erzielbarkeit einer angemessenen Rendite ausgehen kann.
Beachten Sie | Die danach für den Fremdvergleich maßgebliche Kostenmiete ist auch dann als Maßstab heranzuziehen, wenn der Gegenstand des Unternehmens der Kapitalgesellschaft auch neben der an die Gesellschafterin vermieteten Wohnung in der Vermietung von Immobilien besteht.
Gegen das Urteil ist die Revision anhängig. Gleichwohl sollte in vergleichbaren Fällen eine vGA bedacht werden. Es empfiehlt sich, Mietverträge zu prüfen und ggf. anzupassen.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 15.8.2024, 10 K 255/21, Rev. BFH, I R 21/24
| Ein Freiwilliger Wehrdienst kann bei einem volljährigen Kind für sich genommen keinen Kindergeldanspruch begründen. Gleichwohl kann während der Zeit des Wehrdienstes ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, wenn das Kind einen der gesetzlichen Berücksichtigungstatbestände erfüllt, also z. B. während des Wehrdienstes für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dabei ist es unschädlich, wenn das Kind nach Abschluss der Grundausbildung im Rahmen des Freiwilligen Wehrdienstes Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad ausübt. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Das war geschehen
Der Sohn absolvierte nach seinem Abitur einen zehn Monate dauernden Freiwilligen Wehrdienst. Die Familienkasse bewilligte dem Vater für die Übergangszeit zwischen Abitur und Grundausbildung sowie für die Zeit der Grundausbildung Kindergeld. Nach der Grundausbildung verrichtete der Sohn Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad, eine weitere Ausbildung bei der Bundeswehr fand nicht statt. Nach dem Ende des Wehrdienstes studierte er an einer zivilen Hochschule. Den Entschluss dazu hatte er während des Wehrdienstes gefasst.
Die Familienkasse versagte für die Zeit nach Beendigung der Grundausbildung bis zum Beginn des Studiums die Festsetzung von Kindergeld. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Vater Klage vor dem Finanzgericht (FG) Bremen. Da das FG die Revision zugelassen hatte und diese auch eingelegt wurde, musste nun der BFH entscheiden.
Beachten Sie | Der Freiwillige Wehrdienst gehört – anders als ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr – nicht zu den im Einkommensteuergesetz (hier: § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG) genannten Berücksichtigungstatbeständen, die schon für sich genommen einen Kindergeldanspruch begründen können.
Bundesfinanzhof: Kindergeldanspruch bestand
Dennoch entschied der BFH, dass auch nach dem Ende der Grundausbildung und trotz einer Erwerbstätigkeit des Kindes als Soldat mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden ein Kindergeldanspruch bestehen kann, wenn das Kind (wie im Streitfall) eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.
Beachten Sie | Die drei Monate dauernde Grundausbildung war zwar Teil einer Ausbildung zum Offizier oder Unteroffizier. Ihre Beendigung führte jedoch nicht zu einem für den weiteren Kindergeldbezug ggf. schädlichen Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung (i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG).
Es kam auf den Zeitpunkt des Entschlusses an
Für einen Monat wies der BFH die Revision jedoch zurück, weil sich der Entschluss des Sohnes, sich um einen Studienplatz zu bemühen, erst im Folgemonat objektiviert hatte. Der bloße Vortrag des Kindergeldberechtigten und des Kindes, der Entschluss zu einer Ausbildung oder zu einem Studium sei früher gefasst worden, ist für die Begründung des Anspruchs nicht ausreichend.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.2.2025, III R 43/22, PM 28/2025 vom 2.5.2025
| Ab Mai 2025 setzen vier Pilotfinanzämter (Brühl, Bielefeld-Außenstadt, Hamm und Lübbecke) des Landes Nordrhein-Westfalen erstmals ein KI-Modul zur Unterstützung der Steuerveranlagung ein. Das Ziel: Steuererklärungen sollen effizienter, schneller und treffsicherer bearbeitet werden.
Das neue KI-Modul ergänzt das bewährte Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung. Es erkennt Muster in den Steuerdaten und kann gut nachvollziehbare Fälle mit geringem Prüfbedarf gezielt identifizieren. Diese werden automatisiert verarbeitet – und damit schneller abgeschlossen.
Gestartet wird mit Arbeitnehmerfällen (also Steuererklärungen mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalerträgen, Vorsorgeaufwendungen, Sonderausgaben, haushaltsnahen Dienstleistungen und ähnlichen Bereichen). Die Ausweitung auf weitere Fallkonstellationen ist bereits in Planung.
Nordrhein-Westfalen übernimmt die Vorreiterrolle. Nach erfolgreichem Testlauf ist die landesweite Einführung geplant.
Quelle | FinMin NRW, Mitteilung vom 22.4.2025
| Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der auf Dienstreisen seinen privaten Pkw einsetzt, die tatsächlichen Kosten für jeden gefahrenen Kilometer auch dann ansetzen kann (im Streitfall: 2,28 Euro/km für einen Sportwagen), wenn er von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt bekommt, den er grundsätzlich für dienstliche und private Fahrten nutzen kann. |
Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall jedoch den Nachweis erbringen, dass er das Privatfahrzeug tatsächlich beruflich eingesetzt hat. Eine Angemessenheitsprüfung dem Grunde nach (hier: berufliche Nutzung eines privaten Fahrzeugs durch einen Arbeitnehmer, dem von seinem Arbeitgeber ein Geschäftsfahrzeug überlassen wurde) findet nicht statt.
Beachten Sie | Das Finanzamt will diese Entscheidung aber nicht akzeptieren und hat Revision eingelegt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.9.2024, 9 K 183/23, Rev. BFH: VI R 30/24
| Kinderbetreuungskosten sind als Sonderausgaben abzugsfähig. Bei Aufwendungen für Unterricht, für die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen ist ein Sonderausgabenabzug allerdings gesetzlich ausgeschlossen. Mit dem Abzugsverbot hat sich nun der Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt. |
Hintergrund: Kinderbetreuungskosten können nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) als Sonderausgaben steuerlich absetzbar sein. Folgende Aspekte sind hier zu beachten:
- Abzug von 80 % der Betreuungsleistungen, maximal 4.800 Euro pro Jahr.
- Der Abzug ist zulässig für haushaltszugehörige Kinder unter 14 Jahren (oder aufgrund Behinderung, Eintritt vor dem 25. Lebensjahr, Übergangsregel 27. Lebensjahr).
- Grundsätzlicherforderlich: Rechnung und Überweisung.
- Nichtabziehbar: Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen.
Betreuungscharakter muss im Vordergrund stehen
Nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen vor, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbstständigten Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichts- oder Kurszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen (sprachlichen, musischen, sportlichen) Fähigkeiten in den Hintergrund rückt.
Nicht begünstigteAufwendungen
Entsprechendes gilt für sportliche und andere Freizeitbetätigungen. Nicht begünstigte Aufwendungen für derartige Aktivitäten liegen daher vor, wenn
- die Betätigung organisatorisch, zeitlich und räumlich getrennt von einer Kindertagesstätte, einem Schulhort oder einer ähnlichen Einrichtung stattfindet und
- dabei nicht die altersbedingt erforderliche Betreuung des Kindes, sondern die Aktivität im Vordergrund steht.
Quelle | BFH, Urteil vom 23.1.2025, III R 33/24 (III R 50/17)
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen hat die Stadt Marburg dazu verpflichtet, einer Studentin einen Bewohnerparkausweis zu erteilen, die ein in Tschechien zugelassenes Fahrzeug nutzt. |
Kfz in Tschechien zugelassen
Die Klägerin wohnt in einem Bewohnerparkgebiet der Beklagten. Sie nutzt ein Kraftfahrzeug ihres Vaters, der tschechischer Staatsangehöriger ist und das Fahrzeug in Tschechien zugelassen hat. Im Frühjahr 2024 beantragte sie bei der Stadt Marburg, ihr einen Bewohnerparkausweises zu erteilen. Dies lehnte die Stadt mit der Begründung ab, dass sie Bewohnerparkausweise für Fahrzeuge mit ausländischer Zulassung nicht erteilen könne. Im Rahmen des Klageverfahrens argumentierte die Stadt weiter, dass eine ausländische Zulassung gegen eine dauerhafte Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin spreche, weil ein im Ausland zugelassenes Kraftfahrzeug nur vorübergehend am Verkehr in Deutschland teilnehmen dürfe.
So entschied das Verwaltungsgericht
Das VG bejahte hingegen den Anspruch der Studentin auf einen Bewohnerparkausweis. Bei der Klägerin handele es sich um eine Anwohnerin, die das betroffene Fahrzeug nachweislich dauerhaft nutze.
Gegen eine dauerhafte Nutzung spreche insbesondere nicht, dass Kraftfahrzeuge mit ausländischer Zulassung nur vorübergehend am Straßenverkehr in Deutschland teilnehmen dürfen. Es sei bereits nicht klar, ob das von der Klägerin genutzte Fahrzeug diese Voraussetzungen erfülle. Die Klägerin gab nämlich an, dass sie das Fahrzeug während der Semesterferien nicht in Deutschland nutze. Diese Prüfung obliege der Zulassungsbehörde, die je nach Einzelfall eine Untersagung des Betriebs im öffentlichen Straßenverkehr ohne deutsche Zulassung aussprechen könne.
Die Versagung eines Bewohnerparkausweises für im Ausland zugelassene Fahrzeuge entspreche nicht dem Zweck der Vorschriften. Ein Bewohnerparkgebiet diene dem Anwohnerinteresse, in innerstädtischen Wohnstraßen eine Abstellmöglichkeit für ein (dauerhaft) genutztes Kraftfahrzeug zu finden.
Quelle | VG Gießen, Urteil vom 13.11.2024, 6 K 2830/24.GI, PM vom 19.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Ein zur Nichtigkeit der entsprechenden Vereinbarung führender Verstoß gegen den im Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 656 d BGB) geregelten Grundsatz der hälftigen Teilung des Maklerlohns liegt vor, wenn ein Makler allein für den Verkäufer einer Immobilie tätig geworden ist und der Käufer zur Zahlung des vollen Honorars an den Makler verpflichtet wird. |
Das war geschehen
Die Kläger erwarben ein mit einer Doppelhaushälfte bebautesGrundstück. Mit der Vermittlung des Verkaufs hatte die Verkäuferin das beklagte Maklerunternehmen beauftragt. Für die Vermittlung der Immobilie entstand zugunsten der Beklagten gegenüber der Verkäuferin ein Maklerlohnanspruch in Höhe von 25.000 Euro. Der im Exposé zunächst vorgesehene Kaufpreis wurde um einen Betrag in dieser Höhe reduziert. Zugleich verpflichteten sich die Kläger gegenüber der Beklagten zur Zahlung eines Honorars in gleicher Höhe, das sie nach notarieller Beurkundung des Kaufvertrags bezahlten. Eine Maklerlohnzahlung durch die Verkäuferin erfolgte nicht. Die Kläger verlangten die Rückzahlung des geleisteten Betrags.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: § 656 d BGB ist nicht nur auf Vereinbarungen der Parteien des Kaufvertrags über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus untereinander anwendbar, sondern erfasst jegliche Art einer vertraglichen Vereinbarung, durch die unmittelbar oder mittelbar ein Anspruch des Maklers auf Zahlung oder Erstattung von Maklerlohn gegenüber der Partei des Kaufvertrags begründet wird, die nicht Partei des Maklervertrags ist. Umfasst sind daher auch alle auf eine Verpflichtung zur Zahlung oder Erstattung des Maklerlohns gerichteten Vereinbarungen des Maklers mit der Partei des Kaufvertrags, die nicht Partei des Maklervertrags ist.
Der Anwendbarkeit des § 656 d BGB steht es deshalb auch nicht entgegen, dass die Verkäuferin der Immobilie von der Pflicht, den vereinbarten Maklerlohn zu entrichten, gegenüber der Beklagten nicht entbunden war. Da die Käufer im Innenverhältnis zur Verkäuferin verpflichtet waren, den Maklerlohn in voller Höhe zu bezahlen, blieb die Verkäuferin als die Partei, die den Maklervertrag abgeschlossen hat, nicht zur Zahlung des Maklerlohns mindestens in gleicher Höhe verpflichtet.
Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung
Der Verstoß gegen § 656 d BGB führt zur Gesamtnichtigkeit einer entsprechenden Vereinbarung. Die Kläger können von der Beklagten die Rückzahlung des Maklerlohns in voller Höhe verlangen.
Quelle | BGH, Urteil vom 6.3.2025, I ZR 138/24, PM 45/25
| Eine 77-jährige Frau, die über einer Supermarktfiliale wohnt, tätigte dort ihre Einkäufe bis zu einem Hausverbot Anfang des Jahres 2024 durch die Filialleitung. Sie behauptet, das Hausverbot sei nach einer Beschwerde ihrerseits ohne ersichtlichen Grund erteilt worden. Sie sei gesundheitlich stark eingeschränkt und nicht in der Lage, längere Strecken zurückzulegen und daher auf die Filiale angewiesen. Ohne ein Betreten des Supermarkts sei ihr eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verwehrt. Das Amtsgericht (AG) München wies ihre Klage ab. |
Wiederholtes Fehlverhalten
Die Filialleitung begründete das Hausverbot mit wiederholtem Fehlverhalten. Die Münchnerin habe Kunden beim Betreten des Markts von ihrer Wohnung aus beschimpft, habe das Geschäft regelmäßig ohne Einkaufsabsicht aufgesucht, Mitarbeiter in Gespräche verwickelt und diese von der Arbeit abgehalten. Sie habe sich zudem immer wieder an der Frischetheke des Markts Ware aufschneiden lassen und diese dann, anstatt zu kaufen, im Laden abgelegt.
Da der Supermarkt sich weigerte, das Hausverbot zurückzunehmen, verklagte sie den Betreiber vor dem AG auf Gewährung des Zutritts zum Supermarkt – ohne Erfolg.
Hausrecht deckt Hausverbot
Der Beklagte ist als Betreiber des Supermarkts aufgrund seines Hausrechts grundsätzlich berechtigt, Kunden selbst ohne sachlichen Grund ein Hausverbot zu erteilen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein Fehlverhalten der Klägerin vorlag.
Dem Betreiber einer Einrichtung, die erhebliche Bedeutung für das gesellschaftliche und kulturelle Leben hat, wird eine besondere rechtliche Verantwortung zugewiesen, die es ihm verbietet, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund auszuschließen. Entgegen der Auffassung der Klägerin entscheidet die Verweigerung des Zutritts für sie nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Ein Supermarkt dient der Daseinsvorsorge in Form von Einkäufen des täglichen Bedarfs, insbesondere an Lebensmitteln, nicht der sozialen Interaktion oder des kulturellen Austauschs.
Klägerin konnte auf konkurrierenden Supermarkt ausweichen
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Monopolstellung oder sonstige strukturelle Überlegenheit des Beklagten vorliegt, die dazu führt, dass bestimmte Personen nicht ohne sachlichen Grund ausgeschlossen werden könnten. Eine solche Monopolstellung des Markts des Beklagten für die tägliche Daseinsvorsorge ist im konkreten Fall nicht gegeben. Der Beklagte hat unbestritten ausgeführt, dass in fußläufiger Entfernung (ab 500 Metern) weitere Supermärkte vorhanden sind, die somit auch für betagtere Kunden problemlos zu erreichen sind.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 11.10.2024, 142 C 18533/24, PM 12/25
| Legt beim Gebrauchtwagenkauf der Verkäufer den Fahrzeugbrief vor, kann sich der Käufer normalerweise darauf verlassen, dass er es auch tatsächlich mit dem Eigentümer und nicht mit einem Betrüger zu tun hat. Dieses Vertrauen kann aber erschüttert sein, wenn die Umstände des Verkaufs trotzdem Verdacht erregen müssen. Dann muss der Käufer im Betrugsfall das Fahrzeug dem wahren Eigentümer zurückgeben und bleibt auf dem gezahlten Kaufpreis als Schaden sitzen. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal (Pfalz) entschieden. Es hat die Klage eines Autokäufers abgewiesen, der auf einen Betrüger hereingefallen war. |
Autokäufer war auf Betrüger hereingefallen
Der Käufer hatte den PKW von einem Betrüger für mehr als 35.000 Euro erworben. Kurze Zeit nach dem Kauf beschlagnahmte die Polizei das Fahrzeug und gab es dem ursprünglichen Eigentümer zurück. Dieser verkaufte es anschließend für knapp 49.000 Euro weiter.
Den Kaufpreis reklamierte der betrogene Käufer für sich. Er sei trotz des Betrugs Eigentümer des Fahrzeugs geworden. Er sei im Internet auf das Fahrzeug gestoßen und habe sich im Saarland zur Besichtigung verabredet. Auf dem Weg dorthin habe er die Mitteilung erhalten, dass das Kind des Verkäufers einen Treppensturz erlitten habe und in einem Krankenhaus in Frankreich liege. Dorthin sei er nun umgeleitet worden, wo der Kauf auf dem Parkplatz durch Barzahlung auch abgewickelt worden sei. Der Betrüger habe einen vermeintlich echten Fahrzeugbrief und einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt. Er habe deshalb daran glauben dürfen, dass das Fahrzeug diesem auch gehört habe.
Umstände des Kaufs waren dubios, Zweifel daher angebracht
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Der Käufer habe trotz Vorlage des scheinbar echten Fahrzeugbriefs grob fahrlässig gehandelt und das Fahrzeug daher nicht gutgläubig erworben. Denn die Umstände des Verkaufs hätten beim Käufer Zweifel erregen müssen, dass er den wahren Eigentümer vor sich hatte. So habe dieser einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt, obwohl sein im Kaufvertrag genannter Wohnsitz Frankenthal gewesen sei und das Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen zugelassen war.
Kurzfristige Verlegung der Übergabe ins Ausland
Auffällig sei ferner, dass der Verkäufer ursprünglich als Treffpunkt das vom angegebenen Wohnort abweichende Dillingen/Saar genannt habe. Typisch für unlautere Automobilgeschäfte sei auch das Bargeschäft und die kurzfristige telefonische Verlegung des Verkaufsorts an einen fremden und noch dazu im Ausland befindlichen Ort. Nach alledem könne der Käufer dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entgehen und habe den Schaden selbst zu tragen, so der Richter.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 3.4.2025, 3 O 388/24, PM vom 22.5.2025
| Das Amtsgericht (AG) Berlin-Charlottenburg hat entschieden: Hatte der frühere Vermieter die Hundehaltung erlaubt, kann der in das Mietverhältnis eingetretene Vermieter diese Gestattung nur aus wichtigem Grund widerrufen. Dies gilt, auch wenn es sich um einen Kampfhund handeln sollte. Dass sich Mitmieter aufgrund der Größe und Kraft eines solchen Hundes subjektiv bedroht fühlen, reicht für den Widerruf nicht aus. |
Vorheriger Vermieter hatte Hundehaltung gestattet, neuer Vermieter widerrief Erlaubnis
Die Parteien eines Mietvertrags über ein möbliertes Apartment stritten um die Räumung und Herausgabe einer Wohnung. Der Kläger, der aktuelle Vermieter, war nachträglich in das Mietverhältnis eingetreten. Der beklagte Mieter hält einen Hund, was ihm ausdrücklich vom früheren Vermieter erlaubt worden war.
Der Kläger hat die Erlaubnis zur Hundehaltung im Juni 2023 widerrufen und die Haltung eines Kampfhundes untersagt. Der Beklagte sollte seinen Hund bis Ende Juni 2023 entfernen. Noch im Juni mahnte der Kläger den Beklagten wegen nicht gestatteter Tierhaltung ab. Anfang August 2023 kündigte der Kläger das Mietverhältnis ordentlich zum 30.11.2023 und begründete dies mit der weiteren Haltung eines Kampfhundes sowie des Einsetzens des Hundes als Druck- und Nötigungsmittel.
Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung
Der Kläger behauptete, bei dem vom Beklagten gehaltenen Tier würde es sich um einen Kampfhund handeln. Der Beklagte würde dieses Tier gegenüber Nachbarn im Objekt als Druck- und Nötigungsmittel einsetzen, um Vorrang auf Wegen oder im Treppenhaus zu erzwingen. Mehr als ein anderer Bewohner im Objekt habe Angst vor dem Hund, die wollten aber nicht namentlich genannt werden. Er verklagte den Mieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Der Mieter behauptete hingegen, es handele sich nicht um einen „Listenhund“, sondern um eine Mischung aus Old-English-Bulldog und Weimeraner. Er reichte dazu zwei Fotos sowie eine tierärztliche Bescheinigung und weitere Unterlagen ein.
So entschied das Amtsgericht
Der Vermieter kann das Mietverhältnis nur aus berechtigtem Interesse kündigen. Das ist z. B. der Fall, wenn der Mieter vertragliche Pflichten erheblich verletzt, indem er z. B. ein Tier trotz Abmahnung weiter hält.
Im Fall des AG war es aber anders: Der ursprüngliche Vermieter hatte die Hundehaltung erlaubt. Der – große und kräftige – Hund, war– ohne Maulkorb – stets an der Leine geführt worden. Beißvorfälle oder -versuche oder Bedrohungen von Nachbarn mit dem Hund konnten nicht bewiesen werden. Ein – subjektives – Bedrohtfühlen genügt nicht, um die Erlaubnis zu widerrufen.
Quelle | AG Charlottenburg, Urteil vom 30.5.2024, 218 C 243/23
| Ein Streit um einen Erbschein hat kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Eine Erbin hatte falsche Angaben gemacht – mit unangenehmen Folgen. |
Wahrheitswidrige Angaben zum Testament
Eine Frau hatte nach dem Tod ihrer Mutter einen Erbschein beantragt, um als Alleinerbin ausgewiesen zu werden. Sie berief sich dabei auf ein Testament, machte aber falsche Angaben: Sie versicherte eidesstattlich, dass das Testament von der Verstorbenen eigenhändig verfasst worden sei. In Wirklichkeit hatte jedoch die Tochter das Testament geschrieben und die Mutter nur ihre Unterschrift darunter gesetzt.
Testament muss eigenhändig geschrieben sein
Die falschen Angaben betrafen einen entscheidenden Punkt: Ein Testament muss eigenhändig geschrieben oder von einem Notar beurkundet werden. Eigenhändig heißt, dass der Erblasser es komplett selbst und von Hand niederschreiben muss. Die bloße Unterschrift der Mutter reichte deshalb nicht aus – das Testament war unwirksam. Statt des Testaments galt die gesetzliche Erbfolge, das heißt: Die Antragstellerin musste sich das Erbe mit ihren Geschwistern teilen.
Streit um Anwaltskosten
Im Erbscheinverfahren vor dem Amtsgericht (AG) wurden die falschen Angaben aufgeklärt. Der Streit war damit aber nicht erledigt. Denn die Geschwister hatten Anwälte beauftragt, um gegen den unberechtigten Antrag vorzugehen. Zwei Schwestern verlangten die Erstattung der angefallenen Anwaltskosten. Das OLG gab ihnen nun Recht.
Mögliche strafrechtliche Konsequenzen
Für die unterlegene Schwester hat dies nicht nur finanzielle Folgen: Die Akten werden nun der Staatsanwaltschaft übergeben, denn eine falsche eidesstattliche Versicherung ist strafbar. Das OLG sah einen entsprechenden Anfangsverdacht; bis zu einer möglichen Entscheidung im Strafverfahren gilt für die Betroffene die Unschuldsvermutung.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 9.1.2025, 6 W 156/24, PM vom 20.2.2025
| Das Zerreißen eines Testaments durch den Erblasser ist eine Widerrufshandlung. Es wird gesetzlich vermutet, dass dieser Widerrufshandlung eine Widerrufsabsicht zugrunde lag. Die Aufbewahrung des zerrissenen Testaments im Schließfach widerlegt diese Vermutung nicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die Beschwerde des in dem zerrissenen Testament Begünstigten gegen einen auf Basis gesetzlicher Erbfolge erteilten Erbschein zurückgewiesen. |
Testament zerrissen, aber aufbewahrt
Der Erblasser war mit seiner Frau in letzter Ehe kinderlos verheiratet. Nach seinem Versterben beantragte die Frau einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Das Nachlassgericht erteilte den Erbschein, der die Frau neben der Mutter des Erblassers als Erben auswies. Zwei Monate später öffneten die Frau und ein Vertreter der Mutter des Erblassers das Schließfach des Erblassers. Dort befand sich ein handschriftliches Testament, das eine andere Person begünstigte. Es war längs in der Mitte durchgerissen. Das Nachlassgericht hat den Antrag des Begünstigten abgelehnt, den bereits erteilten Erbschein im Hinblick auf das nun aufgefundene, zerrissene Testament einzuziehen.
Widerruf durch schlüssige Handlung
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das Nachlassgericht habe die Einziehung des Erbscheins zu Recht abgelehnt, da dieser nicht unrichtig geworden sei. Der Begünstigte sei nichttestamentarischer Erbe geworden. Der Erblasser habe das den Begünstigten alsErben einsetzende Testament durch schlüssige Handlung widerrufen.
Durch das Zerreißen des Testaments in der Mitte habe derErblasser das Testament vernichtet. Es liege insoweit eine Widerrufshandlungvor. Das Testament sei unzweifelhaft auch „nicht durch äußere Einflüsse „anderweitig“ in zwei Teile geraten“. Dafür spreche, dass das Papier mittig, aber nicht vollständig gerade getrennt worden sei. Die Trennränder seien zudem nicht glatt. Anhaltspunkte für ein – ggf. sachverständig aufzuklärendes – anderweitiges Trennen des Schriftstücks in zwei Teile lägen nicht vor. Es sei auch davon auszugehen, dass der Erblasser selbst das Testament zerrissen habe, da nur er Zugang zum Bankschließfach gehabt habe. Nach den Angaben der bei Öffnung des Schließfachs Anwesenden bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Testament beim Öffnen oder Schließen des Schließfachs versehentlich von einer dritten Person zerrissen worden sei.
Gesetzliche Vermutung nicht widerlegt
Es werde gesetzlich vermutet, dass diese Widerrufshandlung mit Widerrufsabsicht erfolgte. Indizien, die diese Vermutung widerlegen würden, seien nicht erkennbar. Warum der Erblasser das zerstörte Testament im Schließfach aufbewahrte, sei zwar nicht nachvollziehbar. Dies allein genüge aber nicht zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung. Der Erblasser habe ausweislich der dokumentierten 31 Öffnungen des Schließfachs dieses offensichtlich nicht ausschließlich zur Aufbewahrung eines ungültigenTestaments angemietet.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.4.2025, 21 W 26/25, PM 26/25
| Das Landgericht (LG) Berlin II hat eine Energieberatungsfirma zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von rund 6.000 Euro wegen einer Falschberatung verurteilt. Aufgrund der Falschberatung habe der Kläger – ein Verbraucher – Fenster und Dachfenster mit zu hohen Wärmedurchgangskoeffizienten einbauen lassen, die daher nicht förderfähig seien. |
Förderleistungen beantragt – Bundesamt lehnt ab
Der Kläger hatte die Beklagte mit der Energieberatung für die energetische Sanierung seines Einfamilienhauses beauftragt. In Zusammenarbeit mit der Beklagten beantragte er beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Förderleistungen gemäß der Richtlinie der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG-Richtlinie) und erhielt einen entsprechenden Zuwendungsbescheid. Anschließend holte er Angebote für die Sanierungsmaßnahmen ein und schickte sie der Beklagten, die diese nicht beanstandete.
Für den Verwendungsnachweis der Fördermittel gab der Kläger in Absprache mit der Beklagten die Wärmedurchgangskoeffizienten an, die mit den verbauten Dämmmaterialien an der Gebäudehülle erreicht werden konnten – für das Dach und die Geschossdecke einen Koeffizienten von 0,2, für die Fenster von 1,1 und für die Dachflächenfenster von 1,3. Das Bundesamt teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die technischen Mindestanforderungen bei der Sanierung nicht erreicht seien und hob den Förderbescheid teilweise auf. Die BEG-Richtlinie fordert Koeffizienten an Dachgebilden von 0,14 und an Fenstern von 0,95 bzw. 1,0 bei Dachflächenfenstern.
Energieberater muss Förderleistung zahlen
Das Gericht sprach dem Kläger nun Schadenersatz in Höhe der eigentlich zu gewährenden Förderungssumme zu. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur fachlich zutreffenden Beratung verletzt. Sie hätte insbesondere die vom Kläger vorgelegten Angebote auf ihre Förderungsfähigkeit prüfen müssen.
Der Verweis der Beklagten, der Kläger hätte sich selbst über die förderungsrelevanten Wärmedurchgangskoeffizienten informieren können, führe ihr Leistungsangebot ad absurdum. Es sei gerade ihre Hauptleistungspflicht, einen Verbraucher und Laien über die Richtlinien und Richtwerte fachlich zu beraten. Darüber hinaus habe die Beklagte den Kläger falsch beraten, weil sie selbst von falschen Werten ausgegangen sei. Rechtsirrig habe sie in E-Mails an den Kläger auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und nicht auf die Werte der BEG-Richtlinie verwiesen. Die Beratung sei auch deshalb unzureichend und fehlerhaft gewesen.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 18.2.2025, 30 O 197/23, PM 3/25
| Bei einer mehr als unerheblichen Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks scheidet die Annahme eines faktischen Kerngebiets aus, also als Gebiet, das vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Stadt versagte Nutzung eines Gebäudes als Spielhalle
Die Klägerin begehrt einen Bauvorbescheid für die Nutzung eines Geschäftsgebäudes in der Innenstadt der Beklagten als Spielhalle. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, der Widerspruch blieb erfolglos.
Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht sahen das anders
Das Verwaltungsgericht (VG) gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) zurück. Das Vorhaben sei als Vergnügungsstätte zulässig. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Kerngebiet i. S. d. Baunutzungverordnung (hier: § 7 BauNVO). Die nicht unerhebliche, aber noch untergeordnete Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks stehe dieser Einordnung nicht entgegen, obwohl sie im vorhandenen Umfang nur aufgrund von Festsetzungen in einem Bebauungsplan zulässig wäre.
Bundesverwaltungsgericht rügte mangelnde Tatsachenfeststellung
Das BVerwG hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Auffassung des OVG, dass ein faktisches Kerngebiet auch bei einer nicht unerheblichen Wohnnutzung vorliegt, steht mit der Regelungssystematik der Baunutzungsverordnung nicht in Einklang. Die Verweisung in § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB auf die §§ 2 ff. BauNVO findet dort eine Grenze, wo die Baunutzungsverordnung eine planerische Entscheidung der Gemeinde vorsieht. Der Verordnungsgeber hat die Entscheidung darüber, ob die sonstige Wohnnutzung in einem Kerngebiet über Ausnahmen hinausgehen darf, der Gemeinde überlassen. Ihr Spielraum darf bei der Einordnung als faktisches Kerngebiet nicht übergangen werden. Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen konnte das BVerwG nicht abschließend entscheiden.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 20.5.2025, 4 C 2.24, PM 37/25
| Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf der Grundlage von über 2.300 geleisteten Mehrarbeitsstunden im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer für mehrere Monate frei, muss er ihm in diesen Monaten das Entgelt nach dem Lohnausfallprinzip zahlen, also das Entgelt, das zu zahlen gewesen wäre, wenn der Arbeitnehmer in diesen Monaten gearbeitet hätte. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |
Das LAG: Nichts anderes ergibt sich, wenn die unstreitige Mehrarbeit vor 20 Jahren geleistet worden war, also in einem Zeitraum, für den die Parteien ein viel geringeres Bruttomonatsentgelt vereinbart hatten.
Quelle | LAG Köln, Urteil vom 23.8.2024, 6 Sa 663/23
| Ein Bewerber um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugdienst kann verlangen, nicht wegen eines genetisch bedingten erhöhten Thromboserisikos vom Bewerbungsverfahren der Bundespolizei ausgeschlossen zu werden. Bei der beim Kläger diagnostizierten sog. Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich um einen angeborenen Gendefekt, bei dem es zu Störungen der Blutgerinnung kommt und der mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergeht. Die Entscheidung der Bundespolizeiakademie, die Bewerbung des Klägers um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst im Jahr 2023 aufgrund fehlender gesundheitlicher Eignung nicht zu berücksichtigen, hatte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Aachen keinen Bestand. Über die Bewerbung des Klägers muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden werden. |
Geringe Risiken
Zur Begründung hat das VG ausgeführt, dass es bereits in erheblichem Maße zweifelhaft ist, ob hinreichende sachliche Gründe für den Ausschluss von Beamten mit einem solchen Gendefekt bestehen. Denn das durch eine solche Mutation bedingte Thromboserisiko ist verhältnismäßig gering. In der beim Kläger vorliegenden Form ist es zwar gegenüber gesunden Menschen erhöht, entspricht jedoch ungefähr dem Thromboserisiko durch die Einnahme der Antibabypille bei Frauen und damit einem Risiko, das der Dienstherr als hinnehmbar ansieht.
Ergebnisse der genetischen Untersuchung durften nicht mitgeteilt werden
Unabhängig davon durfte der Gendefekt nicht zulasten des Klägers im Einstellungsverfahren berücksichtigt werden, weil er aufgrund einer genetischen Untersuchung diagnostiziert wurde. Die Mitteilung des diesbezüglichen Ergebnisses durfte die Bundespolizei aus Rechtsgründen nicht verlangen.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 10.3.2025, 1 K 1304/23, PM vom 10.3.2025
| Die Verwendung eines abstrakt gefährlichen Gegenstands – hier eines Klappmessers – zu einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch – hier Reparaturversuch an einer Uhr – läuft den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider und steht deshalb der Anerkennung eines Unfallereignisses als Dienstunfall entgegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Mit dem Messer versucht, Klemmfeder zu richten
Der mittlerweile pensionierte Kläger war Polizeivollzugsbeamter im saarländischen Landesdienst. Im April 2019 erstattete er bei seiner Dienststelle eine Dienstunfallanzeige. Danach habe er zu Dienstbeginn festgestellt, dass die sonst über der Tür hängende Wanduhr auf der Fensterbank gelegen habe. Es sei ihm aufgefallen, dass die Batterie der Uhr unsachgemäß im Batteriefach gesteckt habe und die Klemmfeder verbogen gewesen sei. Er habe mit seinem Klappmesser die verbogene Feder wieder richten wollen. Hierbei sei das Messer zugeschnappt und er habe sich einen tiefen Schnitt am kleinen Finger der rechten Hand zugezogen.
Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls
Sein Antrag auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall ist behördlich und in den beiden gerichtlichen Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwiderlaufe, wenn ein Beamter sich ohne Not einem Verletzungsrisiko durch Hantieren mit einem privaten, abstrakt gefährlichen Gegenstand aussetze, dessen Funktionstauglichkeit der Dienstherr nicht prüfen könne.
Keine dienstliche Aufgabe
Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall. Zwar hat sich der Unfall in einem Dienstgebäude zur Dienstzeit ereignet und ist damit grundsätzlich als „in Ausübung des Dienstes eingetreten“ vom Dienstunfallschutz erfasst. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Reparatur der Uhr nicht zu den dienstlichen Aufgaben des Klägers als Polizeibeamter gehörte. Dienstunfallschutz wird jedoch nicht gewährt, wenn dieTätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft. Das ist hier der Fall.
Entgegen den Interessen des Dienstherrn
Dabei kann dahinstehen, ob es sich um ein Einhandmesser im Sinne des Waffengesetzes handelte und das Führen des Messers bereits deshalb verboten war. Jedenfalls lief die Benutzung dieses Messers zum Zweck einer Uhrreparatur den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider. Das verwendete Messer ist ein abstrakt gefährlicher Gegenstand, der für den Zweck der Reparatur ersichtlich nicht bestimmt und nicht geeignet war.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 13.3.2025, 2 C 8.24, PM 16/25
| Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellt den Arbeitnehmer trotz dessen Beschäftigungsanspruchs von der Arbeit frei, unterlässt der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig in Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 615 S. 2 BGB) anderweitigen Verdienst, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis eingeht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Das war geschehen
Der Kläger war seit November 2019 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Senior Consultant gegen eine monatliche Vergütung von 6.440 Euro brutto. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.3.2023 ordentlich zum 30.6.2023 und stellte den Kläger unter Einbringung von Resturlaub unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht (ArbG) am 29.6.2023 statt, die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) am 11.6.2024 zurückgewiesen.
Arbeitgeber schlug Stellenangebote vor
Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Kläger Anfang April 2023 arbeitssuchend und erhielt von der Agentur für Arbeit erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge. Die Beklagte übersandte ihm hingegen schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote, die nach ihrer Einschätzung für den Kläger in Betracht gekommen wären.
Arbeitnehmer bewarb sich – aber erst zum Beschäftigungsende
Auf sieben davon bewarb sich der Kläger, allerdings erst ab Ende Juni 2023. Nachdem die Beklagte dem Kläger für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, hat er diese mit einer Klage geltend gemacht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewendet, der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bei der Beklagten bezogenen Gehalts anrechnen lassen.
Arbeitgeber war durch einseitige Freistellung im Annahmeverzug
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) ihr stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Beklagte befand sich aufgrund der von ihr einseitig erklärten Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug und schuldet dem Kläger (nach § 615 S. 1 BGB iVm. § 611 a Abs. 2 BGB) die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss sich der Kläger nicht (nach § 615 S. 2 BGB) anrechnen lassen. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil ist nur gerechtfertigt, wenn dieser wider Treu und Glauben (nach § 242 BGB) untätig geblieben ist. Weil § 615 S. 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend hiervon bestand für ihn keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Beklagten ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.
Quelle | BAG, Urteil vom 12.0.2025, 5 AZR 127/24, PM 6/2