Arbeitsrecht
| Säumniszuschläge werden festgesetzt, wenn die Zahlung nicht pünktlich erfolgt. Nach der Abgabenordnung (hier: § 240 AO) ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen Steuerbetrags zu entrichten, umgerechnet auf das Jahr also 12 %. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass wegen des deutlichen und nachhaltigen Anstiegs der Marktzinsen, der seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 zu verzeichnen ist, jedenfalls seit März 2022 keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Zuschläge bestehen. |
Darüber hinaus hat der BFH in diesem Verfahren Folgendes entschieden: Wenn das Finanzamt zwar Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt, deren Wirkung aber von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig macht, bewirkt die spätere Leistung der Sicherheit im Regelfall, dass die AdV mit (Rück-)Wirkung ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung eintritt und zuvor etwaig entstandene Säumniszuschläge entfallen.
Beachten Sie | Das Finanzamt kann allerdings ausdrücklich anordnen, dass die Wirkung der AdV erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung der Sicherheit beginnt.
Quelle | BFH, Beschluss vom 21.3.2025, X B 21/25 (AdV)
| Eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft steht der Anerkennung einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft grundsätzlich nicht entgegen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Eine Organschaft führt bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dazu, dass nicht mehr die Organgesellschaft ihren Gewinn zu versteuern hat, sondern der Organträger.
Beachten Sie | Die gemäß Körperschaftsteuergesetz (hier: §§ 14 ff. KStG) enthaltenen Regelungen für die Organschaft führen im Ergebnis dazu, dass z. B. in Konzernen die Konzernspitze (als Organträger) die Gewinne sämtlicher Tochtergesellschaften (als Organgesellschaften) zu versteuern hat, aber Verluste und Gewinne der verschiedenen Tochtergesellschaften dabei auch unmittelbar miteinander verrechnet werden können. Insbesondere dieser steuerliche Vorteil hat zu einer weiten Verbreitung der Organschaft in Deutschland geführt.
Das war geschehen
Im Streitfall hatte eine Kommanditgesellschaft (KG) mit einer GmbH einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, um eine Organschaft zu begründen. Danach war die „abhängige“ GmbH als Organgesellschaft verpflichtet, den ganzen von ihr erwirtschafteten Gewinn an die KG als Organträger abzuführen.
Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass an der GmbH als Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung bestand.
Bundesfinanzhof widerspricht Vorinstanzen
Da dem atypisch still Beteiligten ein Anteil von 10 % des Gewinns der GmbH zustand, vertraten das Finanzamt und nachfolgend auch das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern die Auffassung, dass lediglich 90 % des Gewinns an die KG als Organträger abgeführt worden sei, das Gesetz aber die Abführung des ganzen Gewinns fordere. Die Organschaft sei daher insgesamt nicht anzuerkennen. Dem ist der BFH aber nun entgegengetreten.
§ 14 Abs. 1 KStG setzt einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 des Aktiengesetzes (AktG) und die strikte Erfüllung der zivilrechtlichen Vertragspflichten voraus. Was als ganzer Gewinn abzuführen ist, bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Gewinnbeteiligungen, die einem stillen Gesellschafter zustehen, sind im Zivilrecht aber als Geschäftsunkosten vom Gewinn der GmbH abzusetzen. Dies betrifft sowohl die typische als auch die atypisch stille Gesellschaft.
Folglich ist der hiernach verbleibende „Rest-Gewinn“ (im Streitfall also die 90 %) der ganze Gewinn, der an den Organträger abgeführt werden muss. Dass eine (typische oder atypische) stille Beteiligung zivilrechtlich als Teilgewinnabführungsvertrag qualifiziert wird, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.12.2024, I R 33/22, PM 21/25 vom 3.4.2025
| Wenn eine per E-Mail versandte Werklohnrechnung gehackt und unbefugt verändert wird und der Kunde deshalb an einen unbekannten Dritten zahlt, muss er nicht noch einmal an den Werkunternehmer zahlen, wenn dieser die Rechnung ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung versandt hat und deshalb gegen ihn ein Schadenersatzanspruch gemäß Datenschutz-Grundverordnung (hier: Art. 82 DS-GVO) besteht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, erneut ihre Werklohnforderung zu zahlen, nachdem der Betrag wegen einer Manipulation der per E-Mail versandten Rechnung durch kriminell handelnde Dritte dem Konto eines Unbekannten gutgeschrieben wurde.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für die Installation von Haustechnik. Sie führte für die Beklagte Installationsarbeiten durch und rechnete die erbrachten Leistungen ihr gegenüber in drei Abschlagsrechnungen ab. Diese wurden jeweils als Anlage zu einer E-Mail im PDF-Format übersandt. Die ersten zwei Abschlagsrechnungen beglich die Beklagte per Überweisung an die auf den Rechnungen angegebenen Bankverbindungen der Klägerin.
Die dritte Abschlagsrechnung über rund 15.000 Euro, die zugleich die Schlussrechnung war, versandte die Klägerin ebenfalls als Anlage im PDF-Format per E-Mail. Diese Rechnung war jedoch auf ungeklärte Weise durch einen Dritten manipuliert worden, so dass die Beklagte den Rechnungsbetrag auf das Konto des unbekannten Dritten überwies. Auf dem Konto der Klägerin ging deshalb auf die Schlussrechnung keine Zahlung ein.
Keine Erfüllung durch Zahlung an unbekannten Dritten
Das Landgericht (LG) hat die Beklagte deshalb zur erneuten Zahlung verurteilt, weil eine Erfüllung durch die Zahlung an den unbekannten Dritten nicht eingetreten ist. Es hat ausgeführt, dass die Klägerin auch keine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat, sodass die Beklagte keinen Schadenersatzanspruch hat, den sie der Klageforderung gemäß § 242 BGB entgegenhalten kann. Die Klägerin hat nach Auffassung des LG keine Pflichtverletzung begangen, weil die von ihr vorgetragenen Schutzvorkehrungen in Form einer Transportverschlüsselung per SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) über TLS (Transport Layer Security) beim E-Mail-Verkehr mit Vertragspartnern ausreichend sind.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG hat in zweiter Instanz das Urteil des LG geändert und die Klage abgewiesen. Es hat entschieden, dass die Zahlung der Beklagten an einen Dritten zwar keine Erfüllung der Forderung bei der Klägerin bewirkt. Im Gegensatz zum Landgericht hat es jedoch einen Schadenersatzanspruch der Beklagten bejaht, den diese der Werklohnforderung der Klägerin nach § 242 BGB entgegenhalten kann, so dass sie die Forderung nicht noch einmal bezahlen muss.
Dieser Schadenersatzanspruch ergibt sich nach der Entscheidung des OLG aus Art. 82 Abs. 2 DS-GVO, weil die Klägerin im Zuge der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Beklagten bei Versand der streitgegenständlichen E-Mail mit Anhang gegen die Grundsätze der Art. 5, 24 und 32 DS-GVO verstoßen hat. Das OLG hält die Transportverschlüsselung, die beim Versand der streitgegenständlichen E-Mail in Form von SMTP über TLS verwendet worden sein soll, nicht für ausreichend und damit auch nicht als zum Schutz der Daten „geeignet“ im Sinne der DS-GVO.
Das OLG hob hervor, dass heute jedem Unternehmen, das personenbezogene Daten seiner Kunden computertechnisch verarbeitet, bewusst sein muss, dass der Schutz dieser Daten hohe Priorität – auch beim Versenden von E-Mails – genießt. Unternehmen müssen diesen Schutz durch entsprechende Maßnahmen so weit wie möglich gewährleisten.
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unabdingbar
Gerade bei sensiblen oder persönlichen Inhalten ist nach der Entscheidung des OLG nur eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Schutz im Sinne der DS-GVO geeignet, wenn ein hohes finanzielles Risiko durch Verfälschung der angehängten Rechnung für den Kunden besteht. Dass Kunden von Unternehmen bei einem Datenhacking Vermögenseinbußen drohen, ist ein Risiko, das dem Versand von Rechnungen per E-Mail immanent ist und deshalb eine entsprechende Voraussicht und ein proaktives Handeln erfordert. Der dafür erforderliche technische und finanzielle Aufwand kann auch von einem mittelständischen Handwerksbetrieb erwartet werden, wenn es seine Rechnungen nicht per Post versendet.
Quelle | OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.12.2024, 12 U 9/24, PM 1/25
| Wer im Zusammenhang mit seiner kommunalpolitischen Tätigkeit Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder erhält (im Streitfall ein ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats), erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Diese sind im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung zu verbeitragen. Dies hat jedenfalls das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen entschieden. |
Das LSG Nordrhein-Westfalen stellte heraus: Für die Zuordnung von Einnahmen zum Arbeitseinkommen ist die steuerliche Abgrenzung der Einkunftsarten maßgebend. Bei Anlegung dieser Maßstäbe handelt es sich auch bei den Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer kommunalpolitischen Tätigkeit in Gestalt von Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern erzielt werden, um Arbeitseinkommen nach dem Sozialgesetzbuch IV (hier: § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV).
Gegen dieses Urteil ist die Revision beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig.
Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.3.2024, L 5 KR 551/21, Rev. BSG: B 6 a/12 KR 12/24 R
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Die Verwendung von geschlechtsspezifischen Sterbetafeln bei der Bewertung lebenslänglicherNutzungen und Leistungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot. |
Hintergrund: Die Heranziehung geschlechterdifferenzierender Sterbetafeln dient dem Ziel, die Kapitalwerte lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen mit zutreffenden Werten zu erfassen und eine Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.
Da die statistische Lebenserwartung von Männern und Frauen unterschiedlich hoch ist, ermöglichen die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Vervielfältiger genauere und realitätsgerechtere Bewertungsergebnisse als geschlechtsneutrale Vervielfältiger.
Beachten Sie | Die Anwendung der geschlechtsspezifischen Sterbetafeln kann sich für den Steuerpflichtigen je nach Fallkonstellation günstiger oder ungünstiger auswirken und führt nicht per se zu einer Benachteiligung aufgrund des eigenen Geschlechts.
Der BFH musste nicht entscheiden, welche Auswirkungen sich aus dem am 1.11.2024 in Kraft getretenen Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) für die Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen ergeben.
Quelle | BFH, Urteile vom 20.11.2024, II R 38/22, II R 41/22, II R 42/22; PM 23/25 vom 10.4.2025
| Aufwendungen des Steuerpflichtigen für einen Umzug in eine andere Wohnung, um dort (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs(BFH) auch, wenn der Steuerpflichtige – wie in Zeiten der Corona-Pandemie – zwangsweise zum Arbeiten im häuslichen Bereich angehalten ist oder durch die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren sucht. |
Das war geschehen
Eheleute lebten mit ihrer Tochter in einer 3-Zimmer-Wohnung und arbeiteten nur in Ausnahmefällen im Homeoffice. Ab März des Streitjahrs 2020 (zunächst bedingt durch die Corona-Pandemie) arbeiteten sie überwiegend im Homeoffice, dort im Wesentlichen im Wohn-/Esszimmer. Ab Mai 2020 zogen sie in eine 5-Zimmer-Wohnung, in der sie zwei Zimmer als häusliches Arbeitszimmer einrichteten und nutzten.
Den Aufwand für die Nutzung der Arbeitszimmer und die Kosten für den Umzug in die neue Wohnung machten die Eheleute als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte zwar die Aufwendungen für die Arbeitszimmer an, mangels beruflicher Veranlassung lehnte es den Abzug der Kosten für den Umzug jedoch ab.
Demgegenüber bejahte das Finanzgericht (FG) Hamburg den Werbungskostenabzug auch für die Umzugskosten. Der Umzug in die größere Wohnung sei beruflich veranlasst gewesen, da er zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen geführt habe.
Dem folgte der BFH aber (aus Steuerzahlersicht „leider“) nicht und bestätigte die ablehnende Entscheidung des Finanzamts.
Wohnung: privater Lebensbereich
Die Wohnung ist grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Daher zählen die Kosten für einen Wohnungswechsel regelmäßig zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung. Etwas anderes gilt nur, wenn die berufliche Tätigkeit den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel dargestellt hat und private Umstände allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben.
Beachten Sie | Dies ist aber nur aufgrund außerhalb der Wohnung liegender Umstände zu bejahen, etwa wenn
- der Umzug Folge eines Arbeitsplatzwechsels gewesen ist oder
- sich die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit durch den Umzug um mindestens eine Stunde täglich vermindert
Die Möglichkeit, in der neuen Wohnung (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, genügt nicht zur Begründung einer beruflichen Veranlassung des Umzugs. Es fehlt insoweit an einem objektiven Kriterium, das nicht auch durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist.
Die Entscheidung, in der neuen, größeren Wohnung (erstmals) ein Zimmer als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer „Arbeitsecke“ auszuüben, beruht auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatz verfügt oder durch die Arbeit im Homeoffice versucht, das Berufs- und Familienleben zu vereinbaren.
Quelle | BFH, Urteil vom 5.2.2025, VI R 3/23, PM 24/25 vom 17.4.2025
| Ein mit einem Preisgeld dotierter Wissenschaftspreis kann nur dann Arbeitslohn darstellen, wenn er dem Arbeitnehmer für Leistungen verliehen wird, die er gegenüber seinem Dienstherrn erbracht hat. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Fall eines Professors entschieden. |
Der Professor hatte die Habilitationsschriften überwiegend vor der Berufung in das Professorendienstverhältnis verfasst. Der preisbewehrten Habilitation lag zwar eine wissenschaftliche Forschungsleistung zugrunde. Diese gründete aber nicht auf der Forschungstätigkeit als Hochschullehrer. Wissenschaftspreis und Preisgeld stellten sich daher nicht als „Frucht“ dieser Tätigkeit dar.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 12/22
| Kann in Deutschland steuerpflichtigen Personen eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen inder Schweiz gewährt werden? Das Finanzgericht (FG) Köln hält das für möglich und hat sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar mit deutscher und schweizerischer Staatsbürgerschaft wohnte in der Schweiz. Der Ehemann war als Arbeitnehmer in Deutschland tätig und unterhielt hierfür eine Wohnung in Deutschland. Für das gemeinsame Haus in der Schweiz beauftragten die Eheleute verschiedene Handwerks- und Gartenbauarbeiten i. S des Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 a EStG) und begehrten eine Ermäßigung ihrer Einkommensteuer.
Das Finanzamt lehnte dies jedoch ab, weil die Dienstleistungen in der Schweiz ausgeführt wurden (vgl. § 35 a Abs. 4 S. 1 EStG). Hiergegen erhoben die Eheleute erfolgreich Klage.
Freizügigkeitsabkommen
Das FG Köln bezweifelt, ob es mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist, dass die Steuerermäßigung nur für Dienstleistungen beansprucht werden kann, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt ausgeübt oder erbracht werden.
Beachten Sie | Bis zur Entscheidung des EuGH ist das Verfahren ausgesetzt.
Quelle | FG Köln, Beschluss vom 20.2.2025, 7 K 1204/22; PM vom 25.3.2025; EuGH: C-223/25
| Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen, z. B. Sachverständigengutachten, sind in der Regel nicht notwendig und werden daher nicht erstattet. Das ist der Grundsatz, von dem die Rechtsprechung ausgeht. Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme – wie eine Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Senftenberg anschaulich zeigt. |
Schwierige technische Fragestellungen
Ausnahmsweise werden nach dieser Entscheidung die Kosten z. B. für das Einholen eines privaten Sachverständigengutachtens unter anderem als notwendige Kosten anerkannt, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind. Gleiches gilt, wenn aus Sicht des Betroffenen aus einer Anfangsbetrachtung ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre.
Amtsgericht hält Kosten ausnahmsweise für erstattungsfähig
Diese Grundsätze hat das AG in seiner Entscheidung bestätigt. Es hat die Kosten für ein Sachverständigengutachten, mit dem die Messdaten einer Geschwindigkeitsmessung überprüft worden sind, daher als erstattungsfähig angesehen.
Quelle | AG Senftenberg, Urteil vom 28.2.2024, 50 OWi 1617 Js 22408/22
| Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h liegenden Tempo fährt, muss seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten. Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des Navigationssystems kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entschieden. |
Konzentrieren und Gerätebedienen ist gefährlich
Geklagt hatte eine Autovermieterin gegen den Fahrer eines vermieteten Pkw. Der Fahrer war auf der Autobahn verunfallt und hatte den Wagen beschädigt. Während er auf der linken Spur fuhr, bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs bei Tempo 200, um dort Informationen abzurufen. Dabei geriet das Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke.
Mietvertrag sah Kürzung der Haftungsfreistellung vor
Das Gericht verwies auf die Vereinbarung im Mietvertrag. Danach könne die Haftungsfreistellung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt werden. Der Fahrer habe hier grob fahrlässig gehandelt. Die Autovermieterin könne daher die Hälfte des Schadens – ca. 12.000 Euro – bei ihm geltend machen.
Für das Gericht war es dabei unerheblich, dass der Pkw einen sog. Spurhalteassistenten hatte. Zumindest bei derart hohen Geschwindigkeiten reduziere dieser den Schuldvorwurf nicht.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 2.5.2019, 13 U 1296/17
| Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie beschäftigt immer noch die Gerichte. Aktuell hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden: Die Mitglieder einer Fahrgemeinschaft waren auch in der Corona-Hochphase für gegenseitige Ansteckungen nicht verantwortlich zu machen. Eine auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage eines Mitfahrers hat das LG deshalb abgewiesen. |
Im Frühjahr 2022 stieg der Mitfahrer ohne Maske zu seinem Kollegen ins Auto, um gemeinsam zur Arbeit zu fahren. Am Abend desselben Tages schrieb er in die WhatsApp-Gruppe der Fahrgemeinschaft, dass er positiv getestet sei und sich in Quarantäne befinde.
Fahrer behauptete Ansteckung und verlangte Schmerzensgeld
Der schon zuvor an Asthma erkrankte Fahrer behauptete im Prozess, er habe sich während der gemeinsamen Fahrt mit dem Coronavirus infiziert und sei nun dauerhaft arbeitsunfähig („Post-Covid-Syndrom“). Der Mitfahrer schulde ihm daher Schmerzensgeld in Höhe von nicht unter 20.000 Euro, weitere 4.000 Euro Schadenersatz und müsse darüber hinaus für zukünftig auftretende Schäden einstehen.
Landgericht: Reine Gefälligkeit – keine Haftung
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Im Rahmen der wechselseitigen Gefälligkeit einer Fahrgemeinschaft sei bereits unter den Gesichtspunkten eines stillschweigenden Haftungsverzichts und des Handelns auf eigene Gefahr eine gegenseitige Haftung ausgeschlossen. Es sei zudem aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie allgemein bekannt gewesen, dass enger persönlicher Kontakt die Hauptinfektionsquelle darstellte. Obwohl der unter Asthma leidende Fahrer bemerkt habe, dass sein Kollege beim Einsteigen keine Maske trug, habe er ihn nicht gebeten, eine solche aufzusetzen. Er habe sich daher erkennbar trotz seiner Vorerkrankung dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Dass er sich keine Gedanken über einen ungünstigen Verlauf einer Infektion mit möglichen Dauer- und Folgeschäden gemacht habe, rechtfertige keine andere Beurteilung.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 16.12.2024, 7 O 110/24, PM vom 31.1.2025
| Mit der Frage, ob ein 13-jähriges Kind für einen Glasschaden an einem Schaufenster verantwortlich ist, hat sich das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. |
Glasbruch nach Nutzung eines Spielgeräts
Das Kind hatte in der Fußgängerzone von Frankenthal ein festmontiertes Spielgerät in Gestalt einer Drehscheibe genutzt und war beim Absteigen gegen ein daneben befindliches Schaufenster getaumelt. Für den dadurch entstandenen Glasbruch muss das Kind nicht haften, entschied das LG und hat die Klage der Ladenbesitzer abgewiesen.
Der Junge gab an, dass er auf dem Schulweg an dem Spielgerät vorbeigekommen sei. Er habe sich auf das Karussell gestellt, das ein Freund gedreht habe, zunächst langsam, dann immer schneller. Nachdem der Freund die Drehung gestoppt habe, sei er rückwärts gegen die keine drei Meter entfernte Fensterscheibe getaumelt, die daraufhin zerbrochen sei.
Schaden schuldhaft verursacht?
Die Ladenbesitzer warfen dem Jungen vor, den Schaden schuldhaft verursacht zu haben. Er sei bereits zu alt gewesen für das Karussell, zudem habe er sich damit zu schnell gedreht. Die Sturzgefahr und der mögliche Glasbruch seien für ihn erkennbar gewesen.
Landgericht: kein Verschulden des Kindes!
Das LG ging zwar davon aus, dass sich der 13-Jährige der grundsätzlichen Stolpergefahr durchaus bewusst und auch hinreichend einsichtsfähig war. Beides ist erforderlich, damit Minderjährige in diesem Alter überhaupt selbstständig haften. Gleichwohl konnte das LG das für einen Schadenersatzanspruch erforderliche Verschulden des Kindes nicht feststellen. Denn der Junge habe die Drehscheibe bestimmungsgemäß genutzt. Es sei gerade Sinn und Zweck des Karussells, trotz der Drehbewegung die Balance zu halten und der Gefahr des Herunterfallens zu trotzen. Das Kind sei weder zu alt noch zu groß für das Spielgerät gewesen.
Das Gericht hat nicht verkannt, dass die Ladenbesitzer nun auf ihrem Glasschaden sitzen bleiben. Dies resultiert gemäß LG jedoch daraus, dass unsere Rechtsordnung – von einigen hier nicht vorliegenden Sonderfällen abgesehen – dem Prinzip der Verschuldenshaftung folgt.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 29.11.2024, 9 O 27/24, PM vom 19.12.2024
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Bürgergeldempfänger gelten nicht als hilfebedürftig, wenn sie ein (zu) großes Einfamilienhaus gebaut haben und dessen Wert zur Sicherung des Lebensunterhalts nutzen können. |
Familie hatte während Bürgergeldbezug größeres Haus gebaut
Dem Verfahren lag ein Eilantrag einer Familie aus dem Emsland zugrunde. Diese hatte ihr selbstbewohntes Hausgrundstück für 514.000 Euro verkauft, nachdem sie während des Bürgergeldbezugs ein neues Haus gebaut hatte. Aufgrund des erzielten Verkaufserlöses hob der Grundsicherungsträger die Leistungsbewilligung auf.
Demgegenüber vertrat die Familie die Auffassung, das neue Haus sei geschütztes Vermögen und dürfe nicht zur Deckung des Lebensunterhalts herangezogen werden. Zudem berief sie sich auf die gesetzliche Karenzzeit von 12 Monaten, während der auch großzügige Wohnverhältnisse voll finanziert werden müssten.
Landessozialgericht: Familie nicht bedürftig
Das LSG bestätigte die Auffassung der Behörde. Die Familie sei nicht bedürftig, da das neue Hausgrundstück mit 254 m² Wohnfläche und sieben Bewohnern kein geschütztes Vermögen darstelle. Eine Verwertung des Vermögens zur Sicherung des Lebensunterhalts sei durch Beleihung möglich. Bei einem Verkehrswert von 590.000 Euro und einer Grundschuld von 150.000 Euro stehe ein unbelasteter Wert von 440.000 Euro zur Verfügung.
Die Berufung auf die gesetzliche Karenzzeit lehnte das Gericht ebenfalls ab. Die Regelung diene dem Zweck, dass Leistungsempfänger nicht sofort ihr angespartes Vermögen, etwa für die Altersvorsorge, aufbrauchen müssen, wenn sie nur vorübergehend auf Bürgergeld angewiesen sind. Die Karenzzeit solle dabei helfen, plötzliche Härten abzufedern.
Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um eine unerwartete Notlage, sondern um langjährige Leistungsbezieher, die ihre Wohnsituation und ihr Immobilienvermögen optimieren wollten. So habe die Familie als Verkaufsgrund des alten Hauses angegeben, die Entfernung zur Innenstadt sei ihnen zu weit gewesen.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.1.2025, L 11 AS 372/24 B ER, PM vom 20.1.2025
| Der gezahlte Reisepreis kann um 30 Prozent gemindert werden, wenn das Gepäck des Pauschalreisenden beim Hinflug zu spät ausgeliefert wird und deshalb während einer Kreuzfahrt in die Arktis nicht zur Verfügung steht. So entschied es das Landgericht (LG) München II zugunsten der Reisenden. |
Es ging um eine Expeditionsreise
Der Kläger und seine Mutter hatten im Jahr 2023 bei der Beklagten eine elftägige Pauschalreise nach Norwegen mit anschließender Kreuzfahrt „Auf den Spuren der Eisbären“ gebucht. Während des Hinflugs kam es zu einer verspäteten Auslieferung aller Gepäckstücke der Reisenden. Der Kläger und seine Mutter meldeten ihr Gepäck als verloren und erstatteten unverzüglich Schadensanzeige. Vor der Abfahrt des Schiffs kauften sie in Outdoor-Läden in Norwegen das Notwendigste ein. An Bord gab es eine Boutique und einen Wäscheservice. Schuhe und Parka für die Expeditionen an Land wurden gestellt. Die Beklagte erstattete den Reisenden außergerichtlich 25 Prozent vom gezahlten Reisepreis und 1.500 Euro (von 2.306,07 Euro) für die Ersatzbeschaffungen. Vor Gericht machte der Kläger den Restbetrag für die Ersatzbeschaffungen, weitere 15 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und einen „Schadenersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreuden“ geltend.
Landgericht sprach Minderung zu
Das LG sprach dem Kläger eine Minderung in Gesamthöhe von 30 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und für die Ersatzbeschaffungen weitere 516,20 Euro zu; einen Anspruch auf Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wies das LG jedoch ab.
Das LG begründete seine Entscheidung damit, dass das Fehlen von Gepäck mit persönlichen Gegenständen des Reisenden einen Reisemangel darstellt. Weil der Veranstalter jedoch keine besondere Kleiderordnung bei den Mahlzeiten und die Ausrüstung für die Expeditionen zur Verfügung gestellt hatte und es einen Wäscheservice an Bord gab, erachtete das Gericht eine Minderung von 30 Prozent des gezahlten Reisepreises als ausreichend und angemessen.
Bei den Ersatzbeschaffungen (Verbrauchsartikel, Grund- und Funktionsbekleidung) hatte der Reiseveranstalter unter anderem einen Abschlag für Vermögensvorteile vorgenommen, weil die Reisenden die Sachen nach der Rückkehr weiterhin nutzen können. Das Gericht folgte dem Argument der Beklagten nicht, soweit es sich um „Funktionskleidung“ handelte, denn der Kläger und seine Mutter hatten das Gericht davon überzeugt, dass sie die eigens für eine Expedition in die Arktis gekaufte Funktionsbekleidung nicht mehr benötigten. Anders sah es das Gericht bei den Verbrauchsartikeln (Waschmittel, Zahnpasta, etc.) – die Reisenden erhielten ihre Koffer bei der Rückkehr von der Reise zurück und konnten die darin enthaltenen Verbrauchsartikel (weiter) nutzen.
Schadenersatzanspruch abgelehnt
Einen Schadenersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit lehnte das Gericht ab, weil der Kläger und seine Mutter aufgrund der Möglichkeit von Ersatzbeschaffungen in Longyearbyen und an Bord sowie wegen der ihnen zur Verfügung gestellten Ausrüstungsgegenstände (Schuhe, Parka) an der Kreuzfahrt und den Expeditionen an Land teilnehmen konnten, was Sinn undZweck der gebuchten Expeditionsreise war.
Quelle | Landgericht München II, Endurteil vom 10.1.2025, 14 O 2061/24, PM 1/25
| Ein Ehemann kann nach der Trennung von seiner Frau verlangen, die Nutzungsverhältnisse an einem gemeinsamen Haus neu zu ordnen. Das stellte das Oberlandesgericht (OLG) Celle fest. |
Ärzteehepaar trennte sich
Nachdem sich ein Ärzteehepaar getrennt hatte, wollte der Mann in ein gemeinsames Haus des Paares ziehen. Doch dort wohnte seine Schwiegermutter. In der ihr allein gehörenden Ehewohnung lebte die Frau mit den gemeinsamen Kindern. Der Mann schlief zunächst in seiner Praxis, dann bei Bekannten. Schließlich wohnte er zur Untermiete.
Den Eheleuten gehörte aber hälftig noch das von der Schwiegermutter bewohnte Einfamilienhaus mit Garten. Dieser wollte der Mann wegen Eigenbedarf kündigen. Dazu war die Mitwirkung seiner Ehefrau erforderlich. Das lehnte sie ab. Sie meinte, der Mann wolle sie nur zwingen, ihrer Mutter zu kündigen. Auch habe er noch ein weiteres Haus. Der Mann klagte.
Amtsgericht: Eigenbedarf nicht genügend dargelegt
Das Amtsgericht (AG) wies seine Klage ab. Der Mann habe den Eigenbedarf nicht hinreichend dargelegt. Da die Schwiegermutter eine nahe Angehörige sei, könne ihre Tochter selbst Eigenbedarf anmelden. So zog der Mann vor das OLG.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG gab dem Mann Recht. Ihm sei seit der Trennung ein Festhalten am Mietverhältnis nicht länger zuzumuten. Auch habe er seinen Eigenbedarf ausreichend dargelegt. Er hatte vorgetragen, dass sein jetziges Mietverhältnis nur befristet war. Ein ständiges Wohnen in der Praxis sei ihm nicht zuzumuten. Ein Umzug in das andere Haus sei ihm ebenfalls nicht zuzumuten, da dieses noch ein Rohbau sei und er auch kein Geld für einen Umzug habe. Nach all dem sah das OLG den geltend gemachten Eigenbedarf nicht als „offensichtlich aussichtslos“ an. Vor allem sei die Frau in der Lage, ihre Mutter in der Ehewohnung und einer nicht genutzten Einliegerwohnung aufzunehmen.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 19.2.2025, 21 UF 237/24
| Wer einen überschuldeten Nachlass erbt, kann innerhalb einer Frist von sechs Wochen das Erbe ausschlagen. Sonst gilt die Erbschaft als angenommen und er haftet für die dem Nachlass zuzuordnenden Schulden. War dem Erben nicht bekannt, dass der Nachlass überschuldet ist, kann noch die Anfechtung wegen Irrtums helfen. Mit den Voraussetzungen dafür hat sich jetzt das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. Es hat entschieden, dass der als Erbe eingesetzte Sohn eines Verstorbenen nicht für die Beerdigungskosten aufkommen muss, weil er die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten hat. |
Witwe verlangte Bestattungskosten von Sohn des Verstorbenen
Der Verstorbene hatte seinen Sohn aus erster Ehe testamentarisch zu seinem Erben bestimmt. Die beiden pflegten zuletzt keinen Kontakt mehr zueinander. Nach dem Tod übernahm zunächst die Witwe die Bestattungskosten von rund 7.500 Euro und wollte diese vom Sohn erstattet haben, da dieser die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte. Daraufhin erklärte der Sohn die Anfechtung der Erbschaftsannahme. Er habe nicht gewusst, dass die Bestattungskosten zu den Nachlassverbindlichkeiten gehörten und der Nachlass damit überschuldet sei.
Irrtum über die Beerdigungskosten
Dieser Argumentation hat sich das LG angeschlossen. Der Sohn habe die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten und müsse daher nicht für die Beerdigungskosten aufkommen. Die Anfechtung wegen unerkannter Überschuldung eines Nachlasses sei ein in der Rechtsprechung anerkannter Anfechtungsgrund. Sie setze voraus, dass der Anfechtende eine wesentliche Forderung gegen den Nachlass irrtümlich übersieht. Hier seien die Bestattungskosten eine wesentliche Forderung, da der Nachlass überschuldet sei, wenn man sie berücksichtige. Es sei auch glaubhaft, dass sich der Sohn über die Beerdigungskosten geirrt habe. Denn die Witwe habe ihm noch zu Lebzeiten des Vaters mitgeteilt, für die Beerdigung könne der Erlös aus dem Verkauf eines Pkw verwendet werden. Daher durfte der Sohn davon ausgehen, als Erbe seines Vaters nicht für die Bestattung aufkommen zu müssen, so die Kammer. Wenn kein Erbe in Anspruch genommen werden kann, muss die Witwe als Ehefrau nach den Vorschriften des Landesrechts selbst für die Beerdigungskosten aufkommen, so das LG.
Quelle | Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 27.2.2025, 8 O 189/24, PM vom 31.3.2025
| Die Kosten eines Vaterschaftsanerkennungsverfahrens können zwischen dem im Verfahren ermittelten biologischen Vater und der Mutter hälftig geteilt werden. Weder der Umstand, dass der Vater nicht bereits auf Basis eines Privatgutachtens zur Anerkennung der Vaterschaft bereit war, noch, dass er nach Angaben der Mutter der einzige Verkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit war, rechtfertigen eine alleinige Kostenlast des Vaters. So entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |
Streit um Kosten
Die Beteiligten streiten über die Kosten eines Abstammungsverfahrens. Die Mutter des Kindes hatte angegeben, mit dem sog. Putativvater (also dem, der als möglicher Vater in Betracht kommt) in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehrs gehabt zu haben. Ein außergerichtlicher Vaterschaftstest hatte diesen als Vater festgestellt. Das Kind begehrte daraufhin, die Vaterschaft des Putativvaters gerichtlich festzustellen. Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens stellte das Amtsgericht (AG) die biologische Vaterschaft des Putativvaters fest und legte die Verfahrenskosten hälftig der Mutter und dem nun festgestellten Vater auf.
So sah es das Oberlandesgericht
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Mutter gegen die Auferlegung der Hälfte der Kosten. Dies hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das AG habe im Ergebnis zutreffend die Kosten nach billigem Ermessen zwischen der Kindesmutter und dem Kindesvater hälftig geteilt, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Bei einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren handele es sich nicht um ein echtes Streitverfahren. Neben dem Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens könnten deshalb weitere Umstände von Bedeutung sein. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten sei allerdings regelmäßig unbillig, da es selbst nicht zur Unsicherheit an der Vaterschaft beigetragen habe.
Hier sei es nicht angemessen, dem Vater die alleinigen Kosten aufzuerlegen. Er habe insbesondere nicht „grob schuldhaft“ das Verfahren veranlasst. Ihm sei es vielmehr nicht zumutbar gewesen, die Vaterschaft bereits außergerichtlich ohne gutachterliche Klärung der biologischen Abstammung durch Sachverständigengutachten anzuerkennen. Allein die Angabe der Mutter, sie habe in der Empfängniszeit nur mit dem Vater verkehrt, genüge zur Begründung eines groben Verschuldens nicht. Vielmehr habe der Vater berechtigte Zweifel ans einer Vaterschaft haben dürfen. Unwidersprochen habe er mit der Kindesmutter in der Empfängniszeit keine Beziehung geführt und auch nicht mit ihr zusammengelebt. Damit hätten ihm konkrete Einblicke in die Lebensverhältnisse der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit gefehlt. Für ihn habe damit auch keine Möglichkeit bestanden, abzuschätzen oder zu beurteilen, ob die Mutter des Kindes zu weiteren Männern eine intime Beziehung unterhalten habe.
Außergerichtlicher Vaterschaftstest schließt gerichtliche Überprüfung nicht aus
Auf den bereits außergerichtlich durchgeführten Vaterschaftstest habe er sich nicht verlassen müssen. Er könne vielmehr geltend machen, dass er angesichts der hohen rechtlichen Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Abstammungsgutachtens eine gerichtliche Überprüfung wünsche. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass „beide Eltern das Verfahren über eine Entscheidung über die Abstammung dadurch gleichermaßen veranlasst haben, dass sie innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben. Damit erscheint es in der Regel auch gerechtfertigt, die Kosten eines solchen Verfahrens gleichmäßig auf beide Eltern zu verteilen“, unterstrich das OLG.
Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 13.1.2025, 6 WF 155/24, PM 4/25
| Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung ist so zu verstehen, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, sofern diese nicht bereits von Dritten erbracht und dem Architekten zur Verfügung gestellt wurden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden. |
Ein Architekt war mündlich damit beauftragt worden, die Baugenehmigung für die Erweiterung eines Gasthofs einzuholen. Damit war klar, dass er die Leistungsphase 4 im Leistungsbild Gebäude und Innenräume sowie Tragwerksplanung erbringen musste. Da er vom Auftraggeber nur Bestandszeichnungen erhalten hatte, die nicht an eine Vor- oder Entwurfsplanung heranreichten, verlangte er auch das Honorar für diese notwendigen Leistungen. Der Auftraggeber weigerte sich. Er meinte, er habe nur die Genehmigungsplanung beauftragt.
Das OLG gab dem Architekten Recht und sprach ihm das Honorar für die Leistungsphasen 1 bis 4 zu. Es komme nicht auf die Regelungen der HOAI, sondern auf den Inhalt des konkreten Auftrags an. Nicht entscheidend sei, ob die Parteien einen schriftlichen oder mündlichen Vertrag geschlossen, sondern was sie tatsächlich vereinbart haben. Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung müsse dann so verstanden werden, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, da diese notwendige Voraussetzung für die Erstellung der Genehmigungsplanung ist. Etwas anderes gelte nur, wenn die vorangehenden Planungsleistungen bereits von Dritten erbracht wurden und dem Architekten zur Verfügung gestellt werden.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2022, 4 U 142/20
| Beauftragt ein Bauträger einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt vom Architekten nur die Überprüfung einzelner Maße, übernimmt der Bauträger das mit der begrenzten Überprüfung verbundene Risiko selbst. Er kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin als Bauträgerin machte gegen den beklagten Architekten im Wege einer Schadenersatzklage i. H. v. 100.000 Euro wegen mangelhafter Architektenleistungen bei der Planung einer Wohnungseigentumsanlage geltend. Die Klägerin ist der Auffassung, die die Pläne des Vermessungsingenieurs überarbeitende Wohnflächenberechnung des Beklagten für bestimmte Bestandsgebäude habe eine zu geringe Wohnfläche ausgewiesen. Der Beklagte habe zugesichert, dass die Abweichungen der Wohnflächen von den Bestandsplänen des Vermessers unter einem Prozent lägen, tatsächlich gebe es Abweichungen bis zu 8%. Zahlreiche Wohnungen seien daher mit zu geringer Flächenangabe verkauft worden und deshalb sei ein Mindererlös entstanden.
Der Beklagte bestreitet eine fehlerhafte Flächenermittlung, die sich ohnehin nur auf die örtliche Überprüfung der Maße aus den Bestandsplänen des Vermessers hinsichtlich der für die Werkplanung entscheidenden Stellen bezogen habe. Ein Auftrag zu einer kompletten Neuvermessung des Bestands sei gerade nicht erteilt worden.
Zudem meint die Klägerin, der Beklagte habe bei der Grundlagenermittlung übersehen, dass die Geschossdecken in einem Bestandsgebäude Betonhohlkörperdecken waren, die einen unerwartet hohen Sanierungsaufwand erforderten, und es versäumt, vor Baubeginn die Fundamente an der Seite zu einem anderen Grundstück zu überprüfen. Infolge dieser Planungsfehler hätten sich die Baukosten für das Bestandsgebäude deutlich erhöht. Die Umbaukosten beliefen sich somit auf mindestens 950.000 Euro. Ein vollständiger Abriss und Neubau hätte dagegen (nur) 752.499 Euro gekostet und wäre im Vergleich zu den tatsächlich entstandenen Kosten günstiger gewesen. Bei erzielbaren Verkaufserlösen abzüglich der Kosten für Abriss/Neubau hätte sich bei einem Neubau ein hoher sechsstelliger Überschuss ergeben. Der tatsächliche Überschuss durch den Umbau habe lediglich 107.000 Euro betragen.
Der Beklagte trägt hierzu vor, ihm sei vom Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt worden, dass es sich bei sämtlichen Bestandsdecken um Stahlbetonrippendecken handele. Eine Pflicht zur Überprüfung dieser Tatsache habe es nicht gegeben. Zudem habe sich die Klägerin in Kenntnis der Mehrkosten für eine Sanierung und gegen einen Abriss entschieden. Hinsichtlich des Fundaments sei die Klägerin bereits vor Beauftragung des Beklagten in Kenntnis gesetzt worden, dass dessen Tragfähigkeit ein Risiko darstelle. Sie habe dennoch entschieden, das Fundament erst im Zuge der Aushubarbeiten zu untersuchen, um Kosten einzusparen.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG stellte klar: Wie bei einem Bauvertrag kann auch zwischen einem Architekten und seinem Auftraggeber eine von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichende Ausführung vereinbart werden, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen.
Beauftragt eine Bauträgerin einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt sie vom Architekten, einzelne Maße zu überprüfen, übernimmt die Bauträgerin sehenden Auges das mit der begrenzten Überprüfung der Maße verbundene Risiko und kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Weist der Architekt seinen Auftraggeber darauf hin, dass die zu planende Wohnung ohne Sonnenschutz nicht funktioniert, muss der Auftraggeber erkennen, dass bei Umsetzung der Planung eine im Hinblick auf den Wärmeschutz nicht ausreichend funktionstüchtige Wohnung errichtet wird, und es bedarf keines weiteren Hinweises, dass dann (auch) die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten sind.
Macht der Auftraggeber eines Architekten geltend, dass er im Fall einer mangelfreien Beratung von der Sanierung eines Gebäudes abgesehen und einen profitableren Neubau errichtet hätte, schafft der Auftraggeber für eine Schadensschätzung bzw. Begutachtung nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn er nachvollziehbar darlegt, welches Gebäude mit welchen Eigenschaften er statt der Sanierung errichtet hätte.
Macht ein Auftraggeber geltend, bei einem mangelfreien Architektenwerk hätte er die zu errichtenden Wohnungen teurer verkaufen können, ist ein Schaden nur schlüssig dargelegt, wenn die Kalkulationsgrundlagen für den erzielten und den geltend gemachten Kaufpreis offengelegt werden und nachvollziehbar vorgetragen wird, dass ein höherer Kaufpreis am Markt hätte durchgesetzt werden können.
Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 17.12.2024, 10 U 38/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Aachen hat die Klage eines Realschullehrers auf Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Festsetzung von Erfahrungsstufen und mithin auf eine höhere Besoldung abgewiesen. |
Eine Tätigkeit als Anbieter von Cocktailkursen ist für die Tätigkeit als verbeamteter Lehrer nicht förderlich im besoldungsrechtlichen Sinne. Eine Tätigkeit ist allgemein förderlich, wenn sie für die Dienstausübung des Beamten nützlich bzw. von konkretem Interesse ist, d. h. wenn diese entweder erst aufgrund der früher gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht oder wenn sie jedenfalls erleichtert und verbessert wird.
Ausgehend hiervon kann die Tätigkeit als Betreiber einer Gesellschaft, die Cocktailkurse und Barcatering anbietet – auch wenn diese Tätigkeit über mehrere Jahre ausgeübt wurde – nicht als förderlich angesehen werden. Das Halten von Cocktailkursen ist weder qualitativ noch quantitativ mit der Tätigkeit eines Realschullehrers vergleichbar. So hat der Kläger im Rahmen seiner Cocktailschule insbesondere nicht mit Minderjährigen gearbeitet, sondern deren Angebot zielte auf die Schulung von Mitarbeitern aus dem Hotel-, Restaurant- und Cateringgewerbe. Auch sind die Anforderungen an die Erstellung eines Cocktailkurses nicht mit der Erstellung eines differenzierten Lehrplans für Schulunterricht in den Schulklassen 5 bis 10 vergleichbar.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 20.1.2025, 1 K 2377/23, PM vom 3.2.2025
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Ein Beschäftigungsverhältnis wird erst ab dem Beginn der Entgeltfortzahlung und nicht schon mit Abschluss des Arbeitsvertrags begründet. |
Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankgemeldet
Geklagt hatte ein 36-jähriger Arbeitsloser, dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld Ende Oktober 2023 auslief. Anfang Oktober unterschrieb der Mann einen Arbeitsvertrag als Lagerist bei einem Reinigungsunternehmen zu einem Monatslohn von 3.000 Euro brutto. Er trat die Arbeit jedoch nie an, da er sich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankmeldete. Zwei Wochen später kündigte die Firma innerhalb der Probezeit.
Krankenkasse zahlte kein Krankengeld
Die Krankenkasse des Mannes lehnte daraufhin die Zahlung von Krankengeld ab. Begründung: Es habe kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, da der Mann kein Einkommen erzielt habe.
Der Mann verklagte das Unternehmen und verlangte die Anmeldung zur Sozialversicherung ab dem Beginn des Arbeitsvertrags. Er vertrat dazu die Auffassung, dass bereits durch einen rechtsgültigen Vertrag, der eine Entgeltzahlung vorsehe, ein Beschäftigungsverhältnis zustande komme. Dies müsse auch gelten, wenn ihm der Arbeitsantritt krankheitsbedingt nicht möglich sei. Andernfalls würde er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit leer ausgehen.
Landessozialgericht gab Krankenkasse Recht
Das LSG vermochte sich der Rechtsauffassung des Klägers nicht anzuschließen. Der Arbeitgeber müsse ihn nicht zur Sozialversicherung anmelden, da ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht schon mit dem Beginn des Arbeitsvertrags entstanden sei. Erforderlich sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe. Dieser Anspruch entstehe jedoch bei neuen Arbeitsverhältnissen generell erst nach einer vierwöchigen Wartezeit.
Wartezeit war ohnehin nicht erfüllt
Diese gesetzliche Regelung solle verhindern, dass Arbeitgeber die Kosten der Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer tragen müssen, die direkt nach der Einstellung erkrankten. Der Gesetzgeber habe eine solche Konsequenz als unbillig angesehen.
Unabhängig davon müsse der Mann sich erst an seine Krankenkasse wenden, bevor er seinen Arbeitgeber verklage.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.1.2025, L16 KR 61/24
| Berufsgeheimnisträger können in ihrem Fahrtenbuch Schwärzungen vornehmen, soweit diese Schwärzungen erforderlich sind, um die Identitäten von Mandanten zu schützen. Diese Berechtigung ändert aber nichts an der grundsätzlichen Beweislastverteilung. Gegebenenfalls muss der Berufsträger substanziiert und nachvollziehbar darlegen, weshalb Schwärzungen in dem Umfang erforderlich waren und die berufliche Veranlassung der Fahrten durch ergänzende Angaben darlegen. So lautet eine Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Hamburg, gegen die die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig ist. |
Der Rechtsanwalt hatte die Eintragungen in der Spalte „Grund der Fahrt/besuchte Personen“– mit drei Ausnahmen – bei allen beruflichen Fahrten geschwärzt. Das war dem FG zu viel. Die Richter fanden es ungewöhnlich, dass ein Anwalt bei nahezu jeder geschäftlichen Fahrt geheimhaltungsbedürftige Daten in sein Fahrtenbuch einträgt. In der vorgelegten Form wurde das Fahrtenbuch deshalb nicht anerkannt.
Quelle | FG Hamburg, Urteil vom 13.11.2024, 3 K 111/21, Rev. BFH, VIII R 35/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Der sonntägliche Verkauf von Dekorationsartikeln und Christbaumschmuck in einem Gartenmarkt verstößt nicht gegen das Ladenöffnungsgesetz Nordrhein-Westfalen. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte betreibt Gartenmärkte in Nordrhein-Westfalen und verkaufte dort an einem Sonntag im November des Jahres 2022 neben Blumen und Pflanzen auch Dekorationsartikel und Christbaumschmuck. Die Klägerin hält dies für unlauter und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
So sahen es die Vorinstanzen
Das Landgericht (LG) hat die Klage mit Blick auf das von der Klägerin begehrte Verbot des Verkaufs von künstlichen Tannenzweigen, Motivanhängern, Zimtstangen und Glaskugeln abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsantrag weiter.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der sonntägliche Verkauf der in Rede stehenden Waren stellt keinen Wettbewerbsverstoß dar, weil sie dem Randsortiment zuzurechnen sind. Ihr Verkauf ist deshalb nach dem Ladenöffnungsgesetz Nordrhein-Westfalen (LÖG NW) an Sonn- und Feiertagen zulässig. Als kleinteilige Accessoires zu den von der Beklagten hauptsächlich angebotenen Blumen und Pflanzen haben Dekorationsartikel und Christbaumschmuck lediglich ergänzenden, in Umfang und Gewichtigkeit deutlich untergeordneten Charakter.
Die Zugehörigkeit von Waren zum Randsortiment richtet sich nach ihrer hauptsächlichen Zweckbestimmung und nicht nach ihrer darüber hinaus möglichen Nutzung. Zudem muss das Randsortiment – anders als das Kernsortiment – nicht zum sofortigen Ge- oder Verbrauch bestimmt sein. Auch ist nicht erforderlich, dass Waren des Randsortiments gleichzeitig oder kombiniert mit Waren des Kernsortiments erworben werden. Es stellt keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß dem Grundgesetz (hier: Art. 3 Abs. 1 GG) dar, dass das Randsortiment nur in den aufgrund ihres Kernsortiments privilegierten Verkaufsstellen sonn- und feiertags verkauft werden darf, in sonstigen Verkaufsstellen aber nicht. Die Differenzierung danach, ob das Kernsortiment den typischerweise an Sonn- und Feiertagen anfallenden Bedarf befriedigt, ist sachlich gerechtfertigt.
Quelle | BGH, Urteil vom 5.12.2024, I ZR 38/24, PM Nr. 230/24
| Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde die nationale Kleinunternehmerregelung mit Wirkung ab dem Jahr 2025 reformiert. Zudem kann die Kleinunternehmerregelung nun auch erstmalig im EU-Ausland in Anspruch genommen werden. Infolge der gesetzlichen Neuregelungen hat das Bundesfinanzministerium (BMF) ein Anwendungsschreiben veröffentlicht und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass entsprechend angepasst und ergänzt. |
„Echte“ Befreiung
Durch die Neuregelung sind von inländischen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze von der Umsatzsteuer nun befreit (zuvor wurde die Umsatzsteuer „nicht erhoben“). Die Folge ist, dass ein dennoch in einer Rechnung ausgewiesener Steuerbetrag unter den Voraussetzungen des Umsatzsteuergesetzes (hier § 14 c Abs. 1 UStG: „unrichtiger Steuerausweis“) geschuldet wird.
Rechnungen an Endverbraucher ausgenommen
Allerdings entsteht keine Umsatzsteuer, wenn der Kleinunternehmer eine Leistung (Lieferung oder sonstige Leistung) ausführt und hierüber eine Rechnung mit einem unrichtigen Steuerausweis an einen Endverbraucher stellt.
Bindend: Fünfjahresfrist
Zudem führt das BMF Folgendes aus: Ein vor 2025 erklärter Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung bindet den Unternehmer auch für die Zeit nach dem 1.1.2025 weiterhin für insgesamt mindestens fünf Kalenderjahre (§ 19 Abs. 3 S. 3 UStG).
Beachten Sie | Die Fünfjahresfrist ist vom Beginn des ersten Kalenderjahres an zu berechnen, für das die abgegebene Erklärung gilt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 18.3.2025, III C 3 - S 7360/00027/044/105
| Ein als Zahnarzt zugelassener Mitunternehmer übt im Rahmen eines Zusammenschlusses von Berufsträgern den freien Beruf selbst aus, wenn er neben einer ggf. äußerst geringfügigen behandelnden Tätigkeit vor allem und weit überwiegend organisatorische und administrative Leistungen für den Praxisbetrieb der Mitunternehmerschaft erbringt. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Ärzte und Zahnärzte erzielen aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 18 EStG). Dies gilt grundsätzlich auch bei einer Gemeinschaftspraxis.
Allerdings kann es Konstellationen geben, in denen die Einkünfte der Gesellschaft als gewerbliche Einkünfte (nach § 15 EStG) einzustufen sind – mit der Konsequenz der Gewerbesteuerpflicht. Und darum ging es in folgendem Fall:
Das war geschehen
Eine Partnerschaftsgesellschaft betreibt eine Zahnarztpraxis. Einem ihrer Seniorpartner oblag die kaufmännische Führung und die Organisation der ärztlichen Tätigkeit des Praxisbetriebs (z. B. Vertretung gegenüber Behörden und Kammern, Personalangelegenheiten, Instandhaltung der zahnärztlichen Gerätschaften).
Zahnarzt hatte im Jahr fünf Patienten
Der Seniorpartner war weder „am Stuhl“ behandelnd tätig noch in die praktische zahnärztliche Arbeit der Mitsozien und der angestellten Zahnärzte eingebunden. Er beriet im Streitjahr fünf Patienten konsiliarisch und generierte hieraus einen geringfügigen Umsatz.
Das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz stuften die Einkünfte der gesamten Gesellschaft als gewerblich ein. Dem folgte der BFH allerdings nicht: Alle Mitunternehmer erzielen Einkünfte aus freiberuflicher und damit selbstständiger Arbeit.
Die freiberufliche Tätigkeit ist durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Berufsträgers geprägt. Daher reicht die bloße Zugehörigkeit eines Gesellschafters zu einem freiberuflichen Katalogberuf nicht aus. Vielmehr muss positiv festgestellt werden können, dass jeder Gesellschafter die Hauptmerkmale des freien Berufs in seiner Person tatsächlich verwirklicht hat, also
- die persönliche Berufsqualifikation sowie
- das untrennbar damit verbundene aktive Entfalten dieser Qualifikation am Markt.
Die persönliche Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit im vorgenannten Sinne setzt allerdings nicht voraus, dass jeder Gesellschafter in allen Unternehmensbereichen leitend und eigenverantwortlich tätig ist und an jedem Auftrag mitarbeitet. Die eigene freiberufliche Betätigung eines Mitunternehmers kann auch in Form der Mit- und Zusammenarbeit stattfinden.
Beachten Sie | Einen Mindestumfang für die nach außen gerichtete qualifizierte Tätigkeit sieht das Gesetz nicht vor.
Eine freiberufliche zahnärztliche Tätigkeit ist demzufolge vorliegend anzunehmen. Auch in diesem Fall entfaltet der Berufsträger Tätigkeiten, die zum Berufsbild des Zahnarztes gehören.
Bundesfinanzhof: Führung und Organisation ist Grundlage für freiberufliche Tätigkeit
Beachten Sie | In diesem Zusammenhang stellte der BFH Folgendes heraus: Die kaufmännische Führung und Organisation der Personengesellschaft ist die Grundlage für die Ausübung der am Markt erbrachten berufstypischen zahnärztlichen Leistungen. Sie ist demzufolge auch Ausdruck seiner freiberuflichen Mit- und Zusammenarbeit sowie seiner persönlichen Teilnahme an der praktischen Arbeit.
Quelle | BFH, Urteil vom 4.2.2025, VIII R 4/22, PM 19/25 vom 27.3.2025
| Ein vermietetes Wohngebäude abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen, wird nicht durch die sogenannte Wohnraumoffensive steuerlich gefördert. Eine Sonderabschreibung gemäß Einkommensteuergesetz (hier: § 7 b Abs.1 EStG) ist nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) Köln nicht möglich. Allerdings haben die Steuerpflichtigen Revision eingelegt. |
Hintergrund: Für die Anschaffung oder Herstellung neuer Wohnungen können im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden drei Jahren Sonderabschreibungen bis zu jährlich 5 % der Bemessungsgrundlage neben der regulären Abschreibung in Anspruch genommen werden. Einige Voraussetzungen für die Sonderabschreibung im Überblick:
Baukostenobergrenze
- Bauantrag/-anzeige nach 31.8.2018 und vor 1.1.2022:
Anschaffungs-/Herstellungskosten max. 3.000 Euro pro qm Wohnfläche
- Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029:
Anschaffungs-/Herstellungkosten max. 5.200 Euro pro qm Wohnfläche
Maximal förderfähig Bemessungsgrundlage
- Bauantrag/-anzeige nach 31.8.2018 und vor 1.1.2022:
2.000 Euro pro qm Wohnfläche
- Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029:
4.000 Euro pro qm Wohnfläche
Energieeffizienz
Bei Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029: Effizienzvorgaben („Effizienzhaus 40“) beachten.
Das war geschehen
Die Steuerpflichtigen waren Eigentümer eines vermieteten Einfamilienhauses und entschieden sich gegen die aus ihrer Sicht unwirtschaftliche Sanierung des Gebäudes auf einen zukunftsfähigen Standard. Stattdessen ließen sie das alte Gebäude abreißen und errichteten auf demselben Grundstück ein neues Einfamilienhaus. Den Ende 2020 fertiggestellten Neubau wollten sie wieder als Wohnraum vermieten. Das Finanzamt versagte die Förderung für Mietwohnungsneubau (Sonderabschreibung) gemäß der Wohnraumoffensive von Bund, Ländern und Gemeinden aus dem Jahr 2019. Hiergegen zogen die Steuerpflichtigen vor das FG Köln – ohne Erfolg.
Das FG hob hervor, dass die Steuerpflichtigen keinen zusätzlichen Wohnraum geschaffen haben. Die Wohnraumoffensive zielt darauf ab, dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum durch die Förderung von Neu- und Umbaumaßnahmen entgegenzuwirken. Voraussetzung für die Förderung ist deshalb, dass nach einer solchen Maßnahme insgesamt mehr Wohnraum zur Verfügung steht als zuvor. Der von den Steuerpflichtigen angeführte bessere Ausbau- und Energiestandard änderte nichts an dieser Beurteilung.
„Wohnraumoffensive“ galt noch nicht
Unerheblich war auch, dass der Gesetzgeber für spätere Zeiträume eine zusätzliche Förderung für energetische Neubauten geschaffen hat. Denn diese Förderung war im Streitjahr 2020 noch nicht anwendbar. Das Vorgehen der Steuerpflichtigen war eher mit einer Sanierung vergleichbar, die nicht vom Förderzweck der Wohnraumoffensive umfasst ist.
Quelle | FG Köln, Urteil vom 12.9.2024, 1 K 2206/21, Rev. BFH, IX R 24/24
| Zahlungen für den vorzeitigen Rückfall eines Erbbaurechts (sogenannter Heimfall) stellen steuerpflichtige Einkünfte dar, wenn sie als Ersatz für entgehende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gewährt werden und damit Entschädigungen i. S. des Einkommensteuergesetzes (hier: § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) darstellen. Das Finanzgericht (FG) Hessen bestätigte damit die Ansicht der Finanzverwaltung, wonach solche Entschädigungszahlungen nicht als sonstige Einkünfte, sondern als Einkünfte aus der Nutzung von unbeweglichem Vermögen zu qualifizieren sind. |
Beachten Sie | Die Klägerseite hatte den Vorgang demgegenüber als Rückkauf des Erbbaurechts und die „Entschädigung“ als Entgelt für die Substanzübertragung eingestuft. Wegen des Ablaufs der 10-Jahresfrist (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG) komme eine Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft nicht mehr in Betracht.
Das FG sah das anders. Dass eine Drucksituation des Steuerpflichtigen bei Vertragsschluss nicht erkennbar war, änderte daran nichts. Da die Revision anhängig ist, wird nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden müssen.
Quelle | FG Hessen, Urteil vom 22.2.2024, 10 K 436/22, Rev. BFH, IX R 9/24
| Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit den Bundesländern Vorgaben zu den ertragsteuerrechtlichen Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten bei Kryptowerten (z. B. Bitcoin) erarbeitet. Die neuen Vorgaben ersetzen das bisherige Schreiben aus dem Jahr 2022. Zu diesem Anlass wurde die bisherige Formulierung „virtuelle Währungen und sonstige Token“ durch die Bezeichnung „Kryptowerte“ ersetzt. |
Beachten Sie | Tätigkeiten im Zusammenhang mit Kryptowerten können zu Einkünften aus allen Einkunftsarten (z. B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen) führen.
Nach Rz. 53 des Schreibens ist Folgendes zu beachten: Gewinne aus dem Verkauf von im Privatvermögen gehaltenen Kryptowerten können Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften darstellen, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Gewinne bleiben indes steuerfrei, wenn die Summe der aus allen privaten Veräußerungsgeschäften im Kalenderjahr erzielten Gewinne weniger als 1.000 Euro beträgt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 6.3.2025, IV C 1 - S 2256/00042/064/043
| Zur Ermittlung der tatsächlichen Kosten für sonstige berufliche Fahrten nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 a S. 1 EStG) ist eine Leasingsonderzahlung den einzelnen Veranlagungszeiträumen während der Laufzeit des Leasingvertrags zuzuordnen. Mit dieser Entscheidung hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine bisherige Rechtsprechung geändert. Denn bis dato war die Leasingsonderzahlung grundsätzlich im Zeitpunkt der Zahlung zu berücksichtigen. Und auch andere (Voraus-)Zahlungen, die sich wirtschaftlich auf die Dauer des Leasingvertrags erstrecken, sind periodengerecht auf die einzelnen Veranlagungszeiträume während der Laufzeit des Leasingvertrags zu verteilen. |
Hintergrund: Arbeitnehmer können die Kosten für beruflich veranlasste Fahrten, die keine Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie keine Familienheimfahrten sind, bei Nutzung eines eigenen Pkw als Werbungskosten ansetzen. Dabei besteht ein Wahlrecht: Ansatz der Fahrtkosten mit einer Pauschale von 0,30 Euro/km oder Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen.
Sollen die tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden, muss ein individueller Kilometersatz ermittelt werden, wobei die gesamten Fahrzeugkosten zu berücksichtigen sind.
Beachten Sie | Zu den Gesamtkosten gehören die Kosten, die unmittelbar dem Halten und dem Betrieb des Kfz dienen und im Zusammenhang mit dessen Nutzung typischerweise entstehen. Dazu rechnen vor allem die Kosten für Betriebsstoffe, Wartung und Reparaturen sowie die regelmäßig wiederkehrenden festen Kosten, etwa für die Haftpflichtversicherung, die Kfz-Steuer, Absetzung für Abnutzung (AfA) oder Leasing- und Leasingsonderzahlungen.
Das war geschehen
Ein Arbeitnehmer nutzte für seine beruflichen Fahrten einen ab dem 20.12.2018 für drei Jahre geleasten Pkw. Für seine vom 20.12. bis 31.12.2018 durchgeführten beruflichen Fahrten setzte er 0,93 Euro/km als Werbungskosten an. Bei der Ermittlung des Kilometersatzes legte er u. a. die Leasingsonderzahlung für den Leistungszeitraum (20.12.2018 bis 19.12.2021) von 15.000 Euro, die Kosten für Zubehör, Zusatzleistungen und Reifen sowie die für zwölf Monate zu zahlenden Leasingraten, Versicherungsprämien und ADAC-Beiträge zugrunde.
Bisher gehörte eine bei Leasingbeginn zu erbringende Sonderzahlung in Höhe des auf die Auswärtstätigkeiten entfallenden Nutzungsanteils zu den sofort abziehbaren Werbungskosten. Etwas anderes galt nur, wenn es sich bei der Leasingsonderzahlung um Anschaffungskosten für den Eigentumserwerb bzw. um Anschaffungskosten eines Nutzungsrechts handelte, die nur in Form von AfA berücksichtigt werden können.
Bundesfinanzhof ändert seine bisherige Rechtsprechung
An dieser Rechtsprechung hält der BFH nicht mehr fest. Bei Leasingsonderzahlungen handelt es sich um ein vorausgezahltes Nutzungsentgelt, das dem Zweck dient, die Leasingraten während der Gesamtlaufzeit des Leasingvertrags zu mindern. Die Sonderzahlung finanziert damit auch die Nutzung des Fahrzeugs in den Folgejahren, weshalb die Leasingsonderzahlung linear auf den Vertragszeitraum zu verteilen ist, sofern die Sonderzahlung nach den Vertragsbedingungen die Höhe der monatlichen Leasingraten mindert.
Diese Grundsätze gelten auch für andere (Voraus-)Zahlungen, die sich wirtschaftlich auf die Dauer des Leasingvertrags erstrecken. Beispielhaft führt der BFH die Kosten „für einen weiteren Satz Reifen“ an, die in Höhe der AfA in die jährlichen Gesamtaufwendungen einzubeziehen sind.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 9/22
| Die Fahrerlaubnis-Verordnung bietet keine rechtliche Grundlage für eine behördliche Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen (u. a. Fahrräder, Mofas, E-Scooter). Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden. Damit sind zwei Antragsteller aus Duisburg und Schwerte vorläufig wieder berechtigt, mit solchen Fahrzeugen am Straßenverkehr teilzunehmen. |
Unter Amphetaminen auf dem E-Scooter bzw. betrunken auf dem Rad
Ein Antragsteller fuhr unter dem Einfluss von Amphetamin einen E-Scooter. Der andere Antragsteller wies bei einer Fahrt mit dem Fahrrad eine Blutalkoholkonzentration von über 2 ‰ auf. Beide besitzen keine Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (z. B. Pkw). In beiden Fällen untersagten die Fahrerlaubnisbehörden ihnen das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen. Die hiergegen gerichteten Eilanträge lehnten die Verwaltungsgerichte (VG) Düsseldorf und Gelsenkirchen ab. Die Beschwerden der Antragsteller hatten beim OVG Erfolg.
Einschlägige Normen nicht verhältnismäßig
Zur Begründung hat das OVG ausgeführt: Die streitigen Anordnungen können nicht auf die Vorschrift der Fahrerlaubnis-Verordnung gestützt werden, wonach die Fahrerlaubnisbehörde jemandem das Führen von Fahrzeugen zu untersagen hat, der sich als hierfür ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet erweist. Denn diese Norm ist nicht hinreichend bestimmt und verhältnismäßig.
Ein solches Verbot schränkt die grundrechtlich geschützte Fortbewegungsmöglichkeit der Betroffenen deutlich ein. Außerdem sind fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im Vergleich zu Kraftfahrzeugen in der Regel weniger gefährlich. Die Vorschrift berücksichtigt diese Aspekte nicht und regelt insbesondere nicht hinreichend klar, in welchen Fällen jemand ungeeignet oder bedingt geeignet zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist und wann Eignungszweifel bestehen.
Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts sind unanfechtbar.
Quelle | OVG Münster, Beschluss vom 5.12.2024, 16 B 175/23, PM vom 6.12.2024
| In einem aktuellen Streitfall hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass der Steuerpflichtige die Aufwendungen für seine Fahrten zwischen der Wohnung und der Fernuniversität in Hagen nach Reisekostengrundsätzen als Werbungskosten geltend machen kann. |
Hintergrund: Beruflich veranlasste Aufwendungen, die im Rahmen einer Zweitausbildung (Berufsausbildung oder Studium) anfallen, sind grundsätzlich als (vorab entstandene) Werbungskosten abziehbar. Hierzu zählen auch die Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte. Diese sind jedoch bei vollzeitigen Bildungsmaßnahmen bzw. bei Vollzeitstudien auf den Ansatz der Entfernungspauschale begrenzt.
Ein Vollzeitstudium liegt vor, wenn das Studium darauf ausgelegt ist, dass sich die Studierenden diesem (vergleichbar einem vollbeschäftigten Arbeitnehmer) zeitlich vollumfänglich widmen müssen. Davon ist auszugehen, wenn das Studium nach den Ausbildungsbestimmungen oder der allgemeinen Erfahrung insgesamt etwa 40 Wochenstunden (Unterricht, Praktika sowie Vor- und Nachbereitung zusammengenommen) erfordert.
Im Streitfall war der Steuerpflichtige nur als Teilzeitstudierender eingeschrieben und studierte nach seinem Hörerstatus in einem Umfang von etwa 20 Stunden wöchentlich. Dass er im Streitjahr keiner Erwerbstätigkeit nachging, war im Hinblick auf den Begriff des Vollzeitstudiums unerheblich.
Somit waren die Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen (Ansatz einer Pauschale i. H. von 0,30 Euro je gefahrenem Kilometer oder Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen) abzugsfähig.
Quelle | BFH, Urteil vom 24.10.2024, VI R 7/22
| Wer auf Betrüger hereinfällt und im Online-Verfahren eine Echtzeit-Überweisung freigibt, kann nicht darauf hoffen, dass die Bank ihm den Schaden ersetzt. Dies gilt selbst dann, wenn er Minuten später den Schwindel bemerkt und über den Kundenservice sein Konto sperren lässt. Denn der einmal angestoßene Zahlungsvorgang kann nicht mehr gestoppt werden, auch wenn das Geld erst Tage später vom Konto abgebucht wird. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden. Das LG hat die Klage zweier Eheleute gegen ihre Hausbank abgewiesen. Diese waren einer bekannten Betrugsmasche („Hallo, ich habe eine neue Handynummer“) aufgesessen. |
Ehepaar fiel auf bekannte Betrugsmasche herein
Das Ehepaar erhielt im Herbsturlaub letzten Jahres eine SMS von einer unbekannten Rufnummer. Der Absender gab sich als deren Tochter aus und bat darum, über den Nachrichtendienst WhatsApp Kontakt aufzunehmen. Bei dem darauffolgenden Chat glaubten die beiden fest daran, mit ihrer Tochter in Kontakt zu sein. Auf Frage teilten sie die Zugangsdaten für das von ihnen genutzte Online-Banking mit und gaben schließlich zwei Echtzeitüberweisungen von insgesamt ca. 6.000 Euro über die auf ihrem Handy installierte Photo-Tan-App frei. Bereits wenige Minuten später kamen ihnen doch Bedenken,s ie erreichten ihre Tochter und die Täuschung flog auf. Weniger als 20 Minuten nach der Freigabe der Zahlungen informierten sie telefonisch den Kundenservice ihrer Bank und ließen das Konto sperren. Trotzdem wurden die Beträge zwei Tage später vom Girokonto abgebucht. Es sei nicht mehr möglich gewesen, die Vorgänge zu stoppen, so die Bank. Eine Rückerstattung lehnte sie ab.
Landgericht: Zahlungsvorgang an sich völlig korrekt
Das LG gab der Bank Recht und lehnte die Rückzahlung ab. Die Eheleute hätten ihre Freigabe nicht mehr widerrufen können. Ein Widerruf sei nämlich bei Echtzeit-Überweisungen nur bis zum Zugang der Freigabe bei der Bank möglich. Über das Internet erfolgt der Zugang in Sekundenbruchteilen. Danach könnten sich Bankkunden nur von der Freigabe lösen, wenn die Bank die Täuschung hätte bemerken müssen. Dafür sei im konkreten Fall nichts ersichtlich, der Zahlungsvorgang sei vielmehr völlig korrekt abgelaufen und die Bank sei mittels der im Online-Banking vorgesehenen Login- und Freigabedaten korrekt autorisiert worden. Dass die Abbuchung erst zwei Tage später erfolgt sei, ändere am Ergebnis nichts. Es sei zu unterscheiden zwischen dem Geldausgang, der schon wenige Sekunden nach der Online-Freigabe erfolgt sei, und dem Zeitpunkt der Belastung des Kontos. Im Übrigen habe sich das Paar durch die leichtfertige Weitergabe der Zugangsdaten grob fahrlässig verhalten.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 24.10.2024, 7 O 154/24, PM vom 27.11.2024
| Teilt der Rundfunkkunde eine Änderung der Anschrift nicht mit und ergreift auch keine Maßnahmen, um den Zugang von Post unter einer veralteten Adresse zu verhindern, muss er offene Rundfunkbeiträge zahlen. So entschied es das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |
Das war geschehen
Die Klägerin wird durch den beklagten Südwestrundfunk für ihre Privatwohnung zu Rundfunkbeiträgen herangezogen. Sie bewohnt ein Haus, das ursprünglich über zwei getrennte Wohneinheiten mit Ausgängen zu verschiedenen Straßen (A.-Straße und C.-Weg) verfügte. Bis zum Jahr 2020 war die Klägerin unter der Anschrift A.-Straße gemeldet. Bereits einige Jahre zuvor verschloss sie jedoch den auf diese Straße führenden Hauseingang und entfernte den zugehörigen Briefkasten. Eine Ummeldung (zum C.-Weg) veranlasste sie zunächst nicht. Die Klägerin entrichtete keine Rundfunkbeiträge.
Schließlich setzte der Beklagte mit mehreren Festsetzungsbescheiden die offenen Rundfunkbeiträge gegen die Klägerin fest. Die Bescheide waren an die Anschrift der Klägerin in der A.-Straße adressiert. Erstmals ab Mitte des Jahres 2020 nahm die Klägerin die Zahlung von Rundfunkbeiträgen auf und zeigte dem Beklagten die Anschrift „C.-Weg“ an.
Mit ihrer nach erfolglosem Widerspruchsverfahren gegen die Festsetzungsbescheide gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, die Bescheide seien ihr nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Eine Mahnung habe sie nur durch Zufall erreicht. Seit Jahren empfange sie ihre Post nur noch im C.-Weg. Die geforderten Beiträge seien deshalb verjährt.
So sah es das Verwaltungsgericht
Hiermit hatte sie keinen Erfolg. Die Klägerin sei zur Zahlung der geforderten Rundfunkbeiträge verpflichtet, so das VG. Dabei könne offen bleiben, ob der Klägerin die Bescheide wirksam bekannt gegeben worden seien. Denn sie habe dem Beklagten die Änderung der Anschrift nicht mitgeteilt und noch dazu aktive Maßnahmen ergriffen, um den Zugang von Post unter der A.-Straße zu verhindern. Sie könne sich daher jedenfalls nicht auf die Verjährung der Beiträge berufen. Außerdem seien die Zahlungen, die die Klägerin ab dem Jahr 2020 geleistet habe, nach der insoweit maßgeblichen Satzung des Beklagten jeweils mit der ältesten Rundfunkbeitragsschuld verrechnet worden.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 12.11.2024, 5 K 594/24.KO, PM 21/24
| Ferien sollen eine schöne und unbeschwerte Zeit sein. Doch auch hier kann es zu schlimmen Vorfällen kommen. So ging es einer Familie aus Norddeutschland auf der Insel Wangerooge. Letztlich musste sich das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg damit befassen. |
Unfall beim Kaffeekochen
Beim ersten Frühstück in der Ferienwohnung setzte die Mutter einer sechsjährigen Tochter Kaffee in der Kaffeemaschine auf. Als sie den Kaffee zum Frühstückstisch brachte, löste sich der Henkel und die Kanne kippte nach vorn. Der heiße Kaffee ergoss sich über den Oberköper und die Arme ihrer Tochter. Das Mädchen erlitt schwere Verbrennungen und kam mit einem Hubschrauber ins Krankenhaus nach Wilhelmshaven. Sie trug – voraussichtlich dauerhafte – Narben im Brustbereich davon.
Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld?
Die Tochter verklagte die Vermieterin auf Schmerzensgeld und Schadensersatz, weil die Kaffeekanne schon bei Übernahme der Ferienwohnung kaputt gewesen sei. Das Landgericht (LG) Oldenburg wies die Klage ab. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen als Teil des Mietvertrags sei eine Haftung für einfache Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Es sei aber nicht feststellbar, dass die Kaffeekanne erkennbar nicht mehr vollständig in Ordnung gewesen sei.
Mangel war nicht zu beweisen
Das OLG hat jetzt diese Entscheidung bestätigt. Zwar sei ein umfassender Haftungsausschluss durch Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam. Ein Vermieter hafte grundsätzlich sogar ohne jedes eigene Verschulden, allerdings nur für Mängel, die bereits bei Vertragsschluss vorlägen. Hier sehe das Gesetz eine viel strengere Haftung vor als bei anderen Vertragsformen, etwa beim Kauf- oder beim Werkvertrag. Die Klägerin habe jedoch einen solchen Mangel zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht beweisen können. Der gerichtlich bestellte Sachverständige habe keine Reparaturspuren an der Kanne feststellen können. Es stehe auch nicht fest, dass die Kanne bereits bei Vertragsschluss einen Schaden durch Verschleiß aufgewiesen habe. Ebenso wenig sei bewiesen, dass die Kaffeekanne einen Produktmangel gehabt habe, der zu vorzeitigem Verschleiß geführt habe. Selbst für einen solchen Mangel hätte die Vermieterin einstehen müssen.
Verschulden nicht ersichtlich
Die Vermieterin treffe auch keine Haftung wegen eines möglichen Verschuldens. Es sei nicht mehr aufzuklären, in wessen Verantwortungsbereich die Schadensursache liege. Die Glaskanne sei zunächst noch funktionstüchtig gewesen, als die Mutter der Klägerin damit das kalte Wasser in die Maschine gefüllt habe. Der Bruch sei also erst danach erfolgt. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Vermieterin etwaige Vorschäden hätten auffallen müssen. Sie hätte die Kanne auch nicht auf versteckte Schäden untersuchen müssen.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 25.11.2024, 9 U 40/23, PM 36/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden hat eine Klage abgewiesen, mit der der Kläger die Ausstellung eines Personalausweises ohne Speicherung der Fingerabdrücke auf dessen elektronischem Speichermedium (sog. „Chip“) begehrte. |
Pflicht aufgrund europäischer Verordnung
Die Pflicht zur Speicherung von Fingerabdrücken bei Ausweisen beruht auf der europäischen Verordnung (hier: (EU) 2019/1157 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019) zur Erhöhung der Sicherheit der Personalausweise von Unionsbürgern und der Aufenthaltsdokumente, die Unionsbürgern und deren Familienangehörigen ausgestellt werden, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben. Der Kläger trug vor, dass hierdurch seine Grundrechte auf Schutz des Privatlebens nach der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Art. 7 GRCh) und auf Schutz personenbezogener Daten (Art. 8GRCh) verletzt würden.
So sah es der Europäische Gerichtshof
Das VG hatte das Verfahren zunächst ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in einem Vorabentscheidungsverfahren die Frage vorgelegt, ob die Pflicht zur Aufnahme von Fingerabdrücken in Personalausweisen mit höherrangigem Unionsrecht vereinbar ist. Der EuGH hatte entschieden, dass die Verordnung wegen der Durchführung eines ungeeigneten Gesetzgebungsverfahrens ungültig sei. Die Wirkungen der Verordnung würden jedoch aufrechterhalten bleiben, bis innerhalb einer angemessenen Frist, die zwei Jahre ab dem 1.1.2025 nicht überschreiten dürfe, eine neue, im korrekten Gesetzgebungsverfahren erlassene Verordnung in Kraft trete, die sie ersetzt. In materieller Hinsicht verstoße die Einschränkung der in Art. 7 und Art. 8 GRCh garantierten Rechte nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sodass die Verordnung nicht aus diesem Grund ungültig sei.
So entschied das Verwaltungsgericht
Die Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken sei rechtmäßig, so das VG, und verletze den Kläger deshalb auch nicht in seinen Rechten. Das VG sei an das Urteil des EuGH gebunden, insbesondere bezüglich der Ausführungen zur materiellen Rechtmäßigkeit. Auch im Hinblick auf die im konkreten Verfahren vorliegende Frage der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken durch die Landeshauptstadt Wiesbaden sei keine andere Beurteilung geboten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei auch im konkreten Fall gewahrt. In der Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken durch die Beklagte liege kein Verstoß gegen Grundrechte.
Auch habe das VG für die Entscheidung über den vorliegenden Fall nicht den Fristablauf der Fortgeltung der o. g. Verordnung oder den Erlass einer neuen Verordnung abwarten müssen. Angesichts der Entscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren sei die Sache entscheidungsreif. Der EuGH habe ausdrücklich entschieden, dass die Wirkungen der Verordnung aufrechterhalten blieben, weshalb im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein Anspruch des Klägers auf Ausstellung eines Personalausweises ohne Speicherung von Fingerabdrücken bestehe. Die Frage, ob sich ein solcher Anspruch möglicherweise in der Zukunft infolge einer Änderung der Rechtslage ergeben könnte, sei im vorliegenden Verfahren nicht von Relevanz.
Quelle | VG Wiesbaden, Urteil vom 18.12.2024, 6 K 1563/21.WI, PM 9/24
| Leistungen eines Wohnungseigentümers in die Erhaltungsrücklage einer Wohnungseigentümergemeinschaft (z. B. im Rahmen der monatlichen Hausgeldzahlungen) sind steuerlich im Zeitpunkt der Einzahlung noch nicht abziehbar. Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung liegen erst vor, wenn aus der Rücklage Mittel zur Zahlung von Erhaltungsaufwendungen entnommen werden. Damit hat der Bundesfinanzhof (BFH) die bisherige Sichtweise bestätigt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar vermietete mehrere Eigentumswohnungen. Das an die jeweilige Wohnungseigentümergemeinschaft gezahlte Hausgeld wurde zum Teil der gesetzlich vorgesehenen Erhaltungsrücklage zugeführt. Insoweit erkannte das Finanzamt keine Werbungskosten an. Der Abzug könne erst in dem Jahr erfolgen, in dem die zurückgelegten Mittel für die tatsächlich angefallenen Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum verbraucht würden. Das Finanzgericht (FG) Nürnberg wies die Klage ab – und auch die Revision beim BFH blieb erfolglos.
Hausgeld war zwar erbracht …
Der Werbungskostenabzug erfordert einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Vermietungstätigkeit und den Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Die Eheleute hatten den der Erhaltungsrücklage zugeführten Teil des Hausgelds zwar erbracht und konnten hierauf nicht mehr zurückgreifen, da das Geld ausschließlich der Wohnungseigentümergemeinschaft gehört.
… aber noch nicht verausgabt
Auslösender Moment für die Zahlung war aber nicht die Vermietung, sondern die rechtliche Pflicht jedes Wohnungseigentümers, am Aufbau und an der Aufrechterhaltung einer angemessenen Rücklage für die Erhaltung des Gemeinschaftseigentums mitzuwirken. Ein Zusammenhang zur Vermietung entsteht erst, wenn die Gemeinschaft die angesammelten Mittel für Erhaltungsmaßnahmen verausgabt. Erst dann kommen sie der Immobilie zugute.
Beachten Sie | Durch die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) im Jahr 2020 wurde der Wohnungseigentümergemeinschaft die volle Rechtsfähigkeit zuerkannt. Der Hoffnung, dass die Zahlung in die Erhaltungsrücklage deshalb sofort im Zahlungsjahr abzugsfähig ist, hat der BFH ausdrücklich eine Absage erteilt.
Quelle | BFH, Urteil vom 14.1.2025, IX R 19/24
| Das Gericht darf einen Zuschlag zum Mietspiegel vornehmen, um eine sachgerechte Einzelvergleichsmiete zu bilden. Voraussetzung: Zwischen dem Erhebungsstichtag des Mietspiegels und dem Zeitpunkt, an dem das Zustimmungsverlangen zugestellt wurde, werden außergewöhnliche Steigerungen der ortsüblichen Vergleichsmiete festgestellt. Eine solche liegt aber nicht vor, wenn der Verbraucherpreisindex ansteigt. So sieht es das Landgericht (LG) München. |
Der Vermieter begehrte die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Er wollte u. a. einen sog. Stichtagszuschlag auf die von ihm ermittelte Vergleichsmiete addieren. Der Verbraucherpreisindex habe sich im Zeitraum zwischen Januar 2022 (als dem maßgeblichen Zeitpunkt der Erhebung der Daten für den qualifizierten Mietspiegel 2023) und Juni 2023 (Zugang des Mieterhöhungsverlangens) aufgrund einer ungewöhnlichen Steigerung der Mieten von rund 3% erhöht.
Das LG: Ein Stichtagszuschlag komme nicht in Betracht. Die Mieterhöhung könne nicht auf den qualifizierten Mietspiegel und ergänzend auf einen Anstieg des Verbraucherpreisindex gestützt werden. Ein Anstieg gemäß Index für Nettokaltmieten von nur wenig mehr als 3 % sei nicht außergewöhnlich hoch. Die Einführung einer „Stichtagspraxis“ würde zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen, die die sog. Befriedungsfunktion des Mietspiegels gefährden könne.
Quelle | LG München I, Urteil vom 17.7.2024, 14 S 3692/24
| Hat der Vermieter Ersatzansprüche wegen des Zustands der Mietsache bei Rückgabe, muss er sich bei unwirksamer Schönheitsreparaturklausel die Kosten anrechnen lassen, die er mangels eigener Renovierungsarbeiten erspart hat. So hat es das Amtsgericht (AG) Hanau entschieden. |
Vermieter verlangte Kostenersatz für Tapezier- und Streicharbeiten
Das Mietverhältnis zwischen den Parteien lief über 13 Jahre, der Vertrag enthielt eine Klausel hinsichtlich der durch den Mieter durchzuführenden Schönheitsreparaturen. Nach Wohnungsrückgabe führte der Vermieter Tapezier- und Streicharbeiten durch. Die Kosten verlangte er von dem Mieter ersetzt. Denn dieser habe sie mit bunten Farben (gelb, grün und rosa) zurückgegeben, was eine Weitervermietung nicht ermögliche. Zudem habe es viele nicht verschlossene Dübellöcher gegeben.
Klage abgewiesen
Das AG hat entschieden: Der Vermieter kann Streich- und Tapezierarbeiten in der Wohnung nicht ersetzt verlangen, weil er selbst zur Durchführung der Schönheitsreparaturen verpflichtet war. Es hat die Klage des Vermieters daher abgewiesen.
Worauf es ankommt und worauf nicht
Darauf, ob der Mieter dem Vermieter die Kosten für die Streich- und Tapezierarbeiten erstatten muss, komme es nicht an. Denn der Vermieter hätte während der gesamten Laufzeit des Mietvertrags die Schönheitsreparaturen in der Wohnung durchführen müssen. Die Klausel, nach der der Mieter hierzu verpflichtet wurde, war unwirksam, weil sie zu kurze Fristen setze. Außerdem sollte der Mieter nach einer anderen Klausel die Wohnung auch bei Einzug streichen, was ebenfalls zur Unwirksamkeit der laufenden Renovierungspflicht führe. Daher musste stattdessen, wie auch an sich vom Gesetz vorgesehen, der Vermieter renovieren. Hätte er das getan, wären ihm aber Kosten entstanden. Diese nicht aufgewendeten Kosten müsse er von seinen Schadenersatzansprüchen abziehen.
Für die Bestimmung der ersparten Kosten hat das Gericht auf die Pauschalbeträge nach der Zweiten Berechnungsverordnung (hier: § 28 Abs. 4 II. BerechnungsVO) in der jeweiligen Höhe zurückgegriffen. Auch wenn diese hier keine unmittelbare Anwendung finden, lägen ihnen offiziell anerkannte Durchschnittswerte zugrunde. Bei über 13 Jahren Mietlaufzeit überstiegen sie die von dem Vermieter geltend gemachten Kosten um mehr als das Dreifache.
Quelle | AG Hanau, Urteil vom 29.11.2024, 32 C 265/23, PM vom 16.12.2024
| Ein rechtlich beachtlicher Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses liegt nur vor, wenn sich der Anfechtende in einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses befunden hat, dagegen nicht, wenn lediglich falsche Vorstellungen von dem Wert der einzelnen Nachlassgegenstände vorgelegen haben. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken. |
Erblasserin verstarb ohne Testament
Die Erblasserin ist im Alter von 106 Jahren ohne Testament verstorben. Zuvor lebte sie seit längeren Jahren in einem Seniorenheim. Die Heim- und Pflegekosten wurden aus Mitteln der Kriegsopferfürsorgestelle bestritten. Diese Leistungen wurden als Darlehen gewährt und durch eine Grundschuld an einem Haus der Erblasserin abgesichert. Der Ehemann der Erblasserin, ihre beiden Kinder und auch ein Enkelkind waren bereits vorverstorben. Gesetzliche Erben waren die Enkel und Urenkel der Erblasserin.
Nach dem Tod der Erblasserin hat u. a. die in gesetzlicher Erbfolge zur Erbin berufene Enkelin das Erbe ausgeschlagen und dabei angegeben, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Zwei Urenkel der Erblasserin haben das Erbe dagegen nicht ausgeschlagen. In der Folge wurde das Haus der Erblasserin unter Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Nachlasspflegerin an Dritte verkauft. Nach dem Verkauf des Hauses hat die Enkelin ihre Erklärung zur Erbausschlagung sodann wegen Irrtums angefochten. Danach hat sie die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der u. a. sie als Erbin zu 1/4 Anteil ausweisen sollte.
Das Nachlassgericht hat entschieden, dass der Erbschein wegen der angefochtenen Erbausschlagungserklärung der Enkelin, wie von ihr beantragt, erteilt werden müsse. Gegen diesen Beschluss wendete sich einer der Urenkel, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte, mit seiner Beschwerde.
Erbscheinsantrag war zurückzuweisen
Auf die Beschwerde hat das OLG entschieden: Der Erbscheinsantrag der Enkelin war zurückzuweisen, da der von ihr beantragte Erbschein die eingetretene Erbfolge falsch wiedergebe. Die Enkelin sei keine Erbin geworden, da sie die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und sie die Ausschlagungserklärung wegen Irrtums auch nicht wirksam anfechten könne. Soweit sie ihren Irrtum damit begründet habe, ihr sei erst im Nachhinein bekannt geworden, dass zum Nachlass ein Bankkonto bei der Kreissparkasse K. mit einem vierstelligen Guthaben gehöre, läge zwar ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses vor.
Irrtum nicht ursächlich für Ausschlagung
Dieser Irrtum hätte aber nicht ihre Ausschlagung der Erbschaft veranlasst. Denn selbst, wenn ihr das Konto bei der Kreissparkasse Köln bekannt gewesen wäre, hätte dies mangels wirtschaftlichem Gewicht des dortigen Guthabenbetrags gegenüber den restlichen Nachlasspositionen nichts an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses geändert. Soweit sich die Enkelin darauf berufe, dass sie darüber geirrt habe, dass der Erlös aus dem Verkauf des Hauses der Erblasserin die Verbindlichkeiten aus dem mit der Grundschuld abgesicherten Darlehen für die Heim- und Pflegekosten der Kriegsopferfürsorgestelle übersteige, liege kein Irrtum vor, der zur Anfechtung berechtige. Dieser Irrtum beruhe lediglich auf der falschen Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht über dessen Zusammensetzung.
Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14.8.2024, 8 W 102/23, PM vom 10.12.2024
| Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat entschieden: Erben können vollen Zugriff auf das Instagram-Konto des Erblassers bekommen. Das beinhaltet dessen aktive Nutzungsmöglichkeit. |
Die Ehefrau und alleinige Erbin eines bekannten Sängers hatte geklagt. Hintergrund: Nachdem der Konzern Meta, zu dem die Social-Media-Plattform Instagram gehört, Kenntnis vom Tod des Sängers erlangte, versetzte das Unternehmen den Instagram-Account in den sog. Gedenkzustand. Bemühungen der Ehefrau, vollen Zugriff auf das Konto wiederzuerlangen, waren ergebnislos. Das OLG: Die Frau ist als Erbin in das Vertragsverhältnis ihres Mannes mit Meta im Wege der sog. Gesamtrechtsnachfolge eingetreten. Das habe schon der Bundesgerichtshof (BGH) so entschieden. Danach ist der Anspruch auf Zugang zu einem Social-Media-Konto grundsätzlich vererbbar. Mit der Erbenstellung sei die Ehefrau in sämtliche Rechte und Pflichten des Erblassers eingetreten, was neben einem passiven Anspruch auf (nur) lesende Nutzung auch einen Anspruch auf aktive Nutzung umfasse.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 30.12.2024, 13 U 116/23
| Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat die Klage eines im Nebenerwerb tätigen Landwirts auf Erteilung einer Baugenehmigung für einen bereits errichten „Portalrahmen“ im Außenbereich abgewiesen. |
Landwirt hatte Bauwerk schon errichtet
Der „Portalrahmen“ besteht aus zwei Sandsteinsäulen (je 3,53 Meter hoch), an denen ein schmiedeeisernes doppelflügeliges Einfahrtstor befestigt ist. Auf den Säulen befindet sich jeweils eine Metallskulptur. Die Säulen sind mit zwei Einzelfundamenten im Boden verankert. Das gesamte Bauwerk ist fünf Meter breit. Den Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung lehnte der Landkreis ab. Bei dem „Portalrahmen“ handele es sich nicht um ein im Außenbereich bevorrechtigt zulässiges Vorhaben.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagte der Landwirt und trug hierzu vor, das Vorhaben sei bereits deshalb genehmigungsfrei, weil es seinem landwirtschaftlichen Betrieb diene. Das Tor gewährleiste den Zugang und die Zufahrt zu dem von ihm bewirtschafteten Grundstück. Es füge sich auch optisch in die Umgebung ein.
Klage ohne Erfolg
Das sah das VG anders: Der „Portalrahmen“ sei im Außenbereich nicht bevorrechtigt zulässig, weil er dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers nicht diene. Er sei optisch auffallend und solle offensichtlich die Kunden des Klägers beeindrucken. Ein vernünftiger Landwirt würde unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs kein solches Bauwerk zur Einfriedung errichten. Der Kläger könne sich überdies nicht mit Erfolg darauf berufen, er führe einen „Adelshof“. Eine Bevorzugung aufgrund der Abstammung widerspreche dem allgemeinen Gleichheitssatz. Der „Portalrahmen“ beeinträchtige zudem die natürliche Eigenart der Landschaft. Das Vorhabengrundstück liege in einem Naturpark, dessen landschaftliche Eigenart zu bewahren sei.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 31.10.2024, 4 K 282/24.KO, PM 22/24
| Die Eigentümerin eines Wohnhauses hat ebenso, wie die Eigentümerin eines Baudenkmals, einen Anspruch auf eine denkmalrechtliche Erlaubnis für die Installation von Solaranlagen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster in zwei Grundsatzurteilen zum nordrhein-westfälischen Denkmalrecht entschieden. Es hat darauf verwiesen, dass bei der Errichtung von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden regelmäßig das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien die Belange des Denkmalschutzes überwiegt. |
Eigentümerin eines Einfamilienhauses
Die Eigentümerin eines Einfamilienhauses in einer Siedlung in Düsseldorf, für die eine Denkmalbereichssatzung gilt, möchte auf einer aus dem Straßenraum teilweise einsehbaren Dachfläche ihres Hauses eine Solaranlage errichten. Die Stadt Düsseldorf lehnte es ab, die dafür nach dem Denkmalschutzgesetz NRW erforderliche Erlaubnis zu erteilen. Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf verpflichtete die Stadt auf die Klage der Eigentümerin, die Genehmigung zu erteilen.
Eigentümerin eines Baudenkmals
Demgegenüber bestätigte das VG Arnsberg in dem zweiten Fall die Entscheidung der Stadt Siegen, die der Klägerin eine denkmalrechtliche Erlaubnis für eine Solaranlage auf der weithin sichtbaren Dachfläche versagt hatte. Hierbei geht es um ein Wohngebäude, das als ehemalige Schule als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt Siegen eingetragen ist.
So sah es das Oberverwaltungsgericht
In beiden Fällen waren Solarmodule in einer denkmalschonenden Ausgestaltung gewählt worden. Nach der Entscheidung des OVG können nun beide Denkmaleigentümer die denkmalrechtliche Erlaubnis beanspruchen.
Offentliches Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien versus Denkmalschutz
Das OVG: Das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien überwiegt in beiden Fällen die Belange des Denkmalschutzes. Nach einer im Juli 2022 in Kraft getretenen Regelung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sollen, bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausneutral ist, die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Diese Vorgabe, für die dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz zukommt, beeinflusst auch das nordrhein-westfälische Denkmalschutzrecht. In die – weiterhin erforderliche – Abwägung zwischen den denkmalschutzrechtlichen Belangen und dem Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien sind letztere als regelmäßig vorrangiger Belang einzustellen. Nur, wenn besondere Umstände des Denkmalschutzes der Errichtung von Solaranlagen entgegenstehen, darf die Erteilung der denkmalrechtlichen Erlaubnis ausnahmsweise versagt werden.
Bei der Prüfung, ob solche besonderen Umstände vorliegen, kommt es auf die Gründe an, aus denen die denkmalrechtliche Unterschutzstellung erfolgt ist.
Wohnhaus: keine wesentlichen optischen Nachteile
In dem Düsseldorfer Fall wird durch die beantragte Solaranlage auf der straßenabgewandten Dachfläche nicht in einem Maß in das denkmalwerte einheitliche äußere Erscheinungsbild der Siedlung eingegriffen, dass ausnahmsweise die Erlaubnis zu versagen wäre. Dass die Solaranlage aus dem öffentlichen Straßenraum sichtbar ist, reicht dafür grundsätzlich nicht aus. Hier sind die in die bestehende Dachstruktur eingefügten und in der Farbe angepassten Solarpaneele zudem nur am Rande, in zweiter Reihe und nur in Teilausschnitten wahrnehmbar. Die betroffene Dachfläche liegt auch nicht in einer der von der Satzung geschützten Sichtachsen und beeinträchtigt die rheinseitige Silhouette der Siedlung nicht.
Ehemalige Schule: Erscheinungsbild des Baukörpers nicht wesentlich geändert
Bei der ehemaligen Schule in Siegen werden die denkmalwertbegründenden Eigenschaften des Gebäudes durch die Solaranlage schon nicht beeinträchtigt. Für die Eintragung als Baudenkmal hat zwar der vorhandene Dachreiter, nicht aber die Dachfläche und ihre Gestaltung eine Rolle gespielt. In das geschützte Erscheinungsbild des Baukörpers als Kapellenschule wird durch die Solaranlage nicht eingegriffen. Ein Ausnahmefall, in dem der Denkmalschutz überwiegt, wäre bei dem konkreten Vorhaben selbst dann nicht gegeben, wenn die Schieferdachfläche als auch denkmalwertbegründend angesehen würde.
Quelle | OVG Münster, Urteile vom 27.11.2024, 10 A 2281/23 und 10 A 1477/23, PM vom 27.11.2024
| Will eine Auftraggeberin nicht von einer weiblichen Mitarbeiterin, sondern von einem Mann betreut werden, können schnell Entschädigungsforderungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Raum stehen – so wie in einem Fall des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg. |
Inhaber des Architekturbüros blieb passiv
Im Fall des LAG hatte der Inhaber des Architekturbüros nicht einmal versucht, die Auftraggeberin umzustimmen. Er unternahm auch keinen Versuch, sie von der hohen Qualität seiner Mitarbeiterin zu überzeugen.
Unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nur wenn diese „geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen“ nicht gefruchtet hätten, hätte eine eigene benachteiligende Handlung des Büros ausgeschlossen werden können.
Der Arbeitgeber musste der Mitarbeiterin schließlich 1.500 Euro Schadenersatz zahlen.
Quelle | LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.2024, 10 Sa 13/24
| Eine tarifvertragliche Regelung, die unabhängig von der individuellen Arbeitszeit für Überstundenzuschläge das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten voraussetzt, behandelt teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wegen der Teilzeit schlechter als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte. Sie verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter, wenn die in ihr liegende Ungleichbehandlung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Fehlen solche sachlichen Gründe, liegt regelmäßig zugleich eine gegen Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (hier: § 7 Abs. 1 AGG) verstoßende mittelbare Benachteiligung wegen des (weiblichen) Geschlechts vor, wenn innerhalb der betroffenen Gruppe der Teilzeitbeschäftigten erheblich mehr Frauen als Männer vertreten sind. |
Das war geschehen
Der Beklagte ist ein ambulanter Dialyseanbieter mit mehr als 5.000 Arbeitnehmern. Die Klägerin ist bei ihm als Pflegekraft in Teilzeit im Umfang von 40 v. H. eines Vollzeitbeschäftigten tätig. Auf das Arbeitsverhältnis ist aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme der zwischen dem Beklagten und der Gewerkschaft Verdi geschlossene Manteltarifvertrag (MTV) anzuwenden. Nach § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV sind mit einem Zuschlag von 30 v. H. Überstunden zuschlagspflichtig, die über die monatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden und im jeweiligen Kalendermonat nicht durch Freizeitgewährung ausgeglichen werden können. Alternativ zu einer Auszahlung des Zuschlags ist eine entsprechende Zeitgutschrift im Arbeitszeitkonto vorgesehen. Das Arbeitszeitkonto der Klägerin wies Ende März 2018 ein Arbeitszeitguthaben von 129 Stunden und 24 Minuten aus. Der Beklagte hat der Klägerin für diese Zeiten in Anwendung von § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV weder Überstundenzuschläge gezahlt, noch im Arbeitszeitkonto eine Zeitgutschrift vorgenommen.
Das verlangte die Klägerin
Mit ihrer Klage hat die Klägerin verlangt, ihrem Arbeitszeitkonto als Überstundenzuschläge weitere 38 Stunden und 39 Minuten gutzuschreiben und eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe eines Vierteljahresverdienstes begehrt. Die Anwendung von § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV benachteilige sie wegen ihrer Teilzeit unzulässig gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten. Zugleich werde sie wegen ihres Geschlechts mittelbar benachteiligt, denn der Beklagte beschäftige überwiegend Frauen in Teilzeit.
So sahen es die Vorinstanzen
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift zuerkannt und hinsichtlich der begehrten Entschädigung die Klageabweisung bestätigt.
So entschied das Bundesarbeitsgericht
Die Revision der Klägerin hatte vor dem BAG teilweise Erfolg. Das BAG hat der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift – in Übereinstimmung mit dem LAG – zugesprochen und ihr darüber hinaus eine Entschädigung in Höhe von. 250 Euro zuerkannt. Das OLG musste (aufgrund europarechtlicher Rechtsprechung) davon ausgehen, dass § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV insoweit wegen Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten unwirksam ist, als er bei Teilzeitbeschäftigung keine der Teilzeitquote entsprechende anteilige Absenkung der Grenze für die Gewährung eines Überstundenzuschlags vorsieht.
Bundesarbeitsgericht: Entschädigung zugesprochen
Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung konnte das BAG nicht erkennen. Die sich aus dem Verstoß gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz (hier: § 4 Abs. 1 TzBfG) ergebende Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Überstundenzuschlagsregelung führt zu einem Anspruch der Klägerin auf die eingeklagte weitere Zeitgutschrift. Daneben war ihr eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zuzuerkennen.
Durch die Anwendung der tarifvertraglichen Regelung hat die Klägerin auch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts erfahren. In der Gruppe der beim Beklagten in Teilzeit Beschäftigten, die dem persönlichen Anwendungsbereich des MTV unterfallen, sind zu mehr als 90 Prozent Frauen vertreten.
Als Entschädigung war ein Betrag in Höhe von 250 Euro festzusetzen. Dieser ist erforderlich, aber auch ausreichend, um einerseits den der Klägerin durch die mittelbare Geschlechtsbenachteiligung entstandenen immateriellen Schaden auszugleichen und andererseits gegenüber dem Beklagten die gebotene abschreckende Wirkung zu entfalten.
Quelle | BAG, Urteil vom 5.12.2024, 8 AZR 370/20, PM 34/24
| Strafrechtlich eingezogene Bestechungsgelder führen umsatzsteuerrechtlich dazu, dass die Bemessungsgrundlage der in strafrechtlicher Hinsicht betroffenen Umsätze auf den um die eingezogenen Bestechungsgelder geminderten Betrag zu reduzieren ist. Das hat der Bundesfinanzhof (BFG) entschieden. |
Das war geschehen
Ein Diplom-Ingenieur hatte nachhaltig und ohne Anweisung seines jeweiligen Vorgesetzten bzw. Arbeitgebers für Auftragserteilungen von beauftragten Unternehmen kostenlose Leistungen, überwiegend für den privaten Hausbau, erhalten.
Dafür wurde er wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zusätzlich wurden die Bestechungsgelder auf gerichtliche Anordnung nach dem Strafgesetzbuch (hier: §§ 73 ff. StGB) eingezogen.
Das Finanzamt behandelte die „Schmiergeldzahlungen“ bzw. die Zuwendungen durch die beauftragten Unternehmen als Entgelte für steuerpflichtige Leistungen und unterwarf sie der Umsatzsteuer. Die vom Diplom-Ingenieur geleisteten Zahlungen an die Landesjustizkasse hinsichtlich der eingezogenen Bestechungsgelder minderten nach Ansicht des Finanzamts nicht die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer. Dies sah der BFH anders.
Eingezogene Bestechungsgelder nicht mehr zu versteuern
Zwar sind die Bestechungsgelder – obgleich es sich um illegale Zahlungen handelt – neben den sonstigen, dem Steuerpflichtigen für seine Dienstleistungen gewährten Entgelten umsatzsteuerrelevant. Jedoch mindern die eingezogenen Beträge die steuerliche Bemessungsgrundlage.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist eine Verminderung in diesen Fällen geboten, da ansonsten der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt wäre. Denn es käme zu einer unzulässigen Doppelbelastung des Täters:
- Zum einen würde der durch die strafbare Handlung erlangte wirtschaftliche Vorteil durch die strafrechtliche Einziehung der Bestechungsgelder abgeschöpft.
- Zum anderen würden die Bestechungsgelder im selben Umfang der Umsatzsteuer unterworfen.
Dabei spielt es keine Rolle, dass der strafrechtlich eingezogene Betrag in der Staatskasse verbleibt und nicht an den leistenden Unternehmer zurückgezahlt wird.
Beachten Sie | Auch eines Verweises auf das Billigkeitsverfahren, dessen Zulässigkeit im Umsatzsteuerrecht ohnehin unionsrechtlich zweifelhaft ist, bedarf es nach Ansicht des BFH nicht.
Quelle | BFH, Urteil vom 25.9.2024, XI R 6/23, PM 8/25 vom 20.2.2025
| In einem Streitfall ging es um die Zulässigkeit des Wechsels der Gewinnermittlungsart. Dabei entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass der Steuerpflichtige im Streitjahr die Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nicht mehr erfüllte, weil er durch die Aufstellung des Jahresabschlusses sein Wahlrecht bereits ausgeübt hatte und daran gebunden war. |
Hintergrund: Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (= Bilanzierung) ist der gesetzessystematische Regelfall. Die Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung kommt nur bei Erfüllung der im Gesetz bestimmten Voraussetzungen in Betracht.
Tatsächlich ausgeübte Gewinnermittlungsart maßgeblich
Maßgeblich für die Ausübung des Wahlrechts der Gewinnermittlungsart ist die tatsächliche Handhabung der Gewinnermittlung. Ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger hat sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich wirksam ausgeübt, wenn er eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine kaufmännische Buchführung einrichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht.
Die Einnahmen-Überschuss-Rechnung bzw. der Betriebsvermögensvergleich ist in dem Zeitpunkt erstellt, in dem der Steuerpflichtige sie bzw. ihn fertiggestellt hat und objektiv erkennbar als endgültig ansieht. Beweisanzeichen dafür kann sein, dass er die Gewinnermittlung durch Übersendung an das Finanzamt in den Rechtsverkehr begibt. Nach der Erstellung des Jahresabschlusses kommt die Wahl der Einnahmen-Überschuss-Rechnung somit grundsätzlich nicht mehr in Betracht.
Einmal getroffene Wahl nur in Ausnahmefällen änderbar
Die einmal getroffene Wahl der Gewinnermittlungsart ist grundsätzlich nachträglich nicht mehr änderbar. In Ausnahmefällen hat die Rechtsprechung jedoch einen solchen Wechsel zugelassen und dabei an die Grundsätze angeknüpft, die für den Wechsel der Gewinnermittlungsart in aufeinanderfolgenden Jahren gelten.
Beachten Sie | Im Streitfall war dem Steuerpflichtigen die Änderung der Wahlrechtsausübung jedoch nicht mehr möglich. Denn er hatte keinen vernünftigen wirtschaftlichen Grund dargelegt, der es rechtfertigen könnte, die gewählte Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich für dasselbe Jahr wieder zu ändern.
Allein der Umstand, dass er durch den Wechsel zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung eine Gewinnerhöhung infolge der Außenprüfung „glätten“ wollte, reicht hierfür nicht aus. Denn damit haben sich nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse geändert. Der Steuerpflichtige war vielmehr einem Irrtum über die steuerlichen Folgen der gewählten Gewinnermittlungsart unterlegen, der die Änderungsmöglichkeit nicht eröffnet.
Quelle | BFH, Urteil vom 27.11.2024, X R 1/23
| Eine gegen die auszahlende Bank gerichtete Schadenersatzklage eines 84-jährigen Mannes, der infolge eines Trickbetrugs 83.000 Euro an Unbekannte gezahlt hatte, blieb erfolglos. Warn- und Hinweispflichten der Geldinstitute bestehen nur bei einem massiven Verdacht auf eine Vermögensgefährdung des Kunden. Eine solche vorwerfbare Pflichtverletzung konnte das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth in einem bemerkenswerten Fall nicht feststellen. |
Hätte Bank Geld nicht auszahlen dürfen?
Der Kläger hatte am Schalter in einer Bankfiliale in Nürnberg innerhalb von 1 ½ Stunden zweimal Bargeld von seinem Konto abgehoben, insgesamt 83.000 Euro. Er begründete seine Schadenersatzklage gegen die Bank damit, dass diese durch Auszahlung des Geldes trotz offenkundiger Anhaltspunkte für einen Enkeltrick-Betrug gegen ihre vertraglichen Schutz- und Warnpflichten verstoßen habe. Die Bank hatte im Zivilprozess vorgebracht, dass ihre Mitarbeiter bezüglich des sog. Enkeltricks geschult seien und den Kläger entsprechend angesprochen hätten, der ruhig gewirkt und plausible Erklärungen abgegeben habe.
Kein massiver Verdacht
Das LG hat die Klage in erster Instanz abgewiesen. Es führte aus: Eine Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank ist nur ausnahmsweise bei Vorliegen objektiver massiver Verdachtsmomente anzunehmen. Einen massiven Verdacht auf einen drohenden Schaden beim Kläger konnte das LG hier aber nicht feststellen.
Es war nach Einvernahme der Bankangestellten als Zeugin davon überzeugt, dass der Kläger sachlich, ruhig und unauffällig in der Bank auftrat. Weder aus dem Alter des Klägers und der Höhe des Bargeldbetrags noch aus dem Umstand, dass erst eine Übertragung von dem Sparkonto auf das Girokonto erfolgte, drängte sich der Verdacht einer Straftat auf. Bei beiden Barabhebungen hatte die Bankangestellte beim Kläger mehrfach nachfragt, ob ihm der sogenannte Enkeltrick bekannt sei, was dieser bejahte und damit entkräftete, dass er direkt mit seiner Enkeltochter gesprochen habe. Eine weitere Nachfragepflicht war von den Mitarbeitern der Bank nicht zu verlangen, so das LG.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Gegen das klageabweisende Urteil des LG hatte der Kläger Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg eingelegt. Auch das OLG verneinte eine Verletzung von Warn- und Hinweispflichten der Beklagten, gerade, nachdem die Möglichkeit eines Enkeltricks von der Bankangestellten angesprochen worden war. Die Bank ist vertraglich zur Auszahlung des Kontoguthabens verpflichtet und der Kunde hat über die Verwendung der ihm zustehenden Beträge keine Rechenschaft abzulegen, führte das OLG ergänzend aus.
Auf den Hinweis des OLG zur Erfolgslosigkeit der Berufung hat der Kläger sein Rechtsmittel zurückgenommen. Das Urteil des LG ist damit rechtskräftig.
Die Strafbarkeit der Trickbetrüger und etwaige zivilrechtliche Ansprüche gegen diese Personen waren nicht Gegenstand des Verfahrens.
Quelle | LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 22.7.2022, 10 O 1384/22; OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 18.11.2024, 14 U 2275/22, PM 5/25
| Aufwendungen für Krankheitskosten sind nur als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn gewisse Nachweiserfordernisse erfüllt sind. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat dargelegt, wie der Nachweis ab dem Veranlagungszeitraum 2024 zu führen ist. |
Hintergrund: Krankheitskosten können als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sein.
Ein besonderes Augenmerk muss dabei auf den Nachweis der Zwangsläufigkeit gelegt werden:
- Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel genügt es, wenn der Steuerpflichtige eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers vorlegt. Dies regelt § 64 Abs. 1 Nr. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV).
- Bei bestimmten Krankheitskosten ist indes ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erforderlich. Ein solcher qualifizierter Nachweis ist z. B. bei Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, z. B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, erforderlich (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV).
Sind Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungeinzustufen, wartet die Hürde der zumutbaren Belastung, deren Höhe von folgendenFaktoren abhängt:
- Gesamtbetrag der Einkünfte
- Familienstand und
- Zahl der Kinder.
Erläuterungen des Bundesfinanzministeriums
Der Nachweis der Zwangsläufigkeit nach der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (hier: § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV) ist bei einem eingelösten E-Rezept durch den Kassenbeleg der Apotheke bzw. durch die Rechnung der Online-Apotheke oder bei Versicherten mit einer privaten Krankenversicherung alternativ durch den Kostenbeleg der Apotheke zu erbringen.
Der Kassenbeleg (alternativ: die Rechnung der Online-Apotheke) muss folgende Angaben enthalten:
- Name der steuerpflichtigen Person,
- Art der Leistung (zum Beispiel Name des Arzneimittels),
- Betrag bzw. Zuzahlungsbetrag,
- Art des Rezeptes.
Beachten Sie | Zumindest für den Veranlagungszeitraum 2024 wird es vom BMF nicht beanstandet, wenn der Name der steuerpflichtigen Person nicht auf dem Kassenbeleg vermerkt ist.
Quelle | BMF-Schreiben vom 26.11.2024, IV C 3 - S2284/20/10002 :005
| Nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 6 Abs. 1 Nr. 1 a desEStG) werden Aufwendungen in Herstellungskosten umqualifiziert, wenn innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung des Gebäudes Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden, deren Nettoaufwendungen 15 % der Gebäude-Anschaffungskosten übersteigen. Die Aufwendungen sind dann nicht sofort, sondern nur über die Gebäude-Abschreibung abzugsfähig. Bei einer Eigentumswohnung sind zwei Besonderheiten zu beachten, worauf das Finanzgericht (FG) Hessen hingewiesen hat. |
Hintergrund: Maßgebend sind die Anschaffungskosten und Anschaffungsnebenkosten der angeschafften Wohnung und nicht der Wert des Gesamtgebäudes. Bei Teil- und Wohnungseigentum ist danach die einzelne Einheit und nicht das Gesamtgebäude relevant.
Abzustellen ist auf die innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung der Wohnung angefallenen Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen des vermietenden Eigentümers einschließlich seiner anteiligen Aufwendungen für Arbeiten an den im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudeteilen.
Beispiel
A erwirbt mit Wirkung zum 1.11.2023 eine Eigentumswohnung. Die Anschaffungskosten betragen insgesamt 300.000 Euro. Der Grund- und Bodenanteil beträgt 10 % = 30.000 Euro. Die Eigentumswohnung wird nach der Sanierung vermietet.
Anfang 2024 lässt A die sanitären Anlagen (Badezimmer, Gästetoilette) für 29.750 Euro erneuern und neue Türen einbauen (11.900 Euro). Zudem beteiligt er sich an der Dachsanierung (14.280 Euro). Die gesamten Aufwendungen (55.930 Euro) macht er in 2024 als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen geltend.
Lösung: Die Nettoaufwendungen ohne Umsatzsteuer (25.000 Euro + 10.000 Euro + 12.000 Euro = 47.000 Euro) überschreiten die 15 %-Grenze von 40.500 Euro (15 % von 270.000 Euro). Somit stellen die Aufwendungen insgesamt anschaffungsnahe Aufwendungen dar. Sie sind also nicht sofort im Jahr der Zahlung als Werbungskosten abzugsfähig, sondern erhöhen die Bemessungsgrundlage für die Gebäudeabschreibung von 270.000 Euro um 55.930 Euro auf 325.930 Euro. Dies gilt auch für die Kostenbeteiligung an der Dachsanierung, die als Aufwendungen für das Gemeinschaftseigentum ebenfalls im Rahmen der Ermittlung des insgesamt entstandenen Sanierungsaufwands mit einzubeziehen sind.
Aufwendungen für Sonder- und Gemeinschaftseigentum nicht aufzuteilen
Nach Ansicht des FG Hessen dürfen die auf das im Gemeinschaftseigentum stehenden Bestandteile des Gesamtgebäudes entfallenden Aufwendungen nicht unberücksichtigt bleiben. Dies würde auch dem (mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG verfolgten) Vereinfachungszweck widersprechen, weil sich Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen regelmäßig zugleich auf das Sondereigentum als auch auf Bereiche des Gemeinschaftseigentums beziehen. Eine Aufteilung von hierfür einheitlich getragenen Aufwendungen wäre oft nur unter größten Schwierigkeiten möglich.
Beachten Sie | Gegen die nicht zugelassene Revision wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Quelle | FG Hessen, Urteil vom 18.6.2024, 4 K 1736/19, NZB BFH, IX B 86/24
| Aufwendungen für die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio sind grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) auch, wenn die Teilnahme an einem dort angebotenen, ärztlich verordneten Funktionstraining die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio voraussetzt. |
Hintergrund: Außergewöhnliche Belastungen wirken sich steuerlich nur aus, soweit die zumutbare Eigenbelastung überschritten wird. Deren Höhe hängt vom Gesamtbetrag der Einkünfte, Familienstand und von der Zahl der Kinder ab.
Das war geschehen
Der Steuerpflichtigen wurde ein Funktionstraining in Form von Wassergymnastik ärztlich verordnet. Sie entschied sich für das Training bei einem Reha-Verein, der die Kurse in einem für sie verkehrsgünstig gelegenen Fitnessstudio abhielt. Voraussetzung für die Kursteilnahme war neben dem Kostenbeitrag für das Funktionstraining und der Mitgliedschaft im Reha-Verein auch die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio. Letztere berechtigte die Steuerpflichtige aber auch zur Nutzung des Schwimmbads und der Sauna sowie zur Teilnahme an weiteren Kursen.
Die Krankenkasse erstattete nur die Kursgebühren für das Funktionstraining. Als Krankheitskosten und damit als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigte das Finanzamt nur die Mitgliedsbeiträge für den Reha-Verein.
Alle Instanzen sind sich einig
Einen Abzug der Mitgliedsbeiträge für das Fitnessstudio als außergewöhnliche Belastung lehnten das Finanzamt, das Finanzgericht (FG) Niedersachsen und auch der BFH ab.
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio: frei gewähltes Konsumverhalten
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio zählen grundsätzlich nicht zu den als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennenden zwangsläufig entstandenen Krankheitskosten. Denn das mit der Mitgliedschaft einhergehende Leistungsangebot wird auch von gesunden Menschen beansprucht, z. B., um die Gesundheit zu erhalten und die Freizeit sinnvoll zu gestalten.
Die Mitgliedsbeiträge sind der Steuerpflichtigen auch nicht deshalb zwangsläufig erwachsen, weil sie dem Fitnessstudio als Mitglied beitreten musste, um an dem ärztlich verordneten Funktionstraining teilnehmenzu können.
Die Entscheidung, das Funktionstraining in dem Fitnessstudio zu absolvieren, ist in erster Linie Folge eines frei gewählten Konsumverhaltens, das nach Ansicht des BFH eine steuererhebliche Zwangsläufigkeit nicht begründen kann.
Zudem steht dem Abzug der Mitgliedsbeiträge entgegen, dass die Steuerpflichtige hierdurch die Möglichkeit erhielt, auch weitere Leistungsangebote (jenseits des medizinisch indizierten Funktionstrainings) zu nutzen. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerpflichtige (wie von ihr vorgetragen) hiervon keinen Gebrauch gemacht hat.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 1/23
| Auch wenn noch unklar ist, ob die Ansprüche wegen der Reparaturkosten dem Leasinggeber oder dem Leasingnehmer zustehen, ergibt sich dessen schützenswertes Interesse an einer Feststellungsklage aus dem zu erwartenden Ausfallschaden während der Reparatur. So entschied es das Landgericht (LG) Halle. Denn das Gutachten weise vier Arbeitstage für die Reparatur aus. |
Haftung dem Grunde nach sollte geklärt werden
Wegen des streitigen Unfallhergangs wollte der Leasingnehmer zunächst die Haftung dem Grunde nach klären. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung reicht es für das Feststellungsinteresse aus, wenn sich in der Zukunft Schäden ergeben können.
Keine Leistungsklage erforderlich
Soweit Nutzungsausfall streitig ist, müsse ein Geschädigter bei einer noch nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung die Klage nicht zu einer Leistungsklage wegen der bereits entstandenen Schäden und einer Feststellungsklage wegen zukünftiger Schäden aufteilen.
Quelle | LG Halle, Urteilvom 10.10.2024, 4 O 224/24
| Aktuell sind betrügerische E-Mails im Umlauf, die vorgeben, vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu stammen. Die Empfänger werden darüber informiert, dass ihnen angeblich ein Bescheid zugesandt wurde und aufgefordert, eine offene Steuerschuld zu begleichen. Hierfür soll ein Link geöffnet werden, um weitere Informationen zu erhalten. |
Sollten Steuerpflichtige eine solche E-Mail erhalten haben, empfiehlt das BZSt in einer Mitteilung vom 26.2.2025, den Link nicht zu öffnen und die verdächtige E-Mail unverzüglich zu löschen. Weitere Informationen – u. a. die maßgeblichen Textbausteine – sind unter www.iww.de/s12547 aufgeführt.
| Wird ein erkranktes Tier von Dritten zum Tierarzt gebracht, haftet der Tierhalter für die Kosten der Notbehandlung. So sieht es das Amtsgericht (AG) München. |
Halterin nicht über Eingriff informiert
Die Beklagte ist Tierhalterin eines Katers mit den Namen Rocky. Rocky war im Mai 2022 für einige Tage abwesend und kam nicht nach Hause. Am 16.5.2022 fand eine unbekannte Person den Kater in einem bewusstlosen Zustand auf und alarmierte eine Münchener Tierrettung, die den Kater als Notfall in eine Münchener Tierklinik einlieferte. Dort wurde Rocky als Notfall tierärztlich behandelt. Da der Kater in ein Haustierzentralregister eingetragen war, konnte die Halterin des Katers verständigt werden. Diese holte Rocky am nächsten Tag ab. Durch die Behandlung waren Kosten in Höhe von 565,31 Euro entstanden, deren Übernahme die Beklagte jedoch ablehnte, da sie nicht zuvor informiert worden sei und sie Rocky zu seinem üblichen Tierarzt hätte bringen wollen.
Klage auf Zahlung der Rechnung
Die Tierklinik trat ihre Forderung an ein Abrechnungsbüro ab, das die Beklagte vor dem AG auf Zahlung der Rechnung verklagte. Das AG gab der Klage statt und verurteilte die Halterin zur Zahlung. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Forderung wirksam an die Klägerin abgetreten war, dass die Behandlung, wie behauptet, stattfand und die Kosten auch angemessen waren.
„Fremdes Geschäft“ besorgt
Zur Kostentragungspflicht der Beklagten führte es aus, dass die Tierklinik durch die Behandlung des Katers der Beklagten ein sogenanntes „fremdes Geschäft“ besorgt hat. Es handele sich bei der tierärztlichen Versorgung um ein fremdes Geschäft, da das Tier zwar auch aus eigener tierärztlicher Verpflichtung behandelt wurde, die Übernahme der Behandlung ihrer äußeren Erscheinung nach aber auch der Beklagten als Tierhalterin zugute kam. Denn die Behandlung ihres kranken Tieres ist bereits der äußeren Erscheinung nach dem Rechts- und Interessenkreis der Beklagten zuzuordnen.
Auch der Vortrag der Beklagten, sie hätte rechtzeitig über die Einlieferung des Katers informiert werden müssen, verfängt laut AG nicht. Soweit hiermit auf eine sog. „Nebenpflichtverletzung“ abgestellt werden soll, stehe dem entgegen, dass die Behandlungen des Katers nach den Zeugenaussagen, in Übereinstimmung mit der Behandlungsdokumentation, als Notfallmaßnahmen erfolgt seien.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 30.8.2024, 161 C 16714/22, PM 36/24
| Wer als Schüler über Monate den Datenbestand seiner Schule ausspioniert und verändert, darf in eine andere Schule überwiesen werden. Diese Schulordnungsmaßnahme hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren gebilligt. |
Schüler drang widerrechtlich in Schul-IT ein
Der Antragsteller besuchte bislang das 3. Kurshalbjahr der gymnasialen Oberstufe eines Berliner Gymnasiums. Zusammen mit zwei Mitschülern hatte er im letzten Schuljahr zunächst einen schulischen Rechner so präpariert, dass das nächste eingegebene Passwort protokolliert wurde. So erlangte das Trio das Administratorpasswort, um im Anschluss einen sog. „Keylogger“ zu installieren, der das Protokollieren aller eingegebenen Passwörter ermöglichte. Hierdurch konnten sie interne Informationen im geschützten Lehrerkanal mitlesen und organisatorische Daten der Schulleitung abrufen. Daraufhin beschloss die Schulaufsicht nach Anhörung der Schulkonferenz, den Antragsteller in eine andere Schule desselben Bildungsgangs zu überweisen.
Schwerste Ordnungsmaßnahme verhängt
Der hiergegen gerichtete Eilantrag hatte keinen Erfolg. Das VG hat die Entscheidung als für einen schulpflichtigen Schüler schwerste Ordnungsmaßnahme des Berliner Schulgesetzes gebilligt. Nach diesem Gesetz könnten Ordnungsmaßnahmen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit getroffen werden, wenn ein Schüler die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit beeinträchtigte oder andere am Schulleben Beteiligte gefährde, soweit Erziehungsmaßnahmen nicht zu einer Konfliktlösung geführt haben oder keine Aussicht auf Erfolg versprächen.
Diesen Vorgaben entspreche die getroffene Ordnungsmaßnahme, die sich im Rahmen des der Schule zustehenden pädagogischen Beurteilungsspielraums halte. Nach diesem Maßstab sei die Entscheidung nicht zu beanstanden. Das Vorgehen des Antragstellers stelle sich als schweres Fehlverhalten dar. Ein über Monate dauerndes Ausspionieren des Datenbestands der Schule beeinträchtige die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit. Der Antragsteller sei mit krimineller Energie vorgegangen, weshalb das schulische Vertrauen in die Integrität des Antragstellers nachhaltig und irreparabel zerstört worden sei. Angesichts der Schwere des Fehlverhaltens des Antragstellers mit einer mehrere Monate währenden Verletzung der Datenschutzbelange und der Privatsphäre von Lehrkräften und der Schülerschaft habe die Schule den Schulwechsel nicht – wie das Gesetz dies im Regelfall vorschreibe – zuvor schriftlich androhen müssen.
Die Maßnahme, so das VG, sei auch unter Würdigung des Umstands verhältnismäßig, dass der Antragsteller sich in seinem letzten Schuljahr vor dem Abitur befinde und die ersten Abiturprüfungen bereits in wenigen Monaten anstehen, weil er sich gegenüber den Vorwürfen völlig uneinsichtig gezeigt habe.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 13.11.2024, VG 3 L 610.24, PM 30/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über die Rückzahlung von Bankentgelten entschieden, die aufgrund einer unwirksamen Zustimmungsfiktionsklausel vereinbart werden sollten. Sein Urteil ist verbraucherfreundlich. |
Das war geschehen
Der Kläger begehrt Rückzahlung von geleisteten Kontoführungsentgelten und Gebühren für eine Girokarte. Nach einer in den AGB der beklagten Sparkasse enthaltenen unwirksamen Regelung gilt die Zustimmung des Kunden zu angebotenen Änderungen von Vertragsbedingungen oder Entgelten für Bankleistungen als erteilt, wenn der Kunde der Beklagten seine Ablehnung nicht innerhalb einer bestimmten Frist anzeigt (Zustimmungsfiktionsklausel).
Die beklagte Sparkasse informierte den Kläger im Oktober 2017 darüber, dass für dessen zwei Girokonten ab dem 1.1.2018 Kontoführungsentgelte und Gebühren für eine Girokarte zu zahlen seien. Daraufhin kündigte der Kläger eines der Girokonten. Die Beklagte erhob ab dem 1.1.2018 eine Grundgebühr für die Führung des anderen Girokontos in Höhe von monatlich 3,50 Euro und eine Gebühr für eine SparkassenCard in Höhe von jährlich 6 Euro. Der Kläger stimmte diesen Änderungen der Bedingungen nicht aktiv zu. Die Beklagte buchte die Entgelte in der Folgezeit vom Konto des Klägers ab. Im Juli 2021 widersprach dieser der Erhebung der Entgelte. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung der in den Jahren 2018 bis 2021 erhobenen Entgelte in Höhe von insgesamt 192 Euro sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger jeden weiteren künftigen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Einziehung nicht vereinbarter Bankentgelte nach dem Jahr 2021 entstehe.
Das Amtsgericht (AG) und das Landgericht (LG) haben die Klage abgewiesen.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 192 Euro zu zahlen. Der Kläger erhält die Kontoführungsentgelte und das Entgelt für die Girokarte zurück.
Der Kläger hat einen Rückzahlungsanspruch, weil die Beklagte die Entgelte ohne Rechtsgrund vereinnahmt hat. Er hat der von der Beklagten beabsichtigten Änderung der Entgeltbedingungen nicht bloß durch die fortgesetzte Nutzung des Girokontos zugestimmt. Die fortlaufende Nutzung eines Girokontos hat keinen objektiven Erklärungswert dahin, dass der Wille des Kontoinhabers neben dem Willen, einen konkreten Kontovorgang auszulösen, auch die Zustimmung zu geänderten Kontobedingungen der Sparkasse oder Bank umfasst. Der Zugang zu einem Girokonto ist in der Regel eine unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme am unbaren Zahlungsverkehr und von essenzieller Bedeutung für die uneingeschränkte Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben. Die Nutzung des Girokontos allein ist deshalb kein Ausdruck des Einverständnisses mit der Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Sparkasse oder Bank, sondern entspricht lediglich den Erfordernissen und Gewohnheiten des modernen Geschäfts- und Wirtschaftsverkehrs im Alltag.
Die von der Beklagten erhobenen Entgelte sind auch nicht durch eine Fiktion der Zustimmung des Klägers zu den geänderten Kontobedingungen entstanden. Eine Klausel in den Geschäftsbedingungen von Banken und Sparkassen, die eine solche Fiktion vorsieht, ist im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam.
Auch der Umstand, dass der Kläger die von der Beklagten erhobenen Entgelte über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren widerspruchslos gezahlt hat, führt nicht dazu, dass die Sparkasse die Entgelte behalten darf, so der BGH.
Quelle | BGH, Urteil vom 19.11.2024, XI ZR 139/23, PM 219/24
| Eine im Wohnraummietvertrag vereinbarte Indexklausel, die ausschließlich eine Erhöhungsmöglichkeit vorsieht, kann nach Ansicht des Landgerichts (LG) Berlin II weder individual- noch formularvertraglich vereinbart werden. |
Nachteilsverbot beachten
Den Mietvertragsparteien sei nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 557 b Abs. 1 BGB) die Vereinbarung einer näher definierten Indexmiete gestattet, allerdings nicht in Gestalt einer „upwards only“-Klausel. Das Verbot einer den Vermieter begünstigenden Einseitigkeitsklausel (sog. Nachteilsverbot) ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut. Der Gesetzgeber habe sich aber von einem entsprechenden Motiv leiten lassen, also bei fallendem Index müsse eine entsprechende Mietabsenkungsmöglichkeit eröffnet sein.
Vermieterseitige Allgemeine Geschäftsbedingung
Im Streitfall ergab sich bereits aus der Erscheinungsform des Textes und seinem Regelungsinhalt, dass es sich um von der Vermieterseite gestellte AGB handelte. In Anwendung der Unklarheitenregelung in § 305 c Abs. 2 BGB war die Vertragsbedingung als eine den Mieter unangemessen benachteiligende Einseitigkeitsklausel zu werten. Aber auch eine „im Einzelnen ausgehandelte “Individualvereinbarung sei angesichts des o. g. Nachteilsverbots unzulässig, so das LG.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 20.6.2024, 67 S 83/24
| Ein Mieter einer Dachgeschosswohnung entsorgte über sein Fenster Essensreste in eine Dachrinne. Das Amtsgericht (AG) Hannover hat entschieden: Der Mieter muss seine Wohnung räumen. |
Dachrinne durch Müll verstopft
Über sein Wohnungsfenster entsorgte der Mieter u. a. Nudeln, Fleisch, Gewürzgurken und Knochen. Die entsorgten Essensreste landeten in der Dachrinne und verstopften diese. Der Säuregehalt der Essenreste beschädigte die Dachrinne.
Vermieter kündigte zweimal
Die Vermieterin mahnte zunächst ab. Danach kündigte sie gegenüber dem rechtlichen Betreuer des Mieters fristlos und ordentlich.
Zudem installierte der Mieter durch einen mit einem Gitter geschützten Schacht im Bordstein eine Stromleitung für sein Mofa. Die Vermieterin kündigte daraufhin erneut.
Mietvertragliche Pflichten erheblich verletzt
Das AG überzeugte sich vor Ort, dass die Essensreste nur vom Mieter stammen können. Das Dachfenster befindet sich nur einen Meter von der Dachrinne entfernt. Andere Fenster oder Zugänge sind nicht in erreichbarer Nähe. Die Dachrinne war nur an der Stelle der gelagerten Essensreste beschädigt. Insoweit hat der Mieter durch die wiederholte Entsorgung von Essensresten über sein Wohnungsfenster die Mietsache beschädigt und damit seine mietvertraglichen Pflichten erheblich schuldhaft verletzt, sodass der Kündigungsausspruch nach gerichtlicher Überzeugung auch von einem Kündigungsgrund getragen war. Das AG gewährte dem Mieter über die noch andauernde Kündigungsfrist zum Auszug von sechs Wochen eine darüber hinausgehende Räumungsfrist von dreieinhalb Monaten.
Ein Antrag auf Räumungsschutz wurde mittlerweile zurückgewiesen.
Quelle | AG Hannover, Urteil vom 11.1.2024, 510 C 5216/23, PM vom 29.10.2024
| Das Oberlandesgericht (OLG) München hat jetzt entschieden: Ein handschriftliches Testament ist formunwirksam, wenn der Bedachte durch einen maschinenschriftlichen Adressaufkleber benannt werden soll. |
Ungewöhnliche Gestaltung einer vermeintlichen letztwilligen Verfügung
Neben den letzten beiden Zeilen in der rechten unteren Ecke eines Briefumschlags, auf dem eine letztwillige Verfügung stehen soll, befindet sich ein Adressaufkleber des Beschwerdeführers, der einen Alleinerbschein beantragt hat. Zwischen den Wörtern „Rest dir“ und dem Adressaufkleber befindet sich ein Pfeil, der auf den Namen des Beschwerdeführers weist. Die (vermeintliche) Unterschrift der Erblasserin befindet sich oberhalb dieses Adressaufklebers neben dem Wort „Schultertuch“.
Oberlandesgericht erkennt das Schriftstück mangels Schriftform nicht an
Das Schriftstück stelle schon keine wirksame Verfügung von Todes wegen dar, weil es nicht durchgängig handschriftlich verfasst wurde. Bei dem auf dem Schriftstück angebrachten Pfeil handele es sich um ein Symbol und damit nicht um Schrift. Hinsichtlich des Pfeils ist eine Überprüfung der Urheberschaft von vornherein ausgeschlossen.
Auch der Adressaufkleber, auf dem sich Name und Anschrift des Beschwerdeführers befinden, wahre nicht die vom Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehene Form (hier: § 2247 Abs. 1 BGB).
Quelle | OLG München, Urteil vom 23.7.2024, 33 Wx 329/23
| Ein Schwiegersohn ist zur Rückzahlung eines sechsstelligen Darlehens an seine Schwiegereltern verpflichtet. So entschied es das Landgericht (LG) Frankfurt am Main. Es hat dabei klargestellt, dass ein im familiären Umfeld überlassener größerer Geldbetrag im konkreten Fall keine reine Gefälligkeit darstellt und ein Rechtsanspruch auf Rückzahlung besteht. |
Schwiegersohn benötigte Geld und bekam es von den Schwiegereltern
Der später beklagte Schwiegersohn benötigte Geld, um ein geerbtes Wohnhaus erhalten zu können. Seine Bank hatte ihm bereits einen Kredit gekündigt. Um ihn zu unterstützen, nahmen seine Schwiegereltern ihrerseits ein Darlehen in Höhe von 250.000 Euro auf und lösten damit die Restschuld des Schwiegersohns aus dessen Kredit ab. Man war sich darüber einig, dass der Schwiegersohn Zinsen und Tilgung tragen sollte. So geschah es auch über mehrere Jahre hinweg.
Ehe wurde geschieden
Zwischenzeitlich wurde die Ehe des Schwiegersohns mit der Tochter der Schwiegereltern jedoch geschieden. Der Schwiegersohn stellte einige Zeit später seine Zahlungen mit der Begründung ein, er könne die finanzielle Belastung wegen der Unterhaltszahlungen an seine Exfrau nicht mehr tragen. Die ehemaligen Schwiegereltern verlangten von ihm jedoch die Zahlung des noch offenen Darlehensbetrags von rund 190.000 Euro.
Landgericht: kein freiwilliges Vermögensopfer der Schwiegereltern
Das LG gab der Klage der Schwiegermutter statt. Es folgte nicht der Argumentation des Schwiegersohns, die finanzielle Unterstützung durch seine ehemaligen Schwiegereltern sei ein freiwilliges Vermögensopfer, denn sie sei im familiären Raum wegen der schwierigen Lage der jungen Eheleute erfolgt.
Das LG stellte in seinem Urteil vielmehr fest, dass die Schwiegereltern und der Schwiegersohn ihrerseits mündlich einen Darlehensvertrag geschlossen hatten. Das Gericht führte aus: „Ob ein Vertrag geschlossen wurde, hängt maßgeblich vom Rechtsbindungswillen der Parteien ab. Bei einem sog. reinen Gefälligkeitsverhältnis fehlt der Rechtsbindungswille.“ Und weiter: „Die Parteien handeln bei einem Gefälligkeitsverhältnis (…) ausschließlich aus gesellschaftlicher Gefälligkeit, also aus Freundschaft, Kollegialität, Nachbarschaft oder sonstigem Altruismus.“
Zwar seien die Abreden hier im engen Familienkreis erfolgt, was für eine reine Gefälligkeit sprechen könne. Allerdings handelte es sich nach Ansicht des LG bei der Gewährung eines derart hohen Betrags keinesfalls um eine Gefälligkeit des täglichen Lebens. Auch die Interessenlage spreche für einen Rechtsbindungswillen. Denn das Risiko der Klägerin und ihres Ehemanns sei ganz erheblich gewesen.
Für den Schwiegersohn habe zudem die Gefahr bestanden, ohne die Gewährung des Geldbetrags sein Haus und damit sein Heim zu verlieren. Hinzu komme, dass der Beklagte selbst eingeräumt habe, dass die Parteien eine Schenkung des Geldes nicht gewollt hätten. Nachdem die Schwiegereltern den mündlich mit ihrem ehemaligen Schwiegersohn geschlossenen rechtsverbindlichen Darlehensvertrag gekündigt hatten, stünde ihnen ein Rückzahlungsanspruch zu.
Quelle | LG Frankfurt, Urteil vom 28.11.2024, 2-23 O 701/23, PM vom 19.12.2024
| Die Kündigung eines nach dem 31.12.2017 geschlossenen Architektenvertrags bedarf der Schriftform. Das regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (hier: §§ 650 q, 650 h BGB). Eine formwidrige Kündigung ist allerdings folgenlos, wenn die andere Partei die Kündigung hinnimmt. Es ist dann in der Regel eine stillschweigende Vertragsaufhebung anzunehmen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt klargestellt. |
Das OLG sagt aber auch: Ruft der Auftraggeber über einen längeren Zeitraum keine weiteren Planungs- und Beratungsleistungen beim Auftragnehmer ab, kann darin keine Kündigung gesehen werden.
Quelle | OLG Frankfurt, Urteil vom 11.5.2023, 22 U 19/22, rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde, BGH, Beschluss vom 15.5.2024, VII ZR 118/23
| Kann das Honorar für Planungsaufträge für Baumaßnahmen und Anlagen, die in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) nicht beschrieben sind, frei vereinbart werden? Gilt die HOAI dann nicht? Antworten hierzu lieferte jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg. |
Das war geschehen
Ein Ententeich sollte von einem stehenden Gewässer zu einer wasserwirtschaftlichen Anlage umgewidmet werden. Der bereits im Verlauf eines Trennsystems genutzte Teich sollte als künftiger Retentionsraum genutzt werden. Die Parteien stritten über die Berücksichtigung eines Umbauzuschlags. Der Auftraggeber meinte, dass ein Objekt i. S. d. HOAI 2013 vorhanden sein müsse, andernfalls sei ein Umbau nicht möglich. Hier läge jedoch kein solches „Objekt“ vor. Daher sei ein Umbauzuschlag ausgeschlossen. Daran ändere auch nichts, dass der Teich durch Menschenhand geschaffen worden sei.
So sah es das Oberlandesgericht
„Objekt“ oder nicht „Objekt“ – das war hier die Frage. Das OLG stützte sich zur Beantwortung auf ein Gerichtsgutachten. Der Sachverständige hatte festgestellt, dass der Ententeich von der Beklagten schon über einen längeren Zeittraum zur Ableitung von Mischwässern genutzt würde und überschüssige Wässer über ein Mönchsbauwerk in ein nahe gelegenes Gewässer abgeleitet werden. Es handele sich deshalb um eine ungenehmigte Anlage des Wasserbaus. Das Gericht bewilligte daher den Umbauzuschlag. Es handele sich um ein Ingenieurbauwerk (Anlage des Wasserbaus). Zwar würde durch die Planung nicht in die Konstruktion des Teichs eingegriffen, wohl aber in den Bestand. Dieser sei wesentlich, weil aus einer Anlage des Wasserbaus eine Anlage der Abwasserentsorgung entstehen sollte (Nutzungsänderung). Denn der Teich sollte bei dem umzustellenden Mischsystem in ein Trennsystem künftig nur noch den kontrollierten Abfluss von Regenwasser sicherstellen.
Das OLG: Durch die geplante Vertiefung des Teichs werde zwar auch in die Konstruktion eingegriffen. Die Wesentlichkeit dieses Eingriffs sei aber nicht vorgetragen worden, sodass sich das Wesentlichkeitskriterium nicht prüfen ließ. Wesentlich sei ein Eingriff, wenn er gegenüber dem Bestand einen Anteil von 10 bis 20 Prozent der Substanz ausmacht.
Quelle | OLG Naumburg, Urteil vom 16.5.2024, 2 U 96/23
| Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat einem Mann den Erlass der Grundsteuer verwehrt, obwohl er herangezogen worden war, ein Baudenkmal zu erhalten. |
Für den Erhalt eines Fachwerkhauses begehrte der Kläger Grundsteuererlass
Der Kläger erwarb im Jahr 2012 ein Grundstück, das mit einem barocken Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert bebaut ist. Für dieses zog ihn die beklagte Ortsgemeinde für das Kalenderjahr 2022 zur Zahlung von Grundsteuer B in Höhe von 110,60 Euro heran. Der Kläger beantragte daraufhin den Erlass der Grundsteuer, weil die Erhaltung des Gebäudes wegen seiner Denkmaleigenschaft im öffentlichen Interesse liege und für ihn unrentabel sei.
Den Antrag des Klägers auf Erlass der Grundsteuer lehnte die Beklagte ab. Insbesondere habe der Kläger die Unrentabilität des Gebäudes nicht hinreichend belegt.
Erfolgloser Widerspruch
Hiergegen wandte sich der Kläger zunächst erfolglos mittels Widerspruch und dann mit seiner Klage. Er habe denkmalschutzbedinge Sanierungsmaßnahmen vorgenommen, unter anderem das Fachwerk freigelegt. Ohne die Denkmaleigenschaft hätte er das Gebäude abgerissen und das Grundstück anderweitig verwertet. Es seien zudem Rückstellungen für weitere Sanierungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Aus Rentabilitätsgründen habe er überwiegend Eigenleistungen erbracht. Er erziele inzwischen Mieteinnahmen in angemessener Höhe, dennoch sei ihm ein Verlust entstanden.
Verwaltungsgericht sah Voraussetzungen für Erlass nicht gegeben
Die Klage hatte keinen Erfolg. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Grundsteuererlass für das Jahr 2022, so das VG. Das Grundsteuergesetz (hier: § 32 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 GrStG) sehe dies nur für Grundbesitz vor, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liege, wenn die erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile (Rohertrag) in der Regel unter den jährlichen Kosten lägen. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Zwar bestehe ein öffentliches Interesse am Erhalt des Fachwerkhauses des Klägers. Der Grundbesitz sei jedoch nicht unrentabel. Der Kläger habe in erster Linie im weitaus überwiegenden Umfang Kosten aufgewendet, um das Gebäude im Sinne seiner eigentlichen Bestimmung – zu Wohnzwecken – zu ertüchtigen. Es sei deshalb prognostisch nicht davon auszugehen, dass der Grundbesitz – was für einen Grundsteuererlass vorausgesetzt wird – dauerhaft unrentabel sei. Eine valide Bewertung der Unrentabilität sei zudem nicht möglich, weil der Kläger nicht alle dazu benötigten Unterlagen vorgelegt habe.
Schließlich fehle es jedenfalls an der erforderlichen Kausalität zwischen (unterstellter) Unrentabilität und öffentlichem Erhaltungsinteresse. Denn der Kläger habe das Gebäude in Kenntnis des Sanierungsbedarfs zum Marktwert erworben. Das Gebäude sei wegen seines mehr oder weniger veralteten und teilweise maroden Zustands sanierungsbedürftig gewesen, nicht aufgrund der Denkmaleigenschaft.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 25.6.2024, 5 K 172/24.KO, PM 16/24
| Gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sind u. a. Beschäftigte im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Ein solches Beschäftigungsverhältnis kann auch bei einem 15-jährigen Spieler einer Juniorenmannschaft eines Fußball-Bundesliga-Vereins mit einem „Fördervertrag“ vorliegen. So entschied es das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg. |
Komplexe Verletzung beim Ligaspiel
Ein damals 15-jähriger Fußballer erlitt in einem Spiel derfrüheren B-Junioren-Bundesliga im Herbst 2020 eine komplexe Läsion des Außenmeniskus und musste sich einer Operation und einer langwierigen Nachbehandlung unterziehen. Der 15-Jährige hatte, vertreten durch seine Eltern, einen „Fördervertrag“ als Vertragsspieler im Sinne der „Spielordnung“ des DFB unterschrieben und war in das Leistungszentrum des Vereins aufgenommen worden. Er unterwarf sich darin umfangreichen Verpflichtungen, insbesondere zur Teilnahme an allen Trainings und allen Spielen, ohne einen Anspruch auf Spieleinsatz zu haben. Auch hatte er etwa am dritten Tag einer Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche AU-Bescheinigung einzureichen. Es waren ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen im Jahr und ein „monatliches Grundgehalt“ von 251 Euro vereinbart.
Berufsgenossenschaft: kein Arbeitsunfall
Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, denn der Spieler sei nicht unfallversichert gewesen. Auch Verträge wie hier könnten jedenfalls vor dem 16. Geburtstag des Spielers kein Beschäftigungsverhältnis begründen. Außerdem sei das vereinbarte Gehalt so niedrig, dass es keine adäquate Gegenleistung, sondern allenfalls eine Aufwandsentschädigung darstelle.
Landessozialgericht gab Spieler Recht
Nachdem in erster Instanz vor dem Sozialgericht (SG) die Berufsgenossenschaft obsiegt hatte, hat nun im Berufungsverfahren das LSG dem Spieler Recht gegeben und ein Beschäftigungsverhältnis und damit einen Arbeitsunfall bejaht. Der „Fördervertrag“ gehe weit über die Pflichten eines bloßen Vereinsmitglieds hinaus und entspreche eher einem Arbeitsvertrag. Ausschlaggebend für diese Einordnung waren die umfassenden Verpflichtungen des jungen Mannes, die Regelungen zu Arbeitsunfähigkeit und Urlaub sowie das vereinbarte „Grundgehalt“, das ausdrücklich als einkommensteuerpflichtig bezeichnet wurde und auch über der steuerfreien „Übungsleiterpauschale“ nach dem Einkommensteuerrecht lag.
Verbotene Kinderarbeit nicht gegeben
Dass der Spieler bei dem Unfall noch keine 16 Jahre alt war, stand der Einstufung als „Beschäftigter“ nicht entgegen. Insbesondere lag keine verbotene Kinderarbeit vor, weil er die Vollzeitschulpflicht nach baden-württembergischem Landesrecht erfüllt hatte. Ebenso schließen die Regelungen des DFB nicht aus, dass bereits ein 15-jähriger Fußballspieler ein Beschäftigter ist. Zwar kann er frühestens ab dem 16. Geburtstag eine Spielerlaubnis für eine Lizenzmannschaft oder erste Herrenmannschaft erhalten. Diese bloße Möglichkeit ändert aber nicht die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere, wenn der Spieler mitten in einer laufenden Saison 16 wird. Sie schließt nicht aus, dass schon zuvor eine Beschäftigung vorlag. Für die Entscheidung war danach nicht die Grenze zu den Lizenzmannschaften maßgeblich, sondern die Grenze zwischen Vereinsamateuren und Vertragsspielern.
Die Entscheidung des LSG, wenn sie rechtskräftig wird, bedeutet, dass die zuständige Berufsgenossenschaft den Unfall entschädigen muss. Denn es handelt sich um einen Unfall infolge einer versicherten Tätigkeit und damit um einen Arbeitsunfall.
Quelle | LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.1.2025, L 9 U 3318/23, PM des LSG
| Das Verschenken von Geschäftsanteilen an leitende Mitarbeiter zur Sicherung der Unternehmensnachfolge führt nicht ohne Weiteres zu steuerpflichtigem Arbeitslohn bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. So lautet eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Beachten Sie | Wird eine Mitarbeiterbeteiligung nicht zum Marktpreis übertragen, liegt der geldwerte Vorteil in der gegenüber dem marktüblichen Preis bestehenden verbilligten Übertragung. Arbeitslohn setzt aber weiter voraus, dass der Vorteil dem Arbeitnehmer „für“ seine Arbeitsleistung gewährt wird.
Das war geschehen
Die Arbeitnehmerin war seit vielen Jahren in der Führungsebene eines kleineren Unternehmens tätig. Da der Sohn der Gründungsgesellschafter als Nachfolger ausschied, beschlossen sie, die Leitung des Unternehmens zur Sicherung der Unternehmensfortführung in die Hände der Arbeitnehmerin und der weiteren Mitglieder der Führungsebene zu legen. Hierzu übertrugen sie jeweils 5,08 % der Anteile schenkweise an die Arbeitnehmerin sowie vier weitere Personen.
Finanzamt und gerichtliche Instanzen unterschiedlicher Auffassung
Das Finanzamt sah den in der Übertragung liegenden geldwerten Vorteil als Arbeitslohn an und unterwarf diesen der Besteuerung. Demgegenüber entschied das Finanzgericht (FG) Sachsen-Anhalt, dass sich der Vorteil aus der Übertragung der Gesellschaftsanteile nicht als Ertrag der nichtselbstständigen Arbeit der Angestellten darstellt. Dies hat der BFH nun bestätigt.
Regelung der Unternehmensnachfolge stand im Vordergrund
Auch, wenn die Anteilsübertragung mit dem Arbeitsverhältnis der Angestellten zusammenhängt, ist sie durch dieses nicht (maßgeblich) veranlasst. Denn entscheidendes Motiv für die Übertragung war für alle Beteiligten erkennbar die Regelung der Unternehmensnachfolge.
Beachten Sie | Der in der schenkweisen Übertragung aus gesellschaftsrechtlichen Gründen liegende Vorteil stellt in dieser Situation keine Entlohnung der leitenden Mitarbeiter für in der Vergangenheit erbrachte oder in Zukunft zu erbringende Dienste dar.
Als maßgebliche Indizien gegen Arbeitslohn sah der BFH auch folgende Aspekte an:
- Die Anteilsübertragung war im Streitfall nicht an den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geknüpft.
- Der vom Finanzamt angenommene Vorteil fiel im Vergleich zu den Bruttoarbeitslöhnen der Beschenkten deutlich aus dem Rahmen.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.11.2024, VI R 21/22, PM 4/25 vom 16.1.2025
| Seit dem 1.1.2025 kann die Kleinunternehmerregelung auch erstmalig im EU-Ausland in Anspruch genommen werden. Die Voraussetzungen hierfür regelt das Umsatzsteuergesetz (hier: § 19 a UstG: „Besonderes Meldeverfahren für die Anwendung der Steuerbefreiung in einem anderen Mitgliedstaat“). Weitere Informationen finden interessierte Unternehmer auch im Onlineportal des für dieses Verfahren zuständigen Bundeszentralamts für Steuern (BZSt). |
Von inländischen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze sind von der Umsatzsteuer befreit. Im Zuge des Jahressteuergesetzes 2024 erfolgten viele Anpassungen am bisherigen System. Zudem kann die Kleinunternehmerregelung nun auch erstmals im EU-Ausland beansprucht werden (sogenannte Europäische-Kleinunternehmerregelung, kurz EU-KU-Regelung).
In Deutschland ansässige Unternehmer, die an der EU-KU-Regelung teilnehmen möchten, müssen ihre Teilnahme beim BZSt elektronisch beantragen. In diesem Antrag kann der Unternehmer sich für die Regelung registrieren und auswählen, in welchen EU-Mitgliedstaaten er die Regelung in Anspruch nehmen möchte.
Beachten Sie | Für die Antragstellung in Deutschland steht ausschließlich das Onlineportal des BZSt zur Verfügung.
Die Teilnahme an der Regelung ist ab dem Tag möglich, an dem der Unternehmer für die EU-KU-Regelung durch das BZSt zugelassen und damit zum Verfahren registriert wird.
Für die EU-KU-Regelung registrierte Unternehmer können nur im Onlineportal des BZSt Anpassungen zu Registrierung und Teilnahme an der EU-KU-Regelung vornehmen, z. B. Registrierungsdaten ändern, Umsatzmeldungen übermitteln und sich vom Verfahren abmelden.
Quelle | BZSt
| Das Verwaltungsgericht (VG) Osnabrück hat den Antrag der Betreiberin eines „Automatenshops“ auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer noch anhängigen Klage abgelehnt. Hintergrund ist eine Anordnung der Stadt Papenburg, nach der die Antragstellerin ihre in dem „Automatenshop“ befindlichen Verkaufsautomaten an Sonn- und Feiertagen höchstens drei Stunden außerhalb der ortsüblichen Gottesdienstzeiten betreiben darf. |
„Automatenshop“ mit elf Automaten
Der streitgegenständliche „Automatenshop“ verfügt über elf Automaten, die Rauchwaren, Hygieneartikel, alkoholfreie und alkoholhaltige Getränke sowie Snacks anbieten. Außerdem befinden sich in dem Raum, der durchgehend zugänglich und videoüberwacht ist, ein Kaffee‑, ein Box- und ein Schlagkraftautomat („Hau den Lukas“) sowie ein Airhockeytisch.
Die Stadt Papenburg meint, dass der „Automatenshop“ hinsichtlich der Öffnungszeiten den Regelungen des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten (NLöffVZG) unterliege. Folglich müsse sich die Antragstellerin an das grundsätzliche Verbot der Sonn- und Feiertagsöffnung halten. Die Behörde ordnete die sofortige Vollziehung ihrer Anordnung an. Der hiergegen gerichtete Eilantrag hatte keinen Erfolg.
Anordnung wohl rechtmäßig
Das VG folgte hier dem Vortrag der Antragsgegnerin. So sei die o. g. Anordnung voraussichtlich rechtmäßig. Zwar falle ein einzelner Warenautomat nicht unter die Regelungen des NLöffVZG. Der streitgegenständliche „Automatenshop“ mit elf Warenautomaten sei allerdings als Verkaufsstelle im Sinne des § 1 Abs. 1 Alt. 1, § 2 Abs. 1 S. 1 NLöffVZG anzusehen. So sei der Shop eine Einrichtung, in der von einer festen Stelle aus ständig Waren verkauft werden. Nach § 2 Abs. 1 S. 2 NLöffVZG gehören zu Verkaufsstellen außer Ladengeschäften aller Art auch Kioske. Einem solchen ähnele der „Automatenshop“.
Sonn- und Feiertagsruhe beeinträchtigt
Es sei hier unerheblich, dass kein persönlicher Verkauf stattfinde. Die grundgesetzlich geschützte Sonn- und Feiertagsruhe sei durch das Angebot dennoch beeinträchtigt. Der Niedersächsische Gesetzgeber habe – bisher – nicht deutlich gemacht, dass automatisierte oder digitale Verkaufsstellen nicht unter diese Regelung fallen sollen.
Weitere Anordnung
Die Stadt Papenburg hatte darüber hinaus mit einer weiteren Anordnung die Antragstellerin aufgefordert, eine Gaststättenanzeige einzureichen, sofern sie über ihre Automaten weiterhin Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle anbiete. Die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme wurde ebenfalls angeordnet. Dem hiergegen eingereichten Eilantrag gab das VG mit weiterem Beschluss statt.
So sei nach der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der streitgegenständliche „Automatenshop“ nicht dem Gaststättengewerbe zuzuordnen. Die Einrichtung vermittele nach Aktenlage vielmehr den Eindruck, dass die weit überwiegende Anzahl der Verkaufsgeschäfte mit dem Ziel der Mitnahme erfolge. Insofern sei der Antragstellerin darin beizupflichten, dass der Raum insbesondere wegen des Fehlens von Sitz- oder Abstellmöglichkeiten im Kern keine Anreize setze, sich längerfristig zum Getränkeverzehr dort aufzuhalten, auch wenn er zudem über Vergnügungsautomaten verfüge.
Quelle | VG Osnabrück, Beschluss vom 14.1.2025, 1 B 61/24 und 1 B 79/24, PM 1/25
| Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden: Wer einen Immobilienkredit nur gegen eine Provision gewährt, muss eindeutig angeben, ob die Provision von der Laufzeit des Kredits abhängig ist oder nicht. Fehlt es an dieser Angabe, ist von der Abhängigkeit von der Laufzeit auszugehen. |
Das kann erhebliche Konsequenzen haben. Die Kreditnehmerin hatte für die Gewährung des Kredits eine Provision zu zahlen. Weit vor dem Ablauf der gewährten Laufzeit zahlte sie den Kredit dann allerdings zurück. Zugleich verlangte sie nun anteilig die Provision zurück – zu Recht, wie der EuGH annahm.
Der EuGH: In der fehlenden Belehrung über den Umstand der Unabhängigkeit der Provision von der Laufzeit liegt eine unangemessene Benachteiligung jedenfalls eines Verbrauchers.
Quelle | EuGH, Urteil vom 17.10.2024, C-76/22
| Gewähren Luftfahrtunternehmen ihren Arbeitnehmern unentgeltlich oder verbilligt Flüge, ist der geldwerte Vorteil daraus zu versteuern. Für die Bewertung gelten besondere Regeln. Ein aktueller koordinierter Ländererlass regelt die Bewertung für 2025. |
Der Wert der Flüge kann grundsätzlich gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 8 Abs. 2 oder Abs. 3 EStG) mit einem Rabattfreibetrag in Höhe von 1.080 Euro im Kalenderjahr ermittelt werden.
Beachten Sie | In den Fällen der Bewertung nach § 8 Abs. 2 EStG können die Flüge mit Durchschnittswerten angesetzt werden. Dabei kommt es u. a. auf die Flugkilometer an und darauf, ob Beschränkungen im Reservierungsstatus bestehen.
Quelle | Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 16.12.2024
| Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung, die der Erblasser bereits zu Lebzeiten an ein Bestattungsunternehmen abgetreten hat, erhöhen als Sachleistungsanspruch der Erben den Nachlass. Im Gegenzug sind jedoch die Bestattungskosten in vollem Umfang als Nachlassverbindlichkeiten steuermindernd zu berücksichtigen. In einem weiteren Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) Folgendes klargestellt: Verzichtet ein Kind gegenüber einem Elternteil auf seinen gesetzlichen Erbteil, hat dieser Verzicht nicht zur Folge, dass beim Versterben des Elternteils die Enkel des Erblassers den Freibetrag i. H. von 400.000 Euro erhalten. Vielmehr erhält der Enkel nur einen Freibetrag i. H. von 200.000 Euro. |
Urteil 1: Bestattungskosten bei Sterbegeldversicherung
Über folgenden Fall musste der BFH jüngst entscheiden: Der Kläger und seine Schwester sind Erben ihrer verstorbenen Tante (Erblasserin). Diese hatte eine Sterbegeldversicherung abgeschlossen und das Bezugsrecht an ein Bestattungsunternehmen zur Deckung ihrer Bestattungskosten abgetreten. Nach dem Tod stellte das Bestattungsinstitut für seine Leistungen einen Betrag i. H. von 11.654 Euro in Rechnung. Davon bezahlte die Sterbegeldversicherung 6.864 Euro.
Das Finanzamt setzte gegen den Kläger Erbschaftsteuer fest und rechnete den Sachleistungsanspruch auf Bestattungsleistungen (6.864 Euro) zum Nachlass. Für die geltend gemachten Nachlassverbindlichkeiten (einschließlich der Kosten für die Bestattung) setzte es nur die Pauschale für Erbfallkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i. H. von 10.300 Euro an. Die nach dem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) Münster als unbegründet zurück.
Der BFH hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Aufgrund der von der Erblasserin abgeschlossenen Sterbegeldversicherung ist ein Sachleistungsanspruch in Bezug auf die Bestattung auf die Erben übergegangen. Dieser fiel (wie das FG zutreffend entschieden hat) in Höhe der Versicherungsleistung von 6.864 Euro in den Nachlass und erhöhte die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer.
Im Unterschied zum FG ist der BFH aber der Meinung, dass die Bestattungskosten nicht nur in Höhe der Pauschale von 10.300 Euro abzugsfähig sind. Sie sind vielmehr in vollem Umfang als Nachlassverbindlichkeiten bei der Bemessung der Erbschaftsteuer steuermindernd zu berücksichtigen. Da die Feststellungen des FG nicht ausreichten, um die Höhe der insgesamt zu berücksichtigenden Nachlassverbindlichkeiten zu bestimmen, wurde das Verfahren zurückverwiesen.
Beachten Sie | Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde der Erbfallkostenpauschbetrag von 10.300 Euro auf 15.000 Euro erhöht. Nach der Gesetzesbegründung soll so ein individueller Kostennachweis in der Mehrzahl der Fälle vermieden werden können. Die Erhöhung gilt für Erwerbe, für die die Steuer ab dem Monat entsteht, der der Gesetzesverkündung folgt.
Urteil 2: Freibeträge
Hintergrund: Je näher das verwandtschaftliche Verhältnis ist, umso höher ist bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer der Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG. So gelten für Kinder 400.000 Euro. Dieser Betrag gilt auch für die Enkelkinder, sofern die Kinder des Erblassers bereits vorher gestorben sind. Bei Enkeln, deren Eltern noch leben, beträgt der Freibetrag 200.000 Euro.
Im Streitfall hatte der Vater des Klägers gegenüber seinem eigenen Vater (dem Großvater des Klägers) vertraglich auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet. Als der Großvater verstarb, wurde sein Enkel gesetzlicher Erbe. Dieser beantragte beim Finanzamt, ihm für die Erbschaft einen Freibetrag i. H. von 400.000 Euro zu gewähren. Das Finanzamt bewilligte aber nur einen Freibetrag i. H. von 200.000 Euro, da sein eigener Vater zwar auf seinen gesetzlichen Erbteil verzichtet hatte, aber beim Tod des Großvaters noch lebte.
Die Klage vor dem FG Niedersachsen war ebenso erfolglos wie die Revision beim BFH.
Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG benennt als Empfänger des höheren Freibetrags „Kinder verstorbener Kinder“. Diese Formulierung ist dahingehend zu verstehen, dass die Kinder des Erblassers tatsächlich verstorben sind. Die Vorversterbensfiktion des § 2346 Abs. 1 S. 2 BGB bewirkt nicht, dass das erbverzichtende Kind als „verstorbenes Kind“ im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG gilt und dessen Abkömmlinge den Freibetrag i. H. von 400.000 Euro erhalten.
Die Freibetragsregelungen sollen die Abkömmlinge der ersten Generation (Kinder) begünstigen. Bei den Enkeln hat der Gesetzgeber die familiäre Verbundenheit nicht als so eng angesehen und gewährt somit einen geringeren Freibetrag (200.000 Euro). Lediglich, wenn die eigene Elterngeneration vorverstorben ist, sieht der Gesetzgeber die Großeltern für das Auskommen der „verwaisten Enkel“ in der Pflicht und gewährt ihnen den höheren Freibetrag von 400.000 Euro.
Beachten Sie | Eine Ausdehnung des höheren Freibetrags auf Kinder, die nur vom Gesetz als verstorben angesehen werden, die aber tatsächlich bei Tod des Großelternteils noch leben, hat der Gesetzgeber nicht gewollt.
Quelle | Nachlassverbindlichkeiten: BFH, Urteil vom 10.7.2024, II R 31/21, PM 43/24 vom 14.11.2024; Freibeträge: BFH, Urteil vom 31.7.2024, II R 13/22, PM 41/24 vom 14.11.2024
| Wird ein zur Finanzierung eines vermieteten Grundstücks aufgenommenes Darlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung getilgt, ist die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften ausVermietung und Verpachtung abziehbar. Das gilt zumindest dann, wenn das Grundstück weiterhin zur Vermietung genutzt wird. |
Das war geschehen
Eheleute erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus insgesamt fünf Vermietungsobjekten. Dazu gehörten die Objekte X1 und X2.
Für die im Jahr 2013 erfolgte Anschaffung der beiden Objekte nahmen die Eheleute zwei Darlehen auf. Ein Darlehen über 200.000 Euro diente der Finanzierung des Objekts X1. Mit dem anderen Darlehen über 195.000 Euro wurde das Objekt X2 finanziert. Eine den Eheleuten ebenfalls gehörende Immobilie Y diente der Bank als Zusatzsicherheit. Die Immobilie Y wurde von den Eheleuten zunächst selbst bewohnt und diente anschließend zur Erzielung von Vermietungseinkünften.
Im Streitjahr 2020 veräußerten die Eheleute die Immobilie Y. Im Zuge dieser Veräußerung lösten sie auch die beiden Darlehen für die Objekte X1 und X2 ab. Denn die Bank war nicht bereit, den Wegfall des „Sicherungsobjekts Y“ hinzunehmen oder durch eine andere Sicherung zu ersetzen. Dafür fielen Vorfälligkeitsentschädigungen an (4.338 Euro und 4.280 Euro).
In der Steuererklärung für 2020 wich das Finanzamt von den Angaben der Eheleute ab, u. a. berücksichtigte es die Vorfälligkeitsentschädigungen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, weil die Vorfälligkeitsentschädigungen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung der Immobilie Y stünden. Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen sah das aber anders.
Finanzgericht: Auch Vorfälligkeitsentschädigungen sind Schuldzinsen
Schuldzinsen sind als Werbungskosten abzugsfähig, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Der Begriff der Schuldzinsen umfasst auch eine zur vorzeitigen Ablösung eines Darlehens gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung. Denn Vorfälligkeitsentschädigungen sind ein Nutzungsentgelt für das auf die verkürzte Laufzeit in Anspruch genommene Fremdkapital. Wird ein zur Finanzierung eines vermieteten Grundstücks aufgenommenes Darlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung getilgt, das Grundstück jedoch weiterhin zur Vermietung genutzt, ist die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.
Im Streitfall standen die beiden Darlehen niemals in einem Veranlassungszusammenhang mit dem Objekt Y. Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Rechtsprechung einen Veranlassungszusammenhang der Vorfälligkeitszinsen mit einer Veräußerung des Grundbesitzes sieht, betrifft dies Fälle, in denen es um die Veräußerung des mit den Darlehen finanzierten Grundbesitzes geht.
Dies trifft für das Objekt Y jedoch nicht zu. Denn für dieses Objekt wurden die Darlehen ursprünglich nicht aufgenommen. Und durch die Veräußerung des nur als Sicherungsobjekt dienenden Grundstücks Y hat sich der Veranlassungszusammenhang nicht geändert.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 30.10.2024, 3 K 145/23; BFH, Urteil vom 11.2.2014, IX R 42/13
| Bei einem (echten) Verkehrsunfall muss die Haftpflichtversicherung für die Schäden aufkommen. Aber was ist, wenn die Versicherung von einer Unfallmanipulation ausgeht? Dann muss sie beweisen, dass der Geschädigte mit dem „Unfall“ einverstanden war. Das Landgericht (LG) Lübeck hat eine solche Manipulation kürzlich verneint und die Versicherung zur Zahlung verurteilt. |
War der Unfall manipuliert?
Ein junger Mann feierte eine Party im Hause der Eltern. Um zwei Uhr nachts fuhr ein Gast rückwärts gegen das Auto des Gastgebervaters. Der Vater forderte die Haftpflichtversicherung zum Schadenersatz auf, doch die weigerte sich. Sie meinte, der Gast sei – in Absprache mit dem Gastgeber – absichtlich gegen das Auto gefahren, um die Versicherungssumme zu kassieren.
Landgericht: Es gab keine Verabredung zum Unfall
Das Gericht hat entschieden, dass die Versicherung die Schäden ersetzen muss. Der Fahrer und weitere Partygäste wurden zu dem Vorfall befragt und ein technischer Sachverständiger hinzugezogen. Daraus habe sich ergeben, dass der Fahrer aus Versehen gegen das Auto des Vaters gefahren sei und es gerade keine Verabredung zu einem manipulierten Unfall gegeben habe.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Lübeck, Urteil vom 26.9.2024, 3 O 193/22, PM vom 11.11.2024
| Bei kleinen unfallbedingten Schäden darf der Geschädigte einen Schadengutachter einschalten. Wenn der statt eines umfassenden Gutachtens ein dem Schadenumfang angepasstes „schmales“ Produkt zu einem Preis von ca. 100 Euro erstellt, ist das in Ordnung. So entschied aktuell das Amtsgericht (AG) Münster. |
Das AG: Weder sei ein Kostenvoranschlag generell kostenlos noch sei es sicher, dass die Werkstatt die Kosten dafür später verrechnet.
Das AG Münster weiter: Bei Schäden am Stoßfänger kann es auch sachgerecht sein, diesen demontieren zu lassen, um darunter liegende Schäden auszuschließen. Die dafür entstehenden Kosten muss ebenfalls der Schädiger erstatten.
Quelle | AG Münster, Urteil vom 12.9.2024, 8 C 477/24
| Jeder Fahrgast ist verpflichtet, sich in einem Linienbus festzuhalten. Diesen Grundsatz hat das Amtsgericht (AG) München jetzt noch einmal bekräftigt. |
Bus machte Vollbremsung
Der zum Unfallzeitpunkt 76-jährige Kläger fuhr als Fahrgast in einem Busanhänger eines Busses . Das Busgespann fuhr auf der Rechtsabbiegespur auf eine rote Ampel zu, als ein PKW kurz vor diesem auf dieselbe Abbiegespur wechselte, weshalb der Busfahrer eine Vollbremsung durchführte.
Der Kläger behauptete, er sei hierdurch gestürzt und habe Prellungen im Bereich der Brustwirbelsäule und des Beckens erlitten, zudem sei sein Daumensattelgelenk überdehnt worden. Er habe vier Wochen unter Schmerzen gelitten und sei bis heute nicht beschwerdefrei. Vor dem AG verklagte er den Fahrer des überholenden PKW sowie dessen Versicherung auf Zahlung von 2.000 Euro Schmerzensgeld sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Vollständiges Mitverschulden des Fahrgasts
Das AG wies die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme ab. Es ging zwar davon aus, dass die Fahrweise des beklagten PKW-Fahrers zum Sturz des Klägers beigetragen habe und dass die StVO ihm für den Spurwechsel ein Höchstmaß an Sorgfaltspflicht auferlege, gegen die er verstoßen habe. Die Haftung des PKW-Fahrers sei jedoch aufgrund des vollständigen Mitverschuldens des Klägers ausgeschlossen. Denn jeder Fahrgast sei verpflichtet, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen. Dies diene dem Schutz der Fahrgäste.
Die klägerseits eingenommene stehende Position war nicht geeignet, um bei einer Bremssituation gesichert zu sein. Vorliegend zeigte nämlich ein Video der Businnenkamera, dass der Kläger sich lediglich mit der linken Hand an dem Handlauf festhielt und seine rechte Hand auf dem mitgeführten Einkaufstrolley ruhte. Die Stabilisierung mit der linken Hand sei zu schwach, um ruckartige Bremsungen auszugleichen. Der Trolley biete keinen Halt, da er selbst bei der Vollbremsung herumgewirbelt wird, wie auf dem Video zu sehen sei. Der Trolley stellte eher eine Behinderung dar, weil der Kläger ihn auch während des Sturzes nicht losließ und sich daher auch mit der rechten Hand keinen festen Halt suchte.
Weitere Fahrgäste kamen nicht zu Fall
Dies zeige sich auch daran, dass keine anderen Passagiere im Rahmen der Vollbremsung stürzten, soweit auf den eingesehenen Videos der Businnenkamera zu sehen ist. Vielmehr hielt sich z. B. eine ältere Dame, die einen der Sitzplätze direkt hinter dem Kläger belegt hatte, an der dortigen Stange fest und rutschte (im Gegensatz zu ihrer Tasche) nicht von ihrem Sitz.
So sei dem Kläger – auch aufgrund seines Alters und des Mitführens des Trolleys – vorzuwerfen, dass er sich nicht hingesetzt hat. Wie auf dem Video zu sehen sei, waren ausreichend Sitzplätze vorhanden, auch wenn der Kläger das Gegenteil behauptete. Direkt hinter dem Kläger sei z. B. ein Sitzplatz frei gewesen, der überdies eine Haltestange zum Festhalten geboten hätte.
Vollbremsung nicht überraschend
Es habe sich hier auch nicht um eine völlig überraschende – wenn auch heftige – Vollbremsung gehandelt, da im Stadtverkehr regelmäßig mit heftigen Bremsungen gerechnet werden müsse. Hinzu komme, dass der Bus unstreitig bereits ca. 50 m vorher leicht gebremst hatte, wodurch der Kläger hätte feststellen können, dass seine Position ihm einen ungenügenden Halt verschaffte.
Quelle | AG München, Urteil vom 18.10.2024, 338 C 15281/24, PM 35/24
| Ob ein Partner trotz Kontaktverbots nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) an einer WhatsApp-Gruppe teilnehmen darf, der auch seine frühere Lebensgefährtin angehört, hängt von der Größe der Gruppe ab. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm. |
Annäherung mittels Fernkommunikationsmitteln untersagt
Gegenüber dem ehemaligen Lebensgefährten einer Frau bestand ein Näherungs-, Abstands- und Kontaktverbot nach dem GewSchG. Er durfte sich mit dieser danach auch nicht mittels Fernkommunikationsmitteln in Verbindung setzen. Die Frau wandte sich gerichtlich u. a. dagegen, dass der Mann eine WhatsApp-Nachricht „Da kann sie wieder lachen“ in eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe einer Laufgruppe abgesetzt hatte. Das AG sah darin einen Verstoß gegen o. g. Verbot. Dieses umfasse jede Kommunikation mit der Frau über soziale Medien.
Das OLG widersprach dem AG. Es sei vielmehr zwischen kleinen und größeren WhatsApp-Gruppen zu differenzieren. Im konkreten Fall verneinte es daher einen Verstoß gegen das Kontaktverbot und stellte fest, dass nicht generell ein Verstoß gegen das Kontaktverbot angenommen werden kann, wenn etwas in einer gemeinsamen WhatsApp-Gruppe gepostet wird. Jenseits persönlich an die verletzte Person gerichteter Nachrichten sei vielmehr danach zu differenzieren, ob es sich um Gruppen von drei bis vier Teilnehmern handelt, oder um eine größere Gruppe.
So sind größere WhatsApp-Gruppen zu beurteilen
Bei größeren Gruppen trete die mit einem Post stets auch verbundene persönliche Ansprache des einzelnen Mitglieds meist so in den Hintergrund, dass ein grundsätzliches Verbot, Nachrichten an die Gruppe zu schicken, zum Schutz vor Nachstellungen und Belästigungen nicht erforderlich ist. Würde man alle Aktivitäten in einer WhatsApp-Gruppe verbieten, würde die Handlungsfreiheit des Betroffenen zu sehr eingeengt. Das OLG hob hervor, dass der Mann hier die Frau auch nicht persönlich angesprochen hatte.
Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 24.9.2024, 13 WF 105/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Revisionen zweier Angeklagter gegen ein Urteil des Landgerichts (LG) Mönchengladbach verworfen, mit dem sie jeweils wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu Geldstrafen von 180 Tagessätzen verurteilt worden sind. |
Nach den vom LG getroffenen Feststellungen nahm die später verstorbene, damals 13-jährige und an Diabetes mellitus Typ I erkrankte Schülerin E. an einer mehrtägigen, klassen- und jahrgangsübergreifenden Studienfahrt ihrer Schule nach London teil. Die beiden Angeklagten, die an der Schule als Lehrkräfte unterrichteten, waren gleichberechtigt für die Organisation und Durchführung der Fahrt zuständig. Ihnen war weder die später Verstorbene noch deren Erkrankung bekannt. Sie nahmen keinen Einblick in die Schulakten, in denen die Erkrankung der Schülerin vermerkt war, informierten sich hierüber nicht bei den damaligen Klassen- und Fachlehrern und fragten chronische Vorerkrankungen nicht schriftlich ab. E. erbrach sich in London mehrfach, klagte über Kopfschmerzen und Übelkeit, war müde und körperlich geschwächt. Obwohl zwei Mitschülerinnen die beiden Angeklagten mehrfach auf den fortdauernd schlechten Gesundheitszustand von E. hinwiesen, hielten diese keine Nachschau. E. verstarb noch in London an einem Herzinfarkt in Folge einer schweren diabetischen Stoffwechselentgleisung.
Die durch die Sachrügen der Angeklagten veranlasste Überprüfung des Urteils durch den BGH hat einen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil nicht erkennen lassen. Das LG hat insbesondere rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Angeklagten gegen die ihnen obliegende Sorgfalt objektiv und subjektiv verstießen. Die erhobenen Verfahrensrügen sind ebenfalls erfolglos geblieben. Das Verfahren ist damit rechtskräftig abgeschlossen.
Quelle | BGH, Beschluss vom 18.12.2024, 3 StR 292/24, PM 6/25
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen hat jetzt die Stadt Gelsenkirchen verpflichtet, einen sogenannten „Behindertenparkplatz“ vor der Wohnung eines schwerbehinderten Mannes einzurichten. |
Kläger hatte außergewöhnliche Gehbehinderung
Der 77-jährige Kläger ist schwerbehindert mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung. Für derart eingeschränkte Personen sieht die Straßenverkehrsordnung (hier: § 45 Abs. 1 b) Nr. 2 StVO) die Möglichkeit vor, einen sogenannten „Behindertenparkplatz“ auszuweisen. In der unmittelbaren Nähe zur Wohnung kann dies auch personenbezogen („Mit Ausweis Nr…“) erfolgen.
Voraussetzung ist allerdings neben dem Umstand, dass in dem Bereich nicht ausreichend freie Parkplätze auf der öffentlichen Straße vorhanden sind und dass die betroffene Person keine anderweitige Möglichkeit zum Abstellen außerhalb des öffentlichen Straßenraums hat – etwa eine Garage oder Stellplatz auf dem Grundstück. Zwar verfügt das Haus des Klägers über eine Garage. Der Kläger hat aufgrund seiner Behinderung jedoch keine Möglichkeit, von der im Keller gelegenen Garage in seine Wohnung zu kommen, da er weder die Zufahrtsrampe noch eine im Gebäude befindliche schmale und steile Treppe bewältigen kann. Er kann deshalb die Garage nicht nutzen. Auch die Zufahrt zur Garage ist nicht dazu geeignet, das Fahrzeug abzustellen, da sie zu steil und zu schmal ist.
So sah es die beklagte Stadt
Die beklagte Stadt Gelsenkirchen verwies den Kläger darauf, sein Fahrzeug parallel zur Fahrbahn auf der Straße vor der Garageneinfahrt abzustellen. Aufgrund des vor der Einfahrt nach den allgemeinen Vorschriften der StVO geltenden Parkverbots dürfe außer ihm niemand dort parken.
So sah es das Verwaltungsgericht
Dieser Auffassung konnte sich das VG nicht anschließen. Unabhängig davon, ob der vom Parkverbot erfasste Platz für das Abstellen eines Pkw ausreichen würde (die eigentliche Einfahrt ist nur 3 m breit), darf im konkreten Fall auch der Kläger nicht vor seiner Einfahrt parken. Denn für die Zufahrt ist der Bordstein abgesenkt, sodass dort ein generelles Parkverbot gilt, das auch den Inhaber der Garage erfasst. Dieses Parkverbot dient nämlich nicht nur der Sicherung der Zufahrtsmöglichkeit zur Garage, sondern auch dem Interesse gehbehinderter Menschen daran, den Gehweg – etwa zum Überqueren der Straße – verlassen zu können. Der Kläger muss sich daher nach Auffassung des VG nicht darauf verweisen lassen, dass die Stadt die durch ihn begangene Ordnungswidrigkeit nicht verfolgt. Ihm steht aufgrund der Umstände des Einzelfalls vielmehr ein Anspruch auf die Ausschilderung eines „rechtssicheren“ Sonderparkplatzes zu.
Quelle | VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5.11.2024, 14 K 1401/24, PM vom 7.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat u. a. entschieden: Als Familienangehörige im Sinne der Eigenbedarfskündigung sind ausschließlich die Personen anzusehen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen nach der Zivilprozessordnung oder der Strafprozessordnung (hier: § 383 ZPO, § 52 StPO) zusteht. Cousins zählen hierzu nicht. |
Das war geschehen
Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, begehrt nach Ausspruch einer Kündigung wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter von den Beklagten die Räumung und Herausgabe einer an diese vermieteten Wohnung. Die Klägerin hatte das Gebäude, in dem sich die Wohnung befindet, nach deren Überlassung an die Beklagten erworben und ist dadurch als Vermieterin in das bestehende Mietverhältnis eingetreten. Zum damaligen Zeitpunkt hatte die Klägerin zwei Gesellschafter, die Cousins waren.
Die Beklagten haben die Kündigung für unwirksam gehalten und sich hierbei auf die Kündigungsbeschränkung des Bürgerlichen Gesetzbuchs berufen (hier: § 577 a Abs. 1 a S. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 der Kündigungsschutzklausel-Verordnung des Landes Berlin vom 13.8.13). Hiernach kann sich eine Personengesellschaft, an die vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter veräußert worden ist, erst nach Ablauf von zehn Jahren seit der Veräußerung für eine Kündigung der Wohnung gegenüber dem Mieter auf berechtigte Interessen berufen. Diese Kündigungsbeschränkung gilt indes nicht, wenn die im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs vorhandenen Gesellschafter derselben Familie angehörten. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass dies (auch) bei Cousins der Fall sei und deshalb die Kündigungsbeschränkung im Streitfall nicht eingreife.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: Den Begriffen „Familie“ und „Familienangehörige“ in den hier maßgeblichen Vorschriften kommt dieselbe Bedeutung zu. Hiervon sind ausschließlich die Personen umfasst, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen zusteht. Ein entfernterer Verwandter, der – wie ein Cousin – nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, gehört somit auch dann nicht zu dem privilegierten Personenkreis, wenn zwischen ihm und dem Vermieter eine enge persönliche Bindung besteht. Ebenso gilt die Privilegierung selbst im Fall einer engen persönlichen Verbundenheit zwischen den Mitgesellschaftern nicht, wenn das Verwandtschaftsverhältnis zwischen ihnen so entfernt ist, dass es sie nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt.
Der vom Gesetzgeber bezweckten Privilegierung von Familienangehörigen in den o. g. Vorschriften liegt eine typisierende Betrachtungsweise dahingehend zugrunde, dass zwischen den hiervon umfassten Personen aufgrund einer familiären Beziehung eine besondere persönliche Nähebeziehung anzunehmen ist. Vor diesem Hintergrund bedarf es für den vom Gesetzgeber privilegierten Personenkreis des (zusätzlichen) Vorliegens eines konkreten, tatsächlichen Näheverhältnisses nicht. Auch scheidet eine Erweiterung dieses geschützten Personenkreises aufgrund einer einzelfallbezogenen Prüfung des Vorliegens einer besonderen sozialen Nähe angesichts der dem Gesetz zugrunde liegenden typisierenden Betrachtungsweise aus.
Entscheidend ist damit letztlich, für welchen Personenkreis der Gesetzgeber durch die Verwendung des Begriffs der „Familie“ eine typischerweise vorliegende besondere soziale Bindung angenommen hat. Er hat eine solche Bewertung im Rahmen der auf der persönlichen Nähebeziehung und Verbundenheit gründenden Gewährung eines Zeugnisverweigerungsrechts aus persönlichen Gründen vorgenommen. Dort hat er objektive Kriterien nach dem Grad der familiären Beziehung aufgestellt und hierdurch den Personenkreis definiert, innerhalb dessen nach seiner Auffassung typischerweise eine persönliche Nähebeziehung besteht. Es ist sachgerecht, diese gesetzgeberischen Wertungen auch für die ebenfalls in der persönlichen Verbundenheit begründeten Privilegierungen von Familienangehörigen in den hier einschlägigen mietrechtlichen Bestimmungen heranzuziehen. Cousins sind (nur) Verwandte in der Seitenlinie im vierten Grad. Ihnen steht ein Zeugnisverweigerungsrecht (nach §383 ZPO, § 52 StPO) nicht zu. Sie gehören somit nicht zu derselben Familie im Sinne des § 577 a Abs. 1 a S. 2 BGB.
Quelle | BGH, Urteil vom 10.7.2024, VIII ZR 276/23, PM 145/24
| Wird einem Wohnungsmieter fristgerecht gekündigt, weil dieser mit der Mietzahlung in Rückstand geraten ist, lässt sich diese Kündigung nicht ohne Weiteres dadurch aus der Welt schaffen, dass der Mietrückstand nachträglich noch ausgeglichen wird. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal in einem aktuellen Urteil entschieden. Das LG hat die Mieterin zum Auszug aus der Wohnung verpflichtet, obwohl sie im laufenden Räumungsverfahren die offenen Mieten noch ausgeglichen hatte. |
Mieterin zahlte zwei Monatsmieten nicht
Im konkreten Fall klagten die Vermieter zunächst vor dem AG gegen ihre Mieterin auf Räumung der Mietwohnung. Vorausgegangen war eine Kündigung, die sie zur Sicherheit zweifach erklärt hatten: zum einen fristlos – aus wichtigem Grund -, zusätzlich aber auch fristgerecht wegen Verletzung der vertraglichen Zahlungspflicht. Beide Kündigungen begründeten die Vermieter u. a. damit, dass zwei Monatsmieten nicht bezahlt wurden.
Die Mieterin bestritt dies nicht und zahlte die beiden offenen Mieten schließlich während des laufenden Gerichtsverfahrens vollständig. Sie berief sich nun darauf, dass die Kündigung infolge der Zahlung unwirksam geworden sei. Das AG folgte dem nicht und verurteilte die Mieterin zur Räumung der Mietwohnung.
Zu Recht gekündigt
Die dagegen gerichtete Berufung zum LG hatte keinen Erfolg. Das LG bestätigte, dass die Kündigung wegen der rückständigen Mieten zu Recht erfolgt sei. Im Zeitpunkt der Kündigung sei die Mieterin mit zwei Monatsmieten im Rückstand gewesen und nur darauf komme es hier an.
Vermieter hatten fristlos und fristgerecht gekündigt
Die gesetzliche Regelung, wonach ein Mietrückstand nachträglich ausgeglichen werden und die Kündigung dadurch möglicherweise beseitigen könne, gelte in dieser Form nur für die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. Hier hatten die Vermieter daneben sicherheitshalber aber auch noch fristgerecht gekündigt. Eine solche „ordentliche“ Kündigung werde durch die nachträgliche Zahlung der Mieten nicht ohne Weiteres unwirksam. Bei einer fristgerechten Kündigung sei lediglich zu prüfen, ob es unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben für die Vermieterseite zumutbar sei, auf die Räumung zu verzichten, nachdem keine Rückstände mehr bestehen. Dafür sah das LG hier aber keine Anhaltspunkte.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 1.3.2024, 2 S 118/23, PM vom 30.9.2024
| Das Bundessozialgericht (BSG) musste sich mit der Frage befassen, wann die mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz neu gestaltete Auskunftspflicht von Angehörigen gegenüber dem Sozialamt greift. |
Vater lebte im Seniorenwohnheim und erhielt Hilfe zur Pflege
Der Vater des Klägers lebt in einem Seniorenwohnheim und erhält vom Sozialhilfeträger Hilfe zur Pflege. Er ist geschieden und hat neben dem Kläger noch einen weiteren Sohn, der im Jahr 2020 Student war.
Der Sozialhilfeträger erlangte im Internet Informationen über die Arbeitgeberin des Klägers, eine Digitalagentur mit über 100 Mitarbeitern und einem Honorarumsatz im hohen siebenstelligen Bereich, und seine dortige Position als Chief Technology Officer (CTO). Er teilte dem Kläger mit, es sei davon auszugehen, dass sein Bruttoeinkommen die Grenze von 100 000 Euro jährlich überschreite und verlangte Auskunft über sein Einkommen und sein Vermögen.
Hiergegen wandte sich der Kläger. Denn mit den genannten Informationen sei die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt. Es bestehe deshalb keine Auskunftspflicht.
So sah es das Landessozialgericht
Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat den Auskunftsbescheid aufgehoben. Zwar sei die o. g. Vermutungsregel mit den öffentlich zugänglichen Informationen aus dem Internet widerlegt. Im sich anschließenden Auskunftsverfahren sei aber ein gestuftes Vorgehen erforderlich: In einem ersten Schritt sei der Sozialhilfeträger lediglich berechtigt, Auskünfte über das Bruttojahreseinkommen des potenziell Unterhaltsverpflichteten einzuholen.
Erst, wenn auf dieser Grundlage die 100 000-Euro-Grenze tatsächlich überschritten sei, bestehe in einem zweiten Schritt ein umfassendes Auskunftsrecht, das sich auch auf Vermögen beziehe.
Mit seiner Revision rügt der beklagte Sozialhilfeträger, dass das vom LSG geforderte gestufte Auskunftsverfahren im Gesetz keine Stütze finde. Wenn zu vermuten sei, dass die Einkommensgrenze überschritten werde, bestehe auch eine Verpflichtung zur Auskunft über das Vermögen, damit der Sozialhilfeträger den Unterhaltsanspruch umfassend prüfen könne.
So sah es das Bundessozialgericht
Das BSG gab dem Kläger ebenfalls recht: Vermögensauskünfte können nach dem Angehörigen-Entlastungsgesetz erst dann verlangt werden, wenn die Einkommensgrenze von 100.000 Euro tatsächlich überschritten wird.
Mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz hat der Gesetzgeber zum 1.1.20 u. a. unterhaltsverpflichtete Kinder entlastet. Ein Unterhaltsrückgriff durch den Sozialhilfeträger auf ein erwachsenes Kind, dessen Eltern vom Sozialamt Leistungen erhalten, ist mit dem neu eingeführten § 94 Abs. 1 a SGB XII gegenüber dem früheren Recht beschränkt worden: Ein möglicher Unterhaltsanspruch der Eltern gegen ihre erwachsenen Kinder geht erst auf den Sozialhilfeträger über, wenn das Einkommen des Kindes einen Jahresbetrag von 100 000 Euro übersteigt. Dabei wird gesetzlich vermutet, dass diese Einkommensgrenze nicht überschritten wird. Erst, wenn die Vermutung widerlegt ist, kann Auskunft vom unterhaltsverpflichteten Kind verlangt und anschließend ein Unterhaltsrückgriff vom Sozialhilfeträger geltend gemacht werden. Dabei ist ggf. auch vorhandenes Vermögen zu berücksichtigen.
Legitim: Informationen aus dem Internet eingeholt
Auch das BSG ging davon aus, dass es hinreichende Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Mann ein Einkommen von mehr als 100.000 Euro habe. Dass der Sozialhilfeträger diese Anhaltspunkte aus dem Internet habe, sei nicht zu beanstanden. Die Auskunftspflicht sei aber zunächst auf das Einholen von Auskünften zu den Einkommensarten beschränkt. So habe es der Gesetzgeber gewollt. Denn er beabsichtigte, in erster Linie erwachsene Kinder pflegebedürftiger Eltern zu entlasten. Dem widerspräche es, die Auskunftspflicht auszuweiten.
Quelle | BSG, Urteil vom 21.11.2024, B 8 SO 5/23 R, PM 32/24
| Die dreijährige Verjährungsfrist des Anspruchs auf Stellen einer Bauhandwerkersicherung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) beginnt taggenau mit dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit. So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH). |
So ist die Verjährung geregelt
Der Anspruch auf Stellen einer Bauhandwerkersicherung, wonach der Unternehmer unter im BGB näher geregelten Voraussetzungen vom Besteller eine Sicherheitsleistung in Höhe der vereinbarten Vergütung verlangen kann, verjährt in der regelmäßigen – dreijährigen – Verjährungsfrist nach § 195 BGB. Nun hat der BGH die bisher offene Frage entschieden, wann die Verjährung beginnt.
So begründet der BGH seine Ansicht
Dass die Verjährungsfrist taggenau mit dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit beginnt, folgt für den BGH aus der entsprechenden Anwendung von § 604 Abs. 5, § 695 S. 2, § 696 S. 3 BGB auf diesen Anspruch. § 199 Abs. 1 BGB, wonach die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, ist daher nicht anzuwenden.
Quelle | BGH, Urteil vom 21.11.2024, VII ZR 245/23
| Die Anordnung einer Verbandsgemeindeverwaltung, mit der die Eigentümer eines Wohngebäudes zur Herstellung und dauerhaften Unterhaltung einer eigenen Löschwasserversorgung verpflichtet worden sind, ist ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz und gab dem hiergegen gerichteten Eilantrag statt. |
Grundstückseigentümer sollten Löschwasserversorgung herstellen und unterhalten
Das Gebäude der Antragsteller befindet sich – gemeinsam mit weiteren Höfen – einige Kilometer außerhalb der nächstgelegenen Ortslage. Die vorhandene Trinkwasserversorgung ist zu klein dimensioniert, um eine hinreichende Löschwasserversorgung sicherzustellen. Ein in der Mitte des Areals existierender Löschteich ist verschlammt und deshalb nicht nutzbar. Weil Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung zwischen den Grundstückseigentümern und der Verbandsgemeindeverwaltung scheiterten, verfügte diese schließlich, dass die Grundstückseigentümer die Löschwasserversorgung mit einer Wassermenge von 96 m³/h für eine Dauer von zwei Stunden herzustellen und zu unterhalten hätten. Gleichzeitig ordnete sie die sofortige Vollziehung des Bescheids an.
Hiergegen erhoben die Antragsteller Widerspruch und stellten den gerichtlichen Eilantrag.
Anordnung war ermessensfehlerhaft
Dieser Antrag hatte Erfolg. Die Anordnung sei ermessensfehlerhaft ergangen, so das VG. Zwar könnten Eigentümer baulicher Anlagen, für die keine ausreichende Löschwasserversorgung sichergestellt sei, nach dem Landesgesetz über Brandschutz, die allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (hier: gemäß § 31 Abs. 5 LBKG) zur Vorhaltung fehlender Löschmittel verpflichtet werden. Der Antragsgegner habe jedoch übersehen, dass unter Umständen eine geringere Löschwassermenge ausreichend sei. Denn das Regelwerk, auf das sich der Antragsgegner maßgeblich bezogen habe, sehe zwar im Grundsatz die geforderten 96 m³/h vor. Für ländliche Ansiedlungen von zwei bis zehn Anwesen sei jedoch nur ein Löschwasserbedarf von 48 m³/h anzusetzen.
Hiermit habe sich die Antragsgegnerin nicht auseinandergesetzt, obwohl sich dies nach der Anzahl der vorhandenen Anwesen aufgedrängt hätte. Der Begründungsmangel führe so zu einem Ermessensdefizit.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 14.11.2024, 3 L 1042/24.KO, PM 20/24
| Objektüberwachung und Bauleitung sind inhaltlich „zwei Paar Schuhe“. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt festgestellt. |
Architekt verlangte Honorar für Bauleitung
Ein Architekt rechnete Honorar für „Bauleitung“ ab. Er bezog sich auf die Leistungsphase 8 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Er konnte aber nicht nachweisen, entsprechende Objektüberwachungsleistungen erbracht zu haben.
So sahen es die Gerichte
Die Gerichte kamen dagegen zu der Auffassung, dass er als Bauleiter nach der Hessischen Bauordnung (hier: § 59 HBO) tätig sein sollte. Diese Person muss u. a. darüber wachen, dass die Baumaßnahme nach den genehmigten Bauvorlagen bzw. – soweit eine bauaufsichtliche Prüfung entfällt – nach den eingereichten Bauvorlagen ausgeführt wird.
Bei der Überwachungstätigkeit muss der Bauleiter auf den sicheren Betrieb der Baustelle achten. Dazu zählt, dass die Arbeiten der Unternehmen ohne gegenseitige Gefährdung und ohne Gefährdung Dritter durchgeführt werden können. Über die HOAI können diese Leistungen – so sie denn erbracht wurden – nicht abgerechnet werden.
Der Bauleiter, so das OLG, sei nach dem allgemeinen Sprachverständnis dafür zuständig, zu überwachen, dass die Baumaßnahme entsprechend den öffentlich-rechtlichen Anforderungen durchgeführt wird. Der Objektüberwacher dagegen schuldet eine Ausführung des Objekts gemäß der vertraglichen zivilrechtlichen Vereinbarung mit dem Bauherrn.
Der Architekt ging also leer aus. Da der Bundesgerichtshof (BGH) aktuell eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen hatte, ist die Entscheidung des OLG nun auch rechtskräftig.
Quelle | OLG Frankfurt, Urteil vom 11.5.2023, 22 U 19/22
| Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer nach der Gewerbeordnung (hier: § 108 Abs. 1 S. 1 GewO) bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform erteilen. Diese Verpflichtung kann er grundsätzlich auch dadurch erfüllen, dass er die Abrechnung als elektronisches Dokument zum Abruf in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach einstellt. So hat es jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Klägerin verlangte Abrechnungen in Papierform
Die Klägerin ist im Einzelhandelsbetrieb der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Für den Konzernverbund, dem die Beklagte angehört, regelt die Konzernbetriebsvereinbarung über die Einführung und Anwendung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs vom 7.4.2021, dass alle Personaldokumente, insbesondere Entgeltabrechnungen, über einen externen Anbieter in einem digitalen Mitarbeiterpostfach bereitgestellt werden und von den Beschäftigten über einen passwortgeschützten Online-Zugriff abrufbar sind. Sofern für Beschäftigte keine Möglichkeit besteht, über ein privates Endgerät auf die im digitalen Mitarbeiterpostfach hinterlegten Dokumente zuzugreifen, muss der Arbeitgeber ermöglichen, die Dokumente im Betrieb einzusehen und auszudrucken.
Auf Grundlage der Konzernbetriebsvereinbarung stellte die Beklagte ab März 2022 Entgeltabrechnungen nur noch elektronisch zur Verfügung. Dem widersprach die Klägerin und verlangte, ihr weiterhin Abrechnungen in Papierform zu übersenden.
Landesarbeitsgericht: Entgeltabrechnung war nicht ordnungsgemäß
Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat der Klage, mit der die Klägerin die Erteilung der Entgeltabrechnungen begehrt, stattgegeben. Es hat angenommen, die Entgeltabrechnungen seien ihr durch Einstellen in das Online-Portal nicht ordnungsgemäß erteilt. Bei Entgeltabrechnungen handele es sich um zugangsbedürftige Erklärungen. Ein digitales Mitarbeiterpostfach sei nur dann als Empfangsvorrichtung geeignet, wenn der Empfänger es – anders als die Klägerin im Streitfall – für den Erklärungsempfang im Rechts- und Geschäftsverkehr bestimmt habe.
Bundesarbeitsgericht: Arbeitgeber wahrt Textform
Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das LAG.
Erteilt der Arbeitgeber Entgeltabrechnungen, indem er diese in ein digitales Mitarbeiterpostfach einstellt, wahrt er damit grundsätzlich die von der Gewerbeordnung (hier: § 108 Abs. 1 S. 1 GewO) vorgeschriebene Textform. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abrechnung seines Entgelts ist eine sog. Holschuld, die der Arbeitgeber erfüllen kann, ohne für den Zugang der Abrechnung beim Arbeitnehmer verantwortlich zu sein. Es genügt, dass er die Abrechnung an einer elektronischen Ausgabestelle bereitstellt. Hierbei hat er den berechtigten Interessen der Beschäftigten, die privat nicht über die Möglichkeit eines Online-Zugriffs verfügen, Rechnung zu tragen.
Grundlage: Konzernbetriebsvereinbarung
Die in der Konzernbetriebsvereinbarung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) geregelte digitale Zurverfügungstellung der Entgeltabrechnungen greift nicht unverhältnismäßig in die Rechte der betroffenen Arbeitnehmer ein.
Das BAG war jedoch an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil bisher keine Feststellungen dazu getroffen worden sind, ob Einführung und Betrieb des digitalen Mitarbeiterpostfachs in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats fallen.
Quelle | BAG, Urteil vom 28.1.2025, 9 AZ R 48/24, PM 3/25
| Das Arbeitsgericht (ArbG) Aachen hat entschieden: Die Besonderheiten der Arbeitsleistung eines Profifußballtrainers können zwar die Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Im konkreten Fall scheiterte dies jedoch an dem Schriftformerfordernis. Die Kündigung des Fußballtrainers wegen der fehlenden erforderlichen Lizenz für die nächsthöhere Liga war hingegen gerechtfertigt. |
Das war geschehen
Die Beklagte ist für den Spielbetrieb der 1. Fußballmannschaft zuständig. Der Kläger war zunächst ab Anfang 2022 bei der Beklagten als Sportdirektor beschäftigt. Er ist Inhaber der Trainer-A-Lizenz (Trainerberechtigung für die Fußball-Regionalliga); über eine „Pro-Lizenz“ (Trainerberechtigung für die 3. Liga) verfügt der Kläger nicht. Seit Ende 2022 trainierte er die 1. Fußballmannschaft, die in der Regionalliga spielte. Ende Januar 2023 schlossen die Parteien einen ab 1.1.2023 geltenden, zunächst bis zum 30.6.2024 befristeten, Arbeitsvertrag ab. Der Vertrag enthielt je nach Platzierung eine Verlängerung und verschiedene Prämien.
Die Beklagte stellte den Kläger im August 2023 von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Grundvergütung frei. Mit Abschluss der Saison 2023/2024 stieg die 1. Fußballmannschaft der Beklagten in die 3. Liga auf und gewann den Mittelrheinpokal. Im Juni und Juli 2024 sprach die Beklagte drei ordentliche fristgerechte Kündigungen aus.
Sachgrundbefristung gerechtfertigt
Das ArbG entschied, dass die Sachgrundbefristung eines Profifußballtrainers wegen der Eigenart der Arbeitsleistung grundsätzlich nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (hier: § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG) gerechtfertigt ist. Es sei Aufgabe des Cheftrainers, dafür zu sorgen, dass die Spieler die von ihnen geforderte Spitzenleistungen abrufen. Hierfür sei er als zentraler, prägender Leiter der Mannschaft zuständig. Das Erfordernis, dass die Spieler als Individuum und im Kollektiv Spitzenleistungen erbringen müssten, gebiete es, kurzfristig reagieren zu können, wenn diese Spitzenleistungen nachlassen oder ausbleiben. Ein kurzfristiger Austausch wesentlicher Teile der Mannschaft sei nicht möglich.
Formelle Mängel der Befristung...
Die Befristung des Arbeitsvertrags im vorliegenden Fall sei aus formellen Gründen gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam, da die Leistung der Unterschriften nach Aufnahme der Tätigkeit durch den Kläger erfolgte.
... aber Kündigung wirksam
Demgegenüber sei die Kündigung des Profifußballtrainers wegen des Fehlens der erforderlichen „Pro-Lizenz“ für die 3. Liga wirksam. Der Erwerb der erforderlichen Lizenz liege im Verantwortungsbereich des Trainers. Bis zum Zeitpunkt des Aufstiegs in die 3. Liga habe der Kläger trotz Freistellung einen Anspruch auf Vergütung und die Zahlung der Prämien. Nach Aufstieg in die 3. Liga habe der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung oder Prämien, da er die Voraussetzung für die Tätigkeit als Cheftrainer nicht erfüllt habe.
Quelle | ArbG Aachen, Urteil vom 19.11.2024, 8 Ca 3230/23, PM 1/25
Baurecht
| Säumniszuschläge werden festgesetzt, wenn die Zahlung nicht pünktlich erfolgt. Nach der Abgabenordnung (hier: § 240 AO) ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen Steuerbetrags zu entrichten, umgerechnet auf das Jahr also 12 %. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass wegen des deutlichen und nachhaltigen Anstiegs der Marktzinsen, der seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 zu verzeichnen ist, jedenfalls seit März 2022 keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Zuschläge bestehen. |
Darüber hinaus hat der BFH in diesem Verfahren Folgendes entschieden: Wenn das Finanzamt zwar Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt, deren Wirkung aber von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig macht, bewirkt die spätere Leistung der Sicherheit im Regelfall, dass die AdV mit (Rück-)Wirkung ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung eintritt und zuvor etwaig entstandene Säumniszuschläge entfallen.
Beachten Sie | Das Finanzamt kann allerdings ausdrücklich anordnen, dass die Wirkung der AdV erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung der Sicherheit beginnt.
Quelle | BFH, Beschluss vom 21.3.2025, X B 21/25 (AdV)
| Eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft steht der Anerkennung einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft grundsätzlich nicht entgegen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Eine Organschaft führt bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dazu, dass nicht mehr die Organgesellschaft ihren Gewinn zu versteuern hat, sondern der Organträger.
Beachten Sie | Die gemäß Körperschaftsteuergesetz (hier: §§ 14 ff. KStG) enthaltenen Regelungen für die Organschaft führen im Ergebnis dazu, dass z. B. in Konzernen die Konzernspitze (als Organträger) die Gewinne sämtlicher Tochtergesellschaften (als Organgesellschaften) zu versteuern hat, aber Verluste und Gewinne der verschiedenen Tochtergesellschaften dabei auch unmittelbar miteinander verrechnet werden können. Insbesondere dieser steuerliche Vorteil hat zu einer weiten Verbreitung der Organschaft in Deutschland geführt.
Das war geschehen
Im Streitfall hatte eine Kommanditgesellschaft (KG) mit einer GmbH einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, um eine Organschaft zu begründen. Danach war die „abhängige“ GmbH als Organgesellschaft verpflichtet, den ganzen von ihr erwirtschafteten Gewinn an die KG als Organträger abzuführen.
Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass an der GmbH als Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung bestand.
Bundesfinanzhof widerspricht Vorinstanzen
Da dem atypisch still Beteiligten ein Anteil von 10 % des Gewinns der GmbH zustand, vertraten das Finanzamt und nachfolgend auch das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern die Auffassung, dass lediglich 90 % des Gewinns an die KG als Organträger abgeführt worden sei, das Gesetz aber die Abführung des ganzen Gewinns fordere. Die Organschaft sei daher insgesamt nicht anzuerkennen. Dem ist der BFH aber nun entgegengetreten.
§ 14 Abs. 1 KStG setzt einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 des Aktiengesetzes (AktG) und die strikte Erfüllung der zivilrechtlichen Vertragspflichten voraus. Was als ganzer Gewinn abzuführen ist, bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Gewinnbeteiligungen, die einem stillen Gesellschafter zustehen, sind im Zivilrecht aber als Geschäftsunkosten vom Gewinn der GmbH abzusetzen. Dies betrifft sowohl die typische als auch die atypisch stille Gesellschaft.
Folglich ist der hiernach verbleibende „Rest-Gewinn“ (im Streitfall also die 90 %) der ganze Gewinn, der an den Organträger abgeführt werden muss. Dass eine (typische oder atypische) stille Beteiligung zivilrechtlich als Teilgewinnabführungsvertrag qualifiziert wird, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.12.2024, I R 33/22, PM 21/25 vom 3.4.2025
| Wenn eine per E-Mail versandte Werklohnrechnung gehackt und unbefugt verändert wird und der Kunde deshalb an einen unbekannten Dritten zahlt, muss er nicht noch einmal an den Werkunternehmer zahlen, wenn dieser die Rechnung ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung versandt hat und deshalb gegen ihn ein Schadenersatzanspruch gemäß Datenschutz-Grundverordnung (hier: Art. 82 DS-GVO) besteht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, erneut ihre Werklohnforderung zu zahlen, nachdem der Betrag wegen einer Manipulation der per E-Mail versandten Rechnung durch kriminell handelnde Dritte dem Konto eines Unbekannten gutgeschrieben wurde.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für die Installation von Haustechnik. Sie führte für die Beklagte Installationsarbeiten durch und rechnete die erbrachten Leistungen ihr gegenüber in drei Abschlagsrechnungen ab. Diese wurden jeweils als Anlage zu einer E-Mail im PDF-Format übersandt. Die ersten zwei Abschlagsrechnungen beglich die Beklagte per Überweisung an die auf den Rechnungen angegebenen Bankverbindungen der Klägerin.
Die dritte Abschlagsrechnung über rund 15.000 Euro, die zugleich die Schlussrechnung war, versandte die Klägerin ebenfalls als Anlage im PDF-Format per E-Mail. Diese Rechnung war jedoch auf ungeklärte Weise durch einen Dritten manipuliert worden, so dass die Beklagte den Rechnungsbetrag auf das Konto des unbekannten Dritten überwies. Auf dem Konto der Klägerin ging deshalb auf die Schlussrechnung keine Zahlung ein.
Keine Erfüllung durch Zahlung an unbekannten Dritten
Das Landgericht (LG) hat die Beklagte deshalb zur erneuten Zahlung verurteilt, weil eine Erfüllung durch die Zahlung an den unbekannten Dritten nicht eingetreten ist. Es hat ausgeführt, dass die Klägerin auch keine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat, sodass die Beklagte keinen Schadenersatzanspruch hat, den sie der Klageforderung gemäß § 242 BGB entgegenhalten kann. Die Klägerin hat nach Auffassung des LG keine Pflichtverletzung begangen, weil die von ihr vorgetragenen Schutzvorkehrungen in Form einer Transportverschlüsselung per SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) über TLS (Transport Layer Security) beim E-Mail-Verkehr mit Vertragspartnern ausreichend sind.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG hat in zweiter Instanz das Urteil des LG geändert und die Klage abgewiesen. Es hat entschieden, dass die Zahlung der Beklagten an einen Dritten zwar keine Erfüllung der Forderung bei der Klägerin bewirkt. Im Gegensatz zum Landgericht hat es jedoch einen Schadenersatzanspruch der Beklagten bejaht, den diese der Werklohnforderung der Klägerin nach § 242 BGB entgegenhalten kann, so dass sie die Forderung nicht noch einmal bezahlen muss.
Dieser Schadenersatzanspruch ergibt sich nach der Entscheidung des OLG aus Art. 82 Abs. 2 DS-GVO, weil die Klägerin im Zuge der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Beklagten bei Versand der streitgegenständlichen E-Mail mit Anhang gegen die Grundsätze der Art. 5, 24 und 32 DS-GVO verstoßen hat. Das OLG hält die Transportverschlüsselung, die beim Versand der streitgegenständlichen E-Mail in Form von SMTP über TLS verwendet worden sein soll, nicht für ausreichend und damit auch nicht als zum Schutz der Daten „geeignet“ im Sinne der DS-GVO.
Das OLG hob hervor, dass heute jedem Unternehmen, das personenbezogene Daten seiner Kunden computertechnisch verarbeitet, bewusst sein muss, dass der Schutz dieser Daten hohe Priorität – auch beim Versenden von E-Mails – genießt. Unternehmen müssen diesen Schutz durch entsprechende Maßnahmen so weit wie möglich gewährleisten.
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unabdingbar
Gerade bei sensiblen oder persönlichen Inhalten ist nach der Entscheidung des OLG nur eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Schutz im Sinne der DS-GVO geeignet, wenn ein hohes finanzielles Risiko durch Verfälschung der angehängten Rechnung für den Kunden besteht. Dass Kunden von Unternehmen bei einem Datenhacking Vermögenseinbußen drohen, ist ein Risiko, das dem Versand von Rechnungen per E-Mail immanent ist und deshalb eine entsprechende Voraussicht und ein proaktives Handeln erfordert. Der dafür erforderliche technische und finanzielle Aufwand kann auch von einem mittelständischen Handwerksbetrieb erwartet werden, wenn es seine Rechnungen nicht per Post versendet.
Quelle | OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.12.2024, 12 U 9/24, PM 1/25
| Wer im Zusammenhang mit seiner kommunalpolitischen Tätigkeit Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder erhält (im Streitfall ein ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats), erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Diese sind im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung zu verbeitragen. Dies hat jedenfalls das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen entschieden. |
Das LSG Nordrhein-Westfalen stellte heraus: Für die Zuordnung von Einnahmen zum Arbeitseinkommen ist die steuerliche Abgrenzung der Einkunftsarten maßgebend. Bei Anlegung dieser Maßstäbe handelt es sich auch bei den Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer kommunalpolitischen Tätigkeit in Gestalt von Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern erzielt werden, um Arbeitseinkommen nach dem Sozialgesetzbuch IV (hier: § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV).
Gegen dieses Urteil ist die Revision beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig.
Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.3.2024, L 5 KR 551/21, Rev. BSG: B 6 a/12 KR 12/24 R
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Die Verwendung von geschlechtsspezifischen Sterbetafeln bei der Bewertung lebenslänglicherNutzungen und Leistungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot. |
Hintergrund: Die Heranziehung geschlechterdifferenzierender Sterbetafeln dient dem Ziel, die Kapitalwerte lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen mit zutreffenden Werten zu erfassen und eine Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.
Da die statistische Lebenserwartung von Männern und Frauen unterschiedlich hoch ist, ermöglichen die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Vervielfältiger genauere und realitätsgerechtere Bewertungsergebnisse als geschlechtsneutrale Vervielfältiger.
Beachten Sie | Die Anwendung der geschlechtsspezifischen Sterbetafeln kann sich für den Steuerpflichtigen je nach Fallkonstellation günstiger oder ungünstiger auswirken und führt nicht per se zu einer Benachteiligung aufgrund des eigenen Geschlechts.
Der BFH musste nicht entscheiden, welche Auswirkungen sich aus dem am 1.11.2024 in Kraft getretenen Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) für die Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen ergeben.
Quelle | BFH, Urteile vom 20.11.2024, II R 38/22, II R 41/22, II R 42/22; PM 23/25 vom 10.4.2025
| Aufwendungen des Steuerpflichtigen für einen Umzug in eine andere Wohnung, um dort (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs(BFH) auch, wenn der Steuerpflichtige – wie in Zeiten der Corona-Pandemie – zwangsweise zum Arbeiten im häuslichen Bereich angehalten ist oder durch die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren sucht. |
Das war geschehen
Eheleute lebten mit ihrer Tochter in einer 3-Zimmer-Wohnung und arbeiteten nur in Ausnahmefällen im Homeoffice. Ab März des Streitjahrs 2020 (zunächst bedingt durch die Corona-Pandemie) arbeiteten sie überwiegend im Homeoffice, dort im Wesentlichen im Wohn-/Esszimmer. Ab Mai 2020 zogen sie in eine 5-Zimmer-Wohnung, in der sie zwei Zimmer als häusliches Arbeitszimmer einrichteten und nutzten.
Den Aufwand für die Nutzung der Arbeitszimmer und die Kosten für den Umzug in die neue Wohnung machten die Eheleute als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte zwar die Aufwendungen für die Arbeitszimmer an, mangels beruflicher Veranlassung lehnte es den Abzug der Kosten für den Umzug jedoch ab.
Demgegenüber bejahte das Finanzgericht (FG) Hamburg den Werbungskostenabzug auch für die Umzugskosten. Der Umzug in die größere Wohnung sei beruflich veranlasst gewesen, da er zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen geführt habe.
Dem folgte der BFH aber (aus Steuerzahlersicht „leider“) nicht und bestätigte die ablehnende Entscheidung des Finanzamts.
Wohnung: privater Lebensbereich
Die Wohnung ist grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Daher zählen die Kosten für einen Wohnungswechsel regelmäßig zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung. Etwas anderes gilt nur, wenn die berufliche Tätigkeit den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel dargestellt hat und private Umstände allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben.
Beachten Sie | Dies ist aber nur aufgrund außerhalb der Wohnung liegender Umstände zu bejahen, etwa wenn
- der Umzug Folge eines Arbeitsplatzwechsels gewesen ist oder
- sich die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit durch den Umzug um mindestens eine Stunde täglich vermindert
Die Möglichkeit, in der neuen Wohnung (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, genügt nicht zur Begründung einer beruflichen Veranlassung des Umzugs. Es fehlt insoweit an einem objektiven Kriterium, das nicht auch durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist.
Die Entscheidung, in der neuen, größeren Wohnung (erstmals) ein Zimmer als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer „Arbeitsecke“ auszuüben, beruht auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatz verfügt oder durch die Arbeit im Homeoffice versucht, das Berufs- und Familienleben zu vereinbaren.
Quelle | BFH, Urteil vom 5.2.2025, VI R 3/23, PM 24/25 vom 17.4.2025
| Ein mit einem Preisgeld dotierter Wissenschaftspreis kann nur dann Arbeitslohn darstellen, wenn er dem Arbeitnehmer für Leistungen verliehen wird, die er gegenüber seinem Dienstherrn erbracht hat. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Fall eines Professors entschieden. |
Der Professor hatte die Habilitationsschriften überwiegend vor der Berufung in das Professorendienstverhältnis verfasst. Der preisbewehrten Habilitation lag zwar eine wissenschaftliche Forschungsleistung zugrunde. Diese gründete aber nicht auf der Forschungstätigkeit als Hochschullehrer. Wissenschaftspreis und Preisgeld stellten sich daher nicht als „Frucht“ dieser Tätigkeit dar.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 12/22
| Kann in Deutschland steuerpflichtigen Personen eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen inder Schweiz gewährt werden? Das Finanzgericht (FG) Köln hält das für möglich und hat sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar mit deutscher und schweizerischer Staatsbürgerschaft wohnte in der Schweiz. Der Ehemann war als Arbeitnehmer in Deutschland tätig und unterhielt hierfür eine Wohnung in Deutschland. Für das gemeinsame Haus in der Schweiz beauftragten die Eheleute verschiedene Handwerks- und Gartenbauarbeiten i. S des Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 a EStG) und begehrten eine Ermäßigung ihrer Einkommensteuer.
Das Finanzamt lehnte dies jedoch ab, weil die Dienstleistungen in der Schweiz ausgeführt wurden (vgl. § 35 a Abs. 4 S. 1 EStG). Hiergegen erhoben die Eheleute erfolgreich Klage.
Freizügigkeitsabkommen
Das FG Köln bezweifelt, ob es mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist, dass die Steuerermäßigung nur für Dienstleistungen beansprucht werden kann, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt ausgeübt oder erbracht werden.
Beachten Sie | Bis zur Entscheidung des EuGH ist das Verfahren ausgesetzt.
Quelle | FG Köln, Beschluss vom 20.2.2025, 7 K 1204/22; PM vom 25.3.2025; EuGH: C-223/25
| Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen, z. B. Sachverständigengutachten, sind in der Regel nicht notwendig und werden daher nicht erstattet. Das ist der Grundsatz, von dem die Rechtsprechung ausgeht. Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme – wie eine Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Senftenberg anschaulich zeigt. |
Schwierige technische Fragestellungen
Ausnahmsweise werden nach dieser Entscheidung die Kosten z. B. für das Einholen eines privaten Sachverständigengutachtens unter anderem als notwendige Kosten anerkannt, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind. Gleiches gilt, wenn aus Sicht des Betroffenen aus einer Anfangsbetrachtung ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre.
Amtsgericht hält Kosten ausnahmsweise für erstattungsfähig
Diese Grundsätze hat das AG in seiner Entscheidung bestätigt. Es hat die Kosten für ein Sachverständigengutachten, mit dem die Messdaten einer Geschwindigkeitsmessung überprüft worden sind, daher als erstattungsfähig angesehen.
Quelle | AG Senftenberg, Urteil vom 28.2.2024, 50 OWi 1617 Js 22408/22
| Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h liegenden Tempo fährt, muss seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten. Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des Navigationssystems kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entschieden. |
Konzentrieren und Gerätebedienen ist gefährlich
Geklagt hatte eine Autovermieterin gegen den Fahrer eines vermieteten Pkw. Der Fahrer war auf der Autobahn verunfallt und hatte den Wagen beschädigt. Während er auf der linken Spur fuhr, bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs bei Tempo 200, um dort Informationen abzurufen. Dabei geriet das Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke.
Mietvertrag sah Kürzung der Haftungsfreistellung vor
Das Gericht verwies auf die Vereinbarung im Mietvertrag. Danach könne die Haftungsfreistellung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt werden. Der Fahrer habe hier grob fahrlässig gehandelt. Die Autovermieterin könne daher die Hälfte des Schadens – ca. 12.000 Euro – bei ihm geltend machen.
Für das Gericht war es dabei unerheblich, dass der Pkw einen sog. Spurhalteassistenten hatte. Zumindest bei derart hohen Geschwindigkeiten reduziere dieser den Schuldvorwurf nicht.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 2.5.2019, 13 U 1296/17
| Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie beschäftigt immer noch die Gerichte. Aktuell hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden: Die Mitglieder einer Fahrgemeinschaft waren auch in der Corona-Hochphase für gegenseitige Ansteckungen nicht verantwortlich zu machen. Eine auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage eines Mitfahrers hat das LG deshalb abgewiesen. |
Im Frühjahr 2022 stieg der Mitfahrer ohne Maske zu seinem Kollegen ins Auto, um gemeinsam zur Arbeit zu fahren. Am Abend desselben Tages schrieb er in die WhatsApp-Gruppe der Fahrgemeinschaft, dass er positiv getestet sei und sich in Quarantäne befinde.
Fahrer behauptete Ansteckung und verlangte Schmerzensgeld
Der schon zuvor an Asthma erkrankte Fahrer behauptete im Prozess, er habe sich während der gemeinsamen Fahrt mit dem Coronavirus infiziert und sei nun dauerhaft arbeitsunfähig („Post-Covid-Syndrom“). Der Mitfahrer schulde ihm daher Schmerzensgeld in Höhe von nicht unter 20.000 Euro, weitere 4.000 Euro Schadenersatz und müsse darüber hinaus für zukünftig auftretende Schäden einstehen.
Landgericht: Reine Gefälligkeit – keine Haftung
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Im Rahmen der wechselseitigen Gefälligkeit einer Fahrgemeinschaft sei bereits unter den Gesichtspunkten eines stillschweigenden Haftungsverzichts und des Handelns auf eigene Gefahr eine gegenseitige Haftung ausgeschlossen. Es sei zudem aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie allgemein bekannt gewesen, dass enger persönlicher Kontakt die Hauptinfektionsquelle darstellte. Obwohl der unter Asthma leidende Fahrer bemerkt habe, dass sein Kollege beim Einsteigen keine Maske trug, habe er ihn nicht gebeten, eine solche aufzusetzen. Er habe sich daher erkennbar trotz seiner Vorerkrankung dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Dass er sich keine Gedanken über einen ungünstigen Verlauf einer Infektion mit möglichen Dauer- und Folgeschäden gemacht habe, rechtfertige keine andere Beurteilung.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 16.12.2024, 7 O 110/24, PM vom 31.1.2025
| Mit der Frage, ob ein 13-jähriges Kind für einen Glasschaden an einem Schaufenster verantwortlich ist, hat sich das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. |
Glasbruch nach Nutzung eines Spielgeräts
Das Kind hatte in der Fußgängerzone von Frankenthal ein festmontiertes Spielgerät in Gestalt einer Drehscheibe genutzt und war beim Absteigen gegen ein daneben befindliches Schaufenster getaumelt. Für den dadurch entstandenen Glasbruch muss das Kind nicht haften, entschied das LG und hat die Klage der Ladenbesitzer abgewiesen.
Der Junge gab an, dass er auf dem Schulweg an dem Spielgerät vorbeigekommen sei. Er habe sich auf das Karussell gestellt, das ein Freund gedreht habe, zunächst langsam, dann immer schneller. Nachdem der Freund die Drehung gestoppt habe, sei er rückwärts gegen die keine drei Meter entfernte Fensterscheibe getaumelt, die daraufhin zerbrochen sei.
Schaden schuldhaft verursacht?
Die Ladenbesitzer warfen dem Jungen vor, den Schaden schuldhaft verursacht zu haben. Er sei bereits zu alt gewesen für das Karussell, zudem habe er sich damit zu schnell gedreht. Die Sturzgefahr und der mögliche Glasbruch seien für ihn erkennbar gewesen.
Landgericht: kein Verschulden des Kindes!
Das LG ging zwar davon aus, dass sich der 13-Jährige der grundsätzlichen Stolpergefahr durchaus bewusst und auch hinreichend einsichtsfähig war. Beides ist erforderlich, damit Minderjährige in diesem Alter überhaupt selbstständig haften. Gleichwohl konnte das LG das für einen Schadenersatzanspruch erforderliche Verschulden des Kindes nicht feststellen. Denn der Junge habe die Drehscheibe bestimmungsgemäß genutzt. Es sei gerade Sinn und Zweck des Karussells, trotz der Drehbewegung die Balance zu halten und der Gefahr des Herunterfallens zu trotzen. Das Kind sei weder zu alt noch zu groß für das Spielgerät gewesen.
Das Gericht hat nicht verkannt, dass die Ladenbesitzer nun auf ihrem Glasschaden sitzen bleiben. Dies resultiert gemäß LG jedoch daraus, dass unsere Rechtsordnung – von einigen hier nicht vorliegenden Sonderfällen abgesehen – dem Prinzip der Verschuldenshaftung folgt.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 29.11.2024, 9 O 27/24, PM vom 19.12.2024
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Bürgergeldempfänger gelten nicht als hilfebedürftig, wenn sie ein (zu) großes Einfamilienhaus gebaut haben und dessen Wert zur Sicherung des Lebensunterhalts nutzen können. |
Familie hatte während Bürgergeldbezug größeres Haus gebaut
Dem Verfahren lag ein Eilantrag einer Familie aus dem Emsland zugrunde. Diese hatte ihr selbstbewohntes Hausgrundstück für 514.000 Euro verkauft, nachdem sie während des Bürgergeldbezugs ein neues Haus gebaut hatte. Aufgrund des erzielten Verkaufserlöses hob der Grundsicherungsträger die Leistungsbewilligung auf.
Demgegenüber vertrat die Familie die Auffassung, das neue Haus sei geschütztes Vermögen und dürfe nicht zur Deckung des Lebensunterhalts herangezogen werden. Zudem berief sie sich auf die gesetzliche Karenzzeit von 12 Monaten, während der auch großzügige Wohnverhältnisse voll finanziert werden müssten.
Landessozialgericht: Familie nicht bedürftig
Das LSG bestätigte die Auffassung der Behörde. Die Familie sei nicht bedürftig, da das neue Hausgrundstück mit 254 m² Wohnfläche und sieben Bewohnern kein geschütztes Vermögen darstelle. Eine Verwertung des Vermögens zur Sicherung des Lebensunterhalts sei durch Beleihung möglich. Bei einem Verkehrswert von 590.000 Euro und einer Grundschuld von 150.000 Euro stehe ein unbelasteter Wert von 440.000 Euro zur Verfügung.
Die Berufung auf die gesetzliche Karenzzeit lehnte das Gericht ebenfalls ab. Die Regelung diene dem Zweck, dass Leistungsempfänger nicht sofort ihr angespartes Vermögen, etwa für die Altersvorsorge, aufbrauchen müssen, wenn sie nur vorübergehend auf Bürgergeld angewiesen sind. Die Karenzzeit solle dabei helfen, plötzliche Härten abzufedern.
Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um eine unerwartete Notlage, sondern um langjährige Leistungsbezieher, die ihre Wohnsituation und ihr Immobilienvermögen optimieren wollten. So habe die Familie als Verkaufsgrund des alten Hauses angegeben, die Entfernung zur Innenstadt sei ihnen zu weit gewesen.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.1.2025, L 11 AS 372/24 B ER, PM vom 20.1.2025
| Der gezahlte Reisepreis kann um 30 Prozent gemindert werden, wenn das Gepäck des Pauschalreisenden beim Hinflug zu spät ausgeliefert wird und deshalb während einer Kreuzfahrt in die Arktis nicht zur Verfügung steht. So entschied es das Landgericht (LG) München II zugunsten der Reisenden. |
Es ging um eine Expeditionsreise
Der Kläger und seine Mutter hatten im Jahr 2023 bei der Beklagten eine elftägige Pauschalreise nach Norwegen mit anschließender Kreuzfahrt „Auf den Spuren der Eisbären“ gebucht. Während des Hinflugs kam es zu einer verspäteten Auslieferung aller Gepäckstücke der Reisenden. Der Kläger und seine Mutter meldeten ihr Gepäck als verloren und erstatteten unverzüglich Schadensanzeige. Vor der Abfahrt des Schiffs kauften sie in Outdoor-Läden in Norwegen das Notwendigste ein. An Bord gab es eine Boutique und einen Wäscheservice. Schuhe und Parka für die Expeditionen an Land wurden gestellt. Die Beklagte erstattete den Reisenden außergerichtlich 25 Prozent vom gezahlten Reisepreis und 1.500 Euro (von 2.306,07 Euro) für die Ersatzbeschaffungen. Vor Gericht machte der Kläger den Restbetrag für die Ersatzbeschaffungen, weitere 15 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und einen „Schadenersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreuden“ geltend.
Landgericht sprach Minderung zu
Das LG sprach dem Kläger eine Minderung in Gesamthöhe von 30 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und für die Ersatzbeschaffungen weitere 516,20 Euro zu; einen Anspruch auf Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wies das LG jedoch ab.
Das LG begründete seine Entscheidung damit, dass das Fehlen von Gepäck mit persönlichen Gegenständen des Reisenden einen Reisemangel darstellt. Weil der Veranstalter jedoch keine besondere Kleiderordnung bei den Mahlzeiten und die Ausrüstung für die Expeditionen zur Verfügung gestellt hatte und es einen Wäscheservice an Bord gab, erachtete das Gericht eine Minderung von 30 Prozent des gezahlten Reisepreises als ausreichend und angemessen.
Bei den Ersatzbeschaffungen (Verbrauchsartikel, Grund- und Funktionsbekleidung) hatte der Reiseveranstalter unter anderem einen Abschlag für Vermögensvorteile vorgenommen, weil die Reisenden die Sachen nach der Rückkehr weiterhin nutzen können. Das Gericht folgte dem Argument der Beklagten nicht, soweit es sich um „Funktionskleidung“ handelte, denn der Kläger und seine Mutter hatten das Gericht davon überzeugt, dass sie die eigens für eine Expedition in die Arktis gekaufte Funktionsbekleidung nicht mehr benötigten. Anders sah es das Gericht bei den Verbrauchsartikeln (Waschmittel, Zahnpasta, etc.) – die Reisenden erhielten ihre Koffer bei der Rückkehr von der Reise zurück und konnten die darin enthaltenen Verbrauchsartikel (weiter) nutzen.
Schadenersatzanspruch abgelehnt
Einen Schadenersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit lehnte das Gericht ab, weil der Kläger und seine Mutter aufgrund der Möglichkeit von Ersatzbeschaffungen in Longyearbyen und an Bord sowie wegen der ihnen zur Verfügung gestellten Ausrüstungsgegenstände (Schuhe, Parka) an der Kreuzfahrt und den Expeditionen an Land teilnehmen konnten, was Sinn undZweck der gebuchten Expeditionsreise war.
Quelle | Landgericht München II, Endurteil vom 10.1.2025, 14 O 2061/24, PM 1/25
| Ein Ehemann kann nach der Trennung von seiner Frau verlangen, die Nutzungsverhältnisse an einem gemeinsamen Haus neu zu ordnen. Das stellte das Oberlandesgericht (OLG) Celle fest. |
Ärzteehepaar trennte sich
Nachdem sich ein Ärzteehepaar getrennt hatte, wollte der Mann in ein gemeinsames Haus des Paares ziehen. Doch dort wohnte seine Schwiegermutter. In der ihr allein gehörenden Ehewohnung lebte die Frau mit den gemeinsamen Kindern. Der Mann schlief zunächst in seiner Praxis, dann bei Bekannten. Schließlich wohnte er zur Untermiete.
Den Eheleuten gehörte aber hälftig noch das von der Schwiegermutter bewohnte Einfamilienhaus mit Garten. Dieser wollte der Mann wegen Eigenbedarf kündigen. Dazu war die Mitwirkung seiner Ehefrau erforderlich. Das lehnte sie ab. Sie meinte, der Mann wolle sie nur zwingen, ihrer Mutter zu kündigen. Auch habe er noch ein weiteres Haus. Der Mann klagte.
Amtsgericht: Eigenbedarf nicht genügend dargelegt
Das Amtsgericht (AG) wies seine Klage ab. Der Mann habe den Eigenbedarf nicht hinreichend dargelegt. Da die Schwiegermutter eine nahe Angehörige sei, könne ihre Tochter selbst Eigenbedarf anmelden. So zog der Mann vor das OLG.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG gab dem Mann Recht. Ihm sei seit der Trennung ein Festhalten am Mietverhältnis nicht länger zuzumuten. Auch habe er seinen Eigenbedarf ausreichend dargelegt. Er hatte vorgetragen, dass sein jetziges Mietverhältnis nur befristet war. Ein ständiges Wohnen in der Praxis sei ihm nicht zuzumuten. Ein Umzug in das andere Haus sei ihm ebenfalls nicht zuzumuten, da dieses noch ein Rohbau sei und er auch kein Geld für einen Umzug habe. Nach all dem sah das OLG den geltend gemachten Eigenbedarf nicht als „offensichtlich aussichtslos“ an. Vor allem sei die Frau in der Lage, ihre Mutter in der Ehewohnung und einer nicht genutzten Einliegerwohnung aufzunehmen.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 19.2.2025, 21 UF 237/24
| Wer einen überschuldeten Nachlass erbt, kann innerhalb einer Frist von sechs Wochen das Erbe ausschlagen. Sonst gilt die Erbschaft als angenommen und er haftet für die dem Nachlass zuzuordnenden Schulden. War dem Erben nicht bekannt, dass der Nachlass überschuldet ist, kann noch die Anfechtung wegen Irrtums helfen. Mit den Voraussetzungen dafür hat sich jetzt das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. Es hat entschieden, dass der als Erbe eingesetzte Sohn eines Verstorbenen nicht für die Beerdigungskosten aufkommen muss, weil er die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten hat. |
Witwe verlangte Bestattungskosten von Sohn des Verstorbenen
Der Verstorbene hatte seinen Sohn aus erster Ehe testamentarisch zu seinem Erben bestimmt. Die beiden pflegten zuletzt keinen Kontakt mehr zueinander. Nach dem Tod übernahm zunächst die Witwe die Bestattungskosten von rund 7.500 Euro und wollte diese vom Sohn erstattet haben, da dieser die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte. Daraufhin erklärte der Sohn die Anfechtung der Erbschaftsannahme. Er habe nicht gewusst, dass die Bestattungskosten zu den Nachlassverbindlichkeiten gehörten und der Nachlass damit überschuldet sei.
Irrtum über die Beerdigungskosten
Dieser Argumentation hat sich das LG angeschlossen. Der Sohn habe die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten und müsse daher nicht für die Beerdigungskosten aufkommen. Die Anfechtung wegen unerkannter Überschuldung eines Nachlasses sei ein in der Rechtsprechung anerkannter Anfechtungsgrund. Sie setze voraus, dass der Anfechtende eine wesentliche Forderung gegen den Nachlass irrtümlich übersieht. Hier seien die Bestattungskosten eine wesentliche Forderung, da der Nachlass überschuldet sei, wenn man sie berücksichtige. Es sei auch glaubhaft, dass sich der Sohn über die Beerdigungskosten geirrt habe. Denn die Witwe habe ihm noch zu Lebzeiten des Vaters mitgeteilt, für die Beerdigung könne der Erlös aus dem Verkauf eines Pkw verwendet werden. Daher durfte der Sohn davon ausgehen, als Erbe seines Vaters nicht für die Bestattung aufkommen zu müssen, so die Kammer. Wenn kein Erbe in Anspruch genommen werden kann, muss die Witwe als Ehefrau nach den Vorschriften des Landesrechts selbst für die Beerdigungskosten aufkommen, so das LG.
Quelle | Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 27.2.2025, 8 O 189/24, PM vom 31.3.2025
| Die Kosten eines Vaterschaftsanerkennungsverfahrens können zwischen dem im Verfahren ermittelten biologischen Vater und der Mutter hälftig geteilt werden. Weder der Umstand, dass der Vater nicht bereits auf Basis eines Privatgutachtens zur Anerkennung der Vaterschaft bereit war, noch, dass er nach Angaben der Mutter der einzige Verkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit war, rechtfertigen eine alleinige Kostenlast des Vaters. So entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |
Streit um Kosten
Die Beteiligten streiten über die Kosten eines Abstammungsverfahrens. Die Mutter des Kindes hatte angegeben, mit dem sog. Putativvater (also dem, der als möglicher Vater in Betracht kommt) in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehrs gehabt zu haben. Ein außergerichtlicher Vaterschaftstest hatte diesen als Vater festgestellt. Das Kind begehrte daraufhin, die Vaterschaft des Putativvaters gerichtlich festzustellen. Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens stellte das Amtsgericht (AG) die biologische Vaterschaft des Putativvaters fest und legte die Verfahrenskosten hälftig der Mutter und dem nun festgestellten Vater auf.
So sah es das Oberlandesgericht
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Mutter gegen die Auferlegung der Hälfte der Kosten. Dies hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das AG habe im Ergebnis zutreffend die Kosten nach billigem Ermessen zwischen der Kindesmutter und dem Kindesvater hälftig geteilt, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Bei einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren handele es sich nicht um ein echtes Streitverfahren. Neben dem Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens könnten deshalb weitere Umstände von Bedeutung sein. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten sei allerdings regelmäßig unbillig, da es selbst nicht zur Unsicherheit an der Vaterschaft beigetragen habe.
Hier sei es nicht angemessen, dem Vater die alleinigen Kosten aufzuerlegen. Er habe insbesondere nicht „grob schuldhaft“ das Verfahren veranlasst. Ihm sei es vielmehr nicht zumutbar gewesen, die Vaterschaft bereits außergerichtlich ohne gutachterliche Klärung der biologischen Abstammung durch Sachverständigengutachten anzuerkennen. Allein die Angabe der Mutter, sie habe in der Empfängniszeit nur mit dem Vater verkehrt, genüge zur Begründung eines groben Verschuldens nicht. Vielmehr habe der Vater berechtigte Zweifel ans einer Vaterschaft haben dürfen. Unwidersprochen habe er mit der Kindesmutter in der Empfängniszeit keine Beziehung geführt und auch nicht mit ihr zusammengelebt. Damit hätten ihm konkrete Einblicke in die Lebensverhältnisse der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit gefehlt. Für ihn habe damit auch keine Möglichkeit bestanden, abzuschätzen oder zu beurteilen, ob die Mutter des Kindes zu weiteren Männern eine intime Beziehung unterhalten habe.
Außergerichtlicher Vaterschaftstest schließt gerichtliche Überprüfung nicht aus
Auf den bereits außergerichtlich durchgeführten Vaterschaftstest habe er sich nicht verlassen müssen. Er könne vielmehr geltend machen, dass er angesichts der hohen rechtlichen Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Abstammungsgutachtens eine gerichtliche Überprüfung wünsche. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass „beide Eltern das Verfahren über eine Entscheidung über die Abstammung dadurch gleichermaßen veranlasst haben, dass sie innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben. Damit erscheint es in der Regel auch gerechtfertigt, die Kosten eines solchen Verfahrens gleichmäßig auf beide Eltern zu verteilen“, unterstrich das OLG.
Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 13.1.2025, 6 WF 155/24, PM 4/25
| Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung ist so zu verstehen, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, sofern diese nicht bereits von Dritten erbracht und dem Architekten zur Verfügung gestellt wurden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden. |
Ein Architekt war mündlich damit beauftragt worden, die Baugenehmigung für die Erweiterung eines Gasthofs einzuholen. Damit war klar, dass er die Leistungsphase 4 im Leistungsbild Gebäude und Innenräume sowie Tragwerksplanung erbringen musste. Da er vom Auftraggeber nur Bestandszeichnungen erhalten hatte, die nicht an eine Vor- oder Entwurfsplanung heranreichten, verlangte er auch das Honorar für diese notwendigen Leistungen. Der Auftraggeber weigerte sich. Er meinte, er habe nur die Genehmigungsplanung beauftragt.
Das OLG gab dem Architekten Recht und sprach ihm das Honorar für die Leistungsphasen 1 bis 4 zu. Es komme nicht auf die Regelungen der HOAI, sondern auf den Inhalt des konkreten Auftrags an. Nicht entscheidend sei, ob die Parteien einen schriftlichen oder mündlichen Vertrag geschlossen, sondern was sie tatsächlich vereinbart haben. Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung müsse dann so verstanden werden, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, da diese notwendige Voraussetzung für die Erstellung der Genehmigungsplanung ist. Etwas anderes gelte nur, wenn die vorangehenden Planungsleistungen bereits von Dritten erbracht wurden und dem Architekten zur Verfügung gestellt werden.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2022, 4 U 142/20
| Beauftragt ein Bauträger einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt vom Architekten nur die Überprüfung einzelner Maße, übernimmt der Bauträger das mit der begrenzten Überprüfung verbundene Risiko selbst. Er kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin als Bauträgerin machte gegen den beklagten Architekten im Wege einer Schadenersatzklage i. H. v. 100.000 Euro wegen mangelhafter Architektenleistungen bei der Planung einer Wohnungseigentumsanlage geltend. Die Klägerin ist der Auffassung, die die Pläne des Vermessungsingenieurs überarbeitende Wohnflächenberechnung des Beklagten für bestimmte Bestandsgebäude habe eine zu geringe Wohnfläche ausgewiesen. Der Beklagte habe zugesichert, dass die Abweichungen der Wohnflächen von den Bestandsplänen des Vermessers unter einem Prozent lägen, tatsächlich gebe es Abweichungen bis zu 8%. Zahlreiche Wohnungen seien daher mit zu geringer Flächenangabe verkauft worden und deshalb sei ein Mindererlös entstanden.
Der Beklagte bestreitet eine fehlerhafte Flächenermittlung, die sich ohnehin nur auf die örtliche Überprüfung der Maße aus den Bestandsplänen des Vermessers hinsichtlich der für die Werkplanung entscheidenden Stellen bezogen habe. Ein Auftrag zu einer kompletten Neuvermessung des Bestands sei gerade nicht erteilt worden.
Zudem meint die Klägerin, der Beklagte habe bei der Grundlagenermittlung übersehen, dass die Geschossdecken in einem Bestandsgebäude Betonhohlkörperdecken waren, die einen unerwartet hohen Sanierungsaufwand erforderten, und es versäumt, vor Baubeginn die Fundamente an der Seite zu einem anderen Grundstück zu überprüfen. Infolge dieser Planungsfehler hätten sich die Baukosten für das Bestandsgebäude deutlich erhöht. Die Umbaukosten beliefen sich somit auf mindestens 950.000 Euro. Ein vollständiger Abriss und Neubau hätte dagegen (nur) 752.499 Euro gekostet und wäre im Vergleich zu den tatsächlich entstandenen Kosten günstiger gewesen. Bei erzielbaren Verkaufserlösen abzüglich der Kosten für Abriss/Neubau hätte sich bei einem Neubau ein hoher sechsstelliger Überschuss ergeben. Der tatsächliche Überschuss durch den Umbau habe lediglich 107.000 Euro betragen.
Der Beklagte trägt hierzu vor, ihm sei vom Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt worden, dass es sich bei sämtlichen Bestandsdecken um Stahlbetonrippendecken handele. Eine Pflicht zur Überprüfung dieser Tatsache habe es nicht gegeben. Zudem habe sich die Klägerin in Kenntnis der Mehrkosten für eine Sanierung und gegen einen Abriss entschieden. Hinsichtlich des Fundaments sei die Klägerin bereits vor Beauftragung des Beklagten in Kenntnis gesetzt worden, dass dessen Tragfähigkeit ein Risiko darstelle. Sie habe dennoch entschieden, das Fundament erst im Zuge der Aushubarbeiten zu untersuchen, um Kosten einzusparen.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG stellte klar: Wie bei einem Bauvertrag kann auch zwischen einem Architekten und seinem Auftraggeber eine von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichende Ausführung vereinbart werden, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen.
Beauftragt eine Bauträgerin einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt sie vom Architekten, einzelne Maße zu überprüfen, übernimmt die Bauträgerin sehenden Auges das mit der begrenzten Überprüfung der Maße verbundene Risiko und kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Weist der Architekt seinen Auftraggeber darauf hin, dass die zu planende Wohnung ohne Sonnenschutz nicht funktioniert, muss der Auftraggeber erkennen, dass bei Umsetzung der Planung eine im Hinblick auf den Wärmeschutz nicht ausreichend funktionstüchtige Wohnung errichtet wird, und es bedarf keines weiteren Hinweises, dass dann (auch) die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten sind.
Macht der Auftraggeber eines Architekten geltend, dass er im Fall einer mangelfreien Beratung von der Sanierung eines Gebäudes abgesehen und einen profitableren Neubau errichtet hätte, schafft der Auftraggeber für eine Schadensschätzung bzw. Begutachtung nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn er nachvollziehbar darlegt, welches Gebäude mit welchen Eigenschaften er statt der Sanierung errichtet hätte.
Macht ein Auftraggeber geltend, bei einem mangelfreien Architektenwerk hätte er die zu errichtenden Wohnungen teurer verkaufen können, ist ein Schaden nur schlüssig dargelegt, wenn die Kalkulationsgrundlagen für den erzielten und den geltend gemachten Kaufpreis offengelegt werden und nachvollziehbar vorgetragen wird, dass ein höherer Kaufpreis am Markt hätte durchgesetzt werden können.
Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 17.12.2024, 10 U 38/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Aachen hat die Klage eines Realschullehrers auf Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Festsetzung von Erfahrungsstufen und mithin auf eine höhere Besoldung abgewiesen. |
Eine Tätigkeit als Anbieter von Cocktailkursen ist für die Tätigkeit als verbeamteter Lehrer nicht förderlich im besoldungsrechtlichen Sinne. Eine Tätigkeit ist allgemein förderlich, wenn sie für die Dienstausübung des Beamten nützlich bzw. von konkretem Interesse ist, d. h. wenn diese entweder erst aufgrund der früher gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht oder wenn sie jedenfalls erleichtert und verbessert wird.
Ausgehend hiervon kann die Tätigkeit als Betreiber einer Gesellschaft, die Cocktailkurse und Barcatering anbietet – auch wenn diese Tätigkeit über mehrere Jahre ausgeübt wurde – nicht als förderlich angesehen werden. Das Halten von Cocktailkursen ist weder qualitativ noch quantitativ mit der Tätigkeit eines Realschullehrers vergleichbar. So hat der Kläger im Rahmen seiner Cocktailschule insbesondere nicht mit Minderjährigen gearbeitet, sondern deren Angebot zielte auf die Schulung von Mitarbeitern aus dem Hotel-, Restaurant- und Cateringgewerbe. Auch sind die Anforderungen an die Erstellung eines Cocktailkurses nicht mit der Erstellung eines differenzierten Lehrplans für Schulunterricht in den Schulklassen 5 bis 10 vergleichbar.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 20.1.2025, 1 K 2377/23, PM vom 3.2.2025
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Ein Beschäftigungsverhältnis wird erst ab dem Beginn der Entgeltfortzahlung und nicht schon mit Abschluss des Arbeitsvertrags begründet. |
Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankgemeldet
Geklagt hatte ein 36-jähriger Arbeitsloser, dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld Ende Oktober 2023 auslief. Anfang Oktober unterschrieb der Mann einen Arbeitsvertrag als Lagerist bei einem Reinigungsunternehmen zu einem Monatslohn von 3.000 Euro brutto. Er trat die Arbeit jedoch nie an, da er sich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankmeldete. Zwei Wochen später kündigte die Firma innerhalb der Probezeit.
Krankenkasse zahlte kein Krankengeld
Die Krankenkasse des Mannes lehnte daraufhin die Zahlung von Krankengeld ab. Begründung: Es habe kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, da der Mann kein Einkommen erzielt habe.
Der Mann verklagte das Unternehmen und verlangte die Anmeldung zur Sozialversicherung ab dem Beginn des Arbeitsvertrags. Er vertrat dazu die Auffassung, dass bereits durch einen rechtsgültigen Vertrag, der eine Entgeltzahlung vorsehe, ein Beschäftigungsverhältnis zustande komme. Dies müsse auch gelten, wenn ihm der Arbeitsantritt krankheitsbedingt nicht möglich sei. Andernfalls würde er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit leer ausgehen.
Landessozialgericht gab Krankenkasse Recht
Das LSG vermochte sich der Rechtsauffassung des Klägers nicht anzuschließen. Der Arbeitgeber müsse ihn nicht zur Sozialversicherung anmelden, da ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht schon mit dem Beginn des Arbeitsvertrags entstanden sei. Erforderlich sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe. Dieser Anspruch entstehe jedoch bei neuen Arbeitsverhältnissen generell erst nach einer vierwöchigen Wartezeit.
Wartezeit war ohnehin nicht erfüllt
Diese gesetzliche Regelung solle verhindern, dass Arbeitgeber die Kosten der Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer tragen müssen, die direkt nach der Einstellung erkrankten. Der Gesetzgeber habe eine solche Konsequenz als unbillig angesehen.
Unabhängig davon müsse der Mann sich erst an seine Krankenkasse wenden, bevor er seinen Arbeitgeber verklage.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.1.2025, L16 KR 61/24
| Berufsgeheimnisträger können in ihrem Fahrtenbuch Schwärzungen vornehmen, soweit diese Schwärzungen erforderlich sind, um die Identitäten von Mandanten zu schützen. Diese Berechtigung ändert aber nichts an der grundsätzlichen Beweislastverteilung. Gegebenenfalls muss der Berufsträger substanziiert und nachvollziehbar darlegen, weshalb Schwärzungen in dem Umfang erforderlich waren und die berufliche Veranlassung der Fahrten durch ergänzende Angaben darlegen. So lautet eine Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Hamburg, gegen die die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig ist. |
Der Rechtsanwalt hatte die Eintragungen in der Spalte „Grund der Fahrt/besuchte Personen“– mit drei Ausnahmen – bei allen beruflichen Fahrten geschwärzt. Das war dem FG zu viel. Die Richter fanden es ungewöhnlich, dass ein Anwalt bei nahezu jeder geschäftlichen Fahrt geheimhaltungsbedürftige Daten in sein Fahrtenbuch einträgt. In der vorgelegten Form wurde das Fahrtenbuch deshalb nicht anerkannt.
Quelle | FG Hamburg, Urteil vom 13.11.2024, 3 K 111/21, Rev. BFH, VIII R 35/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Der sonntägliche Verkauf von Dekorationsartikeln und Christbaumschmuck in einem Gartenmarkt verstößt nicht gegen das Ladenöffnungsgesetz Nordrhein-Westfalen. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte betreibt Gartenmärkte in Nordrhein-Westfalen und verkaufte dort an einem Sonntag im November des Jahres 2022 neben Blumen und Pflanzen auch Dekorationsartikel und Christbaumschmuck. Die Klägerin hält dies für unlauter und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
So sahen es die Vorinstanzen
Das Landgericht (LG) hat die Klage mit Blick auf das von der Klägerin begehrte Verbot des Verkaufs von künstlichen Tannenzweigen, Motivanhängern, Zimtstangen und Glaskugeln abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsantrag weiter.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der sonntägliche Verkauf der in Rede stehenden Waren stellt keinen Wettbewerbsverstoß dar, weil sie dem Randsortiment zuzurechnen sind. Ihr Verkauf ist deshalb nach dem Ladenöffnungsgesetz Nordrhein-Westfalen (LÖG NW) an Sonn- und Feiertagen zulässig. Als kleinteilige Accessoires zu den von der Beklagten hauptsächlich angebotenen Blumen und Pflanzen haben Dekorationsartikel und Christbaumschmuck lediglich ergänzenden, in Umfang und Gewichtigkeit deutlich untergeordneten Charakter.
Die Zugehörigkeit von Waren zum Randsortiment richtet sich nach ihrer hauptsächlichen Zweckbestimmung und nicht nach ihrer darüber hinaus möglichen Nutzung. Zudem muss das Randsortiment – anders als das Kernsortiment – nicht zum sofortigen Ge- oder Verbrauch bestimmt sein. Auch ist nicht erforderlich, dass Waren des Randsortiments gleichzeitig oder kombiniert mit Waren des Kernsortiments erworben werden. Es stellt keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß dem Grundgesetz (hier: Art. 3 Abs. 1 GG) dar, dass das Randsortiment nur in den aufgrund ihres Kernsortiments privilegierten Verkaufsstellen sonn- und feiertags verkauft werden darf, in sonstigen Verkaufsstellen aber nicht. Die Differenzierung danach, ob das Kernsortiment den typischerweise an Sonn- und Feiertagen anfallenden Bedarf befriedigt, ist sachlich gerechtfertigt.
Quelle | BGH, Urteil vom 5.12.2024, I ZR 38/24, PM Nr. 230/24
| Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde die nationale Kleinunternehmerregelung mit Wirkung ab dem Jahr 2025 reformiert. Zudem kann die Kleinunternehmerregelung nun auch erstmalig im EU-Ausland in Anspruch genommen werden. Infolge der gesetzlichen Neuregelungen hat das Bundesfinanzministerium (BMF) ein Anwendungsschreiben veröffentlicht und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass entsprechend angepasst und ergänzt. |
„Echte“ Befreiung
Durch die Neuregelung sind von inländischen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze von der Umsatzsteuer nun befreit (zuvor wurde die Umsatzsteuer „nicht erhoben“). Die Folge ist, dass ein dennoch in einer Rechnung ausgewiesener Steuerbetrag unter den Voraussetzungen des Umsatzsteuergesetzes (hier § 14 c Abs. 1 UStG: „unrichtiger Steuerausweis“) geschuldet wird.
Rechnungen an Endverbraucher ausgenommen
Allerdings entsteht keine Umsatzsteuer, wenn der Kleinunternehmer eine Leistung (Lieferung oder sonstige Leistung) ausführt und hierüber eine Rechnung mit einem unrichtigen Steuerausweis an einen Endverbraucher stellt.
Bindend: Fünfjahresfrist
Zudem führt das BMF Folgendes aus: Ein vor 2025 erklärter Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung bindet den Unternehmer auch für die Zeit nach dem 1.1.2025 weiterhin für insgesamt mindestens fünf Kalenderjahre (§ 19 Abs. 3 S. 3 UStG).
Beachten Sie | Die Fünfjahresfrist ist vom Beginn des ersten Kalenderjahres an zu berechnen, für das die abgegebene Erklärung gilt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 18.3.2025, III C 3 - S 7360/00027/044/105
| Ein als Zahnarzt zugelassener Mitunternehmer übt im Rahmen eines Zusammenschlusses von Berufsträgern den freien Beruf selbst aus, wenn er neben einer ggf. äußerst geringfügigen behandelnden Tätigkeit vor allem und weit überwiegend organisatorische und administrative Leistungen für den Praxisbetrieb der Mitunternehmerschaft erbringt. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Ärzte und Zahnärzte erzielen aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 18 EStG). Dies gilt grundsätzlich auch bei einer Gemeinschaftspraxis.
Allerdings kann es Konstellationen geben, in denen die Einkünfte der Gesellschaft als gewerbliche Einkünfte (nach § 15 EStG) einzustufen sind – mit der Konsequenz der Gewerbesteuerpflicht. Und darum ging es in folgendem Fall:
Das war geschehen
Eine Partnerschaftsgesellschaft betreibt eine Zahnarztpraxis. Einem ihrer Seniorpartner oblag die kaufmännische Führung und die Organisation der ärztlichen Tätigkeit des Praxisbetriebs (z. B. Vertretung gegenüber Behörden und Kammern, Personalangelegenheiten, Instandhaltung der zahnärztlichen Gerätschaften).
Zahnarzt hatte im Jahr fünf Patienten
Der Seniorpartner war weder „am Stuhl“ behandelnd tätig noch in die praktische zahnärztliche Arbeit der Mitsozien und der angestellten Zahnärzte eingebunden. Er beriet im Streitjahr fünf Patienten konsiliarisch und generierte hieraus einen geringfügigen Umsatz.
Das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz stuften die Einkünfte der gesamten Gesellschaft als gewerblich ein. Dem folgte der BFH allerdings nicht: Alle Mitunternehmer erzielen Einkünfte aus freiberuflicher und damit selbstständiger Arbeit.
Die freiberufliche Tätigkeit ist durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Berufsträgers geprägt. Daher reicht die bloße Zugehörigkeit eines Gesellschafters zu einem freiberuflichen Katalogberuf nicht aus. Vielmehr muss positiv festgestellt werden können, dass jeder Gesellschafter die Hauptmerkmale des freien Berufs in seiner Person tatsächlich verwirklicht hat, also
- die persönliche Berufsqualifikation sowie
- das untrennbar damit verbundene aktive Entfalten dieser Qualifikation am Markt.
Die persönliche Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit im vorgenannten Sinne setzt allerdings nicht voraus, dass jeder Gesellschafter in allen Unternehmensbereichen leitend und eigenverantwortlich tätig ist und an jedem Auftrag mitarbeitet. Die eigene freiberufliche Betätigung eines Mitunternehmers kann auch in Form der Mit- und Zusammenarbeit stattfinden.
Beachten Sie | Einen Mindestumfang für die nach außen gerichtete qualifizierte Tätigkeit sieht das Gesetz nicht vor.
Eine freiberufliche zahnärztliche Tätigkeit ist demzufolge vorliegend anzunehmen. Auch in diesem Fall entfaltet der Berufsträger Tätigkeiten, die zum Berufsbild des Zahnarztes gehören.
Bundesfinanzhof: Führung und Organisation ist Grundlage für freiberufliche Tätigkeit
Beachten Sie | In diesem Zusammenhang stellte der BFH Folgendes heraus: Die kaufmännische Führung und Organisation der Personengesellschaft ist die Grundlage für die Ausübung der am Markt erbrachten berufstypischen zahnärztlichen Leistungen. Sie ist demzufolge auch Ausdruck seiner freiberuflichen Mit- und Zusammenarbeit sowie seiner persönlichen Teilnahme an der praktischen Arbeit.
Quelle | BFH, Urteil vom 4.2.2025, VIII R 4/22, PM 19/25 vom 27.3.2025
| Ein vermietetes Wohngebäude abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen, wird nicht durch die sogenannte Wohnraumoffensive steuerlich gefördert. Eine Sonderabschreibung gemäß Einkommensteuergesetz (hier: § 7 b Abs.1 EStG) ist nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) Köln nicht möglich. Allerdings haben die Steuerpflichtigen Revision eingelegt. |
Hintergrund: Für die Anschaffung oder Herstellung neuer Wohnungen können im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden drei Jahren Sonderabschreibungen bis zu jährlich 5 % der Bemessungsgrundlage neben der regulären Abschreibung in Anspruch genommen werden. Einige Voraussetzungen für die Sonderabschreibung im Überblick:
Baukostenobergrenze
- Bauantrag/-anzeige nach 31.8.2018 und vor 1.1.2022:
Anschaffungs-/Herstellungskosten max. 3.000 Euro pro qm Wohnfläche
- Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029:
Anschaffungs-/Herstellungkosten max. 5.200 Euro pro qm Wohnfläche
Maximal förderfähig Bemessungsgrundlage
- Bauantrag/-anzeige nach 31.8.2018 und vor 1.1.2022:
2.000 Euro pro qm Wohnfläche
- Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029:
4.000 Euro pro qm Wohnfläche
Energieeffizienz
Bei Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029: Effizienzvorgaben („Effizienzhaus 40“) beachten.
Das war geschehen
Die Steuerpflichtigen waren Eigentümer eines vermieteten Einfamilienhauses und entschieden sich gegen die aus ihrer Sicht unwirtschaftliche Sanierung des Gebäudes auf einen zukunftsfähigen Standard. Stattdessen ließen sie das alte Gebäude abreißen und errichteten auf demselben Grundstück ein neues Einfamilienhaus. Den Ende 2020 fertiggestellten Neubau wollten sie wieder als Wohnraum vermieten. Das Finanzamt versagte die Förderung für Mietwohnungsneubau (Sonderabschreibung) gemäß der Wohnraumoffensive von Bund, Ländern und Gemeinden aus dem Jahr 2019. Hiergegen zogen die Steuerpflichtigen vor das FG Köln – ohne Erfolg.
Das FG hob hervor, dass die Steuerpflichtigen keinen zusätzlichen Wohnraum geschaffen haben. Die Wohnraumoffensive zielt darauf ab, dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum durch die Förderung von Neu- und Umbaumaßnahmen entgegenzuwirken. Voraussetzung für die Förderung ist deshalb, dass nach einer solchen Maßnahme insgesamt mehr Wohnraum zur Verfügung steht als zuvor. Der von den Steuerpflichtigen angeführte bessere Ausbau- und Energiestandard änderte nichts an dieser Beurteilung.
„Wohnraumoffensive“ galt noch nicht
Unerheblich war auch, dass der Gesetzgeber für spätere Zeiträume eine zusätzliche Förderung für energetische Neubauten geschaffen hat. Denn diese Förderung war im Streitjahr 2020 noch nicht anwendbar. Das Vorgehen der Steuerpflichtigen war eher mit einer Sanierung vergleichbar, die nicht vom Förderzweck der Wohnraumoffensive umfasst ist.
Quelle | FG Köln, Urteil vom 12.9.2024, 1 K 2206/21, Rev. BFH, IX R 24/24
| Zahlungen für den vorzeitigen Rückfall eines Erbbaurechts (sogenannter Heimfall) stellen steuerpflichtige Einkünfte dar, wenn sie als Ersatz für entgehende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gewährt werden und damit Entschädigungen i. S. des Einkommensteuergesetzes (hier: § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) darstellen. Das Finanzgericht (FG) Hessen bestätigte damit die Ansicht der Finanzverwaltung, wonach solche Entschädigungszahlungen nicht als sonstige Einkünfte, sondern als Einkünfte aus der Nutzung von unbeweglichem Vermögen zu qualifizieren sind. |
Beachten Sie | Die Klägerseite hatte den Vorgang demgegenüber als Rückkauf des Erbbaurechts und die „Entschädigung“ als Entgelt für die Substanzübertragung eingestuft. Wegen des Ablaufs der 10-Jahresfrist (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG) komme eine Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft nicht mehr in Betracht.
Das FG sah das anders. Dass eine Drucksituation des Steuerpflichtigen bei Vertragsschluss nicht erkennbar war, änderte daran nichts. Da die Revision anhängig ist, wird nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden müssen.
Quelle | FG Hessen, Urteil vom 22.2.2024, 10 K 436/22, Rev. BFH, IX R 9/24
| Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit den Bundesländern Vorgaben zu den ertragsteuerrechtlichen Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten bei Kryptowerten (z. B. Bitcoin) erarbeitet. Die neuen Vorgaben ersetzen das bisherige Schreiben aus dem Jahr 2022. Zu diesem Anlass wurde die bisherige Formulierung „virtuelle Währungen und sonstige Token“ durch die Bezeichnung „Kryptowerte“ ersetzt. |
Beachten Sie | Tätigkeiten im Zusammenhang mit Kryptowerten können zu Einkünften aus allen Einkunftsarten (z. B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen) führen.
Nach Rz. 53 des Schreibens ist Folgendes zu beachten: Gewinne aus dem Verkauf von im Privatvermögen gehaltenen Kryptowerten können Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften darstellen, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Gewinne bleiben indes steuerfrei, wenn die Summe der aus allen privaten Veräußerungsgeschäften im Kalenderjahr erzielten Gewinne weniger als 1.000 Euro beträgt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 6.3.2025, IV C 1 - S 2256/00042/064/043
| Zur Ermittlung der tatsächlichen Kosten für sonstige berufliche Fahrten nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 a S. 1 EStG) ist eine Leasingsonderzahlung den einzelnen Veranlagungszeiträumen während der Laufzeit des Leasingvertrags zuzuordnen. Mit dieser Entscheidung hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine bisherige Rechtsprechung geändert. Denn bis dato war die Leasingsonderzahlung grundsätzlich im Zeitpunkt der Zahlung zu berücksichtigen. Und auch andere (Voraus-)Zahlungen, die sich wirtschaftlich auf die Dauer des Leasingvertrags erstrecken, sind periodengerecht auf die einzelnen Veranlagungszeiträume während der Laufzeit des Leasingvertrags zu verteilen. |
Hintergrund: Arbeitnehmer können die Kosten für beruflich veranlasste Fahrten, die keine Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie keine Familienheimfahrten sind, bei Nutzung eines eigenen Pkw als Werbungskosten ansetzen. Dabei besteht ein Wahlrecht: Ansatz der Fahrtkosten mit einer Pauschale von 0,30 Euro/km oder Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen.
Sollen die tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden, muss ein individueller Kilometersatz ermittelt werden, wobei die gesamten Fahrzeugkosten zu berücksichtigen sind.
Beachten Sie | Zu den Gesamtkosten gehören die Kosten, die unmittelbar dem Halten und dem Betrieb des Kfz dienen und im Zusammenhang mit dessen Nutzung typischerweise entstehen. Dazu rechnen vor allem die Kosten für Betriebsstoffe, Wartung und Reparaturen sowie die regelmäßig wiederkehrenden festen Kosten, etwa für die Haftpflichtversicherung, die Kfz-Steuer, Absetzung für Abnutzung (AfA) oder Leasing- und Leasingsonderzahlungen.
Das war geschehen
Ein Arbeitnehmer nutzte für seine beruflichen Fahrten einen ab dem 20.12.2018 für drei Jahre geleasten Pkw. Für seine vom 20.12. bis 31.12.2018 durchgeführten beruflichen Fahrten setzte er 0,93 Euro/km als Werbungskosten an. Bei der Ermittlung des Kilometersatzes legte er u. a. die Leasingsonderzahlung für den Leistungszeitraum (20.12.2018 bis 19.12.2021) von 15.000 Euro, die Kosten für Zubehör, Zusatzleistungen und Reifen sowie die für zwölf Monate zu zahlenden Leasingraten, Versicherungsprämien und ADAC-Beiträge zugrunde.
Bisher gehörte eine bei Leasingbeginn zu erbringende Sonderzahlung in Höhe des auf die Auswärtstätigkeiten entfallenden Nutzungsanteils zu den sofort abziehbaren Werbungskosten. Etwas anderes galt nur, wenn es sich bei der Leasingsonderzahlung um Anschaffungskosten für den Eigentumserwerb bzw. um Anschaffungskosten eines Nutzungsrechts handelte, die nur in Form von AfA berücksichtigt werden können.
Bundesfinanzhof ändert seine bisherige Rechtsprechung
An dieser Rechtsprechung hält der BFH nicht mehr fest. Bei Leasingsonderzahlungen handelt es sich um ein vorausgezahltes Nutzungsentgelt, das dem Zweck dient, die Leasingraten während der Gesamtlaufzeit des Leasingvertrags zu mindern. Die Sonderzahlung finanziert damit auch die Nutzung des Fahrzeugs in den Folgejahren, weshalb die Leasingsonderzahlung linear auf den Vertragszeitraum zu verteilen ist, sofern die Sonderzahlung nach den Vertragsbedingungen die Höhe der monatlichen Leasingraten mindert.
Diese Grundsätze gelten auch für andere (Voraus-)Zahlungen, die sich wirtschaftlich auf die Dauer des Leasingvertrags erstrecken. Beispielhaft führt der BFH die Kosten „für einen weiteren Satz Reifen“ an, die in Höhe der AfA in die jährlichen Gesamtaufwendungen einzubeziehen sind.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 9/22
| Die Fahrerlaubnis-Verordnung bietet keine rechtliche Grundlage für eine behördliche Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen (u. a. Fahrräder, Mofas, E-Scooter). Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden. Damit sind zwei Antragsteller aus Duisburg und Schwerte vorläufig wieder berechtigt, mit solchen Fahrzeugen am Straßenverkehr teilzunehmen. |
Unter Amphetaminen auf dem E-Scooter bzw. betrunken auf dem Rad
Ein Antragsteller fuhr unter dem Einfluss von Amphetamin einen E-Scooter. Der andere Antragsteller wies bei einer Fahrt mit dem Fahrrad eine Blutalkoholkonzentration von über 2 ‰ auf. Beide besitzen keine Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (z. B. Pkw). In beiden Fällen untersagten die Fahrerlaubnisbehörden ihnen das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen. Die hiergegen gerichteten Eilanträge lehnten die Verwaltungsgerichte (VG) Düsseldorf und Gelsenkirchen ab. Die Beschwerden der Antragsteller hatten beim OVG Erfolg.
Einschlägige Normen nicht verhältnismäßig
Zur Begründung hat das OVG ausgeführt: Die streitigen Anordnungen können nicht auf die Vorschrift der Fahrerlaubnis-Verordnung gestützt werden, wonach die Fahrerlaubnisbehörde jemandem das Führen von Fahrzeugen zu untersagen hat, der sich als hierfür ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet erweist. Denn diese Norm ist nicht hinreichend bestimmt und verhältnismäßig.
Ein solches Verbot schränkt die grundrechtlich geschützte Fortbewegungsmöglichkeit der Betroffenen deutlich ein. Außerdem sind fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im Vergleich zu Kraftfahrzeugen in der Regel weniger gefährlich. Die Vorschrift berücksichtigt diese Aspekte nicht und regelt insbesondere nicht hinreichend klar, in welchen Fällen jemand ungeeignet oder bedingt geeignet zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist und wann Eignungszweifel bestehen.
Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts sind unanfechtbar.
Quelle | OVG Münster, Beschluss vom 5.12.2024, 16 B 175/23, PM vom 6.12.2024
| In einem aktuellen Streitfall hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass der Steuerpflichtige die Aufwendungen für seine Fahrten zwischen der Wohnung und der Fernuniversität in Hagen nach Reisekostengrundsätzen als Werbungskosten geltend machen kann. |
Hintergrund: Beruflich veranlasste Aufwendungen, die im Rahmen einer Zweitausbildung (Berufsausbildung oder Studium) anfallen, sind grundsätzlich als (vorab entstandene) Werbungskosten abziehbar. Hierzu zählen auch die Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte. Diese sind jedoch bei vollzeitigen Bildungsmaßnahmen bzw. bei Vollzeitstudien auf den Ansatz der Entfernungspauschale begrenzt.
Ein Vollzeitstudium liegt vor, wenn das Studium darauf ausgelegt ist, dass sich die Studierenden diesem (vergleichbar einem vollbeschäftigten Arbeitnehmer) zeitlich vollumfänglich widmen müssen. Davon ist auszugehen, wenn das Studium nach den Ausbildungsbestimmungen oder der allgemeinen Erfahrung insgesamt etwa 40 Wochenstunden (Unterricht, Praktika sowie Vor- und Nachbereitung zusammengenommen) erfordert.
Im Streitfall war der Steuerpflichtige nur als Teilzeitstudierender eingeschrieben und studierte nach seinem Hörerstatus in einem Umfang von etwa 20 Stunden wöchentlich. Dass er im Streitjahr keiner Erwerbstätigkeit nachging, war im Hinblick auf den Begriff des Vollzeitstudiums unerheblich.
Somit waren die Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen (Ansatz einer Pauschale i. H. von 0,30 Euro je gefahrenem Kilometer oder Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen) abzugsfähig.
Quelle | BFH, Urteil vom 24.10.2024, VI R 7/22
| Wer auf Betrüger hereinfällt und im Online-Verfahren eine Echtzeit-Überweisung freigibt, kann nicht darauf hoffen, dass die Bank ihm den Schaden ersetzt. Dies gilt selbst dann, wenn er Minuten später den Schwindel bemerkt und über den Kundenservice sein Konto sperren lässt. Denn der einmal angestoßene Zahlungsvorgang kann nicht mehr gestoppt werden, auch wenn das Geld erst Tage später vom Konto abgebucht wird. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden. Das LG hat die Klage zweier Eheleute gegen ihre Hausbank abgewiesen. Diese waren einer bekannten Betrugsmasche („Hallo, ich habe eine neue Handynummer“) aufgesessen. |
Ehepaar fiel auf bekannte Betrugsmasche herein
Das Ehepaar erhielt im Herbsturlaub letzten Jahres eine SMS von einer unbekannten Rufnummer. Der Absender gab sich als deren Tochter aus und bat darum, über den Nachrichtendienst WhatsApp Kontakt aufzunehmen. Bei dem darauffolgenden Chat glaubten die beiden fest daran, mit ihrer Tochter in Kontakt zu sein. Auf Frage teilten sie die Zugangsdaten für das von ihnen genutzte Online-Banking mit und gaben schließlich zwei Echtzeitüberweisungen von insgesamt ca. 6.000 Euro über die auf ihrem Handy installierte Photo-Tan-App frei. Bereits wenige Minuten später kamen ihnen doch Bedenken,s ie erreichten ihre Tochter und die Täuschung flog auf. Weniger als 20 Minuten nach der Freigabe der Zahlungen informierten sie telefonisch den Kundenservice ihrer Bank und ließen das Konto sperren. Trotzdem wurden die Beträge zwei Tage später vom Girokonto abgebucht. Es sei nicht mehr möglich gewesen, die Vorgänge zu stoppen, so die Bank. Eine Rückerstattung lehnte sie ab.
Landgericht: Zahlungsvorgang an sich völlig korrekt
Das LG gab der Bank Recht und lehnte die Rückzahlung ab. Die Eheleute hätten ihre Freigabe nicht mehr widerrufen können. Ein Widerruf sei nämlich bei Echtzeit-Überweisungen nur bis zum Zugang der Freigabe bei der Bank möglich. Über das Internet erfolgt der Zugang in Sekundenbruchteilen. Danach könnten sich Bankkunden nur von der Freigabe lösen, wenn die Bank die Täuschung hätte bemerken müssen. Dafür sei im konkreten Fall nichts ersichtlich, der Zahlungsvorgang sei vielmehr völlig korrekt abgelaufen und die Bank sei mittels der im Online-Banking vorgesehenen Login- und Freigabedaten korrekt autorisiert worden. Dass die Abbuchung erst zwei Tage später erfolgt sei, ändere am Ergebnis nichts. Es sei zu unterscheiden zwischen dem Geldausgang, der schon wenige Sekunden nach der Online-Freigabe erfolgt sei, und dem Zeitpunkt der Belastung des Kontos. Im Übrigen habe sich das Paar durch die leichtfertige Weitergabe der Zugangsdaten grob fahrlässig verhalten.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 24.10.2024, 7 O 154/24, PM vom 27.11.2024
| Teilt der Rundfunkkunde eine Änderung der Anschrift nicht mit und ergreift auch keine Maßnahmen, um den Zugang von Post unter einer veralteten Adresse zu verhindern, muss er offene Rundfunkbeiträge zahlen. So entschied es das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |
Das war geschehen
Die Klägerin wird durch den beklagten Südwestrundfunk für ihre Privatwohnung zu Rundfunkbeiträgen herangezogen. Sie bewohnt ein Haus, das ursprünglich über zwei getrennte Wohneinheiten mit Ausgängen zu verschiedenen Straßen (A.-Straße und C.-Weg) verfügte. Bis zum Jahr 2020 war die Klägerin unter der Anschrift A.-Straße gemeldet. Bereits einige Jahre zuvor verschloss sie jedoch den auf diese Straße führenden Hauseingang und entfernte den zugehörigen Briefkasten. Eine Ummeldung (zum C.-Weg) veranlasste sie zunächst nicht. Die Klägerin entrichtete keine Rundfunkbeiträge.
Schließlich setzte der Beklagte mit mehreren Festsetzungsbescheiden die offenen Rundfunkbeiträge gegen die Klägerin fest. Die Bescheide waren an die Anschrift der Klägerin in der A.-Straße adressiert. Erstmals ab Mitte des Jahres 2020 nahm die Klägerin die Zahlung von Rundfunkbeiträgen auf und zeigte dem Beklagten die Anschrift „C.-Weg“ an.
Mit ihrer nach erfolglosem Widerspruchsverfahren gegen die Festsetzungsbescheide gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, die Bescheide seien ihr nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Eine Mahnung habe sie nur durch Zufall erreicht. Seit Jahren empfange sie ihre Post nur noch im C.-Weg. Die geforderten Beiträge seien deshalb verjährt.
So sah es das Verwaltungsgericht
Hiermit hatte sie keinen Erfolg. Die Klägerin sei zur Zahlung der geforderten Rundfunkbeiträge verpflichtet, so das VG. Dabei könne offen bleiben, ob der Klägerin die Bescheide wirksam bekannt gegeben worden seien. Denn sie habe dem Beklagten die Änderung der Anschrift nicht mitgeteilt und noch dazu aktive Maßnahmen ergriffen, um den Zugang von Post unter der A.-Straße zu verhindern. Sie könne sich daher jedenfalls nicht auf die Verjährung der Beiträge berufen. Außerdem seien die Zahlungen, die die Klägerin ab dem Jahr 2020 geleistet habe, nach der insoweit maßgeblichen Satzung des Beklagten jeweils mit der ältesten Rundfunkbeitragsschuld verrechnet worden.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 12.11.2024, 5 K 594/24.KO, PM 21/24
| Ferien sollen eine schöne und unbeschwerte Zeit sein. Doch auch hier kann es zu schlimmen Vorfällen kommen. So ging es einer Familie aus Norddeutschland auf der Insel Wangerooge. Letztlich musste sich das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg damit befassen. |
Unfall beim Kaffeekochen
Beim ersten Frühstück in der Ferienwohnung setzte die Mutter einer sechsjährigen Tochter Kaffee in der Kaffeemaschine auf. Als sie den Kaffee zum Frühstückstisch brachte, löste sich der Henkel und die Kanne kippte nach vorn. Der heiße Kaffee ergoss sich über den Oberköper und die Arme ihrer Tochter. Das Mädchen erlitt schwere Verbrennungen und kam mit einem Hubschrauber ins Krankenhaus nach Wilhelmshaven. Sie trug – voraussichtlich dauerhafte – Narben im Brustbereich davon.
Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld?
Die Tochter verklagte die Vermieterin auf Schmerzensgeld und Schadensersatz, weil die Kaffeekanne schon bei Übernahme der Ferienwohnung kaputt gewesen sei. Das Landgericht (LG) Oldenburg wies die Klage ab. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen als Teil des Mietvertrags sei eine Haftung für einfache Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Es sei aber nicht feststellbar, dass die Kaffeekanne erkennbar nicht mehr vollständig in Ordnung gewesen sei.
Mangel war nicht zu beweisen
Das OLG hat jetzt diese Entscheidung bestätigt. Zwar sei ein umfassender Haftungsausschluss durch Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam. Ein Vermieter hafte grundsätzlich sogar ohne jedes eigene Verschulden, allerdings nur für Mängel, die bereits bei Vertragsschluss vorlägen. Hier sehe das Gesetz eine viel strengere Haftung vor als bei anderen Vertragsformen, etwa beim Kauf- oder beim Werkvertrag. Die Klägerin habe jedoch einen solchen Mangel zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht beweisen können. Der gerichtlich bestellte Sachverständige habe keine Reparaturspuren an der Kanne feststellen können. Es stehe auch nicht fest, dass die Kanne bereits bei Vertragsschluss einen Schaden durch Verschleiß aufgewiesen habe. Ebenso wenig sei bewiesen, dass die Kaffeekanne einen Produktmangel gehabt habe, der zu vorzeitigem Verschleiß geführt habe. Selbst für einen solchen Mangel hätte die Vermieterin einstehen müssen.
Verschulden nicht ersichtlich
Die Vermieterin treffe auch keine Haftung wegen eines möglichen Verschuldens. Es sei nicht mehr aufzuklären, in wessen Verantwortungsbereich die Schadensursache liege. Die Glaskanne sei zunächst noch funktionstüchtig gewesen, als die Mutter der Klägerin damit das kalte Wasser in die Maschine gefüllt habe. Der Bruch sei also erst danach erfolgt. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Vermieterin etwaige Vorschäden hätten auffallen müssen. Sie hätte die Kanne auch nicht auf versteckte Schäden untersuchen müssen.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 25.11.2024, 9 U 40/23, PM 36/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden hat eine Klage abgewiesen, mit der der Kläger die Ausstellung eines Personalausweises ohne Speicherung der Fingerabdrücke auf dessen elektronischem Speichermedium (sog. „Chip“) begehrte. |
Pflicht aufgrund europäischer Verordnung
Die Pflicht zur Speicherung von Fingerabdrücken bei Ausweisen beruht auf der europäischen Verordnung (hier: (EU) 2019/1157 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019) zur Erhöhung der Sicherheit der Personalausweise von Unionsbürgern und der Aufenthaltsdokumente, die Unionsbürgern und deren Familienangehörigen ausgestellt werden, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben. Der Kläger trug vor, dass hierdurch seine Grundrechte auf Schutz des Privatlebens nach der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Art. 7 GRCh) und auf Schutz personenbezogener Daten (Art. 8GRCh) verletzt würden.
So sah es der Europäische Gerichtshof
Das VG hatte das Verfahren zunächst ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in einem Vorabentscheidungsverfahren die Frage vorgelegt, ob die Pflicht zur Aufnahme von Fingerabdrücken in Personalausweisen mit höherrangigem Unionsrecht vereinbar ist. Der EuGH hatte entschieden, dass die Verordnung wegen der Durchführung eines ungeeigneten Gesetzgebungsverfahrens ungültig sei. Die Wirkungen der Verordnung würden jedoch aufrechterhalten bleiben, bis innerhalb einer angemessenen Frist, die zwei Jahre ab dem 1.1.2025 nicht überschreiten dürfe, eine neue, im korrekten Gesetzgebungsverfahren erlassene Verordnung in Kraft trete, die sie ersetzt. In materieller Hinsicht verstoße die Einschränkung der in Art. 7 und Art. 8 GRCh garantierten Rechte nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sodass die Verordnung nicht aus diesem Grund ungültig sei.
So entschied das Verwaltungsgericht
Die Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken sei rechtmäßig, so das VG, und verletze den Kläger deshalb auch nicht in seinen Rechten. Das VG sei an das Urteil des EuGH gebunden, insbesondere bezüglich der Ausführungen zur materiellen Rechtmäßigkeit. Auch im Hinblick auf die im konkreten Verfahren vorliegende Frage der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken durch die Landeshauptstadt Wiesbaden sei keine andere Beurteilung geboten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei auch im konkreten Fall gewahrt. In der Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken durch die Beklagte liege kein Verstoß gegen Grundrechte.
Auch habe das VG für die Entscheidung über den vorliegenden Fall nicht den Fristablauf der Fortgeltung der o. g. Verordnung oder den Erlass einer neuen Verordnung abwarten müssen. Angesichts der Entscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren sei die Sache entscheidungsreif. Der EuGH habe ausdrücklich entschieden, dass die Wirkungen der Verordnung aufrechterhalten blieben, weshalb im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein Anspruch des Klägers auf Ausstellung eines Personalausweises ohne Speicherung von Fingerabdrücken bestehe. Die Frage, ob sich ein solcher Anspruch möglicherweise in der Zukunft infolge einer Änderung der Rechtslage ergeben könnte, sei im vorliegenden Verfahren nicht von Relevanz.
Quelle | VG Wiesbaden, Urteil vom 18.12.2024, 6 K 1563/21.WI, PM 9/24
| Leistungen eines Wohnungseigentümers in die Erhaltungsrücklage einer Wohnungseigentümergemeinschaft (z. B. im Rahmen der monatlichen Hausgeldzahlungen) sind steuerlich im Zeitpunkt der Einzahlung noch nicht abziehbar. Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung liegen erst vor, wenn aus der Rücklage Mittel zur Zahlung von Erhaltungsaufwendungen entnommen werden. Damit hat der Bundesfinanzhof (BFH) die bisherige Sichtweise bestätigt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar vermietete mehrere Eigentumswohnungen. Das an die jeweilige Wohnungseigentümergemeinschaft gezahlte Hausgeld wurde zum Teil der gesetzlich vorgesehenen Erhaltungsrücklage zugeführt. Insoweit erkannte das Finanzamt keine Werbungskosten an. Der Abzug könne erst in dem Jahr erfolgen, in dem die zurückgelegten Mittel für die tatsächlich angefallenen Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum verbraucht würden. Das Finanzgericht (FG) Nürnberg wies die Klage ab – und auch die Revision beim BFH blieb erfolglos.
Hausgeld war zwar erbracht …
Der Werbungskostenabzug erfordert einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Vermietungstätigkeit und den Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Die Eheleute hatten den der Erhaltungsrücklage zugeführten Teil des Hausgelds zwar erbracht und konnten hierauf nicht mehr zurückgreifen, da das Geld ausschließlich der Wohnungseigentümergemeinschaft gehört.
… aber noch nicht verausgabt
Auslösender Moment für die Zahlung war aber nicht die Vermietung, sondern die rechtliche Pflicht jedes Wohnungseigentümers, am Aufbau und an der Aufrechterhaltung einer angemessenen Rücklage für die Erhaltung des Gemeinschaftseigentums mitzuwirken. Ein Zusammenhang zur Vermietung entsteht erst, wenn die Gemeinschaft die angesammelten Mittel für Erhaltungsmaßnahmen verausgabt. Erst dann kommen sie der Immobilie zugute.
Beachten Sie | Durch die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) im Jahr 2020 wurde der Wohnungseigentümergemeinschaft die volle Rechtsfähigkeit zuerkannt. Der Hoffnung, dass die Zahlung in die Erhaltungsrücklage deshalb sofort im Zahlungsjahr abzugsfähig ist, hat der BFH ausdrücklich eine Absage erteilt.
Quelle | BFH, Urteil vom 14.1.2025, IX R 19/24
| Das Gericht darf einen Zuschlag zum Mietspiegel vornehmen, um eine sachgerechte Einzelvergleichsmiete zu bilden. Voraussetzung: Zwischen dem Erhebungsstichtag des Mietspiegels und dem Zeitpunkt, an dem das Zustimmungsverlangen zugestellt wurde, werden außergewöhnliche Steigerungen der ortsüblichen Vergleichsmiete festgestellt. Eine solche liegt aber nicht vor, wenn der Verbraucherpreisindex ansteigt. So sieht es das Landgericht (LG) München. |
Der Vermieter begehrte die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Er wollte u. a. einen sog. Stichtagszuschlag auf die von ihm ermittelte Vergleichsmiete addieren. Der Verbraucherpreisindex habe sich im Zeitraum zwischen Januar 2022 (als dem maßgeblichen Zeitpunkt der Erhebung der Daten für den qualifizierten Mietspiegel 2023) und Juni 2023 (Zugang des Mieterhöhungsverlangens) aufgrund einer ungewöhnlichen Steigerung der Mieten von rund 3% erhöht.
Das LG: Ein Stichtagszuschlag komme nicht in Betracht. Die Mieterhöhung könne nicht auf den qualifizierten Mietspiegel und ergänzend auf einen Anstieg des Verbraucherpreisindex gestützt werden. Ein Anstieg gemäß Index für Nettokaltmieten von nur wenig mehr als 3 % sei nicht außergewöhnlich hoch. Die Einführung einer „Stichtagspraxis“ würde zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen, die die sog. Befriedungsfunktion des Mietspiegels gefährden könne.
Quelle | LG München I, Urteil vom 17.7.2024, 14 S 3692/24
| Hat der Vermieter Ersatzansprüche wegen des Zustands der Mietsache bei Rückgabe, muss er sich bei unwirksamer Schönheitsreparaturklausel die Kosten anrechnen lassen, die er mangels eigener Renovierungsarbeiten erspart hat. So hat es das Amtsgericht (AG) Hanau entschieden. |
Vermieter verlangte Kostenersatz für Tapezier- und Streicharbeiten
Das Mietverhältnis zwischen den Parteien lief über 13 Jahre, der Vertrag enthielt eine Klausel hinsichtlich der durch den Mieter durchzuführenden Schönheitsreparaturen. Nach Wohnungsrückgabe führte der Vermieter Tapezier- und Streicharbeiten durch. Die Kosten verlangte er von dem Mieter ersetzt. Denn dieser habe sie mit bunten Farben (gelb, grün und rosa) zurückgegeben, was eine Weitervermietung nicht ermögliche. Zudem habe es viele nicht verschlossene Dübellöcher gegeben.
Klage abgewiesen
Das AG hat entschieden: Der Vermieter kann Streich- und Tapezierarbeiten in der Wohnung nicht ersetzt verlangen, weil er selbst zur Durchführung der Schönheitsreparaturen verpflichtet war. Es hat die Klage des Vermieters daher abgewiesen.
Worauf es ankommt und worauf nicht
Darauf, ob der Mieter dem Vermieter die Kosten für die Streich- und Tapezierarbeiten erstatten muss, komme es nicht an. Denn der Vermieter hätte während der gesamten Laufzeit des Mietvertrags die Schönheitsreparaturen in der Wohnung durchführen müssen. Die Klausel, nach der der Mieter hierzu verpflichtet wurde, war unwirksam, weil sie zu kurze Fristen setze. Außerdem sollte der Mieter nach einer anderen Klausel die Wohnung auch bei Einzug streichen, was ebenfalls zur Unwirksamkeit der laufenden Renovierungspflicht führe. Daher musste stattdessen, wie auch an sich vom Gesetz vorgesehen, der Vermieter renovieren. Hätte er das getan, wären ihm aber Kosten entstanden. Diese nicht aufgewendeten Kosten müsse er von seinen Schadenersatzansprüchen abziehen.
Für die Bestimmung der ersparten Kosten hat das Gericht auf die Pauschalbeträge nach der Zweiten Berechnungsverordnung (hier: § 28 Abs. 4 II. BerechnungsVO) in der jeweiligen Höhe zurückgegriffen. Auch wenn diese hier keine unmittelbare Anwendung finden, lägen ihnen offiziell anerkannte Durchschnittswerte zugrunde. Bei über 13 Jahren Mietlaufzeit überstiegen sie die von dem Vermieter geltend gemachten Kosten um mehr als das Dreifache.
Quelle | AG Hanau, Urteil vom 29.11.2024, 32 C 265/23, PM vom 16.12.2024
| Ein rechtlich beachtlicher Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses liegt nur vor, wenn sich der Anfechtende in einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses befunden hat, dagegen nicht, wenn lediglich falsche Vorstellungen von dem Wert der einzelnen Nachlassgegenstände vorgelegen haben. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken. |
Erblasserin verstarb ohne Testament
Die Erblasserin ist im Alter von 106 Jahren ohne Testament verstorben. Zuvor lebte sie seit längeren Jahren in einem Seniorenheim. Die Heim- und Pflegekosten wurden aus Mitteln der Kriegsopferfürsorgestelle bestritten. Diese Leistungen wurden als Darlehen gewährt und durch eine Grundschuld an einem Haus der Erblasserin abgesichert. Der Ehemann der Erblasserin, ihre beiden Kinder und auch ein Enkelkind waren bereits vorverstorben. Gesetzliche Erben waren die Enkel und Urenkel der Erblasserin.
Nach dem Tod der Erblasserin hat u. a. die in gesetzlicher Erbfolge zur Erbin berufene Enkelin das Erbe ausgeschlagen und dabei angegeben, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Zwei Urenkel der Erblasserin haben das Erbe dagegen nicht ausgeschlagen. In der Folge wurde das Haus der Erblasserin unter Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Nachlasspflegerin an Dritte verkauft. Nach dem Verkauf des Hauses hat die Enkelin ihre Erklärung zur Erbausschlagung sodann wegen Irrtums angefochten. Danach hat sie die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der u. a. sie als Erbin zu 1/4 Anteil ausweisen sollte.
Das Nachlassgericht hat entschieden, dass der Erbschein wegen der angefochtenen Erbausschlagungserklärung der Enkelin, wie von ihr beantragt, erteilt werden müsse. Gegen diesen Beschluss wendete sich einer der Urenkel, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte, mit seiner Beschwerde.
Erbscheinsantrag war zurückzuweisen
Auf die Beschwerde hat das OLG entschieden: Der Erbscheinsantrag der Enkelin war zurückzuweisen, da der von ihr beantragte Erbschein die eingetretene Erbfolge falsch wiedergebe. Die Enkelin sei keine Erbin geworden, da sie die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und sie die Ausschlagungserklärung wegen Irrtums auch nicht wirksam anfechten könne. Soweit sie ihren Irrtum damit begründet habe, ihr sei erst im Nachhinein bekannt geworden, dass zum Nachlass ein Bankkonto bei der Kreissparkasse K. mit einem vierstelligen Guthaben gehöre, läge zwar ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses vor.
Irrtum nicht ursächlich für Ausschlagung
Dieser Irrtum hätte aber nicht ihre Ausschlagung der Erbschaft veranlasst. Denn selbst, wenn ihr das Konto bei der Kreissparkasse Köln bekannt gewesen wäre, hätte dies mangels wirtschaftlichem Gewicht des dortigen Guthabenbetrags gegenüber den restlichen Nachlasspositionen nichts an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses geändert. Soweit sich die Enkelin darauf berufe, dass sie darüber geirrt habe, dass der Erlös aus dem Verkauf des Hauses der Erblasserin die Verbindlichkeiten aus dem mit der Grundschuld abgesicherten Darlehen für die Heim- und Pflegekosten der Kriegsopferfürsorgestelle übersteige, liege kein Irrtum vor, der zur Anfechtung berechtige. Dieser Irrtum beruhe lediglich auf der falschen Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht über dessen Zusammensetzung.
Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14.8.2024, 8 W 102/23, PM vom 10.12.2024
| Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat entschieden: Erben können vollen Zugriff auf das Instagram-Konto des Erblassers bekommen. Das beinhaltet dessen aktive Nutzungsmöglichkeit. |
Die Ehefrau und alleinige Erbin eines bekannten Sängers hatte geklagt. Hintergrund: Nachdem der Konzern Meta, zu dem die Social-Media-Plattform Instagram gehört, Kenntnis vom Tod des Sängers erlangte, versetzte das Unternehmen den Instagram-Account in den sog. Gedenkzustand. Bemühungen der Ehefrau, vollen Zugriff auf das Konto wiederzuerlangen, waren ergebnislos. Das OLG: Die Frau ist als Erbin in das Vertragsverhältnis ihres Mannes mit Meta im Wege der sog. Gesamtrechtsnachfolge eingetreten. Das habe schon der Bundesgerichtshof (BGH) so entschieden. Danach ist der Anspruch auf Zugang zu einem Social-Media-Konto grundsätzlich vererbbar. Mit der Erbenstellung sei die Ehefrau in sämtliche Rechte und Pflichten des Erblassers eingetreten, was neben einem passiven Anspruch auf (nur) lesende Nutzung auch einen Anspruch auf aktive Nutzung umfasse.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 30.12.2024, 13 U 116/23
| Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat die Klage eines im Nebenerwerb tätigen Landwirts auf Erteilung einer Baugenehmigung für einen bereits errichten „Portalrahmen“ im Außenbereich abgewiesen. |
Landwirt hatte Bauwerk schon errichtet
Der „Portalrahmen“ besteht aus zwei Sandsteinsäulen (je 3,53 Meter hoch), an denen ein schmiedeeisernes doppelflügeliges Einfahrtstor befestigt ist. Auf den Säulen befindet sich jeweils eine Metallskulptur. Die Säulen sind mit zwei Einzelfundamenten im Boden verankert. Das gesamte Bauwerk ist fünf Meter breit. Den Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung lehnte der Landkreis ab. Bei dem „Portalrahmen“ handele es sich nicht um ein im Außenbereich bevorrechtigt zulässiges Vorhaben.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagte der Landwirt und trug hierzu vor, das Vorhaben sei bereits deshalb genehmigungsfrei, weil es seinem landwirtschaftlichen Betrieb diene. Das Tor gewährleiste den Zugang und die Zufahrt zu dem von ihm bewirtschafteten Grundstück. Es füge sich auch optisch in die Umgebung ein.
Klage ohne Erfolg
Das sah das VG anders: Der „Portalrahmen“ sei im Außenbereich nicht bevorrechtigt zulässig, weil er dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers nicht diene. Er sei optisch auffallend und solle offensichtlich die Kunden des Klägers beeindrucken. Ein vernünftiger Landwirt würde unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs kein solches Bauwerk zur Einfriedung errichten. Der Kläger könne sich überdies nicht mit Erfolg darauf berufen, er führe einen „Adelshof“. Eine Bevorzugung aufgrund der Abstammung widerspreche dem allgemeinen Gleichheitssatz. Der „Portalrahmen“ beeinträchtige zudem die natürliche Eigenart der Landschaft. Das Vorhabengrundstück liege in einem Naturpark, dessen landschaftliche Eigenart zu bewahren sei.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 31.10.2024, 4 K 282/24.KO, PM 22/24
| Die Eigentümerin eines Wohnhauses hat ebenso, wie die Eigentümerin eines Baudenkmals, einen Anspruch auf eine denkmalrechtliche Erlaubnis für die Installation von Solaranlagen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster in zwei Grundsatzurteilen zum nordrhein-westfälischen Denkmalrecht entschieden. Es hat darauf verwiesen, dass bei der Errichtung von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden regelmäßig das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien die Belange des Denkmalschutzes überwiegt. |
Eigentümerin eines Einfamilienhauses
Die Eigentümerin eines Einfamilienhauses in einer Siedlung in Düsseldorf, für die eine Denkmalbereichssatzung gilt, möchte auf einer aus dem Straßenraum teilweise einsehbaren Dachfläche ihres Hauses eine Solaranlage errichten. Die Stadt Düsseldorf lehnte es ab, die dafür nach dem Denkmalschutzgesetz NRW erforderliche Erlaubnis zu erteilen. Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf verpflichtete die Stadt auf die Klage der Eigentümerin, die Genehmigung zu erteilen.
Eigentümerin eines Baudenkmals
Demgegenüber bestätigte das VG Arnsberg in dem zweiten Fall die Entscheidung der Stadt Siegen, die der Klägerin eine denkmalrechtliche Erlaubnis für eine Solaranlage auf der weithin sichtbaren Dachfläche versagt hatte. Hierbei geht es um ein Wohngebäude, das als ehemalige Schule als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt Siegen eingetragen ist.
So sah es das Oberverwaltungsgericht
In beiden Fällen waren Solarmodule in einer denkmalschonenden Ausgestaltung gewählt worden. Nach der Entscheidung des OVG können nun beide Denkmaleigentümer die denkmalrechtliche Erlaubnis beanspruchen.
Offentliches Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien versus Denkmalschutz
Das OVG: Das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien überwiegt in beiden Fällen die Belange des Denkmalschutzes. Nach einer im Juli 2022 in Kraft getretenen Regelung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sollen, bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausneutral ist, die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Diese Vorgabe, für die dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz zukommt, beeinflusst auch das nordrhein-westfälische Denkmalschutzrecht. In die – weiterhin erforderliche – Abwägung zwischen den denkmalschutzrechtlichen Belangen und dem Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien sind letztere als regelmäßig vorrangiger Belang einzustellen. Nur, wenn besondere Umstände des Denkmalschutzes der Errichtung von Solaranlagen entgegenstehen, darf die Erteilung der denkmalrechtlichen Erlaubnis ausnahmsweise versagt werden.
Bei der Prüfung, ob solche besonderen Umstände vorliegen, kommt es auf die Gründe an, aus denen die denkmalrechtliche Unterschutzstellung erfolgt ist.
Wohnhaus: keine wesentlichen optischen Nachteile
In dem Düsseldorfer Fall wird durch die beantragte Solaranlage auf der straßenabgewandten Dachfläche nicht in einem Maß in das denkmalwerte einheitliche äußere Erscheinungsbild der Siedlung eingegriffen, dass ausnahmsweise die Erlaubnis zu versagen wäre. Dass die Solaranlage aus dem öffentlichen Straßenraum sichtbar ist, reicht dafür grundsätzlich nicht aus. Hier sind die in die bestehende Dachstruktur eingefügten und in der Farbe angepassten Solarpaneele zudem nur am Rande, in zweiter Reihe und nur in Teilausschnitten wahrnehmbar. Die betroffene Dachfläche liegt auch nicht in einer der von der Satzung geschützten Sichtachsen und beeinträchtigt die rheinseitige Silhouette der Siedlung nicht.
Ehemalige Schule: Erscheinungsbild des Baukörpers nicht wesentlich geändert
Bei der ehemaligen Schule in Siegen werden die denkmalwertbegründenden Eigenschaften des Gebäudes durch die Solaranlage schon nicht beeinträchtigt. Für die Eintragung als Baudenkmal hat zwar der vorhandene Dachreiter, nicht aber die Dachfläche und ihre Gestaltung eine Rolle gespielt. In das geschützte Erscheinungsbild des Baukörpers als Kapellenschule wird durch die Solaranlage nicht eingegriffen. Ein Ausnahmefall, in dem der Denkmalschutz überwiegt, wäre bei dem konkreten Vorhaben selbst dann nicht gegeben, wenn die Schieferdachfläche als auch denkmalwertbegründend angesehen würde.
Quelle | OVG Münster, Urteile vom 27.11.2024, 10 A 2281/23 und 10 A 1477/23, PM vom 27.11.2024
| Will eine Auftraggeberin nicht von einer weiblichen Mitarbeiterin, sondern von einem Mann betreut werden, können schnell Entschädigungsforderungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Raum stehen – so wie in einem Fall des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg. |
Inhaber des Architekturbüros blieb passiv
Im Fall des LAG hatte der Inhaber des Architekturbüros nicht einmal versucht, die Auftraggeberin umzustimmen. Er unternahm auch keinen Versuch, sie von der hohen Qualität seiner Mitarbeiterin zu überzeugen.
Unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nur wenn diese „geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen“ nicht gefruchtet hätten, hätte eine eigene benachteiligende Handlung des Büros ausgeschlossen werden können.
Der Arbeitgeber musste der Mitarbeiterin schließlich 1.500 Euro Schadenersatz zahlen.
Quelle | LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.2024, 10 Sa 13/24
| Eine tarifvertragliche Regelung, die unabhängig von der individuellen Arbeitszeit für Überstundenzuschläge das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten voraussetzt, behandelt teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wegen der Teilzeit schlechter als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte. Sie verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter, wenn die in ihr liegende Ungleichbehandlung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Fehlen solche sachlichen Gründe, liegt regelmäßig zugleich eine gegen Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (hier: § 7 Abs. 1 AGG) verstoßende mittelbare Benachteiligung wegen des (weiblichen) Geschlechts vor, wenn innerhalb der betroffenen Gruppe der Teilzeitbeschäftigten erheblich mehr Frauen als Männer vertreten sind. |
Das war geschehen
Der Beklagte ist ein ambulanter Dialyseanbieter mit mehr als 5.000 Arbeitnehmern. Die Klägerin ist bei ihm als Pflegekraft in Teilzeit im Umfang von 40 v. H. eines Vollzeitbeschäftigten tätig. Auf das Arbeitsverhältnis ist aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme der zwischen dem Beklagten und der Gewerkschaft Verdi geschlossene Manteltarifvertrag (MTV) anzuwenden. Nach § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV sind mit einem Zuschlag von 30 v. H. Überstunden zuschlagspflichtig, die über die monatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden und im jeweiligen Kalendermonat nicht durch Freizeitgewährung ausgeglichen werden können. Alternativ zu einer Auszahlung des Zuschlags ist eine entsprechende Zeitgutschrift im Arbeitszeitkonto vorgesehen. Das Arbeitszeitkonto der Klägerin wies Ende März 2018 ein Arbeitszeitguthaben von 129 Stunden und 24 Minuten aus. Der Beklagte hat der Klägerin für diese Zeiten in Anwendung von § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV weder Überstundenzuschläge gezahlt, noch im Arbeitszeitkonto eine Zeitgutschrift vorgenommen.
Das verlangte die Klägerin
Mit ihrer Klage hat die Klägerin verlangt, ihrem Arbeitszeitkonto als Überstundenzuschläge weitere 38 Stunden und 39 Minuten gutzuschreiben und eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe eines Vierteljahresverdienstes begehrt. Die Anwendung von § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV benachteilige sie wegen ihrer Teilzeit unzulässig gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten. Zugleich werde sie wegen ihres Geschlechts mittelbar benachteiligt, denn der Beklagte beschäftige überwiegend Frauen in Teilzeit.
So sahen es die Vorinstanzen
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift zuerkannt und hinsichtlich der begehrten Entschädigung die Klageabweisung bestätigt.
So entschied das Bundesarbeitsgericht
Die Revision der Klägerin hatte vor dem BAG teilweise Erfolg. Das BAG hat der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift – in Übereinstimmung mit dem LAG – zugesprochen und ihr darüber hinaus eine Entschädigung in Höhe von. 250 Euro zuerkannt. Das OLG musste (aufgrund europarechtlicher Rechtsprechung) davon ausgehen, dass § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV insoweit wegen Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten unwirksam ist, als er bei Teilzeitbeschäftigung keine der Teilzeitquote entsprechende anteilige Absenkung der Grenze für die Gewährung eines Überstundenzuschlags vorsieht.
Bundesarbeitsgericht: Entschädigung zugesprochen
Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung konnte das BAG nicht erkennen. Die sich aus dem Verstoß gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz (hier: § 4 Abs. 1 TzBfG) ergebende Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Überstundenzuschlagsregelung führt zu einem Anspruch der Klägerin auf die eingeklagte weitere Zeitgutschrift. Daneben war ihr eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zuzuerkennen.
Durch die Anwendung der tarifvertraglichen Regelung hat die Klägerin auch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts erfahren. In der Gruppe der beim Beklagten in Teilzeit Beschäftigten, die dem persönlichen Anwendungsbereich des MTV unterfallen, sind zu mehr als 90 Prozent Frauen vertreten.
Als Entschädigung war ein Betrag in Höhe von 250 Euro festzusetzen. Dieser ist erforderlich, aber auch ausreichend, um einerseits den der Klägerin durch die mittelbare Geschlechtsbenachteiligung entstandenen immateriellen Schaden auszugleichen und andererseits gegenüber dem Beklagten die gebotene abschreckende Wirkung zu entfalten.
Quelle | BAG, Urteil vom 5.12.2024, 8 AZR 370/20, PM 34/24
| Strafrechtlich eingezogene Bestechungsgelder führen umsatzsteuerrechtlich dazu, dass die Bemessungsgrundlage der in strafrechtlicher Hinsicht betroffenen Umsätze auf den um die eingezogenen Bestechungsgelder geminderten Betrag zu reduzieren ist. Das hat der Bundesfinanzhof (BFG) entschieden. |
Das war geschehen
Ein Diplom-Ingenieur hatte nachhaltig und ohne Anweisung seines jeweiligen Vorgesetzten bzw. Arbeitgebers für Auftragserteilungen von beauftragten Unternehmen kostenlose Leistungen, überwiegend für den privaten Hausbau, erhalten.
Dafür wurde er wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zusätzlich wurden die Bestechungsgelder auf gerichtliche Anordnung nach dem Strafgesetzbuch (hier: §§ 73 ff. StGB) eingezogen.
Das Finanzamt behandelte die „Schmiergeldzahlungen“ bzw. die Zuwendungen durch die beauftragten Unternehmen als Entgelte für steuerpflichtige Leistungen und unterwarf sie der Umsatzsteuer. Die vom Diplom-Ingenieur geleisteten Zahlungen an die Landesjustizkasse hinsichtlich der eingezogenen Bestechungsgelder minderten nach Ansicht des Finanzamts nicht die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer. Dies sah der BFH anders.
Eingezogene Bestechungsgelder nicht mehr zu versteuern
Zwar sind die Bestechungsgelder – obgleich es sich um illegale Zahlungen handelt – neben den sonstigen, dem Steuerpflichtigen für seine Dienstleistungen gewährten Entgelten umsatzsteuerrelevant. Jedoch mindern die eingezogenen Beträge die steuerliche Bemessungsgrundlage.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist eine Verminderung in diesen Fällen geboten, da ansonsten der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt wäre. Denn es käme zu einer unzulässigen Doppelbelastung des Täters:
- Zum einen würde der durch die strafbare Handlung erlangte wirtschaftliche Vorteil durch die strafrechtliche Einziehung der Bestechungsgelder abgeschöpft.
- Zum anderen würden die Bestechungsgelder im selben Umfang der Umsatzsteuer unterworfen.
Dabei spielt es keine Rolle, dass der strafrechtlich eingezogene Betrag in der Staatskasse verbleibt und nicht an den leistenden Unternehmer zurückgezahlt wird.
Beachten Sie | Auch eines Verweises auf das Billigkeitsverfahren, dessen Zulässigkeit im Umsatzsteuerrecht ohnehin unionsrechtlich zweifelhaft ist, bedarf es nach Ansicht des BFH nicht.
Quelle | BFH, Urteil vom 25.9.2024, XI R 6/23, PM 8/25 vom 20.2.2025
| In einem Streitfall ging es um die Zulässigkeit des Wechsels der Gewinnermittlungsart. Dabei entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass der Steuerpflichtige im Streitjahr die Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nicht mehr erfüllte, weil er durch die Aufstellung des Jahresabschlusses sein Wahlrecht bereits ausgeübt hatte und daran gebunden war. |
Hintergrund: Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (= Bilanzierung) ist der gesetzessystematische Regelfall. Die Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung kommt nur bei Erfüllung der im Gesetz bestimmten Voraussetzungen in Betracht.
Tatsächlich ausgeübte Gewinnermittlungsart maßgeblich
Maßgeblich für die Ausübung des Wahlrechts der Gewinnermittlungsart ist die tatsächliche Handhabung der Gewinnermittlung. Ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger hat sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich wirksam ausgeübt, wenn er eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine kaufmännische Buchführung einrichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht.
Die Einnahmen-Überschuss-Rechnung bzw. der Betriebsvermögensvergleich ist in dem Zeitpunkt erstellt, in dem der Steuerpflichtige sie bzw. ihn fertiggestellt hat und objektiv erkennbar als endgültig ansieht. Beweisanzeichen dafür kann sein, dass er die Gewinnermittlung durch Übersendung an das Finanzamt in den Rechtsverkehr begibt. Nach der Erstellung des Jahresabschlusses kommt die Wahl der Einnahmen-Überschuss-Rechnung somit grundsätzlich nicht mehr in Betracht.
Einmal getroffene Wahl nur in Ausnahmefällen änderbar
Die einmal getroffene Wahl der Gewinnermittlungsart ist grundsätzlich nachträglich nicht mehr änderbar. In Ausnahmefällen hat die Rechtsprechung jedoch einen solchen Wechsel zugelassen und dabei an die Grundsätze angeknüpft, die für den Wechsel der Gewinnermittlungsart in aufeinanderfolgenden Jahren gelten.
Beachten Sie | Im Streitfall war dem Steuerpflichtigen die Änderung der Wahlrechtsausübung jedoch nicht mehr möglich. Denn er hatte keinen vernünftigen wirtschaftlichen Grund dargelegt, der es rechtfertigen könnte, die gewählte Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich für dasselbe Jahr wieder zu ändern.
Allein der Umstand, dass er durch den Wechsel zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung eine Gewinnerhöhung infolge der Außenprüfung „glätten“ wollte, reicht hierfür nicht aus. Denn damit haben sich nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse geändert. Der Steuerpflichtige war vielmehr einem Irrtum über die steuerlichen Folgen der gewählten Gewinnermittlungsart unterlegen, der die Änderungsmöglichkeit nicht eröffnet.
Quelle | BFH, Urteil vom 27.11.2024, X R 1/23
| Eine gegen die auszahlende Bank gerichtete Schadenersatzklage eines 84-jährigen Mannes, der infolge eines Trickbetrugs 83.000 Euro an Unbekannte gezahlt hatte, blieb erfolglos. Warn- und Hinweispflichten der Geldinstitute bestehen nur bei einem massiven Verdacht auf eine Vermögensgefährdung des Kunden. Eine solche vorwerfbare Pflichtverletzung konnte das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth in einem bemerkenswerten Fall nicht feststellen. |
Hätte Bank Geld nicht auszahlen dürfen?
Der Kläger hatte am Schalter in einer Bankfiliale in Nürnberg innerhalb von 1 ½ Stunden zweimal Bargeld von seinem Konto abgehoben, insgesamt 83.000 Euro. Er begründete seine Schadenersatzklage gegen die Bank damit, dass diese durch Auszahlung des Geldes trotz offenkundiger Anhaltspunkte für einen Enkeltrick-Betrug gegen ihre vertraglichen Schutz- und Warnpflichten verstoßen habe. Die Bank hatte im Zivilprozess vorgebracht, dass ihre Mitarbeiter bezüglich des sog. Enkeltricks geschult seien und den Kläger entsprechend angesprochen hätten, der ruhig gewirkt und plausible Erklärungen abgegeben habe.
Kein massiver Verdacht
Das LG hat die Klage in erster Instanz abgewiesen. Es führte aus: Eine Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank ist nur ausnahmsweise bei Vorliegen objektiver massiver Verdachtsmomente anzunehmen. Einen massiven Verdacht auf einen drohenden Schaden beim Kläger konnte das LG hier aber nicht feststellen.
Es war nach Einvernahme der Bankangestellten als Zeugin davon überzeugt, dass der Kläger sachlich, ruhig und unauffällig in der Bank auftrat. Weder aus dem Alter des Klägers und der Höhe des Bargeldbetrags noch aus dem Umstand, dass erst eine Übertragung von dem Sparkonto auf das Girokonto erfolgte, drängte sich der Verdacht einer Straftat auf. Bei beiden Barabhebungen hatte die Bankangestellte beim Kläger mehrfach nachfragt, ob ihm der sogenannte Enkeltrick bekannt sei, was dieser bejahte und damit entkräftete, dass er direkt mit seiner Enkeltochter gesprochen habe. Eine weitere Nachfragepflicht war von den Mitarbeitern der Bank nicht zu verlangen, so das LG.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Gegen das klageabweisende Urteil des LG hatte der Kläger Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg eingelegt. Auch das OLG verneinte eine Verletzung von Warn- und Hinweispflichten der Beklagten, gerade, nachdem die Möglichkeit eines Enkeltricks von der Bankangestellten angesprochen worden war. Die Bank ist vertraglich zur Auszahlung des Kontoguthabens verpflichtet und der Kunde hat über die Verwendung der ihm zustehenden Beträge keine Rechenschaft abzulegen, führte das OLG ergänzend aus.
Auf den Hinweis des OLG zur Erfolgslosigkeit der Berufung hat der Kläger sein Rechtsmittel zurückgenommen. Das Urteil des LG ist damit rechtskräftig.
Die Strafbarkeit der Trickbetrüger und etwaige zivilrechtliche Ansprüche gegen diese Personen waren nicht Gegenstand des Verfahrens.
Quelle | LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 22.7.2022, 10 O 1384/22; OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 18.11.2024, 14 U 2275/22, PM 5/25
| Aufwendungen für Krankheitskosten sind nur als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn gewisse Nachweiserfordernisse erfüllt sind. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat dargelegt, wie der Nachweis ab dem Veranlagungszeitraum 2024 zu führen ist. |
Hintergrund: Krankheitskosten können als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sein.
Ein besonderes Augenmerk muss dabei auf den Nachweis der Zwangsläufigkeit gelegt werden:
- Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel genügt es, wenn der Steuerpflichtige eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers vorlegt. Dies regelt § 64 Abs. 1 Nr. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV).
- Bei bestimmten Krankheitskosten ist indes ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erforderlich. Ein solcher qualifizierter Nachweis ist z. B. bei Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, z. B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, erforderlich (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV).
Sind Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungeinzustufen, wartet die Hürde der zumutbaren Belastung, deren Höhe von folgendenFaktoren abhängt:
- Gesamtbetrag der Einkünfte
- Familienstand und
- Zahl der Kinder.
Erläuterungen des Bundesfinanzministeriums
Der Nachweis der Zwangsläufigkeit nach der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (hier: § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV) ist bei einem eingelösten E-Rezept durch den Kassenbeleg der Apotheke bzw. durch die Rechnung der Online-Apotheke oder bei Versicherten mit einer privaten Krankenversicherung alternativ durch den Kostenbeleg der Apotheke zu erbringen.
Der Kassenbeleg (alternativ: die Rechnung der Online-Apotheke) muss folgende Angaben enthalten:
- Name der steuerpflichtigen Person,
- Art der Leistung (zum Beispiel Name des Arzneimittels),
- Betrag bzw. Zuzahlungsbetrag,
- Art des Rezeptes.
Beachten Sie | Zumindest für den Veranlagungszeitraum 2024 wird es vom BMF nicht beanstandet, wenn der Name der steuerpflichtigen Person nicht auf dem Kassenbeleg vermerkt ist.
Quelle | BMF-Schreiben vom 26.11.2024, IV C 3 - S2284/20/10002 :005
| Nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 6 Abs. 1 Nr. 1 a desEStG) werden Aufwendungen in Herstellungskosten umqualifiziert, wenn innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung des Gebäudes Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden, deren Nettoaufwendungen 15 % der Gebäude-Anschaffungskosten übersteigen. Die Aufwendungen sind dann nicht sofort, sondern nur über die Gebäude-Abschreibung abzugsfähig. Bei einer Eigentumswohnung sind zwei Besonderheiten zu beachten, worauf das Finanzgericht (FG) Hessen hingewiesen hat. |
Hintergrund: Maßgebend sind die Anschaffungskosten und Anschaffungsnebenkosten der angeschafften Wohnung und nicht der Wert des Gesamtgebäudes. Bei Teil- und Wohnungseigentum ist danach die einzelne Einheit und nicht das Gesamtgebäude relevant.
Abzustellen ist auf die innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung der Wohnung angefallenen Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen des vermietenden Eigentümers einschließlich seiner anteiligen Aufwendungen für Arbeiten an den im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudeteilen.
Beispiel
A erwirbt mit Wirkung zum 1.11.2023 eine Eigentumswohnung. Die Anschaffungskosten betragen insgesamt 300.000 Euro. Der Grund- und Bodenanteil beträgt 10 % = 30.000 Euro. Die Eigentumswohnung wird nach der Sanierung vermietet.
Anfang 2024 lässt A die sanitären Anlagen (Badezimmer, Gästetoilette) für 29.750 Euro erneuern und neue Türen einbauen (11.900 Euro). Zudem beteiligt er sich an der Dachsanierung (14.280 Euro). Die gesamten Aufwendungen (55.930 Euro) macht er in 2024 als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen geltend.
Lösung: Die Nettoaufwendungen ohne Umsatzsteuer (25.000 Euro + 10.000 Euro + 12.000 Euro = 47.000 Euro) überschreiten die 15 %-Grenze von 40.500 Euro (15 % von 270.000 Euro). Somit stellen die Aufwendungen insgesamt anschaffungsnahe Aufwendungen dar. Sie sind also nicht sofort im Jahr der Zahlung als Werbungskosten abzugsfähig, sondern erhöhen die Bemessungsgrundlage für die Gebäudeabschreibung von 270.000 Euro um 55.930 Euro auf 325.930 Euro. Dies gilt auch für die Kostenbeteiligung an der Dachsanierung, die als Aufwendungen für das Gemeinschaftseigentum ebenfalls im Rahmen der Ermittlung des insgesamt entstandenen Sanierungsaufwands mit einzubeziehen sind.
Aufwendungen für Sonder- und Gemeinschaftseigentum nicht aufzuteilen
Nach Ansicht des FG Hessen dürfen die auf das im Gemeinschaftseigentum stehenden Bestandteile des Gesamtgebäudes entfallenden Aufwendungen nicht unberücksichtigt bleiben. Dies würde auch dem (mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG verfolgten) Vereinfachungszweck widersprechen, weil sich Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen regelmäßig zugleich auf das Sondereigentum als auch auf Bereiche des Gemeinschaftseigentums beziehen. Eine Aufteilung von hierfür einheitlich getragenen Aufwendungen wäre oft nur unter größten Schwierigkeiten möglich.
Beachten Sie | Gegen die nicht zugelassene Revision wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Quelle | FG Hessen, Urteil vom 18.6.2024, 4 K 1736/19, NZB BFH, IX B 86/24
| Aufwendungen für die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio sind grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) auch, wenn die Teilnahme an einem dort angebotenen, ärztlich verordneten Funktionstraining die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio voraussetzt. |
Hintergrund: Außergewöhnliche Belastungen wirken sich steuerlich nur aus, soweit die zumutbare Eigenbelastung überschritten wird. Deren Höhe hängt vom Gesamtbetrag der Einkünfte, Familienstand und von der Zahl der Kinder ab.
Das war geschehen
Der Steuerpflichtigen wurde ein Funktionstraining in Form von Wassergymnastik ärztlich verordnet. Sie entschied sich für das Training bei einem Reha-Verein, der die Kurse in einem für sie verkehrsgünstig gelegenen Fitnessstudio abhielt. Voraussetzung für die Kursteilnahme war neben dem Kostenbeitrag für das Funktionstraining und der Mitgliedschaft im Reha-Verein auch die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio. Letztere berechtigte die Steuerpflichtige aber auch zur Nutzung des Schwimmbads und der Sauna sowie zur Teilnahme an weiteren Kursen.
Die Krankenkasse erstattete nur die Kursgebühren für das Funktionstraining. Als Krankheitskosten und damit als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigte das Finanzamt nur die Mitgliedsbeiträge für den Reha-Verein.
Alle Instanzen sind sich einig
Einen Abzug der Mitgliedsbeiträge für das Fitnessstudio als außergewöhnliche Belastung lehnten das Finanzamt, das Finanzgericht (FG) Niedersachsen und auch der BFH ab.
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio: frei gewähltes Konsumverhalten
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio zählen grundsätzlich nicht zu den als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennenden zwangsläufig entstandenen Krankheitskosten. Denn das mit der Mitgliedschaft einhergehende Leistungsangebot wird auch von gesunden Menschen beansprucht, z. B., um die Gesundheit zu erhalten und die Freizeit sinnvoll zu gestalten.
Die Mitgliedsbeiträge sind der Steuerpflichtigen auch nicht deshalb zwangsläufig erwachsen, weil sie dem Fitnessstudio als Mitglied beitreten musste, um an dem ärztlich verordneten Funktionstraining teilnehmenzu können.
Die Entscheidung, das Funktionstraining in dem Fitnessstudio zu absolvieren, ist in erster Linie Folge eines frei gewählten Konsumverhaltens, das nach Ansicht des BFH eine steuererhebliche Zwangsläufigkeit nicht begründen kann.
Zudem steht dem Abzug der Mitgliedsbeiträge entgegen, dass die Steuerpflichtige hierdurch die Möglichkeit erhielt, auch weitere Leistungsangebote (jenseits des medizinisch indizierten Funktionstrainings) zu nutzen. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerpflichtige (wie von ihr vorgetragen) hiervon keinen Gebrauch gemacht hat.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 1/23
| Auch wenn noch unklar ist, ob die Ansprüche wegen der Reparaturkosten dem Leasinggeber oder dem Leasingnehmer zustehen, ergibt sich dessen schützenswertes Interesse an einer Feststellungsklage aus dem zu erwartenden Ausfallschaden während der Reparatur. So entschied es das Landgericht (LG) Halle. Denn das Gutachten weise vier Arbeitstage für die Reparatur aus. |
Haftung dem Grunde nach sollte geklärt werden
Wegen des streitigen Unfallhergangs wollte der Leasingnehmer zunächst die Haftung dem Grunde nach klären. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung reicht es für das Feststellungsinteresse aus, wenn sich in der Zukunft Schäden ergeben können.
Keine Leistungsklage erforderlich
Soweit Nutzungsausfall streitig ist, müsse ein Geschädigter bei einer noch nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung die Klage nicht zu einer Leistungsklage wegen der bereits entstandenen Schäden und einer Feststellungsklage wegen zukünftiger Schäden aufteilen.
Quelle | LG Halle, Urteilvom 10.10.2024, 4 O 224/24
| Aktuell sind betrügerische E-Mails im Umlauf, die vorgeben, vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu stammen. Die Empfänger werden darüber informiert, dass ihnen angeblich ein Bescheid zugesandt wurde und aufgefordert, eine offene Steuerschuld zu begleichen. Hierfür soll ein Link geöffnet werden, um weitere Informationen zu erhalten. |
Sollten Steuerpflichtige eine solche E-Mail erhalten haben, empfiehlt das BZSt in einer Mitteilung vom 26.2.2025, den Link nicht zu öffnen und die verdächtige E-Mail unverzüglich zu löschen. Weitere Informationen – u. a. die maßgeblichen Textbausteine – sind unter www.iww.de/s12547 aufgeführt.
| Wird ein erkranktes Tier von Dritten zum Tierarzt gebracht, haftet der Tierhalter für die Kosten der Notbehandlung. So sieht es das Amtsgericht (AG) München. |
Halterin nicht über Eingriff informiert
Die Beklagte ist Tierhalterin eines Katers mit den Namen Rocky. Rocky war im Mai 2022 für einige Tage abwesend und kam nicht nach Hause. Am 16.5.2022 fand eine unbekannte Person den Kater in einem bewusstlosen Zustand auf und alarmierte eine Münchener Tierrettung, die den Kater als Notfall in eine Münchener Tierklinik einlieferte. Dort wurde Rocky als Notfall tierärztlich behandelt. Da der Kater in ein Haustierzentralregister eingetragen war, konnte die Halterin des Katers verständigt werden. Diese holte Rocky am nächsten Tag ab. Durch die Behandlung waren Kosten in Höhe von 565,31 Euro entstanden, deren Übernahme die Beklagte jedoch ablehnte, da sie nicht zuvor informiert worden sei und sie Rocky zu seinem üblichen Tierarzt hätte bringen wollen.
Klage auf Zahlung der Rechnung
Die Tierklinik trat ihre Forderung an ein Abrechnungsbüro ab, das die Beklagte vor dem AG auf Zahlung der Rechnung verklagte. Das AG gab der Klage statt und verurteilte die Halterin zur Zahlung. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Forderung wirksam an die Klägerin abgetreten war, dass die Behandlung, wie behauptet, stattfand und die Kosten auch angemessen waren.
„Fremdes Geschäft“ besorgt
Zur Kostentragungspflicht der Beklagten führte es aus, dass die Tierklinik durch die Behandlung des Katers der Beklagten ein sogenanntes „fremdes Geschäft“ besorgt hat. Es handele sich bei der tierärztlichen Versorgung um ein fremdes Geschäft, da das Tier zwar auch aus eigener tierärztlicher Verpflichtung behandelt wurde, die Übernahme der Behandlung ihrer äußeren Erscheinung nach aber auch der Beklagten als Tierhalterin zugute kam. Denn die Behandlung ihres kranken Tieres ist bereits der äußeren Erscheinung nach dem Rechts- und Interessenkreis der Beklagten zuzuordnen.
Auch der Vortrag der Beklagten, sie hätte rechtzeitig über die Einlieferung des Katers informiert werden müssen, verfängt laut AG nicht. Soweit hiermit auf eine sog. „Nebenpflichtverletzung“ abgestellt werden soll, stehe dem entgegen, dass die Behandlungen des Katers nach den Zeugenaussagen, in Übereinstimmung mit der Behandlungsdokumentation, als Notfallmaßnahmen erfolgt seien.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 30.8.2024, 161 C 16714/22, PM 36/24
| Wer als Schüler über Monate den Datenbestand seiner Schule ausspioniert und verändert, darf in eine andere Schule überwiesen werden. Diese Schulordnungsmaßnahme hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren gebilligt. |
Schüler drang widerrechtlich in Schul-IT ein
Der Antragsteller besuchte bislang das 3. Kurshalbjahr der gymnasialen Oberstufe eines Berliner Gymnasiums. Zusammen mit zwei Mitschülern hatte er im letzten Schuljahr zunächst einen schulischen Rechner so präpariert, dass das nächste eingegebene Passwort protokolliert wurde. So erlangte das Trio das Administratorpasswort, um im Anschluss einen sog. „Keylogger“ zu installieren, der das Protokollieren aller eingegebenen Passwörter ermöglichte. Hierdurch konnten sie interne Informationen im geschützten Lehrerkanal mitlesen und organisatorische Daten der Schulleitung abrufen. Daraufhin beschloss die Schulaufsicht nach Anhörung der Schulkonferenz, den Antragsteller in eine andere Schule desselben Bildungsgangs zu überweisen.
Schwerste Ordnungsmaßnahme verhängt
Der hiergegen gerichtete Eilantrag hatte keinen Erfolg. Das VG hat die Entscheidung als für einen schulpflichtigen Schüler schwerste Ordnungsmaßnahme des Berliner Schulgesetzes gebilligt. Nach diesem Gesetz könnten Ordnungsmaßnahmen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit getroffen werden, wenn ein Schüler die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit beeinträchtigte oder andere am Schulleben Beteiligte gefährde, soweit Erziehungsmaßnahmen nicht zu einer Konfliktlösung geführt haben oder keine Aussicht auf Erfolg versprächen.
Diesen Vorgaben entspreche die getroffene Ordnungsmaßnahme, die sich im Rahmen des der Schule zustehenden pädagogischen Beurteilungsspielraums halte. Nach diesem Maßstab sei die Entscheidung nicht zu beanstanden. Das Vorgehen des Antragstellers stelle sich als schweres Fehlverhalten dar. Ein über Monate dauerndes Ausspionieren des Datenbestands der Schule beeinträchtige die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit. Der Antragsteller sei mit krimineller Energie vorgegangen, weshalb das schulische Vertrauen in die Integrität des Antragstellers nachhaltig und irreparabel zerstört worden sei. Angesichts der Schwere des Fehlverhaltens des Antragstellers mit einer mehrere Monate währenden Verletzung der Datenschutzbelange und der Privatsphäre von Lehrkräften und der Schülerschaft habe die Schule den Schulwechsel nicht – wie das Gesetz dies im Regelfall vorschreibe – zuvor schriftlich androhen müssen.
Die Maßnahme, so das VG, sei auch unter Würdigung des Umstands verhältnismäßig, dass der Antragsteller sich in seinem letzten Schuljahr vor dem Abitur befinde und die ersten Abiturprüfungen bereits in wenigen Monaten anstehen, weil er sich gegenüber den Vorwürfen völlig uneinsichtig gezeigt habe.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 13.11.2024, VG 3 L 610.24, PM 30/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über die Rückzahlung von Bankentgelten entschieden, die aufgrund einer unwirksamen Zustimmungsfiktionsklausel vereinbart werden sollten. Sein Urteil ist verbraucherfreundlich. |
Das war geschehen
Der Kläger begehrt Rückzahlung von geleisteten Kontoführungsentgelten und Gebühren für eine Girokarte. Nach einer in den AGB der beklagten Sparkasse enthaltenen unwirksamen Regelung gilt die Zustimmung des Kunden zu angebotenen Änderungen von Vertragsbedingungen oder Entgelten für Bankleistungen als erteilt, wenn der Kunde der Beklagten seine Ablehnung nicht innerhalb einer bestimmten Frist anzeigt (Zustimmungsfiktionsklausel).
Die beklagte Sparkasse informierte den Kläger im Oktober 2017 darüber, dass für dessen zwei Girokonten ab dem 1.1.2018 Kontoführungsentgelte und Gebühren für eine Girokarte zu zahlen seien. Daraufhin kündigte der Kläger eines der Girokonten. Die Beklagte erhob ab dem 1.1.2018 eine Grundgebühr für die Führung des anderen Girokontos in Höhe von monatlich 3,50 Euro und eine Gebühr für eine SparkassenCard in Höhe von jährlich 6 Euro. Der Kläger stimmte diesen Änderungen der Bedingungen nicht aktiv zu. Die Beklagte buchte die Entgelte in der Folgezeit vom Konto des Klägers ab. Im Juli 2021 widersprach dieser der Erhebung der Entgelte. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung der in den Jahren 2018 bis 2021 erhobenen Entgelte in Höhe von insgesamt 192 Euro sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger jeden weiteren künftigen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Einziehung nicht vereinbarter Bankentgelte nach dem Jahr 2021 entstehe.
Das Amtsgericht (AG) und das Landgericht (LG) haben die Klage abgewiesen.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 192 Euro zu zahlen. Der Kläger erhält die Kontoführungsentgelte und das Entgelt für die Girokarte zurück.
Der Kläger hat einen Rückzahlungsanspruch, weil die Beklagte die Entgelte ohne Rechtsgrund vereinnahmt hat. Er hat der von der Beklagten beabsichtigten Änderung der Entgeltbedingungen nicht bloß durch die fortgesetzte Nutzung des Girokontos zugestimmt. Die fortlaufende Nutzung eines Girokontos hat keinen objektiven Erklärungswert dahin, dass der Wille des Kontoinhabers neben dem Willen, einen konkreten Kontovorgang auszulösen, auch die Zustimmung zu geänderten Kontobedingungen der Sparkasse oder Bank umfasst. Der Zugang zu einem Girokonto ist in der Regel eine unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme am unbaren Zahlungsverkehr und von essenzieller Bedeutung für die uneingeschränkte Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben. Die Nutzung des Girokontos allein ist deshalb kein Ausdruck des Einverständnisses mit der Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Sparkasse oder Bank, sondern entspricht lediglich den Erfordernissen und Gewohnheiten des modernen Geschäfts- und Wirtschaftsverkehrs im Alltag.
Die von der Beklagten erhobenen Entgelte sind auch nicht durch eine Fiktion der Zustimmung des Klägers zu den geänderten Kontobedingungen entstanden. Eine Klausel in den Geschäftsbedingungen von Banken und Sparkassen, die eine solche Fiktion vorsieht, ist im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam.
Auch der Umstand, dass der Kläger die von der Beklagten erhobenen Entgelte über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren widerspruchslos gezahlt hat, führt nicht dazu, dass die Sparkasse die Entgelte behalten darf, so der BGH.
Quelle | BGH, Urteil vom 19.11.2024, XI ZR 139/23, PM 219/24
| Eine im Wohnraummietvertrag vereinbarte Indexklausel, die ausschließlich eine Erhöhungsmöglichkeit vorsieht, kann nach Ansicht des Landgerichts (LG) Berlin II weder individual- noch formularvertraglich vereinbart werden. |
Nachteilsverbot beachten
Den Mietvertragsparteien sei nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 557 b Abs. 1 BGB) die Vereinbarung einer näher definierten Indexmiete gestattet, allerdings nicht in Gestalt einer „upwards only“-Klausel. Das Verbot einer den Vermieter begünstigenden Einseitigkeitsklausel (sog. Nachteilsverbot) ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut. Der Gesetzgeber habe sich aber von einem entsprechenden Motiv leiten lassen, also bei fallendem Index müsse eine entsprechende Mietabsenkungsmöglichkeit eröffnet sein.
Vermieterseitige Allgemeine Geschäftsbedingung
Im Streitfall ergab sich bereits aus der Erscheinungsform des Textes und seinem Regelungsinhalt, dass es sich um von der Vermieterseite gestellte AGB handelte. In Anwendung der Unklarheitenregelung in § 305 c Abs. 2 BGB war die Vertragsbedingung als eine den Mieter unangemessen benachteiligende Einseitigkeitsklausel zu werten. Aber auch eine „im Einzelnen ausgehandelte “Individualvereinbarung sei angesichts des o. g. Nachteilsverbots unzulässig, so das LG.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 20.6.2024, 67 S 83/24
| Ein Mieter einer Dachgeschosswohnung entsorgte über sein Fenster Essensreste in eine Dachrinne. Das Amtsgericht (AG) Hannover hat entschieden: Der Mieter muss seine Wohnung räumen. |
Dachrinne durch Müll verstopft
Über sein Wohnungsfenster entsorgte der Mieter u. a. Nudeln, Fleisch, Gewürzgurken und Knochen. Die entsorgten Essensreste landeten in der Dachrinne und verstopften diese. Der Säuregehalt der Essenreste beschädigte die Dachrinne.
Vermieter kündigte zweimal
Die Vermieterin mahnte zunächst ab. Danach kündigte sie gegenüber dem rechtlichen Betreuer des Mieters fristlos und ordentlich.
Zudem installierte der Mieter durch einen mit einem Gitter geschützten Schacht im Bordstein eine Stromleitung für sein Mofa. Die Vermieterin kündigte daraufhin erneut.
Mietvertragliche Pflichten erheblich verletzt
Das AG überzeugte sich vor Ort, dass die Essensreste nur vom Mieter stammen können. Das Dachfenster befindet sich nur einen Meter von der Dachrinne entfernt. Andere Fenster oder Zugänge sind nicht in erreichbarer Nähe. Die Dachrinne war nur an der Stelle der gelagerten Essensreste beschädigt. Insoweit hat der Mieter durch die wiederholte Entsorgung von Essensresten über sein Wohnungsfenster die Mietsache beschädigt und damit seine mietvertraglichen Pflichten erheblich schuldhaft verletzt, sodass der Kündigungsausspruch nach gerichtlicher Überzeugung auch von einem Kündigungsgrund getragen war. Das AG gewährte dem Mieter über die noch andauernde Kündigungsfrist zum Auszug von sechs Wochen eine darüber hinausgehende Räumungsfrist von dreieinhalb Monaten.
Ein Antrag auf Räumungsschutz wurde mittlerweile zurückgewiesen.
Quelle | AG Hannover, Urteil vom 11.1.2024, 510 C 5216/23, PM vom 29.10.2024
| Das Oberlandesgericht (OLG) München hat jetzt entschieden: Ein handschriftliches Testament ist formunwirksam, wenn der Bedachte durch einen maschinenschriftlichen Adressaufkleber benannt werden soll. |
Ungewöhnliche Gestaltung einer vermeintlichen letztwilligen Verfügung
Neben den letzten beiden Zeilen in der rechten unteren Ecke eines Briefumschlags, auf dem eine letztwillige Verfügung stehen soll, befindet sich ein Adressaufkleber des Beschwerdeführers, der einen Alleinerbschein beantragt hat. Zwischen den Wörtern „Rest dir“ und dem Adressaufkleber befindet sich ein Pfeil, der auf den Namen des Beschwerdeführers weist. Die (vermeintliche) Unterschrift der Erblasserin befindet sich oberhalb dieses Adressaufklebers neben dem Wort „Schultertuch“.
Oberlandesgericht erkennt das Schriftstück mangels Schriftform nicht an
Das Schriftstück stelle schon keine wirksame Verfügung von Todes wegen dar, weil es nicht durchgängig handschriftlich verfasst wurde. Bei dem auf dem Schriftstück angebrachten Pfeil handele es sich um ein Symbol und damit nicht um Schrift. Hinsichtlich des Pfeils ist eine Überprüfung der Urheberschaft von vornherein ausgeschlossen.
Auch der Adressaufkleber, auf dem sich Name und Anschrift des Beschwerdeführers befinden, wahre nicht die vom Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehene Form (hier: § 2247 Abs. 1 BGB).
Quelle | OLG München, Urteil vom 23.7.2024, 33 Wx 329/23
| Ein Schwiegersohn ist zur Rückzahlung eines sechsstelligen Darlehens an seine Schwiegereltern verpflichtet. So entschied es das Landgericht (LG) Frankfurt am Main. Es hat dabei klargestellt, dass ein im familiären Umfeld überlassener größerer Geldbetrag im konkreten Fall keine reine Gefälligkeit darstellt und ein Rechtsanspruch auf Rückzahlung besteht. |
Schwiegersohn benötigte Geld und bekam es von den Schwiegereltern
Der später beklagte Schwiegersohn benötigte Geld, um ein geerbtes Wohnhaus erhalten zu können. Seine Bank hatte ihm bereits einen Kredit gekündigt. Um ihn zu unterstützen, nahmen seine Schwiegereltern ihrerseits ein Darlehen in Höhe von 250.000 Euro auf und lösten damit die Restschuld des Schwiegersohns aus dessen Kredit ab. Man war sich darüber einig, dass der Schwiegersohn Zinsen und Tilgung tragen sollte. So geschah es auch über mehrere Jahre hinweg.
Ehe wurde geschieden
Zwischenzeitlich wurde die Ehe des Schwiegersohns mit der Tochter der Schwiegereltern jedoch geschieden. Der Schwiegersohn stellte einige Zeit später seine Zahlungen mit der Begründung ein, er könne die finanzielle Belastung wegen der Unterhaltszahlungen an seine Exfrau nicht mehr tragen. Die ehemaligen Schwiegereltern verlangten von ihm jedoch die Zahlung des noch offenen Darlehensbetrags von rund 190.000 Euro.
Landgericht: kein freiwilliges Vermögensopfer der Schwiegereltern
Das LG gab der Klage der Schwiegermutter statt. Es folgte nicht der Argumentation des Schwiegersohns, die finanzielle Unterstützung durch seine ehemaligen Schwiegereltern sei ein freiwilliges Vermögensopfer, denn sie sei im familiären Raum wegen der schwierigen Lage der jungen Eheleute erfolgt.
Das LG stellte in seinem Urteil vielmehr fest, dass die Schwiegereltern und der Schwiegersohn ihrerseits mündlich einen Darlehensvertrag geschlossen hatten. Das Gericht führte aus: „Ob ein Vertrag geschlossen wurde, hängt maßgeblich vom Rechtsbindungswillen der Parteien ab. Bei einem sog. reinen Gefälligkeitsverhältnis fehlt der Rechtsbindungswille.“ Und weiter: „Die Parteien handeln bei einem Gefälligkeitsverhältnis (…) ausschließlich aus gesellschaftlicher Gefälligkeit, also aus Freundschaft, Kollegialität, Nachbarschaft oder sonstigem Altruismus.“
Zwar seien die Abreden hier im engen Familienkreis erfolgt, was für eine reine Gefälligkeit sprechen könne. Allerdings handelte es sich nach Ansicht des LG bei der Gewährung eines derart hohen Betrags keinesfalls um eine Gefälligkeit des täglichen Lebens. Auch die Interessenlage spreche für einen Rechtsbindungswillen. Denn das Risiko der Klägerin und ihres Ehemanns sei ganz erheblich gewesen.
Für den Schwiegersohn habe zudem die Gefahr bestanden, ohne die Gewährung des Geldbetrags sein Haus und damit sein Heim zu verlieren. Hinzu komme, dass der Beklagte selbst eingeräumt habe, dass die Parteien eine Schenkung des Geldes nicht gewollt hätten. Nachdem die Schwiegereltern den mündlich mit ihrem ehemaligen Schwiegersohn geschlossenen rechtsverbindlichen Darlehensvertrag gekündigt hatten, stünde ihnen ein Rückzahlungsanspruch zu.
Quelle | LG Frankfurt, Urteil vom 28.11.2024, 2-23 O 701/23, PM vom 19.12.2024
| Die Kündigung eines nach dem 31.12.2017 geschlossenen Architektenvertrags bedarf der Schriftform. Das regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (hier: §§ 650 q, 650 h BGB). Eine formwidrige Kündigung ist allerdings folgenlos, wenn die andere Partei die Kündigung hinnimmt. Es ist dann in der Regel eine stillschweigende Vertragsaufhebung anzunehmen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt klargestellt. |
Das OLG sagt aber auch: Ruft der Auftraggeber über einen längeren Zeitraum keine weiteren Planungs- und Beratungsleistungen beim Auftragnehmer ab, kann darin keine Kündigung gesehen werden.
Quelle | OLG Frankfurt, Urteil vom 11.5.2023, 22 U 19/22, rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde, BGH, Beschluss vom 15.5.2024, VII ZR 118/23
| Kann das Honorar für Planungsaufträge für Baumaßnahmen und Anlagen, die in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) nicht beschrieben sind, frei vereinbart werden? Gilt die HOAI dann nicht? Antworten hierzu lieferte jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg. |
Das war geschehen
Ein Ententeich sollte von einem stehenden Gewässer zu einer wasserwirtschaftlichen Anlage umgewidmet werden. Der bereits im Verlauf eines Trennsystems genutzte Teich sollte als künftiger Retentionsraum genutzt werden. Die Parteien stritten über die Berücksichtigung eines Umbauzuschlags. Der Auftraggeber meinte, dass ein Objekt i. S. d. HOAI 2013 vorhanden sein müsse, andernfalls sei ein Umbau nicht möglich. Hier läge jedoch kein solches „Objekt“ vor. Daher sei ein Umbauzuschlag ausgeschlossen. Daran ändere auch nichts, dass der Teich durch Menschenhand geschaffen worden sei.
So sah es das Oberlandesgericht
„Objekt“ oder nicht „Objekt“ – das war hier die Frage. Das OLG stützte sich zur Beantwortung auf ein Gerichtsgutachten. Der Sachverständige hatte festgestellt, dass der Ententeich von der Beklagten schon über einen längeren Zeittraum zur Ableitung von Mischwässern genutzt würde und überschüssige Wässer über ein Mönchsbauwerk in ein nahe gelegenes Gewässer abgeleitet werden. Es handele sich deshalb um eine ungenehmigte Anlage des Wasserbaus. Das Gericht bewilligte daher den Umbauzuschlag. Es handele sich um ein Ingenieurbauwerk (Anlage des Wasserbaus). Zwar würde durch die Planung nicht in die Konstruktion des Teichs eingegriffen, wohl aber in den Bestand. Dieser sei wesentlich, weil aus einer Anlage des Wasserbaus eine Anlage der Abwasserentsorgung entstehen sollte (Nutzungsänderung). Denn der Teich sollte bei dem umzustellenden Mischsystem in ein Trennsystem künftig nur noch den kontrollierten Abfluss von Regenwasser sicherstellen.
Das OLG: Durch die geplante Vertiefung des Teichs werde zwar auch in die Konstruktion eingegriffen. Die Wesentlichkeit dieses Eingriffs sei aber nicht vorgetragen worden, sodass sich das Wesentlichkeitskriterium nicht prüfen ließ. Wesentlich sei ein Eingriff, wenn er gegenüber dem Bestand einen Anteil von 10 bis 20 Prozent der Substanz ausmacht.
Quelle | OLG Naumburg, Urteil vom 16.5.2024, 2 U 96/23
| Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat einem Mann den Erlass der Grundsteuer verwehrt, obwohl er herangezogen worden war, ein Baudenkmal zu erhalten. |
Für den Erhalt eines Fachwerkhauses begehrte der Kläger Grundsteuererlass
Der Kläger erwarb im Jahr 2012 ein Grundstück, das mit einem barocken Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert bebaut ist. Für dieses zog ihn die beklagte Ortsgemeinde für das Kalenderjahr 2022 zur Zahlung von Grundsteuer B in Höhe von 110,60 Euro heran. Der Kläger beantragte daraufhin den Erlass der Grundsteuer, weil die Erhaltung des Gebäudes wegen seiner Denkmaleigenschaft im öffentlichen Interesse liege und für ihn unrentabel sei.
Den Antrag des Klägers auf Erlass der Grundsteuer lehnte die Beklagte ab. Insbesondere habe der Kläger die Unrentabilität des Gebäudes nicht hinreichend belegt.
Erfolgloser Widerspruch
Hiergegen wandte sich der Kläger zunächst erfolglos mittels Widerspruch und dann mit seiner Klage. Er habe denkmalschutzbedinge Sanierungsmaßnahmen vorgenommen, unter anderem das Fachwerk freigelegt. Ohne die Denkmaleigenschaft hätte er das Gebäude abgerissen und das Grundstück anderweitig verwertet. Es seien zudem Rückstellungen für weitere Sanierungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Aus Rentabilitätsgründen habe er überwiegend Eigenleistungen erbracht. Er erziele inzwischen Mieteinnahmen in angemessener Höhe, dennoch sei ihm ein Verlust entstanden.
Verwaltungsgericht sah Voraussetzungen für Erlass nicht gegeben
Die Klage hatte keinen Erfolg. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Grundsteuererlass für das Jahr 2022, so das VG. Das Grundsteuergesetz (hier: § 32 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 GrStG) sehe dies nur für Grundbesitz vor, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liege, wenn die erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile (Rohertrag) in der Regel unter den jährlichen Kosten lägen. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Zwar bestehe ein öffentliches Interesse am Erhalt des Fachwerkhauses des Klägers. Der Grundbesitz sei jedoch nicht unrentabel. Der Kläger habe in erster Linie im weitaus überwiegenden Umfang Kosten aufgewendet, um das Gebäude im Sinne seiner eigentlichen Bestimmung – zu Wohnzwecken – zu ertüchtigen. Es sei deshalb prognostisch nicht davon auszugehen, dass der Grundbesitz – was für einen Grundsteuererlass vorausgesetzt wird – dauerhaft unrentabel sei. Eine valide Bewertung der Unrentabilität sei zudem nicht möglich, weil der Kläger nicht alle dazu benötigten Unterlagen vorgelegt habe.
Schließlich fehle es jedenfalls an der erforderlichen Kausalität zwischen (unterstellter) Unrentabilität und öffentlichem Erhaltungsinteresse. Denn der Kläger habe das Gebäude in Kenntnis des Sanierungsbedarfs zum Marktwert erworben. Das Gebäude sei wegen seines mehr oder weniger veralteten und teilweise maroden Zustands sanierungsbedürftig gewesen, nicht aufgrund der Denkmaleigenschaft.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 25.6.2024, 5 K 172/24.KO, PM 16/24
| Gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sind u. a. Beschäftigte im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Ein solches Beschäftigungsverhältnis kann auch bei einem 15-jährigen Spieler einer Juniorenmannschaft eines Fußball-Bundesliga-Vereins mit einem „Fördervertrag“ vorliegen. So entschied es das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg. |
Komplexe Verletzung beim Ligaspiel
Ein damals 15-jähriger Fußballer erlitt in einem Spiel derfrüheren B-Junioren-Bundesliga im Herbst 2020 eine komplexe Läsion des Außenmeniskus und musste sich einer Operation und einer langwierigen Nachbehandlung unterziehen. Der 15-Jährige hatte, vertreten durch seine Eltern, einen „Fördervertrag“ als Vertragsspieler im Sinne der „Spielordnung“ des DFB unterschrieben und war in das Leistungszentrum des Vereins aufgenommen worden. Er unterwarf sich darin umfangreichen Verpflichtungen, insbesondere zur Teilnahme an allen Trainings und allen Spielen, ohne einen Anspruch auf Spieleinsatz zu haben. Auch hatte er etwa am dritten Tag einer Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche AU-Bescheinigung einzureichen. Es waren ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen im Jahr und ein „monatliches Grundgehalt“ von 251 Euro vereinbart.
Berufsgenossenschaft: kein Arbeitsunfall
Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, denn der Spieler sei nicht unfallversichert gewesen. Auch Verträge wie hier könnten jedenfalls vor dem 16. Geburtstag des Spielers kein Beschäftigungsverhältnis begründen. Außerdem sei das vereinbarte Gehalt so niedrig, dass es keine adäquate Gegenleistung, sondern allenfalls eine Aufwandsentschädigung darstelle.
Landessozialgericht gab Spieler Recht
Nachdem in erster Instanz vor dem Sozialgericht (SG) die Berufsgenossenschaft obsiegt hatte, hat nun im Berufungsverfahren das LSG dem Spieler Recht gegeben und ein Beschäftigungsverhältnis und damit einen Arbeitsunfall bejaht. Der „Fördervertrag“ gehe weit über die Pflichten eines bloßen Vereinsmitglieds hinaus und entspreche eher einem Arbeitsvertrag. Ausschlaggebend für diese Einordnung waren die umfassenden Verpflichtungen des jungen Mannes, die Regelungen zu Arbeitsunfähigkeit und Urlaub sowie das vereinbarte „Grundgehalt“, das ausdrücklich als einkommensteuerpflichtig bezeichnet wurde und auch über der steuerfreien „Übungsleiterpauschale“ nach dem Einkommensteuerrecht lag.
Verbotene Kinderarbeit nicht gegeben
Dass der Spieler bei dem Unfall noch keine 16 Jahre alt war, stand der Einstufung als „Beschäftigter“ nicht entgegen. Insbesondere lag keine verbotene Kinderarbeit vor, weil er die Vollzeitschulpflicht nach baden-württembergischem Landesrecht erfüllt hatte. Ebenso schließen die Regelungen des DFB nicht aus, dass bereits ein 15-jähriger Fußballspieler ein Beschäftigter ist. Zwar kann er frühestens ab dem 16. Geburtstag eine Spielerlaubnis für eine Lizenzmannschaft oder erste Herrenmannschaft erhalten. Diese bloße Möglichkeit ändert aber nicht die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere, wenn der Spieler mitten in einer laufenden Saison 16 wird. Sie schließt nicht aus, dass schon zuvor eine Beschäftigung vorlag. Für die Entscheidung war danach nicht die Grenze zu den Lizenzmannschaften maßgeblich, sondern die Grenze zwischen Vereinsamateuren und Vertragsspielern.
Die Entscheidung des LSG, wenn sie rechtskräftig wird, bedeutet, dass die zuständige Berufsgenossenschaft den Unfall entschädigen muss. Denn es handelt sich um einen Unfall infolge einer versicherten Tätigkeit und damit um einen Arbeitsunfall.
Quelle | LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.1.2025, L 9 U 3318/23, PM des LSG
| Das Verschenken von Geschäftsanteilen an leitende Mitarbeiter zur Sicherung der Unternehmensnachfolge führt nicht ohne Weiteres zu steuerpflichtigem Arbeitslohn bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. So lautet eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Beachten Sie | Wird eine Mitarbeiterbeteiligung nicht zum Marktpreis übertragen, liegt der geldwerte Vorteil in der gegenüber dem marktüblichen Preis bestehenden verbilligten Übertragung. Arbeitslohn setzt aber weiter voraus, dass der Vorteil dem Arbeitnehmer „für“ seine Arbeitsleistung gewährt wird.
Das war geschehen
Die Arbeitnehmerin war seit vielen Jahren in der Führungsebene eines kleineren Unternehmens tätig. Da der Sohn der Gründungsgesellschafter als Nachfolger ausschied, beschlossen sie, die Leitung des Unternehmens zur Sicherung der Unternehmensfortführung in die Hände der Arbeitnehmerin und der weiteren Mitglieder der Führungsebene zu legen. Hierzu übertrugen sie jeweils 5,08 % der Anteile schenkweise an die Arbeitnehmerin sowie vier weitere Personen.
Finanzamt und gerichtliche Instanzen unterschiedlicher Auffassung
Das Finanzamt sah den in der Übertragung liegenden geldwerten Vorteil als Arbeitslohn an und unterwarf diesen der Besteuerung. Demgegenüber entschied das Finanzgericht (FG) Sachsen-Anhalt, dass sich der Vorteil aus der Übertragung der Gesellschaftsanteile nicht als Ertrag der nichtselbstständigen Arbeit der Angestellten darstellt. Dies hat der BFH nun bestätigt.
Regelung der Unternehmensnachfolge stand im Vordergrund
Auch, wenn die Anteilsübertragung mit dem Arbeitsverhältnis der Angestellten zusammenhängt, ist sie durch dieses nicht (maßgeblich) veranlasst. Denn entscheidendes Motiv für die Übertragung war für alle Beteiligten erkennbar die Regelung der Unternehmensnachfolge.
Beachten Sie | Der in der schenkweisen Übertragung aus gesellschaftsrechtlichen Gründen liegende Vorteil stellt in dieser Situation keine Entlohnung der leitenden Mitarbeiter für in der Vergangenheit erbrachte oder in Zukunft zu erbringende Dienste dar.
Als maßgebliche Indizien gegen Arbeitslohn sah der BFH auch folgende Aspekte an:
- Die Anteilsübertragung war im Streitfall nicht an den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geknüpft.
- Der vom Finanzamt angenommene Vorteil fiel im Vergleich zu den Bruttoarbeitslöhnen der Beschenkten deutlich aus dem Rahmen.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.11.2024, VI R 21/22, PM 4/25 vom 16.1.2025
| Seit dem 1.1.2025 kann die Kleinunternehmerregelung auch erstmalig im EU-Ausland in Anspruch genommen werden. Die Voraussetzungen hierfür regelt das Umsatzsteuergesetz (hier: § 19 a UstG: „Besonderes Meldeverfahren für die Anwendung der Steuerbefreiung in einem anderen Mitgliedstaat“). Weitere Informationen finden interessierte Unternehmer auch im Onlineportal des für dieses Verfahren zuständigen Bundeszentralamts für Steuern (BZSt). |
Von inländischen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze sind von der Umsatzsteuer befreit. Im Zuge des Jahressteuergesetzes 2024 erfolgten viele Anpassungen am bisherigen System. Zudem kann die Kleinunternehmerregelung nun auch erstmals im EU-Ausland beansprucht werden (sogenannte Europäische-Kleinunternehmerregelung, kurz EU-KU-Regelung).
In Deutschland ansässige Unternehmer, die an der EU-KU-Regelung teilnehmen möchten, müssen ihre Teilnahme beim BZSt elektronisch beantragen. In diesem Antrag kann der Unternehmer sich für die Regelung registrieren und auswählen, in welchen EU-Mitgliedstaaten er die Regelung in Anspruch nehmen möchte.
Beachten Sie | Für die Antragstellung in Deutschland steht ausschließlich das Onlineportal des BZSt zur Verfügung.
Die Teilnahme an der Regelung ist ab dem Tag möglich, an dem der Unternehmer für die EU-KU-Regelung durch das BZSt zugelassen und damit zum Verfahren registriert wird.
Für die EU-KU-Regelung registrierte Unternehmer können nur im Onlineportal des BZSt Anpassungen zu Registrierung und Teilnahme an der EU-KU-Regelung vornehmen, z. B. Registrierungsdaten ändern, Umsatzmeldungen übermitteln und sich vom Verfahren abmelden.
Quelle | BZSt
| Das Verwaltungsgericht (VG) Osnabrück hat den Antrag der Betreiberin eines „Automatenshops“ auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer noch anhängigen Klage abgelehnt. Hintergrund ist eine Anordnung der Stadt Papenburg, nach der die Antragstellerin ihre in dem „Automatenshop“ befindlichen Verkaufsautomaten an Sonn- und Feiertagen höchstens drei Stunden außerhalb der ortsüblichen Gottesdienstzeiten betreiben darf. |
„Automatenshop“ mit elf Automaten
Der streitgegenständliche „Automatenshop“ verfügt über elf Automaten, die Rauchwaren, Hygieneartikel, alkoholfreie und alkoholhaltige Getränke sowie Snacks anbieten. Außerdem befinden sich in dem Raum, der durchgehend zugänglich und videoüberwacht ist, ein Kaffee‑, ein Box- und ein Schlagkraftautomat („Hau den Lukas“) sowie ein Airhockeytisch.
Die Stadt Papenburg meint, dass der „Automatenshop“ hinsichtlich der Öffnungszeiten den Regelungen des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten (NLöffVZG) unterliege. Folglich müsse sich die Antragstellerin an das grundsätzliche Verbot der Sonn- und Feiertagsöffnung halten. Die Behörde ordnete die sofortige Vollziehung ihrer Anordnung an. Der hiergegen gerichtete Eilantrag hatte keinen Erfolg.
Anordnung wohl rechtmäßig
Das VG folgte hier dem Vortrag der Antragsgegnerin. So sei die o. g. Anordnung voraussichtlich rechtmäßig. Zwar falle ein einzelner Warenautomat nicht unter die Regelungen des NLöffVZG. Der streitgegenständliche „Automatenshop“ mit elf Warenautomaten sei allerdings als Verkaufsstelle im Sinne des § 1 Abs. 1 Alt. 1, § 2 Abs. 1 S. 1 NLöffVZG anzusehen. So sei der Shop eine Einrichtung, in der von einer festen Stelle aus ständig Waren verkauft werden. Nach § 2 Abs. 1 S. 2 NLöffVZG gehören zu Verkaufsstellen außer Ladengeschäften aller Art auch Kioske. Einem solchen ähnele der „Automatenshop“.
Sonn- und Feiertagsruhe beeinträchtigt
Es sei hier unerheblich, dass kein persönlicher Verkauf stattfinde. Die grundgesetzlich geschützte Sonn- und Feiertagsruhe sei durch das Angebot dennoch beeinträchtigt. Der Niedersächsische Gesetzgeber habe – bisher – nicht deutlich gemacht, dass automatisierte oder digitale Verkaufsstellen nicht unter diese Regelung fallen sollen.
Weitere Anordnung
Die Stadt Papenburg hatte darüber hinaus mit einer weiteren Anordnung die Antragstellerin aufgefordert, eine Gaststättenanzeige einzureichen, sofern sie über ihre Automaten weiterhin Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle anbiete. Die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme wurde ebenfalls angeordnet. Dem hiergegen eingereichten Eilantrag gab das VG mit weiterem Beschluss statt.
So sei nach der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der streitgegenständliche „Automatenshop“ nicht dem Gaststättengewerbe zuzuordnen. Die Einrichtung vermittele nach Aktenlage vielmehr den Eindruck, dass die weit überwiegende Anzahl der Verkaufsgeschäfte mit dem Ziel der Mitnahme erfolge. Insofern sei der Antragstellerin darin beizupflichten, dass der Raum insbesondere wegen des Fehlens von Sitz- oder Abstellmöglichkeiten im Kern keine Anreize setze, sich längerfristig zum Getränkeverzehr dort aufzuhalten, auch wenn er zudem über Vergnügungsautomaten verfüge.
Quelle | VG Osnabrück, Beschluss vom 14.1.2025, 1 B 61/24 und 1 B 79/24, PM 1/25
| Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden: Wer einen Immobilienkredit nur gegen eine Provision gewährt, muss eindeutig angeben, ob die Provision von der Laufzeit des Kredits abhängig ist oder nicht. Fehlt es an dieser Angabe, ist von der Abhängigkeit von der Laufzeit auszugehen. |
Das kann erhebliche Konsequenzen haben. Die Kreditnehmerin hatte für die Gewährung des Kredits eine Provision zu zahlen. Weit vor dem Ablauf der gewährten Laufzeit zahlte sie den Kredit dann allerdings zurück. Zugleich verlangte sie nun anteilig die Provision zurück – zu Recht, wie der EuGH annahm.
Der EuGH: In der fehlenden Belehrung über den Umstand der Unabhängigkeit der Provision von der Laufzeit liegt eine unangemessene Benachteiligung jedenfalls eines Verbrauchers.
Quelle | EuGH, Urteil vom 17.10.2024, C-76/22
| Gewähren Luftfahrtunternehmen ihren Arbeitnehmern unentgeltlich oder verbilligt Flüge, ist der geldwerte Vorteil daraus zu versteuern. Für die Bewertung gelten besondere Regeln. Ein aktueller koordinierter Ländererlass regelt die Bewertung für 2025. |
Der Wert der Flüge kann grundsätzlich gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 8 Abs. 2 oder Abs. 3 EStG) mit einem Rabattfreibetrag in Höhe von 1.080 Euro im Kalenderjahr ermittelt werden.
Beachten Sie | In den Fällen der Bewertung nach § 8 Abs. 2 EStG können die Flüge mit Durchschnittswerten angesetzt werden. Dabei kommt es u. a. auf die Flugkilometer an und darauf, ob Beschränkungen im Reservierungsstatus bestehen.
Quelle | Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 16.12.2024
| Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung, die der Erblasser bereits zu Lebzeiten an ein Bestattungsunternehmen abgetreten hat, erhöhen als Sachleistungsanspruch der Erben den Nachlass. Im Gegenzug sind jedoch die Bestattungskosten in vollem Umfang als Nachlassverbindlichkeiten steuermindernd zu berücksichtigen. In einem weiteren Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) Folgendes klargestellt: Verzichtet ein Kind gegenüber einem Elternteil auf seinen gesetzlichen Erbteil, hat dieser Verzicht nicht zur Folge, dass beim Versterben des Elternteils die Enkel des Erblassers den Freibetrag i. H. von 400.000 Euro erhalten. Vielmehr erhält der Enkel nur einen Freibetrag i. H. von 200.000 Euro. |
Urteil 1: Bestattungskosten bei Sterbegeldversicherung
Über folgenden Fall musste der BFH jüngst entscheiden: Der Kläger und seine Schwester sind Erben ihrer verstorbenen Tante (Erblasserin). Diese hatte eine Sterbegeldversicherung abgeschlossen und das Bezugsrecht an ein Bestattungsunternehmen zur Deckung ihrer Bestattungskosten abgetreten. Nach dem Tod stellte das Bestattungsinstitut für seine Leistungen einen Betrag i. H. von 11.654 Euro in Rechnung. Davon bezahlte die Sterbegeldversicherung 6.864 Euro.
Das Finanzamt setzte gegen den Kläger Erbschaftsteuer fest und rechnete den Sachleistungsanspruch auf Bestattungsleistungen (6.864 Euro) zum Nachlass. Für die geltend gemachten Nachlassverbindlichkeiten (einschließlich der Kosten für die Bestattung) setzte es nur die Pauschale für Erbfallkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i. H. von 10.300 Euro an. Die nach dem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) Münster als unbegründet zurück.
Der BFH hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Aufgrund der von der Erblasserin abgeschlossenen Sterbegeldversicherung ist ein Sachleistungsanspruch in Bezug auf die Bestattung auf die Erben übergegangen. Dieser fiel (wie das FG zutreffend entschieden hat) in Höhe der Versicherungsleistung von 6.864 Euro in den Nachlass und erhöhte die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer.
Im Unterschied zum FG ist der BFH aber der Meinung, dass die Bestattungskosten nicht nur in Höhe der Pauschale von 10.300 Euro abzugsfähig sind. Sie sind vielmehr in vollem Umfang als Nachlassverbindlichkeiten bei der Bemessung der Erbschaftsteuer steuermindernd zu berücksichtigen. Da die Feststellungen des FG nicht ausreichten, um die Höhe der insgesamt zu berücksichtigenden Nachlassverbindlichkeiten zu bestimmen, wurde das Verfahren zurückverwiesen.
Beachten Sie | Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde der Erbfallkostenpauschbetrag von 10.300 Euro auf 15.000 Euro erhöht. Nach der Gesetzesbegründung soll so ein individueller Kostennachweis in der Mehrzahl der Fälle vermieden werden können. Die Erhöhung gilt für Erwerbe, für die die Steuer ab dem Monat entsteht, der der Gesetzesverkündung folgt.
Urteil 2: Freibeträge
Hintergrund: Je näher das verwandtschaftliche Verhältnis ist, umso höher ist bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer der Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG. So gelten für Kinder 400.000 Euro. Dieser Betrag gilt auch für die Enkelkinder, sofern die Kinder des Erblassers bereits vorher gestorben sind. Bei Enkeln, deren Eltern noch leben, beträgt der Freibetrag 200.000 Euro.
Im Streitfall hatte der Vater des Klägers gegenüber seinem eigenen Vater (dem Großvater des Klägers) vertraglich auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet. Als der Großvater verstarb, wurde sein Enkel gesetzlicher Erbe. Dieser beantragte beim Finanzamt, ihm für die Erbschaft einen Freibetrag i. H. von 400.000 Euro zu gewähren. Das Finanzamt bewilligte aber nur einen Freibetrag i. H. von 200.000 Euro, da sein eigener Vater zwar auf seinen gesetzlichen Erbteil verzichtet hatte, aber beim Tod des Großvaters noch lebte.
Die Klage vor dem FG Niedersachsen war ebenso erfolglos wie die Revision beim BFH.
Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG benennt als Empfänger des höheren Freibetrags „Kinder verstorbener Kinder“. Diese Formulierung ist dahingehend zu verstehen, dass die Kinder des Erblassers tatsächlich verstorben sind. Die Vorversterbensfiktion des § 2346 Abs. 1 S. 2 BGB bewirkt nicht, dass das erbverzichtende Kind als „verstorbenes Kind“ im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG gilt und dessen Abkömmlinge den Freibetrag i. H. von 400.000 Euro erhalten.
Die Freibetragsregelungen sollen die Abkömmlinge der ersten Generation (Kinder) begünstigen. Bei den Enkeln hat der Gesetzgeber die familiäre Verbundenheit nicht als so eng angesehen und gewährt somit einen geringeren Freibetrag (200.000 Euro). Lediglich, wenn die eigene Elterngeneration vorverstorben ist, sieht der Gesetzgeber die Großeltern für das Auskommen der „verwaisten Enkel“ in der Pflicht und gewährt ihnen den höheren Freibetrag von 400.000 Euro.
Beachten Sie | Eine Ausdehnung des höheren Freibetrags auf Kinder, die nur vom Gesetz als verstorben angesehen werden, die aber tatsächlich bei Tod des Großelternteils noch leben, hat der Gesetzgeber nicht gewollt.
Quelle | Nachlassverbindlichkeiten: BFH, Urteil vom 10.7.2024, II R 31/21, PM 43/24 vom 14.11.2024; Freibeträge: BFH, Urteil vom 31.7.2024, II R 13/22, PM 41/24 vom 14.11.2024
| Wird ein zur Finanzierung eines vermieteten Grundstücks aufgenommenes Darlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung getilgt, ist die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften ausVermietung und Verpachtung abziehbar. Das gilt zumindest dann, wenn das Grundstück weiterhin zur Vermietung genutzt wird. |
Das war geschehen
Eheleute erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus insgesamt fünf Vermietungsobjekten. Dazu gehörten die Objekte X1 und X2.
Für die im Jahr 2013 erfolgte Anschaffung der beiden Objekte nahmen die Eheleute zwei Darlehen auf. Ein Darlehen über 200.000 Euro diente der Finanzierung des Objekts X1. Mit dem anderen Darlehen über 195.000 Euro wurde das Objekt X2 finanziert. Eine den Eheleuten ebenfalls gehörende Immobilie Y diente der Bank als Zusatzsicherheit. Die Immobilie Y wurde von den Eheleuten zunächst selbst bewohnt und diente anschließend zur Erzielung von Vermietungseinkünften.
Im Streitjahr 2020 veräußerten die Eheleute die Immobilie Y. Im Zuge dieser Veräußerung lösten sie auch die beiden Darlehen für die Objekte X1 und X2 ab. Denn die Bank war nicht bereit, den Wegfall des „Sicherungsobjekts Y“ hinzunehmen oder durch eine andere Sicherung zu ersetzen. Dafür fielen Vorfälligkeitsentschädigungen an (4.338 Euro und 4.280 Euro).
In der Steuererklärung für 2020 wich das Finanzamt von den Angaben der Eheleute ab, u. a. berücksichtigte es die Vorfälligkeitsentschädigungen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, weil die Vorfälligkeitsentschädigungen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung der Immobilie Y stünden. Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen sah das aber anders.
Finanzgericht: Auch Vorfälligkeitsentschädigungen sind Schuldzinsen
Schuldzinsen sind als Werbungskosten abzugsfähig, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Der Begriff der Schuldzinsen umfasst auch eine zur vorzeitigen Ablösung eines Darlehens gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung. Denn Vorfälligkeitsentschädigungen sind ein Nutzungsentgelt für das auf die verkürzte Laufzeit in Anspruch genommene Fremdkapital. Wird ein zur Finanzierung eines vermieteten Grundstücks aufgenommenes Darlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung getilgt, das Grundstück jedoch weiterhin zur Vermietung genutzt, ist die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.
Im Streitfall standen die beiden Darlehen niemals in einem Veranlassungszusammenhang mit dem Objekt Y. Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Rechtsprechung einen Veranlassungszusammenhang der Vorfälligkeitszinsen mit einer Veräußerung des Grundbesitzes sieht, betrifft dies Fälle, in denen es um die Veräußerung des mit den Darlehen finanzierten Grundbesitzes geht.
Dies trifft für das Objekt Y jedoch nicht zu. Denn für dieses Objekt wurden die Darlehen ursprünglich nicht aufgenommen. Und durch die Veräußerung des nur als Sicherungsobjekt dienenden Grundstücks Y hat sich der Veranlassungszusammenhang nicht geändert.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 30.10.2024, 3 K 145/23; BFH, Urteil vom 11.2.2014, IX R 42/13
| Bei einem (echten) Verkehrsunfall muss die Haftpflichtversicherung für die Schäden aufkommen. Aber was ist, wenn die Versicherung von einer Unfallmanipulation ausgeht? Dann muss sie beweisen, dass der Geschädigte mit dem „Unfall“ einverstanden war. Das Landgericht (LG) Lübeck hat eine solche Manipulation kürzlich verneint und die Versicherung zur Zahlung verurteilt. |
War der Unfall manipuliert?
Ein junger Mann feierte eine Party im Hause der Eltern. Um zwei Uhr nachts fuhr ein Gast rückwärts gegen das Auto des Gastgebervaters. Der Vater forderte die Haftpflichtversicherung zum Schadenersatz auf, doch die weigerte sich. Sie meinte, der Gast sei – in Absprache mit dem Gastgeber – absichtlich gegen das Auto gefahren, um die Versicherungssumme zu kassieren.
Landgericht: Es gab keine Verabredung zum Unfall
Das Gericht hat entschieden, dass die Versicherung die Schäden ersetzen muss. Der Fahrer und weitere Partygäste wurden zu dem Vorfall befragt und ein technischer Sachverständiger hinzugezogen. Daraus habe sich ergeben, dass der Fahrer aus Versehen gegen das Auto des Vaters gefahren sei und es gerade keine Verabredung zu einem manipulierten Unfall gegeben habe.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Lübeck, Urteil vom 26.9.2024, 3 O 193/22, PM vom 11.11.2024
| Bei kleinen unfallbedingten Schäden darf der Geschädigte einen Schadengutachter einschalten. Wenn der statt eines umfassenden Gutachtens ein dem Schadenumfang angepasstes „schmales“ Produkt zu einem Preis von ca. 100 Euro erstellt, ist das in Ordnung. So entschied aktuell das Amtsgericht (AG) Münster. |
Das AG: Weder sei ein Kostenvoranschlag generell kostenlos noch sei es sicher, dass die Werkstatt die Kosten dafür später verrechnet.
Das AG Münster weiter: Bei Schäden am Stoßfänger kann es auch sachgerecht sein, diesen demontieren zu lassen, um darunter liegende Schäden auszuschließen. Die dafür entstehenden Kosten muss ebenfalls der Schädiger erstatten.
Quelle | AG Münster, Urteil vom 12.9.2024, 8 C 477/24
| Jeder Fahrgast ist verpflichtet, sich in einem Linienbus festzuhalten. Diesen Grundsatz hat das Amtsgericht (AG) München jetzt noch einmal bekräftigt. |
Bus machte Vollbremsung
Der zum Unfallzeitpunkt 76-jährige Kläger fuhr als Fahrgast in einem Busanhänger eines Busses . Das Busgespann fuhr auf der Rechtsabbiegespur auf eine rote Ampel zu, als ein PKW kurz vor diesem auf dieselbe Abbiegespur wechselte, weshalb der Busfahrer eine Vollbremsung durchführte.
Der Kläger behauptete, er sei hierdurch gestürzt und habe Prellungen im Bereich der Brustwirbelsäule und des Beckens erlitten, zudem sei sein Daumensattelgelenk überdehnt worden. Er habe vier Wochen unter Schmerzen gelitten und sei bis heute nicht beschwerdefrei. Vor dem AG verklagte er den Fahrer des überholenden PKW sowie dessen Versicherung auf Zahlung von 2.000 Euro Schmerzensgeld sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Vollständiges Mitverschulden des Fahrgasts
Das AG wies die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme ab. Es ging zwar davon aus, dass die Fahrweise des beklagten PKW-Fahrers zum Sturz des Klägers beigetragen habe und dass die StVO ihm für den Spurwechsel ein Höchstmaß an Sorgfaltspflicht auferlege, gegen die er verstoßen habe. Die Haftung des PKW-Fahrers sei jedoch aufgrund des vollständigen Mitverschuldens des Klägers ausgeschlossen. Denn jeder Fahrgast sei verpflichtet, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen. Dies diene dem Schutz der Fahrgäste.
Die klägerseits eingenommene stehende Position war nicht geeignet, um bei einer Bremssituation gesichert zu sein. Vorliegend zeigte nämlich ein Video der Businnenkamera, dass der Kläger sich lediglich mit der linken Hand an dem Handlauf festhielt und seine rechte Hand auf dem mitgeführten Einkaufstrolley ruhte. Die Stabilisierung mit der linken Hand sei zu schwach, um ruckartige Bremsungen auszugleichen. Der Trolley biete keinen Halt, da er selbst bei der Vollbremsung herumgewirbelt wird, wie auf dem Video zu sehen sei. Der Trolley stellte eher eine Behinderung dar, weil der Kläger ihn auch während des Sturzes nicht losließ und sich daher auch mit der rechten Hand keinen festen Halt suchte.
Weitere Fahrgäste kamen nicht zu Fall
Dies zeige sich auch daran, dass keine anderen Passagiere im Rahmen der Vollbremsung stürzten, soweit auf den eingesehenen Videos der Businnenkamera zu sehen ist. Vielmehr hielt sich z. B. eine ältere Dame, die einen der Sitzplätze direkt hinter dem Kläger belegt hatte, an der dortigen Stange fest und rutschte (im Gegensatz zu ihrer Tasche) nicht von ihrem Sitz.
So sei dem Kläger – auch aufgrund seines Alters und des Mitführens des Trolleys – vorzuwerfen, dass er sich nicht hingesetzt hat. Wie auf dem Video zu sehen sei, waren ausreichend Sitzplätze vorhanden, auch wenn der Kläger das Gegenteil behauptete. Direkt hinter dem Kläger sei z. B. ein Sitzplatz frei gewesen, der überdies eine Haltestange zum Festhalten geboten hätte.
Vollbremsung nicht überraschend
Es habe sich hier auch nicht um eine völlig überraschende – wenn auch heftige – Vollbremsung gehandelt, da im Stadtverkehr regelmäßig mit heftigen Bremsungen gerechnet werden müsse. Hinzu komme, dass der Bus unstreitig bereits ca. 50 m vorher leicht gebremst hatte, wodurch der Kläger hätte feststellen können, dass seine Position ihm einen ungenügenden Halt verschaffte.
Quelle | AG München, Urteil vom 18.10.2024, 338 C 15281/24, PM 35/24
| Ob ein Partner trotz Kontaktverbots nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) an einer WhatsApp-Gruppe teilnehmen darf, der auch seine frühere Lebensgefährtin angehört, hängt von der Größe der Gruppe ab. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm. |
Annäherung mittels Fernkommunikationsmitteln untersagt
Gegenüber dem ehemaligen Lebensgefährten einer Frau bestand ein Näherungs-, Abstands- und Kontaktverbot nach dem GewSchG. Er durfte sich mit dieser danach auch nicht mittels Fernkommunikationsmitteln in Verbindung setzen. Die Frau wandte sich gerichtlich u. a. dagegen, dass der Mann eine WhatsApp-Nachricht „Da kann sie wieder lachen“ in eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe einer Laufgruppe abgesetzt hatte. Das AG sah darin einen Verstoß gegen o. g. Verbot. Dieses umfasse jede Kommunikation mit der Frau über soziale Medien.
Das OLG widersprach dem AG. Es sei vielmehr zwischen kleinen und größeren WhatsApp-Gruppen zu differenzieren. Im konkreten Fall verneinte es daher einen Verstoß gegen das Kontaktverbot und stellte fest, dass nicht generell ein Verstoß gegen das Kontaktverbot angenommen werden kann, wenn etwas in einer gemeinsamen WhatsApp-Gruppe gepostet wird. Jenseits persönlich an die verletzte Person gerichteter Nachrichten sei vielmehr danach zu differenzieren, ob es sich um Gruppen von drei bis vier Teilnehmern handelt, oder um eine größere Gruppe.
So sind größere WhatsApp-Gruppen zu beurteilen
Bei größeren Gruppen trete die mit einem Post stets auch verbundene persönliche Ansprache des einzelnen Mitglieds meist so in den Hintergrund, dass ein grundsätzliches Verbot, Nachrichten an die Gruppe zu schicken, zum Schutz vor Nachstellungen und Belästigungen nicht erforderlich ist. Würde man alle Aktivitäten in einer WhatsApp-Gruppe verbieten, würde die Handlungsfreiheit des Betroffenen zu sehr eingeengt. Das OLG hob hervor, dass der Mann hier die Frau auch nicht persönlich angesprochen hatte.
Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 24.9.2024, 13 WF 105/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Revisionen zweier Angeklagter gegen ein Urteil des Landgerichts (LG) Mönchengladbach verworfen, mit dem sie jeweils wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu Geldstrafen von 180 Tagessätzen verurteilt worden sind. |
Nach den vom LG getroffenen Feststellungen nahm die später verstorbene, damals 13-jährige und an Diabetes mellitus Typ I erkrankte Schülerin E. an einer mehrtägigen, klassen- und jahrgangsübergreifenden Studienfahrt ihrer Schule nach London teil. Die beiden Angeklagten, die an der Schule als Lehrkräfte unterrichteten, waren gleichberechtigt für die Organisation und Durchführung der Fahrt zuständig. Ihnen war weder die später Verstorbene noch deren Erkrankung bekannt. Sie nahmen keinen Einblick in die Schulakten, in denen die Erkrankung der Schülerin vermerkt war, informierten sich hierüber nicht bei den damaligen Klassen- und Fachlehrern und fragten chronische Vorerkrankungen nicht schriftlich ab. E. erbrach sich in London mehrfach, klagte über Kopfschmerzen und Übelkeit, war müde und körperlich geschwächt. Obwohl zwei Mitschülerinnen die beiden Angeklagten mehrfach auf den fortdauernd schlechten Gesundheitszustand von E. hinwiesen, hielten diese keine Nachschau. E. verstarb noch in London an einem Herzinfarkt in Folge einer schweren diabetischen Stoffwechselentgleisung.
Die durch die Sachrügen der Angeklagten veranlasste Überprüfung des Urteils durch den BGH hat einen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil nicht erkennen lassen. Das LG hat insbesondere rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Angeklagten gegen die ihnen obliegende Sorgfalt objektiv und subjektiv verstießen. Die erhobenen Verfahrensrügen sind ebenfalls erfolglos geblieben. Das Verfahren ist damit rechtskräftig abgeschlossen.
Quelle | BGH, Beschluss vom 18.12.2024, 3 StR 292/24, PM 6/25
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen hat jetzt die Stadt Gelsenkirchen verpflichtet, einen sogenannten „Behindertenparkplatz“ vor der Wohnung eines schwerbehinderten Mannes einzurichten. |
Kläger hatte außergewöhnliche Gehbehinderung
Der 77-jährige Kläger ist schwerbehindert mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung. Für derart eingeschränkte Personen sieht die Straßenverkehrsordnung (hier: § 45 Abs. 1 b) Nr. 2 StVO) die Möglichkeit vor, einen sogenannten „Behindertenparkplatz“ auszuweisen. In der unmittelbaren Nähe zur Wohnung kann dies auch personenbezogen („Mit Ausweis Nr…“) erfolgen.
Voraussetzung ist allerdings neben dem Umstand, dass in dem Bereich nicht ausreichend freie Parkplätze auf der öffentlichen Straße vorhanden sind und dass die betroffene Person keine anderweitige Möglichkeit zum Abstellen außerhalb des öffentlichen Straßenraums hat – etwa eine Garage oder Stellplatz auf dem Grundstück. Zwar verfügt das Haus des Klägers über eine Garage. Der Kläger hat aufgrund seiner Behinderung jedoch keine Möglichkeit, von der im Keller gelegenen Garage in seine Wohnung zu kommen, da er weder die Zufahrtsrampe noch eine im Gebäude befindliche schmale und steile Treppe bewältigen kann. Er kann deshalb die Garage nicht nutzen. Auch die Zufahrt zur Garage ist nicht dazu geeignet, das Fahrzeug abzustellen, da sie zu steil und zu schmal ist.
So sah es die beklagte Stadt
Die beklagte Stadt Gelsenkirchen verwies den Kläger darauf, sein Fahrzeug parallel zur Fahrbahn auf der Straße vor der Garageneinfahrt abzustellen. Aufgrund des vor der Einfahrt nach den allgemeinen Vorschriften der StVO geltenden Parkverbots dürfe außer ihm niemand dort parken.
So sah es das Verwaltungsgericht
Dieser Auffassung konnte sich das VG nicht anschließen. Unabhängig davon, ob der vom Parkverbot erfasste Platz für das Abstellen eines Pkw ausreichen würde (die eigentliche Einfahrt ist nur 3 m breit), darf im konkreten Fall auch der Kläger nicht vor seiner Einfahrt parken. Denn für die Zufahrt ist der Bordstein abgesenkt, sodass dort ein generelles Parkverbot gilt, das auch den Inhaber der Garage erfasst. Dieses Parkverbot dient nämlich nicht nur der Sicherung der Zufahrtsmöglichkeit zur Garage, sondern auch dem Interesse gehbehinderter Menschen daran, den Gehweg – etwa zum Überqueren der Straße – verlassen zu können. Der Kläger muss sich daher nach Auffassung des VG nicht darauf verweisen lassen, dass die Stadt die durch ihn begangene Ordnungswidrigkeit nicht verfolgt. Ihm steht aufgrund der Umstände des Einzelfalls vielmehr ein Anspruch auf die Ausschilderung eines „rechtssicheren“ Sonderparkplatzes zu.
Quelle | VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5.11.2024, 14 K 1401/24, PM vom 7.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat u. a. entschieden: Als Familienangehörige im Sinne der Eigenbedarfskündigung sind ausschließlich die Personen anzusehen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen nach der Zivilprozessordnung oder der Strafprozessordnung (hier: § 383 ZPO, § 52 StPO) zusteht. Cousins zählen hierzu nicht. |
Das war geschehen
Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, begehrt nach Ausspruch einer Kündigung wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter von den Beklagten die Räumung und Herausgabe einer an diese vermieteten Wohnung. Die Klägerin hatte das Gebäude, in dem sich die Wohnung befindet, nach deren Überlassung an die Beklagten erworben und ist dadurch als Vermieterin in das bestehende Mietverhältnis eingetreten. Zum damaligen Zeitpunkt hatte die Klägerin zwei Gesellschafter, die Cousins waren.
Die Beklagten haben die Kündigung für unwirksam gehalten und sich hierbei auf die Kündigungsbeschränkung des Bürgerlichen Gesetzbuchs berufen (hier: § 577 a Abs. 1 a S. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 der Kündigungsschutzklausel-Verordnung des Landes Berlin vom 13.8.13). Hiernach kann sich eine Personengesellschaft, an die vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter veräußert worden ist, erst nach Ablauf von zehn Jahren seit der Veräußerung für eine Kündigung der Wohnung gegenüber dem Mieter auf berechtigte Interessen berufen. Diese Kündigungsbeschränkung gilt indes nicht, wenn die im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs vorhandenen Gesellschafter derselben Familie angehörten. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass dies (auch) bei Cousins der Fall sei und deshalb die Kündigungsbeschränkung im Streitfall nicht eingreife.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: Den Begriffen „Familie“ und „Familienangehörige“ in den hier maßgeblichen Vorschriften kommt dieselbe Bedeutung zu. Hiervon sind ausschließlich die Personen umfasst, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen zusteht. Ein entfernterer Verwandter, der – wie ein Cousin – nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, gehört somit auch dann nicht zu dem privilegierten Personenkreis, wenn zwischen ihm und dem Vermieter eine enge persönliche Bindung besteht. Ebenso gilt die Privilegierung selbst im Fall einer engen persönlichen Verbundenheit zwischen den Mitgesellschaftern nicht, wenn das Verwandtschaftsverhältnis zwischen ihnen so entfernt ist, dass es sie nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt.
Der vom Gesetzgeber bezweckten Privilegierung von Familienangehörigen in den o. g. Vorschriften liegt eine typisierende Betrachtungsweise dahingehend zugrunde, dass zwischen den hiervon umfassten Personen aufgrund einer familiären Beziehung eine besondere persönliche Nähebeziehung anzunehmen ist. Vor diesem Hintergrund bedarf es für den vom Gesetzgeber privilegierten Personenkreis des (zusätzlichen) Vorliegens eines konkreten, tatsächlichen Näheverhältnisses nicht. Auch scheidet eine Erweiterung dieses geschützten Personenkreises aufgrund einer einzelfallbezogenen Prüfung des Vorliegens einer besonderen sozialen Nähe angesichts der dem Gesetz zugrunde liegenden typisierenden Betrachtungsweise aus.
Entscheidend ist damit letztlich, für welchen Personenkreis der Gesetzgeber durch die Verwendung des Begriffs der „Familie“ eine typischerweise vorliegende besondere soziale Bindung angenommen hat. Er hat eine solche Bewertung im Rahmen der auf der persönlichen Nähebeziehung und Verbundenheit gründenden Gewährung eines Zeugnisverweigerungsrechts aus persönlichen Gründen vorgenommen. Dort hat er objektive Kriterien nach dem Grad der familiären Beziehung aufgestellt und hierdurch den Personenkreis definiert, innerhalb dessen nach seiner Auffassung typischerweise eine persönliche Nähebeziehung besteht. Es ist sachgerecht, diese gesetzgeberischen Wertungen auch für die ebenfalls in der persönlichen Verbundenheit begründeten Privilegierungen von Familienangehörigen in den hier einschlägigen mietrechtlichen Bestimmungen heranzuziehen. Cousins sind (nur) Verwandte in der Seitenlinie im vierten Grad. Ihnen steht ein Zeugnisverweigerungsrecht (nach §383 ZPO, § 52 StPO) nicht zu. Sie gehören somit nicht zu derselben Familie im Sinne des § 577 a Abs. 1 a S. 2 BGB.
Quelle | BGH, Urteil vom 10.7.2024, VIII ZR 276/23, PM 145/24
| Wird einem Wohnungsmieter fristgerecht gekündigt, weil dieser mit der Mietzahlung in Rückstand geraten ist, lässt sich diese Kündigung nicht ohne Weiteres dadurch aus der Welt schaffen, dass der Mietrückstand nachträglich noch ausgeglichen wird. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal in einem aktuellen Urteil entschieden. Das LG hat die Mieterin zum Auszug aus der Wohnung verpflichtet, obwohl sie im laufenden Räumungsverfahren die offenen Mieten noch ausgeglichen hatte. |
Mieterin zahlte zwei Monatsmieten nicht
Im konkreten Fall klagten die Vermieter zunächst vor dem AG gegen ihre Mieterin auf Räumung der Mietwohnung. Vorausgegangen war eine Kündigung, die sie zur Sicherheit zweifach erklärt hatten: zum einen fristlos – aus wichtigem Grund -, zusätzlich aber auch fristgerecht wegen Verletzung der vertraglichen Zahlungspflicht. Beide Kündigungen begründeten die Vermieter u. a. damit, dass zwei Monatsmieten nicht bezahlt wurden.
Die Mieterin bestritt dies nicht und zahlte die beiden offenen Mieten schließlich während des laufenden Gerichtsverfahrens vollständig. Sie berief sich nun darauf, dass die Kündigung infolge der Zahlung unwirksam geworden sei. Das AG folgte dem nicht und verurteilte die Mieterin zur Räumung der Mietwohnung.
Zu Recht gekündigt
Die dagegen gerichtete Berufung zum LG hatte keinen Erfolg. Das LG bestätigte, dass die Kündigung wegen der rückständigen Mieten zu Recht erfolgt sei. Im Zeitpunkt der Kündigung sei die Mieterin mit zwei Monatsmieten im Rückstand gewesen und nur darauf komme es hier an.
Vermieter hatten fristlos und fristgerecht gekündigt
Die gesetzliche Regelung, wonach ein Mietrückstand nachträglich ausgeglichen werden und die Kündigung dadurch möglicherweise beseitigen könne, gelte in dieser Form nur für die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. Hier hatten die Vermieter daneben sicherheitshalber aber auch noch fristgerecht gekündigt. Eine solche „ordentliche“ Kündigung werde durch die nachträgliche Zahlung der Mieten nicht ohne Weiteres unwirksam. Bei einer fristgerechten Kündigung sei lediglich zu prüfen, ob es unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben für die Vermieterseite zumutbar sei, auf die Räumung zu verzichten, nachdem keine Rückstände mehr bestehen. Dafür sah das LG hier aber keine Anhaltspunkte.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 1.3.2024, 2 S 118/23, PM vom 30.9.2024
| Das Bundessozialgericht (BSG) musste sich mit der Frage befassen, wann die mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz neu gestaltete Auskunftspflicht von Angehörigen gegenüber dem Sozialamt greift. |
Vater lebte im Seniorenwohnheim und erhielt Hilfe zur Pflege
Der Vater des Klägers lebt in einem Seniorenwohnheim und erhält vom Sozialhilfeträger Hilfe zur Pflege. Er ist geschieden und hat neben dem Kläger noch einen weiteren Sohn, der im Jahr 2020 Student war.
Der Sozialhilfeträger erlangte im Internet Informationen über die Arbeitgeberin des Klägers, eine Digitalagentur mit über 100 Mitarbeitern und einem Honorarumsatz im hohen siebenstelligen Bereich, und seine dortige Position als Chief Technology Officer (CTO). Er teilte dem Kläger mit, es sei davon auszugehen, dass sein Bruttoeinkommen die Grenze von 100 000 Euro jährlich überschreite und verlangte Auskunft über sein Einkommen und sein Vermögen.
Hiergegen wandte sich der Kläger. Denn mit den genannten Informationen sei die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt. Es bestehe deshalb keine Auskunftspflicht.
So sah es das Landessozialgericht
Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat den Auskunftsbescheid aufgehoben. Zwar sei die o. g. Vermutungsregel mit den öffentlich zugänglichen Informationen aus dem Internet widerlegt. Im sich anschließenden Auskunftsverfahren sei aber ein gestuftes Vorgehen erforderlich: In einem ersten Schritt sei der Sozialhilfeträger lediglich berechtigt, Auskünfte über das Bruttojahreseinkommen des potenziell Unterhaltsverpflichteten einzuholen.
Erst, wenn auf dieser Grundlage die 100 000-Euro-Grenze tatsächlich überschritten sei, bestehe in einem zweiten Schritt ein umfassendes Auskunftsrecht, das sich auch auf Vermögen beziehe.
Mit seiner Revision rügt der beklagte Sozialhilfeträger, dass das vom LSG geforderte gestufte Auskunftsverfahren im Gesetz keine Stütze finde. Wenn zu vermuten sei, dass die Einkommensgrenze überschritten werde, bestehe auch eine Verpflichtung zur Auskunft über das Vermögen, damit der Sozialhilfeträger den Unterhaltsanspruch umfassend prüfen könne.
So sah es das Bundessozialgericht
Das BSG gab dem Kläger ebenfalls recht: Vermögensauskünfte können nach dem Angehörigen-Entlastungsgesetz erst dann verlangt werden, wenn die Einkommensgrenze von 100.000 Euro tatsächlich überschritten wird.
Mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz hat der Gesetzgeber zum 1.1.20 u. a. unterhaltsverpflichtete Kinder entlastet. Ein Unterhaltsrückgriff durch den Sozialhilfeträger auf ein erwachsenes Kind, dessen Eltern vom Sozialamt Leistungen erhalten, ist mit dem neu eingeführten § 94 Abs. 1 a SGB XII gegenüber dem früheren Recht beschränkt worden: Ein möglicher Unterhaltsanspruch der Eltern gegen ihre erwachsenen Kinder geht erst auf den Sozialhilfeträger über, wenn das Einkommen des Kindes einen Jahresbetrag von 100 000 Euro übersteigt. Dabei wird gesetzlich vermutet, dass diese Einkommensgrenze nicht überschritten wird. Erst, wenn die Vermutung widerlegt ist, kann Auskunft vom unterhaltsverpflichteten Kind verlangt und anschließend ein Unterhaltsrückgriff vom Sozialhilfeträger geltend gemacht werden. Dabei ist ggf. auch vorhandenes Vermögen zu berücksichtigen.
Legitim: Informationen aus dem Internet eingeholt
Auch das BSG ging davon aus, dass es hinreichende Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Mann ein Einkommen von mehr als 100.000 Euro habe. Dass der Sozialhilfeträger diese Anhaltspunkte aus dem Internet habe, sei nicht zu beanstanden. Die Auskunftspflicht sei aber zunächst auf das Einholen von Auskünften zu den Einkommensarten beschränkt. So habe es der Gesetzgeber gewollt. Denn er beabsichtigte, in erster Linie erwachsene Kinder pflegebedürftiger Eltern zu entlasten. Dem widerspräche es, die Auskunftspflicht auszuweiten.
Quelle | BSG, Urteil vom 21.11.2024, B 8 SO 5/23 R, PM 32/24
| Die dreijährige Verjährungsfrist des Anspruchs auf Stellen einer Bauhandwerkersicherung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) beginnt taggenau mit dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit. So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH). |
So ist die Verjährung geregelt
Der Anspruch auf Stellen einer Bauhandwerkersicherung, wonach der Unternehmer unter im BGB näher geregelten Voraussetzungen vom Besteller eine Sicherheitsleistung in Höhe der vereinbarten Vergütung verlangen kann, verjährt in der regelmäßigen – dreijährigen – Verjährungsfrist nach § 195 BGB. Nun hat der BGH die bisher offene Frage entschieden, wann die Verjährung beginnt.
So begründet der BGH seine Ansicht
Dass die Verjährungsfrist taggenau mit dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit beginnt, folgt für den BGH aus der entsprechenden Anwendung von § 604 Abs. 5, § 695 S. 2, § 696 S. 3 BGB auf diesen Anspruch. § 199 Abs. 1 BGB, wonach die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, ist daher nicht anzuwenden.
Quelle | BGH, Urteil vom 21.11.2024, VII ZR 245/23
| Die Anordnung einer Verbandsgemeindeverwaltung, mit der die Eigentümer eines Wohngebäudes zur Herstellung und dauerhaften Unterhaltung einer eigenen Löschwasserversorgung verpflichtet worden sind, ist ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz und gab dem hiergegen gerichteten Eilantrag statt. |
Grundstückseigentümer sollten Löschwasserversorgung herstellen und unterhalten
Das Gebäude der Antragsteller befindet sich – gemeinsam mit weiteren Höfen – einige Kilometer außerhalb der nächstgelegenen Ortslage. Die vorhandene Trinkwasserversorgung ist zu klein dimensioniert, um eine hinreichende Löschwasserversorgung sicherzustellen. Ein in der Mitte des Areals existierender Löschteich ist verschlammt und deshalb nicht nutzbar. Weil Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung zwischen den Grundstückseigentümern und der Verbandsgemeindeverwaltung scheiterten, verfügte diese schließlich, dass die Grundstückseigentümer die Löschwasserversorgung mit einer Wassermenge von 96 m³/h für eine Dauer von zwei Stunden herzustellen und zu unterhalten hätten. Gleichzeitig ordnete sie die sofortige Vollziehung des Bescheids an.
Hiergegen erhoben die Antragsteller Widerspruch und stellten den gerichtlichen Eilantrag.
Anordnung war ermessensfehlerhaft
Dieser Antrag hatte Erfolg. Die Anordnung sei ermessensfehlerhaft ergangen, so das VG. Zwar könnten Eigentümer baulicher Anlagen, für die keine ausreichende Löschwasserversorgung sichergestellt sei, nach dem Landesgesetz über Brandschutz, die allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (hier: gemäß § 31 Abs. 5 LBKG) zur Vorhaltung fehlender Löschmittel verpflichtet werden. Der Antragsgegner habe jedoch übersehen, dass unter Umständen eine geringere Löschwassermenge ausreichend sei. Denn das Regelwerk, auf das sich der Antragsgegner maßgeblich bezogen habe, sehe zwar im Grundsatz die geforderten 96 m³/h vor. Für ländliche Ansiedlungen von zwei bis zehn Anwesen sei jedoch nur ein Löschwasserbedarf von 48 m³/h anzusetzen.
Hiermit habe sich die Antragsgegnerin nicht auseinandergesetzt, obwohl sich dies nach der Anzahl der vorhandenen Anwesen aufgedrängt hätte. Der Begründungsmangel führe so zu einem Ermessensdefizit.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 14.11.2024, 3 L 1042/24.KO, PM 20/24
| Objektüberwachung und Bauleitung sind inhaltlich „zwei Paar Schuhe“. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt festgestellt. |
Architekt verlangte Honorar für Bauleitung
Ein Architekt rechnete Honorar für „Bauleitung“ ab. Er bezog sich auf die Leistungsphase 8 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Er konnte aber nicht nachweisen, entsprechende Objektüberwachungsleistungen erbracht zu haben.
So sahen es die Gerichte
Die Gerichte kamen dagegen zu der Auffassung, dass er als Bauleiter nach der Hessischen Bauordnung (hier: § 59 HBO) tätig sein sollte. Diese Person muss u. a. darüber wachen, dass die Baumaßnahme nach den genehmigten Bauvorlagen bzw. – soweit eine bauaufsichtliche Prüfung entfällt – nach den eingereichten Bauvorlagen ausgeführt wird.
Bei der Überwachungstätigkeit muss der Bauleiter auf den sicheren Betrieb der Baustelle achten. Dazu zählt, dass die Arbeiten der Unternehmen ohne gegenseitige Gefährdung und ohne Gefährdung Dritter durchgeführt werden können. Über die HOAI können diese Leistungen – so sie denn erbracht wurden – nicht abgerechnet werden.
Der Bauleiter, so das OLG, sei nach dem allgemeinen Sprachverständnis dafür zuständig, zu überwachen, dass die Baumaßnahme entsprechend den öffentlich-rechtlichen Anforderungen durchgeführt wird. Der Objektüberwacher dagegen schuldet eine Ausführung des Objekts gemäß der vertraglichen zivilrechtlichen Vereinbarung mit dem Bauherrn.
Der Architekt ging also leer aus. Da der Bundesgerichtshof (BGH) aktuell eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen hatte, ist die Entscheidung des OLG nun auch rechtskräftig.
Quelle | OLG Frankfurt, Urteil vom 11.5.2023, 22 U 19/22
| Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer nach der Gewerbeordnung (hier: § 108 Abs. 1 S. 1 GewO) bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform erteilen. Diese Verpflichtung kann er grundsätzlich auch dadurch erfüllen, dass er die Abrechnung als elektronisches Dokument zum Abruf in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach einstellt. So hat es jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Klägerin verlangte Abrechnungen in Papierform
Die Klägerin ist im Einzelhandelsbetrieb der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Für den Konzernverbund, dem die Beklagte angehört, regelt die Konzernbetriebsvereinbarung über die Einführung und Anwendung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs vom 7.4.2021, dass alle Personaldokumente, insbesondere Entgeltabrechnungen, über einen externen Anbieter in einem digitalen Mitarbeiterpostfach bereitgestellt werden und von den Beschäftigten über einen passwortgeschützten Online-Zugriff abrufbar sind. Sofern für Beschäftigte keine Möglichkeit besteht, über ein privates Endgerät auf die im digitalen Mitarbeiterpostfach hinterlegten Dokumente zuzugreifen, muss der Arbeitgeber ermöglichen, die Dokumente im Betrieb einzusehen und auszudrucken.
Auf Grundlage der Konzernbetriebsvereinbarung stellte die Beklagte ab März 2022 Entgeltabrechnungen nur noch elektronisch zur Verfügung. Dem widersprach die Klägerin und verlangte, ihr weiterhin Abrechnungen in Papierform zu übersenden.
Landesarbeitsgericht: Entgeltabrechnung war nicht ordnungsgemäß
Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat der Klage, mit der die Klägerin die Erteilung der Entgeltabrechnungen begehrt, stattgegeben. Es hat angenommen, die Entgeltabrechnungen seien ihr durch Einstellen in das Online-Portal nicht ordnungsgemäß erteilt. Bei Entgeltabrechnungen handele es sich um zugangsbedürftige Erklärungen. Ein digitales Mitarbeiterpostfach sei nur dann als Empfangsvorrichtung geeignet, wenn der Empfänger es – anders als die Klägerin im Streitfall – für den Erklärungsempfang im Rechts- und Geschäftsverkehr bestimmt habe.
Bundesarbeitsgericht: Arbeitgeber wahrt Textform
Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das LAG.
Erteilt der Arbeitgeber Entgeltabrechnungen, indem er diese in ein digitales Mitarbeiterpostfach einstellt, wahrt er damit grundsätzlich die von der Gewerbeordnung (hier: § 108 Abs. 1 S. 1 GewO) vorgeschriebene Textform. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abrechnung seines Entgelts ist eine sog. Holschuld, die der Arbeitgeber erfüllen kann, ohne für den Zugang der Abrechnung beim Arbeitnehmer verantwortlich zu sein. Es genügt, dass er die Abrechnung an einer elektronischen Ausgabestelle bereitstellt. Hierbei hat er den berechtigten Interessen der Beschäftigten, die privat nicht über die Möglichkeit eines Online-Zugriffs verfügen, Rechnung zu tragen.
Grundlage: Konzernbetriebsvereinbarung
Die in der Konzernbetriebsvereinbarung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) geregelte digitale Zurverfügungstellung der Entgeltabrechnungen greift nicht unverhältnismäßig in die Rechte der betroffenen Arbeitnehmer ein.
Das BAG war jedoch an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil bisher keine Feststellungen dazu getroffen worden sind, ob Einführung und Betrieb des digitalen Mitarbeiterpostfachs in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats fallen.
Quelle | BAG, Urteil vom 28.1.2025, 9 AZ R 48/24, PM 3/25
| Das Arbeitsgericht (ArbG) Aachen hat entschieden: Die Besonderheiten der Arbeitsleistung eines Profifußballtrainers können zwar die Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Im konkreten Fall scheiterte dies jedoch an dem Schriftformerfordernis. Die Kündigung des Fußballtrainers wegen der fehlenden erforderlichen Lizenz für die nächsthöhere Liga war hingegen gerechtfertigt. |
Das war geschehen
Die Beklagte ist für den Spielbetrieb der 1. Fußballmannschaft zuständig. Der Kläger war zunächst ab Anfang 2022 bei der Beklagten als Sportdirektor beschäftigt. Er ist Inhaber der Trainer-A-Lizenz (Trainerberechtigung für die Fußball-Regionalliga); über eine „Pro-Lizenz“ (Trainerberechtigung für die 3. Liga) verfügt der Kläger nicht. Seit Ende 2022 trainierte er die 1. Fußballmannschaft, die in der Regionalliga spielte. Ende Januar 2023 schlossen die Parteien einen ab 1.1.2023 geltenden, zunächst bis zum 30.6.2024 befristeten, Arbeitsvertrag ab. Der Vertrag enthielt je nach Platzierung eine Verlängerung und verschiedene Prämien.
Die Beklagte stellte den Kläger im August 2023 von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Grundvergütung frei. Mit Abschluss der Saison 2023/2024 stieg die 1. Fußballmannschaft der Beklagten in die 3. Liga auf und gewann den Mittelrheinpokal. Im Juni und Juli 2024 sprach die Beklagte drei ordentliche fristgerechte Kündigungen aus.
Sachgrundbefristung gerechtfertigt
Das ArbG entschied, dass die Sachgrundbefristung eines Profifußballtrainers wegen der Eigenart der Arbeitsleistung grundsätzlich nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (hier: § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG) gerechtfertigt ist. Es sei Aufgabe des Cheftrainers, dafür zu sorgen, dass die Spieler die von ihnen geforderte Spitzenleistungen abrufen. Hierfür sei er als zentraler, prägender Leiter der Mannschaft zuständig. Das Erfordernis, dass die Spieler als Individuum und im Kollektiv Spitzenleistungen erbringen müssten, gebiete es, kurzfristig reagieren zu können, wenn diese Spitzenleistungen nachlassen oder ausbleiben. Ein kurzfristiger Austausch wesentlicher Teile der Mannschaft sei nicht möglich.
Formelle Mängel der Befristung...
Die Befristung des Arbeitsvertrags im vorliegenden Fall sei aus formellen Gründen gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam, da die Leistung der Unterschriften nach Aufnahme der Tätigkeit durch den Kläger erfolgte.
... aber Kündigung wirksam
Demgegenüber sei die Kündigung des Profifußballtrainers wegen des Fehlens der erforderlichen „Pro-Lizenz“ für die 3. Liga wirksam. Der Erwerb der erforderlichen Lizenz liege im Verantwortungsbereich des Trainers. Bis zum Zeitpunkt des Aufstiegs in die 3. Liga habe der Kläger trotz Freistellung einen Anspruch auf Vergütung und die Zahlung der Prämien. Nach Aufstieg in die 3. Liga habe der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung oder Prämien, da er die Voraussetzung für die Tätigkeit als Cheftrainer nicht erfüllt habe.
Quelle | ArbG Aachen, Urteil vom 19.11.2024, 8 Ca 3230/23, PM 1/25
Erbrecht
| Säumniszuschläge werden festgesetzt, wenn die Zahlung nicht pünktlich erfolgt. Nach der Abgabenordnung (hier: § 240 AO) ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen Steuerbetrags zu entrichten, umgerechnet auf das Jahr also 12 %. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass wegen des deutlichen und nachhaltigen Anstiegs der Marktzinsen, der seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 zu verzeichnen ist, jedenfalls seit März 2022 keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Zuschläge bestehen. |
Darüber hinaus hat der BFH in diesem Verfahren Folgendes entschieden: Wenn das Finanzamt zwar Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt, deren Wirkung aber von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig macht, bewirkt die spätere Leistung der Sicherheit im Regelfall, dass die AdV mit (Rück-)Wirkung ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung eintritt und zuvor etwaig entstandene Säumniszuschläge entfallen.
Beachten Sie | Das Finanzamt kann allerdings ausdrücklich anordnen, dass die Wirkung der AdV erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung der Sicherheit beginnt.
Quelle | BFH, Beschluss vom 21.3.2025, X B 21/25 (AdV)
| Eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft steht der Anerkennung einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft grundsätzlich nicht entgegen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Eine Organschaft führt bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dazu, dass nicht mehr die Organgesellschaft ihren Gewinn zu versteuern hat, sondern der Organträger.
Beachten Sie | Die gemäß Körperschaftsteuergesetz (hier: §§ 14 ff. KStG) enthaltenen Regelungen für die Organschaft führen im Ergebnis dazu, dass z. B. in Konzernen die Konzernspitze (als Organträger) die Gewinne sämtlicher Tochtergesellschaften (als Organgesellschaften) zu versteuern hat, aber Verluste und Gewinne der verschiedenen Tochtergesellschaften dabei auch unmittelbar miteinander verrechnet werden können. Insbesondere dieser steuerliche Vorteil hat zu einer weiten Verbreitung der Organschaft in Deutschland geführt.
Das war geschehen
Im Streitfall hatte eine Kommanditgesellschaft (KG) mit einer GmbH einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, um eine Organschaft zu begründen. Danach war die „abhängige“ GmbH als Organgesellschaft verpflichtet, den ganzen von ihr erwirtschafteten Gewinn an die KG als Organträger abzuführen.
Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass an der GmbH als Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung bestand.
Bundesfinanzhof widerspricht Vorinstanzen
Da dem atypisch still Beteiligten ein Anteil von 10 % des Gewinns der GmbH zustand, vertraten das Finanzamt und nachfolgend auch das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern die Auffassung, dass lediglich 90 % des Gewinns an die KG als Organträger abgeführt worden sei, das Gesetz aber die Abführung des ganzen Gewinns fordere. Die Organschaft sei daher insgesamt nicht anzuerkennen. Dem ist der BFH aber nun entgegengetreten.
§ 14 Abs. 1 KStG setzt einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 des Aktiengesetzes (AktG) und die strikte Erfüllung der zivilrechtlichen Vertragspflichten voraus. Was als ganzer Gewinn abzuführen ist, bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Gewinnbeteiligungen, die einem stillen Gesellschafter zustehen, sind im Zivilrecht aber als Geschäftsunkosten vom Gewinn der GmbH abzusetzen. Dies betrifft sowohl die typische als auch die atypisch stille Gesellschaft.
Folglich ist der hiernach verbleibende „Rest-Gewinn“ (im Streitfall also die 90 %) der ganze Gewinn, der an den Organträger abgeführt werden muss. Dass eine (typische oder atypische) stille Beteiligung zivilrechtlich als Teilgewinnabführungsvertrag qualifiziert wird, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.12.2024, I R 33/22, PM 21/25 vom 3.4.2025
| Wenn eine per E-Mail versandte Werklohnrechnung gehackt und unbefugt verändert wird und der Kunde deshalb an einen unbekannten Dritten zahlt, muss er nicht noch einmal an den Werkunternehmer zahlen, wenn dieser die Rechnung ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung versandt hat und deshalb gegen ihn ein Schadenersatzanspruch gemäß Datenschutz-Grundverordnung (hier: Art. 82 DS-GVO) besteht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, erneut ihre Werklohnforderung zu zahlen, nachdem der Betrag wegen einer Manipulation der per E-Mail versandten Rechnung durch kriminell handelnde Dritte dem Konto eines Unbekannten gutgeschrieben wurde.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für die Installation von Haustechnik. Sie führte für die Beklagte Installationsarbeiten durch und rechnete die erbrachten Leistungen ihr gegenüber in drei Abschlagsrechnungen ab. Diese wurden jeweils als Anlage zu einer E-Mail im PDF-Format übersandt. Die ersten zwei Abschlagsrechnungen beglich die Beklagte per Überweisung an die auf den Rechnungen angegebenen Bankverbindungen der Klägerin.
Die dritte Abschlagsrechnung über rund 15.000 Euro, die zugleich die Schlussrechnung war, versandte die Klägerin ebenfalls als Anlage im PDF-Format per E-Mail. Diese Rechnung war jedoch auf ungeklärte Weise durch einen Dritten manipuliert worden, so dass die Beklagte den Rechnungsbetrag auf das Konto des unbekannten Dritten überwies. Auf dem Konto der Klägerin ging deshalb auf die Schlussrechnung keine Zahlung ein.
Keine Erfüllung durch Zahlung an unbekannten Dritten
Das Landgericht (LG) hat die Beklagte deshalb zur erneuten Zahlung verurteilt, weil eine Erfüllung durch die Zahlung an den unbekannten Dritten nicht eingetreten ist. Es hat ausgeführt, dass die Klägerin auch keine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat, sodass die Beklagte keinen Schadenersatzanspruch hat, den sie der Klageforderung gemäß § 242 BGB entgegenhalten kann. Die Klägerin hat nach Auffassung des LG keine Pflichtverletzung begangen, weil die von ihr vorgetragenen Schutzvorkehrungen in Form einer Transportverschlüsselung per SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) über TLS (Transport Layer Security) beim E-Mail-Verkehr mit Vertragspartnern ausreichend sind.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG hat in zweiter Instanz das Urteil des LG geändert und die Klage abgewiesen. Es hat entschieden, dass die Zahlung der Beklagten an einen Dritten zwar keine Erfüllung der Forderung bei der Klägerin bewirkt. Im Gegensatz zum Landgericht hat es jedoch einen Schadenersatzanspruch der Beklagten bejaht, den diese der Werklohnforderung der Klägerin nach § 242 BGB entgegenhalten kann, so dass sie die Forderung nicht noch einmal bezahlen muss.
Dieser Schadenersatzanspruch ergibt sich nach der Entscheidung des OLG aus Art. 82 Abs. 2 DS-GVO, weil die Klägerin im Zuge der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Beklagten bei Versand der streitgegenständlichen E-Mail mit Anhang gegen die Grundsätze der Art. 5, 24 und 32 DS-GVO verstoßen hat. Das OLG hält die Transportverschlüsselung, die beim Versand der streitgegenständlichen E-Mail in Form von SMTP über TLS verwendet worden sein soll, nicht für ausreichend und damit auch nicht als zum Schutz der Daten „geeignet“ im Sinne der DS-GVO.
Das OLG hob hervor, dass heute jedem Unternehmen, das personenbezogene Daten seiner Kunden computertechnisch verarbeitet, bewusst sein muss, dass der Schutz dieser Daten hohe Priorität – auch beim Versenden von E-Mails – genießt. Unternehmen müssen diesen Schutz durch entsprechende Maßnahmen so weit wie möglich gewährleisten.
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unabdingbar
Gerade bei sensiblen oder persönlichen Inhalten ist nach der Entscheidung des OLG nur eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Schutz im Sinne der DS-GVO geeignet, wenn ein hohes finanzielles Risiko durch Verfälschung der angehängten Rechnung für den Kunden besteht. Dass Kunden von Unternehmen bei einem Datenhacking Vermögenseinbußen drohen, ist ein Risiko, das dem Versand von Rechnungen per E-Mail immanent ist und deshalb eine entsprechende Voraussicht und ein proaktives Handeln erfordert. Der dafür erforderliche technische und finanzielle Aufwand kann auch von einem mittelständischen Handwerksbetrieb erwartet werden, wenn es seine Rechnungen nicht per Post versendet.
Quelle | OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.12.2024, 12 U 9/24, PM 1/25
| Wer im Zusammenhang mit seiner kommunalpolitischen Tätigkeit Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder erhält (im Streitfall ein ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats), erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Diese sind im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung zu verbeitragen. Dies hat jedenfalls das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen entschieden. |
Das LSG Nordrhein-Westfalen stellte heraus: Für die Zuordnung von Einnahmen zum Arbeitseinkommen ist die steuerliche Abgrenzung der Einkunftsarten maßgebend. Bei Anlegung dieser Maßstäbe handelt es sich auch bei den Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer kommunalpolitischen Tätigkeit in Gestalt von Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern erzielt werden, um Arbeitseinkommen nach dem Sozialgesetzbuch IV (hier: § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV).
Gegen dieses Urteil ist die Revision beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig.
Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.3.2024, L 5 KR 551/21, Rev. BSG: B 6 a/12 KR 12/24 R
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Die Verwendung von geschlechtsspezifischen Sterbetafeln bei der Bewertung lebenslänglicherNutzungen und Leistungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot. |
Hintergrund: Die Heranziehung geschlechterdifferenzierender Sterbetafeln dient dem Ziel, die Kapitalwerte lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen mit zutreffenden Werten zu erfassen und eine Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.
Da die statistische Lebenserwartung von Männern und Frauen unterschiedlich hoch ist, ermöglichen die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Vervielfältiger genauere und realitätsgerechtere Bewertungsergebnisse als geschlechtsneutrale Vervielfältiger.
Beachten Sie | Die Anwendung der geschlechtsspezifischen Sterbetafeln kann sich für den Steuerpflichtigen je nach Fallkonstellation günstiger oder ungünstiger auswirken und führt nicht per se zu einer Benachteiligung aufgrund des eigenen Geschlechts.
Der BFH musste nicht entscheiden, welche Auswirkungen sich aus dem am 1.11.2024 in Kraft getretenen Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) für die Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen ergeben.
Quelle | BFH, Urteile vom 20.11.2024, II R 38/22, II R 41/22, II R 42/22; PM 23/25 vom 10.4.2025
| Aufwendungen des Steuerpflichtigen für einen Umzug in eine andere Wohnung, um dort (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs(BFH) auch, wenn der Steuerpflichtige – wie in Zeiten der Corona-Pandemie – zwangsweise zum Arbeiten im häuslichen Bereich angehalten ist oder durch die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren sucht. |
Das war geschehen
Eheleute lebten mit ihrer Tochter in einer 3-Zimmer-Wohnung und arbeiteten nur in Ausnahmefällen im Homeoffice. Ab März des Streitjahrs 2020 (zunächst bedingt durch die Corona-Pandemie) arbeiteten sie überwiegend im Homeoffice, dort im Wesentlichen im Wohn-/Esszimmer. Ab Mai 2020 zogen sie in eine 5-Zimmer-Wohnung, in der sie zwei Zimmer als häusliches Arbeitszimmer einrichteten und nutzten.
Den Aufwand für die Nutzung der Arbeitszimmer und die Kosten für den Umzug in die neue Wohnung machten die Eheleute als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte zwar die Aufwendungen für die Arbeitszimmer an, mangels beruflicher Veranlassung lehnte es den Abzug der Kosten für den Umzug jedoch ab.
Demgegenüber bejahte das Finanzgericht (FG) Hamburg den Werbungskostenabzug auch für die Umzugskosten. Der Umzug in die größere Wohnung sei beruflich veranlasst gewesen, da er zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen geführt habe.
Dem folgte der BFH aber (aus Steuerzahlersicht „leider“) nicht und bestätigte die ablehnende Entscheidung des Finanzamts.
Wohnung: privater Lebensbereich
Die Wohnung ist grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Daher zählen die Kosten für einen Wohnungswechsel regelmäßig zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung. Etwas anderes gilt nur, wenn die berufliche Tätigkeit den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel dargestellt hat und private Umstände allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben.
Beachten Sie | Dies ist aber nur aufgrund außerhalb der Wohnung liegender Umstände zu bejahen, etwa wenn
- der Umzug Folge eines Arbeitsplatzwechsels gewesen ist oder
- sich die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit durch den Umzug um mindestens eine Stunde täglich vermindert
Die Möglichkeit, in der neuen Wohnung (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, genügt nicht zur Begründung einer beruflichen Veranlassung des Umzugs. Es fehlt insoweit an einem objektiven Kriterium, das nicht auch durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist.
Die Entscheidung, in der neuen, größeren Wohnung (erstmals) ein Zimmer als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer „Arbeitsecke“ auszuüben, beruht auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatz verfügt oder durch die Arbeit im Homeoffice versucht, das Berufs- und Familienleben zu vereinbaren.
Quelle | BFH, Urteil vom 5.2.2025, VI R 3/23, PM 24/25 vom 17.4.2025
| Ein mit einem Preisgeld dotierter Wissenschaftspreis kann nur dann Arbeitslohn darstellen, wenn er dem Arbeitnehmer für Leistungen verliehen wird, die er gegenüber seinem Dienstherrn erbracht hat. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Fall eines Professors entschieden. |
Der Professor hatte die Habilitationsschriften überwiegend vor der Berufung in das Professorendienstverhältnis verfasst. Der preisbewehrten Habilitation lag zwar eine wissenschaftliche Forschungsleistung zugrunde. Diese gründete aber nicht auf der Forschungstätigkeit als Hochschullehrer. Wissenschaftspreis und Preisgeld stellten sich daher nicht als „Frucht“ dieser Tätigkeit dar.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 12/22
| Kann in Deutschland steuerpflichtigen Personen eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen inder Schweiz gewährt werden? Das Finanzgericht (FG) Köln hält das für möglich und hat sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar mit deutscher und schweizerischer Staatsbürgerschaft wohnte in der Schweiz. Der Ehemann war als Arbeitnehmer in Deutschland tätig und unterhielt hierfür eine Wohnung in Deutschland. Für das gemeinsame Haus in der Schweiz beauftragten die Eheleute verschiedene Handwerks- und Gartenbauarbeiten i. S des Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 a EStG) und begehrten eine Ermäßigung ihrer Einkommensteuer.
Das Finanzamt lehnte dies jedoch ab, weil die Dienstleistungen in der Schweiz ausgeführt wurden (vgl. § 35 a Abs. 4 S. 1 EStG). Hiergegen erhoben die Eheleute erfolgreich Klage.
Freizügigkeitsabkommen
Das FG Köln bezweifelt, ob es mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist, dass die Steuerermäßigung nur für Dienstleistungen beansprucht werden kann, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt ausgeübt oder erbracht werden.
Beachten Sie | Bis zur Entscheidung des EuGH ist das Verfahren ausgesetzt.
Quelle | FG Köln, Beschluss vom 20.2.2025, 7 K 1204/22; PM vom 25.3.2025; EuGH: C-223/25
| Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen, z. B. Sachverständigengutachten, sind in der Regel nicht notwendig und werden daher nicht erstattet. Das ist der Grundsatz, von dem die Rechtsprechung ausgeht. Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme – wie eine Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Senftenberg anschaulich zeigt. |
Schwierige technische Fragestellungen
Ausnahmsweise werden nach dieser Entscheidung die Kosten z. B. für das Einholen eines privaten Sachverständigengutachtens unter anderem als notwendige Kosten anerkannt, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind. Gleiches gilt, wenn aus Sicht des Betroffenen aus einer Anfangsbetrachtung ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre.
Amtsgericht hält Kosten ausnahmsweise für erstattungsfähig
Diese Grundsätze hat das AG in seiner Entscheidung bestätigt. Es hat die Kosten für ein Sachverständigengutachten, mit dem die Messdaten einer Geschwindigkeitsmessung überprüft worden sind, daher als erstattungsfähig angesehen.
Quelle | AG Senftenberg, Urteil vom 28.2.2024, 50 OWi 1617 Js 22408/22
| Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h liegenden Tempo fährt, muss seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten. Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des Navigationssystems kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entschieden. |
Konzentrieren und Gerätebedienen ist gefährlich
Geklagt hatte eine Autovermieterin gegen den Fahrer eines vermieteten Pkw. Der Fahrer war auf der Autobahn verunfallt und hatte den Wagen beschädigt. Während er auf der linken Spur fuhr, bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs bei Tempo 200, um dort Informationen abzurufen. Dabei geriet das Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke.
Mietvertrag sah Kürzung der Haftungsfreistellung vor
Das Gericht verwies auf die Vereinbarung im Mietvertrag. Danach könne die Haftungsfreistellung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt werden. Der Fahrer habe hier grob fahrlässig gehandelt. Die Autovermieterin könne daher die Hälfte des Schadens – ca. 12.000 Euro – bei ihm geltend machen.
Für das Gericht war es dabei unerheblich, dass der Pkw einen sog. Spurhalteassistenten hatte. Zumindest bei derart hohen Geschwindigkeiten reduziere dieser den Schuldvorwurf nicht.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 2.5.2019, 13 U 1296/17
| Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie beschäftigt immer noch die Gerichte. Aktuell hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden: Die Mitglieder einer Fahrgemeinschaft waren auch in der Corona-Hochphase für gegenseitige Ansteckungen nicht verantwortlich zu machen. Eine auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage eines Mitfahrers hat das LG deshalb abgewiesen. |
Im Frühjahr 2022 stieg der Mitfahrer ohne Maske zu seinem Kollegen ins Auto, um gemeinsam zur Arbeit zu fahren. Am Abend desselben Tages schrieb er in die WhatsApp-Gruppe der Fahrgemeinschaft, dass er positiv getestet sei und sich in Quarantäne befinde.
Fahrer behauptete Ansteckung und verlangte Schmerzensgeld
Der schon zuvor an Asthma erkrankte Fahrer behauptete im Prozess, er habe sich während der gemeinsamen Fahrt mit dem Coronavirus infiziert und sei nun dauerhaft arbeitsunfähig („Post-Covid-Syndrom“). Der Mitfahrer schulde ihm daher Schmerzensgeld in Höhe von nicht unter 20.000 Euro, weitere 4.000 Euro Schadenersatz und müsse darüber hinaus für zukünftig auftretende Schäden einstehen.
Landgericht: Reine Gefälligkeit – keine Haftung
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Im Rahmen der wechselseitigen Gefälligkeit einer Fahrgemeinschaft sei bereits unter den Gesichtspunkten eines stillschweigenden Haftungsverzichts und des Handelns auf eigene Gefahr eine gegenseitige Haftung ausgeschlossen. Es sei zudem aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie allgemein bekannt gewesen, dass enger persönlicher Kontakt die Hauptinfektionsquelle darstellte. Obwohl der unter Asthma leidende Fahrer bemerkt habe, dass sein Kollege beim Einsteigen keine Maske trug, habe er ihn nicht gebeten, eine solche aufzusetzen. Er habe sich daher erkennbar trotz seiner Vorerkrankung dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Dass er sich keine Gedanken über einen ungünstigen Verlauf einer Infektion mit möglichen Dauer- und Folgeschäden gemacht habe, rechtfertige keine andere Beurteilung.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 16.12.2024, 7 O 110/24, PM vom 31.1.2025
| Mit der Frage, ob ein 13-jähriges Kind für einen Glasschaden an einem Schaufenster verantwortlich ist, hat sich das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. |
Glasbruch nach Nutzung eines Spielgeräts
Das Kind hatte in der Fußgängerzone von Frankenthal ein festmontiertes Spielgerät in Gestalt einer Drehscheibe genutzt und war beim Absteigen gegen ein daneben befindliches Schaufenster getaumelt. Für den dadurch entstandenen Glasbruch muss das Kind nicht haften, entschied das LG und hat die Klage der Ladenbesitzer abgewiesen.
Der Junge gab an, dass er auf dem Schulweg an dem Spielgerät vorbeigekommen sei. Er habe sich auf das Karussell gestellt, das ein Freund gedreht habe, zunächst langsam, dann immer schneller. Nachdem der Freund die Drehung gestoppt habe, sei er rückwärts gegen die keine drei Meter entfernte Fensterscheibe getaumelt, die daraufhin zerbrochen sei.
Schaden schuldhaft verursacht?
Die Ladenbesitzer warfen dem Jungen vor, den Schaden schuldhaft verursacht zu haben. Er sei bereits zu alt gewesen für das Karussell, zudem habe er sich damit zu schnell gedreht. Die Sturzgefahr und der mögliche Glasbruch seien für ihn erkennbar gewesen.
Landgericht: kein Verschulden des Kindes!
Das LG ging zwar davon aus, dass sich der 13-Jährige der grundsätzlichen Stolpergefahr durchaus bewusst und auch hinreichend einsichtsfähig war. Beides ist erforderlich, damit Minderjährige in diesem Alter überhaupt selbstständig haften. Gleichwohl konnte das LG das für einen Schadenersatzanspruch erforderliche Verschulden des Kindes nicht feststellen. Denn der Junge habe die Drehscheibe bestimmungsgemäß genutzt. Es sei gerade Sinn und Zweck des Karussells, trotz der Drehbewegung die Balance zu halten und der Gefahr des Herunterfallens zu trotzen. Das Kind sei weder zu alt noch zu groß für das Spielgerät gewesen.
Das Gericht hat nicht verkannt, dass die Ladenbesitzer nun auf ihrem Glasschaden sitzen bleiben. Dies resultiert gemäß LG jedoch daraus, dass unsere Rechtsordnung – von einigen hier nicht vorliegenden Sonderfällen abgesehen – dem Prinzip der Verschuldenshaftung folgt.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 29.11.2024, 9 O 27/24, PM vom 19.12.2024
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Bürgergeldempfänger gelten nicht als hilfebedürftig, wenn sie ein (zu) großes Einfamilienhaus gebaut haben und dessen Wert zur Sicherung des Lebensunterhalts nutzen können. |
Familie hatte während Bürgergeldbezug größeres Haus gebaut
Dem Verfahren lag ein Eilantrag einer Familie aus dem Emsland zugrunde. Diese hatte ihr selbstbewohntes Hausgrundstück für 514.000 Euro verkauft, nachdem sie während des Bürgergeldbezugs ein neues Haus gebaut hatte. Aufgrund des erzielten Verkaufserlöses hob der Grundsicherungsträger die Leistungsbewilligung auf.
Demgegenüber vertrat die Familie die Auffassung, das neue Haus sei geschütztes Vermögen und dürfe nicht zur Deckung des Lebensunterhalts herangezogen werden. Zudem berief sie sich auf die gesetzliche Karenzzeit von 12 Monaten, während der auch großzügige Wohnverhältnisse voll finanziert werden müssten.
Landessozialgericht: Familie nicht bedürftig
Das LSG bestätigte die Auffassung der Behörde. Die Familie sei nicht bedürftig, da das neue Hausgrundstück mit 254 m² Wohnfläche und sieben Bewohnern kein geschütztes Vermögen darstelle. Eine Verwertung des Vermögens zur Sicherung des Lebensunterhalts sei durch Beleihung möglich. Bei einem Verkehrswert von 590.000 Euro und einer Grundschuld von 150.000 Euro stehe ein unbelasteter Wert von 440.000 Euro zur Verfügung.
Die Berufung auf die gesetzliche Karenzzeit lehnte das Gericht ebenfalls ab. Die Regelung diene dem Zweck, dass Leistungsempfänger nicht sofort ihr angespartes Vermögen, etwa für die Altersvorsorge, aufbrauchen müssen, wenn sie nur vorübergehend auf Bürgergeld angewiesen sind. Die Karenzzeit solle dabei helfen, plötzliche Härten abzufedern.
Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um eine unerwartete Notlage, sondern um langjährige Leistungsbezieher, die ihre Wohnsituation und ihr Immobilienvermögen optimieren wollten. So habe die Familie als Verkaufsgrund des alten Hauses angegeben, die Entfernung zur Innenstadt sei ihnen zu weit gewesen.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.1.2025, L 11 AS 372/24 B ER, PM vom 20.1.2025
| Der gezahlte Reisepreis kann um 30 Prozent gemindert werden, wenn das Gepäck des Pauschalreisenden beim Hinflug zu spät ausgeliefert wird und deshalb während einer Kreuzfahrt in die Arktis nicht zur Verfügung steht. So entschied es das Landgericht (LG) München II zugunsten der Reisenden. |
Es ging um eine Expeditionsreise
Der Kläger und seine Mutter hatten im Jahr 2023 bei der Beklagten eine elftägige Pauschalreise nach Norwegen mit anschließender Kreuzfahrt „Auf den Spuren der Eisbären“ gebucht. Während des Hinflugs kam es zu einer verspäteten Auslieferung aller Gepäckstücke der Reisenden. Der Kläger und seine Mutter meldeten ihr Gepäck als verloren und erstatteten unverzüglich Schadensanzeige. Vor der Abfahrt des Schiffs kauften sie in Outdoor-Läden in Norwegen das Notwendigste ein. An Bord gab es eine Boutique und einen Wäscheservice. Schuhe und Parka für die Expeditionen an Land wurden gestellt. Die Beklagte erstattete den Reisenden außergerichtlich 25 Prozent vom gezahlten Reisepreis und 1.500 Euro (von 2.306,07 Euro) für die Ersatzbeschaffungen. Vor Gericht machte der Kläger den Restbetrag für die Ersatzbeschaffungen, weitere 15 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und einen „Schadenersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreuden“ geltend.
Landgericht sprach Minderung zu
Das LG sprach dem Kläger eine Minderung in Gesamthöhe von 30 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und für die Ersatzbeschaffungen weitere 516,20 Euro zu; einen Anspruch auf Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wies das LG jedoch ab.
Das LG begründete seine Entscheidung damit, dass das Fehlen von Gepäck mit persönlichen Gegenständen des Reisenden einen Reisemangel darstellt. Weil der Veranstalter jedoch keine besondere Kleiderordnung bei den Mahlzeiten und die Ausrüstung für die Expeditionen zur Verfügung gestellt hatte und es einen Wäscheservice an Bord gab, erachtete das Gericht eine Minderung von 30 Prozent des gezahlten Reisepreises als ausreichend und angemessen.
Bei den Ersatzbeschaffungen (Verbrauchsartikel, Grund- und Funktionsbekleidung) hatte der Reiseveranstalter unter anderem einen Abschlag für Vermögensvorteile vorgenommen, weil die Reisenden die Sachen nach der Rückkehr weiterhin nutzen können. Das Gericht folgte dem Argument der Beklagten nicht, soweit es sich um „Funktionskleidung“ handelte, denn der Kläger und seine Mutter hatten das Gericht davon überzeugt, dass sie die eigens für eine Expedition in die Arktis gekaufte Funktionsbekleidung nicht mehr benötigten. Anders sah es das Gericht bei den Verbrauchsartikeln (Waschmittel, Zahnpasta, etc.) – die Reisenden erhielten ihre Koffer bei der Rückkehr von der Reise zurück und konnten die darin enthaltenen Verbrauchsartikel (weiter) nutzen.
Schadenersatzanspruch abgelehnt
Einen Schadenersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit lehnte das Gericht ab, weil der Kläger und seine Mutter aufgrund der Möglichkeit von Ersatzbeschaffungen in Longyearbyen und an Bord sowie wegen der ihnen zur Verfügung gestellten Ausrüstungsgegenstände (Schuhe, Parka) an der Kreuzfahrt und den Expeditionen an Land teilnehmen konnten, was Sinn undZweck der gebuchten Expeditionsreise war.
Quelle | Landgericht München II, Endurteil vom 10.1.2025, 14 O 2061/24, PM 1/25
| Ein Ehemann kann nach der Trennung von seiner Frau verlangen, die Nutzungsverhältnisse an einem gemeinsamen Haus neu zu ordnen. Das stellte das Oberlandesgericht (OLG) Celle fest. |
Ärzteehepaar trennte sich
Nachdem sich ein Ärzteehepaar getrennt hatte, wollte der Mann in ein gemeinsames Haus des Paares ziehen. Doch dort wohnte seine Schwiegermutter. In der ihr allein gehörenden Ehewohnung lebte die Frau mit den gemeinsamen Kindern. Der Mann schlief zunächst in seiner Praxis, dann bei Bekannten. Schließlich wohnte er zur Untermiete.
Den Eheleuten gehörte aber hälftig noch das von der Schwiegermutter bewohnte Einfamilienhaus mit Garten. Dieser wollte der Mann wegen Eigenbedarf kündigen. Dazu war die Mitwirkung seiner Ehefrau erforderlich. Das lehnte sie ab. Sie meinte, der Mann wolle sie nur zwingen, ihrer Mutter zu kündigen. Auch habe er noch ein weiteres Haus. Der Mann klagte.
Amtsgericht: Eigenbedarf nicht genügend dargelegt
Das Amtsgericht (AG) wies seine Klage ab. Der Mann habe den Eigenbedarf nicht hinreichend dargelegt. Da die Schwiegermutter eine nahe Angehörige sei, könne ihre Tochter selbst Eigenbedarf anmelden. So zog der Mann vor das OLG.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG gab dem Mann Recht. Ihm sei seit der Trennung ein Festhalten am Mietverhältnis nicht länger zuzumuten. Auch habe er seinen Eigenbedarf ausreichend dargelegt. Er hatte vorgetragen, dass sein jetziges Mietverhältnis nur befristet war. Ein ständiges Wohnen in der Praxis sei ihm nicht zuzumuten. Ein Umzug in das andere Haus sei ihm ebenfalls nicht zuzumuten, da dieses noch ein Rohbau sei und er auch kein Geld für einen Umzug habe. Nach all dem sah das OLG den geltend gemachten Eigenbedarf nicht als „offensichtlich aussichtslos“ an. Vor allem sei die Frau in der Lage, ihre Mutter in der Ehewohnung und einer nicht genutzten Einliegerwohnung aufzunehmen.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 19.2.2025, 21 UF 237/24
| Wer einen überschuldeten Nachlass erbt, kann innerhalb einer Frist von sechs Wochen das Erbe ausschlagen. Sonst gilt die Erbschaft als angenommen und er haftet für die dem Nachlass zuzuordnenden Schulden. War dem Erben nicht bekannt, dass der Nachlass überschuldet ist, kann noch die Anfechtung wegen Irrtums helfen. Mit den Voraussetzungen dafür hat sich jetzt das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. Es hat entschieden, dass der als Erbe eingesetzte Sohn eines Verstorbenen nicht für die Beerdigungskosten aufkommen muss, weil er die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten hat. |
Witwe verlangte Bestattungskosten von Sohn des Verstorbenen
Der Verstorbene hatte seinen Sohn aus erster Ehe testamentarisch zu seinem Erben bestimmt. Die beiden pflegten zuletzt keinen Kontakt mehr zueinander. Nach dem Tod übernahm zunächst die Witwe die Bestattungskosten von rund 7.500 Euro und wollte diese vom Sohn erstattet haben, da dieser die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte. Daraufhin erklärte der Sohn die Anfechtung der Erbschaftsannahme. Er habe nicht gewusst, dass die Bestattungskosten zu den Nachlassverbindlichkeiten gehörten und der Nachlass damit überschuldet sei.
Irrtum über die Beerdigungskosten
Dieser Argumentation hat sich das LG angeschlossen. Der Sohn habe die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten und müsse daher nicht für die Beerdigungskosten aufkommen. Die Anfechtung wegen unerkannter Überschuldung eines Nachlasses sei ein in der Rechtsprechung anerkannter Anfechtungsgrund. Sie setze voraus, dass der Anfechtende eine wesentliche Forderung gegen den Nachlass irrtümlich übersieht. Hier seien die Bestattungskosten eine wesentliche Forderung, da der Nachlass überschuldet sei, wenn man sie berücksichtige. Es sei auch glaubhaft, dass sich der Sohn über die Beerdigungskosten geirrt habe. Denn die Witwe habe ihm noch zu Lebzeiten des Vaters mitgeteilt, für die Beerdigung könne der Erlös aus dem Verkauf eines Pkw verwendet werden. Daher durfte der Sohn davon ausgehen, als Erbe seines Vaters nicht für die Bestattung aufkommen zu müssen, so die Kammer. Wenn kein Erbe in Anspruch genommen werden kann, muss die Witwe als Ehefrau nach den Vorschriften des Landesrechts selbst für die Beerdigungskosten aufkommen, so das LG.
Quelle | Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 27.2.2025, 8 O 189/24, PM vom 31.3.2025
| Die Kosten eines Vaterschaftsanerkennungsverfahrens können zwischen dem im Verfahren ermittelten biologischen Vater und der Mutter hälftig geteilt werden. Weder der Umstand, dass der Vater nicht bereits auf Basis eines Privatgutachtens zur Anerkennung der Vaterschaft bereit war, noch, dass er nach Angaben der Mutter der einzige Verkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit war, rechtfertigen eine alleinige Kostenlast des Vaters. So entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |
Streit um Kosten
Die Beteiligten streiten über die Kosten eines Abstammungsverfahrens. Die Mutter des Kindes hatte angegeben, mit dem sog. Putativvater (also dem, der als möglicher Vater in Betracht kommt) in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehrs gehabt zu haben. Ein außergerichtlicher Vaterschaftstest hatte diesen als Vater festgestellt. Das Kind begehrte daraufhin, die Vaterschaft des Putativvaters gerichtlich festzustellen. Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens stellte das Amtsgericht (AG) die biologische Vaterschaft des Putativvaters fest und legte die Verfahrenskosten hälftig der Mutter und dem nun festgestellten Vater auf.
So sah es das Oberlandesgericht
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Mutter gegen die Auferlegung der Hälfte der Kosten. Dies hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das AG habe im Ergebnis zutreffend die Kosten nach billigem Ermessen zwischen der Kindesmutter und dem Kindesvater hälftig geteilt, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Bei einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren handele es sich nicht um ein echtes Streitverfahren. Neben dem Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens könnten deshalb weitere Umstände von Bedeutung sein. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten sei allerdings regelmäßig unbillig, da es selbst nicht zur Unsicherheit an der Vaterschaft beigetragen habe.
Hier sei es nicht angemessen, dem Vater die alleinigen Kosten aufzuerlegen. Er habe insbesondere nicht „grob schuldhaft“ das Verfahren veranlasst. Ihm sei es vielmehr nicht zumutbar gewesen, die Vaterschaft bereits außergerichtlich ohne gutachterliche Klärung der biologischen Abstammung durch Sachverständigengutachten anzuerkennen. Allein die Angabe der Mutter, sie habe in der Empfängniszeit nur mit dem Vater verkehrt, genüge zur Begründung eines groben Verschuldens nicht. Vielmehr habe der Vater berechtigte Zweifel ans einer Vaterschaft haben dürfen. Unwidersprochen habe er mit der Kindesmutter in der Empfängniszeit keine Beziehung geführt und auch nicht mit ihr zusammengelebt. Damit hätten ihm konkrete Einblicke in die Lebensverhältnisse der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit gefehlt. Für ihn habe damit auch keine Möglichkeit bestanden, abzuschätzen oder zu beurteilen, ob die Mutter des Kindes zu weiteren Männern eine intime Beziehung unterhalten habe.
Außergerichtlicher Vaterschaftstest schließt gerichtliche Überprüfung nicht aus
Auf den bereits außergerichtlich durchgeführten Vaterschaftstest habe er sich nicht verlassen müssen. Er könne vielmehr geltend machen, dass er angesichts der hohen rechtlichen Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Abstammungsgutachtens eine gerichtliche Überprüfung wünsche. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass „beide Eltern das Verfahren über eine Entscheidung über die Abstammung dadurch gleichermaßen veranlasst haben, dass sie innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben. Damit erscheint es in der Regel auch gerechtfertigt, die Kosten eines solchen Verfahrens gleichmäßig auf beide Eltern zu verteilen“, unterstrich das OLG.
Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 13.1.2025, 6 WF 155/24, PM 4/25
| Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung ist so zu verstehen, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, sofern diese nicht bereits von Dritten erbracht und dem Architekten zur Verfügung gestellt wurden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden. |
Ein Architekt war mündlich damit beauftragt worden, die Baugenehmigung für die Erweiterung eines Gasthofs einzuholen. Damit war klar, dass er die Leistungsphase 4 im Leistungsbild Gebäude und Innenräume sowie Tragwerksplanung erbringen musste. Da er vom Auftraggeber nur Bestandszeichnungen erhalten hatte, die nicht an eine Vor- oder Entwurfsplanung heranreichten, verlangte er auch das Honorar für diese notwendigen Leistungen. Der Auftraggeber weigerte sich. Er meinte, er habe nur die Genehmigungsplanung beauftragt.
Das OLG gab dem Architekten Recht und sprach ihm das Honorar für die Leistungsphasen 1 bis 4 zu. Es komme nicht auf die Regelungen der HOAI, sondern auf den Inhalt des konkreten Auftrags an. Nicht entscheidend sei, ob die Parteien einen schriftlichen oder mündlichen Vertrag geschlossen, sondern was sie tatsächlich vereinbart haben. Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung müsse dann so verstanden werden, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, da diese notwendige Voraussetzung für die Erstellung der Genehmigungsplanung ist. Etwas anderes gelte nur, wenn die vorangehenden Planungsleistungen bereits von Dritten erbracht wurden und dem Architekten zur Verfügung gestellt werden.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2022, 4 U 142/20
| Beauftragt ein Bauträger einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt vom Architekten nur die Überprüfung einzelner Maße, übernimmt der Bauträger das mit der begrenzten Überprüfung verbundene Risiko selbst. Er kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin als Bauträgerin machte gegen den beklagten Architekten im Wege einer Schadenersatzklage i. H. v. 100.000 Euro wegen mangelhafter Architektenleistungen bei der Planung einer Wohnungseigentumsanlage geltend. Die Klägerin ist der Auffassung, die die Pläne des Vermessungsingenieurs überarbeitende Wohnflächenberechnung des Beklagten für bestimmte Bestandsgebäude habe eine zu geringe Wohnfläche ausgewiesen. Der Beklagte habe zugesichert, dass die Abweichungen der Wohnflächen von den Bestandsplänen des Vermessers unter einem Prozent lägen, tatsächlich gebe es Abweichungen bis zu 8%. Zahlreiche Wohnungen seien daher mit zu geringer Flächenangabe verkauft worden und deshalb sei ein Mindererlös entstanden.
Der Beklagte bestreitet eine fehlerhafte Flächenermittlung, die sich ohnehin nur auf die örtliche Überprüfung der Maße aus den Bestandsplänen des Vermessers hinsichtlich der für die Werkplanung entscheidenden Stellen bezogen habe. Ein Auftrag zu einer kompletten Neuvermessung des Bestands sei gerade nicht erteilt worden.
Zudem meint die Klägerin, der Beklagte habe bei der Grundlagenermittlung übersehen, dass die Geschossdecken in einem Bestandsgebäude Betonhohlkörperdecken waren, die einen unerwartet hohen Sanierungsaufwand erforderten, und es versäumt, vor Baubeginn die Fundamente an der Seite zu einem anderen Grundstück zu überprüfen. Infolge dieser Planungsfehler hätten sich die Baukosten für das Bestandsgebäude deutlich erhöht. Die Umbaukosten beliefen sich somit auf mindestens 950.000 Euro. Ein vollständiger Abriss und Neubau hätte dagegen (nur) 752.499 Euro gekostet und wäre im Vergleich zu den tatsächlich entstandenen Kosten günstiger gewesen. Bei erzielbaren Verkaufserlösen abzüglich der Kosten für Abriss/Neubau hätte sich bei einem Neubau ein hoher sechsstelliger Überschuss ergeben. Der tatsächliche Überschuss durch den Umbau habe lediglich 107.000 Euro betragen.
Der Beklagte trägt hierzu vor, ihm sei vom Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt worden, dass es sich bei sämtlichen Bestandsdecken um Stahlbetonrippendecken handele. Eine Pflicht zur Überprüfung dieser Tatsache habe es nicht gegeben. Zudem habe sich die Klägerin in Kenntnis der Mehrkosten für eine Sanierung und gegen einen Abriss entschieden. Hinsichtlich des Fundaments sei die Klägerin bereits vor Beauftragung des Beklagten in Kenntnis gesetzt worden, dass dessen Tragfähigkeit ein Risiko darstelle. Sie habe dennoch entschieden, das Fundament erst im Zuge der Aushubarbeiten zu untersuchen, um Kosten einzusparen.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG stellte klar: Wie bei einem Bauvertrag kann auch zwischen einem Architekten und seinem Auftraggeber eine von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichende Ausführung vereinbart werden, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen.
Beauftragt eine Bauträgerin einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt sie vom Architekten, einzelne Maße zu überprüfen, übernimmt die Bauträgerin sehenden Auges das mit der begrenzten Überprüfung der Maße verbundene Risiko und kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Weist der Architekt seinen Auftraggeber darauf hin, dass die zu planende Wohnung ohne Sonnenschutz nicht funktioniert, muss der Auftraggeber erkennen, dass bei Umsetzung der Planung eine im Hinblick auf den Wärmeschutz nicht ausreichend funktionstüchtige Wohnung errichtet wird, und es bedarf keines weiteren Hinweises, dass dann (auch) die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten sind.
Macht der Auftraggeber eines Architekten geltend, dass er im Fall einer mangelfreien Beratung von der Sanierung eines Gebäudes abgesehen und einen profitableren Neubau errichtet hätte, schafft der Auftraggeber für eine Schadensschätzung bzw. Begutachtung nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn er nachvollziehbar darlegt, welches Gebäude mit welchen Eigenschaften er statt der Sanierung errichtet hätte.
Macht ein Auftraggeber geltend, bei einem mangelfreien Architektenwerk hätte er die zu errichtenden Wohnungen teurer verkaufen können, ist ein Schaden nur schlüssig dargelegt, wenn die Kalkulationsgrundlagen für den erzielten und den geltend gemachten Kaufpreis offengelegt werden und nachvollziehbar vorgetragen wird, dass ein höherer Kaufpreis am Markt hätte durchgesetzt werden können.
Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 17.12.2024, 10 U 38/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Aachen hat die Klage eines Realschullehrers auf Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Festsetzung von Erfahrungsstufen und mithin auf eine höhere Besoldung abgewiesen. |
Eine Tätigkeit als Anbieter von Cocktailkursen ist für die Tätigkeit als verbeamteter Lehrer nicht förderlich im besoldungsrechtlichen Sinne. Eine Tätigkeit ist allgemein förderlich, wenn sie für die Dienstausübung des Beamten nützlich bzw. von konkretem Interesse ist, d. h. wenn diese entweder erst aufgrund der früher gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht oder wenn sie jedenfalls erleichtert und verbessert wird.
Ausgehend hiervon kann die Tätigkeit als Betreiber einer Gesellschaft, die Cocktailkurse und Barcatering anbietet – auch wenn diese Tätigkeit über mehrere Jahre ausgeübt wurde – nicht als förderlich angesehen werden. Das Halten von Cocktailkursen ist weder qualitativ noch quantitativ mit der Tätigkeit eines Realschullehrers vergleichbar. So hat der Kläger im Rahmen seiner Cocktailschule insbesondere nicht mit Minderjährigen gearbeitet, sondern deren Angebot zielte auf die Schulung von Mitarbeitern aus dem Hotel-, Restaurant- und Cateringgewerbe. Auch sind die Anforderungen an die Erstellung eines Cocktailkurses nicht mit der Erstellung eines differenzierten Lehrplans für Schulunterricht in den Schulklassen 5 bis 10 vergleichbar.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 20.1.2025, 1 K 2377/23, PM vom 3.2.2025
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Ein Beschäftigungsverhältnis wird erst ab dem Beginn der Entgeltfortzahlung und nicht schon mit Abschluss des Arbeitsvertrags begründet. |
Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankgemeldet
Geklagt hatte ein 36-jähriger Arbeitsloser, dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld Ende Oktober 2023 auslief. Anfang Oktober unterschrieb der Mann einen Arbeitsvertrag als Lagerist bei einem Reinigungsunternehmen zu einem Monatslohn von 3.000 Euro brutto. Er trat die Arbeit jedoch nie an, da er sich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankmeldete. Zwei Wochen später kündigte die Firma innerhalb der Probezeit.
Krankenkasse zahlte kein Krankengeld
Die Krankenkasse des Mannes lehnte daraufhin die Zahlung von Krankengeld ab. Begründung: Es habe kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, da der Mann kein Einkommen erzielt habe.
Der Mann verklagte das Unternehmen und verlangte die Anmeldung zur Sozialversicherung ab dem Beginn des Arbeitsvertrags. Er vertrat dazu die Auffassung, dass bereits durch einen rechtsgültigen Vertrag, der eine Entgeltzahlung vorsehe, ein Beschäftigungsverhältnis zustande komme. Dies müsse auch gelten, wenn ihm der Arbeitsantritt krankheitsbedingt nicht möglich sei. Andernfalls würde er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit leer ausgehen.
Landessozialgericht gab Krankenkasse Recht
Das LSG vermochte sich der Rechtsauffassung des Klägers nicht anzuschließen. Der Arbeitgeber müsse ihn nicht zur Sozialversicherung anmelden, da ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht schon mit dem Beginn des Arbeitsvertrags entstanden sei. Erforderlich sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe. Dieser Anspruch entstehe jedoch bei neuen Arbeitsverhältnissen generell erst nach einer vierwöchigen Wartezeit.
Wartezeit war ohnehin nicht erfüllt
Diese gesetzliche Regelung solle verhindern, dass Arbeitgeber die Kosten der Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer tragen müssen, die direkt nach der Einstellung erkrankten. Der Gesetzgeber habe eine solche Konsequenz als unbillig angesehen.
Unabhängig davon müsse der Mann sich erst an seine Krankenkasse wenden, bevor er seinen Arbeitgeber verklage.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.1.2025, L16 KR 61/24
| Berufsgeheimnisträger können in ihrem Fahrtenbuch Schwärzungen vornehmen, soweit diese Schwärzungen erforderlich sind, um die Identitäten von Mandanten zu schützen. Diese Berechtigung ändert aber nichts an der grundsätzlichen Beweislastverteilung. Gegebenenfalls muss der Berufsträger substanziiert und nachvollziehbar darlegen, weshalb Schwärzungen in dem Umfang erforderlich waren und die berufliche Veranlassung der Fahrten durch ergänzende Angaben darlegen. So lautet eine Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Hamburg, gegen die die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig ist. |
Der Rechtsanwalt hatte die Eintragungen in der Spalte „Grund der Fahrt/besuchte Personen“– mit drei Ausnahmen – bei allen beruflichen Fahrten geschwärzt. Das war dem FG zu viel. Die Richter fanden es ungewöhnlich, dass ein Anwalt bei nahezu jeder geschäftlichen Fahrt geheimhaltungsbedürftige Daten in sein Fahrtenbuch einträgt. In der vorgelegten Form wurde das Fahrtenbuch deshalb nicht anerkannt.
Quelle | FG Hamburg, Urteil vom 13.11.2024, 3 K 111/21, Rev. BFH, VIII R 35/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Der sonntägliche Verkauf von Dekorationsartikeln und Christbaumschmuck in einem Gartenmarkt verstößt nicht gegen das Ladenöffnungsgesetz Nordrhein-Westfalen. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte betreibt Gartenmärkte in Nordrhein-Westfalen und verkaufte dort an einem Sonntag im November des Jahres 2022 neben Blumen und Pflanzen auch Dekorationsartikel und Christbaumschmuck. Die Klägerin hält dies für unlauter und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
So sahen es die Vorinstanzen
Das Landgericht (LG) hat die Klage mit Blick auf das von der Klägerin begehrte Verbot des Verkaufs von künstlichen Tannenzweigen, Motivanhängern, Zimtstangen und Glaskugeln abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsantrag weiter.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der sonntägliche Verkauf der in Rede stehenden Waren stellt keinen Wettbewerbsverstoß dar, weil sie dem Randsortiment zuzurechnen sind. Ihr Verkauf ist deshalb nach dem Ladenöffnungsgesetz Nordrhein-Westfalen (LÖG NW) an Sonn- und Feiertagen zulässig. Als kleinteilige Accessoires zu den von der Beklagten hauptsächlich angebotenen Blumen und Pflanzen haben Dekorationsartikel und Christbaumschmuck lediglich ergänzenden, in Umfang und Gewichtigkeit deutlich untergeordneten Charakter.
Die Zugehörigkeit von Waren zum Randsortiment richtet sich nach ihrer hauptsächlichen Zweckbestimmung und nicht nach ihrer darüber hinaus möglichen Nutzung. Zudem muss das Randsortiment – anders als das Kernsortiment – nicht zum sofortigen Ge- oder Verbrauch bestimmt sein. Auch ist nicht erforderlich, dass Waren des Randsortiments gleichzeitig oder kombiniert mit Waren des Kernsortiments erworben werden. Es stellt keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß dem Grundgesetz (hier: Art. 3 Abs. 1 GG) dar, dass das Randsortiment nur in den aufgrund ihres Kernsortiments privilegierten Verkaufsstellen sonn- und feiertags verkauft werden darf, in sonstigen Verkaufsstellen aber nicht. Die Differenzierung danach, ob das Kernsortiment den typischerweise an Sonn- und Feiertagen anfallenden Bedarf befriedigt, ist sachlich gerechtfertigt.
Quelle | BGH, Urteil vom 5.12.2024, I ZR 38/24, PM Nr. 230/24
| Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde die nationale Kleinunternehmerregelung mit Wirkung ab dem Jahr 2025 reformiert. Zudem kann die Kleinunternehmerregelung nun auch erstmalig im EU-Ausland in Anspruch genommen werden. Infolge der gesetzlichen Neuregelungen hat das Bundesfinanzministerium (BMF) ein Anwendungsschreiben veröffentlicht und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass entsprechend angepasst und ergänzt. |
„Echte“ Befreiung
Durch die Neuregelung sind von inländischen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze von der Umsatzsteuer nun befreit (zuvor wurde die Umsatzsteuer „nicht erhoben“). Die Folge ist, dass ein dennoch in einer Rechnung ausgewiesener Steuerbetrag unter den Voraussetzungen des Umsatzsteuergesetzes (hier § 14 c Abs. 1 UStG: „unrichtiger Steuerausweis“) geschuldet wird.
Rechnungen an Endverbraucher ausgenommen
Allerdings entsteht keine Umsatzsteuer, wenn der Kleinunternehmer eine Leistung (Lieferung oder sonstige Leistung) ausführt und hierüber eine Rechnung mit einem unrichtigen Steuerausweis an einen Endverbraucher stellt.
Bindend: Fünfjahresfrist
Zudem führt das BMF Folgendes aus: Ein vor 2025 erklärter Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung bindet den Unternehmer auch für die Zeit nach dem 1.1.2025 weiterhin für insgesamt mindestens fünf Kalenderjahre (§ 19 Abs. 3 S. 3 UStG).
Beachten Sie | Die Fünfjahresfrist ist vom Beginn des ersten Kalenderjahres an zu berechnen, für das die abgegebene Erklärung gilt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 18.3.2025, III C 3 - S 7360/00027/044/105
| Ein als Zahnarzt zugelassener Mitunternehmer übt im Rahmen eines Zusammenschlusses von Berufsträgern den freien Beruf selbst aus, wenn er neben einer ggf. äußerst geringfügigen behandelnden Tätigkeit vor allem und weit überwiegend organisatorische und administrative Leistungen für den Praxisbetrieb der Mitunternehmerschaft erbringt. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Ärzte und Zahnärzte erzielen aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 18 EStG). Dies gilt grundsätzlich auch bei einer Gemeinschaftspraxis.
Allerdings kann es Konstellationen geben, in denen die Einkünfte der Gesellschaft als gewerbliche Einkünfte (nach § 15 EStG) einzustufen sind – mit der Konsequenz der Gewerbesteuerpflicht. Und darum ging es in folgendem Fall:
Das war geschehen
Eine Partnerschaftsgesellschaft betreibt eine Zahnarztpraxis. Einem ihrer Seniorpartner oblag die kaufmännische Führung und die Organisation der ärztlichen Tätigkeit des Praxisbetriebs (z. B. Vertretung gegenüber Behörden und Kammern, Personalangelegenheiten, Instandhaltung der zahnärztlichen Gerätschaften).
Zahnarzt hatte im Jahr fünf Patienten
Der Seniorpartner war weder „am Stuhl“ behandelnd tätig noch in die praktische zahnärztliche Arbeit der Mitsozien und der angestellten Zahnärzte eingebunden. Er beriet im Streitjahr fünf Patienten konsiliarisch und generierte hieraus einen geringfügigen Umsatz.
Das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz stuften die Einkünfte der gesamten Gesellschaft als gewerblich ein. Dem folgte der BFH allerdings nicht: Alle Mitunternehmer erzielen Einkünfte aus freiberuflicher und damit selbstständiger Arbeit.
Die freiberufliche Tätigkeit ist durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Berufsträgers geprägt. Daher reicht die bloße Zugehörigkeit eines Gesellschafters zu einem freiberuflichen Katalogberuf nicht aus. Vielmehr muss positiv festgestellt werden können, dass jeder Gesellschafter die Hauptmerkmale des freien Berufs in seiner Person tatsächlich verwirklicht hat, also
- die persönliche Berufsqualifikation sowie
- das untrennbar damit verbundene aktive Entfalten dieser Qualifikation am Markt.
Die persönliche Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit im vorgenannten Sinne setzt allerdings nicht voraus, dass jeder Gesellschafter in allen Unternehmensbereichen leitend und eigenverantwortlich tätig ist und an jedem Auftrag mitarbeitet. Die eigene freiberufliche Betätigung eines Mitunternehmers kann auch in Form der Mit- und Zusammenarbeit stattfinden.
Beachten Sie | Einen Mindestumfang für die nach außen gerichtete qualifizierte Tätigkeit sieht das Gesetz nicht vor.
Eine freiberufliche zahnärztliche Tätigkeit ist demzufolge vorliegend anzunehmen. Auch in diesem Fall entfaltet der Berufsträger Tätigkeiten, die zum Berufsbild des Zahnarztes gehören.
Bundesfinanzhof: Führung und Organisation ist Grundlage für freiberufliche Tätigkeit
Beachten Sie | In diesem Zusammenhang stellte der BFH Folgendes heraus: Die kaufmännische Führung und Organisation der Personengesellschaft ist die Grundlage für die Ausübung der am Markt erbrachten berufstypischen zahnärztlichen Leistungen. Sie ist demzufolge auch Ausdruck seiner freiberuflichen Mit- und Zusammenarbeit sowie seiner persönlichen Teilnahme an der praktischen Arbeit.
Quelle | BFH, Urteil vom 4.2.2025, VIII R 4/22, PM 19/25 vom 27.3.2025
| Ein vermietetes Wohngebäude abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen, wird nicht durch die sogenannte Wohnraumoffensive steuerlich gefördert. Eine Sonderabschreibung gemäß Einkommensteuergesetz (hier: § 7 b Abs.1 EStG) ist nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) Köln nicht möglich. Allerdings haben die Steuerpflichtigen Revision eingelegt. |
Hintergrund: Für die Anschaffung oder Herstellung neuer Wohnungen können im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden drei Jahren Sonderabschreibungen bis zu jährlich 5 % der Bemessungsgrundlage neben der regulären Abschreibung in Anspruch genommen werden. Einige Voraussetzungen für die Sonderabschreibung im Überblick:
Baukostenobergrenze
- Bauantrag/-anzeige nach 31.8.2018 und vor 1.1.2022:
Anschaffungs-/Herstellungskosten max. 3.000 Euro pro qm Wohnfläche
- Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029:
Anschaffungs-/Herstellungkosten max. 5.200 Euro pro qm Wohnfläche
Maximal förderfähig Bemessungsgrundlage
- Bauantrag/-anzeige nach 31.8.2018 und vor 1.1.2022:
2.000 Euro pro qm Wohnfläche
- Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029:
4.000 Euro pro qm Wohnfläche
Energieeffizienz
Bei Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029: Effizienzvorgaben („Effizienzhaus 40“) beachten.
Das war geschehen
Die Steuerpflichtigen waren Eigentümer eines vermieteten Einfamilienhauses und entschieden sich gegen die aus ihrer Sicht unwirtschaftliche Sanierung des Gebäudes auf einen zukunftsfähigen Standard. Stattdessen ließen sie das alte Gebäude abreißen und errichteten auf demselben Grundstück ein neues Einfamilienhaus. Den Ende 2020 fertiggestellten Neubau wollten sie wieder als Wohnraum vermieten. Das Finanzamt versagte die Förderung für Mietwohnungsneubau (Sonderabschreibung) gemäß der Wohnraumoffensive von Bund, Ländern und Gemeinden aus dem Jahr 2019. Hiergegen zogen die Steuerpflichtigen vor das FG Köln – ohne Erfolg.
Das FG hob hervor, dass die Steuerpflichtigen keinen zusätzlichen Wohnraum geschaffen haben. Die Wohnraumoffensive zielt darauf ab, dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum durch die Förderung von Neu- und Umbaumaßnahmen entgegenzuwirken. Voraussetzung für die Förderung ist deshalb, dass nach einer solchen Maßnahme insgesamt mehr Wohnraum zur Verfügung steht als zuvor. Der von den Steuerpflichtigen angeführte bessere Ausbau- und Energiestandard änderte nichts an dieser Beurteilung.
„Wohnraumoffensive“ galt noch nicht
Unerheblich war auch, dass der Gesetzgeber für spätere Zeiträume eine zusätzliche Förderung für energetische Neubauten geschaffen hat. Denn diese Förderung war im Streitjahr 2020 noch nicht anwendbar. Das Vorgehen der Steuerpflichtigen war eher mit einer Sanierung vergleichbar, die nicht vom Förderzweck der Wohnraumoffensive umfasst ist.
Quelle | FG Köln, Urteil vom 12.9.2024, 1 K 2206/21, Rev. BFH, IX R 24/24
| Zahlungen für den vorzeitigen Rückfall eines Erbbaurechts (sogenannter Heimfall) stellen steuerpflichtige Einkünfte dar, wenn sie als Ersatz für entgehende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gewährt werden und damit Entschädigungen i. S. des Einkommensteuergesetzes (hier: § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) darstellen. Das Finanzgericht (FG) Hessen bestätigte damit die Ansicht der Finanzverwaltung, wonach solche Entschädigungszahlungen nicht als sonstige Einkünfte, sondern als Einkünfte aus der Nutzung von unbeweglichem Vermögen zu qualifizieren sind. |
Beachten Sie | Die Klägerseite hatte den Vorgang demgegenüber als Rückkauf des Erbbaurechts und die „Entschädigung“ als Entgelt für die Substanzübertragung eingestuft. Wegen des Ablaufs der 10-Jahresfrist (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG) komme eine Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft nicht mehr in Betracht.
Das FG sah das anders. Dass eine Drucksituation des Steuerpflichtigen bei Vertragsschluss nicht erkennbar war, änderte daran nichts. Da die Revision anhängig ist, wird nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden müssen.
Quelle | FG Hessen, Urteil vom 22.2.2024, 10 K 436/22, Rev. BFH, IX R 9/24
| Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit den Bundesländern Vorgaben zu den ertragsteuerrechtlichen Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten bei Kryptowerten (z. B. Bitcoin) erarbeitet. Die neuen Vorgaben ersetzen das bisherige Schreiben aus dem Jahr 2022. Zu diesem Anlass wurde die bisherige Formulierung „virtuelle Währungen und sonstige Token“ durch die Bezeichnung „Kryptowerte“ ersetzt. |
Beachten Sie | Tätigkeiten im Zusammenhang mit Kryptowerten können zu Einkünften aus allen Einkunftsarten (z. B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen) führen.
Nach Rz. 53 des Schreibens ist Folgendes zu beachten: Gewinne aus dem Verkauf von im Privatvermögen gehaltenen Kryptowerten können Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften darstellen, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Gewinne bleiben indes steuerfrei, wenn die Summe der aus allen privaten Veräußerungsgeschäften im Kalenderjahr erzielten Gewinne weniger als 1.000 Euro beträgt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 6.3.2025, IV C 1 - S 2256/00042/064/043
| Zur Ermittlung der tatsächlichen Kosten für sonstige berufliche Fahrten nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 a S. 1 EStG) ist eine Leasingsonderzahlung den einzelnen Veranlagungszeiträumen während der Laufzeit des Leasingvertrags zuzuordnen. Mit dieser Entscheidung hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine bisherige Rechtsprechung geändert. Denn bis dato war die Leasingsonderzahlung grundsätzlich im Zeitpunkt der Zahlung zu berücksichtigen. Und auch andere (Voraus-)Zahlungen, die sich wirtschaftlich auf die Dauer des Leasingvertrags erstrecken, sind periodengerecht auf die einzelnen Veranlagungszeiträume während der Laufzeit des Leasingvertrags zu verteilen. |
Hintergrund: Arbeitnehmer können die Kosten für beruflich veranlasste Fahrten, die keine Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie keine Familienheimfahrten sind, bei Nutzung eines eigenen Pkw als Werbungskosten ansetzen. Dabei besteht ein Wahlrecht: Ansatz der Fahrtkosten mit einer Pauschale von 0,30 Euro/km oder Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen.
Sollen die tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden, muss ein individueller Kilometersatz ermittelt werden, wobei die gesamten Fahrzeugkosten zu berücksichtigen sind.
Beachten Sie | Zu den Gesamtkosten gehören die Kosten, die unmittelbar dem Halten und dem Betrieb des Kfz dienen und im Zusammenhang mit dessen Nutzung typischerweise entstehen. Dazu rechnen vor allem die Kosten für Betriebsstoffe, Wartung und Reparaturen sowie die regelmäßig wiederkehrenden festen Kosten, etwa für die Haftpflichtversicherung, die Kfz-Steuer, Absetzung für Abnutzung (AfA) oder Leasing- und Leasingsonderzahlungen.
Das war geschehen
Ein Arbeitnehmer nutzte für seine beruflichen Fahrten einen ab dem 20.12.2018 für drei Jahre geleasten Pkw. Für seine vom 20.12. bis 31.12.2018 durchgeführten beruflichen Fahrten setzte er 0,93 Euro/km als Werbungskosten an. Bei der Ermittlung des Kilometersatzes legte er u. a. die Leasingsonderzahlung für den Leistungszeitraum (20.12.2018 bis 19.12.2021) von 15.000 Euro, die Kosten für Zubehör, Zusatzleistungen und Reifen sowie die für zwölf Monate zu zahlenden Leasingraten, Versicherungsprämien und ADAC-Beiträge zugrunde.
Bisher gehörte eine bei Leasingbeginn zu erbringende Sonderzahlung in Höhe des auf die Auswärtstätigkeiten entfallenden Nutzungsanteils zu den sofort abziehbaren Werbungskosten. Etwas anderes galt nur, wenn es sich bei der Leasingsonderzahlung um Anschaffungskosten für den Eigentumserwerb bzw. um Anschaffungskosten eines Nutzungsrechts handelte, die nur in Form von AfA berücksichtigt werden können.
Bundesfinanzhof ändert seine bisherige Rechtsprechung
An dieser Rechtsprechung hält der BFH nicht mehr fest. Bei Leasingsonderzahlungen handelt es sich um ein vorausgezahltes Nutzungsentgelt, das dem Zweck dient, die Leasingraten während der Gesamtlaufzeit des Leasingvertrags zu mindern. Die Sonderzahlung finanziert damit auch die Nutzung des Fahrzeugs in den Folgejahren, weshalb die Leasingsonderzahlung linear auf den Vertragszeitraum zu verteilen ist, sofern die Sonderzahlung nach den Vertragsbedingungen die Höhe der monatlichen Leasingraten mindert.
Diese Grundsätze gelten auch für andere (Voraus-)Zahlungen, die sich wirtschaftlich auf die Dauer des Leasingvertrags erstrecken. Beispielhaft führt der BFH die Kosten „für einen weiteren Satz Reifen“ an, die in Höhe der AfA in die jährlichen Gesamtaufwendungen einzubeziehen sind.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 9/22
| Die Fahrerlaubnis-Verordnung bietet keine rechtliche Grundlage für eine behördliche Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen (u. a. Fahrräder, Mofas, E-Scooter). Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden. Damit sind zwei Antragsteller aus Duisburg und Schwerte vorläufig wieder berechtigt, mit solchen Fahrzeugen am Straßenverkehr teilzunehmen. |
Unter Amphetaminen auf dem E-Scooter bzw. betrunken auf dem Rad
Ein Antragsteller fuhr unter dem Einfluss von Amphetamin einen E-Scooter. Der andere Antragsteller wies bei einer Fahrt mit dem Fahrrad eine Blutalkoholkonzentration von über 2 ‰ auf. Beide besitzen keine Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (z. B. Pkw). In beiden Fällen untersagten die Fahrerlaubnisbehörden ihnen das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen. Die hiergegen gerichteten Eilanträge lehnten die Verwaltungsgerichte (VG) Düsseldorf und Gelsenkirchen ab. Die Beschwerden der Antragsteller hatten beim OVG Erfolg.
Einschlägige Normen nicht verhältnismäßig
Zur Begründung hat das OVG ausgeführt: Die streitigen Anordnungen können nicht auf die Vorschrift der Fahrerlaubnis-Verordnung gestützt werden, wonach die Fahrerlaubnisbehörde jemandem das Führen von Fahrzeugen zu untersagen hat, der sich als hierfür ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet erweist. Denn diese Norm ist nicht hinreichend bestimmt und verhältnismäßig.
Ein solches Verbot schränkt die grundrechtlich geschützte Fortbewegungsmöglichkeit der Betroffenen deutlich ein. Außerdem sind fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im Vergleich zu Kraftfahrzeugen in der Regel weniger gefährlich. Die Vorschrift berücksichtigt diese Aspekte nicht und regelt insbesondere nicht hinreichend klar, in welchen Fällen jemand ungeeignet oder bedingt geeignet zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist und wann Eignungszweifel bestehen.
Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts sind unanfechtbar.
Quelle | OVG Münster, Beschluss vom 5.12.2024, 16 B 175/23, PM vom 6.12.2024
| In einem aktuellen Streitfall hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass der Steuerpflichtige die Aufwendungen für seine Fahrten zwischen der Wohnung und der Fernuniversität in Hagen nach Reisekostengrundsätzen als Werbungskosten geltend machen kann. |
Hintergrund: Beruflich veranlasste Aufwendungen, die im Rahmen einer Zweitausbildung (Berufsausbildung oder Studium) anfallen, sind grundsätzlich als (vorab entstandene) Werbungskosten abziehbar. Hierzu zählen auch die Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte. Diese sind jedoch bei vollzeitigen Bildungsmaßnahmen bzw. bei Vollzeitstudien auf den Ansatz der Entfernungspauschale begrenzt.
Ein Vollzeitstudium liegt vor, wenn das Studium darauf ausgelegt ist, dass sich die Studierenden diesem (vergleichbar einem vollbeschäftigten Arbeitnehmer) zeitlich vollumfänglich widmen müssen. Davon ist auszugehen, wenn das Studium nach den Ausbildungsbestimmungen oder der allgemeinen Erfahrung insgesamt etwa 40 Wochenstunden (Unterricht, Praktika sowie Vor- und Nachbereitung zusammengenommen) erfordert.
Im Streitfall war der Steuerpflichtige nur als Teilzeitstudierender eingeschrieben und studierte nach seinem Hörerstatus in einem Umfang von etwa 20 Stunden wöchentlich. Dass er im Streitjahr keiner Erwerbstätigkeit nachging, war im Hinblick auf den Begriff des Vollzeitstudiums unerheblich.
Somit waren die Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen (Ansatz einer Pauschale i. H. von 0,30 Euro je gefahrenem Kilometer oder Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen) abzugsfähig.
Quelle | BFH, Urteil vom 24.10.2024, VI R 7/22
| Wer auf Betrüger hereinfällt und im Online-Verfahren eine Echtzeit-Überweisung freigibt, kann nicht darauf hoffen, dass die Bank ihm den Schaden ersetzt. Dies gilt selbst dann, wenn er Minuten später den Schwindel bemerkt und über den Kundenservice sein Konto sperren lässt. Denn der einmal angestoßene Zahlungsvorgang kann nicht mehr gestoppt werden, auch wenn das Geld erst Tage später vom Konto abgebucht wird. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden. Das LG hat die Klage zweier Eheleute gegen ihre Hausbank abgewiesen. Diese waren einer bekannten Betrugsmasche („Hallo, ich habe eine neue Handynummer“) aufgesessen. |
Ehepaar fiel auf bekannte Betrugsmasche herein
Das Ehepaar erhielt im Herbsturlaub letzten Jahres eine SMS von einer unbekannten Rufnummer. Der Absender gab sich als deren Tochter aus und bat darum, über den Nachrichtendienst WhatsApp Kontakt aufzunehmen. Bei dem darauffolgenden Chat glaubten die beiden fest daran, mit ihrer Tochter in Kontakt zu sein. Auf Frage teilten sie die Zugangsdaten für das von ihnen genutzte Online-Banking mit und gaben schließlich zwei Echtzeitüberweisungen von insgesamt ca. 6.000 Euro über die auf ihrem Handy installierte Photo-Tan-App frei. Bereits wenige Minuten später kamen ihnen doch Bedenken,s ie erreichten ihre Tochter und die Täuschung flog auf. Weniger als 20 Minuten nach der Freigabe der Zahlungen informierten sie telefonisch den Kundenservice ihrer Bank und ließen das Konto sperren. Trotzdem wurden die Beträge zwei Tage später vom Girokonto abgebucht. Es sei nicht mehr möglich gewesen, die Vorgänge zu stoppen, so die Bank. Eine Rückerstattung lehnte sie ab.
Landgericht: Zahlungsvorgang an sich völlig korrekt
Das LG gab der Bank Recht und lehnte die Rückzahlung ab. Die Eheleute hätten ihre Freigabe nicht mehr widerrufen können. Ein Widerruf sei nämlich bei Echtzeit-Überweisungen nur bis zum Zugang der Freigabe bei der Bank möglich. Über das Internet erfolgt der Zugang in Sekundenbruchteilen. Danach könnten sich Bankkunden nur von der Freigabe lösen, wenn die Bank die Täuschung hätte bemerken müssen. Dafür sei im konkreten Fall nichts ersichtlich, der Zahlungsvorgang sei vielmehr völlig korrekt abgelaufen und die Bank sei mittels der im Online-Banking vorgesehenen Login- und Freigabedaten korrekt autorisiert worden. Dass die Abbuchung erst zwei Tage später erfolgt sei, ändere am Ergebnis nichts. Es sei zu unterscheiden zwischen dem Geldausgang, der schon wenige Sekunden nach der Online-Freigabe erfolgt sei, und dem Zeitpunkt der Belastung des Kontos. Im Übrigen habe sich das Paar durch die leichtfertige Weitergabe der Zugangsdaten grob fahrlässig verhalten.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 24.10.2024, 7 O 154/24, PM vom 27.11.2024
| Teilt der Rundfunkkunde eine Änderung der Anschrift nicht mit und ergreift auch keine Maßnahmen, um den Zugang von Post unter einer veralteten Adresse zu verhindern, muss er offene Rundfunkbeiträge zahlen. So entschied es das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |
Das war geschehen
Die Klägerin wird durch den beklagten Südwestrundfunk für ihre Privatwohnung zu Rundfunkbeiträgen herangezogen. Sie bewohnt ein Haus, das ursprünglich über zwei getrennte Wohneinheiten mit Ausgängen zu verschiedenen Straßen (A.-Straße und C.-Weg) verfügte. Bis zum Jahr 2020 war die Klägerin unter der Anschrift A.-Straße gemeldet. Bereits einige Jahre zuvor verschloss sie jedoch den auf diese Straße führenden Hauseingang und entfernte den zugehörigen Briefkasten. Eine Ummeldung (zum C.-Weg) veranlasste sie zunächst nicht. Die Klägerin entrichtete keine Rundfunkbeiträge.
Schließlich setzte der Beklagte mit mehreren Festsetzungsbescheiden die offenen Rundfunkbeiträge gegen die Klägerin fest. Die Bescheide waren an die Anschrift der Klägerin in der A.-Straße adressiert. Erstmals ab Mitte des Jahres 2020 nahm die Klägerin die Zahlung von Rundfunkbeiträgen auf und zeigte dem Beklagten die Anschrift „C.-Weg“ an.
Mit ihrer nach erfolglosem Widerspruchsverfahren gegen die Festsetzungsbescheide gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, die Bescheide seien ihr nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Eine Mahnung habe sie nur durch Zufall erreicht. Seit Jahren empfange sie ihre Post nur noch im C.-Weg. Die geforderten Beiträge seien deshalb verjährt.
So sah es das Verwaltungsgericht
Hiermit hatte sie keinen Erfolg. Die Klägerin sei zur Zahlung der geforderten Rundfunkbeiträge verpflichtet, so das VG. Dabei könne offen bleiben, ob der Klägerin die Bescheide wirksam bekannt gegeben worden seien. Denn sie habe dem Beklagten die Änderung der Anschrift nicht mitgeteilt und noch dazu aktive Maßnahmen ergriffen, um den Zugang von Post unter der A.-Straße zu verhindern. Sie könne sich daher jedenfalls nicht auf die Verjährung der Beiträge berufen. Außerdem seien die Zahlungen, die die Klägerin ab dem Jahr 2020 geleistet habe, nach der insoweit maßgeblichen Satzung des Beklagten jeweils mit der ältesten Rundfunkbeitragsschuld verrechnet worden.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 12.11.2024, 5 K 594/24.KO, PM 21/24
| Ferien sollen eine schöne und unbeschwerte Zeit sein. Doch auch hier kann es zu schlimmen Vorfällen kommen. So ging es einer Familie aus Norddeutschland auf der Insel Wangerooge. Letztlich musste sich das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg damit befassen. |
Unfall beim Kaffeekochen
Beim ersten Frühstück in der Ferienwohnung setzte die Mutter einer sechsjährigen Tochter Kaffee in der Kaffeemaschine auf. Als sie den Kaffee zum Frühstückstisch brachte, löste sich der Henkel und die Kanne kippte nach vorn. Der heiße Kaffee ergoss sich über den Oberköper und die Arme ihrer Tochter. Das Mädchen erlitt schwere Verbrennungen und kam mit einem Hubschrauber ins Krankenhaus nach Wilhelmshaven. Sie trug – voraussichtlich dauerhafte – Narben im Brustbereich davon.
Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld?
Die Tochter verklagte die Vermieterin auf Schmerzensgeld und Schadensersatz, weil die Kaffeekanne schon bei Übernahme der Ferienwohnung kaputt gewesen sei. Das Landgericht (LG) Oldenburg wies die Klage ab. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen als Teil des Mietvertrags sei eine Haftung für einfache Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Es sei aber nicht feststellbar, dass die Kaffeekanne erkennbar nicht mehr vollständig in Ordnung gewesen sei.
Mangel war nicht zu beweisen
Das OLG hat jetzt diese Entscheidung bestätigt. Zwar sei ein umfassender Haftungsausschluss durch Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam. Ein Vermieter hafte grundsätzlich sogar ohne jedes eigene Verschulden, allerdings nur für Mängel, die bereits bei Vertragsschluss vorlägen. Hier sehe das Gesetz eine viel strengere Haftung vor als bei anderen Vertragsformen, etwa beim Kauf- oder beim Werkvertrag. Die Klägerin habe jedoch einen solchen Mangel zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht beweisen können. Der gerichtlich bestellte Sachverständige habe keine Reparaturspuren an der Kanne feststellen können. Es stehe auch nicht fest, dass die Kanne bereits bei Vertragsschluss einen Schaden durch Verschleiß aufgewiesen habe. Ebenso wenig sei bewiesen, dass die Kaffeekanne einen Produktmangel gehabt habe, der zu vorzeitigem Verschleiß geführt habe. Selbst für einen solchen Mangel hätte die Vermieterin einstehen müssen.
Verschulden nicht ersichtlich
Die Vermieterin treffe auch keine Haftung wegen eines möglichen Verschuldens. Es sei nicht mehr aufzuklären, in wessen Verantwortungsbereich die Schadensursache liege. Die Glaskanne sei zunächst noch funktionstüchtig gewesen, als die Mutter der Klägerin damit das kalte Wasser in die Maschine gefüllt habe. Der Bruch sei also erst danach erfolgt. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Vermieterin etwaige Vorschäden hätten auffallen müssen. Sie hätte die Kanne auch nicht auf versteckte Schäden untersuchen müssen.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 25.11.2024, 9 U 40/23, PM 36/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden hat eine Klage abgewiesen, mit der der Kläger die Ausstellung eines Personalausweises ohne Speicherung der Fingerabdrücke auf dessen elektronischem Speichermedium (sog. „Chip“) begehrte. |
Pflicht aufgrund europäischer Verordnung
Die Pflicht zur Speicherung von Fingerabdrücken bei Ausweisen beruht auf der europäischen Verordnung (hier: (EU) 2019/1157 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019) zur Erhöhung der Sicherheit der Personalausweise von Unionsbürgern und der Aufenthaltsdokumente, die Unionsbürgern und deren Familienangehörigen ausgestellt werden, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben. Der Kläger trug vor, dass hierdurch seine Grundrechte auf Schutz des Privatlebens nach der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Art. 7 GRCh) und auf Schutz personenbezogener Daten (Art. 8GRCh) verletzt würden.
So sah es der Europäische Gerichtshof
Das VG hatte das Verfahren zunächst ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in einem Vorabentscheidungsverfahren die Frage vorgelegt, ob die Pflicht zur Aufnahme von Fingerabdrücken in Personalausweisen mit höherrangigem Unionsrecht vereinbar ist. Der EuGH hatte entschieden, dass die Verordnung wegen der Durchführung eines ungeeigneten Gesetzgebungsverfahrens ungültig sei. Die Wirkungen der Verordnung würden jedoch aufrechterhalten bleiben, bis innerhalb einer angemessenen Frist, die zwei Jahre ab dem 1.1.2025 nicht überschreiten dürfe, eine neue, im korrekten Gesetzgebungsverfahren erlassene Verordnung in Kraft trete, die sie ersetzt. In materieller Hinsicht verstoße die Einschränkung der in Art. 7 und Art. 8 GRCh garantierten Rechte nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sodass die Verordnung nicht aus diesem Grund ungültig sei.
So entschied das Verwaltungsgericht
Die Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken sei rechtmäßig, so das VG, und verletze den Kläger deshalb auch nicht in seinen Rechten. Das VG sei an das Urteil des EuGH gebunden, insbesondere bezüglich der Ausführungen zur materiellen Rechtmäßigkeit. Auch im Hinblick auf die im konkreten Verfahren vorliegende Frage der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken durch die Landeshauptstadt Wiesbaden sei keine andere Beurteilung geboten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei auch im konkreten Fall gewahrt. In der Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken durch die Beklagte liege kein Verstoß gegen Grundrechte.
Auch habe das VG für die Entscheidung über den vorliegenden Fall nicht den Fristablauf der Fortgeltung der o. g. Verordnung oder den Erlass einer neuen Verordnung abwarten müssen. Angesichts der Entscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren sei die Sache entscheidungsreif. Der EuGH habe ausdrücklich entschieden, dass die Wirkungen der Verordnung aufrechterhalten blieben, weshalb im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein Anspruch des Klägers auf Ausstellung eines Personalausweises ohne Speicherung von Fingerabdrücken bestehe. Die Frage, ob sich ein solcher Anspruch möglicherweise in der Zukunft infolge einer Änderung der Rechtslage ergeben könnte, sei im vorliegenden Verfahren nicht von Relevanz.
Quelle | VG Wiesbaden, Urteil vom 18.12.2024, 6 K 1563/21.WI, PM 9/24
| Leistungen eines Wohnungseigentümers in die Erhaltungsrücklage einer Wohnungseigentümergemeinschaft (z. B. im Rahmen der monatlichen Hausgeldzahlungen) sind steuerlich im Zeitpunkt der Einzahlung noch nicht abziehbar. Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung liegen erst vor, wenn aus der Rücklage Mittel zur Zahlung von Erhaltungsaufwendungen entnommen werden. Damit hat der Bundesfinanzhof (BFH) die bisherige Sichtweise bestätigt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar vermietete mehrere Eigentumswohnungen. Das an die jeweilige Wohnungseigentümergemeinschaft gezahlte Hausgeld wurde zum Teil der gesetzlich vorgesehenen Erhaltungsrücklage zugeführt. Insoweit erkannte das Finanzamt keine Werbungskosten an. Der Abzug könne erst in dem Jahr erfolgen, in dem die zurückgelegten Mittel für die tatsächlich angefallenen Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum verbraucht würden. Das Finanzgericht (FG) Nürnberg wies die Klage ab – und auch die Revision beim BFH blieb erfolglos.
Hausgeld war zwar erbracht …
Der Werbungskostenabzug erfordert einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Vermietungstätigkeit und den Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Die Eheleute hatten den der Erhaltungsrücklage zugeführten Teil des Hausgelds zwar erbracht und konnten hierauf nicht mehr zurückgreifen, da das Geld ausschließlich der Wohnungseigentümergemeinschaft gehört.
… aber noch nicht verausgabt
Auslösender Moment für die Zahlung war aber nicht die Vermietung, sondern die rechtliche Pflicht jedes Wohnungseigentümers, am Aufbau und an der Aufrechterhaltung einer angemessenen Rücklage für die Erhaltung des Gemeinschaftseigentums mitzuwirken. Ein Zusammenhang zur Vermietung entsteht erst, wenn die Gemeinschaft die angesammelten Mittel für Erhaltungsmaßnahmen verausgabt. Erst dann kommen sie der Immobilie zugute.
Beachten Sie | Durch die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) im Jahr 2020 wurde der Wohnungseigentümergemeinschaft die volle Rechtsfähigkeit zuerkannt. Der Hoffnung, dass die Zahlung in die Erhaltungsrücklage deshalb sofort im Zahlungsjahr abzugsfähig ist, hat der BFH ausdrücklich eine Absage erteilt.
Quelle | BFH, Urteil vom 14.1.2025, IX R 19/24
| Das Gericht darf einen Zuschlag zum Mietspiegel vornehmen, um eine sachgerechte Einzelvergleichsmiete zu bilden. Voraussetzung: Zwischen dem Erhebungsstichtag des Mietspiegels und dem Zeitpunkt, an dem das Zustimmungsverlangen zugestellt wurde, werden außergewöhnliche Steigerungen der ortsüblichen Vergleichsmiete festgestellt. Eine solche liegt aber nicht vor, wenn der Verbraucherpreisindex ansteigt. So sieht es das Landgericht (LG) München. |
Der Vermieter begehrte die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Er wollte u. a. einen sog. Stichtagszuschlag auf die von ihm ermittelte Vergleichsmiete addieren. Der Verbraucherpreisindex habe sich im Zeitraum zwischen Januar 2022 (als dem maßgeblichen Zeitpunkt der Erhebung der Daten für den qualifizierten Mietspiegel 2023) und Juni 2023 (Zugang des Mieterhöhungsverlangens) aufgrund einer ungewöhnlichen Steigerung der Mieten von rund 3% erhöht.
Das LG: Ein Stichtagszuschlag komme nicht in Betracht. Die Mieterhöhung könne nicht auf den qualifizierten Mietspiegel und ergänzend auf einen Anstieg des Verbraucherpreisindex gestützt werden. Ein Anstieg gemäß Index für Nettokaltmieten von nur wenig mehr als 3 % sei nicht außergewöhnlich hoch. Die Einführung einer „Stichtagspraxis“ würde zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen, die die sog. Befriedungsfunktion des Mietspiegels gefährden könne.
Quelle | LG München I, Urteil vom 17.7.2024, 14 S 3692/24
| Hat der Vermieter Ersatzansprüche wegen des Zustands der Mietsache bei Rückgabe, muss er sich bei unwirksamer Schönheitsreparaturklausel die Kosten anrechnen lassen, die er mangels eigener Renovierungsarbeiten erspart hat. So hat es das Amtsgericht (AG) Hanau entschieden. |
Vermieter verlangte Kostenersatz für Tapezier- und Streicharbeiten
Das Mietverhältnis zwischen den Parteien lief über 13 Jahre, der Vertrag enthielt eine Klausel hinsichtlich der durch den Mieter durchzuführenden Schönheitsreparaturen. Nach Wohnungsrückgabe führte der Vermieter Tapezier- und Streicharbeiten durch. Die Kosten verlangte er von dem Mieter ersetzt. Denn dieser habe sie mit bunten Farben (gelb, grün und rosa) zurückgegeben, was eine Weitervermietung nicht ermögliche. Zudem habe es viele nicht verschlossene Dübellöcher gegeben.
Klage abgewiesen
Das AG hat entschieden: Der Vermieter kann Streich- und Tapezierarbeiten in der Wohnung nicht ersetzt verlangen, weil er selbst zur Durchführung der Schönheitsreparaturen verpflichtet war. Es hat die Klage des Vermieters daher abgewiesen.
Worauf es ankommt und worauf nicht
Darauf, ob der Mieter dem Vermieter die Kosten für die Streich- und Tapezierarbeiten erstatten muss, komme es nicht an. Denn der Vermieter hätte während der gesamten Laufzeit des Mietvertrags die Schönheitsreparaturen in der Wohnung durchführen müssen. Die Klausel, nach der der Mieter hierzu verpflichtet wurde, war unwirksam, weil sie zu kurze Fristen setze. Außerdem sollte der Mieter nach einer anderen Klausel die Wohnung auch bei Einzug streichen, was ebenfalls zur Unwirksamkeit der laufenden Renovierungspflicht führe. Daher musste stattdessen, wie auch an sich vom Gesetz vorgesehen, der Vermieter renovieren. Hätte er das getan, wären ihm aber Kosten entstanden. Diese nicht aufgewendeten Kosten müsse er von seinen Schadenersatzansprüchen abziehen.
Für die Bestimmung der ersparten Kosten hat das Gericht auf die Pauschalbeträge nach der Zweiten Berechnungsverordnung (hier: § 28 Abs. 4 II. BerechnungsVO) in der jeweiligen Höhe zurückgegriffen. Auch wenn diese hier keine unmittelbare Anwendung finden, lägen ihnen offiziell anerkannte Durchschnittswerte zugrunde. Bei über 13 Jahren Mietlaufzeit überstiegen sie die von dem Vermieter geltend gemachten Kosten um mehr als das Dreifache.
Quelle | AG Hanau, Urteil vom 29.11.2024, 32 C 265/23, PM vom 16.12.2024
| Ein rechtlich beachtlicher Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses liegt nur vor, wenn sich der Anfechtende in einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses befunden hat, dagegen nicht, wenn lediglich falsche Vorstellungen von dem Wert der einzelnen Nachlassgegenstände vorgelegen haben. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken. |
Erblasserin verstarb ohne Testament
Die Erblasserin ist im Alter von 106 Jahren ohne Testament verstorben. Zuvor lebte sie seit längeren Jahren in einem Seniorenheim. Die Heim- und Pflegekosten wurden aus Mitteln der Kriegsopferfürsorgestelle bestritten. Diese Leistungen wurden als Darlehen gewährt und durch eine Grundschuld an einem Haus der Erblasserin abgesichert. Der Ehemann der Erblasserin, ihre beiden Kinder und auch ein Enkelkind waren bereits vorverstorben. Gesetzliche Erben waren die Enkel und Urenkel der Erblasserin.
Nach dem Tod der Erblasserin hat u. a. die in gesetzlicher Erbfolge zur Erbin berufene Enkelin das Erbe ausgeschlagen und dabei angegeben, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Zwei Urenkel der Erblasserin haben das Erbe dagegen nicht ausgeschlagen. In der Folge wurde das Haus der Erblasserin unter Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Nachlasspflegerin an Dritte verkauft. Nach dem Verkauf des Hauses hat die Enkelin ihre Erklärung zur Erbausschlagung sodann wegen Irrtums angefochten. Danach hat sie die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der u. a. sie als Erbin zu 1/4 Anteil ausweisen sollte.
Das Nachlassgericht hat entschieden, dass der Erbschein wegen der angefochtenen Erbausschlagungserklärung der Enkelin, wie von ihr beantragt, erteilt werden müsse. Gegen diesen Beschluss wendete sich einer der Urenkel, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte, mit seiner Beschwerde.
Erbscheinsantrag war zurückzuweisen
Auf die Beschwerde hat das OLG entschieden: Der Erbscheinsantrag der Enkelin war zurückzuweisen, da der von ihr beantragte Erbschein die eingetretene Erbfolge falsch wiedergebe. Die Enkelin sei keine Erbin geworden, da sie die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und sie die Ausschlagungserklärung wegen Irrtums auch nicht wirksam anfechten könne. Soweit sie ihren Irrtum damit begründet habe, ihr sei erst im Nachhinein bekannt geworden, dass zum Nachlass ein Bankkonto bei der Kreissparkasse K. mit einem vierstelligen Guthaben gehöre, läge zwar ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses vor.
Irrtum nicht ursächlich für Ausschlagung
Dieser Irrtum hätte aber nicht ihre Ausschlagung der Erbschaft veranlasst. Denn selbst, wenn ihr das Konto bei der Kreissparkasse Köln bekannt gewesen wäre, hätte dies mangels wirtschaftlichem Gewicht des dortigen Guthabenbetrags gegenüber den restlichen Nachlasspositionen nichts an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses geändert. Soweit sich die Enkelin darauf berufe, dass sie darüber geirrt habe, dass der Erlös aus dem Verkauf des Hauses der Erblasserin die Verbindlichkeiten aus dem mit der Grundschuld abgesicherten Darlehen für die Heim- und Pflegekosten der Kriegsopferfürsorgestelle übersteige, liege kein Irrtum vor, der zur Anfechtung berechtige. Dieser Irrtum beruhe lediglich auf der falschen Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht über dessen Zusammensetzung.
Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14.8.2024, 8 W 102/23, PM vom 10.12.2024
| Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat entschieden: Erben können vollen Zugriff auf das Instagram-Konto des Erblassers bekommen. Das beinhaltet dessen aktive Nutzungsmöglichkeit. |
Die Ehefrau und alleinige Erbin eines bekannten Sängers hatte geklagt. Hintergrund: Nachdem der Konzern Meta, zu dem die Social-Media-Plattform Instagram gehört, Kenntnis vom Tod des Sängers erlangte, versetzte das Unternehmen den Instagram-Account in den sog. Gedenkzustand. Bemühungen der Ehefrau, vollen Zugriff auf das Konto wiederzuerlangen, waren ergebnislos. Das OLG: Die Frau ist als Erbin in das Vertragsverhältnis ihres Mannes mit Meta im Wege der sog. Gesamtrechtsnachfolge eingetreten. Das habe schon der Bundesgerichtshof (BGH) so entschieden. Danach ist der Anspruch auf Zugang zu einem Social-Media-Konto grundsätzlich vererbbar. Mit der Erbenstellung sei die Ehefrau in sämtliche Rechte und Pflichten des Erblassers eingetreten, was neben einem passiven Anspruch auf (nur) lesende Nutzung auch einen Anspruch auf aktive Nutzung umfasse.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 30.12.2024, 13 U 116/23
| Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat die Klage eines im Nebenerwerb tätigen Landwirts auf Erteilung einer Baugenehmigung für einen bereits errichten „Portalrahmen“ im Außenbereich abgewiesen. |
Landwirt hatte Bauwerk schon errichtet
Der „Portalrahmen“ besteht aus zwei Sandsteinsäulen (je 3,53 Meter hoch), an denen ein schmiedeeisernes doppelflügeliges Einfahrtstor befestigt ist. Auf den Säulen befindet sich jeweils eine Metallskulptur. Die Säulen sind mit zwei Einzelfundamenten im Boden verankert. Das gesamte Bauwerk ist fünf Meter breit. Den Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung lehnte der Landkreis ab. Bei dem „Portalrahmen“ handele es sich nicht um ein im Außenbereich bevorrechtigt zulässiges Vorhaben.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagte der Landwirt und trug hierzu vor, das Vorhaben sei bereits deshalb genehmigungsfrei, weil es seinem landwirtschaftlichen Betrieb diene. Das Tor gewährleiste den Zugang und die Zufahrt zu dem von ihm bewirtschafteten Grundstück. Es füge sich auch optisch in die Umgebung ein.
Klage ohne Erfolg
Das sah das VG anders: Der „Portalrahmen“ sei im Außenbereich nicht bevorrechtigt zulässig, weil er dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers nicht diene. Er sei optisch auffallend und solle offensichtlich die Kunden des Klägers beeindrucken. Ein vernünftiger Landwirt würde unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs kein solches Bauwerk zur Einfriedung errichten. Der Kläger könne sich überdies nicht mit Erfolg darauf berufen, er führe einen „Adelshof“. Eine Bevorzugung aufgrund der Abstammung widerspreche dem allgemeinen Gleichheitssatz. Der „Portalrahmen“ beeinträchtige zudem die natürliche Eigenart der Landschaft. Das Vorhabengrundstück liege in einem Naturpark, dessen landschaftliche Eigenart zu bewahren sei.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 31.10.2024, 4 K 282/24.KO, PM 22/24
| Die Eigentümerin eines Wohnhauses hat ebenso, wie die Eigentümerin eines Baudenkmals, einen Anspruch auf eine denkmalrechtliche Erlaubnis für die Installation von Solaranlagen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster in zwei Grundsatzurteilen zum nordrhein-westfälischen Denkmalrecht entschieden. Es hat darauf verwiesen, dass bei der Errichtung von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden regelmäßig das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien die Belange des Denkmalschutzes überwiegt. |
Eigentümerin eines Einfamilienhauses
Die Eigentümerin eines Einfamilienhauses in einer Siedlung in Düsseldorf, für die eine Denkmalbereichssatzung gilt, möchte auf einer aus dem Straßenraum teilweise einsehbaren Dachfläche ihres Hauses eine Solaranlage errichten. Die Stadt Düsseldorf lehnte es ab, die dafür nach dem Denkmalschutzgesetz NRW erforderliche Erlaubnis zu erteilen. Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf verpflichtete die Stadt auf die Klage der Eigentümerin, die Genehmigung zu erteilen.
Eigentümerin eines Baudenkmals
Demgegenüber bestätigte das VG Arnsberg in dem zweiten Fall die Entscheidung der Stadt Siegen, die der Klägerin eine denkmalrechtliche Erlaubnis für eine Solaranlage auf der weithin sichtbaren Dachfläche versagt hatte. Hierbei geht es um ein Wohngebäude, das als ehemalige Schule als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt Siegen eingetragen ist.
So sah es das Oberverwaltungsgericht
In beiden Fällen waren Solarmodule in einer denkmalschonenden Ausgestaltung gewählt worden. Nach der Entscheidung des OVG können nun beide Denkmaleigentümer die denkmalrechtliche Erlaubnis beanspruchen.
Offentliches Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien versus Denkmalschutz
Das OVG: Das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien überwiegt in beiden Fällen die Belange des Denkmalschutzes. Nach einer im Juli 2022 in Kraft getretenen Regelung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sollen, bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausneutral ist, die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Diese Vorgabe, für die dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz zukommt, beeinflusst auch das nordrhein-westfälische Denkmalschutzrecht. In die – weiterhin erforderliche – Abwägung zwischen den denkmalschutzrechtlichen Belangen und dem Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien sind letztere als regelmäßig vorrangiger Belang einzustellen. Nur, wenn besondere Umstände des Denkmalschutzes der Errichtung von Solaranlagen entgegenstehen, darf die Erteilung der denkmalrechtlichen Erlaubnis ausnahmsweise versagt werden.
Bei der Prüfung, ob solche besonderen Umstände vorliegen, kommt es auf die Gründe an, aus denen die denkmalrechtliche Unterschutzstellung erfolgt ist.
Wohnhaus: keine wesentlichen optischen Nachteile
In dem Düsseldorfer Fall wird durch die beantragte Solaranlage auf der straßenabgewandten Dachfläche nicht in einem Maß in das denkmalwerte einheitliche äußere Erscheinungsbild der Siedlung eingegriffen, dass ausnahmsweise die Erlaubnis zu versagen wäre. Dass die Solaranlage aus dem öffentlichen Straßenraum sichtbar ist, reicht dafür grundsätzlich nicht aus. Hier sind die in die bestehende Dachstruktur eingefügten und in der Farbe angepassten Solarpaneele zudem nur am Rande, in zweiter Reihe und nur in Teilausschnitten wahrnehmbar. Die betroffene Dachfläche liegt auch nicht in einer der von der Satzung geschützten Sichtachsen und beeinträchtigt die rheinseitige Silhouette der Siedlung nicht.
Ehemalige Schule: Erscheinungsbild des Baukörpers nicht wesentlich geändert
Bei der ehemaligen Schule in Siegen werden die denkmalwertbegründenden Eigenschaften des Gebäudes durch die Solaranlage schon nicht beeinträchtigt. Für die Eintragung als Baudenkmal hat zwar der vorhandene Dachreiter, nicht aber die Dachfläche und ihre Gestaltung eine Rolle gespielt. In das geschützte Erscheinungsbild des Baukörpers als Kapellenschule wird durch die Solaranlage nicht eingegriffen. Ein Ausnahmefall, in dem der Denkmalschutz überwiegt, wäre bei dem konkreten Vorhaben selbst dann nicht gegeben, wenn die Schieferdachfläche als auch denkmalwertbegründend angesehen würde.
Quelle | OVG Münster, Urteile vom 27.11.2024, 10 A 2281/23 und 10 A 1477/23, PM vom 27.11.2024
| Will eine Auftraggeberin nicht von einer weiblichen Mitarbeiterin, sondern von einem Mann betreut werden, können schnell Entschädigungsforderungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Raum stehen – so wie in einem Fall des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg. |
Inhaber des Architekturbüros blieb passiv
Im Fall des LAG hatte der Inhaber des Architekturbüros nicht einmal versucht, die Auftraggeberin umzustimmen. Er unternahm auch keinen Versuch, sie von der hohen Qualität seiner Mitarbeiterin zu überzeugen.
Unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nur wenn diese „geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen“ nicht gefruchtet hätten, hätte eine eigene benachteiligende Handlung des Büros ausgeschlossen werden können.
Der Arbeitgeber musste der Mitarbeiterin schließlich 1.500 Euro Schadenersatz zahlen.
Quelle | LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.2024, 10 Sa 13/24
| Eine tarifvertragliche Regelung, die unabhängig von der individuellen Arbeitszeit für Überstundenzuschläge das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten voraussetzt, behandelt teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wegen der Teilzeit schlechter als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte. Sie verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter, wenn die in ihr liegende Ungleichbehandlung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Fehlen solche sachlichen Gründe, liegt regelmäßig zugleich eine gegen Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (hier: § 7 Abs. 1 AGG) verstoßende mittelbare Benachteiligung wegen des (weiblichen) Geschlechts vor, wenn innerhalb der betroffenen Gruppe der Teilzeitbeschäftigten erheblich mehr Frauen als Männer vertreten sind. |
Das war geschehen
Der Beklagte ist ein ambulanter Dialyseanbieter mit mehr als 5.000 Arbeitnehmern. Die Klägerin ist bei ihm als Pflegekraft in Teilzeit im Umfang von 40 v. H. eines Vollzeitbeschäftigten tätig. Auf das Arbeitsverhältnis ist aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme der zwischen dem Beklagten und der Gewerkschaft Verdi geschlossene Manteltarifvertrag (MTV) anzuwenden. Nach § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV sind mit einem Zuschlag von 30 v. H. Überstunden zuschlagspflichtig, die über die monatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden und im jeweiligen Kalendermonat nicht durch Freizeitgewährung ausgeglichen werden können. Alternativ zu einer Auszahlung des Zuschlags ist eine entsprechende Zeitgutschrift im Arbeitszeitkonto vorgesehen. Das Arbeitszeitkonto der Klägerin wies Ende März 2018 ein Arbeitszeitguthaben von 129 Stunden und 24 Minuten aus. Der Beklagte hat der Klägerin für diese Zeiten in Anwendung von § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV weder Überstundenzuschläge gezahlt, noch im Arbeitszeitkonto eine Zeitgutschrift vorgenommen.
Das verlangte die Klägerin
Mit ihrer Klage hat die Klägerin verlangt, ihrem Arbeitszeitkonto als Überstundenzuschläge weitere 38 Stunden und 39 Minuten gutzuschreiben und eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe eines Vierteljahresverdienstes begehrt. Die Anwendung von § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV benachteilige sie wegen ihrer Teilzeit unzulässig gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten. Zugleich werde sie wegen ihres Geschlechts mittelbar benachteiligt, denn der Beklagte beschäftige überwiegend Frauen in Teilzeit.
So sahen es die Vorinstanzen
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift zuerkannt und hinsichtlich der begehrten Entschädigung die Klageabweisung bestätigt.
So entschied das Bundesarbeitsgericht
Die Revision der Klägerin hatte vor dem BAG teilweise Erfolg. Das BAG hat der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift – in Übereinstimmung mit dem LAG – zugesprochen und ihr darüber hinaus eine Entschädigung in Höhe von. 250 Euro zuerkannt. Das OLG musste (aufgrund europarechtlicher Rechtsprechung) davon ausgehen, dass § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV insoweit wegen Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten unwirksam ist, als er bei Teilzeitbeschäftigung keine der Teilzeitquote entsprechende anteilige Absenkung der Grenze für die Gewährung eines Überstundenzuschlags vorsieht.
Bundesarbeitsgericht: Entschädigung zugesprochen
Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung konnte das BAG nicht erkennen. Die sich aus dem Verstoß gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz (hier: § 4 Abs. 1 TzBfG) ergebende Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Überstundenzuschlagsregelung führt zu einem Anspruch der Klägerin auf die eingeklagte weitere Zeitgutschrift. Daneben war ihr eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zuzuerkennen.
Durch die Anwendung der tarifvertraglichen Regelung hat die Klägerin auch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts erfahren. In der Gruppe der beim Beklagten in Teilzeit Beschäftigten, die dem persönlichen Anwendungsbereich des MTV unterfallen, sind zu mehr als 90 Prozent Frauen vertreten.
Als Entschädigung war ein Betrag in Höhe von 250 Euro festzusetzen. Dieser ist erforderlich, aber auch ausreichend, um einerseits den der Klägerin durch die mittelbare Geschlechtsbenachteiligung entstandenen immateriellen Schaden auszugleichen und andererseits gegenüber dem Beklagten die gebotene abschreckende Wirkung zu entfalten.
Quelle | BAG, Urteil vom 5.12.2024, 8 AZR 370/20, PM 34/24
| Strafrechtlich eingezogene Bestechungsgelder führen umsatzsteuerrechtlich dazu, dass die Bemessungsgrundlage der in strafrechtlicher Hinsicht betroffenen Umsätze auf den um die eingezogenen Bestechungsgelder geminderten Betrag zu reduzieren ist. Das hat der Bundesfinanzhof (BFG) entschieden. |
Das war geschehen
Ein Diplom-Ingenieur hatte nachhaltig und ohne Anweisung seines jeweiligen Vorgesetzten bzw. Arbeitgebers für Auftragserteilungen von beauftragten Unternehmen kostenlose Leistungen, überwiegend für den privaten Hausbau, erhalten.
Dafür wurde er wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zusätzlich wurden die Bestechungsgelder auf gerichtliche Anordnung nach dem Strafgesetzbuch (hier: §§ 73 ff. StGB) eingezogen.
Das Finanzamt behandelte die „Schmiergeldzahlungen“ bzw. die Zuwendungen durch die beauftragten Unternehmen als Entgelte für steuerpflichtige Leistungen und unterwarf sie der Umsatzsteuer. Die vom Diplom-Ingenieur geleisteten Zahlungen an die Landesjustizkasse hinsichtlich der eingezogenen Bestechungsgelder minderten nach Ansicht des Finanzamts nicht die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer. Dies sah der BFH anders.
Eingezogene Bestechungsgelder nicht mehr zu versteuern
Zwar sind die Bestechungsgelder – obgleich es sich um illegale Zahlungen handelt – neben den sonstigen, dem Steuerpflichtigen für seine Dienstleistungen gewährten Entgelten umsatzsteuerrelevant. Jedoch mindern die eingezogenen Beträge die steuerliche Bemessungsgrundlage.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist eine Verminderung in diesen Fällen geboten, da ansonsten der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt wäre. Denn es käme zu einer unzulässigen Doppelbelastung des Täters:
- Zum einen würde der durch die strafbare Handlung erlangte wirtschaftliche Vorteil durch die strafrechtliche Einziehung der Bestechungsgelder abgeschöpft.
- Zum anderen würden die Bestechungsgelder im selben Umfang der Umsatzsteuer unterworfen.
Dabei spielt es keine Rolle, dass der strafrechtlich eingezogene Betrag in der Staatskasse verbleibt und nicht an den leistenden Unternehmer zurückgezahlt wird.
Beachten Sie | Auch eines Verweises auf das Billigkeitsverfahren, dessen Zulässigkeit im Umsatzsteuerrecht ohnehin unionsrechtlich zweifelhaft ist, bedarf es nach Ansicht des BFH nicht.
Quelle | BFH, Urteil vom 25.9.2024, XI R 6/23, PM 8/25 vom 20.2.2025
| In einem Streitfall ging es um die Zulässigkeit des Wechsels der Gewinnermittlungsart. Dabei entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass der Steuerpflichtige im Streitjahr die Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nicht mehr erfüllte, weil er durch die Aufstellung des Jahresabschlusses sein Wahlrecht bereits ausgeübt hatte und daran gebunden war. |
Hintergrund: Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (= Bilanzierung) ist der gesetzessystematische Regelfall. Die Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung kommt nur bei Erfüllung der im Gesetz bestimmten Voraussetzungen in Betracht.
Tatsächlich ausgeübte Gewinnermittlungsart maßgeblich
Maßgeblich für die Ausübung des Wahlrechts der Gewinnermittlungsart ist die tatsächliche Handhabung der Gewinnermittlung. Ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger hat sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich wirksam ausgeübt, wenn er eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine kaufmännische Buchführung einrichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht.
Die Einnahmen-Überschuss-Rechnung bzw. der Betriebsvermögensvergleich ist in dem Zeitpunkt erstellt, in dem der Steuerpflichtige sie bzw. ihn fertiggestellt hat und objektiv erkennbar als endgültig ansieht. Beweisanzeichen dafür kann sein, dass er die Gewinnermittlung durch Übersendung an das Finanzamt in den Rechtsverkehr begibt. Nach der Erstellung des Jahresabschlusses kommt die Wahl der Einnahmen-Überschuss-Rechnung somit grundsätzlich nicht mehr in Betracht.
Einmal getroffene Wahl nur in Ausnahmefällen änderbar
Die einmal getroffene Wahl der Gewinnermittlungsart ist grundsätzlich nachträglich nicht mehr änderbar. In Ausnahmefällen hat die Rechtsprechung jedoch einen solchen Wechsel zugelassen und dabei an die Grundsätze angeknüpft, die für den Wechsel der Gewinnermittlungsart in aufeinanderfolgenden Jahren gelten.
Beachten Sie | Im Streitfall war dem Steuerpflichtigen die Änderung der Wahlrechtsausübung jedoch nicht mehr möglich. Denn er hatte keinen vernünftigen wirtschaftlichen Grund dargelegt, der es rechtfertigen könnte, die gewählte Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich für dasselbe Jahr wieder zu ändern.
Allein der Umstand, dass er durch den Wechsel zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung eine Gewinnerhöhung infolge der Außenprüfung „glätten“ wollte, reicht hierfür nicht aus. Denn damit haben sich nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse geändert. Der Steuerpflichtige war vielmehr einem Irrtum über die steuerlichen Folgen der gewählten Gewinnermittlungsart unterlegen, der die Änderungsmöglichkeit nicht eröffnet.
Quelle | BFH, Urteil vom 27.11.2024, X R 1/23
| Eine gegen die auszahlende Bank gerichtete Schadenersatzklage eines 84-jährigen Mannes, der infolge eines Trickbetrugs 83.000 Euro an Unbekannte gezahlt hatte, blieb erfolglos. Warn- und Hinweispflichten der Geldinstitute bestehen nur bei einem massiven Verdacht auf eine Vermögensgefährdung des Kunden. Eine solche vorwerfbare Pflichtverletzung konnte das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth in einem bemerkenswerten Fall nicht feststellen. |
Hätte Bank Geld nicht auszahlen dürfen?
Der Kläger hatte am Schalter in einer Bankfiliale in Nürnberg innerhalb von 1 ½ Stunden zweimal Bargeld von seinem Konto abgehoben, insgesamt 83.000 Euro. Er begründete seine Schadenersatzklage gegen die Bank damit, dass diese durch Auszahlung des Geldes trotz offenkundiger Anhaltspunkte für einen Enkeltrick-Betrug gegen ihre vertraglichen Schutz- und Warnpflichten verstoßen habe. Die Bank hatte im Zivilprozess vorgebracht, dass ihre Mitarbeiter bezüglich des sog. Enkeltricks geschult seien und den Kläger entsprechend angesprochen hätten, der ruhig gewirkt und plausible Erklärungen abgegeben habe.
Kein massiver Verdacht
Das LG hat die Klage in erster Instanz abgewiesen. Es führte aus: Eine Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank ist nur ausnahmsweise bei Vorliegen objektiver massiver Verdachtsmomente anzunehmen. Einen massiven Verdacht auf einen drohenden Schaden beim Kläger konnte das LG hier aber nicht feststellen.
Es war nach Einvernahme der Bankangestellten als Zeugin davon überzeugt, dass der Kläger sachlich, ruhig und unauffällig in der Bank auftrat. Weder aus dem Alter des Klägers und der Höhe des Bargeldbetrags noch aus dem Umstand, dass erst eine Übertragung von dem Sparkonto auf das Girokonto erfolgte, drängte sich der Verdacht einer Straftat auf. Bei beiden Barabhebungen hatte die Bankangestellte beim Kläger mehrfach nachfragt, ob ihm der sogenannte Enkeltrick bekannt sei, was dieser bejahte und damit entkräftete, dass er direkt mit seiner Enkeltochter gesprochen habe. Eine weitere Nachfragepflicht war von den Mitarbeitern der Bank nicht zu verlangen, so das LG.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Gegen das klageabweisende Urteil des LG hatte der Kläger Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg eingelegt. Auch das OLG verneinte eine Verletzung von Warn- und Hinweispflichten der Beklagten, gerade, nachdem die Möglichkeit eines Enkeltricks von der Bankangestellten angesprochen worden war. Die Bank ist vertraglich zur Auszahlung des Kontoguthabens verpflichtet und der Kunde hat über die Verwendung der ihm zustehenden Beträge keine Rechenschaft abzulegen, führte das OLG ergänzend aus.
Auf den Hinweis des OLG zur Erfolgslosigkeit der Berufung hat der Kläger sein Rechtsmittel zurückgenommen. Das Urteil des LG ist damit rechtskräftig.
Die Strafbarkeit der Trickbetrüger und etwaige zivilrechtliche Ansprüche gegen diese Personen waren nicht Gegenstand des Verfahrens.
Quelle | LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 22.7.2022, 10 O 1384/22; OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 18.11.2024, 14 U 2275/22, PM 5/25
| Aufwendungen für Krankheitskosten sind nur als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn gewisse Nachweiserfordernisse erfüllt sind. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat dargelegt, wie der Nachweis ab dem Veranlagungszeitraum 2024 zu führen ist. |
Hintergrund: Krankheitskosten können als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sein.
Ein besonderes Augenmerk muss dabei auf den Nachweis der Zwangsläufigkeit gelegt werden:
- Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel genügt es, wenn der Steuerpflichtige eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers vorlegt. Dies regelt § 64 Abs. 1 Nr. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV).
- Bei bestimmten Krankheitskosten ist indes ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erforderlich. Ein solcher qualifizierter Nachweis ist z. B. bei Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, z. B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, erforderlich (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV).
Sind Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungeinzustufen, wartet die Hürde der zumutbaren Belastung, deren Höhe von folgendenFaktoren abhängt:
- Gesamtbetrag der Einkünfte
- Familienstand und
- Zahl der Kinder.
Erläuterungen des Bundesfinanzministeriums
Der Nachweis der Zwangsläufigkeit nach der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (hier: § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV) ist bei einem eingelösten E-Rezept durch den Kassenbeleg der Apotheke bzw. durch die Rechnung der Online-Apotheke oder bei Versicherten mit einer privaten Krankenversicherung alternativ durch den Kostenbeleg der Apotheke zu erbringen.
Der Kassenbeleg (alternativ: die Rechnung der Online-Apotheke) muss folgende Angaben enthalten:
- Name der steuerpflichtigen Person,
- Art der Leistung (zum Beispiel Name des Arzneimittels),
- Betrag bzw. Zuzahlungsbetrag,
- Art des Rezeptes.
Beachten Sie | Zumindest für den Veranlagungszeitraum 2024 wird es vom BMF nicht beanstandet, wenn der Name der steuerpflichtigen Person nicht auf dem Kassenbeleg vermerkt ist.
Quelle | BMF-Schreiben vom 26.11.2024, IV C 3 - S2284/20/10002 :005
| Nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 6 Abs. 1 Nr. 1 a desEStG) werden Aufwendungen in Herstellungskosten umqualifiziert, wenn innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung des Gebäudes Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden, deren Nettoaufwendungen 15 % der Gebäude-Anschaffungskosten übersteigen. Die Aufwendungen sind dann nicht sofort, sondern nur über die Gebäude-Abschreibung abzugsfähig. Bei einer Eigentumswohnung sind zwei Besonderheiten zu beachten, worauf das Finanzgericht (FG) Hessen hingewiesen hat. |
Hintergrund: Maßgebend sind die Anschaffungskosten und Anschaffungsnebenkosten der angeschafften Wohnung und nicht der Wert des Gesamtgebäudes. Bei Teil- und Wohnungseigentum ist danach die einzelne Einheit und nicht das Gesamtgebäude relevant.
Abzustellen ist auf die innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung der Wohnung angefallenen Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen des vermietenden Eigentümers einschließlich seiner anteiligen Aufwendungen für Arbeiten an den im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudeteilen.
Beispiel
A erwirbt mit Wirkung zum 1.11.2023 eine Eigentumswohnung. Die Anschaffungskosten betragen insgesamt 300.000 Euro. Der Grund- und Bodenanteil beträgt 10 % = 30.000 Euro. Die Eigentumswohnung wird nach der Sanierung vermietet.
Anfang 2024 lässt A die sanitären Anlagen (Badezimmer, Gästetoilette) für 29.750 Euro erneuern und neue Türen einbauen (11.900 Euro). Zudem beteiligt er sich an der Dachsanierung (14.280 Euro). Die gesamten Aufwendungen (55.930 Euro) macht er in 2024 als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen geltend.
Lösung: Die Nettoaufwendungen ohne Umsatzsteuer (25.000 Euro + 10.000 Euro + 12.000 Euro = 47.000 Euro) überschreiten die 15 %-Grenze von 40.500 Euro (15 % von 270.000 Euro). Somit stellen die Aufwendungen insgesamt anschaffungsnahe Aufwendungen dar. Sie sind also nicht sofort im Jahr der Zahlung als Werbungskosten abzugsfähig, sondern erhöhen die Bemessungsgrundlage für die Gebäudeabschreibung von 270.000 Euro um 55.930 Euro auf 325.930 Euro. Dies gilt auch für die Kostenbeteiligung an der Dachsanierung, die als Aufwendungen für das Gemeinschaftseigentum ebenfalls im Rahmen der Ermittlung des insgesamt entstandenen Sanierungsaufwands mit einzubeziehen sind.
Aufwendungen für Sonder- und Gemeinschaftseigentum nicht aufzuteilen
Nach Ansicht des FG Hessen dürfen die auf das im Gemeinschaftseigentum stehenden Bestandteile des Gesamtgebäudes entfallenden Aufwendungen nicht unberücksichtigt bleiben. Dies würde auch dem (mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG verfolgten) Vereinfachungszweck widersprechen, weil sich Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen regelmäßig zugleich auf das Sondereigentum als auch auf Bereiche des Gemeinschaftseigentums beziehen. Eine Aufteilung von hierfür einheitlich getragenen Aufwendungen wäre oft nur unter größten Schwierigkeiten möglich.
Beachten Sie | Gegen die nicht zugelassene Revision wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Quelle | FG Hessen, Urteil vom 18.6.2024, 4 K 1736/19, NZB BFH, IX B 86/24
| Aufwendungen für die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio sind grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) auch, wenn die Teilnahme an einem dort angebotenen, ärztlich verordneten Funktionstraining die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio voraussetzt. |
Hintergrund: Außergewöhnliche Belastungen wirken sich steuerlich nur aus, soweit die zumutbare Eigenbelastung überschritten wird. Deren Höhe hängt vom Gesamtbetrag der Einkünfte, Familienstand und von der Zahl der Kinder ab.
Das war geschehen
Der Steuerpflichtigen wurde ein Funktionstraining in Form von Wassergymnastik ärztlich verordnet. Sie entschied sich für das Training bei einem Reha-Verein, der die Kurse in einem für sie verkehrsgünstig gelegenen Fitnessstudio abhielt. Voraussetzung für die Kursteilnahme war neben dem Kostenbeitrag für das Funktionstraining und der Mitgliedschaft im Reha-Verein auch die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio. Letztere berechtigte die Steuerpflichtige aber auch zur Nutzung des Schwimmbads und der Sauna sowie zur Teilnahme an weiteren Kursen.
Die Krankenkasse erstattete nur die Kursgebühren für das Funktionstraining. Als Krankheitskosten und damit als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigte das Finanzamt nur die Mitgliedsbeiträge für den Reha-Verein.
Alle Instanzen sind sich einig
Einen Abzug der Mitgliedsbeiträge für das Fitnessstudio als außergewöhnliche Belastung lehnten das Finanzamt, das Finanzgericht (FG) Niedersachsen und auch der BFH ab.
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio: frei gewähltes Konsumverhalten
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio zählen grundsätzlich nicht zu den als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennenden zwangsläufig entstandenen Krankheitskosten. Denn das mit der Mitgliedschaft einhergehende Leistungsangebot wird auch von gesunden Menschen beansprucht, z. B., um die Gesundheit zu erhalten und die Freizeit sinnvoll zu gestalten.
Die Mitgliedsbeiträge sind der Steuerpflichtigen auch nicht deshalb zwangsläufig erwachsen, weil sie dem Fitnessstudio als Mitglied beitreten musste, um an dem ärztlich verordneten Funktionstraining teilnehmenzu können.
Die Entscheidung, das Funktionstraining in dem Fitnessstudio zu absolvieren, ist in erster Linie Folge eines frei gewählten Konsumverhaltens, das nach Ansicht des BFH eine steuererhebliche Zwangsläufigkeit nicht begründen kann.
Zudem steht dem Abzug der Mitgliedsbeiträge entgegen, dass die Steuerpflichtige hierdurch die Möglichkeit erhielt, auch weitere Leistungsangebote (jenseits des medizinisch indizierten Funktionstrainings) zu nutzen. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerpflichtige (wie von ihr vorgetragen) hiervon keinen Gebrauch gemacht hat.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 1/23
| Auch wenn noch unklar ist, ob die Ansprüche wegen der Reparaturkosten dem Leasinggeber oder dem Leasingnehmer zustehen, ergibt sich dessen schützenswertes Interesse an einer Feststellungsklage aus dem zu erwartenden Ausfallschaden während der Reparatur. So entschied es das Landgericht (LG) Halle. Denn das Gutachten weise vier Arbeitstage für die Reparatur aus. |
Haftung dem Grunde nach sollte geklärt werden
Wegen des streitigen Unfallhergangs wollte der Leasingnehmer zunächst die Haftung dem Grunde nach klären. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung reicht es für das Feststellungsinteresse aus, wenn sich in der Zukunft Schäden ergeben können.
Keine Leistungsklage erforderlich
Soweit Nutzungsausfall streitig ist, müsse ein Geschädigter bei einer noch nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung die Klage nicht zu einer Leistungsklage wegen der bereits entstandenen Schäden und einer Feststellungsklage wegen zukünftiger Schäden aufteilen.
Quelle | LG Halle, Urteilvom 10.10.2024, 4 O 224/24
| Aktuell sind betrügerische E-Mails im Umlauf, die vorgeben, vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu stammen. Die Empfänger werden darüber informiert, dass ihnen angeblich ein Bescheid zugesandt wurde und aufgefordert, eine offene Steuerschuld zu begleichen. Hierfür soll ein Link geöffnet werden, um weitere Informationen zu erhalten. |
Sollten Steuerpflichtige eine solche E-Mail erhalten haben, empfiehlt das BZSt in einer Mitteilung vom 26.2.2025, den Link nicht zu öffnen und die verdächtige E-Mail unverzüglich zu löschen. Weitere Informationen – u. a. die maßgeblichen Textbausteine – sind unter www.iww.de/s12547 aufgeführt.
| Wird ein erkranktes Tier von Dritten zum Tierarzt gebracht, haftet der Tierhalter für die Kosten der Notbehandlung. So sieht es das Amtsgericht (AG) München. |
Halterin nicht über Eingriff informiert
Die Beklagte ist Tierhalterin eines Katers mit den Namen Rocky. Rocky war im Mai 2022 für einige Tage abwesend und kam nicht nach Hause. Am 16.5.2022 fand eine unbekannte Person den Kater in einem bewusstlosen Zustand auf und alarmierte eine Münchener Tierrettung, die den Kater als Notfall in eine Münchener Tierklinik einlieferte. Dort wurde Rocky als Notfall tierärztlich behandelt. Da der Kater in ein Haustierzentralregister eingetragen war, konnte die Halterin des Katers verständigt werden. Diese holte Rocky am nächsten Tag ab. Durch die Behandlung waren Kosten in Höhe von 565,31 Euro entstanden, deren Übernahme die Beklagte jedoch ablehnte, da sie nicht zuvor informiert worden sei und sie Rocky zu seinem üblichen Tierarzt hätte bringen wollen.
Klage auf Zahlung der Rechnung
Die Tierklinik trat ihre Forderung an ein Abrechnungsbüro ab, das die Beklagte vor dem AG auf Zahlung der Rechnung verklagte. Das AG gab der Klage statt und verurteilte die Halterin zur Zahlung. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Forderung wirksam an die Klägerin abgetreten war, dass die Behandlung, wie behauptet, stattfand und die Kosten auch angemessen waren.
„Fremdes Geschäft“ besorgt
Zur Kostentragungspflicht der Beklagten führte es aus, dass die Tierklinik durch die Behandlung des Katers der Beklagten ein sogenanntes „fremdes Geschäft“ besorgt hat. Es handele sich bei der tierärztlichen Versorgung um ein fremdes Geschäft, da das Tier zwar auch aus eigener tierärztlicher Verpflichtung behandelt wurde, die Übernahme der Behandlung ihrer äußeren Erscheinung nach aber auch der Beklagten als Tierhalterin zugute kam. Denn die Behandlung ihres kranken Tieres ist bereits der äußeren Erscheinung nach dem Rechts- und Interessenkreis der Beklagten zuzuordnen.
Auch der Vortrag der Beklagten, sie hätte rechtzeitig über die Einlieferung des Katers informiert werden müssen, verfängt laut AG nicht. Soweit hiermit auf eine sog. „Nebenpflichtverletzung“ abgestellt werden soll, stehe dem entgegen, dass die Behandlungen des Katers nach den Zeugenaussagen, in Übereinstimmung mit der Behandlungsdokumentation, als Notfallmaßnahmen erfolgt seien.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 30.8.2024, 161 C 16714/22, PM 36/24
| Wer als Schüler über Monate den Datenbestand seiner Schule ausspioniert und verändert, darf in eine andere Schule überwiesen werden. Diese Schulordnungsmaßnahme hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren gebilligt. |
Schüler drang widerrechtlich in Schul-IT ein
Der Antragsteller besuchte bislang das 3. Kurshalbjahr der gymnasialen Oberstufe eines Berliner Gymnasiums. Zusammen mit zwei Mitschülern hatte er im letzten Schuljahr zunächst einen schulischen Rechner so präpariert, dass das nächste eingegebene Passwort protokolliert wurde. So erlangte das Trio das Administratorpasswort, um im Anschluss einen sog. „Keylogger“ zu installieren, der das Protokollieren aller eingegebenen Passwörter ermöglichte. Hierdurch konnten sie interne Informationen im geschützten Lehrerkanal mitlesen und organisatorische Daten der Schulleitung abrufen. Daraufhin beschloss die Schulaufsicht nach Anhörung der Schulkonferenz, den Antragsteller in eine andere Schule desselben Bildungsgangs zu überweisen.
Schwerste Ordnungsmaßnahme verhängt
Der hiergegen gerichtete Eilantrag hatte keinen Erfolg. Das VG hat die Entscheidung als für einen schulpflichtigen Schüler schwerste Ordnungsmaßnahme des Berliner Schulgesetzes gebilligt. Nach diesem Gesetz könnten Ordnungsmaßnahmen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit getroffen werden, wenn ein Schüler die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit beeinträchtigte oder andere am Schulleben Beteiligte gefährde, soweit Erziehungsmaßnahmen nicht zu einer Konfliktlösung geführt haben oder keine Aussicht auf Erfolg versprächen.
Diesen Vorgaben entspreche die getroffene Ordnungsmaßnahme, die sich im Rahmen des der Schule zustehenden pädagogischen Beurteilungsspielraums halte. Nach diesem Maßstab sei die Entscheidung nicht zu beanstanden. Das Vorgehen des Antragstellers stelle sich als schweres Fehlverhalten dar. Ein über Monate dauerndes Ausspionieren des Datenbestands der Schule beeinträchtige die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit. Der Antragsteller sei mit krimineller Energie vorgegangen, weshalb das schulische Vertrauen in die Integrität des Antragstellers nachhaltig und irreparabel zerstört worden sei. Angesichts der Schwere des Fehlverhaltens des Antragstellers mit einer mehrere Monate währenden Verletzung der Datenschutzbelange und der Privatsphäre von Lehrkräften und der Schülerschaft habe die Schule den Schulwechsel nicht – wie das Gesetz dies im Regelfall vorschreibe – zuvor schriftlich androhen müssen.
Die Maßnahme, so das VG, sei auch unter Würdigung des Umstands verhältnismäßig, dass der Antragsteller sich in seinem letzten Schuljahr vor dem Abitur befinde und die ersten Abiturprüfungen bereits in wenigen Monaten anstehen, weil er sich gegenüber den Vorwürfen völlig uneinsichtig gezeigt habe.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 13.11.2024, VG 3 L 610.24, PM 30/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über die Rückzahlung von Bankentgelten entschieden, die aufgrund einer unwirksamen Zustimmungsfiktionsklausel vereinbart werden sollten. Sein Urteil ist verbraucherfreundlich. |
Das war geschehen
Der Kläger begehrt Rückzahlung von geleisteten Kontoführungsentgelten und Gebühren für eine Girokarte. Nach einer in den AGB der beklagten Sparkasse enthaltenen unwirksamen Regelung gilt die Zustimmung des Kunden zu angebotenen Änderungen von Vertragsbedingungen oder Entgelten für Bankleistungen als erteilt, wenn der Kunde der Beklagten seine Ablehnung nicht innerhalb einer bestimmten Frist anzeigt (Zustimmungsfiktionsklausel).
Die beklagte Sparkasse informierte den Kläger im Oktober 2017 darüber, dass für dessen zwei Girokonten ab dem 1.1.2018 Kontoführungsentgelte und Gebühren für eine Girokarte zu zahlen seien. Daraufhin kündigte der Kläger eines der Girokonten. Die Beklagte erhob ab dem 1.1.2018 eine Grundgebühr für die Führung des anderen Girokontos in Höhe von monatlich 3,50 Euro und eine Gebühr für eine SparkassenCard in Höhe von jährlich 6 Euro. Der Kläger stimmte diesen Änderungen der Bedingungen nicht aktiv zu. Die Beklagte buchte die Entgelte in der Folgezeit vom Konto des Klägers ab. Im Juli 2021 widersprach dieser der Erhebung der Entgelte. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung der in den Jahren 2018 bis 2021 erhobenen Entgelte in Höhe von insgesamt 192 Euro sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger jeden weiteren künftigen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Einziehung nicht vereinbarter Bankentgelte nach dem Jahr 2021 entstehe.
Das Amtsgericht (AG) und das Landgericht (LG) haben die Klage abgewiesen.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 192 Euro zu zahlen. Der Kläger erhält die Kontoführungsentgelte und das Entgelt für die Girokarte zurück.
Der Kläger hat einen Rückzahlungsanspruch, weil die Beklagte die Entgelte ohne Rechtsgrund vereinnahmt hat. Er hat der von der Beklagten beabsichtigten Änderung der Entgeltbedingungen nicht bloß durch die fortgesetzte Nutzung des Girokontos zugestimmt. Die fortlaufende Nutzung eines Girokontos hat keinen objektiven Erklärungswert dahin, dass der Wille des Kontoinhabers neben dem Willen, einen konkreten Kontovorgang auszulösen, auch die Zustimmung zu geänderten Kontobedingungen der Sparkasse oder Bank umfasst. Der Zugang zu einem Girokonto ist in der Regel eine unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme am unbaren Zahlungsverkehr und von essenzieller Bedeutung für die uneingeschränkte Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben. Die Nutzung des Girokontos allein ist deshalb kein Ausdruck des Einverständnisses mit der Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Sparkasse oder Bank, sondern entspricht lediglich den Erfordernissen und Gewohnheiten des modernen Geschäfts- und Wirtschaftsverkehrs im Alltag.
Die von der Beklagten erhobenen Entgelte sind auch nicht durch eine Fiktion der Zustimmung des Klägers zu den geänderten Kontobedingungen entstanden. Eine Klausel in den Geschäftsbedingungen von Banken und Sparkassen, die eine solche Fiktion vorsieht, ist im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam.
Auch der Umstand, dass der Kläger die von der Beklagten erhobenen Entgelte über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren widerspruchslos gezahlt hat, führt nicht dazu, dass die Sparkasse die Entgelte behalten darf, so der BGH.
Quelle | BGH, Urteil vom 19.11.2024, XI ZR 139/23, PM 219/24
| Eine im Wohnraummietvertrag vereinbarte Indexklausel, die ausschließlich eine Erhöhungsmöglichkeit vorsieht, kann nach Ansicht des Landgerichts (LG) Berlin II weder individual- noch formularvertraglich vereinbart werden. |
Nachteilsverbot beachten
Den Mietvertragsparteien sei nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 557 b Abs. 1 BGB) die Vereinbarung einer näher definierten Indexmiete gestattet, allerdings nicht in Gestalt einer „upwards only“-Klausel. Das Verbot einer den Vermieter begünstigenden Einseitigkeitsklausel (sog. Nachteilsverbot) ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut. Der Gesetzgeber habe sich aber von einem entsprechenden Motiv leiten lassen, also bei fallendem Index müsse eine entsprechende Mietabsenkungsmöglichkeit eröffnet sein.
Vermieterseitige Allgemeine Geschäftsbedingung
Im Streitfall ergab sich bereits aus der Erscheinungsform des Textes und seinem Regelungsinhalt, dass es sich um von der Vermieterseite gestellte AGB handelte. In Anwendung der Unklarheitenregelung in § 305 c Abs. 2 BGB war die Vertragsbedingung als eine den Mieter unangemessen benachteiligende Einseitigkeitsklausel zu werten. Aber auch eine „im Einzelnen ausgehandelte “Individualvereinbarung sei angesichts des o. g. Nachteilsverbots unzulässig, so das LG.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 20.6.2024, 67 S 83/24
| Ein Mieter einer Dachgeschosswohnung entsorgte über sein Fenster Essensreste in eine Dachrinne. Das Amtsgericht (AG) Hannover hat entschieden: Der Mieter muss seine Wohnung räumen. |
Dachrinne durch Müll verstopft
Über sein Wohnungsfenster entsorgte der Mieter u. a. Nudeln, Fleisch, Gewürzgurken und Knochen. Die entsorgten Essensreste landeten in der Dachrinne und verstopften diese. Der Säuregehalt der Essenreste beschädigte die Dachrinne.
Vermieter kündigte zweimal
Die Vermieterin mahnte zunächst ab. Danach kündigte sie gegenüber dem rechtlichen Betreuer des Mieters fristlos und ordentlich.
Zudem installierte der Mieter durch einen mit einem Gitter geschützten Schacht im Bordstein eine Stromleitung für sein Mofa. Die Vermieterin kündigte daraufhin erneut.
Mietvertragliche Pflichten erheblich verletzt
Das AG überzeugte sich vor Ort, dass die Essensreste nur vom Mieter stammen können. Das Dachfenster befindet sich nur einen Meter von der Dachrinne entfernt. Andere Fenster oder Zugänge sind nicht in erreichbarer Nähe. Die Dachrinne war nur an der Stelle der gelagerten Essensreste beschädigt. Insoweit hat der Mieter durch die wiederholte Entsorgung von Essensresten über sein Wohnungsfenster die Mietsache beschädigt und damit seine mietvertraglichen Pflichten erheblich schuldhaft verletzt, sodass der Kündigungsausspruch nach gerichtlicher Überzeugung auch von einem Kündigungsgrund getragen war. Das AG gewährte dem Mieter über die noch andauernde Kündigungsfrist zum Auszug von sechs Wochen eine darüber hinausgehende Räumungsfrist von dreieinhalb Monaten.
Ein Antrag auf Räumungsschutz wurde mittlerweile zurückgewiesen.
Quelle | AG Hannover, Urteil vom 11.1.2024, 510 C 5216/23, PM vom 29.10.2024
| Das Oberlandesgericht (OLG) München hat jetzt entschieden: Ein handschriftliches Testament ist formunwirksam, wenn der Bedachte durch einen maschinenschriftlichen Adressaufkleber benannt werden soll. |
Ungewöhnliche Gestaltung einer vermeintlichen letztwilligen Verfügung
Neben den letzten beiden Zeilen in der rechten unteren Ecke eines Briefumschlags, auf dem eine letztwillige Verfügung stehen soll, befindet sich ein Adressaufkleber des Beschwerdeführers, der einen Alleinerbschein beantragt hat. Zwischen den Wörtern „Rest dir“ und dem Adressaufkleber befindet sich ein Pfeil, der auf den Namen des Beschwerdeführers weist. Die (vermeintliche) Unterschrift der Erblasserin befindet sich oberhalb dieses Adressaufklebers neben dem Wort „Schultertuch“.
Oberlandesgericht erkennt das Schriftstück mangels Schriftform nicht an
Das Schriftstück stelle schon keine wirksame Verfügung von Todes wegen dar, weil es nicht durchgängig handschriftlich verfasst wurde. Bei dem auf dem Schriftstück angebrachten Pfeil handele es sich um ein Symbol und damit nicht um Schrift. Hinsichtlich des Pfeils ist eine Überprüfung der Urheberschaft von vornherein ausgeschlossen.
Auch der Adressaufkleber, auf dem sich Name und Anschrift des Beschwerdeführers befinden, wahre nicht die vom Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehene Form (hier: § 2247 Abs. 1 BGB).
Quelle | OLG München, Urteil vom 23.7.2024, 33 Wx 329/23
| Ein Schwiegersohn ist zur Rückzahlung eines sechsstelligen Darlehens an seine Schwiegereltern verpflichtet. So entschied es das Landgericht (LG) Frankfurt am Main. Es hat dabei klargestellt, dass ein im familiären Umfeld überlassener größerer Geldbetrag im konkreten Fall keine reine Gefälligkeit darstellt und ein Rechtsanspruch auf Rückzahlung besteht. |
Schwiegersohn benötigte Geld und bekam es von den Schwiegereltern
Der später beklagte Schwiegersohn benötigte Geld, um ein geerbtes Wohnhaus erhalten zu können. Seine Bank hatte ihm bereits einen Kredit gekündigt. Um ihn zu unterstützen, nahmen seine Schwiegereltern ihrerseits ein Darlehen in Höhe von 250.000 Euro auf und lösten damit die Restschuld des Schwiegersohns aus dessen Kredit ab. Man war sich darüber einig, dass der Schwiegersohn Zinsen und Tilgung tragen sollte. So geschah es auch über mehrere Jahre hinweg.
Ehe wurde geschieden
Zwischenzeitlich wurde die Ehe des Schwiegersohns mit der Tochter der Schwiegereltern jedoch geschieden. Der Schwiegersohn stellte einige Zeit später seine Zahlungen mit der Begründung ein, er könne die finanzielle Belastung wegen der Unterhaltszahlungen an seine Exfrau nicht mehr tragen. Die ehemaligen Schwiegereltern verlangten von ihm jedoch die Zahlung des noch offenen Darlehensbetrags von rund 190.000 Euro.
Landgericht: kein freiwilliges Vermögensopfer der Schwiegereltern
Das LG gab der Klage der Schwiegermutter statt. Es folgte nicht der Argumentation des Schwiegersohns, die finanzielle Unterstützung durch seine ehemaligen Schwiegereltern sei ein freiwilliges Vermögensopfer, denn sie sei im familiären Raum wegen der schwierigen Lage der jungen Eheleute erfolgt.
Das LG stellte in seinem Urteil vielmehr fest, dass die Schwiegereltern und der Schwiegersohn ihrerseits mündlich einen Darlehensvertrag geschlossen hatten. Das Gericht führte aus: „Ob ein Vertrag geschlossen wurde, hängt maßgeblich vom Rechtsbindungswillen der Parteien ab. Bei einem sog. reinen Gefälligkeitsverhältnis fehlt der Rechtsbindungswille.“ Und weiter: „Die Parteien handeln bei einem Gefälligkeitsverhältnis (…) ausschließlich aus gesellschaftlicher Gefälligkeit, also aus Freundschaft, Kollegialität, Nachbarschaft oder sonstigem Altruismus.“
Zwar seien die Abreden hier im engen Familienkreis erfolgt, was für eine reine Gefälligkeit sprechen könne. Allerdings handelte es sich nach Ansicht des LG bei der Gewährung eines derart hohen Betrags keinesfalls um eine Gefälligkeit des täglichen Lebens. Auch die Interessenlage spreche für einen Rechtsbindungswillen. Denn das Risiko der Klägerin und ihres Ehemanns sei ganz erheblich gewesen.
Für den Schwiegersohn habe zudem die Gefahr bestanden, ohne die Gewährung des Geldbetrags sein Haus und damit sein Heim zu verlieren. Hinzu komme, dass der Beklagte selbst eingeräumt habe, dass die Parteien eine Schenkung des Geldes nicht gewollt hätten. Nachdem die Schwiegereltern den mündlich mit ihrem ehemaligen Schwiegersohn geschlossenen rechtsverbindlichen Darlehensvertrag gekündigt hatten, stünde ihnen ein Rückzahlungsanspruch zu.
Quelle | LG Frankfurt, Urteil vom 28.11.2024, 2-23 O 701/23, PM vom 19.12.2024
| Die Kündigung eines nach dem 31.12.2017 geschlossenen Architektenvertrags bedarf der Schriftform. Das regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (hier: §§ 650 q, 650 h BGB). Eine formwidrige Kündigung ist allerdings folgenlos, wenn die andere Partei die Kündigung hinnimmt. Es ist dann in der Regel eine stillschweigende Vertragsaufhebung anzunehmen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt klargestellt. |
Das OLG sagt aber auch: Ruft der Auftraggeber über einen längeren Zeitraum keine weiteren Planungs- und Beratungsleistungen beim Auftragnehmer ab, kann darin keine Kündigung gesehen werden.
Quelle | OLG Frankfurt, Urteil vom 11.5.2023, 22 U 19/22, rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde, BGH, Beschluss vom 15.5.2024, VII ZR 118/23
| Kann das Honorar für Planungsaufträge für Baumaßnahmen und Anlagen, die in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) nicht beschrieben sind, frei vereinbart werden? Gilt die HOAI dann nicht? Antworten hierzu lieferte jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg. |
Das war geschehen
Ein Ententeich sollte von einem stehenden Gewässer zu einer wasserwirtschaftlichen Anlage umgewidmet werden. Der bereits im Verlauf eines Trennsystems genutzte Teich sollte als künftiger Retentionsraum genutzt werden. Die Parteien stritten über die Berücksichtigung eines Umbauzuschlags. Der Auftraggeber meinte, dass ein Objekt i. S. d. HOAI 2013 vorhanden sein müsse, andernfalls sei ein Umbau nicht möglich. Hier läge jedoch kein solches „Objekt“ vor. Daher sei ein Umbauzuschlag ausgeschlossen. Daran ändere auch nichts, dass der Teich durch Menschenhand geschaffen worden sei.
So sah es das Oberlandesgericht
„Objekt“ oder nicht „Objekt“ – das war hier die Frage. Das OLG stützte sich zur Beantwortung auf ein Gerichtsgutachten. Der Sachverständige hatte festgestellt, dass der Ententeich von der Beklagten schon über einen längeren Zeittraum zur Ableitung von Mischwässern genutzt würde und überschüssige Wässer über ein Mönchsbauwerk in ein nahe gelegenes Gewässer abgeleitet werden. Es handele sich deshalb um eine ungenehmigte Anlage des Wasserbaus. Das Gericht bewilligte daher den Umbauzuschlag. Es handele sich um ein Ingenieurbauwerk (Anlage des Wasserbaus). Zwar würde durch die Planung nicht in die Konstruktion des Teichs eingegriffen, wohl aber in den Bestand. Dieser sei wesentlich, weil aus einer Anlage des Wasserbaus eine Anlage der Abwasserentsorgung entstehen sollte (Nutzungsänderung). Denn der Teich sollte bei dem umzustellenden Mischsystem in ein Trennsystem künftig nur noch den kontrollierten Abfluss von Regenwasser sicherstellen.
Das OLG: Durch die geplante Vertiefung des Teichs werde zwar auch in die Konstruktion eingegriffen. Die Wesentlichkeit dieses Eingriffs sei aber nicht vorgetragen worden, sodass sich das Wesentlichkeitskriterium nicht prüfen ließ. Wesentlich sei ein Eingriff, wenn er gegenüber dem Bestand einen Anteil von 10 bis 20 Prozent der Substanz ausmacht.
Quelle | OLG Naumburg, Urteil vom 16.5.2024, 2 U 96/23
| Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat einem Mann den Erlass der Grundsteuer verwehrt, obwohl er herangezogen worden war, ein Baudenkmal zu erhalten. |
Für den Erhalt eines Fachwerkhauses begehrte der Kläger Grundsteuererlass
Der Kläger erwarb im Jahr 2012 ein Grundstück, das mit einem barocken Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert bebaut ist. Für dieses zog ihn die beklagte Ortsgemeinde für das Kalenderjahr 2022 zur Zahlung von Grundsteuer B in Höhe von 110,60 Euro heran. Der Kläger beantragte daraufhin den Erlass der Grundsteuer, weil die Erhaltung des Gebäudes wegen seiner Denkmaleigenschaft im öffentlichen Interesse liege und für ihn unrentabel sei.
Den Antrag des Klägers auf Erlass der Grundsteuer lehnte die Beklagte ab. Insbesondere habe der Kläger die Unrentabilität des Gebäudes nicht hinreichend belegt.
Erfolgloser Widerspruch
Hiergegen wandte sich der Kläger zunächst erfolglos mittels Widerspruch und dann mit seiner Klage. Er habe denkmalschutzbedinge Sanierungsmaßnahmen vorgenommen, unter anderem das Fachwerk freigelegt. Ohne die Denkmaleigenschaft hätte er das Gebäude abgerissen und das Grundstück anderweitig verwertet. Es seien zudem Rückstellungen für weitere Sanierungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Aus Rentabilitätsgründen habe er überwiegend Eigenleistungen erbracht. Er erziele inzwischen Mieteinnahmen in angemessener Höhe, dennoch sei ihm ein Verlust entstanden.
Verwaltungsgericht sah Voraussetzungen für Erlass nicht gegeben
Die Klage hatte keinen Erfolg. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Grundsteuererlass für das Jahr 2022, so das VG. Das Grundsteuergesetz (hier: § 32 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 GrStG) sehe dies nur für Grundbesitz vor, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liege, wenn die erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile (Rohertrag) in der Regel unter den jährlichen Kosten lägen. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Zwar bestehe ein öffentliches Interesse am Erhalt des Fachwerkhauses des Klägers. Der Grundbesitz sei jedoch nicht unrentabel. Der Kläger habe in erster Linie im weitaus überwiegenden Umfang Kosten aufgewendet, um das Gebäude im Sinne seiner eigentlichen Bestimmung – zu Wohnzwecken – zu ertüchtigen. Es sei deshalb prognostisch nicht davon auszugehen, dass der Grundbesitz – was für einen Grundsteuererlass vorausgesetzt wird – dauerhaft unrentabel sei. Eine valide Bewertung der Unrentabilität sei zudem nicht möglich, weil der Kläger nicht alle dazu benötigten Unterlagen vorgelegt habe.
Schließlich fehle es jedenfalls an der erforderlichen Kausalität zwischen (unterstellter) Unrentabilität und öffentlichem Erhaltungsinteresse. Denn der Kläger habe das Gebäude in Kenntnis des Sanierungsbedarfs zum Marktwert erworben. Das Gebäude sei wegen seines mehr oder weniger veralteten und teilweise maroden Zustands sanierungsbedürftig gewesen, nicht aufgrund der Denkmaleigenschaft.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 25.6.2024, 5 K 172/24.KO, PM 16/24
| Gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sind u. a. Beschäftigte im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Ein solches Beschäftigungsverhältnis kann auch bei einem 15-jährigen Spieler einer Juniorenmannschaft eines Fußball-Bundesliga-Vereins mit einem „Fördervertrag“ vorliegen. So entschied es das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg. |
Komplexe Verletzung beim Ligaspiel
Ein damals 15-jähriger Fußballer erlitt in einem Spiel derfrüheren B-Junioren-Bundesliga im Herbst 2020 eine komplexe Läsion des Außenmeniskus und musste sich einer Operation und einer langwierigen Nachbehandlung unterziehen. Der 15-Jährige hatte, vertreten durch seine Eltern, einen „Fördervertrag“ als Vertragsspieler im Sinne der „Spielordnung“ des DFB unterschrieben und war in das Leistungszentrum des Vereins aufgenommen worden. Er unterwarf sich darin umfangreichen Verpflichtungen, insbesondere zur Teilnahme an allen Trainings und allen Spielen, ohne einen Anspruch auf Spieleinsatz zu haben. Auch hatte er etwa am dritten Tag einer Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche AU-Bescheinigung einzureichen. Es waren ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen im Jahr und ein „monatliches Grundgehalt“ von 251 Euro vereinbart.
Berufsgenossenschaft: kein Arbeitsunfall
Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, denn der Spieler sei nicht unfallversichert gewesen. Auch Verträge wie hier könnten jedenfalls vor dem 16. Geburtstag des Spielers kein Beschäftigungsverhältnis begründen. Außerdem sei das vereinbarte Gehalt so niedrig, dass es keine adäquate Gegenleistung, sondern allenfalls eine Aufwandsentschädigung darstelle.
Landessozialgericht gab Spieler Recht
Nachdem in erster Instanz vor dem Sozialgericht (SG) die Berufsgenossenschaft obsiegt hatte, hat nun im Berufungsverfahren das LSG dem Spieler Recht gegeben und ein Beschäftigungsverhältnis und damit einen Arbeitsunfall bejaht. Der „Fördervertrag“ gehe weit über die Pflichten eines bloßen Vereinsmitglieds hinaus und entspreche eher einem Arbeitsvertrag. Ausschlaggebend für diese Einordnung waren die umfassenden Verpflichtungen des jungen Mannes, die Regelungen zu Arbeitsunfähigkeit und Urlaub sowie das vereinbarte „Grundgehalt“, das ausdrücklich als einkommensteuerpflichtig bezeichnet wurde und auch über der steuerfreien „Übungsleiterpauschale“ nach dem Einkommensteuerrecht lag.
Verbotene Kinderarbeit nicht gegeben
Dass der Spieler bei dem Unfall noch keine 16 Jahre alt war, stand der Einstufung als „Beschäftigter“ nicht entgegen. Insbesondere lag keine verbotene Kinderarbeit vor, weil er die Vollzeitschulpflicht nach baden-württembergischem Landesrecht erfüllt hatte. Ebenso schließen die Regelungen des DFB nicht aus, dass bereits ein 15-jähriger Fußballspieler ein Beschäftigter ist. Zwar kann er frühestens ab dem 16. Geburtstag eine Spielerlaubnis für eine Lizenzmannschaft oder erste Herrenmannschaft erhalten. Diese bloße Möglichkeit ändert aber nicht die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere, wenn der Spieler mitten in einer laufenden Saison 16 wird. Sie schließt nicht aus, dass schon zuvor eine Beschäftigung vorlag. Für die Entscheidung war danach nicht die Grenze zu den Lizenzmannschaften maßgeblich, sondern die Grenze zwischen Vereinsamateuren und Vertragsspielern.
Die Entscheidung des LSG, wenn sie rechtskräftig wird, bedeutet, dass die zuständige Berufsgenossenschaft den Unfall entschädigen muss. Denn es handelt sich um einen Unfall infolge einer versicherten Tätigkeit und damit um einen Arbeitsunfall.
Quelle | LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.1.2025, L 9 U 3318/23, PM des LSG
| Das Verschenken von Geschäftsanteilen an leitende Mitarbeiter zur Sicherung der Unternehmensnachfolge führt nicht ohne Weiteres zu steuerpflichtigem Arbeitslohn bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. So lautet eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Beachten Sie | Wird eine Mitarbeiterbeteiligung nicht zum Marktpreis übertragen, liegt der geldwerte Vorteil in der gegenüber dem marktüblichen Preis bestehenden verbilligten Übertragung. Arbeitslohn setzt aber weiter voraus, dass der Vorteil dem Arbeitnehmer „für“ seine Arbeitsleistung gewährt wird.
Das war geschehen
Die Arbeitnehmerin war seit vielen Jahren in der Führungsebene eines kleineren Unternehmens tätig. Da der Sohn der Gründungsgesellschafter als Nachfolger ausschied, beschlossen sie, die Leitung des Unternehmens zur Sicherung der Unternehmensfortführung in die Hände der Arbeitnehmerin und der weiteren Mitglieder der Führungsebene zu legen. Hierzu übertrugen sie jeweils 5,08 % der Anteile schenkweise an die Arbeitnehmerin sowie vier weitere Personen.
Finanzamt und gerichtliche Instanzen unterschiedlicher Auffassung
Das Finanzamt sah den in der Übertragung liegenden geldwerten Vorteil als Arbeitslohn an und unterwarf diesen der Besteuerung. Demgegenüber entschied das Finanzgericht (FG) Sachsen-Anhalt, dass sich der Vorteil aus der Übertragung der Gesellschaftsanteile nicht als Ertrag der nichtselbstständigen Arbeit der Angestellten darstellt. Dies hat der BFH nun bestätigt.
Regelung der Unternehmensnachfolge stand im Vordergrund
Auch, wenn die Anteilsübertragung mit dem Arbeitsverhältnis der Angestellten zusammenhängt, ist sie durch dieses nicht (maßgeblich) veranlasst. Denn entscheidendes Motiv für die Übertragung war für alle Beteiligten erkennbar die Regelung der Unternehmensnachfolge.
Beachten Sie | Der in der schenkweisen Übertragung aus gesellschaftsrechtlichen Gründen liegende Vorteil stellt in dieser Situation keine Entlohnung der leitenden Mitarbeiter für in der Vergangenheit erbrachte oder in Zukunft zu erbringende Dienste dar.
Als maßgebliche Indizien gegen Arbeitslohn sah der BFH auch folgende Aspekte an:
- Die Anteilsübertragung war im Streitfall nicht an den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geknüpft.
- Der vom Finanzamt angenommene Vorteil fiel im Vergleich zu den Bruttoarbeitslöhnen der Beschenkten deutlich aus dem Rahmen.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.11.2024, VI R 21/22, PM 4/25 vom 16.1.2025
| Seit dem 1.1.2025 kann die Kleinunternehmerregelung auch erstmalig im EU-Ausland in Anspruch genommen werden. Die Voraussetzungen hierfür regelt das Umsatzsteuergesetz (hier: § 19 a UstG: „Besonderes Meldeverfahren für die Anwendung der Steuerbefreiung in einem anderen Mitgliedstaat“). Weitere Informationen finden interessierte Unternehmer auch im Onlineportal des für dieses Verfahren zuständigen Bundeszentralamts für Steuern (BZSt). |
Von inländischen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze sind von der Umsatzsteuer befreit. Im Zuge des Jahressteuergesetzes 2024 erfolgten viele Anpassungen am bisherigen System. Zudem kann die Kleinunternehmerregelung nun auch erstmals im EU-Ausland beansprucht werden (sogenannte Europäische-Kleinunternehmerregelung, kurz EU-KU-Regelung).
In Deutschland ansässige Unternehmer, die an der EU-KU-Regelung teilnehmen möchten, müssen ihre Teilnahme beim BZSt elektronisch beantragen. In diesem Antrag kann der Unternehmer sich für die Regelung registrieren und auswählen, in welchen EU-Mitgliedstaaten er die Regelung in Anspruch nehmen möchte.
Beachten Sie | Für die Antragstellung in Deutschland steht ausschließlich das Onlineportal des BZSt zur Verfügung.
Die Teilnahme an der Regelung ist ab dem Tag möglich, an dem der Unternehmer für die EU-KU-Regelung durch das BZSt zugelassen und damit zum Verfahren registriert wird.
Für die EU-KU-Regelung registrierte Unternehmer können nur im Onlineportal des BZSt Anpassungen zu Registrierung und Teilnahme an der EU-KU-Regelung vornehmen, z. B. Registrierungsdaten ändern, Umsatzmeldungen übermitteln und sich vom Verfahren abmelden.
Quelle | BZSt
| Das Verwaltungsgericht (VG) Osnabrück hat den Antrag der Betreiberin eines „Automatenshops“ auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer noch anhängigen Klage abgelehnt. Hintergrund ist eine Anordnung der Stadt Papenburg, nach der die Antragstellerin ihre in dem „Automatenshop“ befindlichen Verkaufsautomaten an Sonn- und Feiertagen höchstens drei Stunden außerhalb der ortsüblichen Gottesdienstzeiten betreiben darf. |
„Automatenshop“ mit elf Automaten
Der streitgegenständliche „Automatenshop“ verfügt über elf Automaten, die Rauchwaren, Hygieneartikel, alkoholfreie und alkoholhaltige Getränke sowie Snacks anbieten. Außerdem befinden sich in dem Raum, der durchgehend zugänglich und videoüberwacht ist, ein Kaffee‑, ein Box- und ein Schlagkraftautomat („Hau den Lukas“) sowie ein Airhockeytisch.
Die Stadt Papenburg meint, dass der „Automatenshop“ hinsichtlich der Öffnungszeiten den Regelungen des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten (NLöffVZG) unterliege. Folglich müsse sich die Antragstellerin an das grundsätzliche Verbot der Sonn- und Feiertagsöffnung halten. Die Behörde ordnete die sofortige Vollziehung ihrer Anordnung an. Der hiergegen gerichtete Eilantrag hatte keinen Erfolg.
Anordnung wohl rechtmäßig
Das VG folgte hier dem Vortrag der Antragsgegnerin. So sei die o. g. Anordnung voraussichtlich rechtmäßig. Zwar falle ein einzelner Warenautomat nicht unter die Regelungen des NLöffVZG. Der streitgegenständliche „Automatenshop“ mit elf Warenautomaten sei allerdings als Verkaufsstelle im Sinne des § 1 Abs. 1 Alt. 1, § 2 Abs. 1 S. 1 NLöffVZG anzusehen. So sei der Shop eine Einrichtung, in der von einer festen Stelle aus ständig Waren verkauft werden. Nach § 2 Abs. 1 S. 2 NLöffVZG gehören zu Verkaufsstellen außer Ladengeschäften aller Art auch Kioske. Einem solchen ähnele der „Automatenshop“.
Sonn- und Feiertagsruhe beeinträchtigt
Es sei hier unerheblich, dass kein persönlicher Verkauf stattfinde. Die grundgesetzlich geschützte Sonn- und Feiertagsruhe sei durch das Angebot dennoch beeinträchtigt. Der Niedersächsische Gesetzgeber habe – bisher – nicht deutlich gemacht, dass automatisierte oder digitale Verkaufsstellen nicht unter diese Regelung fallen sollen.
Weitere Anordnung
Die Stadt Papenburg hatte darüber hinaus mit einer weiteren Anordnung die Antragstellerin aufgefordert, eine Gaststättenanzeige einzureichen, sofern sie über ihre Automaten weiterhin Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle anbiete. Die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme wurde ebenfalls angeordnet. Dem hiergegen eingereichten Eilantrag gab das VG mit weiterem Beschluss statt.
So sei nach der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der streitgegenständliche „Automatenshop“ nicht dem Gaststättengewerbe zuzuordnen. Die Einrichtung vermittele nach Aktenlage vielmehr den Eindruck, dass die weit überwiegende Anzahl der Verkaufsgeschäfte mit dem Ziel der Mitnahme erfolge. Insofern sei der Antragstellerin darin beizupflichten, dass der Raum insbesondere wegen des Fehlens von Sitz- oder Abstellmöglichkeiten im Kern keine Anreize setze, sich längerfristig zum Getränkeverzehr dort aufzuhalten, auch wenn er zudem über Vergnügungsautomaten verfüge.
Quelle | VG Osnabrück, Beschluss vom 14.1.2025, 1 B 61/24 und 1 B 79/24, PM 1/25
| Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden: Wer einen Immobilienkredit nur gegen eine Provision gewährt, muss eindeutig angeben, ob die Provision von der Laufzeit des Kredits abhängig ist oder nicht. Fehlt es an dieser Angabe, ist von der Abhängigkeit von der Laufzeit auszugehen. |
Das kann erhebliche Konsequenzen haben. Die Kreditnehmerin hatte für die Gewährung des Kredits eine Provision zu zahlen. Weit vor dem Ablauf der gewährten Laufzeit zahlte sie den Kredit dann allerdings zurück. Zugleich verlangte sie nun anteilig die Provision zurück – zu Recht, wie der EuGH annahm.
Der EuGH: In der fehlenden Belehrung über den Umstand der Unabhängigkeit der Provision von der Laufzeit liegt eine unangemessene Benachteiligung jedenfalls eines Verbrauchers.
Quelle | EuGH, Urteil vom 17.10.2024, C-76/22
| Gewähren Luftfahrtunternehmen ihren Arbeitnehmern unentgeltlich oder verbilligt Flüge, ist der geldwerte Vorteil daraus zu versteuern. Für die Bewertung gelten besondere Regeln. Ein aktueller koordinierter Ländererlass regelt die Bewertung für 2025. |
Der Wert der Flüge kann grundsätzlich gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 8 Abs. 2 oder Abs. 3 EStG) mit einem Rabattfreibetrag in Höhe von 1.080 Euro im Kalenderjahr ermittelt werden.
Beachten Sie | In den Fällen der Bewertung nach § 8 Abs. 2 EStG können die Flüge mit Durchschnittswerten angesetzt werden. Dabei kommt es u. a. auf die Flugkilometer an und darauf, ob Beschränkungen im Reservierungsstatus bestehen.
Quelle | Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 16.12.2024
| Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung, die der Erblasser bereits zu Lebzeiten an ein Bestattungsunternehmen abgetreten hat, erhöhen als Sachleistungsanspruch der Erben den Nachlass. Im Gegenzug sind jedoch die Bestattungskosten in vollem Umfang als Nachlassverbindlichkeiten steuermindernd zu berücksichtigen. In einem weiteren Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) Folgendes klargestellt: Verzichtet ein Kind gegenüber einem Elternteil auf seinen gesetzlichen Erbteil, hat dieser Verzicht nicht zur Folge, dass beim Versterben des Elternteils die Enkel des Erblassers den Freibetrag i. H. von 400.000 Euro erhalten. Vielmehr erhält der Enkel nur einen Freibetrag i. H. von 200.000 Euro. |
Urteil 1: Bestattungskosten bei Sterbegeldversicherung
Über folgenden Fall musste der BFH jüngst entscheiden: Der Kläger und seine Schwester sind Erben ihrer verstorbenen Tante (Erblasserin). Diese hatte eine Sterbegeldversicherung abgeschlossen und das Bezugsrecht an ein Bestattungsunternehmen zur Deckung ihrer Bestattungskosten abgetreten. Nach dem Tod stellte das Bestattungsinstitut für seine Leistungen einen Betrag i. H. von 11.654 Euro in Rechnung. Davon bezahlte die Sterbegeldversicherung 6.864 Euro.
Das Finanzamt setzte gegen den Kläger Erbschaftsteuer fest und rechnete den Sachleistungsanspruch auf Bestattungsleistungen (6.864 Euro) zum Nachlass. Für die geltend gemachten Nachlassverbindlichkeiten (einschließlich der Kosten für die Bestattung) setzte es nur die Pauschale für Erbfallkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i. H. von 10.300 Euro an. Die nach dem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) Münster als unbegründet zurück.
Der BFH hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Aufgrund der von der Erblasserin abgeschlossenen Sterbegeldversicherung ist ein Sachleistungsanspruch in Bezug auf die Bestattung auf die Erben übergegangen. Dieser fiel (wie das FG zutreffend entschieden hat) in Höhe der Versicherungsleistung von 6.864 Euro in den Nachlass und erhöhte die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer.
Im Unterschied zum FG ist der BFH aber der Meinung, dass die Bestattungskosten nicht nur in Höhe der Pauschale von 10.300 Euro abzugsfähig sind. Sie sind vielmehr in vollem Umfang als Nachlassverbindlichkeiten bei der Bemessung der Erbschaftsteuer steuermindernd zu berücksichtigen. Da die Feststellungen des FG nicht ausreichten, um die Höhe der insgesamt zu berücksichtigenden Nachlassverbindlichkeiten zu bestimmen, wurde das Verfahren zurückverwiesen.
Beachten Sie | Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde der Erbfallkostenpauschbetrag von 10.300 Euro auf 15.000 Euro erhöht. Nach der Gesetzesbegründung soll so ein individueller Kostennachweis in der Mehrzahl der Fälle vermieden werden können. Die Erhöhung gilt für Erwerbe, für die die Steuer ab dem Monat entsteht, der der Gesetzesverkündung folgt.
Urteil 2: Freibeträge
Hintergrund: Je näher das verwandtschaftliche Verhältnis ist, umso höher ist bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer der Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG. So gelten für Kinder 400.000 Euro. Dieser Betrag gilt auch für die Enkelkinder, sofern die Kinder des Erblassers bereits vorher gestorben sind. Bei Enkeln, deren Eltern noch leben, beträgt der Freibetrag 200.000 Euro.
Im Streitfall hatte der Vater des Klägers gegenüber seinem eigenen Vater (dem Großvater des Klägers) vertraglich auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet. Als der Großvater verstarb, wurde sein Enkel gesetzlicher Erbe. Dieser beantragte beim Finanzamt, ihm für die Erbschaft einen Freibetrag i. H. von 400.000 Euro zu gewähren. Das Finanzamt bewilligte aber nur einen Freibetrag i. H. von 200.000 Euro, da sein eigener Vater zwar auf seinen gesetzlichen Erbteil verzichtet hatte, aber beim Tod des Großvaters noch lebte.
Die Klage vor dem FG Niedersachsen war ebenso erfolglos wie die Revision beim BFH.
Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG benennt als Empfänger des höheren Freibetrags „Kinder verstorbener Kinder“. Diese Formulierung ist dahingehend zu verstehen, dass die Kinder des Erblassers tatsächlich verstorben sind. Die Vorversterbensfiktion des § 2346 Abs. 1 S. 2 BGB bewirkt nicht, dass das erbverzichtende Kind als „verstorbenes Kind“ im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG gilt und dessen Abkömmlinge den Freibetrag i. H. von 400.000 Euro erhalten.
Die Freibetragsregelungen sollen die Abkömmlinge der ersten Generation (Kinder) begünstigen. Bei den Enkeln hat der Gesetzgeber die familiäre Verbundenheit nicht als so eng angesehen und gewährt somit einen geringeren Freibetrag (200.000 Euro). Lediglich, wenn die eigene Elterngeneration vorverstorben ist, sieht der Gesetzgeber die Großeltern für das Auskommen der „verwaisten Enkel“ in der Pflicht und gewährt ihnen den höheren Freibetrag von 400.000 Euro.
Beachten Sie | Eine Ausdehnung des höheren Freibetrags auf Kinder, die nur vom Gesetz als verstorben angesehen werden, die aber tatsächlich bei Tod des Großelternteils noch leben, hat der Gesetzgeber nicht gewollt.
Quelle | Nachlassverbindlichkeiten: BFH, Urteil vom 10.7.2024, II R 31/21, PM 43/24 vom 14.11.2024; Freibeträge: BFH, Urteil vom 31.7.2024, II R 13/22, PM 41/24 vom 14.11.2024
| Wird ein zur Finanzierung eines vermieteten Grundstücks aufgenommenes Darlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung getilgt, ist die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften ausVermietung und Verpachtung abziehbar. Das gilt zumindest dann, wenn das Grundstück weiterhin zur Vermietung genutzt wird. |
Das war geschehen
Eheleute erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus insgesamt fünf Vermietungsobjekten. Dazu gehörten die Objekte X1 und X2.
Für die im Jahr 2013 erfolgte Anschaffung der beiden Objekte nahmen die Eheleute zwei Darlehen auf. Ein Darlehen über 200.000 Euro diente der Finanzierung des Objekts X1. Mit dem anderen Darlehen über 195.000 Euro wurde das Objekt X2 finanziert. Eine den Eheleuten ebenfalls gehörende Immobilie Y diente der Bank als Zusatzsicherheit. Die Immobilie Y wurde von den Eheleuten zunächst selbst bewohnt und diente anschließend zur Erzielung von Vermietungseinkünften.
Im Streitjahr 2020 veräußerten die Eheleute die Immobilie Y. Im Zuge dieser Veräußerung lösten sie auch die beiden Darlehen für die Objekte X1 und X2 ab. Denn die Bank war nicht bereit, den Wegfall des „Sicherungsobjekts Y“ hinzunehmen oder durch eine andere Sicherung zu ersetzen. Dafür fielen Vorfälligkeitsentschädigungen an (4.338 Euro und 4.280 Euro).
In der Steuererklärung für 2020 wich das Finanzamt von den Angaben der Eheleute ab, u. a. berücksichtigte es die Vorfälligkeitsentschädigungen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, weil die Vorfälligkeitsentschädigungen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung der Immobilie Y stünden. Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen sah das aber anders.
Finanzgericht: Auch Vorfälligkeitsentschädigungen sind Schuldzinsen
Schuldzinsen sind als Werbungskosten abzugsfähig, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Der Begriff der Schuldzinsen umfasst auch eine zur vorzeitigen Ablösung eines Darlehens gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung. Denn Vorfälligkeitsentschädigungen sind ein Nutzungsentgelt für das auf die verkürzte Laufzeit in Anspruch genommene Fremdkapital. Wird ein zur Finanzierung eines vermieteten Grundstücks aufgenommenes Darlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung getilgt, das Grundstück jedoch weiterhin zur Vermietung genutzt, ist die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.
Im Streitfall standen die beiden Darlehen niemals in einem Veranlassungszusammenhang mit dem Objekt Y. Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Rechtsprechung einen Veranlassungszusammenhang der Vorfälligkeitszinsen mit einer Veräußerung des Grundbesitzes sieht, betrifft dies Fälle, in denen es um die Veräußerung des mit den Darlehen finanzierten Grundbesitzes geht.
Dies trifft für das Objekt Y jedoch nicht zu. Denn für dieses Objekt wurden die Darlehen ursprünglich nicht aufgenommen. Und durch die Veräußerung des nur als Sicherungsobjekt dienenden Grundstücks Y hat sich der Veranlassungszusammenhang nicht geändert.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 30.10.2024, 3 K 145/23; BFH, Urteil vom 11.2.2014, IX R 42/13
| Bei einem (echten) Verkehrsunfall muss die Haftpflichtversicherung für die Schäden aufkommen. Aber was ist, wenn die Versicherung von einer Unfallmanipulation ausgeht? Dann muss sie beweisen, dass der Geschädigte mit dem „Unfall“ einverstanden war. Das Landgericht (LG) Lübeck hat eine solche Manipulation kürzlich verneint und die Versicherung zur Zahlung verurteilt. |
War der Unfall manipuliert?
Ein junger Mann feierte eine Party im Hause der Eltern. Um zwei Uhr nachts fuhr ein Gast rückwärts gegen das Auto des Gastgebervaters. Der Vater forderte die Haftpflichtversicherung zum Schadenersatz auf, doch die weigerte sich. Sie meinte, der Gast sei – in Absprache mit dem Gastgeber – absichtlich gegen das Auto gefahren, um die Versicherungssumme zu kassieren.
Landgericht: Es gab keine Verabredung zum Unfall
Das Gericht hat entschieden, dass die Versicherung die Schäden ersetzen muss. Der Fahrer und weitere Partygäste wurden zu dem Vorfall befragt und ein technischer Sachverständiger hinzugezogen. Daraus habe sich ergeben, dass der Fahrer aus Versehen gegen das Auto des Vaters gefahren sei und es gerade keine Verabredung zu einem manipulierten Unfall gegeben habe.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Lübeck, Urteil vom 26.9.2024, 3 O 193/22, PM vom 11.11.2024
| Bei kleinen unfallbedingten Schäden darf der Geschädigte einen Schadengutachter einschalten. Wenn der statt eines umfassenden Gutachtens ein dem Schadenumfang angepasstes „schmales“ Produkt zu einem Preis von ca. 100 Euro erstellt, ist das in Ordnung. So entschied aktuell das Amtsgericht (AG) Münster. |
Das AG: Weder sei ein Kostenvoranschlag generell kostenlos noch sei es sicher, dass die Werkstatt die Kosten dafür später verrechnet.
Das AG Münster weiter: Bei Schäden am Stoßfänger kann es auch sachgerecht sein, diesen demontieren zu lassen, um darunter liegende Schäden auszuschließen. Die dafür entstehenden Kosten muss ebenfalls der Schädiger erstatten.
Quelle | AG Münster, Urteil vom 12.9.2024, 8 C 477/24
| Jeder Fahrgast ist verpflichtet, sich in einem Linienbus festzuhalten. Diesen Grundsatz hat das Amtsgericht (AG) München jetzt noch einmal bekräftigt. |
Bus machte Vollbremsung
Der zum Unfallzeitpunkt 76-jährige Kläger fuhr als Fahrgast in einem Busanhänger eines Busses . Das Busgespann fuhr auf der Rechtsabbiegespur auf eine rote Ampel zu, als ein PKW kurz vor diesem auf dieselbe Abbiegespur wechselte, weshalb der Busfahrer eine Vollbremsung durchführte.
Der Kläger behauptete, er sei hierdurch gestürzt und habe Prellungen im Bereich der Brustwirbelsäule und des Beckens erlitten, zudem sei sein Daumensattelgelenk überdehnt worden. Er habe vier Wochen unter Schmerzen gelitten und sei bis heute nicht beschwerdefrei. Vor dem AG verklagte er den Fahrer des überholenden PKW sowie dessen Versicherung auf Zahlung von 2.000 Euro Schmerzensgeld sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Vollständiges Mitverschulden des Fahrgasts
Das AG wies die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme ab. Es ging zwar davon aus, dass die Fahrweise des beklagten PKW-Fahrers zum Sturz des Klägers beigetragen habe und dass die StVO ihm für den Spurwechsel ein Höchstmaß an Sorgfaltspflicht auferlege, gegen die er verstoßen habe. Die Haftung des PKW-Fahrers sei jedoch aufgrund des vollständigen Mitverschuldens des Klägers ausgeschlossen. Denn jeder Fahrgast sei verpflichtet, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen. Dies diene dem Schutz der Fahrgäste.
Die klägerseits eingenommene stehende Position war nicht geeignet, um bei einer Bremssituation gesichert zu sein. Vorliegend zeigte nämlich ein Video der Businnenkamera, dass der Kläger sich lediglich mit der linken Hand an dem Handlauf festhielt und seine rechte Hand auf dem mitgeführten Einkaufstrolley ruhte. Die Stabilisierung mit der linken Hand sei zu schwach, um ruckartige Bremsungen auszugleichen. Der Trolley biete keinen Halt, da er selbst bei der Vollbremsung herumgewirbelt wird, wie auf dem Video zu sehen sei. Der Trolley stellte eher eine Behinderung dar, weil der Kläger ihn auch während des Sturzes nicht losließ und sich daher auch mit der rechten Hand keinen festen Halt suchte.
Weitere Fahrgäste kamen nicht zu Fall
Dies zeige sich auch daran, dass keine anderen Passagiere im Rahmen der Vollbremsung stürzten, soweit auf den eingesehenen Videos der Businnenkamera zu sehen ist. Vielmehr hielt sich z. B. eine ältere Dame, die einen der Sitzplätze direkt hinter dem Kläger belegt hatte, an der dortigen Stange fest und rutschte (im Gegensatz zu ihrer Tasche) nicht von ihrem Sitz.
So sei dem Kläger – auch aufgrund seines Alters und des Mitführens des Trolleys – vorzuwerfen, dass er sich nicht hingesetzt hat. Wie auf dem Video zu sehen sei, waren ausreichend Sitzplätze vorhanden, auch wenn der Kläger das Gegenteil behauptete. Direkt hinter dem Kläger sei z. B. ein Sitzplatz frei gewesen, der überdies eine Haltestange zum Festhalten geboten hätte.
Vollbremsung nicht überraschend
Es habe sich hier auch nicht um eine völlig überraschende – wenn auch heftige – Vollbremsung gehandelt, da im Stadtverkehr regelmäßig mit heftigen Bremsungen gerechnet werden müsse. Hinzu komme, dass der Bus unstreitig bereits ca. 50 m vorher leicht gebremst hatte, wodurch der Kläger hätte feststellen können, dass seine Position ihm einen ungenügenden Halt verschaffte.
Quelle | AG München, Urteil vom 18.10.2024, 338 C 15281/24, PM 35/24
| Ob ein Partner trotz Kontaktverbots nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) an einer WhatsApp-Gruppe teilnehmen darf, der auch seine frühere Lebensgefährtin angehört, hängt von der Größe der Gruppe ab. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm. |
Annäherung mittels Fernkommunikationsmitteln untersagt
Gegenüber dem ehemaligen Lebensgefährten einer Frau bestand ein Näherungs-, Abstands- und Kontaktverbot nach dem GewSchG. Er durfte sich mit dieser danach auch nicht mittels Fernkommunikationsmitteln in Verbindung setzen. Die Frau wandte sich gerichtlich u. a. dagegen, dass der Mann eine WhatsApp-Nachricht „Da kann sie wieder lachen“ in eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe einer Laufgruppe abgesetzt hatte. Das AG sah darin einen Verstoß gegen o. g. Verbot. Dieses umfasse jede Kommunikation mit der Frau über soziale Medien.
Das OLG widersprach dem AG. Es sei vielmehr zwischen kleinen und größeren WhatsApp-Gruppen zu differenzieren. Im konkreten Fall verneinte es daher einen Verstoß gegen das Kontaktverbot und stellte fest, dass nicht generell ein Verstoß gegen das Kontaktverbot angenommen werden kann, wenn etwas in einer gemeinsamen WhatsApp-Gruppe gepostet wird. Jenseits persönlich an die verletzte Person gerichteter Nachrichten sei vielmehr danach zu differenzieren, ob es sich um Gruppen von drei bis vier Teilnehmern handelt, oder um eine größere Gruppe.
So sind größere WhatsApp-Gruppen zu beurteilen
Bei größeren Gruppen trete die mit einem Post stets auch verbundene persönliche Ansprache des einzelnen Mitglieds meist so in den Hintergrund, dass ein grundsätzliches Verbot, Nachrichten an die Gruppe zu schicken, zum Schutz vor Nachstellungen und Belästigungen nicht erforderlich ist. Würde man alle Aktivitäten in einer WhatsApp-Gruppe verbieten, würde die Handlungsfreiheit des Betroffenen zu sehr eingeengt. Das OLG hob hervor, dass der Mann hier die Frau auch nicht persönlich angesprochen hatte.
Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 24.9.2024, 13 WF 105/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Revisionen zweier Angeklagter gegen ein Urteil des Landgerichts (LG) Mönchengladbach verworfen, mit dem sie jeweils wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu Geldstrafen von 180 Tagessätzen verurteilt worden sind. |
Nach den vom LG getroffenen Feststellungen nahm die später verstorbene, damals 13-jährige und an Diabetes mellitus Typ I erkrankte Schülerin E. an einer mehrtägigen, klassen- und jahrgangsübergreifenden Studienfahrt ihrer Schule nach London teil. Die beiden Angeklagten, die an der Schule als Lehrkräfte unterrichteten, waren gleichberechtigt für die Organisation und Durchführung der Fahrt zuständig. Ihnen war weder die später Verstorbene noch deren Erkrankung bekannt. Sie nahmen keinen Einblick in die Schulakten, in denen die Erkrankung der Schülerin vermerkt war, informierten sich hierüber nicht bei den damaligen Klassen- und Fachlehrern und fragten chronische Vorerkrankungen nicht schriftlich ab. E. erbrach sich in London mehrfach, klagte über Kopfschmerzen und Übelkeit, war müde und körperlich geschwächt. Obwohl zwei Mitschülerinnen die beiden Angeklagten mehrfach auf den fortdauernd schlechten Gesundheitszustand von E. hinwiesen, hielten diese keine Nachschau. E. verstarb noch in London an einem Herzinfarkt in Folge einer schweren diabetischen Stoffwechselentgleisung.
Die durch die Sachrügen der Angeklagten veranlasste Überprüfung des Urteils durch den BGH hat einen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil nicht erkennen lassen. Das LG hat insbesondere rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Angeklagten gegen die ihnen obliegende Sorgfalt objektiv und subjektiv verstießen. Die erhobenen Verfahrensrügen sind ebenfalls erfolglos geblieben. Das Verfahren ist damit rechtskräftig abgeschlossen.
Quelle | BGH, Beschluss vom 18.12.2024, 3 StR 292/24, PM 6/25
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen hat jetzt die Stadt Gelsenkirchen verpflichtet, einen sogenannten „Behindertenparkplatz“ vor der Wohnung eines schwerbehinderten Mannes einzurichten. |
Kläger hatte außergewöhnliche Gehbehinderung
Der 77-jährige Kläger ist schwerbehindert mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung. Für derart eingeschränkte Personen sieht die Straßenverkehrsordnung (hier: § 45 Abs. 1 b) Nr. 2 StVO) die Möglichkeit vor, einen sogenannten „Behindertenparkplatz“ auszuweisen. In der unmittelbaren Nähe zur Wohnung kann dies auch personenbezogen („Mit Ausweis Nr…“) erfolgen.
Voraussetzung ist allerdings neben dem Umstand, dass in dem Bereich nicht ausreichend freie Parkplätze auf der öffentlichen Straße vorhanden sind und dass die betroffene Person keine anderweitige Möglichkeit zum Abstellen außerhalb des öffentlichen Straßenraums hat – etwa eine Garage oder Stellplatz auf dem Grundstück. Zwar verfügt das Haus des Klägers über eine Garage. Der Kläger hat aufgrund seiner Behinderung jedoch keine Möglichkeit, von der im Keller gelegenen Garage in seine Wohnung zu kommen, da er weder die Zufahrtsrampe noch eine im Gebäude befindliche schmale und steile Treppe bewältigen kann. Er kann deshalb die Garage nicht nutzen. Auch die Zufahrt zur Garage ist nicht dazu geeignet, das Fahrzeug abzustellen, da sie zu steil und zu schmal ist.
So sah es die beklagte Stadt
Die beklagte Stadt Gelsenkirchen verwies den Kläger darauf, sein Fahrzeug parallel zur Fahrbahn auf der Straße vor der Garageneinfahrt abzustellen. Aufgrund des vor der Einfahrt nach den allgemeinen Vorschriften der StVO geltenden Parkverbots dürfe außer ihm niemand dort parken.
So sah es das Verwaltungsgericht
Dieser Auffassung konnte sich das VG nicht anschließen. Unabhängig davon, ob der vom Parkverbot erfasste Platz für das Abstellen eines Pkw ausreichen würde (die eigentliche Einfahrt ist nur 3 m breit), darf im konkreten Fall auch der Kläger nicht vor seiner Einfahrt parken. Denn für die Zufahrt ist der Bordstein abgesenkt, sodass dort ein generelles Parkverbot gilt, das auch den Inhaber der Garage erfasst. Dieses Parkverbot dient nämlich nicht nur der Sicherung der Zufahrtsmöglichkeit zur Garage, sondern auch dem Interesse gehbehinderter Menschen daran, den Gehweg – etwa zum Überqueren der Straße – verlassen zu können. Der Kläger muss sich daher nach Auffassung des VG nicht darauf verweisen lassen, dass die Stadt die durch ihn begangene Ordnungswidrigkeit nicht verfolgt. Ihm steht aufgrund der Umstände des Einzelfalls vielmehr ein Anspruch auf die Ausschilderung eines „rechtssicheren“ Sonderparkplatzes zu.
Quelle | VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5.11.2024, 14 K 1401/24, PM vom 7.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat u. a. entschieden: Als Familienangehörige im Sinne der Eigenbedarfskündigung sind ausschließlich die Personen anzusehen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen nach der Zivilprozessordnung oder der Strafprozessordnung (hier: § 383 ZPO, § 52 StPO) zusteht. Cousins zählen hierzu nicht. |
Das war geschehen
Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, begehrt nach Ausspruch einer Kündigung wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter von den Beklagten die Räumung und Herausgabe einer an diese vermieteten Wohnung. Die Klägerin hatte das Gebäude, in dem sich die Wohnung befindet, nach deren Überlassung an die Beklagten erworben und ist dadurch als Vermieterin in das bestehende Mietverhältnis eingetreten. Zum damaligen Zeitpunkt hatte die Klägerin zwei Gesellschafter, die Cousins waren.
Die Beklagten haben die Kündigung für unwirksam gehalten und sich hierbei auf die Kündigungsbeschränkung des Bürgerlichen Gesetzbuchs berufen (hier: § 577 a Abs. 1 a S. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 der Kündigungsschutzklausel-Verordnung des Landes Berlin vom 13.8.13). Hiernach kann sich eine Personengesellschaft, an die vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter veräußert worden ist, erst nach Ablauf von zehn Jahren seit der Veräußerung für eine Kündigung der Wohnung gegenüber dem Mieter auf berechtigte Interessen berufen. Diese Kündigungsbeschränkung gilt indes nicht, wenn die im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs vorhandenen Gesellschafter derselben Familie angehörten. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass dies (auch) bei Cousins der Fall sei und deshalb die Kündigungsbeschränkung im Streitfall nicht eingreife.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: Den Begriffen „Familie“ und „Familienangehörige“ in den hier maßgeblichen Vorschriften kommt dieselbe Bedeutung zu. Hiervon sind ausschließlich die Personen umfasst, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen zusteht. Ein entfernterer Verwandter, der – wie ein Cousin – nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, gehört somit auch dann nicht zu dem privilegierten Personenkreis, wenn zwischen ihm und dem Vermieter eine enge persönliche Bindung besteht. Ebenso gilt die Privilegierung selbst im Fall einer engen persönlichen Verbundenheit zwischen den Mitgesellschaftern nicht, wenn das Verwandtschaftsverhältnis zwischen ihnen so entfernt ist, dass es sie nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt.
Der vom Gesetzgeber bezweckten Privilegierung von Familienangehörigen in den o. g. Vorschriften liegt eine typisierende Betrachtungsweise dahingehend zugrunde, dass zwischen den hiervon umfassten Personen aufgrund einer familiären Beziehung eine besondere persönliche Nähebeziehung anzunehmen ist. Vor diesem Hintergrund bedarf es für den vom Gesetzgeber privilegierten Personenkreis des (zusätzlichen) Vorliegens eines konkreten, tatsächlichen Näheverhältnisses nicht. Auch scheidet eine Erweiterung dieses geschützten Personenkreises aufgrund einer einzelfallbezogenen Prüfung des Vorliegens einer besonderen sozialen Nähe angesichts der dem Gesetz zugrunde liegenden typisierenden Betrachtungsweise aus.
Entscheidend ist damit letztlich, für welchen Personenkreis der Gesetzgeber durch die Verwendung des Begriffs der „Familie“ eine typischerweise vorliegende besondere soziale Bindung angenommen hat. Er hat eine solche Bewertung im Rahmen der auf der persönlichen Nähebeziehung und Verbundenheit gründenden Gewährung eines Zeugnisverweigerungsrechts aus persönlichen Gründen vorgenommen. Dort hat er objektive Kriterien nach dem Grad der familiären Beziehung aufgestellt und hierdurch den Personenkreis definiert, innerhalb dessen nach seiner Auffassung typischerweise eine persönliche Nähebeziehung besteht. Es ist sachgerecht, diese gesetzgeberischen Wertungen auch für die ebenfalls in der persönlichen Verbundenheit begründeten Privilegierungen von Familienangehörigen in den hier einschlägigen mietrechtlichen Bestimmungen heranzuziehen. Cousins sind (nur) Verwandte in der Seitenlinie im vierten Grad. Ihnen steht ein Zeugnisverweigerungsrecht (nach §383 ZPO, § 52 StPO) nicht zu. Sie gehören somit nicht zu derselben Familie im Sinne des § 577 a Abs. 1 a S. 2 BGB.
Quelle | BGH, Urteil vom 10.7.2024, VIII ZR 276/23, PM 145/24
| Wird einem Wohnungsmieter fristgerecht gekündigt, weil dieser mit der Mietzahlung in Rückstand geraten ist, lässt sich diese Kündigung nicht ohne Weiteres dadurch aus der Welt schaffen, dass der Mietrückstand nachträglich noch ausgeglichen wird. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal in einem aktuellen Urteil entschieden. Das LG hat die Mieterin zum Auszug aus der Wohnung verpflichtet, obwohl sie im laufenden Räumungsverfahren die offenen Mieten noch ausgeglichen hatte. |
Mieterin zahlte zwei Monatsmieten nicht
Im konkreten Fall klagten die Vermieter zunächst vor dem AG gegen ihre Mieterin auf Räumung der Mietwohnung. Vorausgegangen war eine Kündigung, die sie zur Sicherheit zweifach erklärt hatten: zum einen fristlos – aus wichtigem Grund -, zusätzlich aber auch fristgerecht wegen Verletzung der vertraglichen Zahlungspflicht. Beide Kündigungen begründeten die Vermieter u. a. damit, dass zwei Monatsmieten nicht bezahlt wurden.
Die Mieterin bestritt dies nicht und zahlte die beiden offenen Mieten schließlich während des laufenden Gerichtsverfahrens vollständig. Sie berief sich nun darauf, dass die Kündigung infolge der Zahlung unwirksam geworden sei. Das AG folgte dem nicht und verurteilte die Mieterin zur Räumung der Mietwohnung.
Zu Recht gekündigt
Die dagegen gerichtete Berufung zum LG hatte keinen Erfolg. Das LG bestätigte, dass die Kündigung wegen der rückständigen Mieten zu Recht erfolgt sei. Im Zeitpunkt der Kündigung sei die Mieterin mit zwei Monatsmieten im Rückstand gewesen und nur darauf komme es hier an.
Vermieter hatten fristlos und fristgerecht gekündigt
Die gesetzliche Regelung, wonach ein Mietrückstand nachträglich ausgeglichen werden und die Kündigung dadurch möglicherweise beseitigen könne, gelte in dieser Form nur für die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. Hier hatten die Vermieter daneben sicherheitshalber aber auch noch fristgerecht gekündigt. Eine solche „ordentliche“ Kündigung werde durch die nachträgliche Zahlung der Mieten nicht ohne Weiteres unwirksam. Bei einer fristgerechten Kündigung sei lediglich zu prüfen, ob es unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben für die Vermieterseite zumutbar sei, auf die Räumung zu verzichten, nachdem keine Rückstände mehr bestehen. Dafür sah das LG hier aber keine Anhaltspunkte.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 1.3.2024, 2 S 118/23, PM vom 30.9.2024
| Das Bundessozialgericht (BSG) musste sich mit der Frage befassen, wann die mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz neu gestaltete Auskunftspflicht von Angehörigen gegenüber dem Sozialamt greift. |
Vater lebte im Seniorenwohnheim und erhielt Hilfe zur Pflege
Der Vater des Klägers lebt in einem Seniorenwohnheim und erhält vom Sozialhilfeträger Hilfe zur Pflege. Er ist geschieden und hat neben dem Kläger noch einen weiteren Sohn, der im Jahr 2020 Student war.
Der Sozialhilfeträger erlangte im Internet Informationen über die Arbeitgeberin des Klägers, eine Digitalagentur mit über 100 Mitarbeitern und einem Honorarumsatz im hohen siebenstelligen Bereich, und seine dortige Position als Chief Technology Officer (CTO). Er teilte dem Kläger mit, es sei davon auszugehen, dass sein Bruttoeinkommen die Grenze von 100 000 Euro jährlich überschreite und verlangte Auskunft über sein Einkommen und sein Vermögen.
Hiergegen wandte sich der Kläger. Denn mit den genannten Informationen sei die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt. Es bestehe deshalb keine Auskunftspflicht.
So sah es das Landessozialgericht
Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat den Auskunftsbescheid aufgehoben. Zwar sei die o. g. Vermutungsregel mit den öffentlich zugänglichen Informationen aus dem Internet widerlegt. Im sich anschließenden Auskunftsverfahren sei aber ein gestuftes Vorgehen erforderlich: In einem ersten Schritt sei der Sozialhilfeträger lediglich berechtigt, Auskünfte über das Bruttojahreseinkommen des potenziell Unterhaltsverpflichteten einzuholen.
Erst, wenn auf dieser Grundlage die 100 000-Euro-Grenze tatsächlich überschritten sei, bestehe in einem zweiten Schritt ein umfassendes Auskunftsrecht, das sich auch auf Vermögen beziehe.
Mit seiner Revision rügt der beklagte Sozialhilfeträger, dass das vom LSG geforderte gestufte Auskunftsverfahren im Gesetz keine Stütze finde. Wenn zu vermuten sei, dass die Einkommensgrenze überschritten werde, bestehe auch eine Verpflichtung zur Auskunft über das Vermögen, damit der Sozialhilfeträger den Unterhaltsanspruch umfassend prüfen könne.
So sah es das Bundessozialgericht
Das BSG gab dem Kläger ebenfalls recht: Vermögensauskünfte können nach dem Angehörigen-Entlastungsgesetz erst dann verlangt werden, wenn die Einkommensgrenze von 100.000 Euro tatsächlich überschritten wird.
Mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz hat der Gesetzgeber zum 1.1.20 u. a. unterhaltsverpflichtete Kinder entlastet. Ein Unterhaltsrückgriff durch den Sozialhilfeträger auf ein erwachsenes Kind, dessen Eltern vom Sozialamt Leistungen erhalten, ist mit dem neu eingeführten § 94 Abs. 1 a SGB XII gegenüber dem früheren Recht beschränkt worden: Ein möglicher Unterhaltsanspruch der Eltern gegen ihre erwachsenen Kinder geht erst auf den Sozialhilfeträger über, wenn das Einkommen des Kindes einen Jahresbetrag von 100 000 Euro übersteigt. Dabei wird gesetzlich vermutet, dass diese Einkommensgrenze nicht überschritten wird. Erst, wenn die Vermutung widerlegt ist, kann Auskunft vom unterhaltsverpflichteten Kind verlangt und anschließend ein Unterhaltsrückgriff vom Sozialhilfeträger geltend gemacht werden. Dabei ist ggf. auch vorhandenes Vermögen zu berücksichtigen.
Legitim: Informationen aus dem Internet eingeholt
Auch das BSG ging davon aus, dass es hinreichende Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Mann ein Einkommen von mehr als 100.000 Euro habe. Dass der Sozialhilfeträger diese Anhaltspunkte aus dem Internet habe, sei nicht zu beanstanden. Die Auskunftspflicht sei aber zunächst auf das Einholen von Auskünften zu den Einkommensarten beschränkt. So habe es der Gesetzgeber gewollt. Denn er beabsichtigte, in erster Linie erwachsene Kinder pflegebedürftiger Eltern zu entlasten. Dem widerspräche es, die Auskunftspflicht auszuweiten.
Quelle | BSG, Urteil vom 21.11.2024, B 8 SO 5/23 R, PM 32/24
| Die dreijährige Verjährungsfrist des Anspruchs auf Stellen einer Bauhandwerkersicherung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) beginnt taggenau mit dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit. So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH). |
So ist die Verjährung geregelt
Der Anspruch auf Stellen einer Bauhandwerkersicherung, wonach der Unternehmer unter im BGB näher geregelten Voraussetzungen vom Besteller eine Sicherheitsleistung in Höhe der vereinbarten Vergütung verlangen kann, verjährt in der regelmäßigen – dreijährigen – Verjährungsfrist nach § 195 BGB. Nun hat der BGH die bisher offene Frage entschieden, wann die Verjährung beginnt.
So begründet der BGH seine Ansicht
Dass die Verjährungsfrist taggenau mit dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit beginnt, folgt für den BGH aus der entsprechenden Anwendung von § 604 Abs. 5, § 695 S. 2, § 696 S. 3 BGB auf diesen Anspruch. § 199 Abs. 1 BGB, wonach die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, ist daher nicht anzuwenden.
Quelle | BGH, Urteil vom 21.11.2024, VII ZR 245/23
| Die Anordnung einer Verbandsgemeindeverwaltung, mit der die Eigentümer eines Wohngebäudes zur Herstellung und dauerhaften Unterhaltung einer eigenen Löschwasserversorgung verpflichtet worden sind, ist ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz und gab dem hiergegen gerichteten Eilantrag statt. |
Grundstückseigentümer sollten Löschwasserversorgung herstellen und unterhalten
Das Gebäude der Antragsteller befindet sich – gemeinsam mit weiteren Höfen – einige Kilometer außerhalb der nächstgelegenen Ortslage. Die vorhandene Trinkwasserversorgung ist zu klein dimensioniert, um eine hinreichende Löschwasserversorgung sicherzustellen. Ein in der Mitte des Areals existierender Löschteich ist verschlammt und deshalb nicht nutzbar. Weil Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung zwischen den Grundstückseigentümern und der Verbandsgemeindeverwaltung scheiterten, verfügte diese schließlich, dass die Grundstückseigentümer die Löschwasserversorgung mit einer Wassermenge von 96 m³/h für eine Dauer von zwei Stunden herzustellen und zu unterhalten hätten. Gleichzeitig ordnete sie die sofortige Vollziehung des Bescheids an.
Hiergegen erhoben die Antragsteller Widerspruch und stellten den gerichtlichen Eilantrag.
Anordnung war ermessensfehlerhaft
Dieser Antrag hatte Erfolg. Die Anordnung sei ermessensfehlerhaft ergangen, so das VG. Zwar könnten Eigentümer baulicher Anlagen, für die keine ausreichende Löschwasserversorgung sichergestellt sei, nach dem Landesgesetz über Brandschutz, die allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (hier: gemäß § 31 Abs. 5 LBKG) zur Vorhaltung fehlender Löschmittel verpflichtet werden. Der Antragsgegner habe jedoch übersehen, dass unter Umständen eine geringere Löschwassermenge ausreichend sei. Denn das Regelwerk, auf das sich der Antragsgegner maßgeblich bezogen habe, sehe zwar im Grundsatz die geforderten 96 m³/h vor. Für ländliche Ansiedlungen von zwei bis zehn Anwesen sei jedoch nur ein Löschwasserbedarf von 48 m³/h anzusetzen.
Hiermit habe sich die Antragsgegnerin nicht auseinandergesetzt, obwohl sich dies nach der Anzahl der vorhandenen Anwesen aufgedrängt hätte. Der Begründungsmangel führe so zu einem Ermessensdefizit.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 14.11.2024, 3 L 1042/24.KO, PM 20/24
| Objektüberwachung und Bauleitung sind inhaltlich „zwei Paar Schuhe“. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt festgestellt. |
Architekt verlangte Honorar für Bauleitung
Ein Architekt rechnete Honorar für „Bauleitung“ ab. Er bezog sich auf die Leistungsphase 8 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Er konnte aber nicht nachweisen, entsprechende Objektüberwachungsleistungen erbracht zu haben.
So sahen es die Gerichte
Die Gerichte kamen dagegen zu der Auffassung, dass er als Bauleiter nach der Hessischen Bauordnung (hier: § 59 HBO) tätig sein sollte. Diese Person muss u. a. darüber wachen, dass die Baumaßnahme nach den genehmigten Bauvorlagen bzw. – soweit eine bauaufsichtliche Prüfung entfällt – nach den eingereichten Bauvorlagen ausgeführt wird.
Bei der Überwachungstätigkeit muss der Bauleiter auf den sicheren Betrieb der Baustelle achten. Dazu zählt, dass die Arbeiten der Unternehmen ohne gegenseitige Gefährdung und ohne Gefährdung Dritter durchgeführt werden können. Über die HOAI können diese Leistungen – so sie denn erbracht wurden – nicht abgerechnet werden.
Der Bauleiter, so das OLG, sei nach dem allgemeinen Sprachverständnis dafür zuständig, zu überwachen, dass die Baumaßnahme entsprechend den öffentlich-rechtlichen Anforderungen durchgeführt wird. Der Objektüberwacher dagegen schuldet eine Ausführung des Objekts gemäß der vertraglichen zivilrechtlichen Vereinbarung mit dem Bauherrn.
Der Architekt ging also leer aus. Da der Bundesgerichtshof (BGH) aktuell eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen hatte, ist die Entscheidung des OLG nun auch rechtskräftig.
Quelle | OLG Frankfurt, Urteil vom 11.5.2023, 22 U 19/22
| Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer nach der Gewerbeordnung (hier: § 108 Abs. 1 S. 1 GewO) bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform erteilen. Diese Verpflichtung kann er grundsätzlich auch dadurch erfüllen, dass er die Abrechnung als elektronisches Dokument zum Abruf in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach einstellt. So hat es jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Klägerin verlangte Abrechnungen in Papierform
Die Klägerin ist im Einzelhandelsbetrieb der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Für den Konzernverbund, dem die Beklagte angehört, regelt die Konzernbetriebsvereinbarung über die Einführung und Anwendung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs vom 7.4.2021, dass alle Personaldokumente, insbesondere Entgeltabrechnungen, über einen externen Anbieter in einem digitalen Mitarbeiterpostfach bereitgestellt werden und von den Beschäftigten über einen passwortgeschützten Online-Zugriff abrufbar sind. Sofern für Beschäftigte keine Möglichkeit besteht, über ein privates Endgerät auf die im digitalen Mitarbeiterpostfach hinterlegten Dokumente zuzugreifen, muss der Arbeitgeber ermöglichen, die Dokumente im Betrieb einzusehen und auszudrucken.
Auf Grundlage der Konzernbetriebsvereinbarung stellte die Beklagte ab März 2022 Entgeltabrechnungen nur noch elektronisch zur Verfügung. Dem widersprach die Klägerin und verlangte, ihr weiterhin Abrechnungen in Papierform zu übersenden.
Landesarbeitsgericht: Entgeltabrechnung war nicht ordnungsgemäß
Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat der Klage, mit der die Klägerin die Erteilung der Entgeltabrechnungen begehrt, stattgegeben. Es hat angenommen, die Entgeltabrechnungen seien ihr durch Einstellen in das Online-Portal nicht ordnungsgemäß erteilt. Bei Entgeltabrechnungen handele es sich um zugangsbedürftige Erklärungen. Ein digitales Mitarbeiterpostfach sei nur dann als Empfangsvorrichtung geeignet, wenn der Empfänger es – anders als die Klägerin im Streitfall – für den Erklärungsempfang im Rechts- und Geschäftsverkehr bestimmt habe.
Bundesarbeitsgericht: Arbeitgeber wahrt Textform
Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das LAG.
Erteilt der Arbeitgeber Entgeltabrechnungen, indem er diese in ein digitales Mitarbeiterpostfach einstellt, wahrt er damit grundsätzlich die von der Gewerbeordnung (hier: § 108 Abs. 1 S. 1 GewO) vorgeschriebene Textform. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abrechnung seines Entgelts ist eine sog. Holschuld, die der Arbeitgeber erfüllen kann, ohne für den Zugang der Abrechnung beim Arbeitnehmer verantwortlich zu sein. Es genügt, dass er die Abrechnung an einer elektronischen Ausgabestelle bereitstellt. Hierbei hat er den berechtigten Interessen der Beschäftigten, die privat nicht über die Möglichkeit eines Online-Zugriffs verfügen, Rechnung zu tragen.
Grundlage: Konzernbetriebsvereinbarung
Die in der Konzernbetriebsvereinbarung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) geregelte digitale Zurverfügungstellung der Entgeltabrechnungen greift nicht unverhältnismäßig in die Rechte der betroffenen Arbeitnehmer ein.
Das BAG war jedoch an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil bisher keine Feststellungen dazu getroffen worden sind, ob Einführung und Betrieb des digitalen Mitarbeiterpostfachs in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats fallen.
Quelle | BAG, Urteil vom 28.1.2025, 9 AZ R 48/24, PM 3/25
| Das Arbeitsgericht (ArbG) Aachen hat entschieden: Die Besonderheiten der Arbeitsleistung eines Profifußballtrainers können zwar die Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Im konkreten Fall scheiterte dies jedoch an dem Schriftformerfordernis. Die Kündigung des Fußballtrainers wegen der fehlenden erforderlichen Lizenz für die nächsthöhere Liga war hingegen gerechtfertigt. |
Das war geschehen
Die Beklagte ist für den Spielbetrieb der 1. Fußballmannschaft zuständig. Der Kläger war zunächst ab Anfang 2022 bei der Beklagten als Sportdirektor beschäftigt. Er ist Inhaber der Trainer-A-Lizenz (Trainerberechtigung für die Fußball-Regionalliga); über eine „Pro-Lizenz“ (Trainerberechtigung für die 3. Liga) verfügt der Kläger nicht. Seit Ende 2022 trainierte er die 1. Fußballmannschaft, die in der Regionalliga spielte. Ende Januar 2023 schlossen die Parteien einen ab 1.1.2023 geltenden, zunächst bis zum 30.6.2024 befristeten, Arbeitsvertrag ab. Der Vertrag enthielt je nach Platzierung eine Verlängerung und verschiedene Prämien.
Die Beklagte stellte den Kläger im August 2023 von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Grundvergütung frei. Mit Abschluss der Saison 2023/2024 stieg die 1. Fußballmannschaft der Beklagten in die 3. Liga auf und gewann den Mittelrheinpokal. Im Juni und Juli 2024 sprach die Beklagte drei ordentliche fristgerechte Kündigungen aus.
Sachgrundbefristung gerechtfertigt
Das ArbG entschied, dass die Sachgrundbefristung eines Profifußballtrainers wegen der Eigenart der Arbeitsleistung grundsätzlich nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (hier: § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG) gerechtfertigt ist. Es sei Aufgabe des Cheftrainers, dafür zu sorgen, dass die Spieler die von ihnen geforderte Spitzenleistungen abrufen. Hierfür sei er als zentraler, prägender Leiter der Mannschaft zuständig. Das Erfordernis, dass die Spieler als Individuum und im Kollektiv Spitzenleistungen erbringen müssten, gebiete es, kurzfristig reagieren zu können, wenn diese Spitzenleistungen nachlassen oder ausbleiben. Ein kurzfristiger Austausch wesentlicher Teile der Mannschaft sei nicht möglich.
Formelle Mängel der Befristung...
Die Befristung des Arbeitsvertrags im vorliegenden Fall sei aus formellen Gründen gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam, da die Leistung der Unterschriften nach Aufnahme der Tätigkeit durch den Kläger erfolgte.
... aber Kündigung wirksam
Demgegenüber sei die Kündigung des Profifußballtrainers wegen des Fehlens der erforderlichen „Pro-Lizenz“ für die 3. Liga wirksam. Der Erwerb der erforderlichen Lizenz liege im Verantwortungsbereich des Trainers. Bis zum Zeitpunkt des Aufstiegs in die 3. Liga habe der Kläger trotz Freistellung einen Anspruch auf Vergütung und die Zahlung der Prämien. Nach Aufstieg in die 3. Liga habe der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung oder Prämien, da er die Voraussetzung für die Tätigkeit als Cheftrainer nicht erfüllt habe.
Quelle | ArbG Aachen, Urteil vom 19.11.2024, 8 Ca 3230/23, PM 1/25
Mietrecht
| Säumniszuschläge werden festgesetzt, wenn die Zahlung nicht pünktlich erfolgt. Nach der Abgabenordnung (hier: § 240 AO) ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen Steuerbetrags zu entrichten, umgerechnet auf das Jahr also 12 %. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass wegen des deutlichen und nachhaltigen Anstiegs der Marktzinsen, der seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 zu verzeichnen ist, jedenfalls seit März 2022 keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Zuschläge bestehen. |
Darüber hinaus hat der BFH in diesem Verfahren Folgendes entschieden: Wenn das Finanzamt zwar Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt, deren Wirkung aber von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig macht, bewirkt die spätere Leistung der Sicherheit im Regelfall, dass die AdV mit (Rück-)Wirkung ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung eintritt und zuvor etwaig entstandene Säumniszuschläge entfallen.
Beachten Sie | Das Finanzamt kann allerdings ausdrücklich anordnen, dass die Wirkung der AdV erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung der Sicherheit beginnt.
Quelle | BFH, Beschluss vom 21.3.2025, X B 21/25 (AdV)
| Eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft steht der Anerkennung einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft grundsätzlich nicht entgegen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Eine Organschaft führt bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dazu, dass nicht mehr die Organgesellschaft ihren Gewinn zu versteuern hat, sondern der Organträger.
Beachten Sie | Die gemäß Körperschaftsteuergesetz (hier: §§ 14 ff. KStG) enthaltenen Regelungen für die Organschaft führen im Ergebnis dazu, dass z. B. in Konzernen die Konzernspitze (als Organträger) die Gewinne sämtlicher Tochtergesellschaften (als Organgesellschaften) zu versteuern hat, aber Verluste und Gewinne der verschiedenen Tochtergesellschaften dabei auch unmittelbar miteinander verrechnet werden können. Insbesondere dieser steuerliche Vorteil hat zu einer weiten Verbreitung der Organschaft in Deutschland geführt.
Das war geschehen
Im Streitfall hatte eine Kommanditgesellschaft (KG) mit einer GmbH einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, um eine Organschaft zu begründen. Danach war die „abhängige“ GmbH als Organgesellschaft verpflichtet, den ganzen von ihr erwirtschafteten Gewinn an die KG als Organträger abzuführen.
Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass an der GmbH als Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung bestand.
Bundesfinanzhof widerspricht Vorinstanzen
Da dem atypisch still Beteiligten ein Anteil von 10 % des Gewinns der GmbH zustand, vertraten das Finanzamt und nachfolgend auch das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern die Auffassung, dass lediglich 90 % des Gewinns an die KG als Organträger abgeführt worden sei, das Gesetz aber die Abführung des ganzen Gewinns fordere. Die Organschaft sei daher insgesamt nicht anzuerkennen. Dem ist der BFH aber nun entgegengetreten.
§ 14 Abs. 1 KStG setzt einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 des Aktiengesetzes (AktG) und die strikte Erfüllung der zivilrechtlichen Vertragspflichten voraus. Was als ganzer Gewinn abzuführen ist, bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Gewinnbeteiligungen, die einem stillen Gesellschafter zustehen, sind im Zivilrecht aber als Geschäftsunkosten vom Gewinn der GmbH abzusetzen. Dies betrifft sowohl die typische als auch die atypisch stille Gesellschaft.
Folglich ist der hiernach verbleibende „Rest-Gewinn“ (im Streitfall also die 90 %) der ganze Gewinn, der an den Organträger abgeführt werden muss. Dass eine (typische oder atypische) stille Beteiligung zivilrechtlich als Teilgewinnabführungsvertrag qualifiziert wird, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.12.2024, I R 33/22, PM 21/25 vom 3.4.2025
| Wenn eine per E-Mail versandte Werklohnrechnung gehackt und unbefugt verändert wird und der Kunde deshalb an einen unbekannten Dritten zahlt, muss er nicht noch einmal an den Werkunternehmer zahlen, wenn dieser die Rechnung ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung versandt hat und deshalb gegen ihn ein Schadenersatzanspruch gemäß Datenschutz-Grundverordnung (hier: Art. 82 DS-GVO) besteht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, erneut ihre Werklohnforderung zu zahlen, nachdem der Betrag wegen einer Manipulation der per E-Mail versandten Rechnung durch kriminell handelnde Dritte dem Konto eines Unbekannten gutgeschrieben wurde.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für die Installation von Haustechnik. Sie führte für die Beklagte Installationsarbeiten durch und rechnete die erbrachten Leistungen ihr gegenüber in drei Abschlagsrechnungen ab. Diese wurden jeweils als Anlage zu einer E-Mail im PDF-Format übersandt. Die ersten zwei Abschlagsrechnungen beglich die Beklagte per Überweisung an die auf den Rechnungen angegebenen Bankverbindungen der Klägerin.
Die dritte Abschlagsrechnung über rund 15.000 Euro, die zugleich die Schlussrechnung war, versandte die Klägerin ebenfalls als Anlage im PDF-Format per E-Mail. Diese Rechnung war jedoch auf ungeklärte Weise durch einen Dritten manipuliert worden, so dass die Beklagte den Rechnungsbetrag auf das Konto des unbekannten Dritten überwies. Auf dem Konto der Klägerin ging deshalb auf die Schlussrechnung keine Zahlung ein.
Keine Erfüllung durch Zahlung an unbekannten Dritten
Das Landgericht (LG) hat die Beklagte deshalb zur erneuten Zahlung verurteilt, weil eine Erfüllung durch die Zahlung an den unbekannten Dritten nicht eingetreten ist. Es hat ausgeführt, dass die Klägerin auch keine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat, sodass die Beklagte keinen Schadenersatzanspruch hat, den sie der Klageforderung gemäß § 242 BGB entgegenhalten kann. Die Klägerin hat nach Auffassung des LG keine Pflichtverletzung begangen, weil die von ihr vorgetragenen Schutzvorkehrungen in Form einer Transportverschlüsselung per SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) über TLS (Transport Layer Security) beim E-Mail-Verkehr mit Vertragspartnern ausreichend sind.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG hat in zweiter Instanz das Urteil des LG geändert und die Klage abgewiesen. Es hat entschieden, dass die Zahlung der Beklagten an einen Dritten zwar keine Erfüllung der Forderung bei der Klägerin bewirkt. Im Gegensatz zum Landgericht hat es jedoch einen Schadenersatzanspruch der Beklagten bejaht, den diese der Werklohnforderung der Klägerin nach § 242 BGB entgegenhalten kann, so dass sie die Forderung nicht noch einmal bezahlen muss.
Dieser Schadenersatzanspruch ergibt sich nach der Entscheidung des OLG aus Art. 82 Abs. 2 DS-GVO, weil die Klägerin im Zuge der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Beklagten bei Versand der streitgegenständlichen E-Mail mit Anhang gegen die Grundsätze der Art. 5, 24 und 32 DS-GVO verstoßen hat. Das OLG hält die Transportverschlüsselung, die beim Versand der streitgegenständlichen E-Mail in Form von SMTP über TLS verwendet worden sein soll, nicht für ausreichend und damit auch nicht als zum Schutz der Daten „geeignet“ im Sinne der DS-GVO.
Das OLG hob hervor, dass heute jedem Unternehmen, das personenbezogene Daten seiner Kunden computertechnisch verarbeitet, bewusst sein muss, dass der Schutz dieser Daten hohe Priorität – auch beim Versenden von E-Mails – genießt. Unternehmen müssen diesen Schutz durch entsprechende Maßnahmen so weit wie möglich gewährleisten.
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unabdingbar
Gerade bei sensiblen oder persönlichen Inhalten ist nach der Entscheidung des OLG nur eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Schutz im Sinne der DS-GVO geeignet, wenn ein hohes finanzielles Risiko durch Verfälschung der angehängten Rechnung für den Kunden besteht. Dass Kunden von Unternehmen bei einem Datenhacking Vermögenseinbußen drohen, ist ein Risiko, das dem Versand von Rechnungen per E-Mail immanent ist und deshalb eine entsprechende Voraussicht und ein proaktives Handeln erfordert. Der dafür erforderliche technische und finanzielle Aufwand kann auch von einem mittelständischen Handwerksbetrieb erwartet werden, wenn es seine Rechnungen nicht per Post versendet.
Quelle | OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.12.2024, 12 U 9/24, PM 1/25
| Wer im Zusammenhang mit seiner kommunalpolitischen Tätigkeit Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder erhält (im Streitfall ein ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats), erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Diese sind im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung zu verbeitragen. Dies hat jedenfalls das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen entschieden. |
Das LSG Nordrhein-Westfalen stellte heraus: Für die Zuordnung von Einnahmen zum Arbeitseinkommen ist die steuerliche Abgrenzung der Einkunftsarten maßgebend. Bei Anlegung dieser Maßstäbe handelt es sich auch bei den Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer kommunalpolitischen Tätigkeit in Gestalt von Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern erzielt werden, um Arbeitseinkommen nach dem Sozialgesetzbuch IV (hier: § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV).
Gegen dieses Urteil ist die Revision beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig.
Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.3.2024, L 5 KR 551/21, Rev. BSG: B 6 a/12 KR 12/24 R
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Die Verwendung von geschlechtsspezifischen Sterbetafeln bei der Bewertung lebenslänglicherNutzungen und Leistungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot. |
Hintergrund: Die Heranziehung geschlechterdifferenzierender Sterbetafeln dient dem Ziel, die Kapitalwerte lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen mit zutreffenden Werten zu erfassen und eine Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.
Da die statistische Lebenserwartung von Männern und Frauen unterschiedlich hoch ist, ermöglichen die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Vervielfältiger genauere und realitätsgerechtere Bewertungsergebnisse als geschlechtsneutrale Vervielfältiger.
Beachten Sie | Die Anwendung der geschlechtsspezifischen Sterbetafeln kann sich für den Steuerpflichtigen je nach Fallkonstellation günstiger oder ungünstiger auswirken und führt nicht per se zu einer Benachteiligung aufgrund des eigenen Geschlechts.
Der BFH musste nicht entscheiden, welche Auswirkungen sich aus dem am 1.11.2024 in Kraft getretenen Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) für die Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen ergeben.
Quelle | BFH, Urteile vom 20.11.2024, II R 38/22, II R 41/22, II R 42/22; PM 23/25 vom 10.4.2025
| Aufwendungen des Steuerpflichtigen für einen Umzug in eine andere Wohnung, um dort (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs(BFH) auch, wenn der Steuerpflichtige – wie in Zeiten der Corona-Pandemie – zwangsweise zum Arbeiten im häuslichen Bereich angehalten ist oder durch die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren sucht. |
Das war geschehen
Eheleute lebten mit ihrer Tochter in einer 3-Zimmer-Wohnung und arbeiteten nur in Ausnahmefällen im Homeoffice. Ab März des Streitjahrs 2020 (zunächst bedingt durch die Corona-Pandemie) arbeiteten sie überwiegend im Homeoffice, dort im Wesentlichen im Wohn-/Esszimmer. Ab Mai 2020 zogen sie in eine 5-Zimmer-Wohnung, in der sie zwei Zimmer als häusliches Arbeitszimmer einrichteten und nutzten.
Den Aufwand für die Nutzung der Arbeitszimmer und die Kosten für den Umzug in die neue Wohnung machten die Eheleute als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte zwar die Aufwendungen für die Arbeitszimmer an, mangels beruflicher Veranlassung lehnte es den Abzug der Kosten für den Umzug jedoch ab.
Demgegenüber bejahte das Finanzgericht (FG) Hamburg den Werbungskostenabzug auch für die Umzugskosten. Der Umzug in die größere Wohnung sei beruflich veranlasst gewesen, da er zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen geführt habe.
Dem folgte der BFH aber (aus Steuerzahlersicht „leider“) nicht und bestätigte die ablehnende Entscheidung des Finanzamts.
Wohnung: privater Lebensbereich
Die Wohnung ist grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Daher zählen die Kosten für einen Wohnungswechsel regelmäßig zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung. Etwas anderes gilt nur, wenn die berufliche Tätigkeit den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel dargestellt hat und private Umstände allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben.
Beachten Sie | Dies ist aber nur aufgrund außerhalb der Wohnung liegender Umstände zu bejahen, etwa wenn
- der Umzug Folge eines Arbeitsplatzwechsels gewesen ist oder
- sich die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit durch den Umzug um mindestens eine Stunde täglich vermindert
Die Möglichkeit, in der neuen Wohnung (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, genügt nicht zur Begründung einer beruflichen Veranlassung des Umzugs. Es fehlt insoweit an einem objektiven Kriterium, das nicht auch durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist.
Die Entscheidung, in der neuen, größeren Wohnung (erstmals) ein Zimmer als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer „Arbeitsecke“ auszuüben, beruht auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatz verfügt oder durch die Arbeit im Homeoffice versucht, das Berufs- und Familienleben zu vereinbaren.
Quelle | BFH, Urteil vom 5.2.2025, VI R 3/23, PM 24/25 vom 17.4.2025
| Ein mit einem Preisgeld dotierter Wissenschaftspreis kann nur dann Arbeitslohn darstellen, wenn er dem Arbeitnehmer für Leistungen verliehen wird, die er gegenüber seinem Dienstherrn erbracht hat. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Fall eines Professors entschieden. |
Der Professor hatte die Habilitationsschriften überwiegend vor der Berufung in das Professorendienstverhältnis verfasst. Der preisbewehrten Habilitation lag zwar eine wissenschaftliche Forschungsleistung zugrunde. Diese gründete aber nicht auf der Forschungstätigkeit als Hochschullehrer. Wissenschaftspreis und Preisgeld stellten sich daher nicht als „Frucht“ dieser Tätigkeit dar.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 12/22
| Kann in Deutschland steuerpflichtigen Personen eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen inder Schweiz gewährt werden? Das Finanzgericht (FG) Köln hält das für möglich und hat sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar mit deutscher und schweizerischer Staatsbürgerschaft wohnte in der Schweiz. Der Ehemann war als Arbeitnehmer in Deutschland tätig und unterhielt hierfür eine Wohnung in Deutschland. Für das gemeinsame Haus in der Schweiz beauftragten die Eheleute verschiedene Handwerks- und Gartenbauarbeiten i. S des Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 a EStG) und begehrten eine Ermäßigung ihrer Einkommensteuer.
Das Finanzamt lehnte dies jedoch ab, weil die Dienstleistungen in der Schweiz ausgeführt wurden (vgl. § 35 a Abs. 4 S. 1 EStG). Hiergegen erhoben die Eheleute erfolgreich Klage.
Freizügigkeitsabkommen
Das FG Köln bezweifelt, ob es mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist, dass die Steuerermäßigung nur für Dienstleistungen beansprucht werden kann, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt ausgeübt oder erbracht werden.
Beachten Sie | Bis zur Entscheidung des EuGH ist das Verfahren ausgesetzt.
Quelle | FG Köln, Beschluss vom 20.2.2025, 7 K 1204/22; PM vom 25.3.2025; EuGH: C-223/25
| Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen, z. B. Sachverständigengutachten, sind in der Regel nicht notwendig und werden daher nicht erstattet. Das ist der Grundsatz, von dem die Rechtsprechung ausgeht. Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme – wie eine Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Senftenberg anschaulich zeigt. |
Schwierige technische Fragestellungen
Ausnahmsweise werden nach dieser Entscheidung die Kosten z. B. für das Einholen eines privaten Sachverständigengutachtens unter anderem als notwendige Kosten anerkannt, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind. Gleiches gilt, wenn aus Sicht des Betroffenen aus einer Anfangsbetrachtung ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre.
Amtsgericht hält Kosten ausnahmsweise für erstattungsfähig
Diese Grundsätze hat das AG in seiner Entscheidung bestätigt. Es hat die Kosten für ein Sachverständigengutachten, mit dem die Messdaten einer Geschwindigkeitsmessung überprüft worden sind, daher als erstattungsfähig angesehen.
Quelle | AG Senftenberg, Urteil vom 28.2.2024, 50 OWi 1617 Js 22408/22
| Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h liegenden Tempo fährt, muss seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten. Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des Navigationssystems kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entschieden. |
Konzentrieren und Gerätebedienen ist gefährlich
Geklagt hatte eine Autovermieterin gegen den Fahrer eines vermieteten Pkw. Der Fahrer war auf der Autobahn verunfallt und hatte den Wagen beschädigt. Während er auf der linken Spur fuhr, bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs bei Tempo 200, um dort Informationen abzurufen. Dabei geriet das Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke.
Mietvertrag sah Kürzung der Haftungsfreistellung vor
Das Gericht verwies auf die Vereinbarung im Mietvertrag. Danach könne die Haftungsfreistellung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt werden. Der Fahrer habe hier grob fahrlässig gehandelt. Die Autovermieterin könne daher die Hälfte des Schadens – ca. 12.000 Euro – bei ihm geltend machen.
Für das Gericht war es dabei unerheblich, dass der Pkw einen sog. Spurhalteassistenten hatte. Zumindest bei derart hohen Geschwindigkeiten reduziere dieser den Schuldvorwurf nicht.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 2.5.2019, 13 U 1296/17
| Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie beschäftigt immer noch die Gerichte. Aktuell hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden: Die Mitglieder einer Fahrgemeinschaft waren auch in der Corona-Hochphase für gegenseitige Ansteckungen nicht verantwortlich zu machen. Eine auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage eines Mitfahrers hat das LG deshalb abgewiesen. |
Im Frühjahr 2022 stieg der Mitfahrer ohne Maske zu seinem Kollegen ins Auto, um gemeinsam zur Arbeit zu fahren. Am Abend desselben Tages schrieb er in die WhatsApp-Gruppe der Fahrgemeinschaft, dass er positiv getestet sei und sich in Quarantäne befinde.
Fahrer behauptete Ansteckung und verlangte Schmerzensgeld
Der schon zuvor an Asthma erkrankte Fahrer behauptete im Prozess, er habe sich während der gemeinsamen Fahrt mit dem Coronavirus infiziert und sei nun dauerhaft arbeitsunfähig („Post-Covid-Syndrom“). Der Mitfahrer schulde ihm daher Schmerzensgeld in Höhe von nicht unter 20.000 Euro, weitere 4.000 Euro Schadenersatz und müsse darüber hinaus für zukünftig auftretende Schäden einstehen.
Landgericht: Reine Gefälligkeit – keine Haftung
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Im Rahmen der wechselseitigen Gefälligkeit einer Fahrgemeinschaft sei bereits unter den Gesichtspunkten eines stillschweigenden Haftungsverzichts und des Handelns auf eigene Gefahr eine gegenseitige Haftung ausgeschlossen. Es sei zudem aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie allgemein bekannt gewesen, dass enger persönlicher Kontakt die Hauptinfektionsquelle darstellte. Obwohl der unter Asthma leidende Fahrer bemerkt habe, dass sein Kollege beim Einsteigen keine Maske trug, habe er ihn nicht gebeten, eine solche aufzusetzen. Er habe sich daher erkennbar trotz seiner Vorerkrankung dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Dass er sich keine Gedanken über einen ungünstigen Verlauf einer Infektion mit möglichen Dauer- und Folgeschäden gemacht habe, rechtfertige keine andere Beurteilung.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 16.12.2024, 7 O 110/24, PM vom 31.1.2025
| Mit der Frage, ob ein 13-jähriges Kind für einen Glasschaden an einem Schaufenster verantwortlich ist, hat sich das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. |
Glasbruch nach Nutzung eines Spielgeräts
Das Kind hatte in der Fußgängerzone von Frankenthal ein festmontiertes Spielgerät in Gestalt einer Drehscheibe genutzt und war beim Absteigen gegen ein daneben befindliches Schaufenster getaumelt. Für den dadurch entstandenen Glasbruch muss das Kind nicht haften, entschied das LG und hat die Klage der Ladenbesitzer abgewiesen.
Der Junge gab an, dass er auf dem Schulweg an dem Spielgerät vorbeigekommen sei. Er habe sich auf das Karussell gestellt, das ein Freund gedreht habe, zunächst langsam, dann immer schneller. Nachdem der Freund die Drehung gestoppt habe, sei er rückwärts gegen die keine drei Meter entfernte Fensterscheibe getaumelt, die daraufhin zerbrochen sei.
Schaden schuldhaft verursacht?
Die Ladenbesitzer warfen dem Jungen vor, den Schaden schuldhaft verursacht zu haben. Er sei bereits zu alt gewesen für das Karussell, zudem habe er sich damit zu schnell gedreht. Die Sturzgefahr und der mögliche Glasbruch seien für ihn erkennbar gewesen.
Landgericht: kein Verschulden des Kindes!
Das LG ging zwar davon aus, dass sich der 13-Jährige der grundsätzlichen Stolpergefahr durchaus bewusst und auch hinreichend einsichtsfähig war. Beides ist erforderlich, damit Minderjährige in diesem Alter überhaupt selbstständig haften. Gleichwohl konnte das LG das für einen Schadenersatzanspruch erforderliche Verschulden des Kindes nicht feststellen. Denn der Junge habe die Drehscheibe bestimmungsgemäß genutzt. Es sei gerade Sinn und Zweck des Karussells, trotz der Drehbewegung die Balance zu halten und der Gefahr des Herunterfallens zu trotzen. Das Kind sei weder zu alt noch zu groß für das Spielgerät gewesen.
Das Gericht hat nicht verkannt, dass die Ladenbesitzer nun auf ihrem Glasschaden sitzen bleiben. Dies resultiert gemäß LG jedoch daraus, dass unsere Rechtsordnung – von einigen hier nicht vorliegenden Sonderfällen abgesehen – dem Prinzip der Verschuldenshaftung folgt.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 29.11.2024, 9 O 27/24, PM vom 19.12.2024
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Bürgergeldempfänger gelten nicht als hilfebedürftig, wenn sie ein (zu) großes Einfamilienhaus gebaut haben und dessen Wert zur Sicherung des Lebensunterhalts nutzen können. |
Familie hatte während Bürgergeldbezug größeres Haus gebaut
Dem Verfahren lag ein Eilantrag einer Familie aus dem Emsland zugrunde. Diese hatte ihr selbstbewohntes Hausgrundstück für 514.000 Euro verkauft, nachdem sie während des Bürgergeldbezugs ein neues Haus gebaut hatte. Aufgrund des erzielten Verkaufserlöses hob der Grundsicherungsträger die Leistungsbewilligung auf.
Demgegenüber vertrat die Familie die Auffassung, das neue Haus sei geschütztes Vermögen und dürfe nicht zur Deckung des Lebensunterhalts herangezogen werden. Zudem berief sie sich auf die gesetzliche Karenzzeit von 12 Monaten, während der auch großzügige Wohnverhältnisse voll finanziert werden müssten.
Landessozialgericht: Familie nicht bedürftig
Das LSG bestätigte die Auffassung der Behörde. Die Familie sei nicht bedürftig, da das neue Hausgrundstück mit 254 m² Wohnfläche und sieben Bewohnern kein geschütztes Vermögen darstelle. Eine Verwertung des Vermögens zur Sicherung des Lebensunterhalts sei durch Beleihung möglich. Bei einem Verkehrswert von 590.000 Euro und einer Grundschuld von 150.000 Euro stehe ein unbelasteter Wert von 440.000 Euro zur Verfügung.
Die Berufung auf die gesetzliche Karenzzeit lehnte das Gericht ebenfalls ab. Die Regelung diene dem Zweck, dass Leistungsempfänger nicht sofort ihr angespartes Vermögen, etwa für die Altersvorsorge, aufbrauchen müssen, wenn sie nur vorübergehend auf Bürgergeld angewiesen sind. Die Karenzzeit solle dabei helfen, plötzliche Härten abzufedern.
Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um eine unerwartete Notlage, sondern um langjährige Leistungsbezieher, die ihre Wohnsituation und ihr Immobilienvermögen optimieren wollten. So habe die Familie als Verkaufsgrund des alten Hauses angegeben, die Entfernung zur Innenstadt sei ihnen zu weit gewesen.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.1.2025, L 11 AS 372/24 B ER, PM vom 20.1.2025
| Der gezahlte Reisepreis kann um 30 Prozent gemindert werden, wenn das Gepäck des Pauschalreisenden beim Hinflug zu spät ausgeliefert wird und deshalb während einer Kreuzfahrt in die Arktis nicht zur Verfügung steht. So entschied es das Landgericht (LG) München II zugunsten der Reisenden. |
Es ging um eine Expeditionsreise
Der Kläger und seine Mutter hatten im Jahr 2023 bei der Beklagten eine elftägige Pauschalreise nach Norwegen mit anschließender Kreuzfahrt „Auf den Spuren der Eisbären“ gebucht. Während des Hinflugs kam es zu einer verspäteten Auslieferung aller Gepäckstücke der Reisenden. Der Kläger und seine Mutter meldeten ihr Gepäck als verloren und erstatteten unverzüglich Schadensanzeige. Vor der Abfahrt des Schiffs kauften sie in Outdoor-Läden in Norwegen das Notwendigste ein. An Bord gab es eine Boutique und einen Wäscheservice. Schuhe und Parka für die Expeditionen an Land wurden gestellt. Die Beklagte erstattete den Reisenden außergerichtlich 25 Prozent vom gezahlten Reisepreis und 1.500 Euro (von 2.306,07 Euro) für die Ersatzbeschaffungen. Vor Gericht machte der Kläger den Restbetrag für die Ersatzbeschaffungen, weitere 15 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und einen „Schadenersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreuden“ geltend.
Landgericht sprach Minderung zu
Das LG sprach dem Kläger eine Minderung in Gesamthöhe von 30 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und für die Ersatzbeschaffungen weitere 516,20 Euro zu; einen Anspruch auf Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wies das LG jedoch ab.
Das LG begründete seine Entscheidung damit, dass das Fehlen von Gepäck mit persönlichen Gegenständen des Reisenden einen Reisemangel darstellt. Weil der Veranstalter jedoch keine besondere Kleiderordnung bei den Mahlzeiten und die Ausrüstung für die Expeditionen zur Verfügung gestellt hatte und es einen Wäscheservice an Bord gab, erachtete das Gericht eine Minderung von 30 Prozent des gezahlten Reisepreises als ausreichend und angemessen.
Bei den Ersatzbeschaffungen (Verbrauchsartikel, Grund- und Funktionsbekleidung) hatte der Reiseveranstalter unter anderem einen Abschlag für Vermögensvorteile vorgenommen, weil die Reisenden die Sachen nach der Rückkehr weiterhin nutzen können. Das Gericht folgte dem Argument der Beklagten nicht, soweit es sich um „Funktionskleidung“ handelte, denn der Kläger und seine Mutter hatten das Gericht davon überzeugt, dass sie die eigens für eine Expedition in die Arktis gekaufte Funktionsbekleidung nicht mehr benötigten. Anders sah es das Gericht bei den Verbrauchsartikeln (Waschmittel, Zahnpasta, etc.) – die Reisenden erhielten ihre Koffer bei der Rückkehr von der Reise zurück und konnten die darin enthaltenen Verbrauchsartikel (weiter) nutzen.
Schadenersatzanspruch abgelehnt
Einen Schadenersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit lehnte das Gericht ab, weil der Kläger und seine Mutter aufgrund der Möglichkeit von Ersatzbeschaffungen in Longyearbyen und an Bord sowie wegen der ihnen zur Verfügung gestellten Ausrüstungsgegenstände (Schuhe, Parka) an der Kreuzfahrt und den Expeditionen an Land teilnehmen konnten, was Sinn undZweck der gebuchten Expeditionsreise war.
Quelle | Landgericht München II, Endurteil vom 10.1.2025, 14 O 2061/24, PM 1/25
| Ein Ehemann kann nach der Trennung von seiner Frau verlangen, die Nutzungsverhältnisse an einem gemeinsamen Haus neu zu ordnen. Das stellte das Oberlandesgericht (OLG) Celle fest. |
Ärzteehepaar trennte sich
Nachdem sich ein Ärzteehepaar getrennt hatte, wollte der Mann in ein gemeinsames Haus des Paares ziehen. Doch dort wohnte seine Schwiegermutter. In der ihr allein gehörenden Ehewohnung lebte die Frau mit den gemeinsamen Kindern. Der Mann schlief zunächst in seiner Praxis, dann bei Bekannten. Schließlich wohnte er zur Untermiete.
Den Eheleuten gehörte aber hälftig noch das von der Schwiegermutter bewohnte Einfamilienhaus mit Garten. Dieser wollte der Mann wegen Eigenbedarf kündigen. Dazu war die Mitwirkung seiner Ehefrau erforderlich. Das lehnte sie ab. Sie meinte, der Mann wolle sie nur zwingen, ihrer Mutter zu kündigen. Auch habe er noch ein weiteres Haus. Der Mann klagte.
Amtsgericht: Eigenbedarf nicht genügend dargelegt
Das Amtsgericht (AG) wies seine Klage ab. Der Mann habe den Eigenbedarf nicht hinreichend dargelegt. Da die Schwiegermutter eine nahe Angehörige sei, könne ihre Tochter selbst Eigenbedarf anmelden. So zog der Mann vor das OLG.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG gab dem Mann Recht. Ihm sei seit der Trennung ein Festhalten am Mietverhältnis nicht länger zuzumuten. Auch habe er seinen Eigenbedarf ausreichend dargelegt. Er hatte vorgetragen, dass sein jetziges Mietverhältnis nur befristet war. Ein ständiges Wohnen in der Praxis sei ihm nicht zuzumuten. Ein Umzug in das andere Haus sei ihm ebenfalls nicht zuzumuten, da dieses noch ein Rohbau sei und er auch kein Geld für einen Umzug habe. Nach all dem sah das OLG den geltend gemachten Eigenbedarf nicht als „offensichtlich aussichtslos“ an. Vor allem sei die Frau in der Lage, ihre Mutter in der Ehewohnung und einer nicht genutzten Einliegerwohnung aufzunehmen.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 19.2.2025, 21 UF 237/24
| Wer einen überschuldeten Nachlass erbt, kann innerhalb einer Frist von sechs Wochen das Erbe ausschlagen. Sonst gilt die Erbschaft als angenommen und er haftet für die dem Nachlass zuzuordnenden Schulden. War dem Erben nicht bekannt, dass der Nachlass überschuldet ist, kann noch die Anfechtung wegen Irrtums helfen. Mit den Voraussetzungen dafür hat sich jetzt das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. Es hat entschieden, dass der als Erbe eingesetzte Sohn eines Verstorbenen nicht für die Beerdigungskosten aufkommen muss, weil er die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten hat. |
Witwe verlangte Bestattungskosten von Sohn des Verstorbenen
Der Verstorbene hatte seinen Sohn aus erster Ehe testamentarisch zu seinem Erben bestimmt. Die beiden pflegten zuletzt keinen Kontakt mehr zueinander. Nach dem Tod übernahm zunächst die Witwe die Bestattungskosten von rund 7.500 Euro und wollte diese vom Sohn erstattet haben, da dieser die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte. Daraufhin erklärte der Sohn die Anfechtung der Erbschaftsannahme. Er habe nicht gewusst, dass die Bestattungskosten zu den Nachlassverbindlichkeiten gehörten und der Nachlass damit überschuldet sei.
Irrtum über die Beerdigungskosten
Dieser Argumentation hat sich das LG angeschlossen. Der Sohn habe die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten und müsse daher nicht für die Beerdigungskosten aufkommen. Die Anfechtung wegen unerkannter Überschuldung eines Nachlasses sei ein in der Rechtsprechung anerkannter Anfechtungsgrund. Sie setze voraus, dass der Anfechtende eine wesentliche Forderung gegen den Nachlass irrtümlich übersieht. Hier seien die Bestattungskosten eine wesentliche Forderung, da der Nachlass überschuldet sei, wenn man sie berücksichtige. Es sei auch glaubhaft, dass sich der Sohn über die Beerdigungskosten geirrt habe. Denn die Witwe habe ihm noch zu Lebzeiten des Vaters mitgeteilt, für die Beerdigung könne der Erlös aus dem Verkauf eines Pkw verwendet werden. Daher durfte der Sohn davon ausgehen, als Erbe seines Vaters nicht für die Bestattung aufkommen zu müssen, so die Kammer. Wenn kein Erbe in Anspruch genommen werden kann, muss die Witwe als Ehefrau nach den Vorschriften des Landesrechts selbst für die Beerdigungskosten aufkommen, so das LG.
Quelle | Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 27.2.2025, 8 O 189/24, PM vom 31.3.2025
| Die Kosten eines Vaterschaftsanerkennungsverfahrens können zwischen dem im Verfahren ermittelten biologischen Vater und der Mutter hälftig geteilt werden. Weder der Umstand, dass der Vater nicht bereits auf Basis eines Privatgutachtens zur Anerkennung der Vaterschaft bereit war, noch, dass er nach Angaben der Mutter der einzige Verkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit war, rechtfertigen eine alleinige Kostenlast des Vaters. So entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |
Streit um Kosten
Die Beteiligten streiten über die Kosten eines Abstammungsverfahrens. Die Mutter des Kindes hatte angegeben, mit dem sog. Putativvater (also dem, der als möglicher Vater in Betracht kommt) in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehrs gehabt zu haben. Ein außergerichtlicher Vaterschaftstest hatte diesen als Vater festgestellt. Das Kind begehrte daraufhin, die Vaterschaft des Putativvaters gerichtlich festzustellen. Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens stellte das Amtsgericht (AG) die biologische Vaterschaft des Putativvaters fest und legte die Verfahrenskosten hälftig der Mutter und dem nun festgestellten Vater auf.
So sah es das Oberlandesgericht
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Mutter gegen die Auferlegung der Hälfte der Kosten. Dies hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das AG habe im Ergebnis zutreffend die Kosten nach billigem Ermessen zwischen der Kindesmutter und dem Kindesvater hälftig geteilt, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Bei einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren handele es sich nicht um ein echtes Streitverfahren. Neben dem Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens könnten deshalb weitere Umstände von Bedeutung sein. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten sei allerdings regelmäßig unbillig, da es selbst nicht zur Unsicherheit an der Vaterschaft beigetragen habe.
Hier sei es nicht angemessen, dem Vater die alleinigen Kosten aufzuerlegen. Er habe insbesondere nicht „grob schuldhaft“ das Verfahren veranlasst. Ihm sei es vielmehr nicht zumutbar gewesen, die Vaterschaft bereits außergerichtlich ohne gutachterliche Klärung der biologischen Abstammung durch Sachverständigengutachten anzuerkennen. Allein die Angabe der Mutter, sie habe in der Empfängniszeit nur mit dem Vater verkehrt, genüge zur Begründung eines groben Verschuldens nicht. Vielmehr habe der Vater berechtigte Zweifel ans einer Vaterschaft haben dürfen. Unwidersprochen habe er mit der Kindesmutter in der Empfängniszeit keine Beziehung geführt und auch nicht mit ihr zusammengelebt. Damit hätten ihm konkrete Einblicke in die Lebensverhältnisse der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit gefehlt. Für ihn habe damit auch keine Möglichkeit bestanden, abzuschätzen oder zu beurteilen, ob die Mutter des Kindes zu weiteren Männern eine intime Beziehung unterhalten habe.
Außergerichtlicher Vaterschaftstest schließt gerichtliche Überprüfung nicht aus
Auf den bereits außergerichtlich durchgeführten Vaterschaftstest habe er sich nicht verlassen müssen. Er könne vielmehr geltend machen, dass er angesichts der hohen rechtlichen Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Abstammungsgutachtens eine gerichtliche Überprüfung wünsche. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass „beide Eltern das Verfahren über eine Entscheidung über die Abstammung dadurch gleichermaßen veranlasst haben, dass sie innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben. Damit erscheint es in der Regel auch gerechtfertigt, die Kosten eines solchen Verfahrens gleichmäßig auf beide Eltern zu verteilen“, unterstrich das OLG.
Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 13.1.2025, 6 WF 155/24, PM 4/25
| Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung ist so zu verstehen, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, sofern diese nicht bereits von Dritten erbracht und dem Architekten zur Verfügung gestellt wurden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden. |
Ein Architekt war mündlich damit beauftragt worden, die Baugenehmigung für die Erweiterung eines Gasthofs einzuholen. Damit war klar, dass er die Leistungsphase 4 im Leistungsbild Gebäude und Innenräume sowie Tragwerksplanung erbringen musste. Da er vom Auftraggeber nur Bestandszeichnungen erhalten hatte, die nicht an eine Vor- oder Entwurfsplanung heranreichten, verlangte er auch das Honorar für diese notwendigen Leistungen. Der Auftraggeber weigerte sich. Er meinte, er habe nur die Genehmigungsplanung beauftragt.
Das OLG gab dem Architekten Recht und sprach ihm das Honorar für die Leistungsphasen 1 bis 4 zu. Es komme nicht auf die Regelungen der HOAI, sondern auf den Inhalt des konkreten Auftrags an. Nicht entscheidend sei, ob die Parteien einen schriftlichen oder mündlichen Vertrag geschlossen, sondern was sie tatsächlich vereinbart haben. Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung müsse dann so verstanden werden, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, da diese notwendige Voraussetzung für die Erstellung der Genehmigungsplanung ist. Etwas anderes gelte nur, wenn die vorangehenden Planungsleistungen bereits von Dritten erbracht wurden und dem Architekten zur Verfügung gestellt werden.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2022, 4 U 142/20
| Beauftragt ein Bauträger einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt vom Architekten nur die Überprüfung einzelner Maße, übernimmt der Bauträger das mit der begrenzten Überprüfung verbundene Risiko selbst. Er kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin als Bauträgerin machte gegen den beklagten Architekten im Wege einer Schadenersatzklage i. H. v. 100.000 Euro wegen mangelhafter Architektenleistungen bei der Planung einer Wohnungseigentumsanlage geltend. Die Klägerin ist der Auffassung, die die Pläne des Vermessungsingenieurs überarbeitende Wohnflächenberechnung des Beklagten für bestimmte Bestandsgebäude habe eine zu geringe Wohnfläche ausgewiesen. Der Beklagte habe zugesichert, dass die Abweichungen der Wohnflächen von den Bestandsplänen des Vermessers unter einem Prozent lägen, tatsächlich gebe es Abweichungen bis zu 8%. Zahlreiche Wohnungen seien daher mit zu geringer Flächenangabe verkauft worden und deshalb sei ein Mindererlös entstanden.
Der Beklagte bestreitet eine fehlerhafte Flächenermittlung, die sich ohnehin nur auf die örtliche Überprüfung der Maße aus den Bestandsplänen des Vermessers hinsichtlich der für die Werkplanung entscheidenden Stellen bezogen habe. Ein Auftrag zu einer kompletten Neuvermessung des Bestands sei gerade nicht erteilt worden.
Zudem meint die Klägerin, der Beklagte habe bei der Grundlagenermittlung übersehen, dass die Geschossdecken in einem Bestandsgebäude Betonhohlkörperdecken waren, die einen unerwartet hohen Sanierungsaufwand erforderten, und es versäumt, vor Baubeginn die Fundamente an der Seite zu einem anderen Grundstück zu überprüfen. Infolge dieser Planungsfehler hätten sich die Baukosten für das Bestandsgebäude deutlich erhöht. Die Umbaukosten beliefen sich somit auf mindestens 950.000 Euro. Ein vollständiger Abriss und Neubau hätte dagegen (nur) 752.499 Euro gekostet und wäre im Vergleich zu den tatsächlich entstandenen Kosten günstiger gewesen. Bei erzielbaren Verkaufserlösen abzüglich der Kosten für Abriss/Neubau hätte sich bei einem Neubau ein hoher sechsstelliger Überschuss ergeben. Der tatsächliche Überschuss durch den Umbau habe lediglich 107.000 Euro betragen.
Der Beklagte trägt hierzu vor, ihm sei vom Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt worden, dass es sich bei sämtlichen Bestandsdecken um Stahlbetonrippendecken handele. Eine Pflicht zur Überprüfung dieser Tatsache habe es nicht gegeben. Zudem habe sich die Klägerin in Kenntnis der Mehrkosten für eine Sanierung und gegen einen Abriss entschieden. Hinsichtlich des Fundaments sei die Klägerin bereits vor Beauftragung des Beklagten in Kenntnis gesetzt worden, dass dessen Tragfähigkeit ein Risiko darstelle. Sie habe dennoch entschieden, das Fundament erst im Zuge der Aushubarbeiten zu untersuchen, um Kosten einzusparen.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG stellte klar: Wie bei einem Bauvertrag kann auch zwischen einem Architekten und seinem Auftraggeber eine von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichende Ausführung vereinbart werden, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen.
Beauftragt eine Bauträgerin einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt sie vom Architekten, einzelne Maße zu überprüfen, übernimmt die Bauträgerin sehenden Auges das mit der begrenzten Überprüfung der Maße verbundene Risiko und kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Weist der Architekt seinen Auftraggeber darauf hin, dass die zu planende Wohnung ohne Sonnenschutz nicht funktioniert, muss der Auftraggeber erkennen, dass bei Umsetzung der Planung eine im Hinblick auf den Wärmeschutz nicht ausreichend funktionstüchtige Wohnung errichtet wird, und es bedarf keines weiteren Hinweises, dass dann (auch) die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten sind.
Macht der Auftraggeber eines Architekten geltend, dass er im Fall einer mangelfreien Beratung von der Sanierung eines Gebäudes abgesehen und einen profitableren Neubau errichtet hätte, schafft der Auftraggeber für eine Schadensschätzung bzw. Begutachtung nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn er nachvollziehbar darlegt, welches Gebäude mit welchen Eigenschaften er statt der Sanierung errichtet hätte.
Macht ein Auftraggeber geltend, bei einem mangelfreien Architektenwerk hätte er die zu errichtenden Wohnungen teurer verkaufen können, ist ein Schaden nur schlüssig dargelegt, wenn die Kalkulationsgrundlagen für den erzielten und den geltend gemachten Kaufpreis offengelegt werden und nachvollziehbar vorgetragen wird, dass ein höherer Kaufpreis am Markt hätte durchgesetzt werden können.
Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 17.12.2024, 10 U 38/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Aachen hat die Klage eines Realschullehrers auf Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Festsetzung von Erfahrungsstufen und mithin auf eine höhere Besoldung abgewiesen. |
Eine Tätigkeit als Anbieter von Cocktailkursen ist für die Tätigkeit als verbeamteter Lehrer nicht förderlich im besoldungsrechtlichen Sinne. Eine Tätigkeit ist allgemein förderlich, wenn sie für die Dienstausübung des Beamten nützlich bzw. von konkretem Interesse ist, d. h. wenn diese entweder erst aufgrund der früher gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht oder wenn sie jedenfalls erleichtert und verbessert wird.
Ausgehend hiervon kann die Tätigkeit als Betreiber einer Gesellschaft, die Cocktailkurse und Barcatering anbietet – auch wenn diese Tätigkeit über mehrere Jahre ausgeübt wurde – nicht als förderlich angesehen werden. Das Halten von Cocktailkursen ist weder qualitativ noch quantitativ mit der Tätigkeit eines Realschullehrers vergleichbar. So hat der Kläger im Rahmen seiner Cocktailschule insbesondere nicht mit Minderjährigen gearbeitet, sondern deren Angebot zielte auf die Schulung von Mitarbeitern aus dem Hotel-, Restaurant- und Cateringgewerbe. Auch sind die Anforderungen an die Erstellung eines Cocktailkurses nicht mit der Erstellung eines differenzierten Lehrplans für Schulunterricht in den Schulklassen 5 bis 10 vergleichbar.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 20.1.2025, 1 K 2377/23, PM vom 3.2.2025
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Ein Beschäftigungsverhältnis wird erst ab dem Beginn der Entgeltfortzahlung und nicht schon mit Abschluss des Arbeitsvertrags begründet. |
Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankgemeldet
Geklagt hatte ein 36-jähriger Arbeitsloser, dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld Ende Oktober 2023 auslief. Anfang Oktober unterschrieb der Mann einen Arbeitsvertrag als Lagerist bei einem Reinigungsunternehmen zu einem Monatslohn von 3.000 Euro brutto. Er trat die Arbeit jedoch nie an, da er sich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankmeldete. Zwei Wochen später kündigte die Firma innerhalb der Probezeit.
Krankenkasse zahlte kein Krankengeld
Die Krankenkasse des Mannes lehnte daraufhin die Zahlung von Krankengeld ab. Begründung: Es habe kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, da der Mann kein Einkommen erzielt habe.
Der Mann verklagte das Unternehmen und verlangte die Anmeldung zur Sozialversicherung ab dem Beginn des Arbeitsvertrags. Er vertrat dazu die Auffassung, dass bereits durch einen rechtsgültigen Vertrag, der eine Entgeltzahlung vorsehe, ein Beschäftigungsverhältnis zustande komme. Dies müsse auch gelten, wenn ihm der Arbeitsantritt krankheitsbedingt nicht möglich sei. Andernfalls würde er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit leer ausgehen.
Landessozialgericht gab Krankenkasse Recht
Das LSG vermochte sich der Rechtsauffassung des Klägers nicht anzuschließen. Der Arbeitgeber müsse ihn nicht zur Sozialversicherung anmelden, da ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht schon mit dem Beginn des Arbeitsvertrags entstanden sei. Erforderlich sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe. Dieser Anspruch entstehe jedoch bei neuen Arbeitsverhältnissen generell erst nach einer vierwöchigen Wartezeit.
Wartezeit war ohnehin nicht erfüllt
Diese gesetzliche Regelung solle verhindern, dass Arbeitgeber die Kosten der Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer tragen müssen, die direkt nach der Einstellung erkrankten. Der Gesetzgeber habe eine solche Konsequenz als unbillig angesehen.
Unabhängig davon müsse der Mann sich erst an seine Krankenkasse wenden, bevor er seinen Arbeitgeber verklage.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.1.2025, L16 KR 61/24
| Berufsgeheimnisträger können in ihrem Fahrtenbuch Schwärzungen vornehmen, soweit diese Schwärzungen erforderlich sind, um die Identitäten von Mandanten zu schützen. Diese Berechtigung ändert aber nichts an der grundsätzlichen Beweislastverteilung. Gegebenenfalls muss der Berufsträger substanziiert und nachvollziehbar darlegen, weshalb Schwärzungen in dem Umfang erforderlich waren und die berufliche Veranlassung der Fahrten durch ergänzende Angaben darlegen. So lautet eine Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Hamburg, gegen die die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig ist. |
Der Rechtsanwalt hatte die Eintragungen in der Spalte „Grund der Fahrt/besuchte Personen“– mit drei Ausnahmen – bei allen beruflichen Fahrten geschwärzt. Das war dem FG zu viel. Die Richter fanden es ungewöhnlich, dass ein Anwalt bei nahezu jeder geschäftlichen Fahrt geheimhaltungsbedürftige Daten in sein Fahrtenbuch einträgt. In der vorgelegten Form wurde das Fahrtenbuch deshalb nicht anerkannt.
Quelle | FG Hamburg, Urteil vom 13.11.2024, 3 K 111/21, Rev. BFH, VIII R 35/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Der sonntägliche Verkauf von Dekorationsartikeln und Christbaumschmuck in einem Gartenmarkt verstößt nicht gegen das Ladenöffnungsgesetz Nordrhein-Westfalen. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte betreibt Gartenmärkte in Nordrhein-Westfalen und verkaufte dort an einem Sonntag im November des Jahres 2022 neben Blumen und Pflanzen auch Dekorationsartikel und Christbaumschmuck. Die Klägerin hält dies für unlauter und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
So sahen es die Vorinstanzen
Das Landgericht (LG) hat die Klage mit Blick auf das von der Klägerin begehrte Verbot des Verkaufs von künstlichen Tannenzweigen, Motivanhängern, Zimtstangen und Glaskugeln abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsantrag weiter.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der sonntägliche Verkauf der in Rede stehenden Waren stellt keinen Wettbewerbsverstoß dar, weil sie dem Randsortiment zuzurechnen sind. Ihr Verkauf ist deshalb nach dem Ladenöffnungsgesetz Nordrhein-Westfalen (LÖG NW) an Sonn- und Feiertagen zulässig. Als kleinteilige Accessoires zu den von der Beklagten hauptsächlich angebotenen Blumen und Pflanzen haben Dekorationsartikel und Christbaumschmuck lediglich ergänzenden, in Umfang und Gewichtigkeit deutlich untergeordneten Charakter.
Die Zugehörigkeit von Waren zum Randsortiment richtet sich nach ihrer hauptsächlichen Zweckbestimmung und nicht nach ihrer darüber hinaus möglichen Nutzung. Zudem muss das Randsortiment – anders als das Kernsortiment – nicht zum sofortigen Ge- oder Verbrauch bestimmt sein. Auch ist nicht erforderlich, dass Waren des Randsortiments gleichzeitig oder kombiniert mit Waren des Kernsortiments erworben werden. Es stellt keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß dem Grundgesetz (hier: Art. 3 Abs. 1 GG) dar, dass das Randsortiment nur in den aufgrund ihres Kernsortiments privilegierten Verkaufsstellen sonn- und feiertags verkauft werden darf, in sonstigen Verkaufsstellen aber nicht. Die Differenzierung danach, ob das Kernsortiment den typischerweise an Sonn- und Feiertagen anfallenden Bedarf befriedigt, ist sachlich gerechtfertigt.
Quelle | BGH, Urteil vom 5.12.2024, I ZR 38/24, PM Nr. 230/24
| Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde die nationale Kleinunternehmerregelung mit Wirkung ab dem Jahr 2025 reformiert. Zudem kann die Kleinunternehmerregelung nun auch erstmalig im EU-Ausland in Anspruch genommen werden. Infolge der gesetzlichen Neuregelungen hat das Bundesfinanzministerium (BMF) ein Anwendungsschreiben veröffentlicht und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass entsprechend angepasst und ergänzt. |
„Echte“ Befreiung
Durch die Neuregelung sind von inländischen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze von der Umsatzsteuer nun befreit (zuvor wurde die Umsatzsteuer „nicht erhoben“). Die Folge ist, dass ein dennoch in einer Rechnung ausgewiesener Steuerbetrag unter den Voraussetzungen des Umsatzsteuergesetzes (hier § 14 c Abs. 1 UStG: „unrichtiger Steuerausweis“) geschuldet wird.
Rechnungen an Endverbraucher ausgenommen
Allerdings entsteht keine Umsatzsteuer, wenn der Kleinunternehmer eine Leistung (Lieferung oder sonstige Leistung) ausführt und hierüber eine Rechnung mit einem unrichtigen Steuerausweis an einen Endverbraucher stellt.
Bindend: Fünfjahresfrist
Zudem führt das BMF Folgendes aus: Ein vor 2025 erklärter Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung bindet den Unternehmer auch für die Zeit nach dem 1.1.2025 weiterhin für insgesamt mindestens fünf Kalenderjahre (§ 19 Abs. 3 S. 3 UStG).
Beachten Sie | Die Fünfjahresfrist ist vom Beginn des ersten Kalenderjahres an zu berechnen, für das die abgegebene Erklärung gilt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 18.3.2025, III C 3 - S 7360/00027/044/105
| Ein als Zahnarzt zugelassener Mitunternehmer übt im Rahmen eines Zusammenschlusses von Berufsträgern den freien Beruf selbst aus, wenn er neben einer ggf. äußerst geringfügigen behandelnden Tätigkeit vor allem und weit überwiegend organisatorische und administrative Leistungen für den Praxisbetrieb der Mitunternehmerschaft erbringt. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Ärzte und Zahnärzte erzielen aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 18 EStG). Dies gilt grundsätzlich auch bei einer Gemeinschaftspraxis.
Allerdings kann es Konstellationen geben, in denen die Einkünfte der Gesellschaft als gewerbliche Einkünfte (nach § 15 EStG) einzustufen sind – mit der Konsequenz der Gewerbesteuerpflicht. Und darum ging es in folgendem Fall:
Das war geschehen
Eine Partnerschaftsgesellschaft betreibt eine Zahnarztpraxis. Einem ihrer Seniorpartner oblag die kaufmännische Führung und die Organisation der ärztlichen Tätigkeit des Praxisbetriebs (z. B. Vertretung gegenüber Behörden und Kammern, Personalangelegenheiten, Instandhaltung der zahnärztlichen Gerätschaften).
Zahnarzt hatte im Jahr fünf Patienten
Der Seniorpartner war weder „am Stuhl“ behandelnd tätig noch in die praktische zahnärztliche Arbeit der Mitsozien und der angestellten Zahnärzte eingebunden. Er beriet im Streitjahr fünf Patienten konsiliarisch und generierte hieraus einen geringfügigen Umsatz.
Das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz stuften die Einkünfte der gesamten Gesellschaft als gewerblich ein. Dem folgte der BFH allerdings nicht: Alle Mitunternehmer erzielen Einkünfte aus freiberuflicher und damit selbstständiger Arbeit.
Die freiberufliche Tätigkeit ist durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Berufsträgers geprägt. Daher reicht die bloße Zugehörigkeit eines Gesellschafters zu einem freiberuflichen Katalogberuf nicht aus. Vielmehr muss positiv festgestellt werden können, dass jeder Gesellschafter die Hauptmerkmale des freien Berufs in seiner Person tatsächlich verwirklicht hat, also
- die persönliche Berufsqualifikation sowie
- das untrennbar damit verbundene aktive Entfalten dieser Qualifikation am Markt.
Die persönliche Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit im vorgenannten Sinne setzt allerdings nicht voraus, dass jeder Gesellschafter in allen Unternehmensbereichen leitend und eigenverantwortlich tätig ist und an jedem Auftrag mitarbeitet. Die eigene freiberufliche Betätigung eines Mitunternehmers kann auch in Form der Mit- und Zusammenarbeit stattfinden.
Beachten Sie | Einen Mindestumfang für die nach außen gerichtete qualifizierte Tätigkeit sieht das Gesetz nicht vor.
Eine freiberufliche zahnärztliche Tätigkeit ist demzufolge vorliegend anzunehmen. Auch in diesem Fall entfaltet der Berufsträger Tätigkeiten, die zum Berufsbild des Zahnarztes gehören.
Bundesfinanzhof: Führung und Organisation ist Grundlage für freiberufliche Tätigkeit
Beachten Sie | In diesem Zusammenhang stellte der BFH Folgendes heraus: Die kaufmännische Führung und Organisation der Personengesellschaft ist die Grundlage für die Ausübung der am Markt erbrachten berufstypischen zahnärztlichen Leistungen. Sie ist demzufolge auch Ausdruck seiner freiberuflichen Mit- und Zusammenarbeit sowie seiner persönlichen Teilnahme an der praktischen Arbeit.
Quelle | BFH, Urteil vom 4.2.2025, VIII R 4/22, PM 19/25 vom 27.3.2025
| Ein vermietetes Wohngebäude abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen, wird nicht durch die sogenannte Wohnraumoffensive steuerlich gefördert. Eine Sonderabschreibung gemäß Einkommensteuergesetz (hier: § 7 b Abs.1 EStG) ist nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) Köln nicht möglich. Allerdings haben die Steuerpflichtigen Revision eingelegt. |
Hintergrund: Für die Anschaffung oder Herstellung neuer Wohnungen können im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden drei Jahren Sonderabschreibungen bis zu jährlich 5 % der Bemessungsgrundlage neben der regulären Abschreibung in Anspruch genommen werden. Einige Voraussetzungen für die Sonderabschreibung im Überblick:
Baukostenobergrenze
- Bauantrag/-anzeige nach 31.8.2018 und vor 1.1.2022:
Anschaffungs-/Herstellungskosten max. 3.000 Euro pro qm Wohnfläche
- Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029:
Anschaffungs-/Herstellungkosten max. 5.200 Euro pro qm Wohnfläche
Maximal förderfähig Bemessungsgrundlage
- Bauantrag/-anzeige nach 31.8.2018 und vor 1.1.2022:
2.000 Euro pro qm Wohnfläche
- Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029:
4.000 Euro pro qm Wohnfläche
Energieeffizienz
Bei Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029: Effizienzvorgaben („Effizienzhaus 40“) beachten.
Das war geschehen
Die Steuerpflichtigen waren Eigentümer eines vermieteten Einfamilienhauses und entschieden sich gegen die aus ihrer Sicht unwirtschaftliche Sanierung des Gebäudes auf einen zukunftsfähigen Standard. Stattdessen ließen sie das alte Gebäude abreißen und errichteten auf demselben Grundstück ein neues Einfamilienhaus. Den Ende 2020 fertiggestellten Neubau wollten sie wieder als Wohnraum vermieten. Das Finanzamt versagte die Förderung für Mietwohnungsneubau (Sonderabschreibung) gemäß der Wohnraumoffensive von Bund, Ländern und Gemeinden aus dem Jahr 2019. Hiergegen zogen die Steuerpflichtigen vor das FG Köln – ohne Erfolg.
Das FG hob hervor, dass die Steuerpflichtigen keinen zusätzlichen Wohnraum geschaffen haben. Die Wohnraumoffensive zielt darauf ab, dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum durch die Förderung von Neu- und Umbaumaßnahmen entgegenzuwirken. Voraussetzung für die Förderung ist deshalb, dass nach einer solchen Maßnahme insgesamt mehr Wohnraum zur Verfügung steht als zuvor. Der von den Steuerpflichtigen angeführte bessere Ausbau- und Energiestandard änderte nichts an dieser Beurteilung.
„Wohnraumoffensive“ galt noch nicht
Unerheblich war auch, dass der Gesetzgeber für spätere Zeiträume eine zusätzliche Förderung für energetische Neubauten geschaffen hat. Denn diese Förderung war im Streitjahr 2020 noch nicht anwendbar. Das Vorgehen der Steuerpflichtigen war eher mit einer Sanierung vergleichbar, die nicht vom Förderzweck der Wohnraumoffensive umfasst ist.
Quelle | FG Köln, Urteil vom 12.9.2024, 1 K 2206/21, Rev. BFH, IX R 24/24
| Zahlungen für den vorzeitigen Rückfall eines Erbbaurechts (sogenannter Heimfall) stellen steuerpflichtige Einkünfte dar, wenn sie als Ersatz für entgehende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gewährt werden und damit Entschädigungen i. S. des Einkommensteuergesetzes (hier: § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) darstellen. Das Finanzgericht (FG) Hessen bestätigte damit die Ansicht der Finanzverwaltung, wonach solche Entschädigungszahlungen nicht als sonstige Einkünfte, sondern als Einkünfte aus der Nutzung von unbeweglichem Vermögen zu qualifizieren sind. |
Beachten Sie | Die Klägerseite hatte den Vorgang demgegenüber als Rückkauf des Erbbaurechts und die „Entschädigung“ als Entgelt für die Substanzübertragung eingestuft. Wegen des Ablaufs der 10-Jahresfrist (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG) komme eine Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft nicht mehr in Betracht.
Das FG sah das anders. Dass eine Drucksituation des Steuerpflichtigen bei Vertragsschluss nicht erkennbar war, änderte daran nichts. Da die Revision anhängig ist, wird nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden müssen.
Quelle | FG Hessen, Urteil vom 22.2.2024, 10 K 436/22, Rev. BFH, IX R 9/24
| Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit den Bundesländern Vorgaben zu den ertragsteuerrechtlichen Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten bei Kryptowerten (z. B. Bitcoin) erarbeitet. Die neuen Vorgaben ersetzen das bisherige Schreiben aus dem Jahr 2022. Zu diesem Anlass wurde die bisherige Formulierung „virtuelle Währungen und sonstige Token“ durch die Bezeichnung „Kryptowerte“ ersetzt. |
Beachten Sie | Tätigkeiten im Zusammenhang mit Kryptowerten können zu Einkünften aus allen Einkunftsarten (z. B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen) führen.
Nach Rz. 53 des Schreibens ist Folgendes zu beachten: Gewinne aus dem Verkauf von im Privatvermögen gehaltenen Kryptowerten können Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften darstellen, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Gewinne bleiben indes steuerfrei, wenn die Summe der aus allen privaten Veräußerungsgeschäften im Kalenderjahr erzielten Gewinne weniger als 1.000 Euro beträgt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 6.3.2025, IV C 1 - S 2256/00042/064/043
| Zur Ermittlung der tatsächlichen Kosten für sonstige berufliche Fahrten nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 a S. 1 EStG) ist eine Leasingsonderzahlung den einzelnen Veranlagungszeiträumen während der Laufzeit des Leasingvertrags zuzuordnen. Mit dieser Entscheidung hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine bisherige Rechtsprechung geändert. Denn bis dato war die Leasingsonderzahlung grundsätzlich im Zeitpunkt der Zahlung zu berücksichtigen. Und auch andere (Voraus-)Zahlungen, die sich wirtschaftlich auf die Dauer des Leasingvertrags erstrecken, sind periodengerecht auf die einzelnen Veranlagungszeiträume während der Laufzeit des Leasingvertrags zu verteilen. |
Hintergrund: Arbeitnehmer können die Kosten für beruflich veranlasste Fahrten, die keine Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie keine Familienheimfahrten sind, bei Nutzung eines eigenen Pkw als Werbungskosten ansetzen. Dabei besteht ein Wahlrecht: Ansatz der Fahrtkosten mit einer Pauschale von 0,30 Euro/km oder Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen.
Sollen die tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden, muss ein individueller Kilometersatz ermittelt werden, wobei die gesamten Fahrzeugkosten zu berücksichtigen sind.
Beachten Sie | Zu den Gesamtkosten gehören die Kosten, die unmittelbar dem Halten und dem Betrieb des Kfz dienen und im Zusammenhang mit dessen Nutzung typischerweise entstehen. Dazu rechnen vor allem die Kosten für Betriebsstoffe, Wartung und Reparaturen sowie die regelmäßig wiederkehrenden festen Kosten, etwa für die Haftpflichtversicherung, die Kfz-Steuer, Absetzung für Abnutzung (AfA) oder Leasing- und Leasingsonderzahlungen.
Das war geschehen
Ein Arbeitnehmer nutzte für seine beruflichen Fahrten einen ab dem 20.12.2018 für drei Jahre geleasten Pkw. Für seine vom 20.12. bis 31.12.2018 durchgeführten beruflichen Fahrten setzte er 0,93 Euro/km als Werbungskosten an. Bei der Ermittlung des Kilometersatzes legte er u. a. die Leasingsonderzahlung für den Leistungszeitraum (20.12.2018 bis 19.12.2021) von 15.000 Euro, die Kosten für Zubehör, Zusatzleistungen und Reifen sowie die für zwölf Monate zu zahlenden Leasingraten, Versicherungsprämien und ADAC-Beiträge zugrunde.
Bisher gehörte eine bei Leasingbeginn zu erbringende Sonderzahlung in Höhe des auf die Auswärtstätigkeiten entfallenden Nutzungsanteils zu den sofort abziehbaren Werbungskosten. Etwas anderes galt nur, wenn es sich bei der Leasingsonderzahlung um Anschaffungskosten für den Eigentumserwerb bzw. um Anschaffungskosten eines Nutzungsrechts handelte, die nur in Form von AfA berücksichtigt werden können.
Bundesfinanzhof ändert seine bisherige Rechtsprechung
An dieser Rechtsprechung hält der BFH nicht mehr fest. Bei Leasingsonderzahlungen handelt es sich um ein vorausgezahltes Nutzungsentgelt, das dem Zweck dient, die Leasingraten während der Gesamtlaufzeit des Leasingvertrags zu mindern. Die Sonderzahlung finanziert damit auch die Nutzung des Fahrzeugs in den Folgejahren, weshalb die Leasingsonderzahlung linear auf den Vertragszeitraum zu verteilen ist, sofern die Sonderzahlung nach den Vertragsbedingungen die Höhe der monatlichen Leasingraten mindert.
Diese Grundsätze gelten auch für andere (Voraus-)Zahlungen, die sich wirtschaftlich auf die Dauer des Leasingvertrags erstrecken. Beispielhaft führt der BFH die Kosten „für einen weiteren Satz Reifen“ an, die in Höhe der AfA in die jährlichen Gesamtaufwendungen einzubeziehen sind.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 9/22
| Die Fahrerlaubnis-Verordnung bietet keine rechtliche Grundlage für eine behördliche Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen (u. a. Fahrräder, Mofas, E-Scooter). Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden. Damit sind zwei Antragsteller aus Duisburg und Schwerte vorläufig wieder berechtigt, mit solchen Fahrzeugen am Straßenverkehr teilzunehmen. |
Unter Amphetaminen auf dem E-Scooter bzw. betrunken auf dem Rad
Ein Antragsteller fuhr unter dem Einfluss von Amphetamin einen E-Scooter. Der andere Antragsteller wies bei einer Fahrt mit dem Fahrrad eine Blutalkoholkonzentration von über 2 ‰ auf. Beide besitzen keine Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (z. B. Pkw). In beiden Fällen untersagten die Fahrerlaubnisbehörden ihnen das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen. Die hiergegen gerichteten Eilanträge lehnten die Verwaltungsgerichte (VG) Düsseldorf und Gelsenkirchen ab. Die Beschwerden der Antragsteller hatten beim OVG Erfolg.
Einschlägige Normen nicht verhältnismäßig
Zur Begründung hat das OVG ausgeführt: Die streitigen Anordnungen können nicht auf die Vorschrift der Fahrerlaubnis-Verordnung gestützt werden, wonach die Fahrerlaubnisbehörde jemandem das Führen von Fahrzeugen zu untersagen hat, der sich als hierfür ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet erweist. Denn diese Norm ist nicht hinreichend bestimmt und verhältnismäßig.
Ein solches Verbot schränkt die grundrechtlich geschützte Fortbewegungsmöglichkeit der Betroffenen deutlich ein. Außerdem sind fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im Vergleich zu Kraftfahrzeugen in der Regel weniger gefährlich. Die Vorschrift berücksichtigt diese Aspekte nicht und regelt insbesondere nicht hinreichend klar, in welchen Fällen jemand ungeeignet oder bedingt geeignet zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist und wann Eignungszweifel bestehen.
Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts sind unanfechtbar.
Quelle | OVG Münster, Beschluss vom 5.12.2024, 16 B 175/23, PM vom 6.12.2024
| In einem aktuellen Streitfall hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass der Steuerpflichtige die Aufwendungen für seine Fahrten zwischen der Wohnung und der Fernuniversität in Hagen nach Reisekostengrundsätzen als Werbungskosten geltend machen kann. |
Hintergrund: Beruflich veranlasste Aufwendungen, die im Rahmen einer Zweitausbildung (Berufsausbildung oder Studium) anfallen, sind grundsätzlich als (vorab entstandene) Werbungskosten abziehbar. Hierzu zählen auch die Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte. Diese sind jedoch bei vollzeitigen Bildungsmaßnahmen bzw. bei Vollzeitstudien auf den Ansatz der Entfernungspauschale begrenzt.
Ein Vollzeitstudium liegt vor, wenn das Studium darauf ausgelegt ist, dass sich die Studierenden diesem (vergleichbar einem vollbeschäftigten Arbeitnehmer) zeitlich vollumfänglich widmen müssen. Davon ist auszugehen, wenn das Studium nach den Ausbildungsbestimmungen oder der allgemeinen Erfahrung insgesamt etwa 40 Wochenstunden (Unterricht, Praktika sowie Vor- und Nachbereitung zusammengenommen) erfordert.
Im Streitfall war der Steuerpflichtige nur als Teilzeitstudierender eingeschrieben und studierte nach seinem Hörerstatus in einem Umfang von etwa 20 Stunden wöchentlich. Dass er im Streitjahr keiner Erwerbstätigkeit nachging, war im Hinblick auf den Begriff des Vollzeitstudiums unerheblich.
Somit waren die Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen (Ansatz einer Pauschale i. H. von 0,30 Euro je gefahrenem Kilometer oder Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen) abzugsfähig.
Quelle | BFH, Urteil vom 24.10.2024, VI R 7/22
| Wer auf Betrüger hereinfällt und im Online-Verfahren eine Echtzeit-Überweisung freigibt, kann nicht darauf hoffen, dass die Bank ihm den Schaden ersetzt. Dies gilt selbst dann, wenn er Minuten später den Schwindel bemerkt und über den Kundenservice sein Konto sperren lässt. Denn der einmal angestoßene Zahlungsvorgang kann nicht mehr gestoppt werden, auch wenn das Geld erst Tage später vom Konto abgebucht wird. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden. Das LG hat die Klage zweier Eheleute gegen ihre Hausbank abgewiesen. Diese waren einer bekannten Betrugsmasche („Hallo, ich habe eine neue Handynummer“) aufgesessen. |
Ehepaar fiel auf bekannte Betrugsmasche herein
Das Ehepaar erhielt im Herbsturlaub letzten Jahres eine SMS von einer unbekannten Rufnummer. Der Absender gab sich als deren Tochter aus und bat darum, über den Nachrichtendienst WhatsApp Kontakt aufzunehmen. Bei dem darauffolgenden Chat glaubten die beiden fest daran, mit ihrer Tochter in Kontakt zu sein. Auf Frage teilten sie die Zugangsdaten für das von ihnen genutzte Online-Banking mit und gaben schließlich zwei Echtzeitüberweisungen von insgesamt ca. 6.000 Euro über die auf ihrem Handy installierte Photo-Tan-App frei. Bereits wenige Minuten später kamen ihnen doch Bedenken,s ie erreichten ihre Tochter und die Täuschung flog auf. Weniger als 20 Minuten nach der Freigabe der Zahlungen informierten sie telefonisch den Kundenservice ihrer Bank und ließen das Konto sperren. Trotzdem wurden die Beträge zwei Tage später vom Girokonto abgebucht. Es sei nicht mehr möglich gewesen, die Vorgänge zu stoppen, so die Bank. Eine Rückerstattung lehnte sie ab.
Landgericht: Zahlungsvorgang an sich völlig korrekt
Das LG gab der Bank Recht und lehnte die Rückzahlung ab. Die Eheleute hätten ihre Freigabe nicht mehr widerrufen können. Ein Widerruf sei nämlich bei Echtzeit-Überweisungen nur bis zum Zugang der Freigabe bei der Bank möglich. Über das Internet erfolgt der Zugang in Sekundenbruchteilen. Danach könnten sich Bankkunden nur von der Freigabe lösen, wenn die Bank die Täuschung hätte bemerken müssen. Dafür sei im konkreten Fall nichts ersichtlich, der Zahlungsvorgang sei vielmehr völlig korrekt abgelaufen und die Bank sei mittels der im Online-Banking vorgesehenen Login- und Freigabedaten korrekt autorisiert worden. Dass die Abbuchung erst zwei Tage später erfolgt sei, ändere am Ergebnis nichts. Es sei zu unterscheiden zwischen dem Geldausgang, der schon wenige Sekunden nach der Online-Freigabe erfolgt sei, und dem Zeitpunkt der Belastung des Kontos. Im Übrigen habe sich das Paar durch die leichtfertige Weitergabe der Zugangsdaten grob fahrlässig verhalten.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 24.10.2024, 7 O 154/24, PM vom 27.11.2024
| Teilt der Rundfunkkunde eine Änderung der Anschrift nicht mit und ergreift auch keine Maßnahmen, um den Zugang von Post unter einer veralteten Adresse zu verhindern, muss er offene Rundfunkbeiträge zahlen. So entschied es das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |
Das war geschehen
Die Klägerin wird durch den beklagten Südwestrundfunk für ihre Privatwohnung zu Rundfunkbeiträgen herangezogen. Sie bewohnt ein Haus, das ursprünglich über zwei getrennte Wohneinheiten mit Ausgängen zu verschiedenen Straßen (A.-Straße und C.-Weg) verfügte. Bis zum Jahr 2020 war die Klägerin unter der Anschrift A.-Straße gemeldet. Bereits einige Jahre zuvor verschloss sie jedoch den auf diese Straße führenden Hauseingang und entfernte den zugehörigen Briefkasten. Eine Ummeldung (zum C.-Weg) veranlasste sie zunächst nicht. Die Klägerin entrichtete keine Rundfunkbeiträge.
Schließlich setzte der Beklagte mit mehreren Festsetzungsbescheiden die offenen Rundfunkbeiträge gegen die Klägerin fest. Die Bescheide waren an die Anschrift der Klägerin in der A.-Straße adressiert. Erstmals ab Mitte des Jahres 2020 nahm die Klägerin die Zahlung von Rundfunkbeiträgen auf und zeigte dem Beklagten die Anschrift „C.-Weg“ an.
Mit ihrer nach erfolglosem Widerspruchsverfahren gegen die Festsetzungsbescheide gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, die Bescheide seien ihr nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Eine Mahnung habe sie nur durch Zufall erreicht. Seit Jahren empfange sie ihre Post nur noch im C.-Weg. Die geforderten Beiträge seien deshalb verjährt.
So sah es das Verwaltungsgericht
Hiermit hatte sie keinen Erfolg. Die Klägerin sei zur Zahlung der geforderten Rundfunkbeiträge verpflichtet, so das VG. Dabei könne offen bleiben, ob der Klägerin die Bescheide wirksam bekannt gegeben worden seien. Denn sie habe dem Beklagten die Änderung der Anschrift nicht mitgeteilt und noch dazu aktive Maßnahmen ergriffen, um den Zugang von Post unter der A.-Straße zu verhindern. Sie könne sich daher jedenfalls nicht auf die Verjährung der Beiträge berufen. Außerdem seien die Zahlungen, die die Klägerin ab dem Jahr 2020 geleistet habe, nach der insoweit maßgeblichen Satzung des Beklagten jeweils mit der ältesten Rundfunkbeitragsschuld verrechnet worden.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 12.11.2024, 5 K 594/24.KO, PM 21/24
| Ferien sollen eine schöne und unbeschwerte Zeit sein. Doch auch hier kann es zu schlimmen Vorfällen kommen. So ging es einer Familie aus Norddeutschland auf der Insel Wangerooge. Letztlich musste sich das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg damit befassen. |
Unfall beim Kaffeekochen
Beim ersten Frühstück in der Ferienwohnung setzte die Mutter einer sechsjährigen Tochter Kaffee in der Kaffeemaschine auf. Als sie den Kaffee zum Frühstückstisch brachte, löste sich der Henkel und die Kanne kippte nach vorn. Der heiße Kaffee ergoss sich über den Oberköper und die Arme ihrer Tochter. Das Mädchen erlitt schwere Verbrennungen und kam mit einem Hubschrauber ins Krankenhaus nach Wilhelmshaven. Sie trug – voraussichtlich dauerhafte – Narben im Brustbereich davon.
Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld?
Die Tochter verklagte die Vermieterin auf Schmerzensgeld und Schadensersatz, weil die Kaffeekanne schon bei Übernahme der Ferienwohnung kaputt gewesen sei. Das Landgericht (LG) Oldenburg wies die Klage ab. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen als Teil des Mietvertrags sei eine Haftung für einfache Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Es sei aber nicht feststellbar, dass die Kaffeekanne erkennbar nicht mehr vollständig in Ordnung gewesen sei.
Mangel war nicht zu beweisen
Das OLG hat jetzt diese Entscheidung bestätigt. Zwar sei ein umfassender Haftungsausschluss durch Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam. Ein Vermieter hafte grundsätzlich sogar ohne jedes eigene Verschulden, allerdings nur für Mängel, die bereits bei Vertragsschluss vorlägen. Hier sehe das Gesetz eine viel strengere Haftung vor als bei anderen Vertragsformen, etwa beim Kauf- oder beim Werkvertrag. Die Klägerin habe jedoch einen solchen Mangel zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht beweisen können. Der gerichtlich bestellte Sachverständige habe keine Reparaturspuren an der Kanne feststellen können. Es stehe auch nicht fest, dass die Kanne bereits bei Vertragsschluss einen Schaden durch Verschleiß aufgewiesen habe. Ebenso wenig sei bewiesen, dass die Kaffeekanne einen Produktmangel gehabt habe, der zu vorzeitigem Verschleiß geführt habe. Selbst für einen solchen Mangel hätte die Vermieterin einstehen müssen.
Verschulden nicht ersichtlich
Die Vermieterin treffe auch keine Haftung wegen eines möglichen Verschuldens. Es sei nicht mehr aufzuklären, in wessen Verantwortungsbereich die Schadensursache liege. Die Glaskanne sei zunächst noch funktionstüchtig gewesen, als die Mutter der Klägerin damit das kalte Wasser in die Maschine gefüllt habe. Der Bruch sei also erst danach erfolgt. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Vermieterin etwaige Vorschäden hätten auffallen müssen. Sie hätte die Kanne auch nicht auf versteckte Schäden untersuchen müssen.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 25.11.2024, 9 U 40/23, PM 36/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden hat eine Klage abgewiesen, mit der der Kläger die Ausstellung eines Personalausweises ohne Speicherung der Fingerabdrücke auf dessen elektronischem Speichermedium (sog. „Chip“) begehrte. |
Pflicht aufgrund europäischer Verordnung
Die Pflicht zur Speicherung von Fingerabdrücken bei Ausweisen beruht auf der europäischen Verordnung (hier: (EU) 2019/1157 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019) zur Erhöhung der Sicherheit der Personalausweise von Unionsbürgern und der Aufenthaltsdokumente, die Unionsbürgern und deren Familienangehörigen ausgestellt werden, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben. Der Kläger trug vor, dass hierdurch seine Grundrechte auf Schutz des Privatlebens nach der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Art. 7 GRCh) und auf Schutz personenbezogener Daten (Art. 8GRCh) verletzt würden.
So sah es der Europäische Gerichtshof
Das VG hatte das Verfahren zunächst ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in einem Vorabentscheidungsverfahren die Frage vorgelegt, ob die Pflicht zur Aufnahme von Fingerabdrücken in Personalausweisen mit höherrangigem Unionsrecht vereinbar ist. Der EuGH hatte entschieden, dass die Verordnung wegen der Durchführung eines ungeeigneten Gesetzgebungsverfahrens ungültig sei. Die Wirkungen der Verordnung würden jedoch aufrechterhalten bleiben, bis innerhalb einer angemessenen Frist, die zwei Jahre ab dem 1.1.2025 nicht überschreiten dürfe, eine neue, im korrekten Gesetzgebungsverfahren erlassene Verordnung in Kraft trete, die sie ersetzt. In materieller Hinsicht verstoße die Einschränkung der in Art. 7 und Art. 8 GRCh garantierten Rechte nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sodass die Verordnung nicht aus diesem Grund ungültig sei.
So entschied das Verwaltungsgericht
Die Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken sei rechtmäßig, so das VG, und verletze den Kläger deshalb auch nicht in seinen Rechten. Das VG sei an das Urteil des EuGH gebunden, insbesondere bezüglich der Ausführungen zur materiellen Rechtmäßigkeit. Auch im Hinblick auf die im konkreten Verfahren vorliegende Frage der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken durch die Landeshauptstadt Wiesbaden sei keine andere Beurteilung geboten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei auch im konkreten Fall gewahrt. In der Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken durch die Beklagte liege kein Verstoß gegen Grundrechte.
Auch habe das VG für die Entscheidung über den vorliegenden Fall nicht den Fristablauf der Fortgeltung der o. g. Verordnung oder den Erlass einer neuen Verordnung abwarten müssen. Angesichts der Entscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren sei die Sache entscheidungsreif. Der EuGH habe ausdrücklich entschieden, dass die Wirkungen der Verordnung aufrechterhalten blieben, weshalb im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein Anspruch des Klägers auf Ausstellung eines Personalausweises ohne Speicherung von Fingerabdrücken bestehe. Die Frage, ob sich ein solcher Anspruch möglicherweise in der Zukunft infolge einer Änderung der Rechtslage ergeben könnte, sei im vorliegenden Verfahren nicht von Relevanz.
Quelle | VG Wiesbaden, Urteil vom 18.12.2024, 6 K 1563/21.WI, PM 9/24
| Leistungen eines Wohnungseigentümers in die Erhaltungsrücklage einer Wohnungseigentümergemeinschaft (z. B. im Rahmen der monatlichen Hausgeldzahlungen) sind steuerlich im Zeitpunkt der Einzahlung noch nicht abziehbar. Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung liegen erst vor, wenn aus der Rücklage Mittel zur Zahlung von Erhaltungsaufwendungen entnommen werden. Damit hat der Bundesfinanzhof (BFH) die bisherige Sichtweise bestätigt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar vermietete mehrere Eigentumswohnungen. Das an die jeweilige Wohnungseigentümergemeinschaft gezahlte Hausgeld wurde zum Teil der gesetzlich vorgesehenen Erhaltungsrücklage zugeführt. Insoweit erkannte das Finanzamt keine Werbungskosten an. Der Abzug könne erst in dem Jahr erfolgen, in dem die zurückgelegten Mittel für die tatsächlich angefallenen Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum verbraucht würden. Das Finanzgericht (FG) Nürnberg wies die Klage ab – und auch die Revision beim BFH blieb erfolglos.
Hausgeld war zwar erbracht …
Der Werbungskostenabzug erfordert einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Vermietungstätigkeit und den Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Die Eheleute hatten den der Erhaltungsrücklage zugeführten Teil des Hausgelds zwar erbracht und konnten hierauf nicht mehr zurückgreifen, da das Geld ausschließlich der Wohnungseigentümergemeinschaft gehört.
… aber noch nicht verausgabt
Auslösender Moment für die Zahlung war aber nicht die Vermietung, sondern die rechtliche Pflicht jedes Wohnungseigentümers, am Aufbau und an der Aufrechterhaltung einer angemessenen Rücklage für die Erhaltung des Gemeinschaftseigentums mitzuwirken. Ein Zusammenhang zur Vermietung entsteht erst, wenn die Gemeinschaft die angesammelten Mittel für Erhaltungsmaßnahmen verausgabt. Erst dann kommen sie der Immobilie zugute.
Beachten Sie | Durch die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) im Jahr 2020 wurde der Wohnungseigentümergemeinschaft die volle Rechtsfähigkeit zuerkannt. Der Hoffnung, dass die Zahlung in die Erhaltungsrücklage deshalb sofort im Zahlungsjahr abzugsfähig ist, hat der BFH ausdrücklich eine Absage erteilt.
Quelle | BFH, Urteil vom 14.1.2025, IX R 19/24
| Das Gericht darf einen Zuschlag zum Mietspiegel vornehmen, um eine sachgerechte Einzelvergleichsmiete zu bilden. Voraussetzung: Zwischen dem Erhebungsstichtag des Mietspiegels und dem Zeitpunkt, an dem das Zustimmungsverlangen zugestellt wurde, werden außergewöhnliche Steigerungen der ortsüblichen Vergleichsmiete festgestellt. Eine solche liegt aber nicht vor, wenn der Verbraucherpreisindex ansteigt. So sieht es das Landgericht (LG) München. |
Der Vermieter begehrte die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Er wollte u. a. einen sog. Stichtagszuschlag auf die von ihm ermittelte Vergleichsmiete addieren. Der Verbraucherpreisindex habe sich im Zeitraum zwischen Januar 2022 (als dem maßgeblichen Zeitpunkt der Erhebung der Daten für den qualifizierten Mietspiegel 2023) und Juni 2023 (Zugang des Mieterhöhungsverlangens) aufgrund einer ungewöhnlichen Steigerung der Mieten von rund 3% erhöht.
Das LG: Ein Stichtagszuschlag komme nicht in Betracht. Die Mieterhöhung könne nicht auf den qualifizierten Mietspiegel und ergänzend auf einen Anstieg des Verbraucherpreisindex gestützt werden. Ein Anstieg gemäß Index für Nettokaltmieten von nur wenig mehr als 3 % sei nicht außergewöhnlich hoch. Die Einführung einer „Stichtagspraxis“ würde zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen, die die sog. Befriedungsfunktion des Mietspiegels gefährden könne.
Quelle | LG München I, Urteil vom 17.7.2024, 14 S 3692/24
| Hat der Vermieter Ersatzansprüche wegen des Zustands der Mietsache bei Rückgabe, muss er sich bei unwirksamer Schönheitsreparaturklausel die Kosten anrechnen lassen, die er mangels eigener Renovierungsarbeiten erspart hat. So hat es das Amtsgericht (AG) Hanau entschieden. |
Vermieter verlangte Kostenersatz für Tapezier- und Streicharbeiten
Das Mietverhältnis zwischen den Parteien lief über 13 Jahre, der Vertrag enthielt eine Klausel hinsichtlich der durch den Mieter durchzuführenden Schönheitsreparaturen. Nach Wohnungsrückgabe führte der Vermieter Tapezier- und Streicharbeiten durch. Die Kosten verlangte er von dem Mieter ersetzt. Denn dieser habe sie mit bunten Farben (gelb, grün und rosa) zurückgegeben, was eine Weitervermietung nicht ermögliche. Zudem habe es viele nicht verschlossene Dübellöcher gegeben.
Klage abgewiesen
Das AG hat entschieden: Der Vermieter kann Streich- und Tapezierarbeiten in der Wohnung nicht ersetzt verlangen, weil er selbst zur Durchführung der Schönheitsreparaturen verpflichtet war. Es hat die Klage des Vermieters daher abgewiesen.
Worauf es ankommt und worauf nicht
Darauf, ob der Mieter dem Vermieter die Kosten für die Streich- und Tapezierarbeiten erstatten muss, komme es nicht an. Denn der Vermieter hätte während der gesamten Laufzeit des Mietvertrags die Schönheitsreparaturen in der Wohnung durchführen müssen. Die Klausel, nach der der Mieter hierzu verpflichtet wurde, war unwirksam, weil sie zu kurze Fristen setze. Außerdem sollte der Mieter nach einer anderen Klausel die Wohnung auch bei Einzug streichen, was ebenfalls zur Unwirksamkeit der laufenden Renovierungspflicht führe. Daher musste stattdessen, wie auch an sich vom Gesetz vorgesehen, der Vermieter renovieren. Hätte er das getan, wären ihm aber Kosten entstanden. Diese nicht aufgewendeten Kosten müsse er von seinen Schadenersatzansprüchen abziehen.
Für die Bestimmung der ersparten Kosten hat das Gericht auf die Pauschalbeträge nach der Zweiten Berechnungsverordnung (hier: § 28 Abs. 4 II. BerechnungsVO) in der jeweiligen Höhe zurückgegriffen. Auch wenn diese hier keine unmittelbare Anwendung finden, lägen ihnen offiziell anerkannte Durchschnittswerte zugrunde. Bei über 13 Jahren Mietlaufzeit überstiegen sie die von dem Vermieter geltend gemachten Kosten um mehr als das Dreifache.
Quelle | AG Hanau, Urteil vom 29.11.2024, 32 C 265/23, PM vom 16.12.2024
| Ein rechtlich beachtlicher Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses liegt nur vor, wenn sich der Anfechtende in einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses befunden hat, dagegen nicht, wenn lediglich falsche Vorstellungen von dem Wert der einzelnen Nachlassgegenstände vorgelegen haben. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken. |
Erblasserin verstarb ohne Testament
Die Erblasserin ist im Alter von 106 Jahren ohne Testament verstorben. Zuvor lebte sie seit längeren Jahren in einem Seniorenheim. Die Heim- und Pflegekosten wurden aus Mitteln der Kriegsopferfürsorgestelle bestritten. Diese Leistungen wurden als Darlehen gewährt und durch eine Grundschuld an einem Haus der Erblasserin abgesichert. Der Ehemann der Erblasserin, ihre beiden Kinder und auch ein Enkelkind waren bereits vorverstorben. Gesetzliche Erben waren die Enkel und Urenkel der Erblasserin.
Nach dem Tod der Erblasserin hat u. a. die in gesetzlicher Erbfolge zur Erbin berufene Enkelin das Erbe ausgeschlagen und dabei angegeben, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Zwei Urenkel der Erblasserin haben das Erbe dagegen nicht ausgeschlagen. In der Folge wurde das Haus der Erblasserin unter Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Nachlasspflegerin an Dritte verkauft. Nach dem Verkauf des Hauses hat die Enkelin ihre Erklärung zur Erbausschlagung sodann wegen Irrtums angefochten. Danach hat sie die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der u. a. sie als Erbin zu 1/4 Anteil ausweisen sollte.
Das Nachlassgericht hat entschieden, dass der Erbschein wegen der angefochtenen Erbausschlagungserklärung der Enkelin, wie von ihr beantragt, erteilt werden müsse. Gegen diesen Beschluss wendete sich einer der Urenkel, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte, mit seiner Beschwerde.
Erbscheinsantrag war zurückzuweisen
Auf die Beschwerde hat das OLG entschieden: Der Erbscheinsantrag der Enkelin war zurückzuweisen, da der von ihr beantragte Erbschein die eingetretene Erbfolge falsch wiedergebe. Die Enkelin sei keine Erbin geworden, da sie die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und sie die Ausschlagungserklärung wegen Irrtums auch nicht wirksam anfechten könne. Soweit sie ihren Irrtum damit begründet habe, ihr sei erst im Nachhinein bekannt geworden, dass zum Nachlass ein Bankkonto bei der Kreissparkasse K. mit einem vierstelligen Guthaben gehöre, läge zwar ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses vor.
Irrtum nicht ursächlich für Ausschlagung
Dieser Irrtum hätte aber nicht ihre Ausschlagung der Erbschaft veranlasst. Denn selbst, wenn ihr das Konto bei der Kreissparkasse Köln bekannt gewesen wäre, hätte dies mangels wirtschaftlichem Gewicht des dortigen Guthabenbetrags gegenüber den restlichen Nachlasspositionen nichts an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses geändert. Soweit sich die Enkelin darauf berufe, dass sie darüber geirrt habe, dass der Erlös aus dem Verkauf des Hauses der Erblasserin die Verbindlichkeiten aus dem mit der Grundschuld abgesicherten Darlehen für die Heim- und Pflegekosten der Kriegsopferfürsorgestelle übersteige, liege kein Irrtum vor, der zur Anfechtung berechtige. Dieser Irrtum beruhe lediglich auf der falschen Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht über dessen Zusammensetzung.
Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14.8.2024, 8 W 102/23, PM vom 10.12.2024
| Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat entschieden: Erben können vollen Zugriff auf das Instagram-Konto des Erblassers bekommen. Das beinhaltet dessen aktive Nutzungsmöglichkeit. |
Die Ehefrau und alleinige Erbin eines bekannten Sängers hatte geklagt. Hintergrund: Nachdem der Konzern Meta, zu dem die Social-Media-Plattform Instagram gehört, Kenntnis vom Tod des Sängers erlangte, versetzte das Unternehmen den Instagram-Account in den sog. Gedenkzustand. Bemühungen der Ehefrau, vollen Zugriff auf das Konto wiederzuerlangen, waren ergebnislos. Das OLG: Die Frau ist als Erbin in das Vertragsverhältnis ihres Mannes mit Meta im Wege der sog. Gesamtrechtsnachfolge eingetreten. Das habe schon der Bundesgerichtshof (BGH) so entschieden. Danach ist der Anspruch auf Zugang zu einem Social-Media-Konto grundsätzlich vererbbar. Mit der Erbenstellung sei die Ehefrau in sämtliche Rechte und Pflichten des Erblassers eingetreten, was neben einem passiven Anspruch auf (nur) lesende Nutzung auch einen Anspruch auf aktive Nutzung umfasse.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 30.12.2024, 13 U 116/23
| Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat die Klage eines im Nebenerwerb tätigen Landwirts auf Erteilung einer Baugenehmigung für einen bereits errichten „Portalrahmen“ im Außenbereich abgewiesen. |
Landwirt hatte Bauwerk schon errichtet
Der „Portalrahmen“ besteht aus zwei Sandsteinsäulen (je 3,53 Meter hoch), an denen ein schmiedeeisernes doppelflügeliges Einfahrtstor befestigt ist. Auf den Säulen befindet sich jeweils eine Metallskulptur. Die Säulen sind mit zwei Einzelfundamenten im Boden verankert. Das gesamte Bauwerk ist fünf Meter breit. Den Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung lehnte der Landkreis ab. Bei dem „Portalrahmen“ handele es sich nicht um ein im Außenbereich bevorrechtigt zulässiges Vorhaben.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagte der Landwirt und trug hierzu vor, das Vorhaben sei bereits deshalb genehmigungsfrei, weil es seinem landwirtschaftlichen Betrieb diene. Das Tor gewährleiste den Zugang und die Zufahrt zu dem von ihm bewirtschafteten Grundstück. Es füge sich auch optisch in die Umgebung ein.
Klage ohne Erfolg
Das sah das VG anders: Der „Portalrahmen“ sei im Außenbereich nicht bevorrechtigt zulässig, weil er dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers nicht diene. Er sei optisch auffallend und solle offensichtlich die Kunden des Klägers beeindrucken. Ein vernünftiger Landwirt würde unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs kein solches Bauwerk zur Einfriedung errichten. Der Kläger könne sich überdies nicht mit Erfolg darauf berufen, er führe einen „Adelshof“. Eine Bevorzugung aufgrund der Abstammung widerspreche dem allgemeinen Gleichheitssatz. Der „Portalrahmen“ beeinträchtige zudem die natürliche Eigenart der Landschaft. Das Vorhabengrundstück liege in einem Naturpark, dessen landschaftliche Eigenart zu bewahren sei.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 31.10.2024, 4 K 282/24.KO, PM 22/24
| Die Eigentümerin eines Wohnhauses hat ebenso, wie die Eigentümerin eines Baudenkmals, einen Anspruch auf eine denkmalrechtliche Erlaubnis für die Installation von Solaranlagen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster in zwei Grundsatzurteilen zum nordrhein-westfälischen Denkmalrecht entschieden. Es hat darauf verwiesen, dass bei der Errichtung von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden regelmäßig das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien die Belange des Denkmalschutzes überwiegt. |
Eigentümerin eines Einfamilienhauses
Die Eigentümerin eines Einfamilienhauses in einer Siedlung in Düsseldorf, für die eine Denkmalbereichssatzung gilt, möchte auf einer aus dem Straßenraum teilweise einsehbaren Dachfläche ihres Hauses eine Solaranlage errichten. Die Stadt Düsseldorf lehnte es ab, die dafür nach dem Denkmalschutzgesetz NRW erforderliche Erlaubnis zu erteilen. Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf verpflichtete die Stadt auf die Klage der Eigentümerin, die Genehmigung zu erteilen.
Eigentümerin eines Baudenkmals
Demgegenüber bestätigte das VG Arnsberg in dem zweiten Fall die Entscheidung der Stadt Siegen, die der Klägerin eine denkmalrechtliche Erlaubnis für eine Solaranlage auf der weithin sichtbaren Dachfläche versagt hatte. Hierbei geht es um ein Wohngebäude, das als ehemalige Schule als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt Siegen eingetragen ist.
So sah es das Oberverwaltungsgericht
In beiden Fällen waren Solarmodule in einer denkmalschonenden Ausgestaltung gewählt worden. Nach der Entscheidung des OVG können nun beide Denkmaleigentümer die denkmalrechtliche Erlaubnis beanspruchen.
Offentliches Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien versus Denkmalschutz
Das OVG: Das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien überwiegt in beiden Fällen die Belange des Denkmalschutzes. Nach einer im Juli 2022 in Kraft getretenen Regelung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sollen, bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausneutral ist, die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Diese Vorgabe, für die dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz zukommt, beeinflusst auch das nordrhein-westfälische Denkmalschutzrecht. In die – weiterhin erforderliche – Abwägung zwischen den denkmalschutzrechtlichen Belangen und dem Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien sind letztere als regelmäßig vorrangiger Belang einzustellen. Nur, wenn besondere Umstände des Denkmalschutzes der Errichtung von Solaranlagen entgegenstehen, darf die Erteilung der denkmalrechtlichen Erlaubnis ausnahmsweise versagt werden.
Bei der Prüfung, ob solche besonderen Umstände vorliegen, kommt es auf die Gründe an, aus denen die denkmalrechtliche Unterschutzstellung erfolgt ist.
Wohnhaus: keine wesentlichen optischen Nachteile
In dem Düsseldorfer Fall wird durch die beantragte Solaranlage auf der straßenabgewandten Dachfläche nicht in einem Maß in das denkmalwerte einheitliche äußere Erscheinungsbild der Siedlung eingegriffen, dass ausnahmsweise die Erlaubnis zu versagen wäre. Dass die Solaranlage aus dem öffentlichen Straßenraum sichtbar ist, reicht dafür grundsätzlich nicht aus. Hier sind die in die bestehende Dachstruktur eingefügten und in der Farbe angepassten Solarpaneele zudem nur am Rande, in zweiter Reihe und nur in Teilausschnitten wahrnehmbar. Die betroffene Dachfläche liegt auch nicht in einer der von der Satzung geschützten Sichtachsen und beeinträchtigt die rheinseitige Silhouette der Siedlung nicht.
Ehemalige Schule: Erscheinungsbild des Baukörpers nicht wesentlich geändert
Bei der ehemaligen Schule in Siegen werden die denkmalwertbegründenden Eigenschaften des Gebäudes durch die Solaranlage schon nicht beeinträchtigt. Für die Eintragung als Baudenkmal hat zwar der vorhandene Dachreiter, nicht aber die Dachfläche und ihre Gestaltung eine Rolle gespielt. In das geschützte Erscheinungsbild des Baukörpers als Kapellenschule wird durch die Solaranlage nicht eingegriffen. Ein Ausnahmefall, in dem der Denkmalschutz überwiegt, wäre bei dem konkreten Vorhaben selbst dann nicht gegeben, wenn die Schieferdachfläche als auch denkmalwertbegründend angesehen würde.
Quelle | OVG Münster, Urteile vom 27.11.2024, 10 A 2281/23 und 10 A 1477/23, PM vom 27.11.2024
| Will eine Auftraggeberin nicht von einer weiblichen Mitarbeiterin, sondern von einem Mann betreut werden, können schnell Entschädigungsforderungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Raum stehen – so wie in einem Fall des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg. |
Inhaber des Architekturbüros blieb passiv
Im Fall des LAG hatte der Inhaber des Architekturbüros nicht einmal versucht, die Auftraggeberin umzustimmen. Er unternahm auch keinen Versuch, sie von der hohen Qualität seiner Mitarbeiterin zu überzeugen.
Unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nur wenn diese „geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen“ nicht gefruchtet hätten, hätte eine eigene benachteiligende Handlung des Büros ausgeschlossen werden können.
Der Arbeitgeber musste der Mitarbeiterin schließlich 1.500 Euro Schadenersatz zahlen.
Quelle | LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.2024, 10 Sa 13/24
| Eine tarifvertragliche Regelung, die unabhängig von der individuellen Arbeitszeit für Überstundenzuschläge das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten voraussetzt, behandelt teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wegen der Teilzeit schlechter als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte. Sie verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter, wenn die in ihr liegende Ungleichbehandlung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Fehlen solche sachlichen Gründe, liegt regelmäßig zugleich eine gegen Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (hier: § 7 Abs. 1 AGG) verstoßende mittelbare Benachteiligung wegen des (weiblichen) Geschlechts vor, wenn innerhalb der betroffenen Gruppe der Teilzeitbeschäftigten erheblich mehr Frauen als Männer vertreten sind. |
Das war geschehen
Der Beklagte ist ein ambulanter Dialyseanbieter mit mehr als 5.000 Arbeitnehmern. Die Klägerin ist bei ihm als Pflegekraft in Teilzeit im Umfang von 40 v. H. eines Vollzeitbeschäftigten tätig. Auf das Arbeitsverhältnis ist aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme der zwischen dem Beklagten und der Gewerkschaft Verdi geschlossene Manteltarifvertrag (MTV) anzuwenden. Nach § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV sind mit einem Zuschlag von 30 v. H. Überstunden zuschlagspflichtig, die über die monatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden und im jeweiligen Kalendermonat nicht durch Freizeitgewährung ausgeglichen werden können. Alternativ zu einer Auszahlung des Zuschlags ist eine entsprechende Zeitgutschrift im Arbeitszeitkonto vorgesehen. Das Arbeitszeitkonto der Klägerin wies Ende März 2018 ein Arbeitszeitguthaben von 129 Stunden und 24 Minuten aus. Der Beklagte hat der Klägerin für diese Zeiten in Anwendung von § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV weder Überstundenzuschläge gezahlt, noch im Arbeitszeitkonto eine Zeitgutschrift vorgenommen.
Das verlangte die Klägerin
Mit ihrer Klage hat die Klägerin verlangt, ihrem Arbeitszeitkonto als Überstundenzuschläge weitere 38 Stunden und 39 Minuten gutzuschreiben und eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe eines Vierteljahresverdienstes begehrt. Die Anwendung von § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV benachteilige sie wegen ihrer Teilzeit unzulässig gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten. Zugleich werde sie wegen ihres Geschlechts mittelbar benachteiligt, denn der Beklagte beschäftige überwiegend Frauen in Teilzeit.
So sahen es die Vorinstanzen
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift zuerkannt und hinsichtlich der begehrten Entschädigung die Klageabweisung bestätigt.
So entschied das Bundesarbeitsgericht
Die Revision der Klägerin hatte vor dem BAG teilweise Erfolg. Das BAG hat der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift – in Übereinstimmung mit dem LAG – zugesprochen und ihr darüber hinaus eine Entschädigung in Höhe von. 250 Euro zuerkannt. Das OLG musste (aufgrund europarechtlicher Rechtsprechung) davon ausgehen, dass § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV insoweit wegen Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten unwirksam ist, als er bei Teilzeitbeschäftigung keine der Teilzeitquote entsprechende anteilige Absenkung der Grenze für die Gewährung eines Überstundenzuschlags vorsieht.
Bundesarbeitsgericht: Entschädigung zugesprochen
Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung konnte das BAG nicht erkennen. Die sich aus dem Verstoß gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz (hier: § 4 Abs. 1 TzBfG) ergebende Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Überstundenzuschlagsregelung führt zu einem Anspruch der Klägerin auf die eingeklagte weitere Zeitgutschrift. Daneben war ihr eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zuzuerkennen.
Durch die Anwendung der tarifvertraglichen Regelung hat die Klägerin auch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts erfahren. In der Gruppe der beim Beklagten in Teilzeit Beschäftigten, die dem persönlichen Anwendungsbereich des MTV unterfallen, sind zu mehr als 90 Prozent Frauen vertreten.
Als Entschädigung war ein Betrag in Höhe von 250 Euro festzusetzen. Dieser ist erforderlich, aber auch ausreichend, um einerseits den der Klägerin durch die mittelbare Geschlechtsbenachteiligung entstandenen immateriellen Schaden auszugleichen und andererseits gegenüber dem Beklagten die gebotene abschreckende Wirkung zu entfalten.
Quelle | BAG, Urteil vom 5.12.2024, 8 AZR 370/20, PM 34/24
| Strafrechtlich eingezogene Bestechungsgelder führen umsatzsteuerrechtlich dazu, dass die Bemessungsgrundlage der in strafrechtlicher Hinsicht betroffenen Umsätze auf den um die eingezogenen Bestechungsgelder geminderten Betrag zu reduzieren ist. Das hat der Bundesfinanzhof (BFG) entschieden. |
Das war geschehen
Ein Diplom-Ingenieur hatte nachhaltig und ohne Anweisung seines jeweiligen Vorgesetzten bzw. Arbeitgebers für Auftragserteilungen von beauftragten Unternehmen kostenlose Leistungen, überwiegend für den privaten Hausbau, erhalten.
Dafür wurde er wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zusätzlich wurden die Bestechungsgelder auf gerichtliche Anordnung nach dem Strafgesetzbuch (hier: §§ 73 ff. StGB) eingezogen.
Das Finanzamt behandelte die „Schmiergeldzahlungen“ bzw. die Zuwendungen durch die beauftragten Unternehmen als Entgelte für steuerpflichtige Leistungen und unterwarf sie der Umsatzsteuer. Die vom Diplom-Ingenieur geleisteten Zahlungen an die Landesjustizkasse hinsichtlich der eingezogenen Bestechungsgelder minderten nach Ansicht des Finanzamts nicht die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer. Dies sah der BFH anders.
Eingezogene Bestechungsgelder nicht mehr zu versteuern
Zwar sind die Bestechungsgelder – obgleich es sich um illegale Zahlungen handelt – neben den sonstigen, dem Steuerpflichtigen für seine Dienstleistungen gewährten Entgelten umsatzsteuerrelevant. Jedoch mindern die eingezogenen Beträge die steuerliche Bemessungsgrundlage.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist eine Verminderung in diesen Fällen geboten, da ansonsten der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt wäre. Denn es käme zu einer unzulässigen Doppelbelastung des Täters:
- Zum einen würde der durch die strafbare Handlung erlangte wirtschaftliche Vorteil durch die strafrechtliche Einziehung der Bestechungsgelder abgeschöpft.
- Zum anderen würden die Bestechungsgelder im selben Umfang der Umsatzsteuer unterworfen.
Dabei spielt es keine Rolle, dass der strafrechtlich eingezogene Betrag in der Staatskasse verbleibt und nicht an den leistenden Unternehmer zurückgezahlt wird.
Beachten Sie | Auch eines Verweises auf das Billigkeitsverfahren, dessen Zulässigkeit im Umsatzsteuerrecht ohnehin unionsrechtlich zweifelhaft ist, bedarf es nach Ansicht des BFH nicht.
Quelle | BFH, Urteil vom 25.9.2024, XI R 6/23, PM 8/25 vom 20.2.2025
| In einem Streitfall ging es um die Zulässigkeit des Wechsels der Gewinnermittlungsart. Dabei entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass der Steuerpflichtige im Streitjahr die Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nicht mehr erfüllte, weil er durch die Aufstellung des Jahresabschlusses sein Wahlrecht bereits ausgeübt hatte und daran gebunden war. |
Hintergrund: Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (= Bilanzierung) ist der gesetzessystematische Regelfall. Die Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung kommt nur bei Erfüllung der im Gesetz bestimmten Voraussetzungen in Betracht.
Tatsächlich ausgeübte Gewinnermittlungsart maßgeblich
Maßgeblich für die Ausübung des Wahlrechts der Gewinnermittlungsart ist die tatsächliche Handhabung der Gewinnermittlung. Ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger hat sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich wirksam ausgeübt, wenn er eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine kaufmännische Buchführung einrichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht.
Die Einnahmen-Überschuss-Rechnung bzw. der Betriebsvermögensvergleich ist in dem Zeitpunkt erstellt, in dem der Steuerpflichtige sie bzw. ihn fertiggestellt hat und objektiv erkennbar als endgültig ansieht. Beweisanzeichen dafür kann sein, dass er die Gewinnermittlung durch Übersendung an das Finanzamt in den Rechtsverkehr begibt. Nach der Erstellung des Jahresabschlusses kommt die Wahl der Einnahmen-Überschuss-Rechnung somit grundsätzlich nicht mehr in Betracht.
Einmal getroffene Wahl nur in Ausnahmefällen änderbar
Die einmal getroffene Wahl der Gewinnermittlungsart ist grundsätzlich nachträglich nicht mehr änderbar. In Ausnahmefällen hat die Rechtsprechung jedoch einen solchen Wechsel zugelassen und dabei an die Grundsätze angeknüpft, die für den Wechsel der Gewinnermittlungsart in aufeinanderfolgenden Jahren gelten.
Beachten Sie | Im Streitfall war dem Steuerpflichtigen die Änderung der Wahlrechtsausübung jedoch nicht mehr möglich. Denn er hatte keinen vernünftigen wirtschaftlichen Grund dargelegt, der es rechtfertigen könnte, die gewählte Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich für dasselbe Jahr wieder zu ändern.
Allein der Umstand, dass er durch den Wechsel zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung eine Gewinnerhöhung infolge der Außenprüfung „glätten“ wollte, reicht hierfür nicht aus. Denn damit haben sich nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse geändert. Der Steuerpflichtige war vielmehr einem Irrtum über die steuerlichen Folgen der gewählten Gewinnermittlungsart unterlegen, der die Änderungsmöglichkeit nicht eröffnet.
Quelle | BFH, Urteil vom 27.11.2024, X R 1/23
| Eine gegen die auszahlende Bank gerichtete Schadenersatzklage eines 84-jährigen Mannes, der infolge eines Trickbetrugs 83.000 Euro an Unbekannte gezahlt hatte, blieb erfolglos. Warn- und Hinweispflichten der Geldinstitute bestehen nur bei einem massiven Verdacht auf eine Vermögensgefährdung des Kunden. Eine solche vorwerfbare Pflichtverletzung konnte das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth in einem bemerkenswerten Fall nicht feststellen. |
Hätte Bank Geld nicht auszahlen dürfen?
Der Kläger hatte am Schalter in einer Bankfiliale in Nürnberg innerhalb von 1 ½ Stunden zweimal Bargeld von seinem Konto abgehoben, insgesamt 83.000 Euro. Er begründete seine Schadenersatzklage gegen die Bank damit, dass diese durch Auszahlung des Geldes trotz offenkundiger Anhaltspunkte für einen Enkeltrick-Betrug gegen ihre vertraglichen Schutz- und Warnpflichten verstoßen habe. Die Bank hatte im Zivilprozess vorgebracht, dass ihre Mitarbeiter bezüglich des sog. Enkeltricks geschult seien und den Kläger entsprechend angesprochen hätten, der ruhig gewirkt und plausible Erklärungen abgegeben habe.
Kein massiver Verdacht
Das LG hat die Klage in erster Instanz abgewiesen. Es führte aus: Eine Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank ist nur ausnahmsweise bei Vorliegen objektiver massiver Verdachtsmomente anzunehmen. Einen massiven Verdacht auf einen drohenden Schaden beim Kläger konnte das LG hier aber nicht feststellen.
Es war nach Einvernahme der Bankangestellten als Zeugin davon überzeugt, dass der Kläger sachlich, ruhig und unauffällig in der Bank auftrat. Weder aus dem Alter des Klägers und der Höhe des Bargeldbetrags noch aus dem Umstand, dass erst eine Übertragung von dem Sparkonto auf das Girokonto erfolgte, drängte sich der Verdacht einer Straftat auf. Bei beiden Barabhebungen hatte die Bankangestellte beim Kläger mehrfach nachfragt, ob ihm der sogenannte Enkeltrick bekannt sei, was dieser bejahte und damit entkräftete, dass er direkt mit seiner Enkeltochter gesprochen habe. Eine weitere Nachfragepflicht war von den Mitarbeitern der Bank nicht zu verlangen, so das LG.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Gegen das klageabweisende Urteil des LG hatte der Kläger Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg eingelegt. Auch das OLG verneinte eine Verletzung von Warn- und Hinweispflichten der Beklagten, gerade, nachdem die Möglichkeit eines Enkeltricks von der Bankangestellten angesprochen worden war. Die Bank ist vertraglich zur Auszahlung des Kontoguthabens verpflichtet und der Kunde hat über die Verwendung der ihm zustehenden Beträge keine Rechenschaft abzulegen, führte das OLG ergänzend aus.
Auf den Hinweis des OLG zur Erfolgslosigkeit der Berufung hat der Kläger sein Rechtsmittel zurückgenommen. Das Urteil des LG ist damit rechtskräftig.
Die Strafbarkeit der Trickbetrüger und etwaige zivilrechtliche Ansprüche gegen diese Personen waren nicht Gegenstand des Verfahrens.
Quelle | LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 22.7.2022, 10 O 1384/22; OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 18.11.2024, 14 U 2275/22, PM 5/25
| Aufwendungen für Krankheitskosten sind nur als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn gewisse Nachweiserfordernisse erfüllt sind. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat dargelegt, wie der Nachweis ab dem Veranlagungszeitraum 2024 zu führen ist. |
Hintergrund: Krankheitskosten können als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sein.
Ein besonderes Augenmerk muss dabei auf den Nachweis der Zwangsläufigkeit gelegt werden:
- Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel genügt es, wenn der Steuerpflichtige eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers vorlegt. Dies regelt § 64 Abs. 1 Nr. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV).
- Bei bestimmten Krankheitskosten ist indes ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erforderlich. Ein solcher qualifizierter Nachweis ist z. B. bei Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, z. B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, erforderlich (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV).
Sind Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungeinzustufen, wartet die Hürde der zumutbaren Belastung, deren Höhe von folgendenFaktoren abhängt:
- Gesamtbetrag der Einkünfte
- Familienstand und
- Zahl der Kinder.
Erläuterungen des Bundesfinanzministeriums
Der Nachweis der Zwangsläufigkeit nach der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (hier: § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV) ist bei einem eingelösten E-Rezept durch den Kassenbeleg der Apotheke bzw. durch die Rechnung der Online-Apotheke oder bei Versicherten mit einer privaten Krankenversicherung alternativ durch den Kostenbeleg der Apotheke zu erbringen.
Der Kassenbeleg (alternativ: die Rechnung der Online-Apotheke) muss folgende Angaben enthalten:
- Name der steuerpflichtigen Person,
- Art der Leistung (zum Beispiel Name des Arzneimittels),
- Betrag bzw. Zuzahlungsbetrag,
- Art des Rezeptes.
Beachten Sie | Zumindest für den Veranlagungszeitraum 2024 wird es vom BMF nicht beanstandet, wenn der Name der steuerpflichtigen Person nicht auf dem Kassenbeleg vermerkt ist.
Quelle | BMF-Schreiben vom 26.11.2024, IV C 3 - S2284/20/10002 :005
| Nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 6 Abs. 1 Nr. 1 a desEStG) werden Aufwendungen in Herstellungskosten umqualifiziert, wenn innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung des Gebäudes Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden, deren Nettoaufwendungen 15 % der Gebäude-Anschaffungskosten übersteigen. Die Aufwendungen sind dann nicht sofort, sondern nur über die Gebäude-Abschreibung abzugsfähig. Bei einer Eigentumswohnung sind zwei Besonderheiten zu beachten, worauf das Finanzgericht (FG) Hessen hingewiesen hat. |
Hintergrund: Maßgebend sind die Anschaffungskosten und Anschaffungsnebenkosten der angeschafften Wohnung und nicht der Wert des Gesamtgebäudes. Bei Teil- und Wohnungseigentum ist danach die einzelne Einheit und nicht das Gesamtgebäude relevant.
Abzustellen ist auf die innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung der Wohnung angefallenen Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen des vermietenden Eigentümers einschließlich seiner anteiligen Aufwendungen für Arbeiten an den im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudeteilen.
Beispiel
A erwirbt mit Wirkung zum 1.11.2023 eine Eigentumswohnung. Die Anschaffungskosten betragen insgesamt 300.000 Euro. Der Grund- und Bodenanteil beträgt 10 % = 30.000 Euro. Die Eigentumswohnung wird nach der Sanierung vermietet.
Anfang 2024 lässt A die sanitären Anlagen (Badezimmer, Gästetoilette) für 29.750 Euro erneuern und neue Türen einbauen (11.900 Euro). Zudem beteiligt er sich an der Dachsanierung (14.280 Euro). Die gesamten Aufwendungen (55.930 Euro) macht er in 2024 als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen geltend.
Lösung: Die Nettoaufwendungen ohne Umsatzsteuer (25.000 Euro + 10.000 Euro + 12.000 Euro = 47.000 Euro) überschreiten die 15 %-Grenze von 40.500 Euro (15 % von 270.000 Euro). Somit stellen die Aufwendungen insgesamt anschaffungsnahe Aufwendungen dar. Sie sind also nicht sofort im Jahr der Zahlung als Werbungskosten abzugsfähig, sondern erhöhen die Bemessungsgrundlage für die Gebäudeabschreibung von 270.000 Euro um 55.930 Euro auf 325.930 Euro. Dies gilt auch für die Kostenbeteiligung an der Dachsanierung, die als Aufwendungen für das Gemeinschaftseigentum ebenfalls im Rahmen der Ermittlung des insgesamt entstandenen Sanierungsaufwands mit einzubeziehen sind.
Aufwendungen für Sonder- und Gemeinschaftseigentum nicht aufzuteilen
Nach Ansicht des FG Hessen dürfen die auf das im Gemeinschaftseigentum stehenden Bestandteile des Gesamtgebäudes entfallenden Aufwendungen nicht unberücksichtigt bleiben. Dies würde auch dem (mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG verfolgten) Vereinfachungszweck widersprechen, weil sich Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen regelmäßig zugleich auf das Sondereigentum als auch auf Bereiche des Gemeinschaftseigentums beziehen. Eine Aufteilung von hierfür einheitlich getragenen Aufwendungen wäre oft nur unter größten Schwierigkeiten möglich.
Beachten Sie | Gegen die nicht zugelassene Revision wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Quelle | FG Hessen, Urteil vom 18.6.2024, 4 K 1736/19, NZB BFH, IX B 86/24
| Aufwendungen für die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio sind grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) auch, wenn die Teilnahme an einem dort angebotenen, ärztlich verordneten Funktionstraining die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio voraussetzt. |
Hintergrund: Außergewöhnliche Belastungen wirken sich steuerlich nur aus, soweit die zumutbare Eigenbelastung überschritten wird. Deren Höhe hängt vom Gesamtbetrag der Einkünfte, Familienstand und von der Zahl der Kinder ab.
Das war geschehen
Der Steuerpflichtigen wurde ein Funktionstraining in Form von Wassergymnastik ärztlich verordnet. Sie entschied sich für das Training bei einem Reha-Verein, der die Kurse in einem für sie verkehrsgünstig gelegenen Fitnessstudio abhielt. Voraussetzung für die Kursteilnahme war neben dem Kostenbeitrag für das Funktionstraining und der Mitgliedschaft im Reha-Verein auch die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio. Letztere berechtigte die Steuerpflichtige aber auch zur Nutzung des Schwimmbads und der Sauna sowie zur Teilnahme an weiteren Kursen.
Die Krankenkasse erstattete nur die Kursgebühren für das Funktionstraining. Als Krankheitskosten und damit als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigte das Finanzamt nur die Mitgliedsbeiträge für den Reha-Verein.
Alle Instanzen sind sich einig
Einen Abzug der Mitgliedsbeiträge für das Fitnessstudio als außergewöhnliche Belastung lehnten das Finanzamt, das Finanzgericht (FG) Niedersachsen und auch der BFH ab.
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio: frei gewähltes Konsumverhalten
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio zählen grundsätzlich nicht zu den als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennenden zwangsläufig entstandenen Krankheitskosten. Denn das mit der Mitgliedschaft einhergehende Leistungsangebot wird auch von gesunden Menschen beansprucht, z. B., um die Gesundheit zu erhalten und die Freizeit sinnvoll zu gestalten.
Die Mitgliedsbeiträge sind der Steuerpflichtigen auch nicht deshalb zwangsläufig erwachsen, weil sie dem Fitnessstudio als Mitglied beitreten musste, um an dem ärztlich verordneten Funktionstraining teilnehmenzu können.
Die Entscheidung, das Funktionstraining in dem Fitnessstudio zu absolvieren, ist in erster Linie Folge eines frei gewählten Konsumverhaltens, das nach Ansicht des BFH eine steuererhebliche Zwangsläufigkeit nicht begründen kann.
Zudem steht dem Abzug der Mitgliedsbeiträge entgegen, dass die Steuerpflichtige hierdurch die Möglichkeit erhielt, auch weitere Leistungsangebote (jenseits des medizinisch indizierten Funktionstrainings) zu nutzen. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerpflichtige (wie von ihr vorgetragen) hiervon keinen Gebrauch gemacht hat.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 1/23
| Auch wenn noch unklar ist, ob die Ansprüche wegen der Reparaturkosten dem Leasinggeber oder dem Leasingnehmer zustehen, ergibt sich dessen schützenswertes Interesse an einer Feststellungsklage aus dem zu erwartenden Ausfallschaden während der Reparatur. So entschied es das Landgericht (LG) Halle. Denn das Gutachten weise vier Arbeitstage für die Reparatur aus. |
Haftung dem Grunde nach sollte geklärt werden
Wegen des streitigen Unfallhergangs wollte der Leasingnehmer zunächst die Haftung dem Grunde nach klären. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung reicht es für das Feststellungsinteresse aus, wenn sich in der Zukunft Schäden ergeben können.
Keine Leistungsklage erforderlich
Soweit Nutzungsausfall streitig ist, müsse ein Geschädigter bei einer noch nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung die Klage nicht zu einer Leistungsklage wegen der bereits entstandenen Schäden und einer Feststellungsklage wegen zukünftiger Schäden aufteilen.
Quelle | LG Halle, Urteilvom 10.10.2024, 4 O 224/24
| Aktuell sind betrügerische E-Mails im Umlauf, die vorgeben, vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu stammen. Die Empfänger werden darüber informiert, dass ihnen angeblich ein Bescheid zugesandt wurde und aufgefordert, eine offene Steuerschuld zu begleichen. Hierfür soll ein Link geöffnet werden, um weitere Informationen zu erhalten. |
Sollten Steuerpflichtige eine solche E-Mail erhalten haben, empfiehlt das BZSt in einer Mitteilung vom 26.2.2025, den Link nicht zu öffnen und die verdächtige E-Mail unverzüglich zu löschen. Weitere Informationen – u. a. die maßgeblichen Textbausteine – sind unter www.iww.de/s12547 aufgeführt.
| Wird ein erkranktes Tier von Dritten zum Tierarzt gebracht, haftet der Tierhalter für die Kosten der Notbehandlung. So sieht es das Amtsgericht (AG) München. |
Halterin nicht über Eingriff informiert
Die Beklagte ist Tierhalterin eines Katers mit den Namen Rocky. Rocky war im Mai 2022 für einige Tage abwesend und kam nicht nach Hause. Am 16.5.2022 fand eine unbekannte Person den Kater in einem bewusstlosen Zustand auf und alarmierte eine Münchener Tierrettung, die den Kater als Notfall in eine Münchener Tierklinik einlieferte. Dort wurde Rocky als Notfall tierärztlich behandelt. Da der Kater in ein Haustierzentralregister eingetragen war, konnte die Halterin des Katers verständigt werden. Diese holte Rocky am nächsten Tag ab. Durch die Behandlung waren Kosten in Höhe von 565,31 Euro entstanden, deren Übernahme die Beklagte jedoch ablehnte, da sie nicht zuvor informiert worden sei und sie Rocky zu seinem üblichen Tierarzt hätte bringen wollen.
Klage auf Zahlung der Rechnung
Die Tierklinik trat ihre Forderung an ein Abrechnungsbüro ab, das die Beklagte vor dem AG auf Zahlung der Rechnung verklagte. Das AG gab der Klage statt und verurteilte die Halterin zur Zahlung. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Forderung wirksam an die Klägerin abgetreten war, dass die Behandlung, wie behauptet, stattfand und die Kosten auch angemessen waren.
„Fremdes Geschäft“ besorgt
Zur Kostentragungspflicht der Beklagten führte es aus, dass die Tierklinik durch die Behandlung des Katers der Beklagten ein sogenanntes „fremdes Geschäft“ besorgt hat. Es handele sich bei der tierärztlichen Versorgung um ein fremdes Geschäft, da das Tier zwar auch aus eigener tierärztlicher Verpflichtung behandelt wurde, die Übernahme der Behandlung ihrer äußeren Erscheinung nach aber auch der Beklagten als Tierhalterin zugute kam. Denn die Behandlung ihres kranken Tieres ist bereits der äußeren Erscheinung nach dem Rechts- und Interessenkreis der Beklagten zuzuordnen.
Auch der Vortrag der Beklagten, sie hätte rechtzeitig über die Einlieferung des Katers informiert werden müssen, verfängt laut AG nicht. Soweit hiermit auf eine sog. „Nebenpflichtverletzung“ abgestellt werden soll, stehe dem entgegen, dass die Behandlungen des Katers nach den Zeugenaussagen, in Übereinstimmung mit der Behandlungsdokumentation, als Notfallmaßnahmen erfolgt seien.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 30.8.2024, 161 C 16714/22, PM 36/24
| Wer als Schüler über Monate den Datenbestand seiner Schule ausspioniert und verändert, darf in eine andere Schule überwiesen werden. Diese Schulordnungsmaßnahme hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren gebilligt. |
Schüler drang widerrechtlich in Schul-IT ein
Der Antragsteller besuchte bislang das 3. Kurshalbjahr der gymnasialen Oberstufe eines Berliner Gymnasiums. Zusammen mit zwei Mitschülern hatte er im letzten Schuljahr zunächst einen schulischen Rechner so präpariert, dass das nächste eingegebene Passwort protokolliert wurde. So erlangte das Trio das Administratorpasswort, um im Anschluss einen sog. „Keylogger“ zu installieren, der das Protokollieren aller eingegebenen Passwörter ermöglichte. Hierdurch konnten sie interne Informationen im geschützten Lehrerkanal mitlesen und organisatorische Daten der Schulleitung abrufen. Daraufhin beschloss die Schulaufsicht nach Anhörung der Schulkonferenz, den Antragsteller in eine andere Schule desselben Bildungsgangs zu überweisen.
Schwerste Ordnungsmaßnahme verhängt
Der hiergegen gerichtete Eilantrag hatte keinen Erfolg. Das VG hat die Entscheidung als für einen schulpflichtigen Schüler schwerste Ordnungsmaßnahme des Berliner Schulgesetzes gebilligt. Nach diesem Gesetz könnten Ordnungsmaßnahmen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit getroffen werden, wenn ein Schüler die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit beeinträchtigte oder andere am Schulleben Beteiligte gefährde, soweit Erziehungsmaßnahmen nicht zu einer Konfliktlösung geführt haben oder keine Aussicht auf Erfolg versprächen.
Diesen Vorgaben entspreche die getroffene Ordnungsmaßnahme, die sich im Rahmen des der Schule zustehenden pädagogischen Beurteilungsspielraums halte. Nach diesem Maßstab sei die Entscheidung nicht zu beanstanden. Das Vorgehen des Antragstellers stelle sich als schweres Fehlverhalten dar. Ein über Monate dauerndes Ausspionieren des Datenbestands der Schule beeinträchtige die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit. Der Antragsteller sei mit krimineller Energie vorgegangen, weshalb das schulische Vertrauen in die Integrität des Antragstellers nachhaltig und irreparabel zerstört worden sei. Angesichts der Schwere des Fehlverhaltens des Antragstellers mit einer mehrere Monate währenden Verletzung der Datenschutzbelange und der Privatsphäre von Lehrkräften und der Schülerschaft habe die Schule den Schulwechsel nicht – wie das Gesetz dies im Regelfall vorschreibe – zuvor schriftlich androhen müssen.
Die Maßnahme, so das VG, sei auch unter Würdigung des Umstands verhältnismäßig, dass der Antragsteller sich in seinem letzten Schuljahr vor dem Abitur befinde und die ersten Abiturprüfungen bereits in wenigen Monaten anstehen, weil er sich gegenüber den Vorwürfen völlig uneinsichtig gezeigt habe.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 13.11.2024, VG 3 L 610.24, PM 30/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über die Rückzahlung von Bankentgelten entschieden, die aufgrund einer unwirksamen Zustimmungsfiktionsklausel vereinbart werden sollten. Sein Urteil ist verbraucherfreundlich. |
Das war geschehen
Der Kläger begehrt Rückzahlung von geleisteten Kontoführungsentgelten und Gebühren für eine Girokarte. Nach einer in den AGB der beklagten Sparkasse enthaltenen unwirksamen Regelung gilt die Zustimmung des Kunden zu angebotenen Änderungen von Vertragsbedingungen oder Entgelten für Bankleistungen als erteilt, wenn der Kunde der Beklagten seine Ablehnung nicht innerhalb einer bestimmten Frist anzeigt (Zustimmungsfiktionsklausel).
Die beklagte Sparkasse informierte den Kläger im Oktober 2017 darüber, dass für dessen zwei Girokonten ab dem 1.1.2018 Kontoführungsentgelte und Gebühren für eine Girokarte zu zahlen seien. Daraufhin kündigte der Kläger eines der Girokonten. Die Beklagte erhob ab dem 1.1.2018 eine Grundgebühr für die Führung des anderen Girokontos in Höhe von monatlich 3,50 Euro und eine Gebühr für eine SparkassenCard in Höhe von jährlich 6 Euro. Der Kläger stimmte diesen Änderungen der Bedingungen nicht aktiv zu. Die Beklagte buchte die Entgelte in der Folgezeit vom Konto des Klägers ab. Im Juli 2021 widersprach dieser der Erhebung der Entgelte. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung der in den Jahren 2018 bis 2021 erhobenen Entgelte in Höhe von insgesamt 192 Euro sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger jeden weiteren künftigen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Einziehung nicht vereinbarter Bankentgelte nach dem Jahr 2021 entstehe.
Das Amtsgericht (AG) und das Landgericht (LG) haben die Klage abgewiesen.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 192 Euro zu zahlen. Der Kläger erhält die Kontoführungsentgelte und das Entgelt für die Girokarte zurück.
Der Kläger hat einen Rückzahlungsanspruch, weil die Beklagte die Entgelte ohne Rechtsgrund vereinnahmt hat. Er hat der von der Beklagten beabsichtigten Änderung der Entgeltbedingungen nicht bloß durch die fortgesetzte Nutzung des Girokontos zugestimmt. Die fortlaufende Nutzung eines Girokontos hat keinen objektiven Erklärungswert dahin, dass der Wille des Kontoinhabers neben dem Willen, einen konkreten Kontovorgang auszulösen, auch die Zustimmung zu geänderten Kontobedingungen der Sparkasse oder Bank umfasst. Der Zugang zu einem Girokonto ist in der Regel eine unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme am unbaren Zahlungsverkehr und von essenzieller Bedeutung für die uneingeschränkte Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben. Die Nutzung des Girokontos allein ist deshalb kein Ausdruck des Einverständnisses mit der Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Sparkasse oder Bank, sondern entspricht lediglich den Erfordernissen und Gewohnheiten des modernen Geschäfts- und Wirtschaftsverkehrs im Alltag.
Die von der Beklagten erhobenen Entgelte sind auch nicht durch eine Fiktion der Zustimmung des Klägers zu den geänderten Kontobedingungen entstanden. Eine Klausel in den Geschäftsbedingungen von Banken und Sparkassen, die eine solche Fiktion vorsieht, ist im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam.
Auch der Umstand, dass der Kläger die von der Beklagten erhobenen Entgelte über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren widerspruchslos gezahlt hat, führt nicht dazu, dass die Sparkasse die Entgelte behalten darf, so der BGH.
Quelle | BGH, Urteil vom 19.11.2024, XI ZR 139/23, PM 219/24
| Eine im Wohnraummietvertrag vereinbarte Indexklausel, die ausschließlich eine Erhöhungsmöglichkeit vorsieht, kann nach Ansicht des Landgerichts (LG) Berlin II weder individual- noch formularvertraglich vereinbart werden. |
Nachteilsverbot beachten
Den Mietvertragsparteien sei nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 557 b Abs. 1 BGB) die Vereinbarung einer näher definierten Indexmiete gestattet, allerdings nicht in Gestalt einer „upwards only“-Klausel. Das Verbot einer den Vermieter begünstigenden Einseitigkeitsklausel (sog. Nachteilsverbot) ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut. Der Gesetzgeber habe sich aber von einem entsprechenden Motiv leiten lassen, also bei fallendem Index müsse eine entsprechende Mietabsenkungsmöglichkeit eröffnet sein.
Vermieterseitige Allgemeine Geschäftsbedingung
Im Streitfall ergab sich bereits aus der Erscheinungsform des Textes und seinem Regelungsinhalt, dass es sich um von der Vermieterseite gestellte AGB handelte. In Anwendung der Unklarheitenregelung in § 305 c Abs. 2 BGB war die Vertragsbedingung als eine den Mieter unangemessen benachteiligende Einseitigkeitsklausel zu werten. Aber auch eine „im Einzelnen ausgehandelte “Individualvereinbarung sei angesichts des o. g. Nachteilsverbots unzulässig, so das LG.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 20.6.2024, 67 S 83/24
| Ein Mieter einer Dachgeschosswohnung entsorgte über sein Fenster Essensreste in eine Dachrinne. Das Amtsgericht (AG) Hannover hat entschieden: Der Mieter muss seine Wohnung räumen. |
Dachrinne durch Müll verstopft
Über sein Wohnungsfenster entsorgte der Mieter u. a. Nudeln, Fleisch, Gewürzgurken und Knochen. Die entsorgten Essensreste landeten in der Dachrinne und verstopften diese. Der Säuregehalt der Essenreste beschädigte die Dachrinne.
Vermieter kündigte zweimal
Die Vermieterin mahnte zunächst ab. Danach kündigte sie gegenüber dem rechtlichen Betreuer des Mieters fristlos und ordentlich.
Zudem installierte der Mieter durch einen mit einem Gitter geschützten Schacht im Bordstein eine Stromleitung für sein Mofa. Die Vermieterin kündigte daraufhin erneut.
Mietvertragliche Pflichten erheblich verletzt
Das AG überzeugte sich vor Ort, dass die Essensreste nur vom Mieter stammen können. Das Dachfenster befindet sich nur einen Meter von der Dachrinne entfernt. Andere Fenster oder Zugänge sind nicht in erreichbarer Nähe. Die Dachrinne war nur an der Stelle der gelagerten Essensreste beschädigt. Insoweit hat der Mieter durch die wiederholte Entsorgung von Essensresten über sein Wohnungsfenster die Mietsache beschädigt und damit seine mietvertraglichen Pflichten erheblich schuldhaft verletzt, sodass der Kündigungsausspruch nach gerichtlicher Überzeugung auch von einem Kündigungsgrund getragen war. Das AG gewährte dem Mieter über die noch andauernde Kündigungsfrist zum Auszug von sechs Wochen eine darüber hinausgehende Räumungsfrist von dreieinhalb Monaten.
Ein Antrag auf Räumungsschutz wurde mittlerweile zurückgewiesen.
Quelle | AG Hannover, Urteil vom 11.1.2024, 510 C 5216/23, PM vom 29.10.2024
| Das Oberlandesgericht (OLG) München hat jetzt entschieden: Ein handschriftliches Testament ist formunwirksam, wenn der Bedachte durch einen maschinenschriftlichen Adressaufkleber benannt werden soll. |
Ungewöhnliche Gestaltung einer vermeintlichen letztwilligen Verfügung
Neben den letzten beiden Zeilen in der rechten unteren Ecke eines Briefumschlags, auf dem eine letztwillige Verfügung stehen soll, befindet sich ein Adressaufkleber des Beschwerdeführers, der einen Alleinerbschein beantragt hat. Zwischen den Wörtern „Rest dir“ und dem Adressaufkleber befindet sich ein Pfeil, der auf den Namen des Beschwerdeführers weist. Die (vermeintliche) Unterschrift der Erblasserin befindet sich oberhalb dieses Adressaufklebers neben dem Wort „Schultertuch“.
Oberlandesgericht erkennt das Schriftstück mangels Schriftform nicht an
Das Schriftstück stelle schon keine wirksame Verfügung von Todes wegen dar, weil es nicht durchgängig handschriftlich verfasst wurde. Bei dem auf dem Schriftstück angebrachten Pfeil handele es sich um ein Symbol und damit nicht um Schrift. Hinsichtlich des Pfeils ist eine Überprüfung der Urheberschaft von vornherein ausgeschlossen.
Auch der Adressaufkleber, auf dem sich Name und Anschrift des Beschwerdeführers befinden, wahre nicht die vom Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehene Form (hier: § 2247 Abs. 1 BGB).
Quelle | OLG München, Urteil vom 23.7.2024, 33 Wx 329/23
| Ein Schwiegersohn ist zur Rückzahlung eines sechsstelligen Darlehens an seine Schwiegereltern verpflichtet. So entschied es das Landgericht (LG) Frankfurt am Main. Es hat dabei klargestellt, dass ein im familiären Umfeld überlassener größerer Geldbetrag im konkreten Fall keine reine Gefälligkeit darstellt und ein Rechtsanspruch auf Rückzahlung besteht. |
Schwiegersohn benötigte Geld und bekam es von den Schwiegereltern
Der später beklagte Schwiegersohn benötigte Geld, um ein geerbtes Wohnhaus erhalten zu können. Seine Bank hatte ihm bereits einen Kredit gekündigt. Um ihn zu unterstützen, nahmen seine Schwiegereltern ihrerseits ein Darlehen in Höhe von 250.000 Euro auf und lösten damit die Restschuld des Schwiegersohns aus dessen Kredit ab. Man war sich darüber einig, dass der Schwiegersohn Zinsen und Tilgung tragen sollte. So geschah es auch über mehrere Jahre hinweg.
Ehe wurde geschieden
Zwischenzeitlich wurde die Ehe des Schwiegersohns mit der Tochter der Schwiegereltern jedoch geschieden. Der Schwiegersohn stellte einige Zeit später seine Zahlungen mit der Begründung ein, er könne die finanzielle Belastung wegen der Unterhaltszahlungen an seine Exfrau nicht mehr tragen. Die ehemaligen Schwiegereltern verlangten von ihm jedoch die Zahlung des noch offenen Darlehensbetrags von rund 190.000 Euro.
Landgericht: kein freiwilliges Vermögensopfer der Schwiegereltern
Das LG gab der Klage der Schwiegermutter statt. Es folgte nicht der Argumentation des Schwiegersohns, die finanzielle Unterstützung durch seine ehemaligen Schwiegereltern sei ein freiwilliges Vermögensopfer, denn sie sei im familiären Raum wegen der schwierigen Lage der jungen Eheleute erfolgt.
Das LG stellte in seinem Urteil vielmehr fest, dass die Schwiegereltern und der Schwiegersohn ihrerseits mündlich einen Darlehensvertrag geschlossen hatten. Das Gericht führte aus: „Ob ein Vertrag geschlossen wurde, hängt maßgeblich vom Rechtsbindungswillen der Parteien ab. Bei einem sog. reinen Gefälligkeitsverhältnis fehlt der Rechtsbindungswille.“ Und weiter: „Die Parteien handeln bei einem Gefälligkeitsverhältnis (…) ausschließlich aus gesellschaftlicher Gefälligkeit, also aus Freundschaft, Kollegialität, Nachbarschaft oder sonstigem Altruismus.“
Zwar seien die Abreden hier im engen Familienkreis erfolgt, was für eine reine Gefälligkeit sprechen könne. Allerdings handelte es sich nach Ansicht des LG bei der Gewährung eines derart hohen Betrags keinesfalls um eine Gefälligkeit des täglichen Lebens. Auch die Interessenlage spreche für einen Rechtsbindungswillen. Denn das Risiko der Klägerin und ihres Ehemanns sei ganz erheblich gewesen.
Für den Schwiegersohn habe zudem die Gefahr bestanden, ohne die Gewährung des Geldbetrags sein Haus und damit sein Heim zu verlieren. Hinzu komme, dass der Beklagte selbst eingeräumt habe, dass die Parteien eine Schenkung des Geldes nicht gewollt hätten. Nachdem die Schwiegereltern den mündlich mit ihrem ehemaligen Schwiegersohn geschlossenen rechtsverbindlichen Darlehensvertrag gekündigt hatten, stünde ihnen ein Rückzahlungsanspruch zu.
Quelle | LG Frankfurt, Urteil vom 28.11.2024, 2-23 O 701/23, PM vom 19.12.2024
| Die Kündigung eines nach dem 31.12.2017 geschlossenen Architektenvertrags bedarf der Schriftform. Das regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (hier: §§ 650 q, 650 h BGB). Eine formwidrige Kündigung ist allerdings folgenlos, wenn die andere Partei die Kündigung hinnimmt. Es ist dann in der Regel eine stillschweigende Vertragsaufhebung anzunehmen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt klargestellt. |
Das OLG sagt aber auch: Ruft der Auftraggeber über einen längeren Zeitraum keine weiteren Planungs- und Beratungsleistungen beim Auftragnehmer ab, kann darin keine Kündigung gesehen werden.
Quelle | OLG Frankfurt, Urteil vom 11.5.2023, 22 U 19/22, rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde, BGH, Beschluss vom 15.5.2024, VII ZR 118/23
| Kann das Honorar für Planungsaufträge für Baumaßnahmen und Anlagen, die in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) nicht beschrieben sind, frei vereinbart werden? Gilt die HOAI dann nicht? Antworten hierzu lieferte jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg. |
Das war geschehen
Ein Ententeich sollte von einem stehenden Gewässer zu einer wasserwirtschaftlichen Anlage umgewidmet werden. Der bereits im Verlauf eines Trennsystems genutzte Teich sollte als künftiger Retentionsraum genutzt werden. Die Parteien stritten über die Berücksichtigung eines Umbauzuschlags. Der Auftraggeber meinte, dass ein Objekt i. S. d. HOAI 2013 vorhanden sein müsse, andernfalls sei ein Umbau nicht möglich. Hier läge jedoch kein solches „Objekt“ vor. Daher sei ein Umbauzuschlag ausgeschlossen. Daran ändere auch nichts, dass der Teich durch Menschenhand geschaffen worden sei.
So sah es das Oberlandesgericht
„Objekt“ oder nicht „Objekt“ – das war hier die Frage. Das OLG stützte sich zur Beantwortung auf ein Gerichtsgutachten. Der Sachverständige hatte festgestellt, dass der Ententeich von der Beklagten schon über einen längeren Zeittraum zur Ableitung von Mischwässern genutzt würde und überschüssige Wässer über ein Mönchsbauwerk in ein nahe gelegenes Gewässer abgeleitet werden. Es handele sich deshalb um eine ungenehmigte Anlage des Wasserbaus. Das Gericht bewilligte daher den Umbauzuschlag. Es handele sich um ein Ingenieurbauwerk (Anlage des Wasserbaus). Zwar würde durch die Planung nicht in die Konstruktion des Teichs eingegriffen, wohl aber in den Bestand. Dieser sei wesentlich, weil aus einer Anlage des Wasserbaus eine Anlage der Abwasserentsorgung entstehen sollte (Nutzungsänderung). Denn der Teich sollte bei dem umzustellenden Mischsystem in ein Trennsystem künftig nur noch den kontrollierten Abfluss von Regenwasser sicherstellen.
Das OLG: Durch die geplante Vertiefung des Teichs werde zwar auch in die Konstruktion eingegriffen. Die Wesentlichkeit dieses Eingriffs sei aber nicht vorgetragen worden, sodass sich das Wesentlichkeitskriterium nicht prüfen ließ. Wesentlich sei ein Eingriff, wenn er gegenüber dem Bestand einen Anteil von 10 bis 20 Prozent der Substanz ausmacht.
Quelle | OLG Naumburg, Urteil vom 16.5.2024, 2 U 96/23
| Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat einem Mann den Erlass der Grundsteuer verwehrt, obwohl er herangezogen worden war, ein Baudenkmal zu erhalten. |
Für den Erhalt eines Fachwerkhauses begehrte der Kläger Grundsteuererlass
Der Kläger erwarb im Jahr 2012 ein Grundstück, das mit einem barocken Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert bebaut ist. Für dieses zog ihn die beklagte Ortsgemeinde für das Kalenderjahr 2022 zur Zahlung von Grundsteuer B in Höhe von 110,60 Euro heran. Der Kläger beantragte daraufhin den Erlass der Grundsteuer, weil die Erhaltung des Gebäudes wegen seiner Denkmaleigenschaft im öffentlichen Interesse liege und für ihn unrentabel sei.
Den Antrag des Klägers auf Erlass der Grundsteuer lehnte die Beklagte ab. Insbesondere habe der Kläger die Unrentabilität des Gebäudes nicht hinreichend belegt.
Erfolgloser Widerspruch
Hiergegen wandte sich der Kläger zunächst erfolglos mittels Widerspruch und dann mit seiner Klage. Er habe denkmalschutzbedinge Sanierungsmaßnahmen vorgenommen, unter anderem das Fachwerk freigelegt. Ohne die Denkmaleigenschaft hätte er das Gebäude abgerissen und das Grundstück anderweitig verwertet. Es seien zudem Rückstellungen für weitere Sanierungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Aus Rentabilitätsgründen habe er überwiegend Eigenleistungen erbracht. Er erziele inzwischen Mieteinnahmen in angemessener Höhe, dennoch sei ihm ein Verlust entstanden.
Verwaltungsgericht sah Voraussetzungen für Erlass nicht gegeben
Die Klage hatte keinen Erfolg. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Grundsteuererlass für das Jahr 2022, so das VG. Das Grundsteuergesetz (hier: § 32 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 GrStG) sehe dies nur für Grundbesitz vor, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liege, wenn die erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile (Rohertrag) in der Regel unter den jährlichen Kosten lägen. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Zwar bestehe ein öffentliches Interesse am Erhalt des Fachwerkhauses des Klägers. Der Grundbesitz sei jedoch nicht unrentabel. Der Kläger habe in erster Linie im weitaus überwiegenden Umfang Kosten aufgewendet, um das Gebäude im Sinne seiner eigentlichen Bestimmung – zu Wohnzwecken – zu ertüchtigen. Es sei deshalb prognostisch nicht davon auszugehen, dass der Grundbesitz – was für einen Grundsteuererlass vorausgesetzt wird – dauerhaft unrentabel sei. Eine valide Bewertung der Unrentabilität sei zudem nicht möglich, weil der Kläger nicht alle dazu benötigten Unterlagen vorgelegt habe.
Schließlich fehle es jedenfalls an der erforderlichen Kausalität zwischen (unterstellter) Unrentabilität und öffentlichem Erhaltungsinteresse. Denn der Kläger habe das Gebäude in Kenntnis des Sanierungsbedarfs zum Marktwert erworben. Das Gebäude sei wegen seines mehr oder weniger veralteten und teilweise maroden Zustands sanierungsbedürftig gewesen, nicht aufgrund der Denkmaleigenschaft.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 25.6.2024, 5 K 172/24.KO, PM 16/24
| Gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sind u. a. Beschäftigte im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Ein solches Beschäftigungsverhältnis kann auch bei einem 15-jährigen Spieler einer Juniorenmannschaft eines Fußball-Bundesliga-Vereins mit einem „Fördervertrag“ vorliegen. So entschied es das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg. |
Komplexe Verletzung beim Ligaspiel
Ein damals 15-jähriger Fußballer erlitt in einem Spiel derfrüheren B-Junioren-Bundesliga im Herbst 2020 eine komplexe Läsion des Außenmeniskus und musste sich einer Operation und einer langwierigen Nachbehandlung unterziehen. Der 15-Jährige hatte, vertreten durch seine Eltern, einen „Fördervertrag“ als Vertragsspieler im Sinne der „Spielordnung“ des DFB unterschrieben und war in das Leistungszentrum des Vereins aufgenommen worden. Er unterwarf sich darin umfangreichen Verpflichtungen, insbesondere zur Teilnahme an allen Trainings und allen Spielen, ohne einen Anspruch auf Spieleinsatz zu haben. Auch hatte er etwa am dritten Tag einer Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche AU-Bescheinigung einzureichen. Es waren ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen im Jahr und ein „monatliches Grundgehalt“ von 251 Euro vereinbart.
Berufsgenossenschaft: kein Arbeitsunfall
Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, denn der Spieler sei nicht unfallversichert gewesen. Auch Verträge wie hier könnten jedenfalls vor dem 16. Geburtstag des Spielers kein Beschäftigungsverhältnis begründen. Außerdem sei das vereinbarte Gehalt so niedrig, dass es keine adäquate Gegenleistung, sondern allenfalls eine Aufwandsentschädigung darstelle.
Landessozialgericht gab Spieler Recht
Nachdem in erster Instanz vor dem Sozialgericht (SG) die Berufsgenossenschaft obsiegt hatte, hat nun im Berufungsverfahren das LSG dem Spieler Recht gegeben und ein Beschäftigungsverhältnis und damit einen Arbeitsunfall bejaht. Der „Fördervertrag“ gehe weit über die Pflichten eines bloßen Vereinsmitglieds hinaus und entspreche eher einem Arbeitsvertrag. Ausschlaggebend für diese Einordnung waren die umfassenden Verpflichtungen des jungen Mannes, die Regelungen zu Arbeitsunfähigkeit und Urlaub sowie das vereinbarte „Grundgehalt“, das ausdrücklich als einkommensteuerpflichtig bezeichnet wurde und auch über der steuerfreien „Übungsleiterpauschale“ nach dem Einkommensteuerrecht lag.
Verbotene Kinderarbeit nicht gegeben
Dass der Spieler bei dem Unfall noch keine 16 Jahre alt war, stand der Einstufung als „Beschäftigter“ nicht entgegen. Insbesondere lag keine verbotene Kinderarbeit vor, weil er die Vollzeitschulpflicht nach baden-württembergischem Landesrecht erfüllt hatte. Ebenso schließen die Regelungen des DFB nicht aus, dass bereits ein 15-jähriger Fußballspieler ein Beschäftigter ist. Zwar kann er frühestens ab dem 16. Geburtstag eine Spielerlaubnis für eine Lizenzmannschaft oder erste Herrenmannschaft erhalten. Diese bloße Möglichkeit ändert aber nicht die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere, wenn der Spieler mitten in einer laufenden Saison 16 wird. Sie schließt nicht aus, dass schon zuvor eine Beschäftigung vorlag. Für die Entscheidung war danach nicht die Grenze zu den Lizenzmannschaften maßgeblich, sondern die Grenze zwischen Vereinsamateuren und Vertragsspielern.
Die Entscheidung des LSG, wenn sie rechtskräftig wird, bedeutet, dass die zuständige Berufsgenossenschaft den Unfall entschädigen muss. Denn es handelt sich um einen Unfall infolge einer versicherten Tätigkeit und damit um einen Arbeitsunfall.
Quelle | LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.1.2025, L 9 U 3318/23, PM des LSG
| Das Verschenken von Geschäftsanteilen an leitende Mitarbeiter zur Sicherung der Unternehmensnachfolge führt nicht ohne Weiteres zu steuerpflichtigem Arbeitslohn bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. So lautet eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Beachten Sie | Wird eine Mitarbeiterbeteiligung nicht zum Marktpreis übertragen, liegt der geldwerte Vorteil in der gegenüber dem marktüblichen Preis bestehenden verbilligten Übertragung. Arbeitslohn setzt aber weiter voraus, dass der Vorteil dem Arbeitnehmer „für“ seine Arbeitsleistung gewährt wird.
Das war geschehen
Die Arbeitnehmerin war seit vielen Jahren in der Führungsebene eines kleineren Unternehmens tätig. Da der Sohn der Gründungsgesellschafter als Nachfolger ausschied, beschlossen sie, die Leitung des Unternehmens zur Sicherung der Unternehmensfortführung in die Hände der Arbeitnehmerin und der weiteren Mitglieder der Führungsebene zu legen. Hierzu übertrugen sie jeweils 5,08 % der Anteile schenkweise an die Arbeitnehmerin sowie vier weitere Personen.
Finanzamt und gerichtliche Instanzen unterschiedlicher Auffassung
Das Finanzamt sah den in der Übertragung liegenden geldwerten Vorteil als Arbeitslohn an und unterwarf diesen der Besteuerung. Demgegenüber entschied das Finanzgericht (FG) Sachsen-Anhalt, dass sich der Vorteil aus der Übertragung der Gesellschaftsanteile nicht als Ertrag der nichtselbstständigen Arbeit der Angestellten darstellt. Dies hat der BFH nun bestätigt.
Regelung der Unternehmensnachfolge stand im Vordergrund
Auch, wenn die Anteilsübertragung mit dem Arbeitsverhältnis der Angestellten zusammenhängt, ist sie durch dieses nicht (maßgeblich) veranlasst. Denn entscheidendes Motiv für die Übertragung war für alle Beteiligten erkennbar die Regelung der Unternehmensnachfolge.
Beachten Sie | Der in der schenkweisen Übertragung aus gesellschaftsrechtlichen Gründen liegende Vorteil stellt in dieser Situation keine Entlohnung der leitenden Mitarbeiter für in der Vergangenheit erbrachte oder in Zukunft zu erbringende Dienste dar.
Als maßgebliche Indizien gegen Arbeitslohn sah der BFH auch folgende Aspekte an:
- Die Anteilsübertragung war im Streitfall nicht an den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geknüpft.
- Der vom Finanzamt angenommene Vorteil fiel im Vergleich zu den Bruttoarbeitslöhnen der Beschenkten deutlich aus dem Rahmen.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.11.2024, VI R 21/22, PM 4/25 vom 16.1.2025
| Seit dem 1.1.2025 kann die Kleinunternehmerregelung auch erstmalig im EU-Ausland in Anspruch genommen werden. Die Voraussetzungen hierfür regelt das Umsatzsteuergesetz (hier: § 19 a UstG: „Besonderes Meldeverfahren für die Anwendung der Steuerbefreiung in einem anderen Mitgliedstaat“). Weitere Informationen finden interessierte Unternehmer auch im Onlineportal des für dieses Verfahren zuständigen Bundeszentralamts für Steuern (BZSt). |
Von inländischen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze sind von der Umsatzsteuer befreit. Im Zuge des Jahressteuergesetzes 2024 erfolgten viele Anpassungen am bisherigen System. Zudem kann die Kleinunternehmerregelung nun auch erstmals im EU-Ausland beansprucht werden (sogenannte Europäische-Kleinunternehmerregelung, kurz EU-KU-Regelung).
In Deutschland ansässige Unternehmer, die an der EU-KU-Regelung teilnehmen möchten, müssen ihre Teilnahme beim BZSt elektronisch beantragen. In diesem Antrag kann der Unternehmer sich für die Regelung registrieren und auswählen, in welchen EU-Mitgliedstaaten er die Regelung in Anspruch nehmen möchte.
Beachten Sie | Für die Antragstellung in Deutschland steht ausschließlich das Onlineportal des BZSt zur Verfügung.
Die Teilnahme an der Regelung ist ab dem Tag möglich, an dem der Unternehmer für die EU-KU-Regelung durch das BZSt zugelassen und damit zum Verfahren registriert wird.
Für die EU-KU-Regelung registrierte Unternehmer können nur im Onlineportal des BZSt Anpassungen zu Registrierung und Teilnahme an der EU-KU-Regelung vornehmen, z. B. Registrierungsdaten ändern, Umsatzmeldungen übermitteln und sich vom Verfahren abmelden.
Quelle | BZSt
| Das Verwaltungsgericht (VG) Osnabrück hat den Antrag der Betreiberin eines „Automatenshops“ auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer noch anhängigen Klage abgelehnt. Hintergrund ist eine Anordnung der Stadt Papenburg, nach der die Antragstellerin ihre in dem „Automatenshop“ befindlichen Verkaufsautomaten an Sonn- und Feiertagen höchstens drei Stunden außerhalb der ortsüblichen Gottesdienstzeiten betreiben darf. |
„Automatenshop“ mit elf Automaten
Der streitgegenständliche „Automatenshop“ verfügt über elf Automaten, die Rauchwaren, Hygieneartikel, alkoholfreie und alkoholhaltige Getränke sowie Snacks anbieten. Außerdem befinden sich in dem Raum, der durchgehend zugänglich und videoüberwacht ist, ein Kaffee‑, ein Box- und ein Schlagkraftautomat („Hau den Lukas“) sowie ein Airhockeytisch.
Die Stadt Papenburg meint, dass der „Automatenshop“ hinsichtlich der Öffnungszeiten den Regelungen des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten (NLöffVZG) unterliege. Folglich müsse sich die Antragstellerin an das grundsätzliche Verbot der Sonn- und Feiertagsöffnung halten. Die Behörde ordnete die sofortige Vollziehung ihrer Anordnung an. Der hiergegen gerichtete Eilantrag hatte keinen Erfolg.
Anordnung wohl rechtmäßig
Das VG folgte hier dem Vortrag der Antragsgegnerin. So sei die o. g. Anordnung voraussichtlich rechtmäßig. Zwar falle ein einzelner Warenautomat nicht unter die Regelungen des NLöffVZG. Der streitgegenständliche „Automatenshop“ mit elf Warenautomaten sei allerdings als Verkaufsstelle im Sinne des § 1 Abs. 1 Alt. 1, § 2 Abs. 1 S. 1 NLöffVZG anzusehen. So sei der Shop eine Einrichtung, in der von einer festen Stelle aus ständig Waren verkauft werden. Nach § 2 Abs. 1 S. 2 NLöffVZG gehören zu Verkaufsstellen außer Ladengeschäften aller Art auch Kioske. Einem solchen ähnele der „Automatenshop“.
Sonn- und Feiertagsruhe beeinträchtigt
Es sei hier unerheblich, dass kein persönlicher Verkauf stattfinde. Die grundgesetzlich geschützte Sonn- und Feiertagsruhe sei durch das Angebot dennoch beeinträchtigt. Der Niedersächsische Gesetzgeber habe – bisher – nicht deutlich gemacht, dass automatisierte oder digitale Verkaufsstellen nicht unter diese Regelung fallen sollen.
Weitere Anordnung
Die Stadt Papenburg hatte darüber hinaus mit einer weiteren Anordnung die Antragstellerin aufgefordert, eine Gaststättenanzeige einzureichen, sofern sie über ihre Automaten weiterhin Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle anbiete. Die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme wurde ebenfalls angeordnet. Dem hiergegen eingereichten Eilantrag gab das VG mit weiterem Beschluss statt.
So sei nach der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der streitgegenständliche „Automatenshop“ nicht dem Gaststättengewerbe zuzuordnen. Die Einrichtung vermittele nach Aktenlage vielmehr den Eindruck, dass die weit überwiegende Anzahl der Verkaufsgeschäfte mit dem Ziel der Mitnahme erfolge. Insofern sei der Antragstellerin darin beizupflichten, dass der Raum insbesondere wegen des Fehlens von Sitz- oder Abstellmöglichkeiten im Kern keine Anreize setze, sich längerfristig zum Getränkeverzehr dort aufzuhalten, auch wenn er zudem über Vergnügungsautomaten verfüge.
Quelle | VG Osnabrück, Beschluss vom 14.1.2025, 1 B 61/24 und 1 B 79/24, PM 1/25
| Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden: Wer einen Immobilienkredit nur gegen eine Provision gewährt, muss eindeutig angeben, ob die Provision von der Laufzeit des Kredits abhängig ist oder nicht. Fehlt es an dieser Angabe, ist von der Abhängigkeit von der Laufzeit auszugehen. |
Das kann erhebliche Konsequenzen haben. Die Kreditnehmerin hatte für die Gewährung des Kredits eine Provision zu zahlen. Weit vor dem Ablauf der gewährten Laufzeit zahlte sie den Kredit dann allerdings zurück. Zugleich verlangte sie nun anteilig die Provision zurück – zu Recht, wie der EuGH annahm.
Der EuGH: In der fehlenden Belehrung über den Umstand der Unabhängigkeit der Provision von der Laufzeit liegt eine unangemessene Benachteiligung jedenfalls eines Verbrauchers.
Quelle | EuGH, Urteil vom 17.10.2024, C-76/22
| Gewähren Luftfahrtunternehmen ihren Arbeitnehmern unentgeltlich oder verbilligt Flüge, ist der geldwerte Vorteil daraus zu versteuern. Für die Bewertung gelten besondere Regeln. Ein aktueller koordinierter Ländererlass regelt die Bewertung für 2025. |
Der Wert der Flüge kann grundsätzlich gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 8 Abs. 2 oder Abs. 3 EStG) mit einem Rabattfreibetrag in Höhe von 1.080 Euro im Kalenderjahr ermittelt werden.
Beachten Sie | In den Fällen der Bewertung nach § 8 Abs. 2 EStG können die Flüge mit Durchschnittswerten angesetzt werden. Dabei kommt es u. a. auf die Flugkilometer an und darauf, ob Beschränkungen im Reservierungsstatus bestehen.
Quelle | Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 16.12.2024
| Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung, die der Erblasser bereits zu Lebzeiten an ein Bestattungsunternehmen abgetreten hat, erhöhen als Sachleistungsanspruch der Erben den Nachlass. Im Gegenzug sind jedoch die Bestattungskosten in vollem Umfang als Nachlassverbindlichkeiten steuermindernd zu berücksichtigen. In einem weiteren Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) Folgendes klargestellt: Verzichtet ein Kind gegenüber einem Elternteil auf seinen gesetzlichen Erbteil, hat dieser Verzicht nicht zur Folge, dass beim Versterben des Elternteils die Enkel des Erblassers den Freibetrag i. H. von 400.000 Euro erhalten. Vielmehr erhält der Enkel nur einen Freibetrag i. H. von 200.000 Euro. |
Urteil 1: Bestattungskosten bei Sterbegeldversicherung
Über folgenden Fall musste der BFH jüngst entscheiden: Der Kläger und seine Schwester sind Erben ihrer verstorbenen Tante (Erblasserin). Diese hatte eine Sterbegeldversicherung abgeschlossen und das Bezugsrecht an ein Bestattungsunternehmen zur Deckung ihrer Bestattungskosten abgetreten. Nach dem Tod stellte das Bestattungsinstitut für seine Leistungen einen Betrag i. H. von 11.654 Euro in Rechnung. Davon bezahlte die Sterbegeldversicherung 6.864 Euro.
Das Finanzamt setzte gegen den Kläger Erbschaftsteuer fest und rechnete den Sachleistungsanspruch auf Bestattungsleistungen (6.864 Euro) zum Nachlass. Für die geltend gemachten Nachlassverbindlichkeiten (einschließlich der Kosten für die Bestattung) setzte es nur die Pauschale für Erbfallkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i. H. von 10.300 Euro an. Die nach dem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) Münster als unbegründet zurück.
Der BFH hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Aufgrund der von der Erblasserin abgeschlossenen Sterbegeldversicherung ist ein Sachleistungsanspruch in Bezug auf die Bestattung auf die Erben übergegangen. Dieser fiel (wie das FG zutreffend entschieden hat) in Höhe der Versicherungsleistung von 6.864 Euro in den Nachlass und erhöhte die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer.
Im Unterschied zum FG ist der BFH aber der Meinung, dass die Bestattungskosten nicht nur in Höhe der Pauschale von 10.300 Euro abzugsfähig sind. Sie sind vielmehr in vollem Umfang als Nachlassverbindlichkeiten bei der Bemessung der Erbschaftsteuer steuermindernd zu berücksichtigen. Da die Feststellungen des FG nicht ausreichten, um die Höhe der insgesamt zu berücksichtigenden Nachlassverbindlichkeiten zu bestimmen, wurde das Verfahren zurückverwiesen.
Beachten Sie | Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde der Erbfallkostenpauschbetrag von 10.300 Euro auf 15.000 Euro erhöht. Nach der Gesetzesbegründung soll so ein individueller Kostennachweis in der Mehrzahl der Fälle vermieden werden können. Die Erhöhung gilt für Erwerbe, für die die Steuer ab dem Monat entsteht, der der Gesetzesverkündung folgt.
Urteil 2: Freibeträge
Hintergrund: Je näher das verwandtschaftliche Verhältnis ist, umso höher ist bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer der Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG. So gelten für Kinder 400.000 Euro. Dieser Betrag gilt auch für die Enkelkinder, sofern die Kinder des Erblassers bereits vorher gestorben sind. Bei Enkeln, deren Eltern noch leben, beträgt der Freibetrag 200.000 Euro.
Im Streitfall hatte der Vater des Klägers gegenüber seinem eigenen Vater (dem Großvater des Klägers) vertraglich auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet. Als der Großvater verstarb, wurde sein Enkel gesetzlicher Erbe. Dieser beantragte beim Finanzamt, ihm für die Erbschaft einen Freibetrag i. H. von 400.000 Euro zu gewähren. Das Finanzamt bewilligte aber nur einen Freibetrag i. H. von 200.000 Euro, da sein eigener Vater zwar auf seinen gesetzlichen Erbteil verzichtet hatte, aber beim Tod des Großvaters noch lebte.
Die Klage vor dem FG Niedersachsen war ebenso erfolglos wie die Revision beim BFH.
Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG benennt als Empfänger des höheren Freibetrags „Kinder verstorbener Kinder“. Diese Formulierung ist dahingehend zu verstehen, dass die Kinder des Erblassers tatsächlich verstorben sind. Die Vorversterbensfiktion des § 2346 Abs. 1 S. 2 BGB bewirkt nicht, dass das erbverzichtende Kind als „verstorbenes Kind“ im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG gilt und dessen Abkömmlinge den Freibetrag i. H. von 400.000 Euro erhalten.
Die Freibetragsregelungen sollen die Abkömmlinge der ersten Generation (Kinder) begünstigen. Bei den Enkeln hat der Gesetzgeber die familiäre Verbundenheit nicht als so eng angesehen und gewährt somit einen geringeren Freibetrag (200.000 Euro). Lediglich, wenn die eigene Elterngeneration vorverstorben ist, sieht der Gesetzgeber die Großeltern für das Auskommen der „verwaisten Enkel“ in der Pflicht und gewährt ihnen den höheren Freibetrag von 400.000 Euro.
Beachten Sie | Eine Ausdehnung des höheren Freibetrags auf Kinder, die nur vom Gesetz als verstorben angesehen werden, die aber tatsächlich bei Tod des Großelternteils noch leben, hat der Gesetzgeber nicht gewollt.
Quelle | Nachlassverbindlichkeiten: BFH, Urteil vom 10.7.2024, II R 31/21, PM 43/24 vom 14.11.2024; Freibeträge: BFH, Urteil vom 31.7.2024, II R 13/22, PM 41/24 vom 14.11.2024
| Wird ein zur Finanzierung eines vermieteten Grundstücks aufgenommenes Darlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung getilgt, ist die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften ausVermietung und Verpachtung abziehbar. Das gilt zumindest dann, wenn das Grundstück weiterhin zur Vermietung genutzt wird. |
Das war geschehen
Eheleute erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus insgesamt fünf Vermietungsobjekten. Dazu gehörten die Objekte X1 und X2.
Für die im Jahr 2013 erfolgte Anschaffung der beiden Objekte nahmen die Eheleute zwei Darlehen auf. Ein Darlehen über 200.000 Euro diente der Finanzierung des Objekts X1. Mit dem anderen Darlehen über 195.000 Euro wurde das Objekt X2 finanziert. Eine den Eheleuten ebenfalls gehörende Immobilie Y diente der Bank als Zusatzsicherheit. Die Immobilie Y wurde von den Eheleuten zunächst selbst bewohnt und diente anschließend zur Erzielung von Vermietungseinkünften.
Im Streitjahr 2020 veräußerten die Eheleute die Immobilie Y. Im Zuge dieser Veräußerung lösten sie auch die beiden Darlehen für die Objekte X1 und X2 ab. Denn die Bank war nicht bereit, den Wegfall des „Sicherungsobjekts Y“ hinzunehmen oder durch eine andere Sicherung zu ersetzen. Dafür fielen Vorfälligkeitsentschädigungen an (4.338 Euro und 4.280 Euro).
In der Steuererklärung für 2020 wich das Finanzamt von den Angaben der Eheleute ab, u. a. berücksichtigte es die Vorfälligkeitsentschädigungen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, weil die Vorfälligkeitsentschädigungen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung der Immobilie Y stünden. Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen sah das aber anders.
Finanzgericht: Auch Vorfälligkeitsentschädigungen sind Schuldzinsen
Schuldzinsen sind als Werbungskosten abzugsfähig, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Der Begriff der Schuldzinsen umfasst auch eine zur vorzeitigen Ablösung eines Darlehens gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung. Denn Vorfälligkeitsentschädigungen sind ein Nutzungsentgelt für das auf die verkürzte Laufzeit in Anspruch genommene Fremdkapital. Wird ein zur Finanzierung eines vermieteten Grundstücks aufgenommenes Darlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung getilgt, das Grundstück jedoch weiterhin zur Vermietung genutzt, ist die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.
Im Streitfall standen die beiden Darlehen niemals in einem Veranlassungszusammenhang mit dem Objekt Y. Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Rechtsprechung einen Veranlassungszusammenhang der Vorfälligkeitszinsen mit einer Veräußerung des Grundbesitzes sieht, betrifft dies Fälle, in denen es um die Veräußerung des mit den Darlehen finanzierten Grundbesitzes geht.
Dies trifft für das Objekt Y jedoch nicht zu. Denn für dieses Objekt wurden die Darlehen ursprünglich nicht aufgenommen. Und durch die Veräußerung des nur als Sicherungsobjekt dienenden Grundstücks Y hat sich der Veranlassungszusammenhang nicht geändert.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 30.10.2024, 3 K 145/23; BFH, Urteil vom 11.2.2014, IX R 42/13
| Bei einem (echten) Verkehrsunfall muss die Haftpflichtversicherung für die Schäden aufkommen. Aber was ist, wenn die Versicherung von einer Unfallmanipulation ausgeht? Dann muss sie beweisen, dass der Geschädigte mit dem „Unfall“ einverstanden war. Das Landgericht (LG) Lübeck hat eine solche Manipulation kürzlich verneint und die Versicherung zur Zahlung verurteilt. |
War der Unfall manipuliert?
Ein junger Mann feierte eine Party im Hause der Eltern. Um zwei Uhr nachts fuhr ein Gast rückwärts gegen das Auto des Gastgebervaters. Der Vater forderte die Haftpflichtversicherung zum Schadenersatz auf, doch die weigerte sich. Sie meinte, der Gast sei – in Absprache mit dem Gastgeber – absichtlich gegen das Auto gefahren, um die Versicherungssumme zu kassieren.
Landgericht: Es gab keine Verabredung zum Unfall
Das Gericht hat entschieden, dass die Versicherung die Schäden ersetzen muss. Der Fahrer und weitere Partygäste wurden zu dem Vorfall befragt und ein technischer Sachverständiger hinzugezogen. Daraus habe sich ergeben, dass der Fahrer aus Versehen gegen das Auto des Vaters gefahren sei und es gerade keine Verabredung zu einem manipulierten Unfall gegeben habe.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Lübeck, Urteil vom 26.9.2024, 3 O 193/22, PM vom 11.11.2024
| Bei kleinen unfallbedingten Schäden darf der Geschädigte einen Schadengutachter einschalten. Wenn der statt eines umfassenden Gutachtens ein dem Schadenumfang angepasstes „schmales“ Produkt zu einem Preis von ca. 100 Euro erstellt, ist das in Ordnung. So entschied aktuell das Amtsgericht (AG) Münster. |
Das AG: Weder sei ein Kostenvoranschlag generell kostenlos noch sei es sicher, dass die Werkstatt die Kosten dafür später verrechnet.
Das AG Münster weiter: Bei Schäden am Stoßfänger kann es auch sachgerecht sein, diesen demontieren zu lassen, um darunter liegende Schäden auszuschließen. Die dafür entstehenden Kosten muss ebenfalls der Schädiger erstatten.
Quelle | AG Münster, Urteil vom 12.9.2024, 8 C 477/24
| Jeder Fahrgast ist verpflichtet, sich in einem Linienbus festzuhalten. Diesen Grundsatz hat das Amtsgericht (AG) München jetzt noch einmal bekräftigt. |
Bus machte Vollbremsung
Der zum Unfallzeitpunkt 76-jährige Kläger fuhr als Fahrgast in einem Busanhänger eines Busses . Das Busgespann fuhr auf der Rechtsabbiegespur auf eine rote Ampel zu, als ein PKW kurz vor diesem auf dieselbe Abbiegespur wechselte, weshalb der Busfahrer eine Vollbremsung durchführte.
Der Kläger behauptete, er sei hierdurch gestürzt und habe Prellungen im Bereich der Brustwirbelsäule und des Beckens erlitten, zudem sei sein Daumensattelgelenk überdehnt worden. Er habe vier Wochen unter Schmerzen gelitten und sei bis heute nicht beschwerdefrei. Vor dem AG verklagte er den Fahrer des überholenden PKW sowie dessen Versicherung auf Zahlung von 2.000 Euro Schmerzensgeld sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Vollständiges Mitverschulden des Fahrgasts
Das AG wies die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme ab. Es ging zwar davon aus, dass die Fahrweise des beklagten PKW-Fahrers zum Sturz des Klägers beigetragen habe und dass die StVO ihm für den Spurwechsel ein Höchstmaß an Sorgfaltspflicht auferlege, gegen die er verstoßen habe. Die Haftung des PKW-Fahrers sei jedoch aufgrund des vollständigen Mitverschuldens des Klägers ausgeschlossen. Denn jeder Fahrgast sei verpflichtet, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen. Dies diene dem Schutz der Fahrgäste.
Die klägerseits eingenommene stehende Position war nicht geeignet, um bei einer Bremssituation gesichert zu sein. Vorliegend zeigte nämlich ein Video der Businnenkamera, dass der Kläger sich lediglich mit der linken Hand an dem Handlauf festhielt und seine rechte Hand auf dem mitgeführten Einkaufstrolley ruhte. Die Stabilisierung mit der linken Hand sei zu schwach, um ruckartige Bremsungen auszugleichen. Der Trolley biete keinen Halt, da er selbst bei der Vollbremsung herumgewirbelt wird, wie auf dem Video zu sehen sei. Der Trolley stellte eher eine Behinderung dar, weil der Kläger ihn auch während des Sturzes nicht losließ und sich daher auch mit der rechten Hand keinen festen Halt suchte.
Weitere Fahrgäste kamen nicht zu Fall
Dies zeige sich auch daran, dass keine anderen Passagiere im Rahmen der Vollbremsung stürzten, soweit auf den eingesehenen Videos der Businnenkamera zu sehen ist. Vielmehr hielt sich z. B. eine ältere Dame, die einen der Sitzplätze direkt hinter dem Kläger belegt hatte, an der dortigen Stange fest und rutschte (im Gegensatz zu ihrer Tasche) nicht von ihrem Sitz.
So sei dem Kläger – auch aufgrund seines Alters und des Mitführens des Trolleys – vorzuwerfen, dass er sich nicht hingesetzt hat. Wie auf dem Video zu sehen sei, waren ausreichend Sitzplätze vorhanden, auch wenn der Kläger das Gegenteil behauptete. Direkt hinter dem Kläger sei z. B. ein Sitzplatz frei gewesen, der überdies eine Haltestange zum Festhalten geboten hätte.
Vollbremsung nicht überraschend
Es habe sich hier auch nicht um eine völlig überraschende – wenn auch heftige – Vollbremsung gehandelt, da im Stadtverkehr regelmäßig mit heftigen Bremsungen gerechnet werden müsse. Hinzu komme, dass der Bus unstreitig bereits ca. 50 m vorher leicht gebremst hatte, wodurch der Kläger hätte feststellen können, dass seine Position ihm einen ungenügenden Halt verschaffte.
Quelle | AG München, Urteil vom 18.10.2024, 338 C 15281/24, PM 35/24
| Ob ein Partner trotz Kontaktverbots nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) an einer WhatsApp-Gruppe teilnehmen darf, der auch seine frühere Lebensgefährtin angehört, hängt von der Größe der Gruppe ab. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm. |
Annäherung mittels Fernkommunikationsmitteln untersagt
Gegenüber dem ehemaligen Lebensgefährten einer Frau bestand ein Näherungs-, Abstands- und Kontaktverbot nach dem GewSchG. Er durfte sich mit dieser danach auch nicht mittels Fernkommunikationsmitteln in Verbindung setzen. Die Frau wandte sich gerichtlich u. a. dagegen, dass der Mann eine WhatsApp-Nachricht „Da kann sie wieder lachen“ in eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe einer Laufgruppe abgesetzt hatte. Das AG sah darin einen Verstoß gegen o. g. Verbot. Dieses umfasse jede Kommunikation mit der Frau über soziale Medien.
Das OLG widersprach dem AG. Es sei vielmehr zwischen kleinen und größeren WhatsApp-Gruppen zu differenzieren. Im konkreten Fall verneinte es daher einen Verstoß gegen das Kontaktverbot und stellte fest, dass nicht generell ein Verstoß gegen das Kontaktverbot angenommen werden kann, wenn etwas in einer gemeinsamen WhatsApp-Gruppe gepostet wird. Jenseits persönlich an die verletzte Person gerichteter Nachrichten sei vielmehr danach zu differenzieren, ob es sich um Gruppen von drei bis vier Teilnehmern handelt, oder um eine größere Gruppe.
So sind größere WhatsApp-Gruppen zu beurteilen
Bei größeren Gruppen trete die mit einem Post stets auch verbundene persönliche Ansprache des einzelnen Mitglieds meist so in den Hintergrund, dass ein grundsätzliches Verbot, Nachrichten an die Gruppe zu schicken, zum Schutz vor Nachstellungen und Belästigungen nicht erforderlich ist. Würde man alle Aktivitäten in einer WhatsApp-Gruppe verbieten, würde die Handlungsfreiheit des Betroffenen zu sehr eingeengt. Das OLG hob hervor, dass der Mann hier die Frau auch nicht persönlich angesprochen hatte.
Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 24.9.2024, 13 WF 105/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Revisionen zweier Angeklagter gegen ein Urteil des Landgerichts (LG) Mönchengladbach verworfen, mit dem sie jeweils wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu Geldstrafen von 180 Tagessätzen verurteilt worden sind. |
Nach den vom LG getroffenen Feststellungen nahm die später verstorbene, damals 13-jährige und an Diabetes mellitus Typ I erkrankte Schülerin E. an einer mehrtägigen, klassen- und jahrgangsübergreifenden Studienfahrt ihrer Schule nach London teil. Die beiden Angeklagten, die an der Schule als Lehrkräfte unterrichteten, waren gleichberechtigt für die Organisation und Durchführung der Fahrt zuständig. Ihnen war weder die später Verstorbene noch deren Erkrankung bekannt. Sie nahmen keinen Einblick in die Schulakten, in denen die Erkrankung der Schülerin vermerkt war, informierten sich hierüber nicht bei den damaligen Klassen- und Fachlehrern und fragten chronische Vorerkrankungen nicht schriftlich ab. E. erbrach sich in London mehrfach, klagte über Kopfschmerzen und Übelkeit, war müde und körperlich geschwächt. Obwohl zwei Mitschülerinnen die beiden Angeklagten mehrfach auf den fortdauernd schlechten Gesundheitszustand von E. hinwiesen, hielten diese keine Nachschau. E. verstarb noch in London an einem Herzinfarkt in Folge einer schweren diabetischen Stoffwechselentgleisung.
Die durch die Sachrügen der Angeklagten veranlasste Überprüfung des Urteils durch den BGH hat einen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil nicht erkennen lassen. Das LG hat insbesondere rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Angeklagten gegen die ihnen obliegende Sorgfalt objektiv und subjektiv verstießen. Die erhobenen Verfahrensrügen sind ebenfalls erfolglos geblieben. Das Verfahren ist damit rechtskräftig abgeschlossen.
Quelle | BGH, Beschluss vom 18.12.2024, 3 StR 292/24, PM 6/25
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen hat jetzt die Stadt Gelsenkirchen verpflichtet, einen sogenannten „Behindertenparkplatz“ vor der Wohnung eines schwerbehinderten Mannes einzurichten. |
Kläger hatte außergewöhnliche Gehbehinderung
Der 77-jährige Kläger ist schwerbehindert mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung. Für derart eingeschränkte Personen sieht die Straßenverkehrsordnung (hier: § 45 Abs. 1 b) Nr. 2 StVO) die Möglichkeit vor, einen sogenannten „Behindertenparkplatz“ auszuweisen. In der unmittelbaren Nähe zur Wohnung kann dies auch personenbezogen („Mit Ausweis Nr…“) erfolgen.
Voraussetzung ist allerdings neben dem Umstand, dass in dem Bereich nicht ausreichend freie Parkplätze auf der öffentlichen Straße vorhanden sind und dass die betroffene Person keine anderweitige Möglichkeit zum Abstellen außerhalb des öffentlichen Straßenraums hat – etwa eine Garage oder Stellplatz auf dem Grundstück. Zwar verfügt das Haus des Klägers über eine Garage. Der Kläger hat aufgrund seiner Behinderung jedoch keine Möglichkeit, von der im Keller gelegenen Garage in seine Wohnung zu kommen, da er weder die Zufahrtsrampe noch eine im Gebäude befindliche schmale und steile Treppe bewältigen kann. Er kann deshalb die Garage nicht nutzen. Auch die Zufahrt zur Garage ist nicht dazu geeignet, das Fahrzeug abzustellen, da sie zu steil und zu schmal ist.
So sah es die beklagte Stadt
Die beklagte Stadt Gelsenkirchen verwies den Kläger darauf, sein Fahrzeug parallel zur Fahrbahn auf der Straße vor der Garageneinfahrt abzustellen. Aufgrund des vor der Einfahrt nach den allgemeinen Vorschriften der StVO geltenden Parkverbots dürfe außer ihm niemand dort parken.
So sah es das Verwaltungsgericht
Dieser Auffassung konnte sich das VG nicht anschließen. Unabhängig davon, ob der vom Parkverbot erfasste Platz für das Abstellen eines Pkw ausreichen würde (die eigentliche Einfahrt ist nur 3 m breit), darf im konkreten Fall auch der Kläger nicht vor seiner Einfahrt parken. Denn für die Zufahrt ist der Bordstein abgesenkt, sodass dort ein generelles Parkverbot gilt, das auch den Inhaber der Garage erfasst. Dieses Parkverbot dient nämlich nicht nur der Sicherung der Zufahrtsmöglichkeit zur Garage, sondern auch dem Interesse gehbehinderter Menschen daran, den Gehweg – etwa zum Überqueren der Straße – verlassen zu können. Der Kläger muss sich daher nach Auffassung des VG nicht darauf verweisen lassen, dass die Stadt die durch ihn begangene Ordnungswidrigkeit nicht verfolgt. Ihm steht aufgrund der Umstände des Einzelfalls vielmehr ein Anspruch auf die Ausschilderung eines „rechtssicheren“ Sonderparkplatzes zu.
Quelle | VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5.11.2024, 14 K 1401/24, PM vom 7.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat u. a. entschieden: Als Familienangehörige im Sinne der Eigenbedarfskündigung sind ausschließlich die Personen anzusehen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen nach der Zivilprozessordnung oder der Strafprozessordnung (hier: § 383 ZPO, § 52 StPO) zusteht. Cousins zählen hierzu nicht. |
Das war geschehen
Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, begehrt nach Ausspruch einer Kündigung wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter von den Beklagten die Räumung und Herausgabe einer an diese vermieteten Wohnung. Die Klägerin hatte das Gebäude, in dem sich die Wohnung befindet, nach deren Überlassung an die Beklagten erworben und ist dadurch als Vermieterin in das bestehende Mietverhältnis eingetreten. Zum damaligen Zeitpunkt hatte die Klägerin zwei Gesellschafter, die Cousins waren.
Die Beklagten haben die Kündigung für unwirksam gehalten und sich hierbei auf die Kündigungsbeschränkung des Bürgerlichen Gesetzbuchs berufen (hier: § 577 a Abs. 1 a S. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 der Kündigungsschutzklausel-Verordnung des Landes Berlin vom 13.8.13). Hiernach kann sich eine Personengesellschaft, an die vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter veräußert worden ist, erst nach Ablauf von zehn Jahren seit der Veräußerung für eine Kündigung der Wohnung gegenüber dem Mieter auf berechtigte Interessen berufen. Diese Kündigungsbeschränkung gilt indes nicht, wenn die im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs vorhandenen Gesellschafter derselben Familie angehörten. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass dies (auch) bei Cousins der Fall sei und deshalb die Kündigungsbeschränkung im Streitfall nicht eingreife.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: Den Begriffen „Familie“ und „Familienangehörige“ in den hier maßgeblichen Vorschriften kommt dieselbe Bedeutung zu. Hiervon sind ausschließlich die Personen umfasst, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen zusteht. Ein entfernterer Verwandter, der – wie ein Cousin – nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, gehört somit auch dann nicht zu dem privilegierten Personenkreis, wenn zwischen ihm und dem Vermieter eine enge persönliche Bindung besteht. Ebenso gilt die Privilegierung selbst im Fall einer engen persönlichen Verbundenheit zwischen den Mitgesellschaftern nicht, wenn das Verwandtschaftsverhältnis zwischen ihnen so entfernt ist, dass es sie nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt.
Der vom Gesetzgeber bezweckten Privilegierung von Familienangehörigen in den o. g. Vorschriften liegt eine typisierende Betrachtungsweise dahingehend zugrunde, dass zwischen den hiervon umfassten Personen aufgrund einer familiären Beziehung eine besondere persönliche Nähebeziehung anzunehmen ist. Vor diesem Hintergrund bedarf es für den vom Gesetzgeber privilegierten Personenkreis des (zusätzlichen) Vorliegens eines konkreten, tatsächlichen Näheverhältnisses nicht. Auch scheidet eine Erweiterung dieses geschützten Personenkreises aufgrund einer einzelfallbezogenen Prüfung des Vorliegens einer besonderen sozialen Nähe angesichts der dem Gesetz zugrunde liegenden typisierenden Betrachtungsweise aus.
Entscheidend ist damit letztlich, für welchen Personenkreis der Gesetzgeber durch die Verwendung des Begriffs der „Familie“ eine typischerweise vorliegende besondere soziale Bindung angenommen hat. Er hat eine solche Bewertung im Rahmen der auf der persönlichen Nähebeziehung und Verbundenheit gründenden Gewährung eines Zeugnisverweigerungsrechts aus persönlichen Gründen vorgenommen. Dort hat er objektive Kriterien nach dem Grad der familiären Beziehung aufgestellt und hierdurch den Personenkreis definiert, innerhalb dessen nach seiner Auffassung typischerweise eine persönliche Nähebeziehung besteht. Es ist sachgerecht, diese gesetzgeberischen Wertungen auch für die ebenfalls in der persönlichen Verbundenheit begründeten Privilegierungen von Familienangehörigen in den hier einschlägigen mietrechtlichen Bestimmungen heranzuziehen. Cousins sind (nur) Verwandte in der Seitenlinie im vierten Grad. Ihnen steht ein Zeugnisverweigerungsrecht (nach §383 ZPO, § 52 StPO) nicht zu. Sie gehören somit nicht zu derselben Familie im Sinne des § 577 a Abs. 1 a S. 2 BGB.
Quelle | BGH, Urteil vom 10.7.2024, VIII ZR 276/23, PM 145/24
| Wird einem Wohnungsmieter fristgerecht gekündigt, weil dieser mit der Mietzahlung in Rückstand geraten ist, lässt sich diese Kündigung nicht ohne Weiteres dadurch aus der Welt schaffen, dass der Mietrückstand nachträglich noch ausgeglichen wird. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal in einem aktuellen Urteil entschieden. Das LG hat die Mieterin zum Auszug aus der Wohnung verpflichtet, obwohl sie im laufenden Räumungsverfahren die offenen Mieten noch ausgeglichen hatte. |
Mieterin zahlte zwei Monatsmieten nicht
Im konkreten Fall klagten die Vermieter zunächst vor dem AG gegen ihre Mieterin auf Räumung der Mietwohnung. Vorausgegangen war eine Kündigung, die sie zur Sicherheit zweifach erklärt hatten: zum einen fristlos – aus wichtigem Grund -, zusätzlich aber auch fristgerecht wegen Verletzung der vertraglichen Zahlungspflicht. Beide Kündigungen begründeten die Vermieter u. a. damit, dass zwei Monatsmieten nicht bezahlt wurden.
Die Mieterin bestritt dies nicht und zahlte die beiden offenen Mieten schließlich während des laufenden Gerichtsverfahrens vollständig. Sie berief sich nun darauf, dass die Kündigung infolge der Zahlung unwirksam geworden sei. Das AG folgte dem nicht und verurteilte die Mieterin zur Räumung der Mietwohnung.
Zu Recht gekündigt
Die dagegen gerichtete Berufung zum LG hatte keinen Erfolg. Das LG bestätigte, dass die Kündigung wegen der rückständigen Mieten zu Recht erfolgt sei. Im Zeitpunkt der Kündigung sei die Mieterin mit zwei Monatsmieten im Rückstand gewesen und nur darauf komme es hier an.
Vermieter hatten fristlos und fristgerecht gekündigt
Die gesetzliche Regelung, wonach ein Mietrückstand nachträglich ausgeglichen werden und die Kündigung dadurch möglicherweise beseitigen könne, gelte in dieser Form nur für die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. Hier hatten die Vermieter daneben sicherheitshalber aber auch noch fristgerecht gekündigt. Eine solche „ordentliche“ Kündigung werde durch die nachträgliche Zahlung der Mieten nicht ohne Weiteres unwirksam. Bei einer fristgerechten Kündigung sei lediglich zu prüfen, ob es unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben für die Vermieterseite zumutbar sei, auf die Räumung zu verzichten, nachdem keine Rückstände mehr bestehen. Dafür sah das LG hier aber keine Anhaltspunkte.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 1.3.2024, 2 S 118/23, PM vom 30.9.2024
| Das Bundessozialgericht (BSG) musste sich mit der Frage befassen, wann die mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz neu gestaltete Auskunftspflicht von Angehörigen gegenüber dem Sozialamt greift. |
Vater lebte im Seniorenwohnheim und erhielt Hilfe zur Pflege
Der Vater des Klägers lebt in einem Seniorenwohnheim und erhält vom Sozialhilfeträger Hilfe zur Pflege. Er ist geschieden und hat neben dem Kläger noch einen weiteren Sohn, der im Jahr 2020 Student war.
Der Sozialhilfeträger erlangte im Internet Informationen über die Arbeitgeberin des Klägers, eine Digitalagentur mit über 100 Mitarbeitern und einem Honorarumsatz im hohen siebenstelligen Bereich, und seine dortige Position als Chief Technology Officer (CTO). Er teilte dem Kläger mit, es sei davon auszugehen, dass sein Bruttoeinkommen die Grenze von 100 000 Euro jährlich überschreite und verlangte Auskunft über sein Einkommen und sein Vermögen.
Hiergegen wandte sich der Kläger. Denn mit den genannten Informationen sei die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt. Es bestehe deshalb keine Auskunftspflicht.
So sah es das Landessozialgericht
Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat den Auskunftsbescheid aufgehoben. Zwar sei die o. g. Vermutungsregel mit den öffentlich zugänglichen Informationen aus dem Internet widerlegt. Im sich anschließenden Auskunftsverfahren sei aber ein gestuftes Vorgehen erforderlich: In einem ersten Schritt sei der Sozialhilfeträger lediglich berechtigt, Auskünfte über das Bruttojahreseinkommen des potenziell Unterhaltsverpflichteten einzuholen.
Erst, wenn auf dieser Grundlage die 100 000-Euro-Grenze tatsächlich überschritten sei, bestehe in einem zweiten Schritt ein umfassendes Auskunftsrecht, das sich auch auf Vermögen beziehe.
Mit seiner Revision rügt der beklagte Sozialhilfeträger, dass das vom LSG geforderte gestufte Auskunftsverfahren im Gesetz keine Stütze finde. Wenn zu vermuten sei, dass die Einkommensgrenze überschritten werde, bestehe auch eine Verpflichtung zur Auskunft über das Vermögen, damit der Sozialhilfeträger den Unterhaltsanspruch umfassend prüfen könne.
So sah es das Bundessozialgericht
Das BSG gab dem Kläger ebenfalls recht: Vermögensauskünfte können nach dem Angehörigen-Entlastungsgesetz erst dann verlangt werden, wenn die Einkommensgrenze von 100.000 Euro tatsächlich überschritten wird.
Mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz hat der Gesetzgeber zum 1.1.20 u. a. unterhaltsverpflichtete Kinder entlastet. Ein Unterhaltsrückgriff durch den Sozialhilfeträger auf ein erwachsenes Kind, dessen Eltern vom Sozialamt Leistungen erhalten, ist mit dem neu eingeführten § 94 Abs. 1 a SGB XII gegenüber dem früheren Recht beschränkt worden: Ein möglicher Unterhaltsanspruch der Eltern gegen ihre erwachsenen Kinder geht erst auf den Sozialhilfeträger über, wenn das Einkommen des Kindes einen Jahresbetrag von 100 000 Euro übersteigt. Dabei wird gesetzlich vermutet, dass diese Einkommensgrenze nicht überschritten wird. Erst, wenn die Vermutung widerlegt ist, kann Auskunft vom unterhaltsverpflichteten Kind verlangt und anschließend ein Unterhaltsrückgriff vom Sozialhilfeträger geltend gemacht werden. Dabei ist ggf. auch vorhandenes Vermögen zu berücksichtigen.
Legitim: Informationen aus dem Internet eingeholt
Auch das BSG ging davon aus, dass es hinreichende Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Mann ein Einkommen von mehr als 100.000 Euro habe. Dass der Sozialhilfeträger diese Anhaltspunkte aus dem Internet habe, sei nicht zu beanstanden. Die Auskunftspflicht sei aber zunächst auf das Einholen von Auskünften zu den Einkommensarten beschränkt. So habe es der Gesetzgeber gewollt. Denn er beabsichtigte, in erster Linie erwachsene Kinder pflegebedürftiger Eltern zu entlasten. Dem widerspräche es, die Auskunftspflicht auszuweiten.
Quelle | BSG, Urteil vom 21.11.2024, B 8 SO 5/23 R, PM 32/24
| Die dreijährige Verjährungsfrist des Anspruchs auf Stellen einer Bauhandwerkersicherung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) beginnt taggenau mit dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit. So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH). |
So ist die Verjährung geregelt
Der Anspruch auf Stellen einer Bauhandwerkersicherung, wonach der Unternehmer unter im BGB näher geregelten Voraussetzungen vom Besteller eine Sicherheitsleistung in Höhe der vereinbarten Vergütung verlangen kann, verjährt in der regelmäßigen – dreijährigen – Verjährungsfrist nach § 195 BGB. Nun hat der BGH die bisher offene Frage entschieden, wann die Verjährung beginnt.
So begründet der BGH seine Ansicht
Dass die Verjährungsfrist taggenau mit dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit beginnt, folgt für den BGH aus der entsprechenden Anwendung von § 604 Abs. 5, § 695 S. 2, § 696 S. 3 BGB auf diesen Anspruch. § 199 Abs. 1 BGB, wonach die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, ist daher nicht anzuwenden.
Quelle | BGH, Urteil vom 21.11.2024, VII ZR 245/23
| Die Anordnung einer Verbandsgemeindeverwaltung, mit der die Eigentümer eines Wohngebäudes zur Herstellung und dauerhaften Unterhaltung einer eigenen Löschwasserversorgung verpflichtet worden sind, ist ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz und gab dem hiergegen gerichteten Eilantrag statt. |
Grundstückseigentümer sollten Löschwasserversorgung herstellen und unterhalten
Das Gebäude der Antragsteller befindet sich – gemeinsam mit weiteren Höfen – einige Kilometer außerhalb der nächstgelegenen Ortslage. Die vorhandene Trinkwasserversorgung ist zu klein dimensioniert, um eine hinreichende Löschwasserversorgung sicherzustellen. Ein in der Mitte des Areals existierender Löschteich ist verschlammt und deshalb nicht nutzbar. Weil Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung zwischen den Grundstückseigentümern und der Verbandsgemeindeverwaltung scheiterten, verfügte diese schließlich, dass die Grundstückseigentümer die Löschwasserversorgung mit einer Wassermenge von 96 m³/h für eine Dauer von zwei Stunden herzustellen und zu unterhalten hätten. Gleichzeitig ordnete sie die sofortige Vollziehung des Bescheids an.
Hiergegen erhoben die Antragsteller Widerspruch und stellten den gerichtlichen Eilantrag.
Anordnung war ermessensfehlerhaft
Dieser Antrag hatte Erfolg. Die Anordnung sei ermessensfehlerhaft ergangen, so das VG. Zwar könnten Eigentümer baulicher Anlagen, für die keine ausreichende Löschwasserversorgung sichergestellt sei, nach dem Landesgesetz über Brandschutz, die allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (hier: gemäß § 31 Abs. 5 LBKG) zur Vorhaltung fehlender Löschmittel verpflichtet werden. Der Antragsgegner habe jedoch übersehen, dass unter Umständen eine geringere Löschwassermenge ausreichend sei. Denn das Regelwerk, auf das sich der Antragsgegner maßgeblich bezogen habe, sehe zwar im Grundsatz die geforderten 96 m³/h vor. Für ländliche Ansiedlungen von zwei bis zehn Anwesen sei jedoch nur ein Löschwasserbedarf von 48 m³/h anzusetzen.
Hiermit habe sich die Antragsgegnerin nicht auseinandergesetzt, obwohl sich dies nach der Anzahl der vorhandenen Anwesen aufgedrängt hätte. Der Begründungsmangel führe so zu einem Ermessensdefizit.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 14.11.2024, 3 L 1042/24.KO, PM 20/24
| Objektüberwachung und Bauleitung sind inhaltlich „zwei Paar Schuhe“. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt festgestellt. |
Architekt verlangte Honorar für Bauleitung
Ein Architekt rechnete Honorar für „Bauleitung“ ab. Er bezog sich auf die Leistungsphase 8 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Er konnte aber nicht nachweisen, entsprechende Objektüberwachungsleistungen erbracht zu haben.
So sahen es die Gerichte
Die Gerichte kamen dagegen zu der Auffassung, dass er als Bauleiter nach der Hessischen Bauordnung (hier: § 59 HBO) tätig sein sollte. Diese Person muss u. a. darüber wachen, dass die Baumaßnahme nach den genehmigten Bauvorlagen bzw. – soweit eine bauaufsichtliche Prüfung entfällt – nach den eingereichten Bauvorlagen ausgeführt wird.
Bei der Überwachungstätigkeit muss der Bauleiter auf den sicheren Betrieb der Baustelle achten. Dazu zählt, dass die Arbeiten der Unternehmen ohne gegenseitige Gefährdung und ohne Gefährdung Dritter durchgeführt werden können. Über die HOAI können diese Leistungen – so sie denn erbracht wurden – nicht abgerechnet werden.
Der Bauleiter, so das OLG, sei nach dem allgemeinen Sprachverständnis dafür zuständig, zu überwachen, dass die Baumaßnahme entsprechend den öffentlich-rechtlichen Anforderungen durchgeführt wird. Der Objektüberwacher dagegen schuldet eine Ausführung des Objekts gemäß der vertraglichen zivilrechtlichen Vereinbarung mit dem Bauherrn.
Der Architekt ging also leer aus. Da der Bundesgerichtshof (BGH) aktuell eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen hatte, ist die Entscheidung des OLG nun auch rechtskräftig.
Quelle | OLG Frankfurt, Urteil vom 11.5.2023, 22 U 19/22
| Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer nach der Gewerbeordnung (hier: § 108 Abs. 1 S. 1 GewO) bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform erteilen. Diese Verpflichtung kann er grundsätzlich auch dadurch erfüllen, dass er die Abrechnung als elektronisches Dokument zum Abruf in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach einstellt. So hat es jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Klägerin verlangte Abrechnungen in Papierform
Die Klägerin ist im Einzelhandelsbetrieb der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Für den Konzernverbund, dem die Beklagte angehört, regelt die Konzernbetriebsvereinbarung über die Einführung und Anwendung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs vom 7.4.2021, dass alle Personaldokumente, insbesondere Entgeltabrechnungen, über einen externen Anbieter in einem digitalen Mitarbeiterpostfach bereitgestellt werden und von den Beschäftigten über einen passwortgeschützten Online-Zugriff abrufbar sind. Sofern für Beschäftigte keine Möglichkeit besteht, über ein privates Endgerät auf die im digitalen Mitarbeiterpostfach hinterlegten Dokumente zuzugreifen, muss der Arbeitgeber ermöglichen, die Dokumente im Betrieb einzusehen und auszudrucken.
Auf Grundlage der Konzernbetriebsvereinbarung stellte die Beklagte ab März 2022 Entgeltabrechnungen nur noch elektronisch zur Verfügung. Dem widersprach die Klägerin und verlangte, ihr weiterhin Abrechnungen in Papierform zu übersenden.
Landesarbeitsgericht: Entgeltabrechnung war nicht ordnungsgemäß
Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat der Klage, mit der die Klägerin die Erteilung der Entgeltabrechnungen begehrt, stattgegeben. Es hat angenommen, die Entgeltabrechnungen seien ihr durch Einstellen in das Online-Portal nicht ordnungsgemäß erteilt. Bei Entgeltabrechnungen handele es sich um zugangsbedürftige Erklärungen. Ein digitales Mitarbeiterpostfach sei nur dann als Empfangsvorrichtung geeignet, wenn der Empfänger es – anders als die Klägerin im Streitfall – für den Erklärungsempfang im Rechts- und Geschäftsverkehr bestimmt habe.
Bundesarbeitsgericht: Arbeitgeber wahrt Textform
Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das LAG.
Erteilt der Arbeitgeber Entgeltabrechnungen, indem er diese in ein digitales Mitarbeiterpostfach einstellt, wahrt er damit grundsätzlich die von der Gewerbeordnung (hier: § 108 Abs. 1 S. 1 GewO) vorgeschriebene Textform. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abrechnung seines Entgelts ist eine sog. Holschuld, die der Arbeitgeber erfüllen kann, ohne für den Zugang der Abrechnung beim Arbeitnehmer verantwortlich zu sein. Es genügt, dass er die Abrechnung an einer elektronischen Ausgabestelle bereitstellt. Hierbei hat er den berechtigten Interessen der Beschäftigten, die privat nicht über die Möglichkeit eines Online-Zugriffs verfügen, Rechnung zu tragen.
Grundlage: Konzernbetriebsvereinbarung
Die in der Konzernbetriebsvereinbarung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) geregelte digitale Zurverfügungstellung der Entgeltabrechnungen greift nicht unverhältnismäßig in die Rechte der betroffenen Arbeitnehmer ein.
Das BAG war jedoch an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil bisher keine Feststellungen dazu getroffen worden sind, ob Einführung und Betrieb des digitalen Mitarbeiterpostfachs in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats fallen.
Quelle | BAG, Urteil vom 28.1.2025, 9 AZ R 48/24, PM 3/25
| Das Arbeitsgericht (ArbG) Aachen hat entschieden: Die Besonderheiten der Arbeitsleistung eines Profifußballtrainers können zwar die Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Im konkreten Fall scheiterte dies jedoch an dem Schriftformerfordernis. Die Kündigung des Fußballtrainers wegen der fehlenden erforderlichen Lizenz für die nächsthöhere Liga war hingegen gerechtfertigt. |
Das war geschehen
Die Beklagte ist für den Spielbetrieb der 1. Fußballmannschaft zuständig. Der Kläger war zunächst ab Anfang 2022 bei der Beklagten als Sportdirektor beschäftigt. Er ist Inhaber der Trainer-A-Lizenz (Trainerberechtigung für die Fußball-Regionalliga); über eine „Pro-Lizenz“ (Trainerberechtigung für die 3. Liga) verfügt der Kläger nicht. Seit Ende 2022 trainierte er die 1. Fußballmannschaft, die in der Regionalliga spielte. Ende Januar 2023 schlossen die Parteien einen ab 1.1.2023 geltenden, zunächst bis zum 30.6.2024 befristeten, Arbeitsvertrag ab. Der Vertrag enthielt je nach Platzierung eine Verlängerung und verschiedene Prämien.
Die Beklagte stellte den Kläger im August 2023 von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Grundvergütung frei. Mit Abschluss der Saison 2023/2024 stieg die 1. Fußballmannschaft der Beklagten in die 3. Liga auf und gewann den Mittelrheinpokal. Im Juni und Juli 2024 sprach die Beklagte drei ordentliche fristgerechte Kündigungen aus.
Sachgrundbefristung gerechtfertigt
Das ArbG entschied, dass die Sachgrundbefristung eines Profifußballtrainers wegen der Eigenart der Arbeitsleistung grundsätzlich nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (hier: § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG) gerechtfertigt ist. Es sei Aufgabe des Cheftrainers, dafür zu sorgen, dass die Spieler die von ihnen geforderte Spitzenleistungen abrufen. Hierfür sei er als zentraler, prägender Leiter der Mannschaft zuständig. Das Erfordernis, dass die Spieler als Individuum und im Kollektiv Spitzenleistungen erbringen müssten, gebiete es, kurzfristig reagieren zu können, wenn diese Spitzenleistungen nachlassen oder ausbleiben. Ein kurzfristiger Austausch wesentlicher Teile der Mannschaft sei nicht möglich.
Formelle Mängel der Befristung...
Die Befristung des Arbeitsvertrags im vorliegenden Fall sei aus formellen Gründen gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam, da die Leistung der Unterschriften nach Aufnahme der Tätigkeit durch den Kläger erfolgte.
... aber Kündigung wirksam
Demgegenüber sei die Kündigung des Profifußballtrainers wegen des Fehlens der erforderlichen „Pro-Lizenz“ für die 3. Liga wirksam. Der Erwerb der erforderlichen Lizenz liege im Verantwortungsbereich des Trainers. Bis zum Zeitpunkt des Aufstiegs in die 3. Liga habe der Kläger trotz Freistellung einen Anspruch auf Vergütung und die Zahlung der Prämien. Nach Aufstieg in die 3. Liga habe der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung oder Prämien, da er die Voraussetzung für die Tätigkeit als Cheftrainer nicht erfüllt habe.
Quelle | ArbG Aachen, Urteil vom 19.11.2024, 8 Ca 3230/23, PM 1/25
Verbraucherrecht
| Säumniszuschläge werden festgesetzt, wenn die Zahlung nicht pünktlich erfolgt. Nach der Abgabenordnung (hier: § 240 AO) ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen Steuerbetrags zu entrichten, umgerechnet auf das Jahr also 12 %. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass wegen des deutlichen und nachhaltigen Anstiegs der Marktzinsen, der seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 zu verzeichnen ist, jedenfalls seit März 2022 keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Zuschläge bestehen. |
Darüber hinaus hat der BFH in diesem Verfahren Folgendes entschieden: Wenn das Finanzamt zwar Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt, deren Wirkung aber von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig macht, bewirkt die spätere Leistung der Sicherheit im Regelfall, dass die AdV mit (Rück-)Wirkung ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung eintritt und zuvor etwaig entstandene Säumniszuschläge entfallen.
Beachten Sie | Das Finanzamt kann allerdings ausdrücklich anordnen, dass die Wirkung der AdV erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung der Sicherheit beginnt.
Quelle | BFH, Beschluss vom 21.3.2025, X B 21/25 (AdV)
| Eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft steht der Anerkennung einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft grundsätzlich nicht entgegen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Eine Organschaft führt bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dazu, dass nicht mehr die Organgesellschaft ihren Gewinn zu versteuern hat, sondern der Organträger.
Beachten Sie | Die gemäß Körperschaftsteuergesetz (hier: §§ 14 ff. KStG) enthaltenen Regelungen für die Organschaft führen im Ergebnis dazu, dass z. B. in Konzernen die Konzernspitze (als Organträger) die Gewinne sämtlicher Tochtergesellschaften (als Organgesellschaften) zu versteuern hat, aber Verluste und Gewinne der verschiedenen Tochtergesellschaften dabei auch unmittelbar miteinander verrechnet werden können. Insbesondere dieser steuerliche Vorteil hat zu einer weiten Verbreitung der Organschaft in Deutschland geführt.
Das war geschehen
Im Streitfall hatte eine Kommanditgesellschaft (KG) mit einer GmbH einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, um eine Organschaft zu begründen. Danach war die „abhängige“ GmbH als Organgesellschaft verpflichtet, den ganzen von ihr erwirtschafteten Gewinn an die KG als Organträger abzuführen.
Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass an der GmbH als Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung bestand.
Bundesfinanzhof widerspricht Vorinstanzen
Da dem atypisch still Beteiligten ein Anteil von 10 % des Gewinns der GmbH zustand, vertraten das Finanzamt und nachfolgend auch das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern die Auffassung, dass lediglich 90 % des Gewinns an die KG als Organträger abgeführt worden sei, das Gesetz aber die Abführung des ganzen Gewinns fordere. Die Organschaft sei daher insgesamt nicht anzuerkennen. Dem ist der BFH aber nun entgegengetreten.
§ 14 Abs. 1 KStG setzt einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 des Aktiengesetzes (AktG) und die strikte Erfüllung der zivilrechtlichen Vertragspflichten voraus. Was als ganzer Gewinn abzuführen ist, bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Gewinnbeteiligungen, die einem stillen Gesellschafter zustehen, sind im Zivilrecht aber als Geschäftsunkosten vom Gewinn der GmbH abzusetzen. Dies betrifft sowohl die typische als auch die atypisch stille Gesellschaft.
Folglich ist der hiernach verbleibende „Rest-Gewinn“ (im Streitfall also die 90 %) der ganze Gewinn, der an den Organträger abgeführt werden muss. Dass eine (typische oder atypische) stille Beteiligung zivilrechtlich als Teilgewinnabführungsvertrag qualifiziert wird, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.12.2024, I R 33/22, PM 21/25 vom 3.4.2025
| Wenn eine per E-Mail versandte Werklohnrechnung gehackt und unbefugt verändert wird und der Kunde deshalb an einen unbekannten Dritten zahlt, muss er nicht noch einmal an den Werkunternehmer zahlen, wenn dieser die Rechnung ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung versandt hat und deshalb gegen ihn ein Schadenersatzanspruch gemäß Datenschutz-Grundverordnung (hier: Art. 82 DS-GVO) besteht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, erneut ihre Werklohnforderung zu zahlen, nachdem der Betrag wegen einer Manipulation der per E-Mail versandten Rechnung durch kriminell handelnde Dritte dem Konto eines Unbekannten gutgeschrieben wurde.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für die Installation von Haustechnik. Sie führte für die Beklagte Installationsarbeiten durch und rechnete die erbrachten Leistungen ihr gegenüber in drei Abschlagsrechnungen ab. Diese wurden jeweils als Anlage zu einer E-Mail im PDF-Format übersandt. Die ersten zwei Abschlagsrechnungen beglich die Beklagte per Überweisung an die auf den Rechnungen angegebenen Bankverbindungen der Klägerin.
Die dritte Abschlagsrechnung über rund 15.000 Euro, die zugleich die Schlussrechnung war, versandte die Klägerin ebenfalls als Anlage im PDF-Format per E-Mail. Diese Rechnung war jedoch auf ungeklärte Weise durch einen Dritten manipuliert worden, so dass die Beklagte den Rechnungsbetrag auf das Konto des unbekannten Dritten überwies. Auf dem Konto der Klägerin ging deshalb auf die Schlussrechnung keine Zahlung ein.
Keine Erfüllung durch Zahlung an unbekannten Dritten
Das Landgericht (LG) hat die Beklagte deshalb zur erneuten Zahlung verurteilt, weil eine Erfüllung durch die Zahlung an den unbekannten Dritten nicht eingetreten ist. Es hat ausgeführt, dass die Klägerin auch keine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat, sodass die Beklagte keinen Schadenersatzanspruch hat, den sie der Klageforderung gemäß § 242 BGB entgegenhalten kann. Die Klägerin hat nach Auffassung des LG keine Pflichtverletzung begangen, weil die von ihr vorgetragenen Schutzvorkehrungen in Form einer Transportverschlüsselung per SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) über TLS (Transport Layer Security) beim E-Mail-Verkehr mit Vertragspartnern ausreichend sind.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG hat in zweiter Instanz das Urteil des LG geändert und die Klage abgewiesen. Es hat entschieden, dass die Zahlung der Beklagten an einen Dritten zwar keine Erfüllung der Forderung bei der Klägerin bewirkt. Im Gegensatz zum Landgericht hat es jedoch einen Schadenersatzanspruch der Beklagten bejaht, den diese der Werklohnforderung der Klägerin nach § 242 BGB entgegenhalten kann, so dass sie die Forderung nicht noch einmal bezahlen muss.
Dieser Schadenersatzanspruch ergibt sich nach der Entscheidung des OLG aus Art. 82 Abs. 2 DS-GVO, weil die Klägerin im Zuge der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Beklagten bei Versand der streitgegenständlichen E-Mail mit Anhang gegen die Grundsätze der Art. 5, 24 und 32 DS-GVO verstoßen hat. Das OLG hält die Transportverschlüsselung, die beim Versand der streitgegenständlichen E-Mail in Form von SMTP über TLS verwendet worden sein soll, nicht für ausreichend und damit auch nicht als zum Schutz der Daten „geeignet“ im Sinne der DS-GVO.
Das OLG hob hervor, dass heute jedem Unternehmen, das personenbezogene Daten seiner Kunden computertechnisch verarbeitet, bewusst sein muss, dass der Schutz dieser Daten hohe Priorität – auch beim Versenden von E-Mails – genießt. Unternehmen müssen diesen Schutz durch entsprechende Maßnahmen so weit wie möglich gewährleisten.
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unabdingbar
Gerade bei sensiblen oder persönlichen Inhalten ist nach der Entscheidung des OLG nur eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Schutz im Sinne der DS-GVO geeignet, wenn ein hohes finanzielles Risiko durch Verfälschung der angehängten Rechnung für den Kunden besteht. Dass Kunden von Unternehmen bei einem Datenhacking Vermögenseinbußen drohen, ist ein Risiko, das dem Versand von Rechnungen per E-Mail immanent ist und deshalb eine entsprechende Voraussicht und ein proaktives Handeln erfordert. Der dafür erforderliche technische und finanzielle Aufwand kann auch von einem mittelständischen Handwerksbetrieb erwartet werden, wenn es seine Rechnungen nicht per Post versendet.
Quelle | OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.12.2024, 12 U 9/24, PM 1/25
| Wer im Zusammenhang mit seiner kommunalpolitischen Tätigkeit Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder erhält (im Streitfall ein ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats), erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Diese sind im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung zu verbeitragen. Dies hat jedenfalls das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen entschieden. |
Das LSG Nordrhein-Westfalen stellte heraus: Für die Zuordnung von Einnahmen zum Arbeitseinkommen ist die steuerliche Abgrenzung der Einkunftsarten maßgebend. Bei Anlegung dieser Maßstäbe handelt es sich auch bei den Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer kommunalpolitischen Tätigkeit in Gestalt von Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern erzielt werden, um Arbeitseinkommen nach dem Sozialgesetzbuch IV (hier: § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV).
Gegen dieses Urteil ist die Revision beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig.
Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.3.2024, L 5 KR 551/21, Rev. BSG: B 6 a/12 KR 12/24 R
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Die Verwendung von geschlechtsspezifischen Sterbetafeln bei der Bewertung lebenslänglicherNutzungen und Leistungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot. |
Hintergrund: Die Heranziehung geschlechterdifferenzierender Sterbetafeln dient dem Ziel, die Kapitalwerte lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen mit zutreffenden Werten zu erfassen und eine Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.
Da die statistische Lebenserwartung von Männern und Frauen unterschiedlich hoch ist, ermöglichen die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Vervielfältiger genauere und realitätsgerechtere Bewertungsergebnisse als geschlechtsneutrale Vervielfältiger.
Beachten Sie | Die Anwendung der geschlechtsspezifischen Sterbetafeln kann sich für den Steuerpflichtigen je nach Fallkonstellation günstiger oder ungünstiger auswirken und führt nicht per se zu einer Benachteiligung aufgrund des eigenen Geschlechts.
Der BFH musste nicht entscheiden, welche Auswirkungen sich aus dem am 1.11.2024 in Kraft getretenen Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) für die Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen ergeben.
Quelle | BFH, Urteile vom 20.11.2024, II R 38/22, II R 41/22, II R 42/22; PM 23/25 vom 10.4.2025
| Aufwendungen des Steuerpflichtigen für einen Umzug in eine andere Wohnung, um dort (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs(BFH) auch, wenn der Steuerpflichtige – wie in Zeiten der Corona-Pandemie – zwangsweise zum Arbeiten im häuslichen Bereich angehalten ist oder durch die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren sucht. |
Das war geschehen
Eheleute lebten mit ihrer Tochter in einer 3-Zimmer-Wohnung und arbeiteten nur in Ausnahmefällen im Homeoffice. Ab März des Streitjahrs 2020 (zunächst bedingt durch die Corona-Pandemie) arbeiteten sie überwiegend im Homeoffice, dort im Wesentlichen im Wohn-/Esszimmer. Ab Mai 2020 zogen sie in eine 5-Zimmer-Wohnung, in der sie zwei Zimmer als häusliches Arbeitszimmer einrichteten und nutzten.
Den Aufwand für die Nutzung der Arbeitszimmer und die Kosten für den Umzug in die neue Wohnung machten die Eheleute als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte zwar die Aufwendungen für die Arbeitszimmer an, mangels beruflicher Veranlassung lehnte es den Abzug der Kosten für den Umzug jedoch ab.
Demgegenüber bejahte das Finanzgericht (FG) Hamburg den Werbungskostenabzug auch für die Umzugskosten. Der Umzug in die größere Wohnung sei beruflich veranlasst gewesen, da er zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen geführt habe.
Dem folgte der BFH aber (aus Steuerzahlersicht „leider“) nicht und bestätigte die ablehnende Entscheidung des Finanzamts.
Wohnung: privater Lebensbereich
Die Wohnung ist grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Daher zählen die Kosten für einen Wohnungswechsel regelmäßig zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung. Etwas anderes gilt nur, wenn die berufliche Tätigkeit den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel dargestellt hat und private Umstände allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben.
Beachten Sie | Dies ist aber nur aufgrund außerhalb der Wohnung liegender Umstände zu bejahen, etwa wenn
- der Umzug Folge eines Arbeitsplatzwechsels gewesen ist oder
- sich die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit durch den Umzug um mindestens eine Stunde täglich vermindert
Die Möglichkeit, in der neuen Wohnung (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, genügt nicht zur Begründung einer beruflichen Veranlassung des Umzugs. Es fehlt insoweit an einem objektiven Kriterium, das nicht auch durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist.
Die Entscheidung, in der neuen, größeren Wohnung (erstmals) ein Zimmer als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer „Arbeitsecke“ auszuüben, beruht auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatz verfügt oder durch die Arbeit im Homeoffice versucht, das Berufs- und Familienleben zu vereinbaren.
Quelle | BFH, Urteil vom 5.2.2025, VI R 3/23, PM 24/25 vom 17.4.2025
| Ein mit einem Preisgeld dotierter Wissenschaftspreis kann nur dann Arbeitslohn darstellen, wenn er dem Arbeitnehmer für Leistungen verliehen wird, die er gegenüber seinem Dienstherrn erbracht hat. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Fall eines Professors entschieden. |
Der Professor hatte die Habilitationsschriften überwiegend vor der Berufung in das Professorendienstverhältnis verfasst. Der preisbewehrten Habilitation lag zwar eine wissenschaftliche Forschungsleistung zugrunde. Diese gründete aber nicht auf der Forschungstätigkeit als Hochschullehrer. Wissenschaftspreis und Preisgeld stellten sich daher nicht als „Frucht“ dieser Tätigkeit dar.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 12/22
| Kann in Deutschland steuerpflichtigen Personen eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen inder Schweiz gewährt werden? Das Finanzgericht (FG) Köln hält das für möglich und hat sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar mit deutscher und schweizerischer Staatsbürgerschaft wohnte in der Schweiz. Der Ehemann war als Arbeitnehmer in Deutschland tätig und unterhielt hierfür eine Wohnung in Deutschland. Für das gemeinsame Haus in der Schweiz beauftragten die Eheleute verschiedene Handwerks- und Gartenbauarbeiten i. S des Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 a EStG) und begehrten eine Ermäßigung ihrer Einkommensteuer.
Das Finanzamt lehnte dies jedoch ab, weil die Dienstleistungen in der Schweiz ausgeführt wurden (vgl. § 35 a Abs. 4 S. 1 EStG). Hiergegen erhoben die Eheleute erfolgreich Klage.
Freizügigkeitsabkommen
Das FG Köln bezweifelt, ob es mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist, dass die Steuerermäßigung nur für Dienstleistungen beansprucht werden kann, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt ausgeübt oder erbracht werden.
Beachten Sie | Bis zur Entscheidung des EuGH ist das Verfahren ausgesetzt.
Quelle | FG Köln, Beschluss vom 20.2.2025, 7 K 1204/22; PM vom 25.3.2025; EuGH: C-223/25
| Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen, z. B. Sachverständigengutachten, sind in der Regel nicht notwendig und werden daher nicht erstattet. Das ist der Grundsatz, von dem die Rechtsprechung ausgeht. Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme – wie eine Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Senftenberg anschaulich zeigt. |
Schwierige technische Fragestellungen
Ausnahmsweise werden nach dieser Entscheidung die Kosten z. B. für das Einholen eines privaten Sachverständigengutachtens unter anderem als notwendige Kosten anerkannt, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind. Gleiches gilt, wenn aus Sicht des Betroffenen aus einer Anfangsbetrachtung ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre.
Amtsgericht hält Kosten ausnahmsweise für erstattungsfähig
Diese Grundsätze hat das AG in seiner Entscheidung bestätigt. Es hat die Kosten für ein Sachverständigengutachten, mit dem die Messdaten einer Geschwindigkeitsmessung überprüft worden sind, daher als erstattungsfähig angesehen.
Quelle | AG Senftenberg, Urteil vom 28.2.2024, 50 OWi 1617 Js 22408/22
| Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h liegenden Tempo fährt, muss seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten. Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des Navigationssystems kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entschieden. |
Konzentrieren und Gerätebedienen ist gefährlich
Geklagt hatte eine Autovermieterin gegen den Fahrer eines vermieteten Pkw. Der Fahrer war auf der Autobahn verunfallt und hatte den Wagen beschädigt. Während er auf der linken Spur fuhr, bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs bei Tempo 200, um dort Informationen abzurufen. Dabei geriet das Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke.
Mietvertrag sah Kürzung der Haftungsfreistellung vor
Das Gericht verwies auf die Vereinbarung im Mietvertrag. Danach könne die Haftungsfreistellung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt werden. Der Fahrer habe hier grob fahrlässig gehandelt. Die Autovermieterin könne daher die Hälfte des Schadens – ca. 12.000 Euro – bei ihm geltend machen.
Für das Gericht war es dabei unerheblich, dass der Pkw einen sog. Spurhalteassistenten hatte. Zumindest bei derart hohen Geschwindigkeiten reduziere dieser den Schuldvorwurf nicht.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 2.5.2019, 13 U 1296/17
| Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie beschäftigt immer noch die Gerichte. Aktuell hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden: Die Mitglieder einer Fahrgemeinschaft waren auch in der Corona-Hochphase für gegenseitige Ansteckungen nicht verantwortlich zu machen. Eine auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage eines Mitfahrers hat das LG deshalb abgewiesen. |
Im Frühjahr 2022 stieg der Mitfahrer ohne Maske zu seinem Kollegen ins Auto, um gemeinsam zur Arbeit zu fahren. Am Abend desselben Tages schrieb er in die WhatsApp-Gruppe der Fahrgemeinschaft, dass er positiv getestet sei und sich in Quarantäne befinde.
Fahrer behauptete Ansteckung und verlangte Schmerzensgeld
Der schon zuvor an Asthma erkrankte Fahrer behauptete im Prozess, er habe sich während der gemeinsamen Fahrt mit dem Coronavirus infiziert und sei nun dauerhaft arbeitsunfähig („Post-Covid-Syndrom“). Der Mitfahrer schulde ihm daher Schmerzensgeld in Höhe von nicht unter 20.000 Euro, weitere 4.000 Euro Schadenersatz und müsse darüber hinaus für zukünftig auftretende Schäden einstehen.
Landgericht: Reine Gefälligkeit – keine Haftung
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Im Rahmen der wechselseitigen Gefälligkeit einer Fahrgemeinschaft sei bereits unter den Gesichtspunkten eines stillschweigenden Haftungsverzichts und des Handelns auf eigene Gefahr eine gegenseitige Haftung ausgeschlossen. Es sei zudem aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie allgemein bekannt gewesen, dass enger persönlicher Kontakt die Hauptinfektionsquelle darstellte. Obwohl der unter Asthma leidende Fahrer bemerkt habe, dass sein Kollege beim Einsteigen keine Maske trug, habe er ihn nicht gebeten, eine solche aufzusetzen. Er habe sich daher erkennbar trotz seiner Vorerkrankung dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Dass er sich keine Gedanken über einen ungünstigen Verlauf einer Infektion mit möglichen Dauer- und Folgeschäden gemacht habe, rechtfertige keine andere Beurteilung.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 16.12.2024, 7 O 110/24, PM vom 31.1.2025
| Mit der Frage, ob ein 13-jähriges Kind für einen Glasschaden an einem Schaufenster verantwortlich ist, hat sich das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. |
Glasbruch nach Nutzung eines Spielgeräts
Das Kind hatte in der Fußgängerzone von Frankenthal ein festmontiertes Spielgerät in Gestalt einer Drehscheibe genutzt und war beim Absteigen gegen ein daneben befindliches Schaufenster getaumelt. Für den dadurch entstandenen Glasbruch muss das Kind nicht haften, entschied das LG und hat die Klage der Ladenbesitzer abgewiesen.
Der Junge gab an, dass er auf dem Schulweg an dem Spielgerät vorbeigekommen sei. Er habe sich auf das Karussell gestellt, das ein Freund gedreht habe, zunächst langsam, dann immer schneller. Nachdem der Freund die Drehung gestoppt habe, sei er rückwärts gegen die keine drei Meter entfernte Fensterscheibe getaumelt, die daraufhin zerbrochen sei.
Schaden schuldhaft verursacht?
Die Ladenbesitzer warfen dem Jungen vor, den Schaden schuldhaft verursacht zu haben. Er sei bereits zu alt gewesen für das Karussell, zudem habe er sich damit zu schnell gedreht. Die Sturzgefahr und der mögliche Glasbruch seien für ihn erkennbar gewesen.
Landgericht: kein Verschulden des Kindes!
Das LG ging zwar davon aus, dass sich der 13-Jährige der grundsätzlichen Stolpergefahr durchaus bewusst und auch hinreichend einsichtsfähig war. Beides ist erforderlich, damit Minderjährige in diesem Alter überhaupt selbstständig haften. Gleichwohl konnte das LG das für einen Schadenersatzanspruch erforderliche Verschulden des Kindes nicht feststellen. Denn der Junge habe die Drehscheibe bestimmungsgemäß genutzt. Es sei gerade Sinn und Zweck des Karussells, trotz der Drehbewegung die Balance zu halten und der Gefahr des Herunterfallens zu trotzen. Das Kind sei weder zu alt noch zu groß für das Spielgerät gewesen.
Das Gericht hat nicht verkannt, dass die Ladenbesitzer nun auf ihrem Glasschaden sitzen bleiben. Dies resultiert gemäß LG jedoch daraus, dass unsere Rechtsordnung – von einigen hier nicht vorliegenden Sonderfällen abgesehen – dem Prinzip der Verschuldenshaftung folgt.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 29.11.2024, 9 O 27/24, PM vom 19.12.2024
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Bürgergeldempfänger gelten nicht als hilfebedürftig, wenn sie ein (zu) großes Einfamilienhaus gebaut haben und dessen Wert zur Sicherung des Lebensunterhalts nutzen können. |
Familie hatte während Bürgergeldbezug größeres Haus gebaut
Dem Verfahren lag ein Eilantrag einer Familie aus dem Emsland zugrunde. Diese hatte ihr selbstbewohntes Hausgrundstück für 514.000 Euro verkauft, nachdem sie während des Bürgergeldbezugs ein neues Haus gebaut hatte. Aufgrund des erzielten Verkaufserlöses hob der Grundsicherungsträger die Leistungsbewilligung auf.
Demgegenüber vertrat die Familie die Auffassung, das neue Haus sei geschütztes Vermögen und dürfe nicht zur Deckung des Lebensunterhalts herangezogen werden. Zudem berief sie sich auf die gesetzliche Karenzzeit von 12 Monaten, während der auch großzügige Wohnverhältnisse voll finanziert werden müssten.
Landessozialgericht: Familie nicht bedürftig
Das LSG bestätigte die Auffassung der Behörde. Die Familie sei nicht bedürftig, da das neue Hausgrundstück mit 254 m² Wohnfläche und sieben Bewohnern kein geschütztes Vermögen darstelle. Eine Verwertung des Vermögens zur Sicherung des Lebensunterhalts sei durch Beleihung möglich. Bei einem Verkehrswert von 590.000 Euro und einer Grundschuld von 150.000 Euro stehe ein unbelasteter Wert von 440.000 Euro zur Verfügung.
Die Berufung auf die gesetzliche Karenzzeit lehnte das Gericht ebenfalls ab. Die Regelung diene dem Zweck, dass Leistungsempfänger nicht sofort ihr angespartes Vermögen, etwa für die Altersvorsorge, aufbrauchen müssen, wenn sie nur vorübergehend auf Bürgergeld angewiesen sind. Die Karenzzeit solle dabei helfen, plötzliche Härten abzufedern.
Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um eine unerwartete Notlage, sondern um langjährige Leistungsbezieher, die ihre Wohnsituation und ihr Immobilienvermögen optimieren wollten. So habe die Familie als Verkaufsgrund des alten Hauses angegeben, die Entfernung zur Innenstadt sei ihnen zu weit gewesen.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.1.2025, L 11 AS 372/24 B ER, PM vom 20.1.2025
| Der gezahlte Reisepreis kann um 30 Prozent gemindert werden, wenn das Gepäck des Pauschalreisenden beim Hinflug zu spät ausgeliefert wird und deshalb während einer Kreuzfahrt in die Arktis nicht zur Verfügung steht. So entschied es das Landgericht (LG) München II zugunsten der Reisenden. |
Es ging um eine Expeditionsreise
Der Kläger und seine Mutter hatten im Jahr 2023 bei der Beklagten eine elftägige Pauschalreise nach Norwegen mit anschließender Kreuzfahrt „Auf den Spuren der Eisbären“ gebucht. Während des Hinflugs kam es zu einer verspäteten Auslieferung aller Gepäckstücke der Reisenden. Der Kläger und seine Mutter meldeten ihr Gepäck als verloren und erstatteten unverzüglich Schadensanzeige. Vor der Abfahrt des Schiffs kauften sie in Outdoor-Läden in Norwegen das Notwendigste ein. An Bord gab es eine Boutique und einen Wäscheservice. Schuhe und Parka für die Expeditionen an Land wurden gestellt. Die Beklagte erstattete den Reisenden außergerichtlich 25 Prozent vom gezahlten Reisepreis und 1.500 Euro (von 2.306,07 Euro) für die Ersatzbeschaffungen. Vor Gericht machte der Kläger den Restbetrag für die Ersatzbeschaffungen, weitere 15 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und einen „Schadenersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreuden“ geltend.
Landgericht sprach Minderung zu
Das LG sprach dem Kläger eine Minderung in Gesamthöhe von 30 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und für die Ersatzbeschaffungen weitere 516,20 Euro zu; einen Anspruch auf Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wies das LG jedoch ab.
Das LG begründete seine Entscheidung damit, dass das Fehlen von Gepäck mit persönlichen Gegenständen des Reisenden einen Reisemangel darstellt. Weil der Veranstalter jedoch keine besondere Kleiderordnung bei den Mahlzeiten und die Ausrüstung für die Expeditionen zur Verfügung gestellt hatte und es einen Wäscheservice an Bord gab, erachtete das Gericht eine Minderung von 30 Prozent des gezahlten Reisepreises als ausreichend und angemessen.
Bei den Ersatzbeschaffungen (Verbrauchsartikel, Grund- und Funktionsbekleidung) hatte der Reiseveranstalter unter anderem einen Abschlag für Vermögensvorteile vorgenommen, weil die Reisenden die Sachen nach der Rückkehr weiterhin nutzen können. Das Gericht folgte dem Argument der Beklagten nicht, soweit es sich um „Funktionskleidung“ handelte, denn der Kläger und seine Mutter hatten das Gericht davon überzeugt, dass sie die eigens für eine Expedition in die Arktis gekaufte Funktionsbekleidung nicht mehr benötigten. Anders sah es das Gericht bei den Verbrauchsartikeln (Waschmittel, Zahnpasta, etc.) – die Reisenden erhielten ihre Koffer bei der Rückkehr von der Reise zurück und konnten die darin enthaltenen Verbrauchsartikel (weiter) nutzen.
Schadenersatzanspruch abgelehnt
Einen Schadenersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit lehnte das Gericht ab, weil der Kläger und seine Mutter aufgrund der Möglichkeit von Ersatzbeschaffungen in Longyearbyen und an Bord sowie wegen der ihnen zur Verfügung gestellten Ausrüstungsgegenstände (Schuhe, Parka) an der Kreuzfahrt und den Expeditionen an Land teilnehmen konnten, was Sinn undZweck der gebuchten Expeditionsreise war.
Quelle | Landgericht München II, Endurteil vom 10.1.2025, 14 O 2061/24, PM 1/25
| Ein Ehemann kann nach der Trennung von seiner Frau verlangen, die Nutzungsverhältnisse an einem gemeinsamen Haus neu zu ordnen. Das stellte das Oberlandesgericht (OLG) Celle fest. |
Ärzteehepaar trennte sich
Nachdem sich ein Ärzteehepaar getrennt hatte, wollte der Mann in ein gemeinsames Haus des Paares ziehen. Doch dort wohnte seine Schwiegermutter. In der ihr allein gehörenden Ehewohnung lebte die Frau mit den gemeinsamen Kindern. Der Mann schlief zunächst in seiner Praxis, dann bei Bekannten. Schließlich wohnte er zur Untermiete.
Den Eheleuten gehörte aber hälftig noch das von der Schwiegermutter bewohnte Einfamilienhaus mit Garten. Dieser wollte der Mann wegen Eigenbedarf kündigen. Dazu war die Mitwirkung seiner Ehefrau erforderlich. Das lehnte sie ab. Sie meinte, der Mann wolle sie nur zwingen, ihrer Mutter zu kündigen. Auch habe er noch ein weiteres Haus. Der Mann klagte.
Amtsgericht: Eigenbedarf nicht genügend dargelegt
Das Amtsgericht (AG) wies seine Klage ab. Der Mann habe den Eigenbedarf nicht hinreichend dargelegt. Da die Schwiegermutter eine nahe Angehörige sei, könne ihre Tochter selbst Eigenbedarf anmelden. So zog der Mann vor das OLG.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG gab dem Mann Recht. Ihm sei seit der Trennung ein Festhalten am Mietverhältnis nicht länger zuzumuten. Auch habe er seinen Eigenbedarf ausreichend dargelegt. Er hatte vorgetragen, dass sein jetziges Mietverhältnis nur befristet war. Ein ständiges Wohnen in der Praxis sei ihm nicht zuzumuten. Ein Umzug in das andere Haus sei ihm ebenfalls nicht zuzumuten, da dieses noch ein Rohbau sei und er auch kein Geld für einen Umzug habe. Nach all dem sah das OLG den geltend gemachten Eigenbedarf nicht als „offensichtlich aussichtslos“ an. Vor allem sei die Frau in der Lage, ihre Mutter in der Ehewohnung und einer nicht genutzten Einliegerwohnung aufzunehmen.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 19.2.2025, 21 UF 237/24
| Wer einen überschuldeten Nachlass erbt, kann innerhalb einer Frist von sechs Wochen das Erbe ausschlagen. Sonst gilt die Erbschaft als angenommen und er haftet für die dem Nachlass zuzuordnenden Schulden. War dem Erben nicht bekannt, dass der Nachlass überschuldet ist, kann noch die Anfechtung wegen Irrtums helfen. Mit den Voraussetzungen dafür hat sich jetzt das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. Es hat entschieden, dass der als Erbe eingesetzte Sohn eines Verstorbenen nicht für die Beerdigungskosten aufkommen muss, weil er die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten hat. |
Witwe verlangte Bestattungskosten von Sohn des Verstorbenen
Der Verstorbene hatte seinen Sohn aus erster Ehe testamentarisch zu seinem Erben bestimmt. Die beiden pflegten zuletzt keinen Kontakt mehr zueinander. Nach dem Tod übernahm zunächst die Witwe die Bestattungskosten von rund 7.500 Euro und wollte diese vom Sohn erstattet haben, da dieser die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte. Daraufhin erklärte der Sohn die Anfechtung der Erbschaftsannahme. Er habe nicht gewusst, dass die Bestattungskosten zu den Nachlassverbindlichkeiten gehörten und der Nachlass damit überschuldet sei.
Irrtum über die Beerdigungskosten
Dieser Argumentation hat sich das LG angeschlossen. Der Sohn habe die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten und müsse daher nicht für die Beerdigungskosten aufkommen. Die Anfechtung wegen unerkannter Überschuldung eines Nachlasses sei ein in der Rechtsprechung anerkannter Anfechtungsgrund. Sie setze voraus, dass der Anfechtende eine wesentliche Forderung gegen den Nachlass irrtümlich übersieht. Hier seien die Bestattungskosten eine wesentliche Forderung, da der Nachlass überschuldet sei, wenn man sie berücksichtige. Es sei auch glaubhaft, dass sich der Sohn über die Beerdigungskosten geirrt habe. Denn die Witwe habe ihm noch zu Lebzeiten des Vaters mitgeteilt, für die Beerdigung könne der Erlös aus dem Verkauf eines Pkw verwendet werden. Daher durfte der Sohn davon ausgehen, als Erbe seines Vaters nicht für die Bestattung aufkommen zu müssen, so die Kammer. Wenn kein Erbe in Anspruch genommen werden kann, muss die Witwe als Ehefrau nach den Vorschriften des Landesrechts selbst für die Beerdigungskosten aufkommen, so das LG.
Quelle | Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 27.2.2025, 8 O 189/24, PM vom 31.3.2025
| Die Kosten eines Vaterschaftsanerkennungsverfahrens können zwischen dem im Verfahren ermittelten biologischen Vater und der Mutter hälftig geteilt werden. Weder der Umstand, dass der Vater nicht bereits auf Basis eines Privatgutachtens zur Anerkennung der Vaterschaft bereit war, noch, dass er nach Angaben der Mutter der einzige Verkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit war, rechtfertigen eine alleinige Kostenlast des Vaters. So entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |
Streit um Kosten
Die Beteiligten streiten über die Kosten eines Abstammungsverfahrens. Die Mutter des Kindes hatte angegeben, mit dem sog. Putativvater (also dem, der als möglicher Vater in Betracht kommt) in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehrs gehabt zu haben. Ein außergerichtlicher Vaterschaftstest hatte diesen als Vater festgestellt. Das Kind begehrte daraufhin, die Vaterschaft des Putativvaters gerichtlich festzustellen. Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens stellte das Amtsgericht (AG) die biologische Vaterschaft des Putativvaters fest und legte die Verfahrenskosten hälftig der Mutter und dem nun festgestellten Vater auf.
So sah es das Oberlandesgericht
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Mutter gegen die Auferlegung der Hälfte der Kosten. Dies hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das AG habe im Ergebnis zutreffend die Kosten nach billigem Ermessen zwischen der Kindesmutter und dem Kindesvater hälftig geteilt, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Bei einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren handele es sich nicht um ein echtes Streitverfahren. Neben dem Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens könnten deshalb weitere Umstände von Bedeutung sein. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten sei allerdings regelmäßig unbillig, da es selbst nicht zur Unsicherheit an der Vaterschaft beigetragen habe.
Hier sei es nicht angemessen, dem Vater die alleinigen Kosten aufzuerlegen. Er habe insbesondere nicht „grob schuldhaft“ das Verfahren veranlasst. Ihm sei es vielmehr nicht zumutbar gewesen, die Vaterschaft bereits außergerichtlich ohne gutachterliche Klärung der biologischen Abstammung durch Sachverständigengutachten anzuerkennen. Allein die Angabe der Mutter, sie habe in der Empfängniszeit nur mit dem Vater verkehrt, genüge zur Begründung eines groben Verschuldens nicht. Vielmehr habe der Vater berechtigte Zweifel ans einer Vaterschaft haben dürfen. Unwidersprochen habe er mit der Kindesmutter in der Empfängniszeit keine Beziehung geführt und auch nicht mit ihr zusammengelebt. Damit hätten ihm konkrete Einblicke in die Lebensverhältnisse der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit gefehlt. Für ihn habe damit auch keine Möglichkeit bestanden, abzuschätzen oder zu beurteilen, ob die Mutter des Kindes zu weiteren Männern eine intime Beziehung unterhalten habe.
Außergerichtlicher Vaterschaftstest schließt gerichtliche Überprüfung nicht aus
Auf den bereits außergerichtlich durchgeführten Vaterschaftstest habe er sich nicht verlassen müssen. Er könne vielmehr geltend machen, dass er angesichts der hohen rechtlichen Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Abstammungsgutachtens eine gerichtliche Überprüfung wünsche. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass „beide Eltern das Verfahren über eine Entscheidung über die Abstammung dadurch gleichermaßen veranlasst haben, dass sie innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben. Damit erscheint es in der Regel auch gerechtfertigt, die Kosten eines solchen Verfahrens gleichmäßig auf beide Eltern zu verteilen“, unterstrich das OLG.
Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 13.1.2025, 6 WF 155/24, PM 4/25
| Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung ist so zu verstehen, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, sofern diese nicht bereits von Dritten erbracht und dem Architekten zur Verfügung gestellt wurden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden. |
Ein Architekt war mündlich damit beauftragt worden, die Baugenehmigung für die Erweiterung eines Gasthofs einzuholen. Damit war klar, dass er die Leistungsphase 4 im Leistungsbild Gebäude und Innenräume sowie Tragwerksplanung erbringen musste. Da er vom Auftraggeber nur Bestandszeichnungen erhalten hatte, die nicht an eine Vor- oder Entwurfsplanung heranreichten, verlangte er auch das Honorar für diese notwendigen Leistungen. Der Auftraggeber weigerte sich. Er meinte, er habe nur die Genehmigungsplanung beauftragt.
Das OLG gab dem Architekten Recht und sprach ihm das Honorar für die Leistungsphasen 1 bis 4 zu. Es komme nicht auf die Regelungen der HOAI, sondern auf den Inhalt des konkreten Auftrags an. Nicht entscheidend sei, ob die Parteien einen schriftlichen oder mündlichen Vertrag geschlossen, sondern was sie tatsächlich vereinbart haben. Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung müsse dann so verstanden werden, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, da diese notwendige Voraussetzung für die Erstellung der Genehmigungsplanung ist. Etwas anderes gelte nur, wenn die vorangehenden Planungsleistungen bereits von Dritten erbracht wurden und dem Architekten zur Verfügung gestellt werden.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2022, 4 U 142/20
| Beauftragt ein Bauträger einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt vom Architekten nur die Überprüfung einzelner Maße, übernimmt der Bauträger das mit der begrenzten Überprüfung verbundene Risiko selbst. Er kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin als Bauträgerin machte gegen den beklagten Architekten im Wege einer Schadenersatzklage i. H. v. 100.000 Euro wegen mangelhafter Architektenleistungen bei der Planung einer Wohnungseigentumsanlage geltend. Die Klägerin ist der Auffassung, die die Pläne des Vermessungsingenieurs überarbeitende Wohnflächenberechnung des Beklagten für bestimmte Bestandsgebäude habe eine zu geringe Wohnfläche ausgewiesen. Der Beklagte habe zugesichert, dass die Abweichungen der Wohnflächen von den Bestandsplänen des Vermessers unter einem Prozent lägen, tatsächlich gebe es Abweichungen bis zu 8%. Zahlreiche Wohnungen seien daher mit zu geringer Flächenangabe verkauft worden und deshalb sei ein Mindererlös entstanden.
Der Beklagte bestreitet eine fehlerhafte Flächenermittlung, die sich ohnehin nur auf die örtliche Überprüfung der Maße aus den Bestandsplänen des Vermessers hinsichtlich der für die Werkplanung entscheidenden Stellen bezogen habe. Ein Auftrag zu einer kompletten Neuvermessung des Bestands sei gerade nicht erteilt worden.
Zudem meint die Klägerin, der Beklagte habe bei der Grundlagenermittlung übersehen, dass die Geschossdecken in einem Bestandsgebäude Betonhohlkörperdecken waren, die einen unerwartet hohen Sanierungsaufwand erforderten, und es versäumt, vor Baubeginn die Fundamente an der Seite zu einem anderen Grundstück zu überprüfen. Infolge dieser Planungsfehler hätten sich die Baukosten für das Bestandsgebäude deutlich erhöht. Die Umbaukosten beliefen sich somit auf mindestens 950.000 Euro. Ein vollständiger Abriss und Neubau hätte dagegen (nur) 752.499 Euro gekostet und wäre im Vergleich zu den tatsächlich entstandenen Kosten günstiger gewesen. Bei erzielbaren Verkaufserlösen abzüglich der Kosten für Abriss/Neubau hätte sich bei einem Neubau ein hoher sechsstelliger Überschuss ergeben. Der tatsächliche Überschuss durch den Umbau habe lediglich 107.000 Euro betragen.
Der Beklagte trägt hierzu vor, ihm sei vom Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt worden, dass es sich bei sämtlichen Bestandsdecken um Stahlbetonrippendecken handele. Eine Pflicht zur Überprüfung dieser Tatsache habe es nicht gegeben. Zudem habe sich die Klägerin in Kenntnis der Mehrkosten für eine Sanierung und gegen einen Abriss entschieden. Hinsichtlich des Fundaments sei die Klägerin bereits vor Beauftragung des Beklagten in Kenntnis gesetzt worden, dass dessen Tragfähigkeit ein Risiko darstelle. Sie habe dennoch entschieden, das Fundament erst im Zuge der Aushubarbeiten zu untersuchen, um Kosten einzusparen.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG stellte klar: Wie bei einem Bauvertrag kann auch zwischen einem Architekten und seinem Auftraggeber eine von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichende Ausführung vereinbart werden, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen.
Beauftragt eine Bauträgerin einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt sie vom Architekten, einzelne Maße zu überprüfen, übernimmt die Bauträgerin sehenden Auges das mit der begrenzten Überprüfung der Maße verbundene Risiko und kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Weist der Architekt seinen Auftraggeber darauf hin, dass die zu planende Wohnung ohne Sonnenschutz nicht funktioniert, muss der Auftraggeber erkennen, dass bei Umsetzung der Planung eine im Hinblick auf den Wärmeschutz nicht ausreichend funktionstüchtige Wohnung errichtet wird, und es bedarf keines weiteren Hinweises, dass dann (auch) die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten sind.
Macht der Auftraggeber eines Architekten geltend, dass er im Fall einer mangelfreien Beratung von der Sanierung eines Gebäudes abgesehen und einen profitableren Neubau errichtet hätte, schafft der Auftraggeber für eine Schadensschätzung bzw. Begutachtung nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn er nachvollziehbar darlegt, welches Gebäude mit welchen Eigenschaften er statt der Sanierung errichtet hätte.
Macht ein Auftraggeber geltend, bei einem mangelfreien Architektenwerk hätte er die zu errichtenden Wohnungen teurer verkaufen können, ist ein Schaden nur schlüssig dargelegt, wenn die Kalkulationsgrundlagen für den erzielten und den geltend gemachten Kaufpreis offengelegt werden und nachvollziehbar vorgetragen wird, dass ein höherer Kaufpreis am Markt hätte durchgesetzt werden können.
Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 17.12.2024, 10 U 38/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Aachen hat die Klage eines Realschullehrers auf Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Festsetzung von Erfahrungsstufen und mithin auf eine höhere Besoldung abgewiesen. |
Eine Tätigkeit als Anbieter von Cocktailkursen ist für die Tätigkeit als verbeamteter Lehrer nicht förderlich im besoldungsrechtlichen Sinne. Eine Tätigkeit ist allgemein förderlich, wenn sie für die Dienstausübung des Beamten nützlich bzw. von konkretem Interesse ist, d. h. wenn diese entweder erst aufgrund der früher gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht oder wenn sie jedenfalls erleichtert und verbessert wird.
Ausgehend hiervon kann die Tätigkeit als Betreiber einer Gesellschaft, die Cocktailkurse und Barcatering anbietet – auch wenn diese Tätigkeit über mehrere Jahre ausgeübt wurde – nicht als förderlich angesehen werden. Das Halten von Cocktailkursen ist weder qualitativ noch quantitativ mit der Tätigkeit eines Realschullehrers vergleichbar. So hat der Kläger im Rahmen seiner Cocktailschule insbesondere nicht mit Minderjährigen gearbeitet, sondern deren Angebot zielte auf die Schulung von Mitarbeitern aus dem Hotel-, Restaurant- und Cateringgewerbe. Auch sind die Anforderungen an die Erstellung eines Cocktailkurses nicht mit der Erstellung eines differenzierten Lehrplans für Schulunterricht in den Schulklassen 5 bis 10 vergleichbar.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 20.1.2025, 1 K 2377/23, PM vom 3.2.2025
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Ein Beschäftigungsverhältnis wird erst ab dem Beginn der Entgeltfortzahlung und nicht schon mit Abschluss des Arbeitsvertrags begründet. |
Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankgemeldet
Geklagt hatte ein 36-jähriger Arbeitsloser, dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld Ende Oktober 2023 auslief. Anfang Oktober unterschrieb der Mann einen Arbeitsvertrag als Lagerist bei einem Reinigungsunternehmen zu einem Monatslohn von 3.000 Euro brutto. Er trat die Arbeit jedoch nie an, da er sich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankmeldete. Zwei Wochen später kündigte die Firma innerhalb der Probezeit.
Krankenkasse zahlte kein Krankengeld
Die Krankenkasse des Mannes lehnte daraufhin die Zahlung von Krankengeld ab. Begründung: Es habe kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, da der Mann kein Einkommen erzielt habe.
Der Mann verklagte das Unternehmen und verlangte die Anmeldung zur Sozialversicherung ab dem Beginn des Arbeitsvertrags. Er vertrat dazu die Auffassung, dass bereits durch einen rechtsgültigen Vertrag, der eine Entgeltzahlung vorsehe, ein Beschäftigungsverhältnis zustande komme. Dies müsse auch gelten, wenn ihm der Arbeitsantritt krankheitsbedingt nicht möglich sei. Andernfalls würde er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit leer ausgehen.
Landessozialgericht gab Krankenkasse Recht
Das LSG vermochte sich der Rechtsauffassung des Klägers nicht anzuschließen. Der Arbeitgeber müsse ihn nicht zur Sozialversicherung anmelden, da ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht schon mit dem Beginn des Arbeitsvertrags entstanden sei. Erforderlich sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe. Dieser Anspruch entstehe jedoch bei neuen Arbeitsverhältnissen generell erst nach einer vierwöchigen Wartezeit.
Wartezeit war ohnehin nicht erfüllt
Diese gesetzliche Regelung solle verhindern, dass Arbeitgeber die Kosten der Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer tragen müssen, die direkt nach der Einstellung erkrankten. Der Gesetzgeber habe eine solche Konsequenz als unbillig angesehen.
Unabhängig davon müsse der Mann sich erst an seine Krankenkasse wenden, bevor er seinen Arbeitgeber verklage.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.1.2025, L16 KR 61/24
| Berufsgeheimnisträger können in ihrem Fahrtenbuch Schwärzungen vornehmen, soweit diese Schwärzungen erforderlich sind, um die Identitäten von Mandanten zu schützen. Diese Berechtigung ändert aber nichts an der grundsätzlichen Beweislastverteilung. Gegebenenfalls muss der Berufsträger substanziiert und nachvollziehbar darlegen, weshalb Schwärzungen in dem Umfang erforderlich waren und die berufliche Veranlassung der Fahrten durch ergänzende Angaben darlegen. So lautet eine Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Hamburg, gegen die die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig ist. |
Der Rechtsanwalt hatte die Eintragungen in der Spalte „Grund der Fahrt/besuchte Personen“– mit drei Ausnahmen – bei allen beruflichen Fahrten geschwärzt. Das war dem FG zu viel. Die Richter fanden es ungewöhnlich, dass ein Anwalt bei nahezu jeder geschäftlichen Fahrt geheimhaltungsbedürftige Daten in sein Fahrtenbuch einträgt. In der vorgelegten Form wurde das Fahrtenbuch deshalb nicht anerkannt.
Quelle | FG Hamburg, Urteil vom 13.11.2024, 3 K 111/21, Rev. BFH, VIII R 35/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Der sonntägliche Verkauf von Dekorationsartikeln und Christbaumschmuck in einem Gartenmarkt verstößt nicht gegen das Ladenöffnungsgesetz Nordrhein-Westfalen. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte betreibt Gartenmärkte in Nordrhein-Westfalen und verkaufte dort an einem Sonntag im November des Jahres 2022 neben Blumen und Pflanzen auch Dekorationsartikel und Christbaumschmuck. Die Klägerin hält dies für unlauter und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
So sahen es die Vorinstanzen
Das Landgericht (LG) hat die Klage mit Blick auf das von der Klägerin begehrte Verbot des Verkaufs von künstlichen Tannenzweigen, Motivanhängern, Zimtstangen und Glaskugeln abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsantrag weiter.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der sonntägliche Verkauf der in Rede stehenden Waren stellt keinen Wettbewerbsverstoß dar, weil sie dem Randsortiment zuzurechnen sind. Ihr Verkauf ist deshalb nach dem Ladenöffnungsgesetz Nordrhein-Westfalen (LÖG NW) an Sonn- und Feiertagen zulässig. Als kleinteilige Accessoires zu den von der Beklagten hauptsächlich angebotenen Blumen und Pflanzen haben Dekorationsartikel und Christbaumschmuck lediglich ergänzenden, in Umfang und Gewichtigkeit deutlich untergeordneten Charakter.
Die Zugehörigkeit von Waren zum Randsortiment richtet sich nach ihrer hauptsächlichen Zweckbestimmung und nicht nach ihrer darüber hinaus möglichen Nutzung. Zudem muss das Randsortiment – anders als das Kernsortiment – nicht zum sofortigen Ge- oder Verbrauch bestimmt sein. Auch ist nicht erforderlich, dass Waren des Randsortiments gleichzeitig oder kombiniert mit Waren des Kernsortiments erworben werden. Es stellt keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß dem Grundgesetz (hier: Art. 3 Abs. 1 GG) dar, dass das Randsortiment nur in den aufgrund ihres Kernsortiments privilegierten Verkaufsstellen sonn- und feiertags verkauft werden darf, in sonstigen Verkaufsstellen aber nicht. Die Differenzierung danach, ob das Kernsortiment den typischerweise an Sonn- und Feiertagen anfallenden Bedarf befriedigt, ist sachlich gerechtfertigt.
Quelle | BGH, Urteil vom 5.12.2024, I ZR 38/24, PM Nr. 230/24
| Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde die nationale Kleinunternehmerregelung mit Wirkung ab dem Jahr 2025 reformiert. Zudem kann die Kleinunternehmerregelung nun auch erstmalig im EU-Ausland in Anspruch genommen werden. Infolge der gesetzlichen Neuregelungen hat das Bundesfinanzministerium (BMF) ein Anwendungsschreiben veröffentlicht und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass entsprechend angepasst und ergänzt. |
„Echte“ Befreiung
Durch die Neuregelung sind von inländischen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze von der Umsatzsteuer nun befreit (zuvor wurde die Umsatzsteuer „nicht erhoben“). Die Folge ist, dass ein dennoch in einer Rechnung ausgewiesener Steuerbetrag unter den Voraussetzungen des Umsatzsteuergesetzes (hier § 14 c Abs. 1 UStG: „unrichtiger Steuerausweis“) geschuldet wird.
Rechnungen an Endverbraucher ausgenommen
Allerdings entsteht keine Umsatzsteuer, wenn der Kleinunternehmer eine Leistung (Lieferung oder sonstige Leistung) ausführt und hierüber eine Rechnung mit einem unrichtigen Steuerausweis an einen Endverbraucher stellt.
Bindend: Fünfjahresfrist
Zudem führt das BMF Folgendes aus: Ein vor 2025 erklärter Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung bindet den Unternehmer auch für die Zeit nach dem 1.1.2025 weiterhin für insgesamt mindestens fünf Kalenderjahre (§ 19 Abs. 3 S. 3 UStG).
Beachten Sie | Die Fünfjahresfrist ist vom Beginn des ersten Kalenderjahres an zu berechnen, für das die abgegebene Erklärung gilt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 18.3.2025, III C 3 - S 7360/00027/044/105
| Ein als Zahnarzt zugelassener Mitunternehmer übt im Rahmen eines Zusammenschlusses von Berufsträgern den freien Beruf selbst aus, wenn er neben einer ggf. äußerst geringfügigen behandelnden Tätigkeit vor allem und weit überwiegend organisatorische und administrative Leistungen für den Praxisbetrieb der Mitunternehmerschaft erbringt. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Ärzte und Zahnärzte erzielen aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 18 EStG). Dies gilt grundsätzlich auch bei einer Gemeinschaftspraxis.
Allerdings kann es Konstellationen geben, in denen die Einkünfte der Gesellschaft als gewerbliche Einkünfte (nach § 15 EStG) einzustufen sind – mit der Konsequenz der Gewerbesteuerpflicht. Und darum ging es in folgendem Fall:
Das war geschehen
Eine Partnerschaftsgesellschaft betreibt eine Zahnarztpraxis. Einem ihrer Seniorpartner oblag die kaufmännische Führung und die Organisation der ärztlichen Tätigkeit des Praxisbetriebs (z. B. Vertretung gegenüber Behörden und Kammern, Personalangelegenheiten, Instandhaltung der zahnärztlichen Gerätschaften).
Zahnarzt hatte im Jahr fünf Patienten
Der Seniorpartner war weder „am Stuhl“ behandelnd tätig noch in die praktische zahnärztliche Arbeit der Mitsozien und der angestellten Zahnärzte eingebunden. Er beriet im Streitjahr fünf Patienten konsiliarisch und generierte hieraus einen geringfügigen Umsatz.
Das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz stuften die Einkünfte der gesamten Gesellschaft als gewerblich ein. Dem folgte der BFH allerdings nicht: Alle Mitunternehmer erzielen Einkünfte aus freiberuflicher und damit selbstständiger Arbeit.
Die freiberufliche Tätigkeit ist durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Berufsträgers geprägt. Daher reicht die bloße Zugehörigkeit eines Gesellschafters zu einem freiberuflichen Katalogberuf nicht aus. Vielmehr muss positiv festgestellt werden können, dass jeder Gesellschafter die Hauptmerkmale des freien Berufs in seiner Person tatsächlich verwirklicht hat, also
- die persönliche Berufsqualifikation sowie
- das untrennbar damit verbundene aktive Entfalten dieser Qualifikation am Markt.
Die persönliche Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit im vorgenannten Sinne setzt allerdings nicht voraus, dass jeder Gesellschafter in allen Unternehmensbereichen leitend und eigenverantwortlich tätig ist und an jedem Auftrag mitarbeitet. Die eigene freiberufliche Betätigung eines Mitunternehmers kann auch in Form der Mit- und Zusammenarbeit stattfinden.
Beachten Sie | Einen Mindestumfang für die nach außen gerichtete qualifizierte Tätigkeit sieht das Gesetz nicht vor.
Eine freiberufliche zahnärztliche Tätigkeit ist demzufolge vorliegend anzunehmen. Auch in diesem Fall entfaltet der Berufsträger Tätigkeiten, die zum Berufsbild des Zahnarztes gehören.
Bundesfinanzhof: Führung und Organisation ist Grundlage für freiberufliche Tätigkeit
Beachten Sie | In diesem Zusammenhang stellte der BFH Folgendes heraus: Die kaufmännische Führung und Organisation der Personengesellschaft ist die Grundlage für die Ausübung der am Markt erbrachten berufstypischen zahnärztlichen Leistungen. Sie ist demzufolge auch Ausdruck seiner freiberuflichen Mit- und Zusammenarbeit sowie seiner persönlichen Teilnahme an der praktischen Arbeit.
Quelle | BFH, Urteil vom 4.2.2025, VIII R 4/22, PM 19/25 vom 27.3.2025
| Ein vermietetes Wohngebäude abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen, wird nicht durch die sogenannte Wohnraumoffensive steuerlich gefördert. Eine Sonderabschreibung gemäß Einkommensteuergesetz (hier: § 7 b Abs.1 EStG) ist nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) Köln nicht möglich. Allerdings haben die Steuerpflichtigen Revision eingelegt. |
Hintergrund: Für die Anschaffung oder Herstellung neuer Wohnungen können im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden drei Jahren Sonderabschreibungen bis zu jährlich 5 % der Bemessungsgrundlage neben der regulären Abschreibung in Anspruch genommen werden. Einige Voraussetzungen für die Sonderabschreibung im Überblick:
Baukostenobergrenze
- Bauantrag/-anzeige nach 31.8.2018 und vor 1.1.2022:
Anschaffungs-/Herstellungskosten max. 3.000 Euro pro qm Wohnfläche
- Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029:
Anschaffungs-/Herstellungkosten max. 5.200 Euro pro qm Wohnfläche
Maximal förderfähig Bemessungsgrundlage
- Bauantrag/-anzeige nach 31.8.2018 und vor 1.1.2022:
2.000 Euro pro qm Wohnfläche
- Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029:
4.000 Euro pro qm Wohnfläche
Energieeffizienz
Bei Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029: Effizienzvorgaben („Effizienzhaus 40“) beachten.
Das war geschehen
Die Steuerpflichtigen waren Eigentümer eines vermieteten Einfamilienhauses und entschieden sich gegen die aus ihrer Sicht unwirtschaftliche Sanierung des Gebäudes auf einen zukunftsfähigen Standard. Stattdessen ließen sie das alte Gebäude abreißen und errichteten auf demselben Grundstück ein neues Einfamilienhaus. Den Ende 2020 fertiggestellten Neubau wollten sie wieder als Wohnraum vermieten. Das Finanzamt versagte die Förderung für Mietwohnungsneubau (Sonderabschreibung) gemäß der Wohnraumoffensive von Bund, Ländern und Gemeinden aus dem Jahr 2019. Hiergegen zogen die Steuerpflichtigen vor das FG Köln – ohne Erfolg.
Das FG hob hervor, dass die Steuerpflichtigen keinen zusätzlichen Wohnraum geschaffen haben. Die Wohnraumoffensive zielt darauf ab, dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum durch die Förderung von Neu- und Umbaumaßnahmen entgegenzuwirken. Voraussetzung für die Förderung ist deshalb, dass nach einer solchen Maßnahme insgesamt mehr Wohnraum zur Verfügung steht als zuvor. Der von den Steuerpflichtigen angeführte bessere Ausbau- und Energiestandard änderte nichts an dieser Beurteilung.
„Wohnraumoffensive“ galt noch nicht
Unerheblich war auch, dass der Gesetzgeber für spätere Zeiträume eine zusätzliche Förderung für energetische Neubauten geschaffen hat. Denn diese Förderung war im Streitjahr 2020 noch nicht anwendbar. Das Vorgehen der Steuerpflichtigen war eher mit einer Sanierung vergleichbar, die nicht vom Förderzweck der Wohnraumoffensive umfasst ist.
Quelle | FG Köln, Urteil vom 12.9.2024, 1 K 2206/21, Rev. BFH, IX R 24/24
| Zahlungen für den vorzeitigen Rückfall eines Erbbaurechts (sogenannter Heimfall) stellen steuerpflichtige Einkünfte dar, wenn sie als Ersatz für entgehende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gewährt werden und damit Entschädigungen i. S. des Einkommensteuergesetzes (hier: § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) darstellen. Das Finanzgericht (FG) Hessen bestätigte damit die Ansicht der Finanzverwaltung, wonach solche Entschädigungszahlungen nicht als sonstige Einkünfte, sondern als Einkünfte aus der Nutzung von unbeweglichem Vermögen zu qualifizieren sind. |
Beachten Sie | Die Klägerseite hatte den Vorgang demgegenüber als Rückkauf des Erbbaurechts und die „Entschädigung“ als Entgelt für die Substanzübertragung eingestuft. Wegen des Ablaufs der 10-Jahresfrist (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG) komme eine Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft nicht mehr in Betracht.
Das FG sah das anders. Dass eine Drucksituation des Steuerpflichtigen bei Vertragsschluss nicht erkennbar war, änderte daran nichts. Da die Revision anhängig ist, wird nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden müssen.
Quelle | FG Hessen, Urteil vom 22.2.2024, 10 K 436/22, Rev. BFH, IX R 9/24
| Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit den Bundesländern Vorgaben zu den ertragsteuerrechtlichen Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten bei Kryptowerten (z. B. Bitcoin) erarbeitet. Die neuen Vorgaben ersetzen das bisherige Schreiben aus dem Jahr 2022. Zu diesem Anlass wurde die bisherige Formulierung „virtuelle Währungen und sonstige Token“ durch die Bezeichnung „Kryptowerte“ ersetzt. |
Beachten Sie | Tätigkeiten im Zusammenhang mit Kryptowerten können zu Einkünften aus allen Einkunftsarten (z. B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen) führen.
Nach Rz. 53 des Schreibens ist Folgendes zu beachten: Gewinne aus dem Verkauf von im Privatvermögen gehaltenen Kryptowerten können Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften darstellen, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Gewinne bleiben indes steuerfrei, wenn die Summe der aus allen privaten Veräußerungsgeschäften im Kalenderjahr erzielten Gewinne weniger als 1.000 Euro beträgt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 6.3.2025, IV C 1 - S 2256/00042/064/043
| Zur Ermittlung der tatsächlichen Kosten für sonstige berufliche Fahrten nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 a S. 1 EStG) ist eine Leasingsonderzahlung den einzelnen Veranlagungszeiträumen während der Laufzeit des Leasingvertrags zuzuordnen. Mit dieser Entscheidung hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine bisherige Rechtsprechung geändert. Denn bis dato war die Leasingsonderzahlung grundsätzlich im Zeitpunkt der Zahlung zu berücksichtigen. Und auch andere (Voraus-)Zahlungen, die sich wirtschaftlich auf die Dauer des Leasingvertrags erstrecken, sind periodengerecht auf die einzelnen Veranlagungszeiträume während der Laufzeit des Leasingvertrags zu verteilen. |
Hintergrund: Arbeitnehmer können die Kosten für beruflich veranlasste Fahrten, die keine Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie keine Familienheimfahrten sind, bei Nutzung eines eigenen Pkw als Werbungskosten ansetzen. Dabei besteht ein Wahlrecht: Ansatz der Fahrtkosten mit einer Pauschale von 0,30 Euro/km oder Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen.
Sollen die tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden, muss ein individueller Kilometersatz ermittelt werden, wobei die gesamten Fahrzeugkosten zu berücksichtigen sind.
Beachten Sie | Zu den Gesamtkosten gehören die Kosten, die unmittelbar dem Halten und dem Betrieb des Kfz dienen und im Zusammenhang mit dessen Nutzung typischerweise entstehen. Dazu rechnen vor allem die Kosten für Betriebsstoffe, Wartung und Reparaturen sowie die regelmäßig wiederkehrenden festen Kosten, etwa für die Haftpflichtversicherung, die Kfz-Steuer, Absetzung für Abnutzung (AfA) oder Leasing- und Leasingsonderzahlungen.
Das war geschehen
Ein Arbeitnehmer nutzte für seine beruflichen Fahrten einen ab dem 20.12.2018 für drei Jahre geleasten Pkw. Für seine vom 20.12. bis 31.12.2018 durchgeführten beruflichen Fahrten setzte er 0,93 Euro/km als Werbungskosten an. Bei der Ermittlung des Kilometersatzes legte er u. a. die Leasingsonderzahlung für den Leistungszeitraum (20.12.2018 bis 19.12.2021) von 15.000 Euro, die Kosten für Zubehör, Zusatzleistungen und Reifen sowie die für zwölf Monate zu zahlenden Leasingraten, Versicherungsprämien und ADAC-Beiträge zugrunde.
Bisher gehörte eine bei Leasingbeginn zu erbringende Sonderzahlung in Höhe des auf die Auswärtstätigkeiten entfallenden Nutzungsanteils zu den sofort abziehbaren Werbungskosten. Etwas anderes galt nur, wenn es sich bei der Leasingsonderzahlung um Anschaffungskosten für den Eigentumserwerb bzw. um Anschaffungskosten eines Nutzungsrechts handelte, die nur in Form von AfA berücksichtigt werden können.
Bundesfinanzhof ändert seine bisherige Rechtsprechung
An dieser Rechtsprechung hält der BFH nicht mehr fest. Bei Leasingsonderzahlungen handelt es sich um ein vorausgezahltes Nutzungsentgelt, das dem Zweck dient, die Leasingraten während der Gesamtlaufzeit des Leasingvertrags zu mindern. Die Sonderzahlung finanziert damit auch die Nutzung des Fahrzeugs in den Folgejahren, weshalb die Leasingsonderzahlung linear auf den Vertragszeitraum zu verteilen ist, sofern die Sonderzahlung nach den Vertragsbedingungen die Höhe der monatlichen Leasingraten mindert.
Diese Grundsätze gelten auch für andere (Voraus-)Zahlungen, die sich wirtschaftlich auf die Dauer des Leasingvertrags erstrecken. Beispielhaft führt der BFH die Kosten „für einen weiteren Satz Reifen“ an, die in Höhe der AfA in die jährlichen Gesamtaufwendungen einzubeziehen sind.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 9/22
| Die Fahrerlaubnis-Verordnung bietet keine rechtliche Grundlage für eine behördliche Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen (u. a. Fahrräder, Mofas, E-Scooter). Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden. Damit sind zwei Antragsteller aus Duisburg und Schwerte vorläufig wieder berechtigt, mit solchen Fahrzeugen am Straßenverkehr teilzunehmen. |
Unter Amphetaminen auf dem E-Scooter bzw. betrunken auf dem Rad
Ein Antragsteller fuhr unter dem Einfluss von Amphetamin einen E-Scooter. Der andere Antragsteller wies bei einer Fahrt mit dem Fahrrad eine Blutalkoholkonzentration von über 2 ‰ auf. Beide besitzen keine Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (z. B. Pkw). In beiden Fällen untersagten die Fahrerlaubnisbehörden ihnen das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen. Die hiergegen gerichteten Eilanträge lehnten die Verwaltungsgerichte (VG) Düsseldorf und Gelsenkirchen ab. Die Beschwerden der Antragsteller hatten beim OVG Erfolg.
Einschlägige Normen nicht verhältnismäßig
Zur Begründung hat das OVG ausgeführt: Die streitigen Anordnungen können nicht auf die Vorschrift der Fahrerlaubnis-Verordnung gestützt werden, wonach die Fahrerlaubnisbehörde jemandem das Führen von Fahrzeugen zu untersagen hat, der sich als hierfür ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet erweist. Denn diese Norm ist nicht hinreichend bestimmt und verhältnismäßig.
Ein solches Verbot schränkt die grundrechtlich geschützte Fortbewegungsmöglichkeit der Betroffenen deutlich ein. Außerdem sind fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im Vergleich zu Kraftfahrzeugen in der Regel weniger gefährlich. Die Vorschrift berücksichtigt diese Aspekte nicht und regelt insbesondere nicht hinreichend klar, in welchen Fällen jemand ungeeignet oder bedingt geeignet zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist und wann Eignungszweifel bestehen.
Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts sind unanfechtbar.
Quelle | OVG Münster, Beschluss vom 5.12.2024, 16 B 175/23, PM vom 6.12.2024
| In einem aktuellen Streitfall hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass der Steuerpflichtige die Aufwendungen für seine Fahrten zwischen der Wohnung und der Fernuniversität in Hagen nach Reisekostengrundsätzen als Werbungskosten geltend machen kann. |
Hintergrund: Beruflich veranlasste Aufwendungen, die im Rahmen einer Zweitausbildung (Berufsausbildung oder Studium) anfallen, sind grundsätzlich als (vorab entstandene) Werbungskosten abziehbar. Hierzu zählen auch die Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte. Diese sind jedoch bei vollzeitigen Bildungsmaßnahmen bzw. bei Vollzeitstudien auf den Ansatz der Entfernungspauschale begrenzt.
Ein Vollzeitstudium liegt vor, wenn das Studium darauf ausgelegt ist, dass sich die Studierenden diesem (vergleichbar einem vollbeschäftigten Arbeitnehmer) zeitlich vollumfänglich widmen müssen. Davon ist auszugehen, wenn das Studium nach den Ausbildungsbestimmungen oder der allgemeinen Erfahrung insgesamt etwa 40 Wochenstunden (Unterricht, Praktika sowie Vor- und Nachbereitung zusammengenommen) erfordert.
Im Streitfall war der Steuerpflichtige nur als Teilzeitstudierender eingeschrieben und studierte nach seinem Hörerstatus in einem Umfang von etwa 20 Stunden wöchentlich. Dass er im Streitjahr keiner Erwerbstätigkeit nachging, war im Hinblick auf den Begriff des Vollzeitstudiums unerheblich.
Somit waren die Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen (Ansatz einer Pauschale i. H. von 0,30 Euro je gefahrenem Kilometer oder Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen) abzugsfähig.
Quelle | BFH, Urteil vom 24.10.2024, VI R 7/22
| Wer auf Betrüger hereinfällt und im Online-Verfahren eine Echtzeit-Überweisung freigibt, kann nicht darauf hoffen, dass die Bank ihm den Schaden ersetzt. Dies gilt selbst dann, wenn er Minuten später den Schwindel bemerkt und über den Kundenservice sein Konto sperren lässt. Denn der einmal angestoßene Zahlungsvorgang kann nicht mehr gestoppt werden, auch wenn das Geld erst Tage später vom Konto abgebucht wird. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden. Das LG hat die Klage zweier Eheleute gegen ihre Hausbank abgewiesen. Diese waren einer bekannten Betrugsmasche („Hallo, ich habe eine neue Handynummer“) aufgesessen. |
Ehepaar fiel auf bekannte Betrugsmasche herein
Das Ehepaar erhielt im Herbsturlaub letzten Jahres eine SMS von einer unbekannten Rufnummer. Der Absender gab sich als deren Tochter aus und bat darum, über den Nachrichtendienst WhatsApp Kontakt aufzunehmen. Bei dem darauffolgenden Chat glaubten die beiden fest daran, mit ihrer Tochter in Kontakt zu sein. Auf Frage teilten sie die Zugangsdaten für das von ihnen genutzte Online-Banking mit und gaben schließlich zwei Echtzeitüberweisungen von insgesamt ca. 6.000 Euro über die auf ihrem Handy installierte Photo-Tan-App frei. Bereits wenige Minuten später kamen ihnen doch Bedenken,s ie erreichten ihre Tochter und die Täuschung flog auf. Weniger als 20 Minuten nach der Freigabe der Zahlungen informierten sie telefonisch den Kundenservice ihrer Bank und ließen das Konto sperren. Trotzdem wurden die Beträge zwei Tage später vom Girokonto abgebucht. Es sei nicht mehr möglich gewesen, die Vorgänge zu stoppen, so die Bank. Eine Rückerstattung lehnte sie ab.
Landgericht: Zahlungsvorgang an sich völlig korrekt
Das LG gab der Bank Recht und lehnte die Rückzahlung ab. Die Eheleute hätten ihre Freigabe nicht mehr widerrufen können. Ein Widerruf sei nämlich bei Echtzeit-Überweisungen nur bis zum Zugang der Freigabe bei der Bank möglich. Über das Internet erfolgt der Zugang in Sekundenbruchteilen. Danach könnten sich Bankkunden nur von der Freigabe lösen, wenn die Bank die Täuschung hätte bemerken müssen. Dafür sei im konkreten Fall nichts ersichtlich, der Zahlungsvorgang sei vielmehr völlig korrekt abgelaufen und die Bank sei mittels der im Online-Banking vorgesehenen Login- und Freigabedaten korrekt autorisiert worden. Dass die Abbuchung erst zwei Tage später erfolgt sei, ändere am Ergebnis nichts. Es sei zu unterscheiden zwischen dem Geldausgang, der schon wenige Sekunden nach der Online-Freigabe erfolgt sei, und dem Zeitpunkt der Belastung des Kontos. Im Übrigen habe sich das Paar durch die leichtfertige Weitergabe der Zugangsdaten grob fahrlässig verhalten.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 24.10.2024, 7 O 154/24, PM vom 27.11.2024
| Teilt der Rundfunkkunde eine Änderung der Anschrift nicht mit und ergreift auch keine Maßnahmen, um den Zugang von Post unter einer veralteten Adresse zu verhindern, muss er offene Rundfunkbeiträge zahlen. So entschied es das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |
Das war geschehen
Die Klägerin wird durch den beklagten Südwestrundfunk für ihre Privatwohnung zu Rundfunkbeiträgen herangezogen. Sie bewohnt ein Haus, das ursprünglich über zwei getrennte Wohneinheiten mit Ausgängen zu verschiedenen Straßen (A.-Straße und C.-Weg) verfügte. Bis zum Jahr 2020 war die Klägerin unter der Anschrift A.-Straße gemeldet. Bereits einige Jahre zuvor verschloss sie jedoch den auf diese Straße führenden Hauseingang und entfernte den zugehörigen Briefkasten. Eine Ummeldung (zum C.-Weg) veranlasste sie zunächst nicht. Die Klägerin entrichtete keine Rundfunkbeiträge.
Schließlich setzte der Beklagte mit mehreren Festsetzungsbescheiden die offenen Rundfunkbeiträge gegen die Klägerin fest. Die Bescheide waren an die Anschrift der Klägerin in der A.-Straße adressiert. Erstmals ab Mitte des Jahres 2020 nahm die Klägerin die Zahlung von Rundfunkbeiträgen auf und zeigte dem Beklagten die Anschrift „C.-Weg“ an.
Mit ihrer nach erfolglosem Widerspruchsverfahren gegen die Festsetzungsbescheide gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, die Bescheide seien ihr nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Eine Mahnung habe sie nur durch Zufall erreicht. Seit Jahren empfange sie ihre Post nur noch im C.-Weg. Die geforderten Beiträge seien deshalb verjährt.
So sah es das Verwaltungsgericht
Hiermit hatte sie keinen Erfolg. Die Klägerin sei zur Zahlung der geforderten Rundfunkbeiträge verpflichtet, so das VG. Dabei könne offen bleiben, ob der Klägerin die Bescheide wirksam bekannt gegeben worden seien. Denn sie habe dem Beklagten die Änderung der Anschrift nicht mitgeteilt und noch dazu aktive Maßnahmen ergriffen, um den Zugang von Post unter der A.-Straße zu verhindern. Sie könne sich daher jedenfalls nicht auf die Verjährung der Beiträge berufen. Außerdem seien die Zahlungen, die die Klägerin ab dem Jahr 2020 geleistet habe, nach der insoweit maßgeblichen Satzung des Beklagten jeweils mit der ältesten Rundfunkbeitragsschuld verrechnet worden.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 12.11.2024, 5 K 594/24.KO, PM 21/24
| Ferien sollen eine schöne und unbeschwerte Zeit sein. Doch auch hier kann es zu schlimmen Vorfällen kommen. So ging es einer Familie aus Norddeutschland auf der Insel Wangerooge. Letztlich musste sich das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg damit befassen. |
Unfall beim Kaffeekochen
Beim ersten Frühstück in der Ferienwohnung setzte die Mutter einer sechsjährigen Tochter Kaffee in der Kaffeemaschine auf. Als sie den Kaffee zum Frühstückstisch brachte, löste sich der Henkel und die Kanne kippte nach vorn. Der heiße Kaffee ergoss sich über den Oberköper und die Arme ihrer Tochter. Das Mädchen erlitt schwere Verbrennungen und kam mit einem Hubschrauber ins Krankenhaus nach Wilhelmshaven. Sie trug – voraussichtlich dauerhafte – Narben im Brustbereich davon.
Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld?
Die Tochter verklagte die Vermieterin auf Schmerzensgeld und Schadensersatz, weil die Kaffeekanne schon bei Übernahme der Ferienwohnung kaputt gewesen sei. Das Landgericht (LG) Oldenburg wies die Klage ab. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen als Teil des Mietvertrags sei eine Haftung für einfache Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Es sei aber nicht feststellbar, dass die Kaffeekanne erkennbar nicht mehr vollständig in Ordnung gewesen sei.
Mangel war nicht zu beweisen
Das OLG hat jetzt diese Entscheidung bestätigt. Zwar sei ein umfassender Haftungsausschluss durch Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam. Ein Vermieter hafte grundsätzlich sogar ohne jedes eigene Verschulden, allerdings nur für Mängel, die bereits bei Vertragsschluss vorlägen. Hier sehe das Gesetz eine viel strengere Haftung vor als bei anderen Vertragsformen, etwa beim Kauf- oder beim Werkvertrag. Die Klägerin habe jedoch einen solchen Mangel zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht beweisen können. Der gerichtlich bestellte Sachverständige habe keine Reparaturspuren an der Kanne feststellen können. Es stehe auch nicht fest, dass die Kanne bereits bei Vertragsschluss einen Schaden durch Verschleiß aufgewiesen habe. Ebenso wenig sei bewiesen, dass die Kaffeekanne einen Produktmangel gehabt habe, der zu vorzeitigem Verschleiß geführt habe. Selbst für einen solchen Mangel hätte die Vermieterin einstehen müssen.
Verschulden nicht ersichtlich
Die Vermieterin treffe auch keine Haftung wegen eines möglichen Verschuldens. Es sei nicht mehr aufzuklären, in wessen Verantwortungsbereich die Schadensursache liege. Die Glaskanne sei zunächst noch funktionstüchtig gewesen, als die Mutter der Klägerin damit das kalte Wasser in die Maschine gefüllt habe. Der Bruch sei also erst danach erfolgt. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Vermieterin etwaige Vorschäden hätten auffallen müssen. Sie hätte die Kanne auch nicht auf versteckte Schäden untersuchen müssen.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 25.11.2024, 9 U 40/23, PM 36/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden hat eine Klage abgewiesen, mit der der Kläger die Ausstellung eines Personalausweises ohne Speicherung der Fingerabdrücke auf dessen elektronischem Speichermedium (sog. „Chip“) begehrte. |
Pflicht aufgrund europäischer Verordnung
Die Pflicht zur Speicherung von Fingerabdrücken bei Ausweisen beruht auf der europäischen Verordnung (hier: (EU) 2019/1157 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019) zur Erhöhung der Sicherheit der Personalausweise von Unionsbürgern und der Aufenthaltsdokumente, die Unionsbürgern und deren Familienangehörigen ausgestellt werden, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben. Der Kläger trug vor, dass hierdurch seine Grundrechte auf Schutz des Privatlebens nach der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Art. 7 GRCh) und auf Schutz personenbezogener Daten (Art. 8GRCh) verletzt würden.
So sah es der Europäische Gerichtshof
Das VG hatte das Verfahren zunächst ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in einem Vorabentscheidungsverfahren die Frage vorgelegt, ob die Pflicht zur Aufnahme von Fingerabdrücken in Personalausweisen mit höherrangigem Unionsrecht vereinbar ist. Der EuGH hatte entschieden, dass die Verordnung wegen der Durchführung eines ungeeigneten Gesetzgebungsverfahrens ungültig sei. Die Wirkungen der Verordnung würden jedoch aufrechterhalten bleiben, bis innerhalb einer angemessenen Frist, die zwei Jahre ab dem 1.1.2025 nicht überschreiten dürfe, eine neue, im korrekten Gesetzgebungsverfahren erlassene Verordnung in Kraft trete, die sie ersetzt. In materieller Hinsicht verstoße die Einschränkung der in Art. 7 und Art. 8 GRCh garantierten Rechte nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sodass die Verordnung nicht aus diesem Grund ungültig sei.
So entschied das Verwaltungsgericht
Die Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken sei rechtmäßig, so das VG, und verletze den Kläger deshalb auch nicht in seinen Rechten. Das VG sei an das Urteil des EuGH gebunden, insbesondere bezüglich der Ausführungen zur materiellen Rechtmäßigkeit. Auch im Hinblick auf die im konkreten Verfahren vorliegende Frage der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken durch die Landeshauptstadt Wiesbaden sei keine andere Beurteilung geboten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei auch im konkreten Fall gewahrt. In der Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken durch die Beklagte liege kein Verstoß gegen Grundrechte.
Auch habe das VG für die Entscheidung über den vorliegenden Fall nicht den Fristablauf der Fortgeltung der o. g. Verordnung oder den Erlass einer neuen Verordnung abwarten müssen. Angesichts der Entscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren sei die Sache entscheidungsreif. Der EuGH habe ausdrücklich entschieden, dass die Wirkungen der Verordnung aufrechterhalten blieben, weshalb im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein Anspruch des Klägers auf Ausstellung eines Personalausweises ohne Speicherung von Fingerabdrücken bestehe. Die Frage, ob sich ein solcher Anspruch möglicherweise in der Zukunft infolge einer Änderung der Rechtslage ergeben könnte, sei im vorliegenden Verfahren nicht von Relevanz.
Quelle | VG Wiesbaden, Urteil vom 18.12.2024, 6 K 1563/21.WI, PM 9/24
| Leistungen eines Wohnungseigentümers in die Erhaltungsrücklage einer Wohnungseigentümergemeinschaft (z. B. im Rahmen der monatlichen Hausgeldzahlungen) sind steuerlich im Zeitpunkt der Einzahlung noch nicht abziehbar. Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung liegen erst vor, wenn aus der Rücklage Mittel zur Zahlung von Erhaltungsaufwendungen entnommen werden. Damit hat der Bundesfinanzhof (BFH) die bisherige Sichtweise bestätigt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar vermietete mehrere Eigentumswohnungen. Das an die jeweilige Wohnungseigentümergemeinschaft gezahlte Hausgeld wurde zum Teil der gesetzlich vorgesehenen Erhaltungsrücklage zugeführt. Insoweit erkannte das Finanzamt keine Werbungskosten an. Der Abzug könne erst in dem Jahr erfolgen, in dem die zurückgelegten Mittel für die tatsächlich angefallenen Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum verbraucht würden. Das Finanzgericht (FG) Nürnberg wies die Klage ab – und auch die Revision beim BFH blieb erfolglos.
Hausgeld war zwar erbracht …
Der Werbungskostenabzug erfordert einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Vermietungstätigkeit und den Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Die Eheleute hatten den der Erhaltungsrücklage zugeführten Teil des Hausgelds zwar erbracht und konnten hierauf nicht mehr zurückgreifen, da das Geld ausschließlich der Wohnungseigentümergemeinschaft gehört.
… aber noch nicht verausgabt
Auslösender Moment für die Zahlung war aber nicht die Vermietung, sondern die rechtliche Pflicht jedes Wohnungseigentümers, am Aufbau und an der Aufrechterhaltung einer angemessenen Rücklage für die Erhaltung des Gemeinschaftseigentums mitzuwirken. Ein Zusammenhang zur Vermietung entsteht erst, wenn die Gemeinschaft die angesammelten Mittel für Erhaltungsmaßnahmen verausgabt. Erst dann kommen sie der Immobilie zugute.
Beachten Sie | Durch die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) im Jahr 2020 wurde der Wohnungseigentümergemeinschaft die volle Rechtsfähigkeit zuerkannt. Der Hoffnung, dass die Zahlung in die Erhaltungsrücklage deshalb sofort im Zahlungsjahr abzugsfähig ist, hat der BFH ausdrücklich eine Absage erteilt.
Quelle | BFH, Urteil vom 14.1.2025, IX R 19/24
| Das Gericht darf einen Zuschlag zum Mietspiegel vornehmen, um eine sachgerechte Einzelvergleichsmiete zu bilden. Voraussetzung: Zwischen dem Erhebungsstichtag des Mietspiegels und dem Zeitpunkt, an dem das Zustimmungsverlangen zugestellt wurde, werden außergewöhnliche Steigerungen der ortsüblichen Vergleichsmiete festgestellt. Eine solche liegt aber nicht vor, wenn der Verbraucherpreisindex ansteigt. So sieht es das Landgericht (LG) München. |
Der Vermieter begehrte die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Er wollte u. a. einen sog. Stichtagszuschlag auf die von ihm ermittelte Vergleichsmiete addieren. Der Verbraucherpreisindex habe sich im Zeitraum zwischen Januar 2022 (als dem maßgeblichen Zeitpunkt der Erhebung der Daten für den qualifizierten Mietspiegel 2023) und Juni 2023 (Zugang des Mieterhöhungsverlangens) aufgrund einer ungewöhnlichen Steigerung der Mieten von rund 3% erhöht.
Das LG: Ein Stichtagszuschlag komme nicht in Betracht. Die Mieterhöhung könne nicht auf den qualifizierten Mietspiegel und ergänzend auf einen Anstieg des Verbraucherpreisindex gestützt werden. Ein Anstieg gemäß Index für Nettokaltmieten von nur wenig mehr als 3 % sei nicht außergewöhnlich hoch. Die Einführung einer „Stichtagspraxis“ würde zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen, die die sog. Befriedungsfunktion des Mietspiegels gefährden könne.
Quelle | LG München I, Urteil vom 17.7.2024, 14 S 3692/24
| Hat der Vermieter Ersatzansprüche wegen des Zustands der Mietsache bei Rückgabe, muss er sich bei unwirksamer Schönheitsreparaturklausel die Kosten anrechnen lassen, die er mangels eigener Renovierungsarbeiten erspart hat. So hat es das Amtsgericht (AG) Hanau entschieden. |
Vermieter verlangte Kostenersatz für Tapezier- und Streicharbeiten
Das Mietverhältnis zwischen den Parteien lief über 13 Jahre, der Vertrag enthielt eine Klausel hinsichtlich der durch den Mieter durchzuführenden Schönheitsreparaturen. Nach Wohnungsrückgabe führte der Vermieter Tapezier- und Streicharbeiten durch. Die Kosten verlangte er von dem Mieter ersetzt. Denn dieser habe sie mit bunten Farben (gelb, grün und rosa) zurückgegeben, was eine Weitervermietung nicht ermögliche. Zudem habe es viele nicht verschlossene Dübellöcher gegeben.
Klage abgewiesen
Das AG hat entschieden: Der Vermieter kann Streich- und Tapezierarbeiten in der Wohnung nicht ersetzt verlangen, weil er selbst zur Durchführung der Schönheitsreparaturen verpflichtet war. Es hat die Klage des Vermieters daher abgewiesen.
Worauf es ankommt und worauf nicht
Darauf, ob der Mieter dem Vermieter die Kosten für die Streich- und Tapezierarbeiten erstatten muss, komme es nicht an. Denn der Vermieter hätte während der gesamten Laufzeit des Mietvertrags die Schönheitsreparaturen in der Wohnung durchführen müssen. Die Klausel, nach der der Mieter hierzu verpflichtet wurde, war unwirksam, weil sie zu kurze Fristen setze. Außerdem sollte der Mieter nach einer anderen Klausel die Wohnung auch bei Einzug streichen, was ebenfalls zur Unwirksamkeit der laufenden Renovierungspflicht führe. Daher musste stattdessen, wie auch an sich vom Gesetz vorgesehen, der Vermieter renovieren. Hätte er das getan, wären ihm aber Kosten entstanden. Diese nicht aufgewendeten Kosten müsse er von seinen Schadenersatzansprüchen abziehen.
Für die Bestimmung der ersparten Kosten hat das Gericht auf die Pauschalbeträge nach der Zweiten Berechnungsverordnung (hier: § 28 Abs. 4 II. BerechnungsVO) in der jeweiligen Höhe zurückgegriffen. Auch wenn diese hier keine unmittelbare Anwendung finden, lägen ihnen offiziell anerkannte Durchschnittswerte zugrunde. Bei über 13 Jahren Mietlaufzeit überstiegen sie die von dem Vermieter geltend gemachten Kosten um mehr als das Dreifache.
Quelle | AG Hanau, Urteil vom 29.11.2024, 32 C 265/23, PM vom 16.12.2024
| Ein rechtlich beachtlicher Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses liegt nur vor, wenn sich der Anfechtende in einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses befunden hat, dagegen nicht, wenn lediglich falsche Vorstellungen von dem Wert der einzelnen Nachlassgegenstände vorgelegen haben. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken. |
Erblasserin verstarb ohne Testament
Die Erblasserin ist im Alter von 106 Jahren ohne Testament verstorben. Zuvor lebte sie seit längeren Jahren in einem Seniorenheim. Die Heim- und Pflegekosten wurden aus Mitteln der Kriegsopferfürsorgestelle bestritten. Diese Leistungen wurden als Darlehen gewährt und durch eine Grundschuld an einem Haus der Erblasserin abgesichert. Der Ehemann der Erblasserin, ihre beiden Kinder und auch ein Enkelkind waren bereits vorverstorben. Gesetzliche Erben waren die Enkel und Urenkel der Erblasserin.
Nach dem Tod der Erblasserin hat u. a. die in gesetzlicher Erbfolge zur Erbin berufene Enkelin das Erbe ausgeschlagen und dabei angegeben, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Zwei Urenkel der Erblasserin haben das Erbe dagegen nicht ausgeschlagen. In der Folge wurde das Haus der Erblasserin unter Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Nachlasspflegerin an Dritte verkauft. Nach dem Verkauf des Hauses hat die Enkelin ihre Erklärung zur Erbausschlagung sodann wegen Irrtums angefochten. Danach hat sie die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der u. a. sie als Erbin zu 1/4 Anteil ausweisen sollte.
Das Nachlassgericht hat entschieden, dass der Erbschein wegen der angefochtenen Erbausschlagungserklärung der Enkelin, wie von ihr beantragt, erteilt werden müsse. Gegen diesen Beschluss wendete sich einer der Urenkel, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte, mit seiner Beschwerde.
Erbscheinsantrag war zurückzuweisen
Auf die Beschwerde hat das OLG entschieden: Der Erbscheinsantrag der Enkelin war zurückzuweisen, da der von ihr beantragte Erbschein die eingetretene Erbfolge falsch wiedergebe. Die Enkelin sei keine Erbin geworden, da sie die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und sie die Ausschlagungserklärung wegen Irrtums auch nicht wirksam anfechten könne. Soweit sie ihren Irrtum damit begründet habe, ihr sei erst im Nachhinein bekannt geworden, dass zum Nachlass ein Bankkonto bei der Kreissparkasse K. mit einem vierstelligen Guthaben gehöre, läge zwar ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses vor.
Irrtum nicht ursächlich für Ausschlagung
Dieser Irrtum hätte aber nicht ihre Ausschlagung der Erbschaft veranlasst. Denn selbst, wenn ihr das Konto bei der Kreissparkasse Köln bekannt gewesen wäre, hätte dies mangels wirtschaftlichem Gewicht des dortigen Guthabenbetrags gegenüber den restlichen Nachlasspositionen nichts an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses geändert. Soweit sich die Enkelin darauf berufe, dass sie darüber geirrt habe, dass der Erlös aus dem Verkauf des Hauses der Erblasserin die Verbindlichkeiten aus dem mit der Grundschuld abgesicherten Darlehen für die Heim- und Pflegekosten der Kriegsopferfürsorgestelle übersteige, liege kein Irrtum vor, der zur Anfechtung berechtige. Dieser Irrtum beruhe lediglich auf der falschen Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht über dessen Zusammensetzung.
Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14.8.2024, 8 W 102/23, PM vom 10.12.2024
| Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat entschieden: Erben können vollen Zugriff auf das Instagram-Konto des Erblassers bekommen. Das beinhaltet dessen aktive Nutzungsmöglichkeit. |
Die Ehefrau und alleinige Erbin eines bekannten Sängers hatte geklagt. Hintergrund: Nachdem der Konzern Meta, zu dem die Social-Media-Plattform Instagram gehört, Kenntnis vom Tod des Sängers erlangte, versetzte das Unternehmen den Instagram-Account in den sog. Gedenkzustand. Bemühungen der Ehefrau, vollen Zugriff auf das Konto wiederzuerlangen, waren ergebnislos. Das OLG: Die Frau ist als Erbin in das Vertragsverhältnis ihres Mannes mit Meta im Wege der sog. Gesamtrechtsnachfolge eingetreten. Das habe schon der Bundesgerichtshof (BGH) so entschieden. Danach ist der Anspruch auf Zugang zu einem Social-Media-Konto grundsätzlich vererbbar. Mit der Erbenstellung sei die Ehefrau in sämtliche Rechte und Pflichten des Erblassers eingetreten, was neben einem passiven Anspruch auf (nur) lesende Nutzung auch einen Anspruch auf aktive Nutzung umfasse.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 30.12.2024, 13 U 116/23
| Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat die Klage eines im Nebenerwerb tätigen Landwirts auf Erteilung einer Baugenehmigung für einen bereits errichten „Portalrahmen“ im Außenbereich abgewiesen. |
Landwirt hatte Bauwerk schon errichtet
Der „Portalrahmen“ besteht aus zwei Sandsteinsäulen (je 3,53 Meter hoch), an denen ein schmiedeeisernes doppelflügeliges Einfahrtstor befestigt ist. Auf den Säulen befindet sich jeweils eine Metallskulptur. Die Säulen sind mit zwei Einzelfundamenten im Boden verankert. Das gesamte Bauwerk ist fünf Meter breit. Den Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung lehnte der Landkreis ab. Bei dem „Portalrahmen“ handele es sich nicht um ein im Außenbereich bevorrechtigt zulässiges Vorhaben.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagte der Landwirt und trug hierzu vor, das Vorhaben sei bereits deshalb genehmigungsfrei, weil es seinem landwirtschaftlichen Betrieb diene. Das Tor gewährleiste den Zugang und die Zufahrt zu dem von ihm bewirtschafteten Grundstück. Es füge sich auch optisch in die Umgebung ein.
Klage ohne Erfolg
Das sah das VG anders: Der „Portalrahmen“ sei im Außenbereich nicht bevorrechtigt zulässig, weil er dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers nicht diene. Er sei optisch auffallend und solle offensichtlich die Kunden des Klägers beeindrucken. Ein vernünftiger Landwirt würde unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs kein solches Bauwerk zur Einfriedung errichten. Der Kläger könne sich überdies nicht mit Erfolg darauf berufen, er führe einen „Adelshof“. Eine Bevorzugung aufgrund der Abstammung widerspreche dem allgemeinen Gleichheitssatz. Der „Portalrahmen“ beeinträchtige zudem die natürliche Eigenart der Landschaft. Das Vorhabengrundstück liege in einem Naturpark, dessen landschaftliche Eigenart zu bewahren sei.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 31.10.2024, 4 K 282/24.KO, PM 22/24
| Die Eigentümerin eines Wohnhauses hat ebenso, wie die Eigentümerin eines Baudenkmals, einen Anspruch auf eine denkmalrechtliche Erlaubnis für die Installation von Solaranlagen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster in zwei Grundsatzurteilen zum nordrhein-westfälischen Denkmalrecht entschieden. Es hat darauf verwiesen, dass bei der Errichtung von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden regelmäßig das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien die Belange des Denkmalschutzes überwiegt. |
Eigentümerin eines Einfamilienhauses
Die Eigentümerin eines Einfamilienhauses in einer Siedlung in Düsseldorf, für die eine Denkmalbereichssatzung gilt, möchte auf einer aus dem Straßenraum teilweise einsehbaren Dachfläche ihres Hauses eine Solaranlage errichten. Die Stadt Düsseldorf lehnte es ab, die dafür nach dem Denkmalschutzgesetz NRW erforderliche Erlaubnis zu erteilen. Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf verpflichtete die Stadt auf die Klage der Eigentümerin, die Genehmigung zu erteilen.
Eigentümerin eines Baudenkmals
Demgegenüber bestätigte das VG Arnsberg in dem zweiten Fall die Entscheidung der Stadt Siegen, die der Klägerin eine denkmalrechtliche Erlaubnis für eine Solaranlage auf der weithin sichtbaren Dachfläche versagt hatte. Hierbei geht es um ein Wohngebäude, das als ehemalige Schule als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt Siegen eingetragen ist.
So sah es das Oberverwaltungsgericht
In beiden Fällen waren Solarmodule in einer denkmalschonenden Ausgestaltung gewählt worden. Nach der Entscheidung des OVG können nun beide Denkmaleigentümer die denkmalrechtliche Erlaubnis beanspruchen.
Offentliches Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien versus Denkmalschutz
Das OVG: Das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien überwiegt in beiden Fällen die Belange des Denkmalschutzes. Nach einer im Juli 2022 in Kraft getretenen Regelung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sollen, bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausneutral ist, die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Diese Vorgabe, für die dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz zukommt, beeinflusst auch das nordrhein-westfälische Denkmalschutzrecht. In die – weiterhin erforderliche – Abwägung zwischen den denkmalschutzrechtlichen Belangen und dem Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien sind letztere als regelmäßig vorrangiger Belang einzustellen. Nur, wenn besondere Umstände des Denkmalschutzes der Errichtung von Solaranlagen entgegenstehen, darf die Erteilung der denkmalrechtlichen Erlaubnis ausnahmsweise versagt werden.
Bei der Prüfung, ob solche besonderen Umstände vorliegen, kommt es auf die Gründe an, aus denen die denkmalrechtliche Unterschutzstellung erfolgt ist.
Wohnhaus: keine wesentlichen optischen Nachteile
In dem Düsseldorfer Fall wird durch die beantragte Solaranlage auf der straßenabgewandten Dachfläche nicht in einem Maß in das denkmalwerte einheitliche äußere Erscheinungsbild der Siedlung eingegriffen, dass ausnahmsweise die Erlaubnis zu versagen wäre. Dass die Solaranlage aus dem öffentlichen Straßenraum sichtbar ist, reicht dafür grundsätzlich nicht aus. Hier sind die in die bestehende Dachstruktur eingefügten und in der Farbe angepassten Solarpaneele zudem nur am Rande, in zweiter Reihe und nur in Teilausschnitten wahrnehmbar. Die betroffene Dachfläche liegt auch nicht in einer der von der Satzung geschützten Sichtachsen und beeinträchtigt die rheinseitige Silhouette der Siedlung nicht.
Ehemalige Schule: Erscheinungsbild des Baukörpers nicht wesentlich geändert
Bei der ehemaligen Schule in Siegen werden die denkmalwertbegründenden Eigenschaften des Gebäudes durch die Solaranlage schon nicht beeinträchtigt. Für die Eintragung als Baudenkmal hat zwar der vorhandene Dachreiter, nicht aber die Dachfläche und ihre Gestaltung eine Rolle gespielt. In das geschützte Erscheinungsbild des Baukörpers als Kapellenschule wird durch die Solaranlage nicht eingegriffen. Ein Ausnahmefall, in dem der Denkmalschutz überwiegt, wäre bei dem konkreten Vorhaben selbst dann nicht gegeben, wenn die Schieferdachfläche als auch denkmalwertbegründend angesehen würde.
Quelle | OVG Münster, Urteile vom 27.11.2024, 10 A 2281/23 und 10 A 1477/23, PM vom 27.11.2024
| Will eine Auftraggeberin nicht von einer weiblichen Mitarbeiterin, sondern von einem Mann betreut werden, können schnell Entschädigungsforderungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Raum stehen – so wie in einem Fall des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg. |
Inhaber des Architekturbüros blieb passiv
Im Fall des LAG hatte der Inhaber des Architekturbüros nicht einmal versucht, die Auftraggeberin umzustimmen. Er unternahm auch keinen Versuch, sie von der hohen Qualität seiner Mitarbeiterin zu überzeugen.
Unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nur wenn diese „geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen“ nicht gefruchtet hätten, hätte eine eigene benachteiligende Handlung des Büros ausgeschlossen werden können.
Der Arbeitgeber musste der Mitarbeiterin schließlich 1.500 Euro Schadenersatz zahlen.
Quelle | LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.2024, 10 Sa 13/24
| Eine tarifvertragliche Regelung, die unabhängig von der individuellen Arbeitszeit für Überstundenzuschläge das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten voraussetzt, behandelt teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wegen der Teilzeit schlechter als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte. Sie verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter, wenn die in ihr liegende Ungleichbehandlung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Fehlen solche sachlichen Gründe, liegt regelmäßig zugleich eine gegen Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (hier: § 7 Abs. 1 AGG) verstoßende mittelbare Benachteiligung wegen des (weiblichen) Geschlechts vor, wenn innerhalb der betroffenen Gruppe der Teilzeitbeschäftigten erheblich mehr Frauen als Männer vertreten sind. |
Das war geschehen
Der Beklagte ist ein ambulanter Dialyseanbieter mit mehr als 5.000 Arbeitnehmern. Die Klägerin ist bei ihm als Pflegekraft in Teilzeit im Umfang von 40 v. H. eines Vollzeitbeschäftigten tätig. Auf das Arbeitsverhältnis ist aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme der zwischen dem Beklagten und der Gewerkschaft Verdi geschlossene Manteltarifvertrag (MTV) anzuwenden. Nach § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV sind mit einem Zuschlag von 30 v. H. Überstunden zuschlagspflichtig, die über die monatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden und im jeweiligen Kalendermonat nicht durch Freizeitgewährung ausgeglichen werden können. Alternativ zu einer Auszahlung des Zuschlags ist eine entsprechende Zeitgutschrift im Arbeitszeitkonto vorgesehen. Das Arbeitszeitkonto der Klägerin wies Ende März 2018 ein Arbeitszeitguthaben von 129 Stunden und 24 Minuten aus. Der Beklagte hat der Klägerin für diese Zeiten in Anwendung von § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV weder Überstundenzuschläge gezahlt, noch im Arbeitszeitkonto eine Zeitgutschrift vorgenommen.
Das verlangte die Klägerin
Mit ihrer Klage hat die Klägerin verlangt, ihrem Arbeitszeitkonto als Überstundenzuschläge weitere 38 Stunden und 39 Minuten gutzuschreiben und eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe eines Vierteljahresverdienstes begehrt. Die Anwendung von § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV benachteilige sie wegen ihrer Teilzeit unzulässig gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten. Zugleich werde sie wegen ihres Geschlechts mittelbar benachteiligt, denn der Beklagte beschäftige überwiegend Frauen in Teilzeit.
So sahen es die Vorinstanzen
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift zuerkannt und hinsichtlich der begehrten Entschädigung die Klageabweisung bestätigt.
So entschied das Bundesarbeitsgericht
Die Revision der Klägerin hatte vor dem BAG teilweise Erfolg. Das BAG hat der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift – in Übereinstimmung mit dem LAG – zugesprochen und ihr darüber hinaus eine Entschädigung in Höhe von. 250 Euro zuerkannt. Das OLG musste (aufgrund europarechtlicher Rechtsprechung) davon ausgehen, dass § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV insoweit wegen Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten unwirksam ist, als er bei Teilzeitbeschäftigung keine der Teilzeitquote entsprechende anteilige Absenkung der Grenze für die Gewährung eines Überstundenzuschlags vorsieht.
Bundesarbeitsgericht: Entschädigung zugesprochen
Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung konnte das BAG nicht erkennen. Die sich aus dem Verstoß gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz (hier: § 4 Abs. 1 TzBfG) ergebende Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Überstundenzuschlagsregelung führt zu einem Anspruch der Klägerin auf die eingeklagte weitere Zeitgutschrift. Daneben war ihr eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zuzuerkennen.
Durch die Anwendung der tarifvertraglichen Regelung hat die Klägerin auch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts erfahren. In der Gruppe der beim Beklagten in Teilzeit Beschäftigten, die dem persönlichen Anwendungsbereich des MTV unterfallen, sind zu mehr als 90 Prozent Frauen vertreten.
Als Entschädigung war ein Betrag in Höhe von 250 Euro festzusetzen. Dieser ist erforderlich, aber auch ausreichend, um einerseits den der Klägerin durch die mittelbare Geschlechtsbenachteiligung entstandenen immateriellen Schaden auszugleichen und andererseits gegenüber dem Beklagten die gebotene abschreckende Wirkung zu entfalten.
Quelle | BAG, Urteil vom 5.12.2024, 8 AZR 370/20, PM 34/24
| Strafrechtlich eingezogene Bestechungsgelder führen umsatzsteuerrechtlich dazu, dass die Bemessungsgrundlage der in strafrechtlicher Hinsicht betroffenen Umsätze auf den um die eingezogenen Bestechungsgelder geminderten Betrag zu reduzieren ist. Das hat der Bundesfinanzhof (BFG) entschieden. |
Das war geschehen
Ein Diplom-Ingenieur hatte nachhaltig und ohne Anweisung seines jeweiligen Vorgesetzten bzw. Arbeitgebers für Auftragserteilungen von beauftragten Unternehmen kostenlose Leistungen, überwiegend für den privaten Hausbau, erhalten.
Dafür wurde er wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zusätzlich wurden die Bestechungsgelder auf gerichtliche Anordnung nach dem Strafgesetzbuch (hier: §§ 73 ff. StGB) eingezogen.
Das Finanzamt behandelte die „Schmiergeldzahlungen“ bzw. die Zuwendungen durch die beauftragten Unternehmen als Entgelte für steuerpflichtige Leistungen und unterwarf sie der Umsatzsteuer. Die vom Diplom-Ingenieur geleisteten Zahlungen an die Landesjustizkasse hinsichtlich der eingezogenen Bestechungsgelder minderten nach Ansicht des Finanzamts nicht die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer. Dies sah der BFH anders.
Eingezogene Bestechungsgelder nicht mehr zu versteuern
Zwar sind die Bestechungsgelder – obgleich es sich um illegale Zahlungen handelt – neben den sonstigen, dem Steuerpflichtigen für seine Dienstleistungen gewährten Entgelten umsatzsteuerrelevant. Jedoch mindern die eingezogenen Beträge die steuerliche Bemessungsgrundlage.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist eine Verminderung in diesen Fällen geboten, da ansonsten der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt wäre. Denn es käme zu einer unzulässigen Doppelbelastung des Täters:
- Zum einen würde der durch die strafbare Handlung erlangte wirtschaftliche Vorteil durch die strafrechtliche Einziehung der Bestechungsgelder abgeschöpft.
- Zum anderen würden die Bestechungsgelder im selben Umfang der Umsatzsteuer unterworfen.
Dabei spielt es keine Rolle, dass der strafrechtlich eingezogene Betrag in der Staatskasse verbleibt und nicht an den leistenden Unternehmer zurückgezahlt wird.
Beachten Sie | Auch eines Verweises auf das Billigkeitsverfahren, dessen Zulässigkeit im Umsatzsteuerrecht ohnehin unionsrechtlich zweifelhaft ist, bedarf es nach Ansicht des BFH nicht.
Quelle | BFH, Urteil vom 25.9.2024, XI R 6/23, PM 8/25 vom 20.2.2025
| In einem Streitfall ging es um die Zulässigkeit des Wechsels der Gewinnermittlungsart. Dabei entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass der Steuerpflichtige im Streitjahr die Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nicht mehr erfüllte, weil er durch die Aufstellung des Jahresabschlusses sein Wahlrecht bereits ausgeübt hatte und daran gebunden war. |
Hintergrund: Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (= Bilanzierung) ist der gesetzessystematische Regelfall. Die Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung kommt nur bei Erfüllung der im Gesetz bestimmten Voraussetzungen in Betracht.
Tatsächlich ausgeübte Gewinnermittlungsart maßgeblich
Maßgeblich für die Ausübung des Wahlrechts der Gewinnermittlungsart ist die tatsächliche Handhabung der Gewinnermittlung. Ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger hat sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich wirksam ausgeübt, wenn er eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine kaufmännische Buchführung einrichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht.
Die Einnahmen-Überschuss-Rechnung bzw. der Betriebsvermögensvergleich ist in dem Zeitpunkt erstellt, in dem der Steuerpflichtige sie bzw. ihn fertiggestellt hat und objektiv erkennbar als endgültig ansieht. Beweisanzeichen dafür kann sein, dass er die Gewinnermittlung durch Übersendung an das Finanzamt in den Rechtsverkehr begibt. Nach der Erstellung des Jahresabschlusses kommt die Wahl der Einnahmen-Überschuss-Rechnung somit grundsätzlich nicht mehr in Betracht.
Einmal getroffene Wahl nur in Ausnahmefällen änderbar
Die einmal getroffene Wahl der Gewinnermittlungsart ist grundsätzlich nachträglich nicht mehr änderbar. In Ausnahmefällen hat die Rechtsprechung jedoch einen solchen Wechsel zugelassen und dabei an die Grundsätze angeknüpft, die für den Wechsel der Gewinnermittlungsart in aufeinanderfolgenden Jahren gelten.
Beachten Sie | Im Streitfall war dem Steuerpflichtigen die Änderung der Wahlrechtsausübung jedoch nicht mehr möglich. Denn er hatte keinen vernünftigen wirtschaftlichen Grund dargelegt, der es rechtfertigen könnte, die gewählte Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich für dasselbe Jahr wieder zu ändern.
Allein der Umstand, dass er durch den Wechsel zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung eine Gewinnerhöhung infolge der Außenprüfung „glätten“ wollte, reicht hierfür nicht aus. Denn damit haben sich nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse geändert. Der Steuerpflichtige war vielmehr einem Irrtum über die steuerlichen Folgen der gewählten Gewinnermittlungsart unterlegen, der die Änderungsmöglichkeit nicht eröffnet.
Quelle | BFH, Urteil vom 27.11.2024, X R 1/23
| Eine gegen die auszahlende Bank gerichtete Schadenersatzklage eines 84-jährigen Mannes, der infolge eines Trickbetrugs 83.000 Euro an Unbekannte gezahlt hatte, blieb erfolglos. Warn- und Hinweispflichten der Geldinstitute bestehen nur bei einem massiven Verdacht auf eine Vermögensgefährdung des Kunden. Eine solche vorwerfbare Pflichtverletzung konnte das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth in einem bemerkenswerten Fall nicht feststellen. |
Hätte Bank Geld nicht auszahlen dürfen?
Der Kläger hatte am Schalter in einer Bankfiliale in Nürnberg innerhalb von 1 ½ Stunden zweimal Bargeld von seinem Konto abgehoben, insgesamt 83.000 Euro. Er begründete seine Schadenersatzklage gegen die Bank damit, dass diese durch Auszahlung des Geldes trotz offenkundiger Anhaltspunkte für einen Enkeltrick-Betrug gegen ihre vertraglichen Schutz- und Warnpflichten verstoßen habe. Die Bank hatte im Zivilprozess vorgebracht, dass ihre Mitarbeiter bezüglich des sog. Enkeltricks geschult seien und den Kläger entsprechend angesprochen hätten, der ruhig gewirkt und plausible Erklärungen abgegeben habe.
Kein massiver Verdacht
Das LG hat die Klage in erster Instanz abgewiesen. Es führte aus: Eine Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank ist nur ausnahmsweise bei Vorliegen objektiver massiver Verdachtsmomente anzunehmen. Einen massiven Verdacht auf einen drohenden Schaden beim Kläger konnte das LG hier aber nicht feststellen.
Es war nach Einvernahme der Bankangestellten als Zeugin davon überzeugt, dass der Kläger sachlich, ruhig und unauffällig in der Bank auftrat. Weder aus dem Alter des Klägers und der Höhe des Bargeldbetrags noch aus dem Umstand, dass erst eine Übertragung von dem Sparkonto auf das Girokonto erfolgte, drängte sich der Verdacht einer Straftat auf. Bei beiden Barabhebungen hatte die Bankangestellte beim Kläger mehrfach nachfragt, ob ihm der sogenannte Enkeltrick bekannt sei, was dieser bejahte und damit entkräftete, dass er direkt mit seiner Enkeltochter gesprochen habe. Eine weitere Nachfragepflicht war von den Mitarbeitern der Bank nicht zu verlangen, so das LG.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Gegen das klageabweisende Urteil des LG hatte der Kläger Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg eingelegt. Auch das OLG verneinte eine Verletzung von Warn- und Hinweispflichten der Beklagten, gerade, nachdem die Möglichkeit eines Enkeltricks von der Bankangestellten angesprochen worden war. Die Bank ist vertraglich zur Auszahlung des Kontoguthabens verpflichtet und der Kunde hat über die Verwendung der ihm zustehenden Beträge keine Rechenschaft abzulegen, führte das OLG ergänzend aus.
Auf den Hinweis des OLG zur Erfolgslosigkeit der Berufung hat der Kläger sein Rechtsmittel zurückgenommen. Das Urteil des LG ist damit rechtskräftig.
Die Strafbarkeit der Trickbetrüger und etwaige zivilrechtliche Ansprüche gegen diese Personen waren nicht Gegenstand des Verfahrens.
Quelle | LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 22.7.2022, 10 O 1384/22; OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 18.11.2024, 14 U 2275/22, PM 5/25
| Aufwendungen für Krankheitskosten sind nur als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn gewisse Nachweiserfordernisse erfüllt sind. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat dargelegt, wie der Nachweis ab dem Veranlagungszeitraum 2024 zu führen ist. |
Hintergrund: Krankheitskosten können als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sein.
Ein besonderes Augenmerk muss dabei auf den Nachweis der Zwangsläufigkeit gelegt werden:
- Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel genügt es, wenn der Steuerpflichtige eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers vorlegt. Dies regelt § 64 Abs. 1 Nr. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV).
- Bei bestimmten Krankheitskosten ist indes ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erforderlich. Ein solcher qualifizierter Nachweis ist z. B. bei Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, z. B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, erforderlich (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV).
Sind Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungeinzustufen, wartet die Hürde der zumutbaren Belastung, deren Höhe von folgendenFaktoren abhängt:
- Gesamtbetrag der Einkünfte
- Familienstand und
- Zahl der Kinder.
Erläuterungen des Bundesfinanzministeriums
Der Nachweis der Zwangsläufigkeit nach der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (hier: § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV) ist bei einem eingelösten E-Rezept durch den Kassenbeleg der Apotheke bzw. durch die Rechnung der Online-Apotheke oder bei Versicherten mit einer privaten Krankenversicherung alternativ durch den Kostenbeleg der Apotheke zu erbringen.
Der Kassenbeleg (alternativ: die Rechnung der Online-Apotheke) muss folgende Angaben enthalten:
- Name der steuerpflichtigen Person,
- Art der Leistung (zum Beispiel Name des Arzneimittels),
- Betrag bzw. Zuzahlungsbetrag,
- Art des Rezeptes.
Beachten Sie | Zumindest für den Veranlagungszeitraum 2024 wird es vom BMF nicht beanstandet, wenn der Name der steuerpflichtigen Person nicht auf dem Kassenbeleg vermerkt ist.
Quelle | BMF-Schreiben vom 26.11.2024, IV C 3 - S2284/20/10002 :005
| Nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 6 Abs. 1 Nr. 1 a desEStG) werden Aufwendungen in Herstellungskosten umqualifiziert, wenn innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung des Gebäudes Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden, deren Nettoaufwendungen 15 % der Gebäude-Anschaffungskosten übersteigen. Die Aufwendungen sind dann nicht sofort, sondern nur über die Gebäude-Abschreibung abzugsfähig. Bei einer Eigentumswohnung sind zwei Besonderheiten zu beachten, worauf das Finanzgericht (FG) Hessen hingewiesen hat. |
Hintergrund: Maßgebend sind die Anschaffungskosten und Anschaffungsnebenkosten der angeschafften Wohnung und nicht der Wert des Gesamtgebäudes. Bei Teil- und Wohnungseigentum ist danach die einzelne Einheit und nicht das Gesamtgebäude relevant.
Abzustellen ist auf die innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung der Wohnung angefallenen Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen des vermietenden Eigentümers einschließlich seiner anteiligen Aufwendungen für Arbeiten an den im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudeteilen.
Beispiel
A erwirbt mit Wirkung zum 1.11.2023 eine Eigentumswohnung. Die Anschaffungskosten betragen insgesamt 300.000 Euro. Der Grund- und Bodenanteil beträgt 10 % = 30.000 Euro. Die Eigentumswohnung wird nach der Sanierung vermietet.
Anfang 2024 lässt A die sanitären Anlagen (Badezimmer, Gästetoilette) für 29.750 Euro erneuern und neue Türen einbauen (11.900 Euro). Zudem beteiligt er sich an der Dachsanierung (14.280 Euro). Die gesamten Aufwendungen (55.930 Euro) macht er in 2024 als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen geltend.
Lösung: Die Nettoaufwendungen ohne Umsatzsteuer (25.000 Euro + 10.000 Euro + 12.000 Euro = 47.000 Euro) überschreiten die 15 %-Grenze von 40.500 Euro (15 % von 270.000 Euro). Somit stellen die Aufwendungen insgesamt anschaffungsnahe Aufwendungen dar. Sie sind also nicht sofort im Jahr der Zahlung als Werbungskosten abzugsfähig, sondern erhöhen die Bemessungsgrundlage für die Gebäudeabschreibung von 270.000 Euro um 55.930 Euro auf 325.930 Euro. Dies gilt auch für die Kostenbeteiligung an der Dachsanierung, die als Aufwendungen für das Gemeinschaftseigentum ebenfalls im Rahmen der Ermittlung des insgesamt entstandenen Sanierungsaufwands mit einzubeziehen sind.
Aufwendungen für Sonder- und Gemeinschaftseigentum nicht aufzuteilen
Nach Ansicht des FG Hessen dürfen die auf das im Gemeinschaftseigentum stehenden Bestandteile des Gesamtgebäudes entfallenden Aufwendungen nicht unberücksichtigt bleiben. Dies würde auch dem (mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG verfolgten) Vereinfachungszweck widersprechen, weil sich Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen regelmäßig zugleich auf das Sondereigentum als auch auf Bereiche des Gemeinschaftseigentums beziehen. Eine Aufteilung von hierfür einheitlich getragenen Aufwendungen wäre oft nur unter größten Schwierigkeiten möglich.
Beachten Sie | Gegen die nicht zugelassene Revision wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Quelle | FG Hessen, Urteil vom 18.6.2024, 4 K 1736/19, NZB BFH, IX B 86/24
| Aufwendungen für die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio sind grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) auch, wenn die Teilnahme an einem dort angebotenen, ärztlich verordneten Funktionstraining die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio voraussetzt. |
Hintergrund: Außergewöhnliche Belastungen wirken sich steuerlich nur aus, soweit die zumutbare Eigenbelastung überschritten wird. Deren Höhe hängt vom Gesamtbetrag der Einkünfte, Familienstand und von der Zahl der Kinder ab.
Das war geschehen
Der Steuerpflichtigen wurde ein Funktionstraining in Form von Wassergymnastik ärztlich verordnet. Sie entschied sich für das Training bei einem Reha-Verein, der die Kurse in einem für sie verkehrsgünstig gelegenen Fitnessstudio abhielt. Voraussetzung für die Kursteilnahme war neben dem Kostenbeitrag für das Funktionstraining und der Mitgliedschaft im Reha-Verein auch die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio. Letztere berechtigte die Steuerpflichtige aber auch zur Nutzung des Schwimmbads und der Sauna sowie zur Teilnahme an weiteren Kursen.
Die Krankenkasse erstattete nur die Kursgebühren für das Funktionstraining. Als Krankheitskosten und damit als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigte das Finanzamt nur die Mitgliedsbeiträge für den Reha-Verein.
Alle Instanzen sind sich einig
Einen Abzug der Mitgliedsbeiträge für das Fitnessstudio als außergewöhnliche Belastung lehnten das Finanzamt, das Finanzgericht (FG) Niedersachsen und auch der BFH ab.
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio: frei gewähltes Konsumverhalten
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio zählen grundsätzlich nicht zu den als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennenden zwangsläufig entstandenen Krankheitskosten. Denn das mit der Mitgliedschaft einhergehende Leistungsangebot wird auch von gesunden Menschen beansprucht, z. B., um die Gesundheit zu erhalten und die Freizeit sinnvoll zu gestalten.
Die Mitgliedsbeiträge sind der Steuerpflichtigen auch nicht deshalb zwangsläufig erwachsen, weil sie dem Fitnessstudio als Mitglied beitreten musste, um an dem ärztlich verordneten Funktionstraining teilnehmenzu können.
Die Entscheidung, das Funktionstraining in dem Fitnessstudio zu absolvieren, ist in erster Linie Folge eines frei gewählten Konsumverhaltens, das nach Ansicht des BFH eine steuererhebliche Zwangsläufigkeit nicht begründen kann.
Zudem steht dem Abzug der Mitgliedsbeiträge entgegen, dass die Steuerpflichtige hierdurch die Möglichkeit erhielt, auch weitere Leistungsangebote (jenseits des medizinisch indizierten Funktionstrainings) zu nutzen. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerpflichtige (wie von ihr vorgetragen) hiervon keinen Gebrauch gemacht hat.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 1/23
| Auch wenn noch unklar ist, ob die Ansprüche wegen der Reparaturkosten dem Leasinggeber oder dem Leasingnehmer zustehen, ergibt sich dessen schützenswertes Interesse an einer Feststellungsklage aus dem zu erwartenden Ausfallschaden während der Reparatur. So entschied es das Landgericht (LG) Halle. Denn das Gutachten weise vier Arbeitstage für die Reparatur aus. |
Haftung dem Grunde nach sollte geklärt werden
Wegen des streitigen Unfallhergangs wollte der Leasingnehmer zunächst die Haftung dem Grunde nach klären. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung reicht es für das Feststellungsinteresse aus, wenn sich in der Zukunft Schäden ergeben können.
Keine Leistungsklage erforderlich
Soweit Nutzungsausfall streitig ist, müsse ein Geschädigter bei einer noch nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung die Klage nicht zu einer Leistungsklage wegen der bereits entstandenen Schäden und einer Feststellungsklage wegen zukünftiger Schäden aufteilen.
Quelle | LG Halle, Urteilvom 10.10.2024, 4 O 224/24
| Aktuell sind betrügerische E-Mails im Umlauf, die vorgeben, vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu stammen. Die Empfänger werden darüber informiert, dass ihnen angeblich ein Bescheid zugesandt wurde und aufgefordert, eine offene Steuerschuld zu begleichen. Hierfür soll ein Link geöffnet werden, um weitere Informationen zu erhalten. |
Sollten Steuerpflichtige eine solche E-Mail erhalten haben, empfiehlt das BZSt in einer Mitteilung vom 26.2.2025, den Link nicht zu öffnen und die verdächtige E-Mail unverzüglich zu löschen. Weitere Informationen – u. a. die maßgeblichen Textbausteine – sind unter www.iww.de/s12547 aufgeführt.
| Wird ein erkranktes Tier von Dritten zum Tierarzt gebracht, haftet der Tierhalter für die Kosten der Notbehandlung. So sieht es das Amtsgericht (AG) München. |
Halterin nicht über Eingriff informiert
Die Beklagte ist Tierhalterin eines Katers mit den Namen Rocky. Rocky war im Mai 2022 für einige Tage abwesend und kam nicht nach Hause. Am 16.5.2022 fand eine unbekannte Person den Kater in einem bewusstlosen Zustand auf und alarmierte eine Münchener Tierrettung, die den Kater als Notfall in eine Münchener Tierklinik einlieferte. Dort wurde Rocky als Notfall tierärztlich behandelt. Da der Kater in ein Haustierzentralregister eingetragen war, konnte die Halterin des Katers verständigt werden. Diese holte Rocky am nächsten Tag ab. Durch die Behandlung waren Kosten in Höhe von 565,31 Euro entstanden, deren Übernahme die Beklagte jedoch ablehnte, da sie nicht zuvor informiert worden sei und sie Rocky zu seinem üblichen Tierarzt hätte bringen wollen.
Klage auf Zahlung der Rechnung
Die Tierklinik trat ihre Forderung an ein Abrechnungsbüro ab, das die Beklagte vor dem AG auf Zahlung der Rechnung verklagte. Das AG gab der Klage statt und verurteilte die Halterin zur Zahlung. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Forderung wirksam an die Klägerin abgetreten war, dass die Behandlung, wie behauptet, stattfand und die Kosten auch angemessen waren.
„Fremdes Geschäft“ besorgt
Zur Kostentragungspflicht der Beklagten führte es aus, dass die Tierklinik durch die Behandlung des Katers der Beklagten ein sogenanntes „fremdes Geschäft“ besorgt hat. Es handele sich bei der tierärztlichen Versorgung um ein fremdes Geschäft, da das Tier zwar auch aus eigener tierärztlicher Verpflichtung behandelt wurde, die Übernahme der Behandlung ihrer äußeren Erscheinung nach aber auch der Beklagten als Tierhalterin zugute kam. Denn die Behandlung ihres kranken Tieres ist bereits der äußeren Erscheinung nach dem Rechts- und Interessenkreis der Beklagten zuzuordnen.
Auch der Vortrag der Beklagten, sie hätte rechtzeitig über die Einlieferung des Katers informiert werden müssen, verfängt laut AG nicht. Soweit hiermit auf eine sog. „Nebenpflichtverletzung“ abgestellt werden soll, stehe dem entgegen, dass die Behandlungen des Katers nach den Zeugenaussagen, in Übereinstimmung mit der Behandlungsdokumentation, als Notfallmaßnahmen erfolgt seien.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 30.8.2024, 161 C 16714/22, PM 36/24
| Wer als Schüler über Monate den Datenbestand seiner Schule ausspioniert und verändert, darf in eine andere Schule überwiesen werden. Diese Schulordnungsmaßnahme hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren gebilligt. |
Schüler drang widerrechtlich in Schul-IT ein
Der Antragsteller besuchte bislang das 3. Kurshalbjahr der gymnasialen Oberstufe eines Berliner Gymnasiums. Zusammen mit zwei Mitschülern hatte er im letzten Schuljahr zunächst einen schulischen Rechner so präpariert, dass das nächste eingegebene Passwort protokolliert wurde. So erlangte das Trio das Administratorpasswort, um im Anschluss einen sog. „Keylogger“ zu installieren, der das Protokollieren aller eingegebenen Passwörter ermöglichte. Hierdurch konnten sie interne Informationen im geschützten Lehrerkanal mitlesen und organisatorische Daten der Schulleitung abrufen. Daraufhin beschloss die Schulaufsicht nach Anhörung der Schulkonferenz, den Antragsteller in eine andere Schule desselben Bildungsgangs zu überweisen.
Schwerste Ordnungsmaßnahme verhängt
Der hiergegen gerichtete Eilantrag hatte keinen Erfolg. Das VG hat die Entscheidung als für einen schulpflichtigen Schüler schwerste Ordnungsmaßnahme des Berliner Schulgesetzes gebilligt. Nach diesem Gesetz könnten Ordnungsmaßnahmen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit getroffen werden, wenn ein Schüler die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit beeinträchtigte oder andere am Schulleben Beteiligte gefährde, soweit Erziehungsmaßnahmen nicht zu einer Konfliktlösung geführt haben oder keine Aussicht auf Erfolg versprächen.
Diesen Vorgaben entspreche die getroffene Ordnungsmaßnahme, die sich im Rahmen des der Schule zustehenden pädagogischen Beurteilungsspielraums halte. Nach diesem Maßstab sei die Entscheidung nicht zu beanstanden. Das Vorgehen des Antragstellers stelle sich als schweres Fehlverhalten dar. Ein über Monate dauerndes Ausspionieren des Datenbestands der Schule beeinträchtige die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit. Der Antragsteller sei mit krimineller Energie vorgegangen, weshalb das schulische Vertrauen in die Integrität des Antragstellers nachhaltig und irreparabel zerstört worden sei. Angesichts der Schwere des Fehlverhaltens des Antragstellers mit einer mehrere Monate währenden Verletzung der Datenschutzbelange und der Privatsphäre von Lehrkräften und der Schülerschaft habe die Schule den Schulwechsel nicht – wie das Gesetz dies im Regelfall vorschreibe – zuvor schriftlich androhen müssen.
Die Maßnahme, so das VG, sei auch unter Würdigung des Umstands verhältnismäßig, dass der Antragsteller sich in seinem letzten Schuljahr vor dem Abitur befinde und die ersten Abiturprüfungen bereits in wenigen Monaten anstehen, weil er sich gegenüber den Vorwürfen völlig uneinsichtig gezeigt habe.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 13.11.2024, VG 3 L 610.24, PM 30/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über die Rückzahlung von Bankentgelten entschieden, die aufgrund einer unwirksamen Zustimmungsfiktionsklausel vereinbart werden sollten. Sein Urteil ist verbraucherfreundlich. |
Das war geschehen
Der Kläger begehrt Rückzahlung von geleisteten Kontoführungsentgelten und Gebühren für eine Girokarte. Nach einer in den AGB der beklagten Sparkasse enthaltenen unwirksamen Regelung gilt die Zustimmung des Kunden zu angebotenen Änderungen von Vertragsbedingungen oder Entgelten für Bankleistungen als erteilt, wenn der Kunde der Beklagten seine Ablehnung nicht innerhalb einer bestimmten Frist anzeigt (Zustimmungsfiktionsklausel).
Die beklagte Sparkasse informierte den Kläger im Oktober 2017 darüber, dass für dessen zwei Girokonten ab dem 1.1.2018 Kontoführungsentgelte und Gebühren für eine Girokarte zu zahlen seien. Daraufhin kündigte der Kläger eines der Girokonten. Die Beklagte erhob ab dem 1.1.2018 eine Grundgebühr für die Führung des anderen Girokontos in Höhe von monatlich 3,50 Euro und eine Gebühr für eine SparkassenCard in Höhe von jährlich 6 Euro. Der Kläger stimmte diesen Änderungen der Bedingungen nicht aktiv zu. Die Beklagte buchte die Entgelte in der Folgezeit vom Konto des Klägers ab. Im Juli 2021 widersprach dieser der Erhebung der Entgelte. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung der in den Jahren 2018 bis 2021 erhobenen Entgelte in Höhe von insgesamt 192 Euro sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger jeden weiteren künftigen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Einziehung nicht vereinbarter Bankentgelte nach dem Jahr 2021 entstehe.
Das Amtsgericht (AG) und das Landgericht (LG) haben die Klage abgewiesen.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 192 Euro zu zahlen. Der Kläger erhält die Kontoführungsentgelte und das Entgelt für die Girokarte zurück.
Der Kläger hat einen Rückzahlungsanspruch, weil die Beklagte die Entgelte ohne Rechtsgrund vereinnahmt hat. Er hat der von der Beklagten beabsichtigten Änderung der Entgeltbedingungen nicht bloß durch die fortgesetzte Nutzung des Girokontos zugestimmt. Die fortlaufende Nutzung eines Girokontos hat keinen objektiven Erklärungswert dahin, dass der Wille des Kontoinhabers neben dem Willen, einen konkreten Kontovorgang auszulösen, auch die Zustimmung zu geänderten Kontobedingungen der Sparkasse oder Bank umfasst. Der Zugang zu einem Girokonto ist in der Regel eine unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme am unbaren Zahlungsverkehr und von essenzieller Bedeutung für die uneingeschränkte Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben. Die Nutzung des Girokontos allein ist deshalb kein Ausdruck des Einverständnisses mit der Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Sparkasse oder Bank, sondern entspricht lediglich den Erfordernissen und Gewohnheiten des modernen Geschäfts- und Wirtschaftsverkehrs im Alltag.
Die von der Beklagten erhobenen Entgelte sind auch nicht durch eine Fiktion der Zustimmung des Klägers zu den geänderten Kontobedingungen entstanden. Eine Klausel in den Geschäftsbedingungen von Banken und Sparkassen, die eine solche Fiktion vorsieht, ist im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam.
Auch der Umstand, dass der Kläger die von der Beklagten erhobenen Entgelte über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren widerspruchslos gezahlt hat, führt nicht dazu, dass die Sparkasse die Entgelte behalten darf, so der BGH.
Quelle | BGH, Urteil vom 19.11.2024, XI ZR 139/23, PM 219/24
| Eine im Wohnraummietvertrag vereinbarte Indexklausel, die ausschließlich eine Erhöhungsmöglichkeit vorsieht, kann nach Ansicht des Landgerichts (LG) Berlin II weder individual- noch formularvertraglich vereinbart werden. |
Nachteilsverbot beachten
Den Mietvertragsparteien sei nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 557 b Abs. 1 BGB) die Vereinbarung einer näher definierten Indexmiete gestattet, allerdings nicht in Gestalt einer „upwards only“-Klausel. Das Verbot einer den Vermieter begünstigenden Einseitigkeitsklausel (sog. Nachteilsverbot) ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut. Der Gesetzgeber habe sich aber von einem entsprechenden Motiv leiten lassen, also bei fallendem Index müsse eine entsprechende Mietabsenkungsmöglichkeit eröffnet sein.
Vermieterseitige Allgemeine Geschäftsbedingung
Im Streitfall ergab sich bereits aus der Erscheinungsform des Textes und seinem Regelungsinhalt, dass es sich um von der Vermieterseite gestellte AGB handelte. In Anwendung der Unklarheitenregelung in § 305 c Abs. 2 BGB war die Vertragsbedingung als eine den Mieter unangemessen benachteiligende Einseitigkeitsklausel zu werten. Aber auch eine „im Einzelnen ausgehandelte “Individualvereinbarung sei angesichts des o. g. Nachteilsverbots unzulässig, so das LG.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 20.6.2024, 67 S 83/24
| Ein Mieter einer Dachgeschosswohnung entsorgte über sein Fenster Essensreste in eine Dachrinne. Das Amtsgericht (AG) Hannover hat entschieden: Der Mieter muss seine Wohnung räumen. |
Dachrinne durch Müll verstopft
Über sein Wohnungsfenster entsorgte der Mieter u. a. Nudeln, Fleisch, Gewürzgurken und Knochen. Die entsorgten Essensreste landeten in der Dachrinne und verstopften diese. Der Säuregehalt der Essenreste beschädigte die Dachrinne.
Vermieter kündigte zweimal
Die Vermieterin mahnte zunächst ab. Danach kündigte sie gegenüber dem rechtlichen Betreuer des Mieters fristlos und ordentlich.
Zudem installierte der Mieter durch einen mit einem Gitter geschützten Schacht im Bordstein eine Stromleitung für sein Mofa. Die Vermieterin kündigte daraufhin erneut.
Mietvertragliche Pflichten erheblich verletzt
Das AG überzeugte sich vor Ort, dass die Essensreste nur vom Mieter stammen können. Das Dachfenster befindet sich nur einen Meter von der Dachrinne entfernt. Andere Fenster oder Zugänge sind nicht in erreichbarer Nähe. Die Dachrinne war nur an der Stelle der gelagerten Essensreste beschädigt. Insoweit hat der Mieter durch die wiederholte Entsorgung von Essensresten über sein Wohnungsfenster die Mietsache beschädigt und damit seine mietvertraglichen Pflichten erheblich schuldhaft verletzt, sodass der Kündigungsausspruch nach gerichtlicher Überzeugung auch von einem Kündigungsgrund getragen war. Das AG gewährte dem Mieter über die noch andauernde Kündigungsfrist zum Auszug von sechs Wochen eine darüber hinausgehende Räumungsfrist von dreieinhalb Monaten.
Ein Antrag auf Räumungsschutz wurde mittlerweile zurückgewiesen.
Quelle | AG Hannover, Urteil vom 11.1.2024, 510 C 5216/23, PM vom 29.10.2024
| Das Oberlandesgericht (OLG) München hat jetzt entschieden: Ein handschriftliches Testament ist formunwirksam, wenn der Bedachte durch einen maschinenschriftlichen Adressaufkleber benannt werden soll. |
Ungewöhnliche Gestaltung einer vermeintlichen letztwilligen Verfügung
Neben den letzten beiden Zeilen in der rechten unteren Ecke eines Briefumschlags, auf dem eine letztwillige Verfügung stehen soll, befindet sich ein Adressaufkleber des Beschwerdeführers, der einen Alleinerbschein beantragt hat. Zwischen den Wörtern „Rest dir“ und dem Adressaufkleber befindet sich ein Pfeil, der auf den Namen des Beschwerdeführers weist. Die (vermeintliche) Unterschrift der Erblasserin befindet sich oberhalb dieses Adressaufklebers neben dem Wort „Schultertuch“.
Oberlandesgericht erkennt das Schriftstück mangels Schriftform nicht an
Das Schriftstück stelle schon keine wirksame Verfügung von Todes wegen dar, weil es nicht durchgängig handschriftlich verfasst wurde. Bei dem auf dem Schriftstück angebrachten Pfeil handele es sich um ein Symbol und damit nicht um Schrift. Hinsichtlich des Pfeils ist eine Überprüfung der Urheberschaft von vornherein ausgeschlossen.
Auch der Adressaufkleber, auf dem sich Name und Anschrift des Beschwerdeführers befinden, wahre nicht die vom Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehene Form (hier: § 2247 Abs. 1 BGB).
Quelle | OLG München, Urteil vom 23.7.2024, 33 Wx 329/23
| Ein Schwiegersohn ist zur Rückzahlung eines sechsstelligen Darlehens an seine Schwiegereltern verpflichtet. So entschied es das Landgericht (LG) Frankfurt am Main. Es hat dabei klargestellt, dass ein im familiären Umfeld überlassener größerer Geldbetrag im konkreten Fall keine reine Gefälligkeit darstellt und ein Rechtsanspruch auf Rückzahlung besteht. |
Schwiegersohn benötigte Geld und bekam es von den Schwiegereltern
Der später beklagte Schwiegersohn benötigte Geld, um ein geerbtes Wohnhaus erhalten zu können. Seine Bank hatte ihm bereits einen Kredit gekündigt. Um ihn zu unterstützen, nahmen seine Schwiegereltern ihrerseits ein Darlehen in Höhe von 250.000 Euro auf und lösten damit die Restschuld des Schwiegersohns aus dessen Kredit ab. Man war sich darüber einig, dass der Schwiegersohn Zinsen und Tilgung tragen sollte. So geschah es auch über mehrere Jahre hinweg.
Ehe wurde geschieden
Zwischenzeitlich wurde die Ehe des Schwiegersohns mit der Tochter der Schwiegereltern jedoch geschieden. Der Schwiegersohn stellte einige Zeit später seine Zahlungen mit der Begründung ein, er könne die finanzielle Belastung wegen der Unterhaltszahlungen an seine Exfrau nicht mehr tragen. Die ehemaligen Schwiegereltern verlangten von ihm jedoch die Zahlung des noch offenen Darlehensbetrags von rund 190.000 Euro.
Landgericht: kein freiwilliges Vermögensopfer der Schwiegereltern
Das LG gab der Klage der Schwiegermutter statt. Es folgte nicht der Argumentation des Schwiegersohns, die finanzielle Unterstützung durch seine ehemaligen Schwiegereltern sei ein freiwilliges Vermögensopfer, denn sie sei im familiären Raum wegen der schwierigen Lage der jungen Eheleute erfolgt.
Das LG stellte in seinem Urteil vielmehr fest, dass die Schwiegereltern und der Schwiegersohn ihrerseits mündlich einen Darlehensvertrag geschlossen hatten. Das Gericht führte aus: „Ob ein Vertrag geschlossen wurde, hängt maßgeblich vom Rechtsbindungswillen der Parteien ab. Bei einem sog. reinen Gefälligkeitsverhältnis fehlt der Rechtsbindungswille.“ Und weiter: „Die Parteien handeln bei einem Gefälligkeitsverhältnis (…) ausschließlich aus gesellschaftlicher Gefälligkeit, also aus Freundschaft, Kollegialität, Nachbarschaft oder sonstigem Altruismus.“
Zwar seien die Abreden hier im engen Familienkreis erfolgt, was für eine reine Gefälligkeit sprechen könne. Allerdings handelte es sich nach Ansicht des LG bei der Gewährung eines derart hohen Betrags keinesfalls um eine Gefälligkeit des täglichen Lebens. Auch die Interessenlage spreche für einen Rechtsbindungswillen. Denn das Risiko der Klägerin und ihres Ehemanns sei ganz erheblich gewesen.
Für den Schwiegersohn habe zudem die Gefahr bestanden, ohne die Gewährung des Geldbetrags sein Haus und damit sein Heim zu verlieren. Hinzu komme, dass der Beklagte selbst eingeräumt habe, dass die Parteien eine Schenkung des Geldes nicht gewollt hätten. Nachdem die Schwiegereltern den mündlich mit ihrem ehemaligen Schwiegersohn geschlossenen rechtsverbindlichen Darlehensvertrag gekündigt hatten, stünde ihnen ein Rückzahlungsanspruch zu.
Quelle | LG Frankfurt, Urteil vom 28.11.2024, 2-23 O 701/23, PM vom 19.12.2024
| Die Kündigung eines nach dem 31.12.2017 geschlossenen Architektenvertrags bedarf der Schriftform. Das regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (hier: §§ 650 q, 650 h BGB). Eine formwidrige Kündigung ist allerdings folgenlos, wenn die andere Partei die Kündigung hinnimmt. Es ist dann in der Regel eine stillschweigende Vertragsaufhebung anzunehmen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt klargestellt. |
Das OLG sagt aber auch: Ruft der Auftraggeber über einen längeren Zeitraum keine weiteren Planungs- und Beratungsleistungen beim Auftragnehmer ab, kann darin keine Kündigung gesehen werden.
Quelle | OLG Frankfurt, Urteil vom 11.5.2023, 22 U 19/22, rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde, BGH, Beschluss vom 15.5.2024, VII ZR 118/23
| Kann das Honorar für Planungsaufträge für Baumaßnahmen und Anlagen, die in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) nicht beschrieben sind, frei vereinbart werden? Gilt die HOAI dann nicht? Antworten hierzu lieferte jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg. |
Das war geschehen
Ein Ententeich sollte von einem stehenden Gewässer zu einer wasserwirtschaftlichen Anlage umgewidmet werden. Der bereits im Verlauf eines Trennsystems genutzte Teich sollte als künftiger Retentionsraum genutzt werden. Die Parteien stritten über die Berücksichtigung eines Umbauzuschlags. Der Auftraggeber meinte, dass ein Objekt i. S. d. HOAI 2013 vorhanden sein müsse, andernfalls sei ein Umbau nicht möglich. Hier läge jedoch kein solches „Objekt“ vor. Daher sei ein Umbauzuschlag ausgeschlossen. Daran ändere auch nichts, dass der Teich durch Menschenhand geschaffen worden sei.
So sah es das Oberlandesgericht
„Objekt“ oder nicht „Objekt“ – das war hier die Frage. Das OLG stützte sich zur Beantwortung auf ein Gerichtsgutachten. Der Sachverständige hatte festgestellt, dass der Ententeich von der Beklagten schon über einen längeren Zeittraum zur Ableitung von Mischwässern genutzt würde und überschüssige Wässer über ein Mönchsbauwerk in ein nahe gelegenes Gewässer abgeleitet werden. Es handele sich deshalb um eine ungenehmigte Anlage des Wasserbaus. Das Gericht bewilligte daher den Umbauzuschlag. Es handele sich um ein Ingenieurbauwerk (Anlage des Wasserbaus). Zwar würde durch die Planung nicht in die Konstruktion des Teichs eingegriffen, wohl aber in den Bestand. Dieser sei wesentlich, weil aus einer Anlage des Wasserbaus eine Anlage der Abwasserentsorgung entstehen sollte (Nutzungsänderung). Denn der Teich sollte bei dem umzustellenden Mischsystem in ein Trennsystem künftig nur noch den kontrollierten Abfluss von Regenwasser sicherstellen.
Das OLG: Durch die geplante Vertiefung des Teichs werde zwar auch in die Konstruktion eingegriffen. Die Wesentlichkeit dieses Eingriffs sei aber nicht vorgetragen worden, sodass sich das Wesentlichkeitskriterium nicht prüfen ließ. Wesentlich sei ein Eingriff, wenn er gegenüber dem Bestand einen Anteil von 10 bis 20 Prozent der Substanz ausmacht.
Quelle | OLG Naumburg, Urteil vom 16.5.2024, 2 U 96/23
| Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat einem Mann den Erlass der Grundsteuer verwehrt, obwohl er herangezogen worden war, ein Baudenkmal zu erhalten. |
Für den Erhalt eines Fachwerkhauses begehrte der Kläger Grundsteuererlass
Der Kläger erwarb im Jahr 2012 ein Grundstück, das mit einem barocken Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert bebaut ist. Für dieses zog ihn die beklagte Ortsgemeinde für das Kalenderjahr 2022 zur Zahlung von Grundsteuer B in Höhe von 110,60 Euro heran. Der Kläger beantragte daraufhin den Erlass der Grundsteuer, weil die Erhaltung des Gebäudes wegen seiner Denkmaleigenschaft im öffentlichen Interesse liege und für ihn unrentabel sei.
Den Antrag des Klägers auf Erlass der Grundsteuer lehnte die Beklagte ab. Insbesondere habe der Kläger die Unrentabilität des Gebäudes nicht hinreichend belegt.
Erfolgloser Widerspruch
Hiergegen wandte sich der Kläger zunächst erfolglos mittels Widerspruch und dann mit seiner Klage. Er habe denkmalschutzbedinge Sanierungsmaßnahmen vorgenommen, unter anderem das Fachwerk freigelegt. Ohne die Denkmaleigenschaft hätte er das Gebäude abgerissen und das Grundstück anderweitig verwertet. Es seien zudem Rückstellungen für weitere Sanierungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Aus Rentabilitätsgründen habe er überwiegend Eigenleistungen erbracht. Er erziele inzwischen Mieteinnahmen in angemessener Höhe, dennoch sei ihm ein Verlust entstanden.
Verwaltungsgericht sah Voraussetzungen für Erlass nicht gegeben
Die Klage hatte keinen Erfolg. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Grundsteuererlass für das Jahr 2022, so das VG. Das Grundsteuergesetz (hier: § 32 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 GrStG) sehe dies nur für Grundbesitz vor, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liege, wenn die erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile (Rohertrag) in der Regel unter den jährlichen Kosten lägen. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Zwar bestehe ein öffentliches Interesse am Erhalt des Fachwerkhauses des Klägers. Der Grundbesitz sei jedoch nicht unrentabel. Der Kläger habe in erster Linie im weitaus überwiegenden Umfang Kosten aufgewendet, um das Gebäude im Sinne seiner eigentlichen Bestimmung – zu Wohnzwecken – zu ertüchtigen. Es sei deshalb prognostisch nicht davon auszugehen, dass der Grundbesitz – was für einen Grundsteuererlass vorausgesetzt wird – dauerhaft unrentabel sei. Eine valide Bewertung der Unrentabilität sei zudem nicht möglich, weil der Kläger nicht alle dazu benötigten Unterlagen vorgelegt habe.
Schließlich fehle es jedenfalls an der erforderlichen Kausalität zwischen (unterstellter) Unrentabilität und öffentlichem Erhaltungsinteresse. Denn der Kläger habe das Gebäude in Kenntnis des Sanierungsbedarfs zum Marktwert erworben. Das Gebäude sei wegen seines mehr oder weniger veralteten und teilweise maroden Zustands sanierungsbedürftig gewesen, nicht aufgrund der Denkmaleigenschaft.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 25.6.2024, 5 K 172/24.KO, PM 16/24
| Gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sind u. a. Beschäftigte im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Ein solches Beschäftigungsverhältnis kann auch bei einem 15-jährigen Spieler einer Juniorenmannschaft eines Fußball-Bundesliga-Vereins mit einem „Fördervertrag“ vorliegen. So entschied es das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg. |
Komplexe Verletzung beim Ligaspiel
Ein damals 15-jähriger Fußballer erlitt in einem Spiel derfrüheren B-Junioren-Bundesliga im Herbst 2020 eine komplexe Läsion des Außenmeniskus und musste sich einer Operation und einer langwierigen Nachbehandlung unterziehen. Der 15-Jährige hatte, vertreten durch seine Eltern, einen „Fördervertrag“ als Vertragsspieler im Sinne der „Spielordnung“ des DFB unterschrieben und war in das Leistungszentrum des Vereins aufgenommen worden. Er unterwarf sich darin umfangreichen Verpflichtungen, insbesondere zur Teilnahme an allen Trainings und allen Spielen, ohne einen Anspruch auf Spieleinsatz zu haben. Auch hatte er etwa am dritten Tag einer Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche AU-Bescheinigung einzureichen. Es waren ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen im Jahr und ein „monatliches Grundgehalt“ von 251 Euro vereinbart.
Berufsgenossenschaft: kein Arbeitsunfall
Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, denn der Spieler sei nicht unfallversichert gewesen. Auch Verträge wie hier könnten jedenfalls vor dem 16. Geburtstag des Spielers kein Beschäftigungsverhältnis begründen. Außerdem sei das vereinbarte Gehalt so niedrig, dass es keine adäquate Gegenleistung, sondern allenfalls eine Aufwandsentschädigung darstelle.
Landessozialgericht gab Spieler Recht
Nachdem in erster Instanz vor dem Sozialgericht (SG) die Berufsgenossenschaft obsiegt hatte, hat nun im Berufungsverfahren das LSG dem Spieler Recht gegeben und ein Beschäftigungsverhältnis und damit einen Arbeitsunfall bejaht. Der „Fördervertrag“ gehe weit über die Pflichten eines bloßen Vereinsmitglieds hinaus und entspreche eher einem Arbeitsvertrag. Ausschlaggebend für diese Einordnung waren die umfassenden Verpflichtungen des jungen Mannes, die Regelungen zu Arbeitsunfähigkeit und Urlaub sowie das vereinbarte „Grundgehalt“, das ausdrücklich als einkommensteuerpflichtig bezeichnet wurde und auch über der steuerfreien „Übungsleiterpauschale“ nach dem Einkommensteuerrecht lag.
Verbotene Kinderarbeit nicht gegeben
Dass der Spieler bei dem Unfall noch keine 16 Jahre alt war, stand der Einstufung als „Beschäftigter“ nicht entgegen. Insbesondere lag keine verbotene Kinderarbeit vor, weil er die Vollzeitschulpflicht nach baden-württembergischem Landesrecht erfüllt hatte. Ebenso schließen die Regelungen des DFB nicht aus, dass bereits ein 15-jähriger Fußballspieler ein Beschäftigter ist. Zwar kann er frühestens ab dem 16. Geburtstag eine Spielerlaubnis für eine Lizenzmannschaft oder erste Herrenmannschaft erhalten. Diese bloße Möglichkeit ändert aber nicht die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere, wenn der Spieler mitten in einer laufenden Saison 16 wird. Sie schließt nicht aus, dass schon zuvor eine Beschäftigung vorlag. Für die Entscheidung war danach nicht die Grenze zu den Lizenzmannschaften maßgeblich, sondern die Grenze zwischen Vereinsamateuren und Vertragsspielern.
Die Entscheidung des LSG, wenn sie rechtskräftig wird, bedeutet, dass die zuständige Berufsgenossenschaft den Unfall entschädigen muss. Denn es handelt sich um einen Unfall infolge einer versicherten Tätigkeit und damit um einen Arbeitsunfall.
Quelle | LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.1.2025, L 9 U 3318/23, PM des LSG
| Das Verschenken von Geschäftsanteilen an leitende Mitarbeiter zur Sicherung der Unternehmensnachfolge führt nicht ohne Weiteres zu steuerpflichtigem Arbeitslohn bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. So lautet eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Beachten Sie | Wird eine Mitarbeiterbeteiligung nicht zum Marktpreis übertragen, liegt der geldwerte Vorteil in der gegenüber dem marktüblichen Preis bestehenden verbilligten Übertragung. Arbeitslohn setzt aber weiter voraus, dass der Vorteil dem Arbeitnehmer „für“ seine Arbeitsleistung gewährt wird.
Das war geschehen
Die Arbeitnehmerin war seit vielen Jahren in der Führungsebene eines kleineren Unternehmens tätig. Da der Sohn der Gründungsgesellschafter als Nachfolger ausschied, beschlossen sie, die Leitung des Unternehmens zur Sicherung der Unternehmensfortführung in die Hände der Arbeitnehmerin und der weiteren Mitglieder der Führungsebene zu legen. Hierzu übertrugen sie jeweils 5,08 % der Anteile schenkweise an die Arbeitnehmerin sowie vier weitere Personen.
Finanzamt und gerichtliche Instanzen unterschiedlicher Auffassung
Das Finanzamt sah den in der Übertragung liegenden geldwerten Vorteil als Arbeitslohn an und unterwarf diesen der Besteuerung. Demgegenüber entschied das Finanzgericht (FG) Sachsen-Anhalt, dass sich der Vorteil aus der Übertragung der Gesellschaftsanteile nicht als Ertrag der nichtselbstständigen Arbeit der Angestellten darstellt. Dies hat der BFH nun bestätigt.
Regelung der Unternehmensnachfolge stand im Vordergrund
Auch, wenn die Anteilsübertragung mit dem Arbeitsverhältnis der Angestellten zusammenhängt, ist sie durch dieses nicht (maßgeblich) veranlasst. Denn entscheidendes Motiv für die Übertragung war für alle Beteiligten erkennbar die Regelung der Unternehmensnachfolge.
Beachten Sie | Der in der schenkweisen Übertragung aus gesellschaftsrechtlichen Gründen liegende Vorteil stellt in dieser Situation keine Entlohnung der leitenden Mitarbeiter für in der Vergangenheit erbrachte oder in Zukunft zu erbringende Dienste dar.
Als maßgebliche Indizien gegen Arbeitslohn sah der BFH auch folgende Aspekte an:
- Die Anteilsübertragung war im Streitfall nicht an den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geknüpft.
- Der vom Finanzamt angenommene Vorteil fiel im Vergleich zu den Bruttoarbeitslöhnen der Beschenkten deutlich aus dem Rahmen.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.11.2024, VI R 21/22, PM 4/25 vom 16.1.2025
| Seit dem 1.1.2025 kann die Kleinunternehmerregelung auch erstmalig im EU-Ausland in Anspruch genommen werden. Die Voraussetzungen hierfür regelt das Umsatzsteuergesetz (hier: § 19 a UstG: „Besonderes Meldeverfahren für die Anwendung der Steuerbefreiung in einem anderen Mitgliedstaat“). Weitere Informationen finden interessierte Unternehmer auch im Onlineportal des für dieses Verfahren zuständigen Bundeszentralamts für Steuern (BZSt). |
Von inländischen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze sind von der Umsatzsteuer befreit. Im Zuge des Jahressteuergesetzes 2024 erfolgten viele Anpassungen am bisherigen System. Zudem kann die Kleinunternehmerregelung nun auch erstmals im EU-Ausland beansprucht werden (sogenannte Europäische-Kleinunternehmerregelung, kurz EU-KU-Regelung).
In Deutschland ansässige Unternehmer, die an der EU-KU-Regelung teilnehmen möchten, müssen ihre Teilnahme beim BZSt elektronisch beantragen. In diesem Antrag kann der Unternehmer sich für die Regelung registrieren und auswählen, in welchen EU-Mitgliedstaaten er die Regelung in Anspruch nehmen möchte.
Beachten Sie | Für die Antragstellung in Deutschland steht ausschließlich das Onlineportal des BZSt zur Verfügung.
Die Teilnahme an der Regelung ist ab dem Tag möglich, an dem der Unternehmer für die EU-KU-Regelung durch das BZSt zugelassen und damit zum Verfahren registriert wird.
Für die EU-KU-Regelung registrierte Unternehmer können nur im Onlineportal des BZSt Anpassungen zu Registrierung und Teilnahme an der EU-KU-Regelung vornehmen, z. B. Registrierungsdaten ändern, Umsatzmeldungen übermitteln und sich vom Verfahren abmelden.
Quelle | BZSt
| Das Verwaltungsgericht (VG) Osnabrück hat den Antrag der Betreiberin eines „Automatenshops“ auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer noch anhängigen Klage abgelehnt. Hintergrund ist eine Anordnung der Stadt Papenburg, nach der die Antragstellerin ihre in dem „Automatenshop“ befindlichen Verkaufsautomaten an Sonn- und Feiertagen höchstens drei Stunden außerhalb der ortsüblichen Gottesdienstzeiten betreiben darf. |
„Automatenshop“ mit elf Automaten
Der streitgegenständliche „Automatenshop“ verfügt über elf Automaten, die Rauchwaren, Hygieneartikel, alkoholfreie und alkoholhaltige Getränke sowie Snacks anbieten. Außerdem befinden sich in dem Raum, der durchgehend zugänglich und videoüberwacht ist, ein Kaffee‑, ein Box- und ein Schlagkraftautomat („Hau den Lukas“) sowie ein Airhockeytisch.
Die Stadt Papenburg meint, dass der „Automatenshop“ hinsichtlich der Öffnungszeiten den Regelungen des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten (NLöffVZG) unterliege. Folglich müsse sich die Antragstellerin an das grundsätzliche Verbot der Sonn- und Feiertagsöffnung halten. Die Behörde ordnete die sofortige Vollziehung ihrer Anordnung an. Der hiergegen gerichtete Eilantrag hatte keinen Erfolg.
Anordnung wohl rechtmäßig
Das VG folgte hier dem Vortrag der Antragsgegnerin. So sei die o. g. Anordnung voraussichtlich rechtmäßig. Zwar falle ein einzelner Warenautomat nicht unter die Regelungen des NLöffVZG. Der streitgegenständliche „Automatenshop“ mit elf Warenautomaten sei allerdings als Verkaufsstelle im Sinne des § 1 Abs. 1 Alt. 1, § 2 Abs. 1 S. 1 NLöffVZG anzusehen. So sei der Shop eine Einrichtung, in der von einer festen Stelle aus ständig Waren verkauft werden. Nach § 2 Abs. 1 S. 2 NLöffVZG gehören zu Verkaufsstellen außer Ladengeschäften aller Art auch Kioske. Einem solchen ähnele der „Automatenshop“.
Sonn- und Feiertagsruhe beeinträchtigt
Es sei hier unerheblich, dass kein persönlicher Verkauf stattfinde. Die grundgesetzlich geschützte Sonn- und Feiertagsruhe sei durch das Angebot dennoch beeinträchtigt. Der Niedersächsische Gesetzgeber habe – bisher – nicht deutlich gemacht, dass automatisierte oder digitale Verkaufsstellen nicht unter diese Regelung fallen sollen.
Weitere Anordnung
Die Stadt Papenburg hatte darüber hinaus mit einer weiteren Anordnung die Antragstellerin aufgefordert, eine Gaststättenanzeige einzureichen, sofern sie über ihre Automaten weiterhin Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle anbiete. Die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme wurde ebenfalls angeordnet. Dem hiergegen eingereichten Eilantrag gab das VG mit weiterem Beschluss statt.
So sei nach der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der streitgegenständliche „Automatenshop“ nicht dem Gaststättengewerbe zuzuordnen. Die Einrichtung vermittele nach Aktenlage vielmehr den Eindruck, dass die weit überwiegende Anzahl der Verkaufsgeschäfte mit dem Ziel der Mitnahme erfolge. Insofern sei der Antragstellerin darin beizupflichten, dass der Raum insbesondere wegen des Fehlens von Sitz- oder Abstellmöglichkeiten im Kern keine Anreize setze, sich längerfristig zum Getränkeverzehr dort aufzuhalten, auch wenn er zudem über Vergnügungsautomaten verfüge.
Quelle | VG Osnabrück, Beschluss vom 14.1.2025, 1 B 61/24 und 1 B 79/24, PM 1/25
| Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden: Wer einen Immobilienkredit nur gegen eine Provision gewährt, muss eindeutig angeben, ob die Provision von der Laufzeit des Kredits abhängig ist oder nicht. Fehlt es an dieser Angabe, ist von der Abhängigkeit von der Laufzeit auszugehen. |
Das kann erhebliche Konsequenzen haben. Die Kreditnehmerin hatte für die Gewährung des Kredits eine Provision zu zahlen. Weit vor dem Ablauf der gewährten Laufzeit zahlte sie den Kredit dann allerdings zurück. Zugleich verlangte sie nun anteilig die Provision zurück – zu Recht, wie der EuGH annahm.
Der EuGH: In der fehlenden Belehrung über den Umstand der Unabhängigkeit der Provision von der Laufzeit liegt eine unangemessene Benachteiligung jedenfalls eines Verbrauchers.
Quelle | EuGH, Urteil vom 17.10.2024, C-76/22
| Gewähren Luftfahrtunternehmen ihren Arbeitnehmern unentgeltlich oder verbilligt Flüge, ist der geldwerte Vorteil daraus zu versteuern. Für die Bewertung gelten besondere Regeln. Ein aktueller koordinierter Ländererlass regelt die Bewertung für 2025. |
Der Wert der Flüge kann grundsätzlich gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 8 Abs. 2 oder Abs. 3 EStG) mit einem Rabattfreibetrag in Höhe von 1.080 Euro im Kalenderjahr ermittelt werden.
Beachten Sie | In den Fällen der Bewertung nach § 8 Abs. 2 EStG können die Flüge mit Durchschnittswerten angesetzt werden. Dabei kommt es u. a. auf die Flugkilometer an und darauf, ob Beschränkungen im Reservierungsstatus bestehen.
Quelle | Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 16.12.2024
| Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung, die der Erblasser bereits zu Lebzeiten an ein Bestattungsunternehmen abgetreten hat, erhöhen als Sachleistungsanspruch der Erben den Nachlass. Im Gegenzug sind jedoch die Bestattungskosten in vollem Umfang als Nachlassverbindlichkeiten steuermindernd zu berücksichtigen. In einem weiteren Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) Folgendes klargestellt: Verzichtet ein Kind gegenüber einem Elternteil auf seinen gesetzlichen Erbteil, hat dieser Verzicht nicht zur Folge, dass beim Versterben des Elternteils die Enkel des Erblassers den Freibetrag i. H. von 400.000 Euro erhalten. Vielmehr erhält der Enkel nur einen Freibetrag i. H. von 200.000 Euro. |
Urteil 1: Bestattungskosten bei Sterbegeldversicherung
Über folgenden Fall musste der BFH jüngst entscheiden: Der Kläger und seine Schwester sind Erben ihrer verstorbenen Tante (Erblasserin). Diese hatte eine Sterbegeldversicherung abgeschlossen und das Bezugsrecht an ein Bestattungsunternehmen zur Deckung ihrer Bestattungskosten abgetreten. Nach dem Tod stellte das Bestattungsinstitut für seine Leistungen einen Betrag i. H. von 11.654 Euro in Rechnung. Davon bezahlte die Sterbegeldversicherung 6.864 Euro.
Das Finanzamt setzte gegen den Kläger Erbschaftsteuer fest und rechnete den Sachleistungsanspruch auf Bestattungsleistungen (6.864 Euro) zum Nachlass. Für die geltend gemachten Nachlassverbindlichkeiten (einschließlich der Kosten für die Bestattung) setzte es nur die Pauschale für Erbfallkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i. H. von 10.300 Euro an. Die nach dem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) Münster als unbegründet zurück.
Der BFH hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Aufgrund der von der Erblasserin abgeschlossenen Sterbegeldversicherung ist ein Sachleistungsanspruch in Bezug auf die Bestattung auf die Erben übergegangen. Dieser fiel (wie das FG zutreffend entschieden hat) in Höhe der Versicherungsleistung von 6.864 Euro in den Nachlass und erhöhte die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer.
Im Unterschied zum FG ist der BFH aber der Meinung, dass die Bestattungskosten nicht nur in Höhe der Pauschale von 10.300 Euro abzugsfähig sind. Sie sind vielmehr in vollem Umfang als Nachlassverbindlichkeiten bei der Bemessung der Erbschaftsteuer steuermindernd zu berücksichtigen. Da die Feststellungen des FG nicht ausreichten, um die Höhe der insgesamt zu berücksichtigenden Nachlassverbindlichkeiten zu bestimmen, wurde das Verfahren zurückverwiesen.
Beachten Sie | Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde der Erbfallkostenpauschbetrag von 10.300 Euro auf 15.000 Euro erhöht. Nach der Gesetzesbegründung soll so ein individueller Kostennachweis in der Mehrzahl der Fälle vermieden werden können. Die Erhöhung gilt für Erwerbe, für die die Steuer ab dem Monat entsteht, der der Gesetzesverkündung folgt.
Urteil 2: Freibeträge
Hintergrund: Je näher das verwandtschaftliche Verhältnis ist, umso höher ist bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer der Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG. So gelten für Kinder 400.000 Euro. Dieser Betrag gilt auch für die Enkelkinder, sofern die Kinder des Erblassers bereits vorher gestorben sind. Bei Enkeln, deren Eltern noch leben, beträgt der Freibetrag 200.000 Euro.
Im Streitfall hatte der Vater des Klägers gegenüber seinem eigenen Vater (dem Großvater des Klägers) vertraglich auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet. Als der Großvater verstarb, wurde sein Enkel gesetzlicher Erbe. Dieser beantragte beim Finanzamt, ihm für die Erbschaft einen Freibetrag i. H. von 400.000 Euro zu gewähren. Das Finanzamt bewilligte aber nur einen Freibetrag i. H. von 200.000 Euro, da sein eigener Vater zwar auf seinen gesetzlichen Erbteil verzichtet hatte, aber beim Tod des Großvaters noch lebte.
Die Klage vor dem FG Niedersachsen war ebenso erfolglos wie die Revision beim BFH.
Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG benennt als Empfänger des höheren Freibetrags „Kinder verstorbener Kinder“. Diese Formulierung ist dahingehend zu verstehen, dass die Kinder des Erblassers tatsächlich verstorben sind. Die Vorversterbensfiktion des § 2346 Abs. 1 S. 2 BGB bewirkt nicht, dass das erbverzichtende Kind als „verstorbenes Kind“ im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG gilt und dessen Abkömmlinge den Freibetrag i. H. von 400.000 Euro erhalten.
Die Freibetragsregelungen sollen die Abkömmlinge der ersten Generation (Kinder) begünstigen. Bei den Enkeln hat der Gesetzgeber die familiäre Verbundenheit nicht als so eng angesehen und gewährt somit einen geringeren Freibetrag (200.000 Euro). Lediglich, wenn die eigene Elterngeneration vorverstorben ist, sieht der Gesetzgeber die Großeltern für das Auskommen der „verwaisten Enkel“ in der Pflicht und gewährt ihnen den höheren Freibetrag von 400.000 Euro.
Beachten Sie | Eine Ausdehnung des höheren Freibetrags auf Kinder, die nur vom Gesetz als verstorben angesehen werden, die aber tatsächlich bei Tod des Großelternteils noch leben, hat der Gesetzgeber nicht gewollt.
Quelle | Nachlassverbindlichkeiten: BFH, Urteil vom 10.7.2024, II R 31/21, PM 43/24 vom 14.11.2024; Freibeträge: BFH, Urteil vom 31.7.2024, II R 13/22, PM 41/24 vom 14.11.2024
| Wird ein zur Finanzierung eines vermieteten Grundstücks aufgenommenes Darlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung getilgt, ist die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften ausVermietung und Verpachtung abziehbar. Das gilt zumindest dann, wenn das Grundstück weiterhin zur Vermietung genutzt wird. |
Das war geschehen
Eheleute erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus insgesamt fünf Vermietungsobjekten. Dazu gehörten die Objekte X1 und X2.
Für die im Jahr 2013 erfolgte Anschaffung der beiden Objekte nahmen die Eheleute zwei Darlehen auf. Ein Darlehen über 200.000 Euro diente der Finanzierung des Objekts X1. Mit dem anderen Darlehen über 195.000 Euro wurde das Objekt X2 finanziert. Eine den Eheleuten ebenfalls gehörende Immobilie Y diente der Bank als Zusatzsicherheit. Die Immobilie Y wurde von den Eheleuten zunächst selbst bewohnt und diente anschließend zur Erzielung von Vermietungseinkünften.
Im Streitjahr 2020 veräußerten die Eheleute die Immobilie Y. Im Zuge dieser Veräußerung lösten sie auch die beiden Darlehen für die Objekte X1 und X2 ab. Denn die Bank war nicht bereit, den Wegfall des „Sicherungsobjekts Y“ hinzunehmen oder durch eine andere Sicherung zu ersetzen. Dafür fielen Vorfälligkeitsentschädigungen an (4.338 Euro und 4.280 Euro).
In der Steuererklärung für 2020 wich das Finanzamt von den Angaben der Eheleute ab, u. a. berücksichtigte es die Vorfälligkeitsentschädigungen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, weil die Vorfälligkeitsentschädigungen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung der Immobilie Y stünden. Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen sah das aber anders.
Finanzgericht: Auch Vorfälligkeitsentschädigungen sind Schuldzinsen
Schuldzinsen sind als Werbungskosten abzugsfähig, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Der Begriff der Schuldzinsen umfasst auch eine zur vorzeitigen Ablösung eines Darlehens gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung. Denn Vorfälligkeitsentschädigungen sind ein Nutzungsentgelt für das auf die verkürzte Laufzeit in Anspruch genommene Fremdkapital. Wird ein zur Finanzierung eines vermieteten Grundstücks aufgenommenes Darlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung getilgt, das Grundstück jedoch weiterhin zur Vermietung genutzt, ist die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.
Im Streitfall standen die beiden Darlehen niemals in einem Veranlassungszusammenhang mit dem Objekt Y. Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Rechtsprechung einen Veranlassungszusammenhang der Vorfälligkeitszinsen mit einer Veräußerung des Grundbesitzes sieht, betrifft dies Fälle, in denen es um die Veräußerung des mit den Darlehen finanzierten Grundbesitzes geht.
Dies trifft für das Objekt Y jedoch nicht zu. Denn für dieses Objekt wurden die Darlehen ursprünglich nicht aufgenommen. Und durch die Veräußerung des nur als Sicherungsobjekt dienenden Grundstücks Y hat sich der Veranlassungszusammenhang nicht geändert.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 30.10.2024, 3 K 145/23; BFH, Urteil vom 11.2.2014, IX R 42/13
| Bei einem (echten) Verkehrsunfall muss die Haftpflichtversicherung für die Schäden aufkommen. Aber was ist, wenn die Versicherung von einer Unfallmanipulation ausgeht? Dann muss sie beweisen, dass der Geschädigte mit dem „Unfall“ einverstanden war. Das Landgericht (LG) Lübeck hat eine solche Manipulation kürzlich verneint und die Versicherung zur Zahlung verurteilt. |
War der Unfall manipuliert?
Ein junger Mann feierte eine Party im Hause der Eltern. Um zwei Uhr nachts fuhr ein Gast rückwärts gegen das Auto des Gastgebervaters. Der Vater forderte die Haftpflichtversicherung zum Schadenersatz auf, doch die weigerte sich. Sie meinte, der Gast sei – in Absprache mit dem Gastgeber – absichtlich gegen das Auto gefahren, um die Versicherungssumme zu kassieren.
Landgericht: Es gab keine Verabredung zum Unfall
Das Gericht hat entschieden, dass die Versicherung die Schäden ersetzen muss. Der Fahrer und weitere Partygäste wurden zu dem Vorfall befragt und ein technischer Sachverständiger hinzugezogen. Daraus habe sich ergeben, dass der Fahrer aus Versehen gegen das Auto des Vaters gefahren sei und es gerade keine Verabredung zu einem manipulierten Unfall gegeben habe.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Lübeck, Urteil vom 26.9.2024, 3 O 193/22, PM vom 11.11.2024
| Bei kleinen unfallbedingten Schäden darf der Geschädigte einen Schadengutachter einschalten. Wenn der statt eines umfassenden Gutachtens ein dem Schadenumfang angepasstes „schmales“ Produkt zu einem Preis von ca. 100 Euro erstellt, ist das in Ordnung. So entschied aktuell das Amtsgericht (AG) Münster. |
Das AG: Weder sei ein Kostenvoranschlag generell kostenlos noch sei es sicher, dass die Werkstatt die Kosten dafür später verrechnet.
Das AG Münster weiter: Bei Schäden am Stoßfänger kann es auch sachgerecht sein, diesen demontieren zu lassen, um darunter liegende Schäden auszuschließen. Die dafür entstehenden Kosten muss ebenfalls der Schädiger erstatten.
Quelle | AG Münster, Urteil vom 12.9.2024, 8 C 477/24
| Jeder Fahrgast ist verpflichtet, sich in einem Linienbus festzuhalten. Diesen Grundsatz hat das Amtsgericht (AG) München jetzt noch einmal bekräftigt. |
Bus machte Vollbremsung
Der zum Unfallzeitpunkt 76-jährige Kläger fuhr als Fahrgast in einem Busanhänger eines Busses . Das Busgespann fuhr auf der Rechtsabbiegespur auf eine rote Ampel zu, als ein PKW kurz vor diesem auf dieselbe Abbiegespur wechselte, weshalb der Busfahrer eine Vollbremsung durchführte.
Der Kläger behauptete, er sei hierdurch gestürzt und habe Prellungen im Bereich der Brustwirbelsäule und des Beckens erlitten, zudem sei sein Daumensattelgelenk überdehnt worden. Er habe vier Wochen unter Schmerzen gelitten und sei bis heute nicht beschwerdefrei. Vor dem AG verklagte er den Fahrer des überholenden PKW sowie dessen Versicherung auf Zahlung von 2.000 Euro Schmerzensgeld sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Vollständiges Mitverschulden des Fahrgasts
Das AG wies die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme ab. Es ging zwar davon aus, dass die Fahrweise des beklagten PKW-Fahrers zum Sturz des Klägers beigetragen habe und dass die StVO ihm für den Spurwechsel ein Höchstmaß an Sorgfaltspflicht auferlege, gegen die er verstoßen habe. Die Haftung des PKW-Fahrers sei jedoch aufgrund des vollständigen Mitverschuldens des Klägers ausgeschlossen. Denn jeder Fahrgast sei verpflichtet, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen. Dies diene dem Schutz der Fahrgäste.
Die klägerseits eingenommene stehende Position war nicht geeignet, um bei einer Bremssituation gesichert zu sein. Vorliegend zeigte nämlich ein Video der Businnenkamera, dass der Kläger sich lediglich mit der linken Hand an dem Handlauf festhielt und seine rechte Hand auf dem mitgeführten Einkaufstrolley ruhte. Die Stabilisierung mit der linken Hand sei zu schwach, um ruckartige Bremsungen auszugleichen. Der Trolley biete keinen Halt, da er selbst bei der Vollbremsung herumgewirbelt wird, wie auf dem Video zu sehen sei. Der Trolley stellte eher eine Behinderung dar, weil der Kläger ihn auch während des Sturzes nicht losließ und sich daher auch mit der rechten Hand keinen festen Halt suchte.
Weitere Fahrgäste kamen nicht zu Fall
Dies zeige sich auch daran, dass keine anderen Passagiere im Rahmen der Vollbremsung stürzten, soweit auf den eingesehenen Videos der Businnenkamera zu sehen ist. Vielmehr hielt sich z. B. eine ältere Dame, die einen der Sitzplätze direkt hinter dem Kläger belegt hatte, an der dortigen Stange fest und rutschte (im Gegensatz zu ihrer Tasche) nicht von ihrem Sitz.
So sei dem Kläger – auch aufgrund seines Alters und des Mitführens des Trolleys – vorzuwerfen, dass er sich nicht hingesetzt hat. Wie auf dem Video zu sehen sei, waren ausreichend Sitzplätze vorhanden, auch wenn der Kläger das Gegenteil behauptete. Direkt hinter dem Kläger sei z. B. ein Sitzplatz frei gewesen, der überdies eine Haltestange zum Festhalten geboten hätte.
Vollbremsung nicht überraschend
Es habe sich hier auch nicht um eine völlig überraschende – wenn auch heftige – Vollbremsung gehandelt, da im Stadtverkehr regelmäßig mit heftigen Bremsungen gerechnet werden müsse. Hinzu komme, dass der Bus unstreitig bereits ca. 50 m vorher leicht gebremst hatte, wodurch der Kläger hätte feststellen können, dass seine Position ihm einen ungenügenden Halt verschaffte.
Quelle | AG München, Urteil vom 18.10.2024, 338 C 15281/24, PM 35/24
| Ob ein Partner trotz Kontaktverbots nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) an einer WhatsApp-Gruppe teilnehmen darf, der auch seine frühere Lebensgefährtin angehört, hängt von der Größe der Gruppe ab. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm. |
Annäherung mittels Fernkommunikationsmitteln untersagt
Gegenüber dem ehemaligen Lebensgefährten einer Frau bestand ein Näherungs-, Abstands- und Kontaktverbot nach dem GewSchG. Er durfte sich mit dieser danach auch nicht mittels Fernkommunikationsmitteln in Verbindung setzen. Die Frau wandte sich gerichtlich u. a. dagegen, dass der Mann eine WhatsApp-Nachricht „Da kann sie wieder lachen“ in eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe einer Laufgruppe abgesetzt hatte. Das AG sah darin einen Verstoß gegen o. g. Verbot. Dieses umfasse jede Kommunikation mit der Frau über soziale Medien.
Das OLG widersprach dem AG. Es sei vielmehr zwischen kleinen und größeren WhatsApp-Gruppen zu differenzieren. Im konkreten Fall verneinte es daher einen Verstoß gegen das Kontaktverbot und stellte fest, dass nicht generell ein Verstoß gegen das Kontaktverbot angenommen werden kann, wenn etwas in einer gemeinsamen WhatsApp-Gruppe gepostet wird. Jenseits persönlich an die verletzte Person gerichteter Nachrichten sei vielmehr danach zu differenzieren, ob es sich um Gruppen von drei bis vier Teilnehmern handelt, oder um eine größere Gruppe.
So sind größere WhatsApp-Gruppen zu beurteilen
Bei größeren Gruppen trete die mit einem Post stets auch verbundene persönliche Ansprache des einzelnen Mitglieds meist so in den Hintergrund, dass ein grundsätzliches Verbot, Nachrichten an die Gruppe zu schicken, zum Schutz vor Nachstellungen und Belästigungen nicht erforderlich ist. Würde man alle Aktivitäten in einer WhatsApp-Gruppe verbieten, würde die Handlungsfreiheit des Betroffenen zu sehr eingeengt. Das OLG hob hervor, dass der Mann hier die Frau auch nicht persönlich angesprochen hatte.
Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 24.9.2024, 13 WF 105/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Revisionen zweier Angeklagter gegen ein Urteil des Landgerichts (LG) Mönchengladbach verworfen, mit dem sie jeweils wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu Geldstrafen von 180 Tagessätzen verurteilt worden sind. |
Nach den vom LG getroffenen Feststellungen nahm die später verstorbene, damals 13-jährige und an Diabetes mellitus Typ I erkrankte Schülerin E. an einer mehrtägigen, klassen- und jahrgangsübergreifenden Studienfahrt ihrer Schule nach London teil. Die beiden Angeklagten, die an der Schule als Lehrkräfte unterrichteten, waren gleichberechtigt für die Organisation und Durchführung der Fahrt zuständig. Ihnen war weder die später Verstorbene noch deren Erkrankung bekannt. Sie nahmen keinen Einblick in die Schulakten, in denen die Erkrankung der Schülerin vermerkt war, informierten sich hierüber nicht bei den damaligen Klassen- und Fachlehrern und fragten chronische Vorerkrankungen nicht schriftlich ab. E. erbrach sich in London mehrfach, klagte über Kopfschmerzen und Übelkeit, war müde und körperlich geschwächt. Obwohl zwei Mitschülerinnen die beiden Angeklagten mehrfach auf den fortdauernd schlechten Gesundheitszustand von E. hinwiesen, hielten diese keine Nachschau. E. verstarb noch in London an einem Herzinfarkt in Folge einer schweren diabetischen Stoffwechselentgleisung.
Die durch die Sachrügen der Angeklagten veranlasste Überprüfung des Urteils durch den BGH hat einen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil nicht erkennen lassen. Das LG hat insbesondere rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Angeklagten gegen die ihnen obliegende Sorgfalt objektiv und subjektiv verstießen. Die erhobenen Verfahrensrügen sind ebenfalls erfolglos geblieben. Das Verfahren ist damit rechtskräftig abgeschlossen.
Quelle | BGH, Beschluss vom 18.12.2024, 3 StR 292/24, PM 6/25
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen hat jetzt die Stadt Gelsenkirchen verpflichtet, einen sogenannten „Behindertenparkplatz“ vor der Wohnung eines schwerbehinderten Mannes einzurichten. |
Kläger hatte außergewöhnliche Gehbehinderung
Der 77-jährige Kläger ist schwerbehindert mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung. Für derart eingeschränkte Personen sieht die Straßenverkehrsordnung (hier: § 45 Abs. 1 b) Nr. 2 StVO) die Möglichkeit vor, einen sogenannten „Behindertenparkplatz“ auszuweisen. In der unmittelbaren Nähe zur Wohnung kann dies auch personenbezogen („Mit Ausweis Nr…“) erfolgen.
Voraussetzung ist allerdings neben dem Umstand, dass in dem Bereich nicht ausreichend freie Parkplätze auf der öffentlichen Straße vorhanden sind und dass die betroffene Person keine anderweitige Möglichkeit zum Abstellen außerhalb des öffentlichen Straßenraums hat – etwa eine Garage oder Stellplatz auf dem Grundstück. Zwar verfügt das Haus des Klägers über eine Garage. Der Kläger hat aufgrund seiner Behinderung jedoch keine Möglichkeit, von der im Keller gelegenen Garage in seine Wohnung zu kommen, da er weder die Zufahrtsrampe noch eine im Gebäude befindliche schmale und steile Treppe bewältigen kann. Er kann deshalb die Garage nicht nutzen. Auch die Zufahrt zur Garage ist nicht dazu geeignet, das Fahrzeug abzustellen, da sie zu steil und zu schmal ist.
So sah es die beklagte Stadt
Die beklagte Stadt Gelsenkirchen verwies den Kläger darauf, sein Fahrzeug parallel zur Fahrbahn auf der Straße vor der Garageneinfahrt abzustellen. Aufgrund des vor der Einfahrt nach den allgemeinen Vorschriften der StVO geltenden Parkverbots dürfe außer ihm niemand dort parken.
So sah es das Verwaltungsgericht
Dieser Auffassung konnte sich das VG nicht anschließen. Unabhängig davon, ob der vom Parkverbot erfasste Platz für das Abstellen eines Pkw ausreichen würde (die eigentliche Einfahrt ist nur 3 m breit), darf im konkreten Fall auch der Kläger nicht vor seiner Einfahrt parken. Denn für die Zufahrt ist der Bordstein abgesenkt, sodass dort ein generelles Parkverbot gilt, das auch den Inhaber der Garage erfasst. Dieses Parkverbot dient nämlich nicht nur der Sicherung der Zufahrtsmöglichkeit zur Garage, sondern auch dem Interesse gehbehinderter Menschen daran, den Gehweg – etwa zum Überqueren der Straße – verlassen zu können. Der Kläger muss sich daher nach Auffassung des VG nicht darauf verweisen lassen, dass die Stadt die durch ihn begangene Ordnungswidrigkeit nicht verfolgt. Ihm steht aufgrund der Umstände des Einzelfalls vielmehr ein Anspruch auf die Ausschilderung eines „rechtssicheren“ Sonderparkplatzes zu.
Quelle | VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5.11.2024, 14 K 1401/24, PM vom 7.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat u. a. entschieden: Als Familienangehörige im Sinne der Eigenbedarfskündigung sind ausschließlich die Personen anzusehen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen nach der Zivilprozessordnung oder der Strafprozessordnung (hier: § 383 ZPO, § 52 StPO) zusteht. Cousins zählen hierzu nicht. |
Das war geschehen
Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, begehrt nach Ausspruch einer Kündigung wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter von den Beklagten die Räumung und Herausgabe einer an diese vermieteten Wohnung. Die Klägerin hatte das Gebäude, in dem sich die Wohnung befindet, nach deren Überlassung an die Beklagten erworben und ist dadurch als Vermieterin in das bestehende Mietverhältnis eingetreten. Zum damaligen Zeitpunkt hatte die Klägerin zwei Gesellschafter, die Cousins waren.
Die Beklagten haben die Kündigung für unwirksam gehalten und sich hierbei auf die Kündigungsbeschränkung des Bürgerlichen Gesetzbuchs berufen (hier: § 577 a Abs. 1 a S. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 der Kündigungsschutzklausel-Verordnung des Landes Berlin vom 13.8.13). Hiernach kann sich eine Personengesellschaft, an die vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter veräußert worden ist, erst nach Ablauf von zehn Jahren seit der Veräußerung für eine Kündigung der Wohnung gegenüber dem Mieter auf berechtigte Interessen berufen. Diese Kündigungsbeschränkung gilt indes nicht, wenn die im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs vorhandenen Gesellschafter derselben Familie angehörten. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass dies (auch) bei Cousins der Fall sei und deshalb die Kündigungsbeschränkung im Streitfall nicht eingreife.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: Den Begriffen „Familie“ und „Familienangehörige“ in den hier maßgeblichen Vorschriften kommt dieselbe Bedeutung zu. Hiervon sind ausschließlich die Personen umfasst, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen zusteht. Ein entfernterer Verwandter, der – wie ein Cousin – nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, gehört somit auch dann nicht zu dem privilegierten Personenkreis, wenn zwischen ihm und dem Vermieter eine enge persönliche Bindung besteht. Ebenso gilt die Privilegierung selbst im Fall einer engen persönlichen Verbundenheit zwischen den Mitgesellschaftern nicht, wenn das Verwandtschaftsverhältnis zwischen ihnen so entfernt ist, dass es sie nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt.
Der vom Gesetzgeber bezweckten Privilegierung von Familienangehörigen in den o. g. Vorschriften liegt eine typisierende Betrachtungsweise dahingehend zugrunde, dass zwischen den hiervon umfassten Personen aufgrund einer familiären Beziehung eine besondere persönliche Nähebeziehung anzunehmen ist. Vor diesem Hintergrund bedarf es für den vom Gesetzgeber privilegierten Personenkreis des (zusätzlichen) Vorliegens eines konkreten, tatsächlichen Näheverhältnisses nicht. Auch scheidet eine Erweiterung dieses geschützten Personenkreises aufgrund einer einzelfallbezogenen Prüfung des Vorliegens einer besonderen sozialen Nähe angesichts der dem Gesetz zugrunde liegenden typisierenden Betrachtungsweise aus.
Entscheidend ist damit letztlich, für welchen Personenkreis der Gesetzgeber durch die Verwendung des Begriffs der „Familie“ eine typischerweise vorliegende besondere soziale Bindung angenommen hat. Er hat eine solche Bewertung im Rahmen der auf der persönlichen Nähebeziehung und Verbundenheit gründenden Gewährung eines Zeugnisverweigerungsrechts aus persönlichen Gründen vorgenommen. Dort hat er objektive Kriterien nach dem Grad der familiären Beziehung aufgestellt und hierdurch den Personenkreis definiert, innerhalb dessen nach seiner Auffassung typischerweise eine persönliche Nähebeziehung besteht. Es ist sachgerecht, diese gesetzgeberischen Wertungen auch für die ebenfalls in der persönlichen Verbundenheit begründeten Privilegierungen von Familienangehörigen in den hier einschlägigen mietrechtlichen Bestimmungen heranzuziehen. Cousins sind (nur) Verwandte in der Seitenlinie im vierten Grad. Ihnen steht ein Zeugnisverweigerungsrecht (nach §383 ZPO, § 52 StPO) nicht zu. Sie gehören somit nicht zu derselben Familie im Sinne des § 577 a Abs. 1 a S. 2 BGB.
Quelle | BGH, Urteil vom 10.7.2024, VIII ZR 276/23, PM 145/24
| Wird einem Wohnungsmieter fristgerecht gekündigt, weil dieser mit der Mietzahlung in Rückstand geraten ist, lässt sich diese Kündigung nicht ohne Weiteres dadurch aus der Welt schaffen, dass der Mietrückstand nachträglich noch ausgeglichen wird. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal in einem aktuellen Urteil entschieden. Das LG hat die Mieterin zum Auszug aus der Wohnung verpflichtet, obwohl sie im laufenden Räumungsverfahren die offenen Mieten noch ausgeglichen hatte. |
Mieterin zahlte zwei Monatsmieten nicht
Im konkreten Fall klagten die Vermieter zunächst vor dem AG gegen ihre Mieterin auf Räumung der Mietwohnung. Vorausgegangen war eine Kündigung, die sie zur Sicherheit zweifach erklärt hatten: zum einen fristlos – aus wichtigem Grund -, zusätzlich aber auch fristgerecht wegen Verletzung der vertraglichen Zahlungspflicht. Beide Kündigungen begründeten die Vermieter u. a. damit, dass zwei Monatsmieten nicht bezahlt wurden.
Die Mieterin bestritt dies nicht und zahlte die beiden offenen Mieten schließlich während des laufenden Gerichtsverfahrens vollständig. Sie berief sich nun darauf, dass die Kündigung infolge der Zahlung unwirksam geworden sei. Das AG folgte dem nicht und verurteilte die Mieterin zur Räumung der Mietwohnung.
Zu Recht gekündigt
Die dagegen gerichtete Berufung zum LG hatte keinen Erfolg. Das LG bestätigte, dass die Kündigung wegen der rückständigen Mieten zu Recht erfolgt sei. Im Zeitpunkt der Kündigung sei die Mieterin mit zwei Monatsmieten im Rückstand gewesen und nur darauf komme es hier an.
Vermieter hatten fristlos und fristgerecht gekündigt
Die gesetzliche Regelung, wonach ein Mietrückstand nachträglich ausgeglichen werden und die Kündigung dadurch möglicherweise beseitigen könne, gelte in dieser Form nur für die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. Hier hatten die Vermieter daneben sicherheitshalber aber auch noch fristgerecht gekündigt. Eine solche „ordentliche“ Kündigung werde durch die nachträgliche Zahlung der Mieten nicht ohne Weiteres unwirksam. Bei einer fristgerechten Kündigung sei lediglich zu prüfen, ob es unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben für die Vermieterseite zumutbar sei, auf die Räumung zu verzichten, nachdem keine Rückstände mehr bestehen. Dafür sah das LG hier aber keine Anhaltspunkte.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 1.3.2024, 2 S 118/23, PM vom 30.9.2024
| Das Bundessozialgericht (BSG) musste sich mit der Frage befassen, wann die mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz neu gestaltete Auskunftspflicht von Angehörigen gegenüber dem Sozialamt greift. |
Vater lebte im Seniorenwohnheim und erhielt Hilfe zur Pflege
Der Vater des Klägers lebt in einem Seniorenwohnheim und erhält vom Sozialhilfeträger Hilfe zur Pflege. Er ist geschieden und hat neben dem Kläger noch einen weiteren Sohn, der im Jahr 2020 Student war.
Der Sozialhilfeträger erlangte im Internet Informationen über die Arbeitgeberin des Klägers, eine Digitalagentur mit über 100 Mitarbeitern und einem Honorarumsatz im hohen siebenstelligen Bereich, und seine dortige Position als Chief Technology Officer (CTO). Er teilte dem Kläger mit, es sei davon auszugehen, dass sein Bruttoeinkommen die Grenze von 100 000 Euro jährlich überschreite und verlangte Auskunft über sein Einkommen und sein Vermögen.
Hiergegen wandte sich der Kläger. Denn mit den genannten Informationen sei die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt. Es bestehe deshalb keine Auskunftspflicht.
So sah es das Landessozialgericht
Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat den Auskunftsbescheid aufgehoben. Zwar sei die o. g. Vermutungsregel mit den öffentlich zugänglichen Informationen aus dem Internet widerlegt. Im sich anschließenden Auskunftsverfahren sei aber ein gestuftes Vorgehen erforderlich: In einem ersten Schritt sei der Sozialhilfeträger lediglich berechtigt, Auskünfte über das Bruttojahreseinkommen des potenziell Unterhaltsverpflichteten einzuholen.
Erst, wenn auf dieser Grundlage die 100 000-Euro-Grenze tatsächlich überschritten sei, bestehe in einem zweiten Schritt ein umfassendes Auskunftsrecht, das sich auch auf Vermögen beziehe.
Mit seiner Revision rügt der beklagte Sozialhilfeträger, dass das vom LSG geforderte gestufte Auskunftsverfahren im Gesetz keine Stütze finde. Wenn zu vermuten sei, dass die Einkommensgrenze überschritten werde, bestehe auch eine Verpflichtung zur Auskunft über das Vermögen, damit der Sozialhilfeträger den Unterhaltsanspruch umfassend prüfen könne.
So sah es das Bundessozialgericht
Das BSG gab dem Kläger ebenfalls recht: Vermögensauskünfte können nach dem Angehörigen-Entlastungsgesetz erst dann verlangt werden, wenn die Einkommensgrenze von 100.000 Euro tatsächlich überschritten wird.
Mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz hat der Gesetzgeber zum 1.1.20 u. a. unterhaltsverpflichtete Kinder entlastet. Ein Unterhaltsrückgriff durch den Sozialhilfeträger auf ein erwachsenes Kind, dessen Eltern vom Sozialamt Leistungen erhalten, ist mit dem neu eingeführten § 94 Abs. 1 a SGB XII gegenüber dem früheren Recht beschränkt worden: Ein möglicher Unterhaltsanspruch der Eltern gegen ihre erwachsenen Kinder geht erst auf den Sozialhilfeträger über, wenn das Einkommen des Kindes einen Jahresbetrag von 100 000 Euro übersteigt. Dabei wird gesetzlich vermutet, dass diese Einkommensgrenze nicht überschritten wird. Erst, wenn die Vermutung widerlegt ist, kann Auskunft vom unterhaltsverpflichteten Kind verlangt und anschließend ein Unterhaltsrückgriff vom Sozialhilfeträger geltend gemacht werden. Dabei ist ggf. auch vorhandenes Vermögen zu berücksichtigen.
Legitim: Informationen aus dem Internet eingeholt
Auch das BSG ging davon aus, dass es hinreichende Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Mann ein Einkommen von mehr als 100.000 Euro habe. Dass der Sozialhilfeträger diese Anhaltspunkte aus dem Internet habe, sei nicht zu beanstanden. Die Auskunftspflicht sei aber zunächst auf das Einholen von Auskünften zu den Einkommensarten beschränkt. So habe es der Gesetzgeber gewollt. Denn er beabsichtigte, in erster Linie erwachsene Kinder pflegebedürftiger Eltern zu entlasten. Dem widerspräche es, die Auskunftspflicht auszuweiten.
Quelle | BSG, Urteil vom 21.11.2024, B 8 SO 5/23 R, PM 32/24
| Die dreijährige Verjährungsfrist des Anspruchs auf Stellen einer Bauhandwerkersicherung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) beginnt taggenau mit dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit. So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH). |
So ist die Verjährung geregelt
Der Anspruch auf Stellen einer Bauhandwerkersicherung, wonach der Unternehmer unter im BGB näher geregelten Voraussetzungen vom Besteller eine Sicherheitsleistung in Höhe der vereinbarten Vergütung verlangen kann, verjährt in der regelmäßigen – dreijährigen – Verjährungsfrist nach § 195 BGB. Nun hat der BGH die bisher offene Frage entschieden, wann die Verjährung beginnt.
So begründet der BGH seine Ansicht
Dass die Verjährungsfrist taggenau mit dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit beginnt, folgt für den BGH aus der entsprechenden Anwendung von § 604 Abs. 5, § 695 S. 2, § 696 S. 3 BGB auf diesen Anspruch. § 199 Abs. 1 BGB, wonach die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, ist daher nicht anzuwenden.
Quelle | BGH, Urteil vom 21.11.2024, VII ZR 245/23
| Die Anordnung einer Verbandsgemeindeverwaltung, mit der die Eigentümer eines Wohngebäudes zur Herstellung und dauerhaften Unterhaltung einer eigenen Löschwasserversorgung verpflichtet worden sind, ist ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz und gab dem hiergegen gerichteten Eilantrag statt. |
Grundstückseigentümer sollten Löschwasserversorgung herstellen und unterhalten
Das Gebäude der Antragsteller befindet sich – gemeinsam mit weiteren Höfen – einige Kilometer außerhalb der nächstgelegenen Ortslage. Die vorhandene Trinkwasserversorgung ist zu klein dimensioniert, um eine hinreichende Löschwasserversorgung sicherzustellen. Ein in der Mitte des Areals existierender Löschteich ist verschlammt und deshalb nicht nutzbar. Weil Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung zwischen den Grundstückseigentümern und der Verbandsgemeindeverwaltung scheiterten, verfügte diese schließlich, dass die Grundstückseigentümer die Löschwasserversorgung mit einer Wassermenge von 96 m³/h für eine Dauer von zwei Stunden herzustellen und zu unterhalten hätten. Gleichzeitig ordnete sie die sofortige Vollziehung des Bescheids an.
Hiergegen erhoben die Antragsteller Widerspruch und stellten den gerichtlichen Eilantrag.
Anordnung war ermessensfehlerhaft
Dieser Antrag hatte Erfolg. Die Anordnung sei ermessensfehlerhaft ergangen, so das VG. Zwar könnten Eigentümer baulicher Anlagen, für die keine ausreichende Löschwasserversorgung sichergestellt sei, nach dem Landesgesetz über Brandschutz, die allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (hier: gemäß § 31 Abs. 5 LBKG) zur Vorhaltung fehlender Löschmittel verpflichtet werden. Der Antragsgegner habe jedoch übersehen, dass unter Umständen eine geringere Löschwassermenge ausreichend sei. Denn das Regelwerk, auf das sich der Antragsgegner maßgeblich bezogen habe, sehe zwar im Grundsatz die geforderten 96 m³/h vor. Für ländliche Ansiedlungen von zwei bis zehn Anwesen sei jedoch nur ein Löschwasserbedarf von 48 m³/h anzusetzen.
Hiermit habe sich die Antragsgegnerin nicht auseinandergesetzt, obwohl sich dies nach der Anzahl der vorhandenen Anwesen aufgedrängt hätte. Der Begründungsmangel führe so zu einem Ermessensdefizit.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 14.11.2024, 3 L 1042/24.KO, PM 20/24
| Objektüberwachung und Bauleitung sind inhaltlich „zwei Paar Schuhe“. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt festgestellt. |
Architekt verlangte Honorar für Bauleitung
Ein Architekt rechnete Honorar für „Bauleitung“ ab. Er bezog sich auf die Leistungsphase 8 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Er konnte aber nicht nachweisen, entsprechende Objektüberwachungsleistungen erbracht zu haben.
So sahen es die Gerichte
Die Gerichte kamen dagegen zu der Auffassung, dass er als Bauleiter nach der Hessischen Bauordnung (hier: § 59 HBO) tätig sein sollte. Diese Person muss u. a. darüber wachen, dass die Baumaßnahme nach den genehmigten Bauvorlagen bzw. – soweit eine bauaufsichtliche Prüfung entfällt – nach den eingereichten Bauvorlagen ausgeführt wird.
Bei der Überwachungstätigkeit muss der Bauleiter auf den sicheren Betrieb der Baustelle achten. Dazu zählt, dass die Arbeiten der Unternehmen ohne gegenseitige Gefährdung und ohne Gefährdung Dritter durchgeführt werden können. Über die HOAI können diese Leistungen – so sie denn erbracht wurden – nicht abgerechnet werden.
Der Bauleiter, so das OLG, sei nach dem allgemeinen Sprachverständnis dafür zuständig, zu überwachen, dass die Baumaßnahme entsprechend den öffentlich-rechtlichen Anforderungen durchgeführt wird. Der Objektüberwacher dagegen schuldet eine Ausführung des Objekts gemäß der vertraglichen zivilrechtlichen Vereinbarung mit dem Bauherrn.
Der Architekt ging also leer aus. Da der Bundesgerichtshof (BGH) aktuell eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen hatte, ist die Entscheidung des OLG nun auch rechtskräftig.
Quelle | OLG Frankfurt, Urteil vom 11.5.2023, 22 U 19/22
| Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer nach der Gewerbeordnung (hier: § 108 Abs. 1 S. 1 GewO) bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform erteilen. Diese Verpflichtung kann er grundsätzlich auch dadurch erfüllen, dass er die Abrechnung als elektronisches Dokument zum Abruf in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach einstellt. So hat es jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Klägerin verlangte Abrechnungen in Papierform
Die Klägerin ist im Einzelhandelsbetrieb der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Für den Konzernverbund, dem die Beklagte angehört, regelt die Konzernbetriebsvereinbarung über die Einführung und Anwendung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs vom 7.4.2021, dass alle Personaldokumente, insbesondere Entgeltabrechnungen, über einen externen Anbieter in einem digitalen Mitarbeiterpostfach bereitgestellt werden und von den Beschäftigten über einen passwortgeschützten Online-Zugriff abrufbar sind. Sofern für Beschäftigte keine Möglichkeit besteht, über ein privates Endgerät auf die im digitalen Mitarbeiterpostfach hinterlegten Dokumente zuzugreifen, muss der Arbeitgeber ermöglichen, die Dokumente im Betrieb einzusehen und auszudrucken.
Auf Grundlage der Konzernbetriebsvereinbarung stellte die Beklagte ab März 2022 Entgeltabrechnungen nur noch elektronisch zur Verfügung. Dem widersprach die Klägerin und verlangte, ihr weiterhin Abrechnungen in Papierform zu übersenden.
Landesarbeitsgericht: Entgeltabrechnung war nicht ordnungsgemäß
Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat der Klage, mit der die Klägerin die Erteilung der Entgeltabrechnungen begehrt, stattgegeben. Es hat angenommen, die Entgeltabrechnungen seien ihr durch Einstellen in das Online-Portal nicht ordnungsgemäß erteilt. Bei Entgeltabrechnungen handele es sich um zugangsbedürftige Erklärungen. Ein digitales Mitarbeiterpostfach sei nur dann als Empfangsvorrichtung geeignet, wenn der Empfänger es – anders als die Klägerin im Streitfall – für den Erklärungsempfang im Rechts- und Geschäftsverkehr bestimmt habe.
Bundesarbeitsgericht: Arbeitgeber wahrt Textform
Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das LAG.
Erteilt der Arbeitgeber Entgeltabrechnungen, indem er diese in ein digitales Mitarbeiterpostfach einstellt, wahrt er damit grundsätzlich die von der Gewerbeordnung (hier: § 108 Abs. 1 S. 1 GewO) vorgeschriebene Textform. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abrechnung seines Entgelts ist eine sog. Holschuld, die der Arbeitgeber erfüllen kann, ohne für den Zugang der Abrechnung beim Arbeitnehmer verantwortlich zu sein. Es genügt, dass er die Abrechnung an einer elektronischen Ausgabestelle bereitstellt. Hierbei hat er den berechtigten Interessen der Beschäftigten, die privat nicht über die Möglichkeit eines Online-Zugriffs verfügen, Rechnung zu tragen.
Grundlage: Konzernbetriebsvereinbarung
Die in der Konzernbetriebsvereinbarung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) geregelte digitale Zurverfügungstellung der Entgeltabrechnungen greift nicht unverhältnismäßig in die Rechte der betroffenen Arbeitnehmer ein.
Das BAG war jedoch an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil bisher keine Feststellungen dazu getroffen worden sind, ob Einführung und Betrieb des digitalen Mitarbeiterpostfachs in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats fallen.
Quelle | BAG, Urteil vom 28.1.2025, 9 AZ R 48/24, PM 3/25
| Das Arbeitsgericht (ArbG) Aachen hat entschieden: Die Besonderheiten der Arbeitsleistung eines Profifußballtrainers können zwar die Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Im konkreten Fall scheiterte dies jedoch an dem Schriftformerfordernis. Die Kündigung des Fußballtrainers wegen der fehlenden erforderlichen Lizenz für die nächsthöhere Liga war hingegen gerechtfertigt. |
Das war geschehen
Die Beklagte ist für den Spielbetrieb der 1. Fußballmannschaft zuständig. Der Kläger war zunächst ab Anfang 2022 bei der Beklagten als Sportdirektor beschäftigt. Er ist Inhaber der Trainer-A-Lizenz (Trainerberechtigung für die Fußball-Regionalliga); über eine „Pro-Lizenz“ (Trainerberechtigung für die 3. Liga) verfügt der Kläger nicht. Seit Ende 2022 trainierte er die 1. Fußballmannschaft, die in der Regionalliga spielte. Ende Januar 2023 schlossen die Parteien einen ab 1.1.2023 geltenden, zunächst bis zum 30.6.2024 befristeten, Arbeitsvertrag ab. Der Vertrag enthielt je nach Platzierung eine Verlängerung und verschiedene Prämien.
Die Beklagte stellte den Kläger im August 2023 von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Grundvergütung frei. Mit Abschluss der Saison 2023/2024 stieg die 1. Fußballmannschaft der Beklagten in die 3. Liga auf und gewann den Mittelrheinpokal. Im Juni und Juli 2024 sprach die Beklagte drei ordentliche fristgerechte Kündigungen aus.
Sachgrundbefristung gerechtfertigt
Das ArbG entschied, dass die Sachgrundbefristung eines Profifußballtrainers wegen der Eigenart der Arbeitsleistung grundsätzlich nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (hier: § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG) gerechtfertigt ist. Es sei Aufgabe des Cheftrainers, dafür zu sorgen, dass die Spieler die von ihnen geforderte Spitzenleistungen abrufen. Hierfür sei er als zentraler, prägender Leiter der Mannschaft zuständig. Das Erfordernis, dass die Spieler als Individuum und im Kollektiv Spitzenleistungen erbringen müssten, gebiete es, kurzfristig reagieren zu können, wenn diese Spitzenleistungen nachlassen oder ausbleiben. Ein kurzfristiger Austausch wesentlicher Teile der Mannschaft sei nicht möglich.
Formelle Mängel der Befristung...
Die Befristung des Arbeitsvertrags im vorliegenden Fall sei aus formellen Gründen gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam, da die Leistung der Unterschriften nach Aufnahme der Tätigkeit durch den Kläger erfolgte.
... aber Kündigung wirksam
Demgegenüber sei die Kündigung des Profifußballtrainers wegen des Fehlens der erforderlichen „Pro-Lizenz“ für die 3. Liga wirksam. Der Erwerb der erforderlichen Lizenz liege im Verantwortungsbereich des Trainers. Bis zum Zeitpunkt des Aufstiegs in die 3. Liga habe der Kläger trotz Freistellung einen Anspruch auf Vergütung und die Zahlung der Prämien. Nach Aufstieg in die 3. Liga habe der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung oder Prämien, da er die Voraussetzung für die Tätigkeit als Cheftrainer nicht erfüllt habe.
Quelle | ArbG Aachen, Urteil vom 19.11.2024, 8 Ca 3230/23, PM 1/25
Verkehrsrecht
| Säumniszuschläge werden festgesetzt, wenn die Zahlung nicht pünktlich erfolgt. Nach der Abgabenordnung (hier: § 240 AO) ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen Steuerbetrags zu entrichten, umgerechnet auf das Jahr also 12 %. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass wegen des deutlichen und nachhaltigen Anstiegs der Marktzinsen, der seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 zu verzeichnen ist, jedenfalls seit März 2022 keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Zuschläge bestehen. |
Darüber hinaus hat der BFH in diesem Verfahren Folgendes entschieden: Wenn das Finanzamt zwar Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt, deren Wirkung aber von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig macht, bewirkt die spätere Leistung der Sicherheit im Regelfall, dass die AdV mit (Rück-)Wirkung ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung eintritt und zuvor etwaig entstandene Säumniszuschläge entfallen.
Beachten Sie | Das Finanzamt kann allerdings ausdrücklich anordnen, dass die Wirkung der AdV erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung der Sicherheit beginnt.
Quelle | BFH, Beschluss vom 21.3.2025, X B 21/25 (AdV)
| Eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft steht der Anerkennung einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft grundsätzlich nicht entgegen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Eine Organschaft führt bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dazu, dass nicht mehr die Organgesellschaft ihren Gewinn zu versteuern hat, sondern der Organträger.
Beachten Sie | Die gemäß Körperschaftsteuergesetz (hier: §§ 14 ff. KStG) enthaltenen Regelungen für die Organschaft führen im Ergebnis dazu, dass z. B. in Konzernen die Konzernspitze (als Organträger) die Gewinne sämtlicher Tochtergesellschaften (als Organgesellschaften) zu versteuern hat, aber Verluste und Gewinne der verschiedenen Tochtergesellschaften dabei auch unmittelbar miteinander verrechnet werden können. Insbesondere dieser steuerliche Vorteil hat zu einer weiten Verbreitung der Organschaft in Deutschland geführt.
Das war geschehen
Im Streitfall hatte eine Kommanditgesellschaft (KG) mit einer GmbH einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, um eine Organschaft zu begründen. Danach war die „abhängige“ GmbH als Organgesellschaft verpflichtet, den ganzen von ihr erwirtschafteten Gewinn an die KG als Organträger abzuführen.
Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass an der GmbH als Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung bestand.
Bundesfinanzhof widerspricht Vorinstanzen
Da dem atypisch still Beteiligten ein Anteil von 10 % des Gewinns der GmbH zustand, vertraten das Finanzamt und nachfolgend auch das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern die Auffassung, dass lediglich 90 % des Gewinns an die KG als Organträger abgeführt worden sei, das Gesetz aber die Abführung des ganzen Gewinns fordere. Die Organschaft sei daher insgesamt nicht anzuerkennen. Dem ist der BFH aber nun entgegengetreten.
§ 14 Abs. 1 KStG setzt einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 des Aktiengesetzes (AktG) und die strikte Erfüllung der zivilrechtlichen Vertragspflichten voraus. Was als ganzer Gewinn abzuführen ist, bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Gewinnbeteiligungen, die einem stillen Gesellschafter zustehen, sind im Zivilrecht aber als Geschäftsunkosten vom Gewinn der GmbH abzusetzen. Dies betrifft sowohl die typische als auch die atypisch stille Gesellschaft.
Folglich ist der hiernach verbleibende „Rest-Gewinn“ (im Streitfall also die 90 %) der ganze Gewinn, der an den Organträger abgeführt werden muss. Dass eine (typische oder atypische) stille Beteiligung zivilrechtlich als Teilgewinnabführungsvertrag qualifiziert wird, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.12.2024, I R 33/22, PM 21/25 vom 3.4.2025
| Wenn eine per E-Mail versandte Werklohnrechnung gehackt und unbefugt verändert wird und der Kunde deshalb an einen unbekannten Dritten zahlt, muss er nicht noch einmal an den Werkunternehmer zahlen, wenn dieser die Rechnung ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung versandt hat und deshalb gegen ihn ein Schadenersatzanspruch gemäß Datenschutz-Grundverordnung (hier: Art. 82 DS-GVO) besteht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, erneut ihre Werklohnforderung zu zahlen, nachdem der Betrag wegen einer Manipulation der per E-Mail versandten Rechnung durch kriminell handelnde Dritte dem Konto eines Unbekannten gutgeschrieben wurde.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für die Installation von Haustechnik. Sie führte für die Beklagte Installationsarbeiten durch und rechnete die erbrachten Leistungen ihr gegenüber in drei Abschlagsrechnungen ab. Diese wurden jeweils als Anlage zu einer E-Mail im PDF-Format übersandt. Die ersten zwei Abschlagsrechnungen beglich die Beklagte per Überweisung an die auf den Rechnungen angegebenen Bankverbindungen der Klägerin.
Die dritte Abschlagsrechnung über rund 15.000 Euro, die zugleich die Schlussrechnung war, versandte die Klägerin ebenfalls als Anlage im PDF-Format per E-Mail. Diese Rechnung war jedoch auf ungeklärte Weise durch einen Dritten manipuliert worden, so dass die Beklagte den Rechnungsbetrag auf das Konto des unbekannten Dritten überwies. Auf dem Konto der Klägerin ging deshalb auf die Schlussrechnung keine Zahlung ein.
Keine Erfüllung durch Zahlung an unbekannten Dritten
Das Landgericht (LG) hat die Beklagte deshalb zur erneuten Zahlung verurteilt, weil eine Erfüllung durch die Zahlung an den unbekannten Dritten nicht eingetreten ist. Es hat ausgeführt, dass die Klägerin auch keine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat, sodass die Beklagte keinen Schadenersatzanspruch hat, den sie der Klageforderung gemäß § 242 BGB entgegenhalten kann. Die Klägerin hat nach Auffassung des LG keine Pflichtverletzung begangen, weil die von ihr vorgetragenen Schutzvorkehrungen in Form einer Transportverschlüsselung per SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) über TLS (Transport Layer Security) beim E-Mail-Verkehr mit Vertragspartnern ausreichend sind.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG hat in zweiter Instanz das Urteil des LG geändert und die Klage abgewiesen. Es hat entschieden, dass die Zahlung der Beklagten an einen Dritten zwar keine Erfüllung der Forderung bei der Klägerin bewirkt. Im Gegensatz zum Landgericht hat es jedoch einen Schadenersatzanspruch der Beklagten bejaht, den diese der Werklohnforderung der Klägerin nach § 242 BGB entgegenhalten kann, so dass sie die Forderung nicht noch einmal bezahlen muss.
Dieser Schadenersatzanspruch ergibt sich nach der Entscheidung des OLG aus Art. 82 Abs. 2 DS-GVO, weil die Klägerin im Zuge der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Beklagten bei Versand der streitgegenständlichen E-Mail mit Anhang gegen die Grundsätze der Art. 5, 24 und 32 DS-GVO verstoßen hat. Das OLG hält die Transportverschlüsselung, die beim Versand der streitgegenständlichen E-Mail in Form von SMTP über TLS verwendet worden sein soll, nicht für ausreichend und damit auch nicht als zum Schutz der Daten „geeignet“ im Sinne der DS-GVO.
Das OLG hob hervor, dass heute jedem Unternehmen, das personenbezogene Daten seiner Kunden computertechnisch verarbeitet, bewusst sein muss, dass der Schutz dieser Daten hohe Priorität – auch beim Versenden von E-Mails – genießt. Unternehmen müssen diesen Schutz durch entsprechende Maßnahmen so weit wie möglich gewährleisten.
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unabdingbar
Gerade bei sensiblen oder persönlichen Inhalten ist nach der Entscheidung des OLG nur eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Schutz im Sinne der DS-GVO geeignet, wenn ein hohes finanzielles Risiko durch Verfälschung der angehängten Rechnung für den Kunden besteht. Dass Kunden von Unternehmen bei einem Datenhacking Vermögenseinbußen drohen, ist ein Risiko, das dem Versand von Rechnungen per E-Mail immanent ist und deshalb eine entsprechende Voraussicht und ein proaktives Handeln erfordert. Der dafür erforderliche technische und finanzielle Aufwand kann auch von einem mittelständischen Handwerksbetrieb erwartet werden, wenn es seine Rechnungen nicht per Post versendet.
Quelle | OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.12.2024, 12 U 9/24, PM 1/25
| Wer im Zusammenhang mit seiner kommunalpolitischen Tätigkeit Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder erhält (im Streitfall ein ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats), erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Diese sind im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung zu verbeitragen. Dies hat jedenfalls das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen entschieden. |
Das LSG Nordrhein-Westfalen stellte heraus: Für die Zuordnung von Einnahmen zum Arbeitseinkommen ist die steuerliche Abgrenzung der Einkunftsarten maßgebend. Bei Anlegung dieser Maßstäbe handelt es sich auch bei den Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer kommunalpolitischen Tätigkeit in Gestalt von Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern erzielt werden, um Arbeitseinkommen nach dem Sozialgesetzbuch IV (hier: § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV).
Gegen dieses Urteil ist die Revision beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig.
Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.3.2024, L 5 KR 551/21, Rev. BSG: B 6 a/12 KR 12/24 R
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Die Verwendung von geschlechtsspezifischen Sterbetafeln bei der Bewertung lebenslänglicherNutzungen und Leistungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot. |
Hintergrund: Die Heranziehung geschlechterdifferenzierender Sterbetafeln dient dem Ziel, die Kapitalwerte lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen mit zutreffenden Werten zu erfassen und eine Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.
Da die statistische Lebenserwartung von Männern und Frauen unterschiedlich hoch ist, ermöglichen die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Vervielfältiger genauere und realitätsgerechtere Bewertungsergebnisse als geschlechtsneutrale Vervielfältiger.
Beachten Sie | Die Anwendung der geschlechtsspezifischen Sterbetafeln kann sich für den Steuerpflichtigen je nach Fallkonstellation günstiger oder ungünstiger auswirken und führt nicht per se zu einer Benachteiligung aufgrund des eigenen Geschlechts.
Der BFH musste nicht entscheiden, welche Auswirkungen sich aus dem am 1.11.2024 in Kraft getretenen Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) für die Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen ergeben.
Quelle | BFH, Urteile vom 20.11.2024, II R 38/22, II R 41/22, II R 42/22; PM 23/25 vom 10.4.2025
| Aufwendungen des Steuerpflichtigen für einen Umzug in eine andere Wohnung, um dort (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs(BFH) auch, wenn der Steuerpflichtige – wie in Zeiten der Corona-Pandemie – zwangsweise zum Arbeiten im häuslichen Bereich angehalten ist oder durch die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren sucht. |
Das war geschehen
Eheleute lebten mit ihrer Tochter in einer 3-Zimmer-Wohnung und arbeiteten nur in Ausnahmefällen im Homeoffice. Ab März des Streitjahrs 2020 (zunächst bedingt durch die Corona-Pandemie) arbeiteten sie überwiegend im Homeoffice, dort im Wesentlichen im Wohn-/Esszimmer. Ab Mai 2020 zogen sie in eine 5-Zimmer-Wohnung, in der sie zwei Zimmer als häusliches Arbeitszimmer einrichteten und nutzten.
Den Aufwand für die Nutzung der Arbeitszimmer und die Kosten für den Umzug in die neue Wohnung machten die Eheleute als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte zwar die Aufwendungen für die Arbeitszimmer an, mangels beruflicher Veranlassung lehnte es den Abzug der Kosten für den Umzug jedoch ab.
Demgegenüber bejahte das Finanzgericht (FG) Hamburg den Werbungskostenabzug auch für die Umzugskosten. Der Umzug in die größere Wohnung sei beruflich veranlasst gewesen, da er zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen geführt habe.
Dem folgte der BFH aber (aus Steuerzahlersicht „leider“) nicht und bestätigte die ablehnende Entscheidung des Finanzamts.
Wohnung: privater Lebensbereich
Die Wohnung ist grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Daher zählen die Kosten für einen Wohnungswechsel regelmäßig zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung. Etwas anderes gilt nur, wenn die berufliche Tätigkeit den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel dargestellt hat und private Umstände allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben.
Beachten Sie | Dies ist aber nur aufgrund außerhalb der Wohnung liegender Umstände zu bejahen, etwa wenn
- der Umzug Folge eines Arbeitsplatzwechsels gewesen ist oder
- sich die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit durch den Umzug um mindestens eine Stunde täglich vermindert
Die Möglichkeit, in der neuen Wohnung (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, genügt nicht zur Begründung einer beruflichen Veranlassung des Umzugs. Es fehlt insoweit an einem objektiven Kriterium, das nicht auch durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist.
Die Entscheidung, in der neuen, größeren Wohnung (erstmals) ein Zimmer als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer „Arbeitsecke“ auszuüben, beruht auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatz verfügt oder durch die Arbeit im Homeoffice versucht, das Berufs- und Familienleben zu vereinbaren.
Quelle | BFH, Urteil vom 5.2.2025, VI R 3/23, PM 24/25 vom 17.4.2025
| Ein mit einem Preisgeld dotierter Wissenschaftspreis kann nur dann Arbeitslohn darstellen, wenn er dem Arbeitnehmer für Leistungen verliehen wird, die er gegenüber seinem Dienstherrn erbracht hat. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Fall eines Professors entschieden. |
Der Professor hatte die Habilitationsschriften überwiegend vor der Berufung in das Professorendienstverhältnis verfasst. Der preisbewehrten Habilitation lag zwar eine wissenschaftliche Forschungsleistung zugrunde. Diese gründete aber nicht auf der Forschungstätigkeit als Hochschullehrer. Wissenschaftspreis und Preisgeld stellten sich daher nicht als „Frucht“ dieser Tätigkeit dar.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 12/22
| Kann in Deutschland steuerpflichtigen Personen eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen inder Schweiz gewährt werden? Das Finanzgericht (FG) Köln hält das für möglich und hat sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar mit deutscher und schweizerischer Staatsbürgerschaft wohnte in der Schweiz. Der Ehemann war als Arbeitnehmer in Deutschland tätig und unterhielt hierfür eine Wohnung in Deutschland. Für das gemeinsame Haus in der Schweiz beauftragten die Eheleute verschiedene Handwerks- und Gartenbauarbeiten i. S des Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 a EStG) und begehrten eine Ermäßigung ihrer Einkommensteuer.
Das Finanzamt lehnte dies jedoch ab, weil die Dienstleistungen in der Schweiz ausgeführt wurden (vgl. § 35 a Abs. 4 S. 1 EStG). Hiergegen erhoben die Eheleute erfolgreich Klage.
Freizügigkeitsabkommen
Das FG Köln bezweifelt, ob es mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist, dass die Steuerermäßigung nur für Dienstleistungen beansprucht werden kann, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt ausgeübt oder erbracht werden.
Beachten Sie | Bis zur Entscheidung des EuGH ist das Verfahren ausgesetzt.
Quelle | FG Köln, Beschluss vom 20.2.2025, 7 K 1204/22; PM vom 25.3.2025; EuGH: C-223/25
| Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen, z. B. Sachverständigengutachten, sind in der Regel nicht notwendig und werden daher nicht erstattet. Das ist der Grundsatz, von dem die Rechtsprechung ausgeht. Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme – wie eine Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Senftenberg anschaulich zeigt. |
Schwierige technische Fragestellungen
Ausnahmsweise werden nach dieser Entscheidung die Kosten z. B. für das Einholen eines privaten Sachverständigengutachtens unter anderem als notwendige Kosten anerkannt, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind. Gleiches gilt, wenn aus Sicht des Betroffenen aus einer Anfangsbetrachtung ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre.
Amtsgericht hält Kosten ausnahmsweise für erstattungsfähig
Diese Grundsätze hat das AG in seiner Entscheidung bestätigt. Es hat die Kosten für ein Sachverständigengutachten, mit dem die Messdaten einer Geschwindigkeitsmessung überprüft worden sind, daher als erstattungsfähig angesehen.
Quelle | AG Senftenberg, Urteil vom 28.2.2024, 50 OWi 1617 Js 22408/22
| Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h liegenden Tempo fährt, muss seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten. Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des Navigationssystems kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entschieden. |
Konzentrieren und Gerätebedienen ist gefährlich
Geklagt hatte eine Autovermieterin gegen den Fahrer eines vermieteten Pkw. Der Fahrer war auf der Autobahn verunfallt und hatte den Wagen beschädigt. Während er auf der linken Spur fuhr, bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs bei Tempo 200, um dort Informationen abzurufen. Dabei geriet das Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke.
Mietvertrag sah Kürzung der Haftungsfreistellung vor
Das Gericht verwies auf die Vereinbarung im Mietvertrag. Danach könne die Haftungsfreistellung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt werden. Der Fahrer habe hier grob fahrlässig gehandelt. Die Autovermieterin könne daher die Hälfte des Schadens – ca. 12.000 Euro – bei ihm geltend machen.
Für das Gericht war es dabei unerheblich, dass der Pkw einen sog. Spurhalteassistenten hatte. Zumindest bei derart hohen Geschwindigkeiten reduziere dieser den Schuldvorwurf nicht.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 2.5.2019, 13 U 1296/17
| Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie beschäftigt immer noch die Gerichte. Aktuell hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden: Die Mitglieder einer Fahrgemeinschaft waren auch in der Corona-Hochphase für gegenseitige Ansteckungen nicht verantwortlich zu machen. Eine auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage eines Mitfahrers hat das LG deshalb abgewiesen. |
Im Frühjahr 2022 stieg der Mitfahrer ohne Maske zu seinem Kollegen ins Auto, um gemeinsam zur Arbeit zu fahren. Am Abend desselben Tages schrieb er in die WhatsApp-Gruppe der Fahrgemeinschaft, dass er positiv getestet sei und sich in Quarantäne befinde.
Fahrer behauptete Ansteckung und verlangte Schmerzensgeld
Der schon zuvor an Asthma erkrankte Fahrer behauptete im Prozess, er habe sich während der gemeinsamen Fahrt mit dem Coronavirus infiziert und sei nun dauerhaft arbeitsunfähig („Post-Covid-Syndrom“). Der Mitfahrer schulde ihm daher Schmerzensgeld in Höhe von nicht unter 20.000 Euro, weitere 4.000 Euro Schadenersatz und müsse darüber hinaus für zukünftig auftretende Schäden einstehen.
Landgericht: Reine Gefälligkeit – keine Haftung
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Im Rahmen der wechselseitigen Gefälligkeit einer Fahrgemeinschaft sei bereits unter den Gesichtspunkten eines stillschweigenden Haftungsverzichts und des Handelns auf eigene Gefahr eine gegenseitige Haftung ausgeschlossen. Es sei zudem aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie allgemein bekannt gewesen, dass enger persönlicher Kontakt die Hauptinfektionsquelle darstellte. Obwohl der unter Asthma leidende Fahrer bemerkt habe, dass sein Kollege beim Einsteigen keine Maske trug, habe er ihn nicht gebeten, eine solche aufzusetzen. Er habe sich daher erkennbar trotz seiner Vorerkrankung dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Dass er sich keine Gedanken über einen ungünstigen Verlauf einer Infektion mit möglichen Dauer- und Folgeschäden gemacht habe, rechtfertige keine andere Beurteilung.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 16.12.2024, 7 O 110/24, PM vom 31.1.2025
| Mit der Frage, ob ein 13-jähriges Kind für einen Glasschaden an einem Schaufenster verantwortlich ist, hat sich das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. |
Glasbruch nach Nutzung eines Spielgeräts
Das Kind hatte in der Fußgängerzone von Frankenthal ein festmontiertes Spielgerät in Gestalt einer Drehscheibe genutzt und war beim Absteigen gegen ein daneben befindliches Schaufenster getaumelt. Für den dadurch entstandenen Glasbruch muss das Kind nicht haften, entschied das LG und hat die Klage der Ladenbesitzer abgewiesen.
Der Junge gab an, dass er auf dem Schulweg an dem Spielgerät vorbeigekommen sei. Er habe sich auf das Karussell gestellt, das ein Freund gedreht habe, zunächst langsam, dann immer schneller. Nachdem der Freund die Drehung gestoppt habe, sei er rückwärts gegen die keine drei Meter entfernte Fensterscheibe getaumelt, die daraufhin zerbrochen sei.
Schaden schuldhaft verursacht?
Die Ladenbesitzer warfen dem Jungen vor, den Schaden schuldhaft verursacht zu haben. Er sei bereits zu alt gewesen für das Karussell, zudem habe er sich damit zu schnell gedreht. Die Sturzgefahr und der mögliche Glasbruch seien für ihn erkennbar gewesen.
Landgericht: kein Verschulden des Kindes!
Das LG ging zwar davon aus, dass sich der 13-Jährige der grundsätzlichen Stolpergefahr durchaus bewusst und auch hinreichend einsichtsfähig war. Beides ist erforderlich, damit Minderjährige in diesem Alter überhaupt selbstständig haften. Gleichwohl konnte das LG das für einen Schadenersatzanspruch erforderliche Verschulden des Kindes nicht feststellen. Denn der Junge habe die Drehscheibe bestimmungsgemäß genutzt. Es sei gerade Sinn und Zweck des Karussells, trotz der Drehbewegung die Balance zu halten und der Gefahr des Herunterfallens zu trotzen. Das Kind sei weder zu alt noch zu groß für das Spielgerät gewesen.
Das Gericht hat nicht verkannt, dass die Ladenbesitzer nun auf ihrem Glasschaden sitzen bleiben. Dies resultiert gemäß LG jedoch daraus, dass unsere Rechtsordnung – von einigen hier nicht vorliegenden Sonderfällen abgesehen – dem Prinzip der Verschuldenshaftung folgt.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 29.11.2024, 9 O 27/24, PM vom 19.12.2024
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Bürgergeldempfänger gelten nicht als hilfebedürftig, wenn sie ein (zu) großes Einfamilienhaus gebaut haben und dessen Wert zur Sicherung des Lebensunterhalts nutzen können. |
Familie hatte während Bürgergeldbezug größeres Haus gebaut
Dem Verfahren lag ein Eilantrag einer Familie aus dem Emsland zugrunde. Diese hatte ihr selbstbewohntes Hausgrundstück für 514.000 Euro verkauft, nachdem sie während des Bürgergeldbezugs ein neues Haus gebaut hatte. Aufgrund des erzielten Verkaufserlöses hob der Grundsicherungsträger die Leistungsbewilligung auf.
Demgegenüber vertrat die Familie die Auffassung, das neue Haus sei geschütztes Vermögen und dürfe nicht zur Deckung des Lebensunterhalts herangezogen werden. Zudem berief sie sich auf die gesetzliche Karenzzeit von 12 Monaten, während der auch großzügige Wohnverhältnisse voll finanziert werden müssten.
Landessozialgericht: Familie nicht bedürftig
Das LSG bestätigte die Auffassung der Behörde. Die Familie sei nicht bedürftig, da das neue Hausgrundstück mit 254 m² Wohnfläche und sieben Bewohnern kein geschütztes Vermögen darstelle. Eine Verwertung des Vermögens zur Sicherung des Lebensunterhalts sei durch Beleihung möglich. Bei einem Verkehrswert von 590.000 Euro und einer Grundschuld von 150.000 Euro stehe ein unbelasteter Wert von 440.000 Euro zur Verfügung.
Die Berufung auf die gesetzliche Karenzzeit lehnte das Gericht ebenfalls ab. Die Regelung diene dem Zweck, dass Leistungsempfänger nicht sofort ihr angespartes Vermögen, etwa für die Altersvorsorge, aufbrauchen müssen, wenn sie nur vorübergehend auf Bürgergeld angewiesen sind. Die Karenzzeit solle dabei helfen, plötzliche Härten abzufedern.
Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um eine unerwartete Notlage, sondern um langjährige Leistungsbezieher, die ihre Wohnsituation und ihr Immobilienvermögen optimieren wollten. So habe die Familie als Verkaufsgrund des alten Hauses angegeben, die Entfernung zur Innenstadt sei ihnen zu weit gewesen.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.1.2025, L 11 AS 372/24 B ER, PM vom 20.1.2025
| Der gezahlte Reisepreis kann um 30 Prozent gemindert werden, wenn das Gepäck des Pauschalreisenden beim Hinflug zu spät ausgeliefert wird und deshalb während einer Kreuzfahrt in die Arktis nicht zur Verfügung steht. So entschied es das Landgericht (LG) München II zugunsten der Reisenden. |
Es ging um eine Expeditionsreise
Der Kläger und seine Mutter hatten im Jahr 2023 bei der Beklagten eine elftägige Pauschalreise nach Norwegen mit anschließender Kreuzfahrt „Auf den Spuren der Eisbären“ gebucht. Während des Hinflugs kam es zu einer verspäteten Auslieferung aller Gepäckstücke der Reisenden. Der Kläger und seine Mutter meldeten ihr Gepäck als verloren und erstatteten unverzüglich Schadensanzeige. Vor der Abfahrt des Schiffs kauften sie in Outdoor-Läden in Norwegen das Notwendigste ein. An Bord gab es eine Boutique und einen Wäscheservice. Schuhe und Parka für die Expeditionen an Land wurden gestellt. Die Beklagte erstattete den Reisenden außergerichtlich 25 Prozent vom gezahlten Reisepreis und 1.500 Euro (von 2.306,07 Euro) für die Ersatzbeschaffungen. Vor Gericht machte der Kläger den Restbetrag für die Ersatzbeschaffungen, weitere 15 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und einen „Schadenersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreuden“ geltend.
Landgericht sprach Minderung zu
Das LG sprach dem Kläger eine Minderung in Gesamthöhe von 30 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und für die Ersatzbeschaffungen weitere 516,20 Euro zu; einen Anspruch auf Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wies das LG jedoch ab.
Das LG begründete seine Entscheidung damit, dass das Fehlen von Gepäck mit persönlichen Gegenständen des Reisenden einen Reisemangel darstellt. Weil der Veranstalter jedoch keine besondere Kleiderordnung bei den Mahlzeiten und die Ausrüstung für die Expeditionen zur Verfügung gestellt hatte und es einen Wäscheservice an Bord gab, erachtete das Gericht eine Minderung von 30 Prozent des gezahlten Reisepreises als ausreichend und angemessen.
Bei den Ersatzbeschaffungen (Verbrauchsartikel, Grund- und Funktionsbekleidung) hatte der Reiseveranstalter unter anderem einen Abschlag für Vermögensvorteile vorgenommen, weil die Reisenden die Sachen nach der Rückkehr weiterhin nutzen können. Das Gericht folgte dem Argument der Beklagten nicht, soweit es sich um „Funktionskleidung“ handelte, denn der Kläger und seine Mutter hatten das Gericht davon überzeugt, dass sie die eigens für eine Expedition in die Arktis gekaufte Funktionsbekleidung nicht mehr benötigten. Anders sah es das Gericht bei den Verbrauchsartikeln (Waschmittel, Zahnpasta, etc.) – die Reisenden erhielten ihre Koffer bei der Rückkehr von der Reise zurück und konnten die darin enthaltenen Verbrauchsartikel (weiter) nutzen.
Schadenersatzanspruch abgelehnt
Einen Schadenersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit lehnte das Gericht ab, weil der Kläger und seine Mutter aufgrund der Möglichkeit von Ersatzbeschaffungen in Longyearbyen und an Bord sowie wegen der ihnen zur Verfügung gestellten Ausrüstungsgegenstände (Schuhe, Parka) an der Kreuzfahrt und den Expeditionen an Land teilnehmen konnten, was Sinn undZweck der gebuchten Expeditionsreise war.
Quelle | Landgericht München II, Endurteil vom 10.1.2025, 14 O 2061/24, PM 1/25
| Ein Ehemann kann nach der Trennung von seiner Frau verlangen, die Nutzungsverhältnisse an einem gemeinsamen Haus neu zu ordnen. Das stellte das Oberlandesgericht (OLG) Celle fest. |
Ärzteehepaar trennte sich
Nachdem sich ein Ärzteehepaar getrennt hatte, wollte der Mann in ein gemeinsames Haus des Paares ziehen. Doch dort wohnte seine Schwiegermutter. In der ihr allein gehörenden Ehewohnung lebte die Frau mit den gemeinsamen Kindern. Der Mann schlief zunächst in seiner Praxis, dann bei Bekannten. Schließlich wohnte er zur Untermiete.
Den Eheleuten gehörte aber hälftig noch das von der Schwiegermutter bewohnte Einfamilienhaus mit Garten. Dieser wollte der Mann wegen Eigenbedarf kündigen. Dazu war die Mitwirkung seiner Ehefrau erforderlich. Das lehnte sie ab. Sie meinte, der Mann wolle sie nur zwingen, ihrer Mutter zu kündigen. Auch habe er noch ein weiteres Haus. Der Mann klagte.
Amtsgericht: Eigenbedarf nicht genügend dargelegt
Das Amtsgericht (AG) wies seine Klage ab. Der Mann habe den Eigenbedarf nicht hinreichend dargelegt. Da die Schwiegermutter eine nahe Angehörige sei, könne ihre Tochter selbst Eigenbedarf anmelden. So zog der Mann vor das OLG.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG gab dem Mann Recht. Ihm sei seit der Trennung ein Festhalten am Mietverhältnis nicht länger zuzumuten. Auch habe er seinen Eigenbedarf ausreichend dargelegt. Er hatte vorgetragen, dass sein jetziges Mietverhältnis nur befristet war. Ein ständiges Wohnen in der Praxis sei ihm nicht zuzumuten. Ein Umzug in das andere Haus sei ihm ebenfalls nicht zuzumuten, da dieses noch ein Rohbau sei und er auch kein Geld für einen Umzug habe. Nach all dem sah das OLG den geltend gemachten Eigenbedarf nicht als „offensichtlich aussichtslos“ an. Vor allem sei die Frau in der Lage, ihre Mutter in der Ehewohnung und einer nicht genutzten Einliegerwohnung aufzunehmen.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 19.2.2025, 21 UF 237/24
| Wer einen überschuldeten Nachlass erbt, kann innerhalb einer Frist von sechs Wochen das Erbe ausschlagen. Sonst gilt die Erbschaft als angenommen und er haftet für die dem Nachlass zuzuordnenden Schulden. War dem Erben nicht bekannt, dass der Nachlass überschuldet ist, kann noch die Anfechtung wegen Irrtums helfen. Mit den Voraussetzungen dafür hat sich jetzt das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. Es hat entschieden, dass der als Erbe eingesetzte Sohn eines Verstorbenen nicht für die Beerdigungskosten aufkommen muss, weil er die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten hat. |
Witwe verlangte Bestattungskosten von Sohn des Verstorbenen
Der Verstorbene hatte seinen Sohn aus erster Ehe testamentarisch zu seinem Erben bestimmt. Die beiden pflegten zuletzt keinen Kontakt mehr zueinander. Nach dem Tod übernahm zunächst die Witwe die Bestattungskosten von rund 7.500 Euro und wollte diese vom Sohn erstattet haben, da dieser die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte. Daraufhin erklärte der Sohn die Anfechtung der Erbschaftsannahme. Er habe nicht gewusst, dass die Bestattungskosten zu den Nachlassverbindlichkeiten gehörten und der Nachlass damit überschuldet sei.
Irrtum über die Beerdigungskosten
Dieser Argumentation hat sich das LG angeschlossen. Der Sohn habe die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten und müsse daher nicht für die Beerdigungskosten aufkommen. Die Anfechtung wegen unerkannter Überschuldung eines Nachlasses sei ein in der Rechtsprechung anerkannter Anfechtungsgrund. Sie setze voraus, dass der Anfechtende eine wesentliche Forderung gegen den Nachlass irrtümlich übersieht. Hier seien die Bestattungskosten eine wesentliche Forderung, da der Nachlass überschuldet sei, wenn man sie berücksichtige. Es sei auch glaubhaft, dass sich der Sohn über die Beerdigungskosten geirrt habe. Denn die Witwe habe ihm noch zu Lebzeiten des Vaters mitgeteilt, für die Beerdigung könne der Erlös aus dem Verkauf eines Pkw verwendet werden. Daher durfte der Sohn davon ausgehen, als Erbe seines Vaters nicht für die Bestattung aufkommen zu müssen, so die Kammer. Wenn kein Erbe in Anspruch genommen werden kann, muss die Witwe als Ehefrau nach den Vorschriften des Landesrechts selbst für die Beerdigungskosten aufkommen, so das LG.
Quelle | Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 27.2.2025, 8 O 189/24, PM vom 31.3.2025
| Die Kosten eines Vaterschaftsanerkennungsverfahrens können zwischen dem im Verfahren ermittelten biologischen Vater und der Mutter hälftig geteilt werden. Weder der Umstand, dass der Vater nicht bereits auf Basis eines Privatgutachtens zur Anerkennung der Vaterschaft bereit war, noch, dass er nach Angaben der Mutter der einzige Verkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit war, rechtfertigen eine alleinige Kostenlast des Vaters. So entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |
Streit um Kosten
Die Beteiligten streiten über die Kosten eines Abstammungsverfahrens. Die Mutter des Kindes hatte angegeben, mit dem sog. Putativvater (also dem, der als möglicher Vater in Betracht kommt) in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehrs gehabt zu haben. Ein außergerichtlicher Vaterschaftstest hatte diesen als Vater festgestellt. Das Kind begehrte daraufhin, die Vaterschaft des Putativvaters gerichtlich festzustellen. Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens stellte das Amtsgericht (AG) die biologische Vaterschaft des Putativvaters fest und legte die Verfahrenskosten hälftig der Mutter und dem nun festgestellten Vater auf.
So sah es das Oberlandesgericht
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Mutter gegen die Auferlegung der Hälfte der Kosten. Dies hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das AG habe im Ergebnis zutreffend die Kosten nach billigem Ermessen zwischen der Kindesmutter und dem Kindesvater hälftig geteilt, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Bei einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren handele es sich nicht um ein echtes Streitverfahren. Neben dem Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens könnten deshalb weitere Umstände von Bedeutung sein. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten sei allerdings regelmäßig unbillig, da es selbst nicht zur Unsicherheit an der Vaterschaft beigetragen habe.
Hier sei es nicht angemessen, dem Vater die alleinigen Kosten aufzuerlegen. Er habe insbesondere nicht „grob schuldhaft“ das Verfahren veranlasst. Ihm sei es vielmehr nicht zumutbar gewesen, die Vaterschaft bereits außergerichtlich ohne gutachterliche Klärung der biologischen Abstammung durch Sachverständigengutachten anzuerkennen. Allein die Angabe der Mutter, sie habe in der Empfängniszeit nur mit dem Vater verkehrt, genüge zur Begründung eines groben Verschuldens nicht. Vielmehr habe der Vater berechtigte Zweifel ans einer Vaterschaft haben dürfen. Unwidersprochen habe er mit der Kindesmutter in der Empfängniszeit keine Beziehung geführt und auch nicht mit ihr zusammengelebt. Damit hätten ihm konkrete Einblicke in die Lebensverhältnisse der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit gefehlt. Für ihn habe damit auch keine Möglichkeit bestanden, abzuschätzen oder zu beurteilen, ob die Mutter des Kindes zu weiteren Männern eine intime Beziehung unterhalten habe.
Außergerichtlicher Vaterschaftstest schließt gerichtliche Überprüfung nicht aus
Auf den bereits außergerichtlich durchgeführten Vaterschaftstest habe er sich nicht verlassen müssen. Er könne vielmehr geltend machen, dass er angesichts der hohen rechtlichen Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Abstammungsgutachtens eine gerichtliche Überprüfung wünsche. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass „beide Eltern das Verfahren über eine Entscheidung über die Abstammung dadurch gleichermaßen veranlasst haben, dass sie innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben. Damit erscheint es in der Regel auch gerechtfertigt, die Kosten eines solchen Verfahrens gleichmäßig auf beide Eltern zu verteilen“, unterstrich das OLG.
Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 13.1.2025, 6 WF 155/24, PM 4/25
| Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung ist so zu verstehen, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, sofern diese nicht bereits von Dritten erbracht und dem Architekten zur Verfügung gestellt wurden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden. |
Ein Architekt war mündlich damit beauftragt worden, die Baugenehmigung für die Erweiterung eines Gasthofs einzuholen. Damit war klar, dass er die Leistungsphase 4 im Leistungsbild Gebäude und Innenräume sowie Tragwerksplanung erbringen musste. Da er vom Auftraggeber nur Bestandszeichnungen erhalten hatte, die nicht an eine Vor- oder Entwurfsplanung heranreichten, verlangte er auch das Honorar für diese notwendigen Leistungen. Der Auftraggeber weigerte sich. Er meinte, er habe nur die Genehmigungsplanung beauftragt.
Das OLG gab dem Architekten Recht und sprach ihm das Honorar für die Leistungsphasen 1 bis 4 zu. Es komme nicht auf die Regelungen der HOAI, sondern auf den Inhalt des konkreten Auftrags an. Nicht entscheidend sei, ob die Parteien einen schriftlichen oder mündlichen Vertrag geschlossen, sondern was sie tatsächlich vereinbart haben. Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung müsse dann so verstanden werden, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, da diese notwendige Voraussetzung für die Erstellung der Genehmigungsplanung ist. Etwas anderes gelte nur, wenn die vorangehenden Planungsleistungen bereits von Dritten erbracht wurden und dem Architekten zur Verfügung gestellt werden.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2022, 4 U 142/20
| Beauftragt ein Bauträger einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt vom Architekten nur die Überprüfung einzelner Maße, übernimmt der Bauträger das mit der begrenzten Überprüfung verbundene Risiko selbst. Er kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin als Bauträgerin machte gegen den beklagten Architekten im Wege einer Schadenersatzklage i. H. v. 100.000 Euro wegen mangelhafter Architektenleistungen bei der Planung einer Wohnungseigentumsanlage geltend. Die Klägerin ist der Auffassung, die die Pläne des Vermessungsingenieurs überarbeitende Wohnflächenberechnung des Beklagten für bestimmte Bestandsgebäude habe eine zu geringe Wohnfläche ausgewiesen. Der Beklagte habe zugesichert, dass die Abweichungen der Wohnflächen von den Bestandsplänen des Vermessers unter einem Prozent lägen, tatsächlich gebe es Abweichungen bis zu 8%. Zahlreiche Wohnungen seien daher mit zu geringer Flächenangabe verkauft worden und deshalb sei ein Mindererlös entstanden.
Der Beklagte bestreitet eine fehlerhafte Flächenermittlung, die sich ohnehin nur auf die örtliche Überprüfung der Maße aus den Bestandsplänen des Vermessers hinsichtlich der für die Werkplanung entscheidenden Stellen bezogen habe. Ein Auftrag zu einer kompletten Neuvermessung des Bestands sei gerade nicht erteilt worden.
Zudem meint die Klägerin, der Beklagte habe bei der Grundlagenermittlung übersehen, dass die Geschossdecken in einem Bestandsgebäude Betonhohlkörperdecken waren, die einen unerwartet hohen Sanierungsaufwand erforderten, und es versäumt, vor Baubeginn die Fundamente an der Seite zu einem anderen Grundstück zu überprüfen. Infolge dieser Planungsfehler hätten sich die Baukosten für das Bestandsgebäude deutlich erhöht. Die Umbaukosten beliefen sich somit auf mindestens 950.000 Euro. Ein vollständiger Abriss und Neubau hätte dagegen (nur) 752.499 Euro gekostet und wäre im Vergleich zu den tatsächlich entstandenen Kosten günstiger gewesen. Bei erzielbaren Verkaufserlösen abzüglich der Kosten für Abriss/Neubau hätte sich bei einem Neubau ein hoher sechsstelliger Überschuss ergeben. Der tatsächliche Überschuss durch den Umbau habe lediglich 107.000 Euro betragen.
Der Beklagte trägt hierzu vor, ihm sei vom Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt worden, dass es sich bei sämtlichen Bestandsdecken um Stahlbetonrippendecken handele. Eine Pflicht zur Überprüfung dieser Tatsache habe es nicht gegeben. Zudem habe sich die Klägerin in Kenntnis der Mehrkosten für eine Sanierung und gegen einen Abriss entschieden. Hinsichtlich des Fundaments sei die Klägerin bereits vor Beauftragung des Beklagten in Kenntnis gesetzt worden, dass dessen Tragfähigkeit ein Risiko darstelle. Sie habe dennoch entschieden, das Fundament erst im Zuge der Aushubarbeiten zu untersuchen, um Kosten einzusparen.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG stellte klar: Wie bei einem Bauvertrag kann auch zwischen einem Architekten und seinem Auftraggeber eine von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichende Ausführung vereinbart werden, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen.
Beauftragt eine Bauträgerin einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt sie vom Architekten, einzelne Maße zu überprüfen, übernimmt die Bauträgerin sehenden Auges das mit der begrenzten Überprüfung der Maße verbundene Risiko und kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Weist der Architekt seinen Auftraggeber darauf hin, dass die zu planende Wohnung ohne Sonnenschutz nicht funktioniert, muss der Auftraggeber erkennen, dass bei Umsetzung der Planung eine im Hinblick auf den Wärmeschutz nicht ausreichend funktionstüchtige Wohnung errichtet wird, und es bedarf keines weiteren Hinweises, dass dann (auch) die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten sind.
Macht der Auftraggeber eines Architekten geltend, dass er im Fall einer mangelfreien Beratung von der Sanierung eines Gebäudes abgesehen und einen profitableren Neubau errichtet hätte, schafft der Auftraggeber für eine Schadensschätzung bzw. Begutachtung nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn er nachvollziehbar darlegt, welches Gebäude mit welchen Eigenschaften er statt der Sanierung errichtet hätte.
Macht ein Auftraggeber geltend, bei einem mangelfreien Architektenwerk hätte er die zu errichtenden Wohnungen teurer verkaufen können, ist ein Schaden nur schlüssig dargelegt, wenn die Kalkulationsgrundlagen für den erzielten und den geltend gemachten Kaufpreis offengelegt werden und nachvollziehbar vorgetragen wird, dass ein höherer Kaufpreis am Markt hätte durchgesetzt werden können.
Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 17.12.2024, 10 U 38/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Aachen hat die Klage eines Realschullehrers auf Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Festsetzung von Erfahrungsstufen und mithin auf eine höhere Besoldung abgewiesen. |
Eine Tätigkeit als Anbieter von Cocktailkursen ist für die Tätigkeit als verbeamteter Lehrer nicht förderlich im besoldungsrechtlichen Sinne. Eine Tätigkeit ist allgemein förderlich, wenn sie für die Dienstausübung des Beamten nützlich bzw. von konkretem Interesse ist, d. h. wenn diese entweder erst aufgrund der früher gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht oder wenn sie jedenfalls erleichtert und verbessert wird.
Ausgehend hiervon kann die Tätigkeit als Betreiber einer Gesellschaft, die Cocktailkurse und Barcatering anbietet – auch wenn diese Tätigkeit über mehrere Jahre ausgeübt wurde – nicht als förderlich angesehen werden. Das Halten von Cocktailkursen ist weder qualitativ noch quantitativ mit der Tätigkeit eines Realschullehrers vergleichbar. So hat der Kläger im Rahmen seiner Cocktailschule insbesondere nicht mit Minderjährigen gearbeitet, sondern deren Angebot zielte auf die Schulung von Mitarbeitern aus dem Hotel-, Restaurant- und Cateringgewerbe. Auch sind die Anforderungen an die Erstellung eines Cocktailkurses nicht mit der Erstellung eines differenzierten Lehrplans für Schulunterricht in den Schulklassen 5 bis 10 vergleichbar.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 20.1.2025, 1 K 2377/23, PM vom 3.2.2025
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Ein Beschäftigungsverhältnis wird erst ab dem Beginn der Entgeltfortzahlung und nicht schon mit Abschluss des Arbeitsvertrags begründet. |
Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankgemeldet
Geklagt hatte ein 36-jähriger Arbeitsloser, dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld Ende Oktober 2023 auslief. Anfang Oktober unterschrieb der Mann einen Arbeitsvertrag als Lagerist bei einem Reinigungsunternehmen zu einem Monatslohn von 3.000 Euro brutto. Er trat die Arbeit jedoch nie an, da er sich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankmeldete. Zwei Wochen später kündigte die Firma innerhalb der Probezeit.
Krankenkasse zahlte kein Krankengeld
Die Krankenkasse des Mannes lehnte daraufhin die Zahlung von Krankengeld ab. Begründung: Es habe kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, da der Mann kein Einkommen erzielt habe.
Der Mann verklagte das Unternehmen und verlangte die Anmeldung zur Sozialversicherung ab dem Beginn des Arbeitsvertrags. Er vertrat dazu die Auffassung, dass bereits durch einen rechtsgültigen Vertrag, der eine Entgeltzahlung vorsehe, ein Beschäftigungsverhältnis zustande komme. Dies müsse auch gelten, wenn ihm der Arbeitsantritt krankheitsbedingt nicht möglich sei. Andernfalls würde er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit leer ausgehen.
Landessozialgericht gab Krankenkasse Recht
Das LSG vermochte sich der Rechtsauffassung des Klägers nicht anzuschließen. Der Arbeitgeber müsse ihn nicht zur Sozialversicherung anmelden, da ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht schon mit dem Beginn des Arbeitsvertrags entstanden sei. Erforderlich sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe. Dieser Anspruch entstehe jedoch bei neuen Arbeitsverhältnissen generell erst nach einer vierwöchigen Wartezeit.
Wartezeit war ohnehin nicht erfüllt
Diese gesetzliche Regelung solle verhindern, dass Arbeitgeber die Kosten der Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer tragen müssen, die direkt nach der Einstellung erkrankten. Der Gesetzgeber habe eine solche Konsequenz als unbillig angesehen.
Unabhängig davon müsse der Mann sich erst an seine Krankenkasse wenden, bevor er seinen Arbeitgeber verklage.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.1.2025, L16 KR 61/24
| Berufsgeheimnisträger können in ihrem Fahrtenbuch Schwärzungen vornehmen, soweit diese Schwärzungen erforderlich sind, um die Identitäten von Mandanten zu schützen. Diese Berechtigung ändert aber nichts an der grundsätzlichen Beweislastverteilung. Gegebenenfalls muss der Berufsträger substanziiert und nachvollziehbar darlegen, weshalb Schwärzungen in dem Umfang erforderlich waren und die berufliche Veranlassung der Fahrten durch ergänzende Angaben darlegen. So lautet eine Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Hamburg, gegen die die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig ist. |
Der Rechtsanwalt hatte die Eintragungen in der Spalte „Grund der Fahrt/besuchte Personen“– mit drei Ausnahmen – bei allen beruflichen Fahrten geschwärzt. Das war dem FG zu viel. Die Richter fanden es ungewöhnlich, dass ein Anwalt bei nahezu jeder geschäftlichen Fahrt geheimhaltungsbedürftige Daten in sein Fahrtenbuch einträgt. In der vorgelegten Form wurde das Fahrtenbuch deshalb nicht anerkannt.
Quelle | FG Hamburg, Urteil vom 13.11.2024, 3 K 111/21, Rev. BFH, VIII R 35/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Der sonntägliche Verkauf von Dekorationsartikeln und Christbaumschmuck in einem Gartenmarkt verstößt nicht gegen das Ladenöffnungsgesetz Nordrhein-Westfalen. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte betreibt Gartenmärkte in Nordrhein-Westfalen und verkaufte dort an einem Sonntag im November des Jahres 2022 neben Blumen und Pflanzen auch Dekorationsartikel und Christbaumschmuck. Die Klägerin hält dies für unlauter und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
So sahen es die Vorinstanzen
Das Landgericht (LG) hat die Klage mit Blick auf das von der Klägerin begehrte Verbot des Verkaufs von künstlichen Tannenzweigen, Motivanhängern, Zimtstangen und Glaskugeln abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsantrag weiter.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der sonntägliche Verkauf der in Rede stehenden Waren stellt keinen Wettbewerbsverstoß dar, weil sie dem Randsortiment zuzurechnen sind. Ihr Verkauf ist deshalb nach dem Ladenöffnungsgesetz Nordrhein-Westfalen (LÖG NW) an Sonn- und Feiertagen zulässig. Als kleinteilige Accessoires zu den von der Beklagten hauptsächlich angebotenen Blumen und Pflanzen haben Dekorationsartikel und Christbaumschmuck lediglich ergänzenden, in Umfang und Gewichtigkeit deutlich untergeordneten Charakter.
Die Zugehörigkeit von Waren zum Randsortiment richtet sich nach ihrer hauptsächlichen Zweckbestimmung und nicht nach ihrer darüber hinaus möglichen Nutzung. Zudem muss das Randsortiment – anders als das Kernsortiment – nicht zum sofortigen Ge- oder Verbrauch bestimmt sein. Auch ist nicht erforderlich, dass Waren des Randsortiments gleichzeitig oder kombiniert mit Waren des Kernsortiments erworben werden. Es stellt keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß dem Grundgesetz (hier: Art. 3 Abs. 1 GG) dar, dass das Randsortiment nur in den aufgrund ihres Kernsortiments privilegierten Verkaufsstellen sonn- und feiertags verkauft werden darf, in sonstigen Verkaufsstellen aber nicht. Die Differenzierung danach, ob das Kernsortiment den typischerweise an Sonn- und Feiertagen anfallenden Bedarf befriedigt, ist sachlich gerechtfertigt.
Quelle | BGH, Urteil vom 5.12.2024, I ZR 38/24, PM Nr. 230/24
| Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde die nationale Kleinunternehmerregelung mit Wirkung ab dem Jahr 2025 reformiert. Zudem kann die Kleinunternehmerregelung nun auch erstmalig im EU-Ausland in Anspruch genommen werden. Infolge der gesetzlichen Neuregelungen hat das Bundesfinanzministerium (BMF) ein Anwendungsschreiben veröffentlicht und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass entsprechend angepasst und ergänzt. |
„Echte“ Befreiung
Durch die Neuregelung sind von inländischen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze von der Umsatzsteuer nun befreit (zuvor wurde die Umsatzsteuer „nicht erhoben“). Die Folge ist, dass ein dennoch in einer Rechnung ausgewiesener Steuerbetrag unter den Voraussetzungen des Umsatzsteuergesetzes (hier § 14 c Abs. 1 UStG: „unrichtiger Steuerausweis“) geschuldet wird.
Rechnungen an Endverbraucher ausgenommen
Allerdings entsteht keine Umsatzsteuer, wenn der Kleinunternehmer eine Leistung (Lieferung oder sonstige Leistung) ausführt und hierüber eine Rechnung mit einem unrichtigen Steuerausweis an einen Endverbraucher stellt.
Bindend: Fünfjahresfrist
Zudem führt das BMF Folgendes aus: Ein vor 2025 erklärter Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung bindet den Unternehmer auch für die Zeit nach dem 1.1.2025 weiterhin für insgesamt mindestens fünf Kalenderjahre (§ 19 Abs. 3 S. 3 UStG).
Beachten Sie | Die Fünfjahresfrist ist vom Beginn des ersten Kalenderjahres an zu berechnen, für das die abgegebene Erklärung gilt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 18.3.2025, III C 3 - S 7360/00027/044/105
| Ein als Zahnarzt zugelassener Mitunternehmer übt im Rahmen eines Zusammenschlusses von Berufsträgern den freien Beruf selbst aus, wenn er neben einer ggf. äußerst geringfügigen behandelnden Tätigkeit vor allem und weit überwiegend organisatorische und administrative Leistungen für den Praxisbetrieb der Mitunternehmerschaft erbringt. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Ärzte und Zahnärzte erzielen aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 18 EStG). Dies gilt grundsätzlich auch bei einer Gemeinschaftspraxis.
Allerdings kann es Konstellationen geben, in denen die Einkünfte der Gesellschaft als gewerbliche Einkünfte (nach § 15 EStG) einzustufen sind – mit der Konsequenz der Gewerbesteuerpflicht. Und darum ging es in folgendem Fall:
Das war geschehen
Eine Partnerschaftsgesellschaft betreibt eine Zahnarztpraxis. Einem ihrer Seniorpartner oblag die kaufmännische Führung und die Organisation der ärztlichen Tätigkeit des Praxisbetriebs (z. B. Vertretung gegenüber Behörden und Kammern, Personalangelegenheiten, Instandhaltung der zahnärztlichen Gerätschaften).
Zahnarzt hatte im Jahr fünf Patienten
Der Seniorpartner war weder „am Stuhl“ behandelnd tätig noch in die praktische zahnärztliche Arbeit der Mitsozien und der angestellten Zahnärzte eingebunden. Er beriet im Streitjahr fünf Patienten konsiliarisch und generierte hieraus einen geringfügigen Umsatz.
Das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz stuften die Einkünfte der gesamten Gesellschaft als gewerblich ein. Dem folgte der BFH allerdings nicht: Alle Mitunternehmer erzielen Einkünfte aus freiberuflicher und damit selbstständiger Arbeit.
Die freiberufliche Tätigkeit ist durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Berufsträgers geprägt. Daher reicht die bloße Zugehörigkeit eines Gesellschafters zu einem freiberuflichen Katalogberuf nicht aus. Vielmehr muss positiv festgestellt werden können, dass jeder Gesellschafter die Hauptmerkmale des freien Berufs in seiner Person tatsächlich verwirklicht hat, also
- die persönliche Berufsqualifikation sowie
- das untrennbar damit verbundene aktive Entfalten dieser Qualifikation am Markt.
Die persönliche Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit im vorgenannten Sinne setzt allerdings nicht voraus, dass jeder Gesellschafter in allen Unternehmensbereichen leitend und eigenverantwortlich tätig ist und an jedem Auftrag mitarbeitet. Die eigene freiberufliche Betätigung eines Mitunternehmers kann auch in Form der Mit- und Zusammenarbeit stattfinden.
Beachten Sie | Einen Mindestumfang für die nach außen gerichtete qualifizierte Tätigkeit sieht das Gesetz nicht vor.
Eine freiberufliche zahnärztliche Tätigkeit ist demzufolge vorliegend anzunehmen. Auch in diesem Fall entfaltet der Berufsträger Tätigkeiten, die zum Berufsbild des Zahnarztes gehören.
Bundesfinanzhof: Führung und Organisation ist Grundlage für freiberufliche Tätigkeit
Beachten Sie | In diesem Zusammenhang stellte der BFH Folgendes heraus: Die kaufmännische Führung und Organisation der Personengesellschaft ist die Grundlage für die Ausübung der am Markt erbrachten berufstypischen zahnärztlichen Leistungen. Sie ist demzufolge auch Ausdruck seiner freiberuflichen Mit- und Zusammenarbeit sowie seiner persönlichen Teilnahme an der praktischen Arbeit.
Quelle | BFH, Urteil vom 4.2.2025, VIII R 4/22, PM 19/25 vom 27.3.2025
| Ein vermietetes Wohngebäude abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen, wird nicht durch die sogenannte Wohnraumoffensive steuerlich gefördert. Eine Sonderabschreibung gemäß Einkommensteuergesetz (hier: § 7 b Abs.1 EStG) ist nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) Köln nicht möglich. Allerdings haben die Steuerpflichtigen Revision eingelegt. |
Hintergrund: Für die Anschaffung oder Herstellung neuer Wohnungen können im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden drei Jahren Sonderabschreibungen bis zu jährlich 5 % der Bemessungsgrundlage neben der regulären Abschreibung in Anspruch genommen werden. Einige Voraussetzungen für die Sonderabschreibung im Überblick:
Baukostenobergrenze
- Bauantrag/-anzeige nach 31.8.2018 und vor 1.1.2022:
Anschaffungs-/Herstellungskosten max. 3.000 Euro pro qm Wohnfläche
- Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029:
Anschaffungs-/Herstellungkosten max. 5.200 Euro pro qm Wohnfläche
Maximal förderfähig Bemessungsgrundlage
- Bauantrag/-anzeige nach 31.8.2018 und vor 1.1.2022:
2.000 Euro pro qm Wohnfläche
- Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029:
4.000 Euro pro qm Wohnfläche
Energieeffizienz
Bei Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029: Effizienzvorgaben („Effizienzhaus 40“) beachten.
Das war geschehen
Die Steuerpflichtigen waren Eigentümer eines vermieteten Einfamilienhauses und entschieden sich gegen die aus ihrer Sicht unwirtschaftliche Sanierung des Gebäudes auf einen zukunftsfähigen Standard. Stattdessen ließen sie das alte Gebäude abreißen und errichteten auf demselben Grundstück ein neues Einfamilienhaus. Den Ende 2020 fertiggestellten Neubau wollten sie wieder als Wohnraum vermieten. Das Finanzamt versagte die Förderung für Mietwohnungsneubau (Sonderabschreibung) gemäß der Wohnraumoffensive von Bund, Ländern und Gemeinden aus dem Jahr 2019. Hiergegen zogen die Steuerpflichtigen vor das FG Köln – ohne Erfolg.
Das FG hob hervor, dass die Steuerpflichtigen keinen zusätzlichen Wohnraum geschaffen haben. Die Wohnraumoffensive zielt darauf ab, dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum durch die Förderung von Neu- und Umbaumaßnahmen entgegenzuwirken. Voraussetzung für die Förderung ist deshalb, dass nach einer solchen Maßnahme insgesamt mehr Wohnraum zur Verfügung steht als zuvor. Der von den Steuerpflichtigen angeführte bessere Ausbau- und Energiestandard änderte nichts an dieser Beurteilung.
„Wohnraumoffensive“ galt noch nicht
Unerheblich war auch, dass der Gesetzgeber für spätere Zeiträume eine zusätzliche Förderung für energetische Neubauten geschaffen hat. Denn diese Förderung war im Streitjahr 2020 noch nicht anwendbar. Das Vorgehen der Steuerpflichtigen war eher mit einer Sanierung vergleichbar, die nicht vom Förderzweck der Wohnraumoffensive umfasst ist.
Quelle | FG Köln, Urteil vom 12.9.2024, 1 K 2206/21, Rev. BFH, IX R 24/24
| Zahlungen für den vorzeitigen Rückfall eines Erbbaurechts (sogenannter Heimfall) stellen steuerpflichtige Einkünfte dar, wenn sie als Ersatz für entgehende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gewährt werden und damit Entschädigungen i. S. des Einkommensteuergesetzes (hier: § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) darstellen. Das Finanzgericht (FG) Hessen bestätigte damit die Ansicht der Finanzverwaltung, wonach solche Entschädigungszahlungen nicht als sonstige Einkünfte, sondern als Einkünfte aus der Nutzung von unbeweglichem Vermögen zu qualifizieren sind. |
Beachten Sie | Die Klägerseite hatte den Vorgang demgegenüber als Rückkauf des Erbbaurechts und die „Entschädigung“ als Entgelt für die Substanzübertragung eingestuft. Wegen des Ablaufs der 10-Jahresfrist (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG) komme eine Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft nicht mehr in Betracht.
Das FG sah das anders. Dass eine Drucksituation des Steuerpflichtigen bei Vertragsschluss nicht erkennbar war, änderte daran nichts. Da die Revision anhängig ist, wird nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden müssen.
Quelle | FG Hessen, Urteil vom 22.2.2024, 10 K 436/22, Rev. BFH, IX R 9/24
| Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit den Bundesländern Vorgaben zu den ertragsteuerrechtlichen Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten bei Kryptowerten (z. B. Bitcoin) erarbeitet. Die neuen Vorgaben ersetzen das bisherige Schreiben aus dem Jahr 2022. Zu diesem Anlass wurde die bisherige Formulierung „virtuelle Währungen und sonstige Token“ durch die Bezeichnung „Kryptowerte“ ersetzt. |
Beachten Sie | Tätigkeiten im Zusammenhang mit Kryptowerten können zu Einkünften aus allen Einkunftsarten (z. B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen) führen.
Nach Rz. 53 des Schreibens ist Folgendes zu beachten: Gewinne aus dem Verkauf von im Privatvermögen gehaltenen Kryptowerten können Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften darstellen, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Gewinne bleiben indes steuerfrei, wenn die Summe der aus allen privaten Veräußerungsgeschäften im Kalenderjahr erzielten Gewinne weniger als 1.000 Euro beträgt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 6.3.2025, IV C 1 - S 2256/00042/064/043
| Zur Ermittlung der tatsächlichen Kosten für sonstige berufliche Fahrten nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 a S. 1 EStG) ist eine Leasingsonderzahlung den einzelnen Veranlagungszeiträumen während der Laufzeit des Leasingvertrags zuzuordnen. Mit dieser Entscheidung hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine bisherige Rechtsprechung geändert. Denn bis dato war die Leasingsonderzahlung grundsätzlich im Zeitpunkt der Zahlung zu berücksichtigen. Und auch andere (Voraus-)Zahlungen, die sich wirtschaftlich auf die Dauer des Leasingvertrags erstrecken, sind periodengerecht auf die einzelnen Veranlagungszeiträume während der Laufzeit des Leasingvertrags zu verteilen. |
Hintergrund: Arbeitnehmer können die Kosten für beruflich veranlasste Fahrten, die keine Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie keine Familienheimfahrten sind, bei Nutzung eines eigenen Pkw als Werbungskosten ansetzen. Dabei besteht ein Wahlrecht: Ansatz der Fahrtkosten mit einer Pauschale von 0,30 Euro/km oder Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen.
Sollen die tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden, muss ein individueller Kilometersatz ermittelt werden, wobei die gesamten Fahrzeugkosten zu berücksichtigen sind.
Beachten Sie | Zu den Gesamtkosten gehören die Kosten, die unmittelbar dem Halten und dem Betrieb des Kfz dienen und im Zusammenhang mit dessen Nutzung typischerweise entstehen. Dazu rechnen vor allem die Kosten für Betriebsstoffe, Wartung und Reparaturen sowie die regelmäßig wiederkehrenden festen Kosten, etwa für die Haftpflichtversicherung, die Kfz-Steuer, Absetzung für Abnutzung (AfA) oder Leasing- und Leasingsonderzahlungen.
Das war geschehen
Ein Arbeitnehmer nutzte für seine beruflichen Fahrten einen ab dem 20.12.2018 für drei Jahre geleasten Pkw. Für seine vom 20.12. bis 31.12.2018 durchgeführten beruflichen Fahrten setzte er 0,93 Euro/km als Werbungskosten an. Bei der Ermittlung des Kilometersatzes legte er u. a. die Leasingsonderzahlung für den Leistungszeitraum (20.12.2018 bis 19.12.2021) von 15.000 Euro, die Kosten für Zubehör, Zusatzleistungen und Reifen sowie die für zwölf Monate zu zahlenden Leasingraten, Versicherungsprämien und ADAC-Beiträge zugrunde.
Bisher gehörte eine bei Leasingbeginn zu erbringende Sonderzahlung in Höhe des auf die Auswärtstätigkeiten entfallenden Nutzungsanteils zu den sofort abziehbaren Werbungskosten. Etwas anderes galt nur, wenn es sich bei der Leasingsonderzahlung um Anschaffungskosten für den Eigentumserwerb bzw. um Anschaffungskosten eines Nutzungsrechts handelte, die nur in Form von AfA berücksichtigt werden können.
Bundesfinanzhof ändert seine bisherige Rechtsprechung
An dieser Rechtsprechung hält der BFH nicht mehr fest. Bei Leasingsonderzahlungen handelt es sich um ein vorausgezahltes Nutzungsentgelt, das dem Zweck dient, die Leasingraten während der Gesamtlaufzeit des Leasingvertrags zu mindern. Die Sonderzahlung finanziert damit auch die Nutzung des Fahrzeugs in den Folgejahren, weshalb die Leasingsonderzahlung linear auf den Vertragszeitraum zu verteilen ist, sofern die Sonderzahlung nach den Vertragsbedingungen die Höhe der monatlichen Leasingraten mindert.
Diese Grundsätze gelten auch für andere (Voraus-)Zahlungen, die sich wirtschaftlich auf die Dauer des Leasingvertrags erstrecken. Beispielhaft führt der BFH die Kosten „für einen weiteren Satz Reifen“ an, die in Höhe der AfA in die jährlichen Gesamtaufwendungen einzubeziehen sind.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 9/22
| Die Fahrerlaubnis-Verordnung bietet keine rechtliche Grundlage für eine behördliche Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen (u. a. Fahrräder, Mofas, E-Scooter). Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden. Damit sind zwei Antragsteller aus Duisburg und Schwerte vorläufig wieder berechtigt, mit solchen Fahrzeugen am Straßenverkehr teilzunehmen. |
Unter Amphetaminen auf dem E-Scooter bzw. betrunken auf dem Rad
Ein Antragsteller fuhr unter dem Einfluss von Amphetamin einen E-Scooter. Der andere Antragsteller wies bei einer Fahrt mit dem Fahrrad eine Blutalkoholkonzentration von über 2 ‰ auf. Beide besitzen keine Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (z. B. Pkw). In beiden Fällen untersagten die Fahrerlaubnisbehörden ihnen das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen. Die hiergegen gerichteten Eilanträge lehnten die Verwaltungsgerichte (VG) Düsseldorf und Gelsenkirchen ab. Die Beschwerden der Antragsteller hatten beim OVG Erfolg.
Einschlägige Normen nicht verhältnismäßig
Zur Begründung hat das OVG ausgeführt: Die streitigen Anordnungen können nicht auf die Vorschrift der Fahrerlaubnis-Verordnung gestützt werden, wonach die Fahrerlaubnisbehörde jemandem das Führen von Fahrzeugen zu untersagen hat, der sich als hierfür ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet erweist. Denn diese Norm ist nicht hinreichend bestimmt und verhältnismäßig.
Ein solches Verbot schränkt die grundrechtlich geschützte Fortbewegungsmöglichkeit der Betroffenen deutlich ein. Außerdem sind fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im Vergleich zu Kraftfahrzeugen in der Regel weniger gefährlich. Die Vorschrift berücksichtigt diese Aspekte nicht und regelt insbesondere nicht hinreichend klar, in welchen Fällen jemand ungeeignet oder bedingt geeignet zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist und wann Eignungszweifel bestehen.
Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts sind unanfechtbar.
Quelle | OVG Münster, Beschluss vom 5.12.2024, 16 B 175/23, PM vom 6.12.2024
| In einem aktuellen Streitfall hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass der Steuerpflichtige die Aufwendungen für seine Fahrten zwischen der Wohnung und der Fernuniversität in Hagen nach Reisekostengrundsätzen als Werbungskosten geltend machen kann. |
Hintergrund: Beruflich veranlasste Aufwendungen, die im Rahmen einer Zweitausbildung (Berufsausbildung oder Studium) anfallen, sind grundsätzlich als (vorab entstandene) Werbungskosten abziehbar. Hierzu zählen auch die Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte. Diese sind jedoch bei vollzeitigen Bildungsmaßnahmen bzw. bei Vollzeitstudien auf den Ansatz der Entfernungspauschale begrenzt.
Ein Vollzeitstudium liegt vor, wenn das Studium darauf ausgelegt ist, dass sich die Studierenden diesem (vergleichbar einem vollbeschäftigten Arbeitnehmer) zeitlich vollumfänglich widmen müssen. Davon ist auszugehen, wenn das Studium nach den Ausbildungsbestimmungen oder der allgemeinen Erfahrung insgesamt etwa 40 Wochenstunden (Unterricht, Praktika sowie Vor- und Nachbereitung zusammengenommen) erfordert.
Im Streitfall war der Steuerpflichtige nur als Teilzeitstudierender eingeschrieben und studierte nach seinem Hörerstatus in einem Umfang von etwa 20 Stunden wöchentlich. Dass er im Streitjahr keiner Erwerbstätigkeit nachging, war im Hinblick auf den Begriff des Vollzeitstudiums unerheblich.
Somit waren die Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen (Ansatz einer Pauschale i. H. von 0,30 Euro je gefahrenem Kilometer oder Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen) abzugsfähig.
Quelle | BFH, Urteil vom 24.10.2024, VI R 7/22
| Wer auf Betrüger hereinfällt und im Online-Verfahren eine Echtzeit-Überweisung freigibt, kann nicht darauf hoffen, dass die Bank ihm den Schaden ersetzt. Dies gilt selbst dann, wenn er Minuten später den Schwindel bemerkt und über den Kundenservice sein Konto sperren lässt. Denn der einmal angestoßene Zahlungsvorgang kann nicht mehr gestoppt werden, auch wenn das Geld erst Tage später vom Konto abgebucht wird. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden. Das LG hat die Klage zweier Eheleute gegen ihre Hausbank abgewiesen. Diese waren einer bekannten Betrugsmasche („Hallo, ich habe eine neue Handynummer“) aufgesessen. |
Ehepaar fiel auf bekannte Betrugsmasche herein
Das Ehepaar erhielt im Herbsturlaub letzten Jahres eine SMS von einer unbekannten Rufnummer. Der Absender gab sich als deren Tochter aus und bat darum, über den Nachrichtendienst WhatsApp Kontakt aufzunehmen. Bei dem darauffolgenden Chat glaubten die beiden fest daran, mit ihrer Tochter in Kontakt zu sein. Auf Frage teilten sie die Zugangsdaten für das von ihnen genutzte Online-Banking mit und gaben schließlich zwei Echtzeitüberweisungen von insgesamt ca. 6.000 Euro über die auf ihrem Handy installierte Photo-Tan-App frei. Bereits wenige Minuten später kamen ihnen doch Bedenken,s ie erreichten ihre Tochter und die Täuschung flog auf. Weniger als 20 Minuten nach der Freigabe der Zahlungen informierten sie telefonisch den Kundenservice ihrer Bank und ließen das Konto sperren. Trotzdem wurden die Beträge zwei Tage später vom Girokonto abgebucht. Es sei nicht mehr möglich gewesen, die Vorgänge zu stoppen, so die Bank. Eine Rückerstattung lehnte sie ab.
Landgericht: Zahlungsvorgang an sich völlig korrekt
Das LG gab der Bank Recht und lehnte die Rückzahlung ab. Die Eheleute hätten ihre Freigabe nicht mehr widerrufen können. Ein Widerruf sei nämlich bei Echtzeit-Überweisungen nur bis zum Zugang der Freigabe bei der Bank möglich. Über das Internet erfolgt der Zugang in Sekundenbruchteilen. Danach könnten sich Bankkunden nur von der Freigabe lösen, wenn die Bank die Täuschung hätte bemerken müssen. Dafür sei im konkreten Fall nichts ersichtlich, der Zahlungsvorgang sei vielmehr völlig korrekt abgelaufen und die Bank sei mittels der im Online-Banking vorgesehenen Login- und Freigabedaten korrekt autorisiert worden. Dass die Abbuchung erst zwei Tage später erfolgt sei, ändere am Ergebnis nichts. Es sei zu unterscheiden zwischen dem Geldausgang, der schon wenige Sekunden nach der Online-Freigabe erfolgt sei, und dem Zeitpunkt der Belastung des Kontos. Im Übrigen habe sich das Paar durch die leichtfertige Weitergabe der Zugangsdaten grob fahrlässig verhalten.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 24.10.2024, 7 O 154/24, PM vom 27.11.2024
| Teilt der Rundfunkkunde eine Änderung der Anschrift nicht mit und ergreift auch keine Maßnahmen, um den Zugang von Post unter einer veralteten Adresse zu verhindern, muss er offene Rundfunkbeiträge zahlen. So entschied es das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |
Das war geschehen
Die Klägerin wird durch den beklagten Südwestrundfunk für ihre Privatwohnung zu Rundfunkbeiträgen herangezogen. Sie bewohnt ein Haus, das ursprünglich über zwei getrennte Wohneinheiten mit Ausgängen zu verschiedenen Straßen (A.-Straße und C.-Weg) verfügte. Bis zum Jahr 2020 war die Klägerin unter der Anschrift A.-Straße gemeldet. Bereits einige Jahre zuvor verschloss sie jedoch den auf diese Straße führenden Hauseingang und entfernte den zugehörigen Briefkasten. Eine Ummeldung (zum C.-Weg) veranlasste sie zunächst nicht. Die Klägerin entrichtete keine Rundfunkbeiträge.
Schließlich setzte der Beklagte mit mehreren Festsetzungsbescheiden die offenen Rundfunkbeiträge gegen die Klägerin fest. Die Bescheide waren an die Anschrift der Klägerin in der A.-Straße adressiert. Erstmals ab Mitte des Jahres 2020 nahm die Klägerin die Zahlung von Rundfunkbeiträgen auf und zeigte dem Beklagten die Anschrift „C.-Weg“ an.
Mit ihrer nach erfolglosem Widerspruchsverfahren gegen die Festsetzungsbescheide gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, die Bescheide seien ihr nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Eine Mahnung habe sie nur durch Zufall erreicht. Seit Jahren empfange sie ihre Post nur noch im C.-Weg. Die geforderten Beiträge seien deshalb verjährt.
So sah es das Verwaltungsgericht
Hiermit hatte sie keinen Erfolg. Die Klägerin sei zur Zahlung der geforderten Rundfunkbeiträge verpflichtet, so das VG. Dabei könne offen bleiben, ob der Klägerin die Bescheide wirksam bekannt gegeben worden seien. Denn sie habe dem Beklagten die Änderung der Anschrift nicht mitgeteilt und noch dazu aktive Maßnahmen ergriffen, um den Zugang von Post unter der A.-Straße zu verhindern. Sie könne sich daher jedenfalls nicht auf die Verjährung der Beiträge berufen. Außerdem seien die Zahlungen, die die Klägerin ab dem Jahr 2020 geleistet habe, nach der insoweit maßgeblichen Satzung des Beklagten jeweils mit der ältesten Rundfunkbeitragsschuld verrechnet worden.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 12.11.2024, 5 K 594/24.KO, PM 21/24
| Ferien sollen eine schöne und unbeschwerte Zeit sein. Doch auch hier kann es zu schlimmen Vorfällen kommen. So ging es einer Familie aus Norddeutschland auf der Insel Wangerooge. Letztlich musste sich das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg damit befassen. |
Unfall beim Kaffeekochen
Beim ersten Frühstück in der Ferienwohnung setzte die Mutter einer sechsjährigen Tochter Kaffee in der Kaffeemaschine auf. Als sie den Kaffee zum Frühstückstisch brachte, löste sich der Henkel und die Kanne kippte nach vorn. Der heiße Kaffee ergoss sich über den Oberköper und die Arme ihrer Tochter. Das Mädchen erlitt schwere Verbrennungen und kam mit einem Hubschrauber ins Krankenhaus nach Wilhelmshaven. Sie trug – voraussichtlich dauerhafte – Narben im Brustbereich davon.
Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld?
Die Tochter verklagte die Vermieterin auf Schmerzensgeld und Schadensersatz, weil die Kaffeekanne schon bei Übernahme der Ferienwohnung kaputt gewesen sei. Das Landgericht (LG) Oldenburg wies die Klage ab. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen als Teil des Mietvertrags sei eine Haftung für einfache Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Es sei aber nicht feststellbar, dass die Kaffeekanne erkennbar nicht mehr vollständig in Ordnung gewesen sei.
Mangel war nicht zu beweisen
Das OLG hat jetzt diese Entscheidung bestätigt. Zwar sei ein umfassender Haftungsausschluss durch Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam. Ein Vermieter hafte grundsätzlich sogar ohne jedes eigene Verschulden, allerdings nur für Mängel, die bereits bei Vertragsschluss vorlägen. Hier sehe das Gesetz eine viel strengere Haftung vor als bei anderen Vertragsformen, etwa beim Kauf- oder beim Werkvertrag. Die Klägerin habe jedoch einen solchen Mangel zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht beweisen können. Der gerichtlich bestellte Sachverständige habe keine Reparaturspuren an der Kanne feststellen können. Es stehe auch nicht fest, dass die Kanne bereits bei Vertragsschluss einen Schaden durch Verschleiß aufgewiesen habe. Ebenso wenig sei bewiesen, dass die Kaffeekanne einen Produktmangel gehabt habe, der zu vorzeitigem Verschleiß geführt habe. Selbst für einen solchen Mangel hätte die Vermieterin einstehen müssen.
Verschulden nicht ersichtlich
Die Vermieterin treffe auch keine Haftung wegen eines möglichen Verschuldens. Es sei nicht mehr aufzuklären, in wessen Verantwortungsbereich die Schadensursache liege. Die Glaskanne sei zunächst noch funktionstüchtig gewesen, als die Mutter der Klägerin damit das kalte Wasser in die Maschine gefüllt habe. Der Bruch sei also erst danach erfolgt. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Vermieterin etwaige Vorschäden hätten auffallen müssen. Sie hätte die Kanne auch nicht auf versteckte Schäden untersuchen müssen.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 25.11.2024, 9 U 40/23, PM 36/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden hat eine Klage abgewiesen, mit der der Kläger die Ausstellung eines Personalausweises ohne Speicherung der Fingerabdrücke auf dessen elektronischem Speichermedium (sog. „Chip“) begehrte. |
Pflicht aufgrund europäischer Verordnung
Die Pflicht zur Speicherung von Fingerabdrücken bei Ausweisen beruht auf der europäischen Verordnung (hier: (EU) 2019/1157 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019) zur Erhöhung der Sicherheit der Personalausweise von Unionsbürgern und der Aufenthaltsdokumente, die Unionsbürgern und deren Familienangehörigen ausgestellt werden, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben. Der Kläger trug vor, dass hierdurch seine Grundrechte auf Schutz des Privatlebens nach der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Art. 7 GRCh) und auf Schutz personenbezogener Daten (Art. 8GRCh) verletzt würden.
So sah es der Europäische Gerichtshof
Das VG hatte das Verfahren zunächst ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in einem Vorabentscheidungsverfahren die Frage vorgelegt, ob die Pflicht zur Aufnahme von Fingerabdrücken in Personalausweisen mit höherrangigem Unionsrecht vereinbar ist. Der EuGH hatte entschieden, dass die Verordnung wegen der Durchführung eines ungeeigneten Gesetzgebungsverfahrens ungültig sei. Die Wirkungen der Verordnung würden jedoch aufrechterhalten bleiben, bis innerhalb einer angemessenen Frist, die zwei Jahre ab dem 1.1.2025 nicht überschreiten dürfe, eine neue, im korrekten Gesetzgebungsverfahren erlassene Verordnung in Kraft trete, die sie ersetzt. In materieller Hinsicht verstoße die Einschränkung der in Art. 7 und Art. 8 GRCh garantierten Rechte nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sodass die Verordnung nicht aus diesem Grund ungültig sei.
So entschied das Verwaltungsgericht
Die Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken sei rechtmäßig, so das VG, und verletze den Kläger deshalb auch nicht in seinen Rechten. Das VG sei an das Urteil des EuGH gebunden, insbesondere bezüglich der Ausführungen zur materiellen Rechtmäßigkeit. Auch im Hinblick auf die im konkreten Verfahren vorliegende Frage der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken durch die Landeshauptstadt Wiesbaden sei keine andere Beurteilung geboten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei auch im konkreten Fall gewahrt. In der Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken durch die Beklagte liege kein Verstoß gegen Grundrechte.
Auch habe das VG für die Entscheidung über den vorliegenden Fall nicht den Fristablauf der Fortgeltung der o. g. Verordnung oder den Erlass einer neuen Verordnung abwarten müssen. Angesichts der Entscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren sei die Sache entscheidungsreif. Der EuGH habe ausdrücklich entschieden, dass die Wirkungen der Verordnung aufrechterhalten blieben, weshalb im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein Anspruch des Klägers auf Ausstellung eines Personalausweises ohne Speicherung von Fingerabdrücken bestehe. Die Frage, ob sich ein solcher Anspruch möglicherweise in der Zukunft infolge einer Änderung der Rechtslage ergeben könnte, sei im vorliegenden Verfahren nicht von Relevanz.
Quelle | VG Wiesbaden, Urteil vom 18.12.2024, 6 K 1563/21.WI, PM 9/24
| Leistungen eines Wohnungseigentümers in die Erhaltungsrücklage einer Wohnungseigentümergemeinschaft (z. B. im Rahmen der monatlichen Hausgeldzahlungen) sind steuerlich im Zeitpunkt der Einzahlung noch nicht abziehbar. Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung liegen erst vor, wenn aus der Rücklage Mittel zur Zahlung von Erhaltungsaufwendungen entnommen werden. Damit hat der Bundesfinanzhof (BFH) die bisherige Sichtweise bestätigt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar vermietete mehrere Eigentumswohnungen. Das an die jeweilige Wohnungseigentümergemeinschaft gezahlte Hausgeld wurde zum Teil der gesetzlich vorgesehenen Erhaltungsrücklage zugeführt. Insoweit erkannte das Finanzamt keine Werbungskosten an. Der Abzug könne erst in dem Jahr erfolgen, in dem die zurückgelegten Mittel für die tatsächlich angefallenen Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum verbraucht würden. Das Finanzgericht (FG) Nürnberg wies die Klage ab – und auch die Revision beim BFH blieb erfolglos.
Hausgeld war zwar erbracht …
Der Werbungskostenabzug erfordert einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Vermietungstätigkeit und den Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Die Eheleute hatten den der Erhaltungsrücklage zugeführten Teil des Hausgelds zwar erbracht und konnten hierauf nicht mehr zurückgreifen, da das Geld ausschließlich der Wohnungseigentümergemeinschaft gehört.
… aber noch nicht verausgabt
Auslösender Moment für die Zahlung war aber nicht die Vermietung, sondern die rechtliche Pflicht jedes Wohnungseigentümers, am Aufbau und an der Aufrechterhaltung einer angemessenen Rücklage für die Erhaltung des Gemeinschaftseigentums mitzuwirken. Ein Zusammenhang zur Vermietung entsteht erst, wenn die Gemeinschaft die angesammelten Mittel für Erhaltungsmaßnahmen verausgabt. Erst dann kommen sie der Immobilie zugute.
Beachten Sie | Durch die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) im Jahr 2020 wurde der Wohnungseigentümergemeinschaft die volle Rechtsfähigkeit zuerkannt. Der Hoffnung, dass die Zahlung in die Erhaltungsrücklage deshalb sofort im Zahlungsjahr abzugsfähig ist, hat der BFH ausdrücklich eine Absage erteilt.
Quelle | BFH, Urteil vom 14.1.2025, IX R 19/24
| Das Gericht darf einen Zuschlag zum Mietspiegel vornehmen, um eine sachgerechte Einzelvergleichsmiete zu bilden. Voraussetzung: Zwischen dem Erhebungsstichtag des Mietspiegels und dem Zeitpunkt, an dem das Zustimmungsverlangen zugestellt wurde, werden außergewöhnliche Steigerungen der ortsüblichen Vergleichsmiete festgestellt. Eine solche liegt aber nicht vor, wenn der Verbraucherpreisindex ansteigt. So sieht es das Landgericht (LG) München. |
Der Vermieter begehrte die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Er wollte u. a. einen sog. Stichtagszuschlag auf die von ihm ermittelte Vergleichsmiete addieren. Der Verbraucherpreisindex habe sich im Zeitraum zwischen Januar 2022 (als dem maßgeblichen Zeitpunkt der Erhebung der Daten für den qualifizierten Mietspiegel 2023) und Juni 2023 (Zugang des Mieterhöhungsverlangens) aufgrund einer ungewöhnlichen Steigerung der Mieten von rund 3% erhöht.
Das LG: Ein Stichtagszuschlag komme nicht in Betracht. Die Mieterhöhung könne nicht auf den qualifizierten Mietspiegel und ergänzend auf einen Anstieg des Verbraucherpreisindex gestützt werden. Ein Anstieg gemäß Index für Nettokaltmieten von nur wenig mehr als 3 % sei nicht außergewöhnlich hoch. Die Einführung einer „Stichtagspraxis“ würde zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen, die die sog. Befriedungsfunktion des Mietspiegels gefährden könne.
Quelle | LG München I, Urteil vom 17.7.2024, 14 S 3692/24
| Hat der Vermieter Ersatzansprüche wegen des Zustands der Mietsache bei Rückgabe, muss er sich bei unwirksamer Schönheitsreparaturklausel die Kosten anrechnen lassen, die er mangels eigener Renovierungsarbeiten erspart hat. So hat es das Amtsgericht (AG) Hanau entschieden. |
Vermieter verlangte Kostenersatz für Tapezier- und Streicharbeiten
Das Mietverhältnis zwischen den Parteien lief über 13 Jahre, der Vertrag enthielt eine Klausel hinsichtlich der durch den Mieter durchzuführenden Schönheitsreparaturen. Nach Wohnungsrückgabe führte der Vermieter Tapezier- und Streicharbeiten durch. Die Kosten verlangte er von dem Mieter ersetzt. Denn dieser habe sie mit bunten Farben (gelb, grün und rosa) zurückgegeben, was eine Weitervermietung nicht ermögliche. Zudem habe es viele nicht verschlossene Dübellöcher gegeben.
Klage abgewiesen
Das AG hat entschieden: Der Vermieter kann Streich- und Tapezierarbeiten in der Wohnung nicht ersetzt verlangen, weil er selbst zur Durchführung der Schönheitsreparaturen verpflichtet war. Es hat die Klage des Vermieters daher abgewiesen.
Worauf es ankommt und worauf nicht
Darauf, ob der Mieter dem Vermieter die Kosten für die Streich- und Tapezierarbeiten erstatten muss, komme es nicht an. Denn der Vermieter hätte während der gesamten Laufzeit des Mietvertrags die Schönheitsreparaturen in der Wohnung durchführen müssen. Die Klausel, nach der der Mieter hierzu verpflichtet wurde, war unwirksam, weil sie zu kurze Fristen setze. Außerdem sollte der Mieter nach einer anderen Klausel die Wohnung auch bei Einzug streichen, was ebenfalls zur Unwirksamkeit der laufenden Renovierungspflicht führe. Daher musste stattdessen, wie auch an sich vom Gesetz vorgesehen, der Vermieter renovieren. Hätte er das getan, wären ihm aber Kosten entstanden. Diese nicht aufgewendeten Kosten müsse er von seinen Schadenersatzansprüchen abziehen.
Für die Bestimmung der ersparten Kosten hat das Gericht auf die Pauschalbeträge nach der Zweiten Berechnungsverordnung (hier: § 28 Abs. 4 II. BerechnungsVO) in der jeweiligen Höhe zurückgegriffen. Auch wenn diese hier keine unmittelbare Anwendung finden, lägen ihnen offiziell anerkannte Durchschnittswerte zugrunde. Bei über 13 Jahren Mietlaufzeit überstiegen sie die von dem Vermieter geltend gemachten Kosten um mehr als das Dreifache.
Quelle | AG Hanau, Urteil vom 29.11.2024, 32 C 265/23, PM vom 16.12.2024
| Ein rechtlich beachtlicher Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses liegt nur vor, wenn sich der Anfechtende in einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses befunden hat, dagegen nicht, wenn lediglich falsche Vorstellungen von dem Wert der einzelnen Nachlassgegenstände vorgelegen haben. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken. |
Erblasserin verstarb ohne Testament
Die Erblasserin ist im Alter von 106 Jahren ohne Testament verstorben. Zuvor lebte sie seit längeren Jahren in einem Seniorenheim. Die Heim- und Pflegekosten wurden aus Mitteln der Kriegsopferfürsorgestelle bestritten. Diese Leistungen wurden als Darlehen gewährt und durch eine Grundschuld an einem Haus der Erblasserin abgesichert. Der Ehemann der Erblasserin, ihre beiden Kinder und auch ein Enkelkind waren bereits vorverstorben. Gesetzliche Erben waren die Enkel und Urenkel der Erblasserin.
Nach dem Tod der Erblasserin hat u. a. die in gesetzlicher Erbfolge zur Erbin berufene Enkelin das Erbe ausgeschlagen und dabei angegeben, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Zwei Urenkel der Erblasserin haben das Erbe dagegen nicht ausgeschlagen. In der Folge wurde das Haus der Erblasserin unter Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Nachlasspflegerin an Dritte verkauft. Nach dem Verkauf des Hauses hat die Enkelin ihre Erklärung zur Erbausschlagung sodann wegen Irrtums angefochten. Danach hat sie die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der u. a. sie als Erbin zu 1/4 Anteil ausweisen sollte.
Das Nachlassgericht hat entschieden, dass der Erbschein wegen der angefochtenen Erbausschlagungserklärung der Enkelin, wie von ihr beantragt, erteilt werden müsse. Gegen diesen Beschluss wendete sich einer der Urenkel, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte, mit seiner Beschwerde.
Erbscheinsantrag war zurückzuweisen
Auf die Beschwerde hat das OLG entschieden: Der Erbscheinsantrag der Enkelin war zurückzuweisen, da der von ihr beantragte Erbschein die eingetretene Erbfolge falsch wiedergebe. Die Enkelin sei keine Erbin geworden, da sie die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und sie die Ausschlagungserklärung wegen Irrtums auch nicht wirksam anfechten könne. Soweit sie ihren Irrtum damit begründet habe, ihr sei erst im Nachhinein bekannt geworden, dass zum Nachlass ein Bankkonto bei der Kreissparkasse K. mit einem vierstelligen Guthaben gehöre, läge zwar ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses vor.
Irrtum nicht ursächlich für Ausschlagung
Dieser Irrtum hätte aber nicht ihre Ausschlagung der Erbschaft veranlasst. Denn selbst, wenn ihr das Konto bei der Kreissparkasse Köln bekannt gewesen wäre, hätte dies mangels wirtschaftlichem Gewicht des dortigen Guthabenbetrags gegenüber den restlichen Nachlasspositionen nichts an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses geändert. Soweit sich die Enkelin darauf berufe, dass sie darüber geirrt habe, dass der Erlös aus dem Verkauf des Hauses der Erblasserin die Verbindlichkeiten aus dem mit der Grundschuld abgesicherten Darlehen für die Heim- und Pflegekosten der Kriegsopferfürsorgestelle übersteige, liege kein Irrtum vor, der zur Anfechtung berechtige. Dieser Irrtum beruhe lediglich auf der falschen Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht über dessen Zusammensetzung.
Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14.8.2024, 8 W 102/23, PM vom 10.12.2024
| Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat entschieden: Erben können vollen Zugriff auf das Instagram-Konto des Erblassers bekommen. Das beinhaltet dessen aktive Nutzungsmöglichkeit. |
Die Ehefrau und alleinige Erbin eines bekannten Sängers hatte geklagt. Hintergrund: Nachdem der Konzern Meta, zu dem die Social-Media-Plattform Instagram gehört, Kenntnis vom Tod des Sängers erlangte, versetzte das Unternehmen den Instagram-Account in den sog. Gedenkzustand. Bemühungen der Ehefrau, vollen Zugriff auf das Konto wiederzuerlangen, waren ergebnislos. Das OLG: Die Frau ist als Erbin in das Vertragsverhältnis ihres Mannes mit Meta im Wege der sog. Gesamtrechtsnachfolge eingetreten. Das habe schon der Bundesgerichtshof (BGH) so entschieden. Danach ist der Anspruch auf Zugang zu einem Social-Media-Konto grundsätzlich vererbbar. Mit der Erbenstellung sei die Ehefrau in sämtliche Rechte und Pflichten des Erblassers eingetreten, was neben einem passiven Anspruch auf (nur) lesende Nutzung auch einen Anspruch auf aktive Nutzung umfasse.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 30.12.2024, 13 U 116/23
| Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat die Klage eines im Nebenerwerb tätigen Landwirts auf Erteilung einer Baugenehmigung für einen bereits errichten „Portalrahmen“ im Außenbereich abgewiesen. |
Landwirt hatte Bauwerk schon errichtet
Der „Portalrahmen“ besteht aus zwei Sandsteinsäulen (je 3,53 Meter hoch), an denen ein schmiedeeisernes doppelflügeliges Einfahrtstor befestigt ist. Auf den Säulen befindet sich jeweils eine Metallskulptur. Die Säulen sind mit zwei Einzelfundamenten im Boden verankert. Das gesamte Bauwerk ist fünf Meter breit. Den Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung lehnte der Landkreis ab. Bei dem „Portalrahmen“ handele es sich nicht um ein im Außenbereich bevorrechtigt zulässiges Vorhaben.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagte der Landwirt und trug hierzu vor, das Vorhaben sei bereits deshalb genehmigungsfrei, weil es seinem landwirtschaftlichen Betrieb diene. Das Tor gewährleiste den Zugang und die Zufahrt zu dem von ihm bewirtschafteten Grundstück. Es füge sich auch optisch in die Umgebung ein.
Klage ohne Erfolg
Das sah das VG anders: Der „Portalrahmen“ sei im Außenbereich nicht bevorrechtigt zulässig, weil er dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers nicht diene. Er sei optisch auffallend und solle offensichtlich die Kunden des Klägers beeindrucken. Ein vernünftiger Landwirt würde unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs kein solches Bauwerk zur Einfriedung errichten. Der Kläger könne sich überdies nicht mit Erfolg darauf berufen, er führe einen „Adelshof“. Eine Bevorzugung aufgrund der Abstammung widerspreche dem allgemeinen Gleichheitssatz. Der „Portalrahmen“ beeinträchtige zudem die natürliche Eigenart der Landschaft. Das Vorhabengrundstück liege in einem Naturpark, dessen landschaftliche Eigenart zu bewahren sei.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 31.10.2024, 4 K 282/24.KO, PM 22/24
| Die Eigentümerin eines Wohnhauses hat ebenso, wie die Eigentümerin eines Baudenkmals, einen Anspruch auf eine denkmalrechtliche Erlaubnis für die Installation von Solaranlagen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster in zwei Grundsatzurteilen zum nordrhein-westfälischen Denkmalrecht entschieden. Es hat darauf verwiesen, dass bei der Errichtung von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden regelmäßig das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien die Belange des Denkmalschutzes überwiegt. |
Eigentümerin eines Einfamilienhauses
Die Eigentümerin eines Einfamilienhauses in einer Siedlung in Düsseldorf, für die eine Denkmalbereichssatzung gilt, möchte auf einer aus dem Straßenraum teilweise einsehbaren Dachfläche ihres Hauses eine Solaranlage errichten. Die Stadt Düsseldorf lehnte es ab, die dafür nach dem Denkmalschutzgesetz NRW erforderliche Erlaubnis zu erteilen. Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf verpflichtete die Stadt auf die Klage der Eigentümerin, die Genehmigung zu erteilen.
Eigentümerin eines Baudenkmals
Demgegenüber bestätigte das VG Arnsberg in dem zweiten Fall die Entscheidung der Stadt Siegen, die der Klägerin eine denkmalrechtliche Erlaubnis für eine Solaranlage auf der weithin sichtbaren Dachfläche versagt hatte. Hierbei geht es um ein Wohngebäude, das als ehemalige Schule als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt Siegen eingetragen ist.
So sah es das Oberverwaltungsgericht
In beiden Fällen waren Solarmodule in einer denkmalschonenden Ausgestaltung gewählt worden. Nach der Entscheidung des OVG können nun beide Denkmaleigentümer die denkmalrechtliche Erlaubnis beanspruchen.
Offentliches Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien versus Denkmalschutz
Das OVG: Das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien überwiegt in beiden Fällen die Belange des Denkmalschutzes. Nach einer im Juli 2022 in Kraft getretenen Regelung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sollen, bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausneutral ist, die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Diese Vorgabe, für die dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz zukommt, beeinflusst auch das nordrhein-westfälische Denkmalschutzrecht. In die – weiterhin erforderliche – Abwägung zwischen den denkmalschutzrechtlichen Belangen und dem Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien sind letztere als regelmäßig vorrangiger Belang einzustellen. Nur, wenn besondere Umstände des Denkmalschutzes der Errichtung von Solaranlagen entgegenstehen, darf die Erteilung der denkmalrechtlichen Erlaubnis ausnahmsweise versagt werden.
Bei der Prüfung, ob solche besonderen Umstände vorliegen, kommt es auf die Gründe an, aus denen die denkmalrechtliche Unterschutzstellung erfolgt ist.
Wohnhaus: keine wesentlichen optischen Nachteile
In dem Düsseldorfer Fall wird durch die beantragte Solaranlage auf der straßenabgewandten Dachfläche nicht in einem Maß in das denkmalwerte einheitliche äußere Erscheinungsbild der Siedlung eingegriffen, dass ausnahmsweise die Erlaubnis zu versagen wäre. Dass die Solaranlage aus dem öffentlichen Straßenraum sichtbar ist, reicht dafür grundsätzlich nicht aus. Hier sind die in die bestehende Dachstruktur eingefügten und in der Farbe angepassten Solarpaneele zudem nur am Rande, in zweiter Reihe und nur in Teilausschnitten wahrnehmbar. Die betroffene Dachfläche liegt auch nicht in einer der von der Satzung geschützten Sichtachsen und beeinträchtigt die rheinseitige Silhouette der Siedlung nicht.
Ehemalige Schule: Erscheinungsbild des Baukörpers nicht wesentlich geändert
Bei der ehemaligen Schule in Siegen werden die denkmalwertbegründenden Eigenschaften des Gebäudes durch die Solaranlage schon nicht beeinträchtigt. Für die Eintragung als Baudenkmal hat zwar der vorhandene Dachreiter, nicht aber die Dachfläche und ihre Gestaltung eine Rolle gespielt. In das geschützte Erscheinungsbild des Baukörpers als Kapellenschule wird durch die Solaranlage nicht eingegriffen. Ein Ausnahmefall, in dem der Denkmalschutz überwiegt, wäre bei dem konkreten Vorhaben selbst dann nicht gegeben, wenn die Schieferdachfläche als auch denkmalwertbegründend angesehen würde.
Quelle | OVG Münster, Urteile vom 27.11.2024, 10 A 2281/23 und 10 A 1477/23, PM vom 27.11.2024
| Will eine Auftraggeberin nicht von einer weiblichen Mitarbeiterin, sondern von einem Mann betreut werden, können schnell Entschädigungsforderungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Raum stehen – so wie in einem Fall des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg. |
Inhaber des Architekturbüros blieb passiv
Im Fall des LAG hatte der Inhaber des Architekturbüros nicht einmal versucht, die Auftraggeberin umzustimmen. Er unternahm auch keinen Versuch, sie von der hohen Qualität seiner Mitarbeiterin zu überzeugen.
Unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nur wenn diese „geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen“ nicht gefruchtet hätten, hätte eine eigene benachteiligende Handlung des Büros ausgeschlossen werden können.
Der Arbeitgeber musste der Mitarbeiterin schließlich 1.500 Euro Schadenersatz zahlen.
Quelle | LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.2024, 10 Sa 13/24
| Eine tarifvertragliche Regelung, die unabhängig von der individuellen Arbeitszeit für Überstundenzuschläge das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten voraussetzt, behandelt teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wegen der Teilzeit schlechter als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte. Sie verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter, wenn die in ihr liegende Ungleichbehandlung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Fehlen solche sachlichen Gründe, liegt regelmäßig zugleich eine gegen Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (hier: § 7 Abs. 1 AGG) verstoßende mittelbare Benachteiligung wegen des (weiblichen) Geschlechts vor, wenn innerhalb der betroffenen Gruppe der Teilzeitbeschäftigten erheblich mehr Frauen als Männer vertreten sind. |
Das war geschehen
Der Beklagte ist ein ambulanter Dialyseanbieter mit mehr als 5.000 Arbeitnehmern. Die Klägerin ist bei ihm als Pflegekraft in Teilzeit im Umfang von 40 v. H. eines Vollzeitbeschäftigten tätig. Auf das Arbeitsverhältnis ist aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme der zwischen dem Beklagten und der Gewerkschaft Verdi geschlossene Manteltarifvertrag (MTV) anzuwenden. Nach § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV sind mit einem Zuschlag von 30 v. H. Überstunden zuschlagspflichtig, die über die monatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden und im jeweiligen Kalendermonat nicht durch Freizeitgewährung ausgeglichen werden können. Alternativ zu einer Auszahlung des Zuschlags ist eine entsprechende Zeitgutschrift im Arbeitszeitkonto vorgesehen. Das Arbeitszeitkonto der Klägerin wies Ende März 2018 ein Arbeitszeitguthaben von 129 Stunden und 24 Minuten aus. Der Beklagte hat der Klägerin für diese Zeiten in Anwendung von § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV weder Überstundenzuschläge gezahlt, noch im Arbeitszeitkonto eine Zeitgutschrift vorgenommen.
Das verlangte die Klägerin
Mit ihrer Klage hat die Klägerin verlangt, ihrem Arbeitszeitkonto als Überstundenzuschläge weitere 38 Stunden und 39 Minuten gutzuschreiben und eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe eines Vierteljahresverdienstes begehrt. Die Anwendung von § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV benachteilige sie wegen ihrer Teilzeit unzulässig gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten. Zugleich werde sie wegen ihres Geschlechts mittelbar benachteiligt, denn der Beklagte beschäftige überwiegend Frauen in Teilzeit.
So sahen es die Vorinstanzen
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift zuerkannt und hinsichtlich der begehrten Entschädigung die Klageabweisung bestätigt.
So entschied das Bundesarbeitsgericht
Die Revision der Klägerin hatte vor dem BAG teilweise Erfolg. Das BAG hat der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift – in Übereinstimmung mit dem LAG – zugesprochen und ihr darüber hinaus eine Entschädigung in Höhe von. 250 Euro zuerkannt. Das OLG musste (aufgrund europarechtlicher Rechtsprechung) davon ausgehen, dass § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV insoweit wegen Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten unwirksam ist, als er bei Teilzeitbeschäftigung keine der Teilzeitquote entsprechende anteilige Absenkung der Grenze für die Gewährung eines Überstundenzuschlags vorsieht.
Bundesarbeitsgericht: Entschädigung zugesprochen
Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung konnte das BAG nicht erkennen. Die sich aus dem Verstoß gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz (hier: § 4 Abs. 1 TzBfG) ergebende Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Überstundenzuschlagsregelung führt zu einem Anspruch der Klägerin auf die eingeklagte weitere Zeitgutschrift. Daneben war ihr eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zuzuerkennen.
Durch die Anwendung der tarifvertraglichen Regelung hat die Klägerin auch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts erfahren. In der Gruppe der beim Beklagten in Teilzeit Beschäftigten, die dem persönlichen Anwendungsbereich des MTV unterfallen, sind zu mehr als 90 Prozent Frauen vertreten.
Als Entschädigung war ein Betrag in Höhe von 250 Euro festzusetzen. Dieser ist erforderlich, aber auch ausreichend, um einerseits den der Klägerin durch die mittelbare Geschlechtsbenachteiligung entstandenen immateriellen Schaden auszugleichen und andererseits gegenüber dem Beklagten die gebotene abschreckende Wirkung zu entfalten.
Quelle | BAG, Urteil vom 5.12.2024, 8 AZR 370/20, PM 34/24
| Strafrechtlich eingezogene Bestechungsgelder führen umsatzsteuerrechtlich dazu, dass die Bemessungsgrundlage der in strafrechtlicher Hinsicht betroffenen Umsätze auf den um die eingezogenen Bestechungsgelder geminderten Betrag zu reduzieren ist. Das hat der Bundesfinanzhof (BFG) entschieden. |
Das war geschehen
Ein Diplom-Ingenieur hatte nachhaltig und ohne Anweisung seines jeweiligen Vorgesetzten bzw. Arbeitgebers für Auftragserteilungen von beauftragten Unternehmen kostenlose Leistungen, überwiegend für den privaten Hausbau, erhalten.
Dafür wurde er wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zusätzlich wurden die Bestechungsgelder auf gerichtliche Anordnung nach dem Strafgesetzbuch (hier: §§ 73 ff. StGB) eingezogen.
Das Finanzamt behandelte die „Schmiergeldzahlungen“ bzw. die Zuwendungen durch die beauftragten Unternehmen als Entgelte für steuerpflichtige Leistungen und unterwarf sie der Umsatzsteuer. Die vom Diplom-Ingenieur geleisteten Zahlungen an die Landesjustizkasse hinsichtlich der eingezogenen Bestechungsgelder minderten nach Ansicht des Finanzamts nicht die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer. Dies sah der BFH anders.
Eingezogene Bestechungsgelder nicht mehr zu versteuern
Zwar sind die Bestechungsgelder – obgleich es sich um illegale Zahlungen handelt – neben den sonstigen, dem Steuerpflichtigen für seine Dienstleistungen gewährten Entgelten umsatzsteuerrelevant. Jedoch mindern die eingezogenen Beträge die steuerliche Bemessungsgrundlage.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist eine Verminderung in diesen Fällen geboten, da ansonsten der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt wäre. Denn es käme zu einer unzulässigen Doppelbelastung des Täters:
- Zum einen würde der durch die strafbare Handlung erlangte wirtschaftliche Vorteil durch die strafrechtliche Einziehung der Bestechungsgelder abgeschöpft.
- Zum anderen würden die Bestechungsgelder im selben Umfang der Umsatzsteuer unterworfen.
Dabei spielt es keine Rolle, dass der strafrechtlich eingezogene Betrag in der Staatskasse verbleibt und nicht an den leistenden Unternehmer zurückgezahlt wird.
Beachten Sie | Auch eines Verweises auf das Billigkeitsverfahren, dessen Zulässigkeit im Umsatzsteuerrecht ohnehin unionsrechtlich zweifelhaft ist, bedarf es nach Ansicht des BFH nicht.
Quelle | BFH, Urteil vom 25.9.2024, XI R 6/23, PM 8/25 vom 20.2.2025
| In einem Streitfall ging es um die Zulässigkeit des Wechsels der Gewinnermittlungsart. Dabei entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass der Steuerpflichtige im Streitjahr die Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nicht mehr erfüllte, weil er durch die Aufstellung des Jahresabschlusses sein Wahlrecht bereits ausgeübt hatte und daran gebunden war. |
Hintergrund: Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (= Bilanzierung) ist der gesetzessystematische Regelfall. Die Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung kommt nur bei Erfüllung der im Gesetz bestimmten Voraussetzungen in Betracht.
Tatsächlich ausgeübte Gewinnermittlungsart maßgeblich
Maßgeblich für die Ausübung des Wahlrechts der Gewinnermittlungsart ist die tatsächliche Handhabung der Gewinnermittlung. Ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger hat sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich wirksam ausgeübt, wenn er eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine kaufmännische Buchführung einrichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht.
Die Einnahmen-Überschuss-Rechnung bzw. der Betriebsvermögensvergleich ist in dem Zeitpunkt erstellt, in dem der Steuerpflichtige sie bzw. ihn fertiggestellt hat und objektiv erkennbar als endgültig ansieht. Beweisanzeichen dafür kann sein, dass er die Gewinnermittlung durch Übersendung an das Finanzamt in den Rechtsverkehr begibt. Nach der Erstellung des Jahresabschlusses kommt die Wahl der Einnahmen-Überschuss-Rechnung somit grundsätzlich nicht mehr in Betracht.
Einmal getroffene Wahl nur in Ausnahmefällen änderbar
Die einmal getroffene Wahl der Gewinnermittlungsart ist grundsätzlich nachträglich nicht mehr änderbar. In Ausnahmefällen hat die Rechtsprechung jedoch einen solchen Wechsel zugelassen und dabei an die Grundsätze angeknüpft, die für den Wechsel der Gewinnermittlungsart in aufeinanderfolgenden Jahren gelten.
Beachten Sie | Im Streitfall war dem Steuerpflichtigen die Änderung der Wahlrechtsausübung jedoch nicht mehr möglich. Denn er hatte keinen vernünftigen wirtschaftlichen Grund dargelegt, der es rechtfertigen könnte, die gewählte Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich für dasselbe Jahr wieder zu ändern.
Allein der Umstand, dass er durch den Wechsel zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung eine Gewinnerhöhung infolge der Außenprüfung „glätten“ wollte, reicht hierfür nicht aus. Denn damit haben sich nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse geändert. Der Steuerpflichtige war vielmehr einem Irrtum über die steuerlichen Folgen der gewählten Gewinnermittlungsart unterlegen, der die Änderungsmöglichkeit nicht eröffnet.
Quelle | BFH, Urteil vom 27.11.2024, X R 1/23
| Eine gegen die auszahlende Bank gerichtete Schadenersatzklage eines 84-jährigen Mannes, der infolge eines Trickbetrugs 83.000 Euro an Unbekannte gezahlt hatte, blieb erfolglos. Warn- und Hinweispflichten der Geldinstitute bestehen nur bei einem massiven Verdacht auf eine Vermögensgefährdung des Kunden. Eine solche vorwerfbare Pflichtverletzung konnte das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth in einem bemerkenswerten Fall nicht feststellen. |
Hätte Bank Geld nicht auszahlen dürfen?
Der Kläger hatte am Schalter in einer Bankfiliale in Nürnberg innerhalb von 1 ½ Stunden zweimal Bargeld von seinem Konto abgehoben, insgesamt 83.000 Euro. Er begründete seine Schadenersatzklage gegen die Bank damit, dass diese durch Auszahlung des Geldes trotz offenkundiger Anhaltspunkte für einen Enkeltrick-Betrug gegen ihre vertraglichen Schutz- und Warnpflichten verstoßen habe. Die Bank hatte im Zivilprozess vorgebracht, dass ihre Mitarbeiter bezüglich des sog. Enkeltricks geschult seien und den Kläger entsprechend angesprochen hätten, der ruhig gewirkt und plausible Erklärungen abgegeben habe.
Kein massiver Verdacht
Das LG hat die Klage in erster Instanz abgewiesen. Es führte aus: Eine Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank ist nur ausnahmsweise bei Vorliegen objektiver massiver Verdachtsmomente anzunehmen. Einen massiven Verdacht auf einen drohenden Schaden beim Kläger konnte das LG hier aber nicht feststellen.
Es war nach Einvernahme der Bankangestellten als Zeugin davon überzeugt, dass der Kläger sachlich, ruhig und unauffällig in der Bank auftrat. Weder aus dem Alter des Klägers und der Höhe des Bargeldbetrags noch aus dem Umstand, dass erst eine Übertragung von dem Sparkonto auf das Girokonto erfolgte, drängte sich der Verdacht einer Straftat auf. Bei beiden Barabhebungen hatte die Bankangestellte beim Kläger mehrfach nachfragt, ob ihm der sogenannte Enkeltrick bekannt sei, was dieser bejahte und damit entkräftete, dass er direkt mit seiner Enkeltochter gesprochen habe. Eine weitere Nachfragepflicht war von den Mitarbeitern der Bank nicht zu verlangen, so das LG.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Gegen das klageabweisende Urteil des LG hatte der Kläger Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg eingelegt. Auch das OLG verneinte eine Verletzung von Warn- und Hinweispflichten der Beklagten, gerade, nachdem die Möglichkeit eines Enkeltricks von der Bankangestellten angesprochen worden war. Die Bank ist vertraglich zur Auszahlung des Kontoguthabens verpflichtet und der Kunde hat über die Verwendung der ihm zustehenden Beträge keine Rechenschaft abzulegen, führte das OLG ergänzend aus.
Auf den Hinweis des OLG zur Erfolgslosigkeit der Berufung hat der Kläger sein Rechtsmittel zurückgenommen. Das Urteil des LG ist damit rechtskräftig.
Die Strafbarkeit der Trickbetrüger und etwaige zivilrechtliche Ansprüche gegen diese Personen waren nicht Gegenstand des Verfahrens.
Quelle | LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 22.7.2022, 10 O 1384/22; OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 18.11.2024, 14 U 2275/22, PM 5/25
| Aufwendungen für Krankheitskosten sind nur als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn gewisse Nachweiserfordernisse erfüllt sind. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat dargelegt, wie der Nachweis ab dem Veranlagungszeitraum 2024 zu führen ist. |
Hintergrund: Krankheitskosten können als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sein.
Ein besonderes Augenmerk muss dabei auf den Nachweis der Zwangsläufigkeit gelegt werden:
- Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel genügt es, wenn der Steuerpflichtige eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers vorlegt. Dies regelt § 64 Abs. 1 Nr. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV).
- Bei bestimmten Krankheitskosten ist indes ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erforderlich. Ein solcher qualifizierter Nachweis ist z. B. bei Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, z. B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, erforderlich (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV).
Sind Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungeinzustufen, wartet die Hürde der zumutbaren Belastung, deren Höhe von folgendenFaktoren abhängt:
- Gesamtbetrag der Einkünfte
- Familienstand und
- Zahl der Kinder.
Erläuterungen des Bundesfinanzministeriums
Der Nachweis der Zwangsläufigkeit nach der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (hier: § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV) ist bei einem eingelösten E-Rezept durch den Kassenbeleg der Apotheke bzw. durch die Rechnung der Online-Apotheke oder bei Versicherten mit einer privaten Krankenversicherung alternativ durch den Kostenbeleg der Apotheke zu erbringen.
Der Kassenbeleg (alternativ: die Rechnung der Online-Apotheke) muss folgende Angaben enthalten:
- Name der steuerpflichtigen Person,
- Art der Leistung (zum Beispiel Name des Arzneimittels),
- Betrag bzw. Zuzahlungsbetrag,
- Art des Rezeptes.
Beachten Sie | Zumindest für den Veranlagungszeitraum 2024 wird es vom BMF nicht beanstandet, wenn der Name der steuerpflichtigen Person nicht auf dem Kassenbeleg vermerkt ist.
Quelle | BMF-Schreiben vom 26.11.2024, IV C 3 - S2284/20/10002 :005
| Nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 6 Abs. 1 Nr. 1 a desEStG) werden Aufwendungen in Herstellungskosten umqualifiziert, wenn innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung des Gebäudes Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden, deren Nettoaufwendungen 15 % der Gebäude-Anschaffungskosten übersteigen. Die Aufwendungen sind dann nicht sofort, sondern nur über die Gebäude-Abschreibung abzugsfähig. Bei einer Eigentumswohnung sind zwei Besonderheiten zu beachten, worauf das Finanzgericht (FG) Hessen hingewiesen hat. |
Hintergrund: Maßgebend sind die Anschaffungskosten und Anschaffungsnebenkosten der angeschafften Wohnung und nicht der Wert des Gesamtgebäudes. Bei Teil- und Wohnungseigentum ist danach die einzelne Einheit und nicht das Gesamtgebäude relevant.
Abzustellen ist auf die innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung der Wohnung angefallenen Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen des vermietenden Eigentümers einschließlich seiner anteiligen Aufwendungen für Arbeiten an den im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudeteilen.
Beispiel
A erwirbt mit Wirkung zum 1.11.2023 eine Eigentumswohnung. Die Anschaffungskosten betragen insgesamt 300.000 Euro. Der Grund- und Bodenanteil beträgt 10 % = 30.000 Euro. Die Eigentumswohnung wird nach der Sanierung vermietet.
Anfang 2024 lässt A die sanitären Anlagen (Badezimmer, Gästetoilette) für 29.750 Euro erneuern und neue Türen einbauen (11.900 Euro). Zudem beteiligt er sich an der Dachsanierung (14.280 Euro). Die gesamten Aufwendungen (55.930 Euro) macht er in 2024 als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen geltend.
Lösung: Die Nettoaufwendungen ohne Umsatzsteuer (25.000 Euro + 10.000 Euro + 12.000 Euro = 47.000 Euro) überschreiten die 15 %-Grenze von 40.500 Euro (15 % von 270.000 Euro). Somit stellen die Aufwendungen insgesamt anschaffungsnahe Aufwendungen dar. Sie sind also nicht sofort im Jahr der Zahlung als Werbungskosten abzugsfähig, sondern erhöhen die Bemessungsgrundlage für die Gebäudeabschreibung von 270.000 Euro um 55.930 Euro auf 325.930 Euro. Dies gilt auch für die Kostenbeteiligung an der Dachsanierung, die als Aufwendungen für das Gemeinschaftseigentum ebenfalls im Rahmen der Ermittlung des insgesamt entstandenen Sanierungsaufwands mit einzubeziehen sind.
Aufwendungen für Sonder- und Gemeinschaftseigentum nicht aufzuteilen
Nach Ansicht des FG Hessen dürfen die auf das im Gemeinschaftseigentum stehenden Bestandteile des Gesamtgebäudes entfallenden Aufwendungen nicht unberücksichtigt bleiben. Dies würde auch dem (mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG verfolgten) Vereinfachungszweck widersprechen, weil sich Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen regelmäßig zugleich auf das Sondereigentum als auch auf Bereiche des Gemeinschaftseigentums beziehen. Eine Aufteilung von hierfür einheitlich getragenen Aufwendungen wäre oft nur unter größten Schwierigkeiten möglich.
Beachten Sie | Gegen die nicht zugelassene Revision wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Quelle | FG Hessen, Urteil vom 18.6.2024, 4 K 1736/19, NZB BFH, IX B 86/24
| Aufwendungen für die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio sind grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) auch, wenn die Teilnahme an einem dort angebotenen, ärztlich verordneten Funktionstraining die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio voraussetzt. |
Hintergrund: Außergewöhnliche Belastungen wirken sich steuerlich nur aus, soweit die zumutbare Eigenbelastung überschritten wird. Deren Höhe hängt vom Gesamtbetrag der Einkünfte, Familienstand und von der Zahl der Kinder ab.
Das war geschehen
Der Steuerpflichtigen wurde ein Funktionstraining in Form von Wassergymnastik ärztlich verordnet. Sie entschied sich für das Training bei einem Reha-Verein, der die Kurse in einem für sie verkehrsgünstig gelegenen Fitnessstudio abhielt. Voraussetzung für die Kursteilnahme war neben dem Kostenbeitrag für das Funktionstraining und der Mitgliedschaft im Reha-Verein auch die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio. Letztere berechtigte die Steuerpflichtige aber auch zur Nutzung des Schwimmbads und der Sauna sowie zur Teilnahme an weiteren Kursen.
Die Krankenkasse erstattete nur die Kursgebühren für das Funktionstraining. Als Krankheitskosten und damit als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigte das Finanzamt nur die Mitgliedsbeiträge für den Reha-Verein.
Alle Instanzen sind sich einig
Einen Abzug der Mitgliedsbeiträge für das Fitnessstudio als außergewöhnliche Belastung lehnten das Finanzamt, das Finanzgericht (FG) Niedersachsen und auch der BFH ab.
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio: frei gewähltes Konsumverhalten
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio zählen grundsätzlich nicht zu den als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennenden zwangsläufig entstandenen Krankheitskosten. Denn das mit der Mitgliedschaft einhergehende Leistungsangebot wird auch von gesunden Menschen beansprucht, z. B., um die Gesundheit zu erhalten und die Freizeit sinnvoll zu gestalten.
Die Mitgliedsbeiträge sind der Steuerpflichtigen auch nicht deshalb zwangsläufig erwachsen, weil sie dem Fitnessstudio als Mitglied beitreten musste, um an dem ärztlich verordneten Funktionstraining teilnehmenzu können.
Die Entscheidung, das Funktionstraining in dem Fitnessstudio zu absolvieren, ist in erster Linie Folge eines frei gewählten Konsumverhaltens, das nach Ansicht des BFH eine steuererhebliche Zwangsläufigkeit nicht begründen kann.
Zudem steht dem Abzug der Mitgliedsbeiträge entgegen, dass die Steuerpflichtige hierdurch die Möglichkeit erhielt, auch weitere Leistungsangebote (jenseits des medizinisch indizierten Funktionstrainings) zu nutzen. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerpflichtige (wie von ihr vorgetragen) hiervon keinen Gebrauch gemacht hat.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 1/23
| Auch wenn noch unklar ist, ob die Ansprüche wegen der Reparaturkosten dem Leasinggeber oder dem Leasingnehmer zustehen, ergibt sich dessen schützenswertes Interesse an einer Feststellungsklage aus dem zu erwartenden Ausfallschaden während der Reparatur. So entschied es das Landgericht (LG) Halle. Denn das Gutachten weise vier Arbeitstage für die Reparatur aus. |
Haftung dem Grunde nach sollte geklärt werden
Wegen des streitigen Unfallhergangs wollte der Leasingnehmer zunächst die Haftung dem Grunde nach klären. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung reicht es für das Feststellungsinteresse aus, wenn sich in der Zukunft Schäden ergeben können.
Keine Leistungsklage erforderlich
Soweit Nutzungsausfall streitig ist, müsse ein Geschädigter bei einer noch nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung die Klage nicht zu einer Leistungsklage wegen der bereits entstandenen Schäden und einer Feststellungsklage wegen zukünftiger Schäden aufteilen.
Quelle | LG Halle, Urteilvom 10.10.2024, 4 O 224/24
| Aktuell sind betrügerische E-Mails im Umlauf, die vorgeben, vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu stammen. Die Empfänger werden darüber informiert, dass ihnen angeblich ein Bescheid zugesandt wurde und aufgefordert, eine offene Steuerschuld zu begleichen. Hierfür soll ein Link geöffnet werden, um weitere Informationen zu erhalten. |
Sollten Steuerpflichtige eine solche E-Mail erhalten haben, empfiehlt das BZSt in einer Mitteilung vom 26.2.2025, den Link nicht zu öffnen und die verdächtige E-Mail unverzüglich zu löschen. Weitere Informationen – u. a. die maßgeblichen Textbausteine – sind unter www.iww.de/s12547 aufgeführt.
| Wird ein erkranktes Tier von Dritten zum Tierarzt gebracht, haftet der Tierhalter für die Kosten der Notbehandlung. So sieht es das Amtsgericht (AG) München. |
Halterin nicht über Eingriff informiert
Die Beklagte ist Tierhalterin eines Katers mit den Namen Rocky. Rocky war im Mai 2022 für einige Tage abwesend und kam nicht nach Hause. Am 16.5.2022 fand eine unbekannte Person den Kater in einem bewusstlosen Zustand auf und alarmierte eine Münchener Tierrettung, die den Kater als Notfall in eine Münchener Tierklinik einlieferte. Dort wurde Rocky als Notfall tierärztlich behandelt. Da der Kater in ein Haustierzentralregister eingetragen war, konnte die Halterin des Katers verständigt werden. Diese holte Rocky am nächsten Tag ab. Durch die Behandlung waren Kosten in Höhe von 565,31 Euro entstanden, deren Übernahme die Beklagte jedoch ablehnte, da sie nicht zuvor informiert worden sei und sie Rocky zu seinem üblichen Tierarzt hätte bringen wollen.
Klage auf Zahlung der Rechnung
Die Tierklinik trat ihre Forderung an ein Abrechnungsbüro ab, das die Beklagte vor dem AG auf Zahlung der Rechnung verklagte. Das AG gab der Klage statt und verurteilte die Halterin zur Zahlung. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Forderung wirksam an die Klägerin abgetreten war, dass die Behandlung, wie behauptet, stattfand und die Kosten auch angemessen waren.
„Fremdes Geschäft“ besorgt
Zur Kostentragungspflicht der Beklagten führte es aus, dass die Tierklinik durch die Behandlung des Katers der Beklagten ein sogenanntes „fremdes Geschäft“ besorgt hat. Es handele sich bei der tierärztlichen Versorgung um ein fremdes Geschäft, da das Tier zwar auch aus eigener tierärztlicher Verpflichtung behandelt wurde, die Übernahme der Behandlung ihrer äußeren Erscheinung nach aber auch der Beklagten als Tierhalterin zugute kam. Denn die Behandlung ihres kranken Tieres ist bereits der äußeren Erscheinung nach dem Rechts- und Interessenkreis der Beklagten zuzuordnen.
Auch der Vortrag der Beklagten, sie hätte rechtzeitig über die Einlieferung des Katers informiert werden müssen, verfängt laut AG nicht. Soweit hiermit auf eine sog. „Nebenpflichtverletzung“ abgestellt werden soll, stehe dem entgegen, dass die Behandlungen des Katers nach den Zeugenaussagen, in Übereinstimmung mit der Behandlungsdokumentation, als Notfallmaßnahmen erfolgt seien.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 30.8.2024, 161 C 16714/22, PM 36/24
| Wer als Schüler über Monate den Datenbestand seiner Schule ausspioniert und verändert, darf in eine andere Schule überwiesen werden. Diese Schulordnungsmaßnahme hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren gebilligt. |
Schüler drang widerrechtlich in Schul-IT ein
Der Antragsteller besuchte bislang das 3. Kurshalbjahr der gymnasialen Oberstufe eines Berliner Gymnasiums. Zusammen mit zwei Mitschülern hatte er im letzten Schuljahr zunächst einen schulischen Rechner so präpariert, dass das nächste eingegebene Passwort protokolliert wurde. So erlangte das Trio das Administratorpasswort, um im Anschluss einen sog. „Keylogger“ zu installieren, der das Protokollieren aller eingegebenen Passwörter ermöglichte. Hierdurch konnten sie interne Informationen im geschützten Lehrerkanal mitlesen und organisatorische Daten der Schulleitung abrufen. Daraufhin beschloss die Schulaufsicht nach Anhörung der Schulkonferenz, den Antragsteller in eine andere Schule desselben Bildungsgangs zu überweisen.
Schwerste Ordnungsmaßnahme verhängt
Der hiergegen gerichtete Eilantrag hatte keinen Erfolg. Das VG hat die Entscheidung als für einen schulpflichtigen Schüler schwerste Ordnungsmaßnahme des Berliner Schulgesetzes gebilligt. Nach diesem Gesetz könnten Ordnungsmaßnahmen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit getroffen werden, wenn ein Schüler die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit beeinträchtigte oder andere am Schulleben Beteiligte gefährde, soweit Erziehungsmaßnahmen nicht zu einer Konfliktlösung geführt haben oder keine Aussicht auf Erfolg versprächen.
Diesen Vorgaben entspreche die getroffene Ordnungsmaßnahme, die sich im Rahmen des der Schule zustehenden pädagogischen Beurteilungsspielraums halte. Nach diesem Maßstab sei die Entscheidung nicht zu beanstanden. Das Vorgehen des Antragstellers stelle sich als schweres Fehlverhalten dar. Ein über Monate dauerndes Ausspionieren des Datenbestands der Schule beeinträchtige die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit. Der Antragsteller sei mit krimineller Energie vorgegangen, weshalb das schulische Vertrauen in die Integrität des Antragstellers nachhaltig und irreparabel zerstört worden sei. Angesichts der Schwere des Fehlverhaltens des Antragstellers mit einer mehrere Monate währenden Verletzung der Datenschutzbelange und der Privatsphäre von Lehrkräften und der Schülerschaft habe die Schule den Schulwechsel nicht – wie das Gesetz dies im Regelfall vorschreibe – zuvor schriftlich androhen müssen.
Die Maßnahme, so das VG, sei auch unter Würdigung des Umstands verhältnismäßig, dass der Antragsteller sich in seinem letzten Schuljahr vor dem Abitur befinde und die ersten Abiturprüfungen bereits in wenigen Monaten anstehen, weil er sich gegenüber den Vorwürfen völlig uneinsichtig gezeigt habe.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 13.11.2024, VG 3 L 610.24, PM 30/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über die Rückzahlung von Bankentgelten entschieden, die aufgrund einer unwirksamen Zustimmungsfiktionsklausel vereinbart werden sollten. Sein Urteil ist verbraucherfreundlich. |
Das war geschehen
Der Kläger begehrt Rückzahlung von geleisteten Kontoführungsentgelten und Gebühren für eine Girokarte. Nach einer in den AGB der beklagten Sparkasse enthaltenen unwirksamen Regelung gilt die Zustimmung des Kunden zu angebotenen Änderungen von Vertragsbedingungen oder Entgelten für Bankleistungen als erteilt, wenn der Kunde der Beklagten seine Ablehnung nicht innerhalb einer bestimmten Frist anzeigt (Zustimmungsfiktionsklausel).
Die beklagte Sparkasse informierte den Kläger im Oktober 2017 darüber, dass für dessen zwei Girokonten ab dem 1.1.2018 Kontoführungsentgelte und Gebühren für eine Girokarte zu zahlen seien. Daraufhin kündigte der Kläger eines der Girokonten. Die Beklagte erhob ab dem 1.1.2018 eine Grundgebühr für die Führung des anderen Girokontos in Höhe von monatlich 3,50 Euro und eine Gebühr für eine SparkassenCard in Höhe von jährlich 6 Euro. Der Kläger stimmte diesen Änderungen der Bedingungen nicht aktiv zu. Die Beklagte buchte die Entgelte in der Folgezeit vom Konto des Klägers ab. Im Juli 2021 widersprach dieser der Erhebung der Entgelte. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung der in den Jahren 2018 bis 2021 erhobenen Entgelte in Höhe von insgesamt 192 Euro sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger jeden weiteren künftigen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Einziehung nicht vereinbarter Bankentgelte nach dem Jahr 2021 entstehe.
Das Amtsgericht (AG) und das Landgericht (LG) haben die Klage abgewiesen.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 192 Euro zu zahlen. Der Kläger erhält die Kontoführungsentgelte und das Entgelt für die Girokarte zurück.
Der Kläger hat einen Rückzahlungsanspruch, weil die Beklagte die Entgelte ohne Rechtsgrund vereinnahmt hat. Er hat der von der Beklagten beabsichtigten Änderung der Entgeltbedingungen nicht bloß durch die fortgesetzte Nutzung des Girokontos zugestimmt. Die fortlaufende Nutzung eines Girokontos hat keinen objektiven Erklärungswert dahin, dass der Wille des Kontoinhabers neben dem Willen, einen konkreten Kontovorgang auszulösen, auch die Zustimmung zu geänderten Kontobedingungen der Sparkasse oder Bank umfasst. Der Zugang zu einem Girokonto ist in der Regel eine unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme am unbaren Zahlungsverkehr und von essenzieller Bedeutung für die uneingeschränkte Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben. Die Nutzung des Girokontos allein ist deshalb kein Ausdruck des Einverständnisses mit der Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Sparkasse oder Bank, sondern entspricht lediglich den Erfordernissen und Gewohnheiten des modernen Geschäfts- und Wirtschaftsverkehrs im Alltag.
Die von der Beklagten erhobenen Entgelte sind auch nicht durch eine Fiktion der Zustimmung des Klägers zu den geänderten Kontobedingungen entstanden. Eine Klausel in den Geschäftsbedingungen von Banken und Sparkassen, die eine solche Fiktion vorsieht, ist im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam.
Auch der Umstand, dass der Kläger die von der Beklagten erhobenen Entgelte über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren widerspruchslos gezahlt hat, führt nicht dazu, dass die Sparkasse die Entgelte behalten darf, so der BGH.
Quelle | BGH, Urteil vom 19.11.2024, XI ZR 139/23, PM 219/24
| Eine im Wohnraummietvertrag vereinbarte Indexklausel, die ausschließlich eine Erhöhungsmöglichkeit vorsieht, kann nach Ansicht des Landgerichts (LG) Berlin II weder individual- noch formularvertraglich vereinbart werden. |
Nachteilsverbot beachten
Den Mietvertragsparteien sei nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 557 b Abs. 1 BGB) die Vereinbarung einer näher definierten Indexmiete gestattet, allerdings nicht in Gestalt einer „upwards only“-Klausel. Das Verbot einer den Vermieter begünstigenden Einseitigkeitsklausel (sog. Nachteilsverbot) ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut. Der Gesetzgeber habe sich aber von einem entsprechenden Motiv leiten lassen, also bei fallendem Index müsse eine entsprechende Mietabsenkungsmöglichkeit eröffnet sein.
Vermieterseitige Allgemeine Geschäftsbedingung
Im Streitfall ergab sich bereits aus der Erscheinungsform des Textes und seinem Regelungsinhalt, dass es sich um von der Vermieterseite gestellte AGB handelte. In Anwendung der Unklarheitenregelung in § 305 c Abs. 2 BGB war die Vertragsbedingung als eine den Mieter unangemessen benachteiligende Einseitigkeitsklausel zu werten. Aber auch eine „im Einzelnen ausgehandelte “Individualvereinbarung sei angesichts des o. g. Nachteilsverbots unzulässig, so das LG.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 20.6.2024, 67 S 83/24
| Ein Mieter einer Dachgeschosswohnung entsorgte über sein Fenster Essensreste in eine Dachrinne. Das Amtsgericht (AG) Hannover hat entschieden: Der Mieter muss seine Wohnung räumen. |
Dachrinne durch Müll verstopft
Über sein Wohnungsfenster entsorgte der Mieter u. a. Nudeln, Fleisch, Gewürzgurken und Knochen. Die entsorgten Essensreste landeten in der Dachrinne und verstopften diese. Der Säuregehalt der Essenreste beschädigte die Dachrinne.
Vermieter kündigte zweimal
Die Vermieterin mahnte zunächst ab. Danach kündigte sie gegenüber dem rechtlichen Betreuer des Mieters fristlos und ordentlich.
Zudem installierte der Mieter durch einen mit einem Gitter geschützten Schacht im Bordstein eine Stromleitung für sein Mofa. Die Vermieterin kündigte daraufhin erneut.
Mietvertragliche Pflichten erheblich verletzt
Das AG überzeugte sich vor Ort, dass die Essensreste nur vom Mieter stammen können. Das Dachfenster befindet sich nur einen Meter von der Dachrinne entfernt. Andere Fenster oder Zugänge sind nicht in erreichbarer Nähe. Die Dachrinne war nur an der Stelle der gelagerten Essensreste beschädigt. Insoweit hat der Mieter durch die wiederholte Entsorgung von Essensresten über sein Wohnungsfenster die Mietsache beschädigt und damit seine mietvertraglichen Pflichten erheblich schuldhaft verletzt, sodass der Kündigungsausspruch nach gerichtlicher Überzeugung auch von einem Kündigungsgrund getragen war. Das AG gewährte dem Mieter über die noch andauernde Kündigungsfrist zum Auszug von sechs Wochen eine darüber hinausgehende Räumungsfrist von dreieinhalb Monaten.
Ein Antrag auf Räumungsschutz wurde mittlerweile zurückgewiesen.
Quelle | AG Hannover, Urteil vom 11.1.2024, 510 C 5216/23, PM vom 29.10.2024
| Das Oberlandesgericht (OLG) München hat jetzt entschieden: Ein handschriftliches Testament ist formunwirksam, wenn der Bedachte durch einen maschinenschriftlichen Adressaufkleber benannt werden soll. |
Ungewöhnliche Gestaltung einer vermeintlichen letztwilligen Verfügung
Neben den letzten beiden Zeilen in der rechten unteren Ecke eines Briefumschlags, auf dem eine letztwillige Verfügung stehen soll, befindet sich ein Adressaufkleber des Beschwerdeführers, der einen Alleinerbschein beantragt hat. Zwischen den Wörtern „Rest dir“ und dem Adressaufkleber befindet sich ein Pfeil, der auf den Namen des Beschwerdeführers weist. Die (vermeintliche) Unterschrift der Erblasserin befindet sich oberhalb dieses Adressaufklebers neben dem Wort „Schultertuch“.
Oberlandesgericht erkennt das Schriftstück mangels Schriftform nicht an
Das Schriftstück stelle schon keine wirksame Verfügung von Todes wegen dar, weil es nicht durchgängig handschriftlich verfasst wurde. Bei dem auf dem Schriftstück angebrachten Pfeil handele es sich um ein Symbol und damit nicht um Schrift. Hinsichtlich des Pfeils ist eine Überprüfung der Urheberschaft von vornherein ausgeschlossen.
Auch der Adressaufkleber, auf dem sich Name und Anschrift des Beschwerdeführers befinden, wahre nicht die vom Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehene Form (hier: § 2247 Abs. 1 BGB).
Quelle | OLG München, Urteil vom 23.7.2024, 33 Wx 329/23
| Ein Schwiegersohn ist zur Rückzahlung eines sechsstelligen Darlehens an seine Schwiegereltern verpflichtet. So entschied es das Landgericht (LG) Frankfurt am Main. Es hat dabei klargestellt, dass ein im familiären Umfeld überlassener größerer Geldbetrag im konkreten Fall keine reine Gefälligkeit darstellt und ein Rechtsanspruch auf Rückzahlung besteht. |
Schwiegersohn benötigte Geld und bekam es von den Schwiegereltern
Der später beklagte Schwiegersohn benötigte Geld, um ein geerbtes Wohnhaus erhalten zu können. Seine Bank hatte ihm bereits einen Kredit gekündigt. Um ihn zu unterstützen, nahmen seine Schwiegereltern ihrerseits ein Darlehen in Höhe von 250.000 Euro auf und lösten damit die Restschuld des Schwiegersohns aus dessen Kredit ab. Man war sich darüber einig, dass der Schwiegersohn Zinsen und Tilgung tragen sollte. So geschah es auch über mehrere Jahre hinweg.
Ehe wurde geschieden
Zwischenzeitlich wurde die Ehe des Schwiegersohns mit der Tochter der Schwiegereltern jedoch geschieden. Der Schwiegersohn stellte einige Zeit später seine Zahlungen mit der Begründung ein, er könne die finanzielle Belastung wegen der Unterhaltszahlungen an seine Exfrau nicht mehr tragen. Die ehemaligen Schwiegereltern verlangten von ihm jedoch die Zahlung des noch offenen Darlehensbetrags von rund 190.000 Euro.
Landgericht: kein freiwilliges Vermögensopfer der Schwiegereltern
Das LG gab der Klage der Schwiegermutter statt. Es folgte nicht der Argumentation des Schwiegersohns, die finanzielle Unterstützung durch seine ehemaligen Schwiegereltern sei ein freiwilliges Vermögensopfer, denn sie sei im familiären Raum wegen der schwierigen Lage der jungen Eheleute erfolgt.
Das LG stellte in seinem Urteil vielmehr fest, dass die Schwiegereltern und der Schwiegersohn ihrerseits mündlich einen Darlehensvertrag geschlossen hatten. Das Gericht führte aus: „Ob ein Vertrag geschlossen wurde, hängt maßgeblich vom Rechtsbindungswillen der Parteien ab. Bei einem sog. reinen Gefälligkeitsverhältnis fehlt der Rechtsbindungswille.“ Und weiter: „Die Parteien handeln bei einem Gefälligkeitsverhältnis (…) ausschließlich aus gesellschaftlicher Gefälligkeit, also aus Freundschaft, Kollegialität, Nachbarschaft oder sonstigem Altruismus.“
Zwar seien die Abreden hier im engen Familienkreis erfolgt, was für eine reine Gefälligkeit sprechen könne. Allerdings handelte es sich nach Ansicht des LG bei der Gewährung eines derart hohen Betrags keinesfalls um eine Gefälligkeit des täglichen Lebens. Auch die Interessenlage spreche für einen Rechtsbindungswillen. Denn das Risiko der Klägerin und ihres Ehemanns sei ganz erheblich gewesen.
Für den Schwiegersohn habe zudem die Gefahr bestanden, ohne die Gewährung des Geldbetrags sein Haus und damit sein Heim zu verlieren. Hinzu komme, dass der Beklagte selbst eingeräumt habe, dass die Parteien eine Schenkung des Geldes nicht gewollt hätten. Nachdem die Schwiegereltern den mündlich mit ihrem ehemaligen Schwiegersohn geschlossenen rechtsverbindlichen Darlehensvertrag gekündigt hatten, stünde ihnen ein Rückzahlungsanspruch zu.
Quelle | LG Frankfurt, Urteil vom 28.11.2024, 2-23 O 701/23, PM vom 19.12.2024
| Die Kündigung eines nach dem 31.12.2017 geschlossenen Architektenvertrags bedarf der Schriftform. Das regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (hier: §§ 650 q, 650 h BGB). Eine formwidrige Kündigung ist allerdings folgenlos, wenn die andere Partei die Kündigung hinnimmt. Es ist dann in der Regel eine stillschweigende Vertragsaufhebung anzunehmen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt klargestellt. |
Das OLG sagt aber auch: Ruft der Auftraggeber über einen längeren Zeitraum keine weiteren Planungs- und Beratungsleistungen beim Auftragnehmer ab, kann darin keine Kündigung gesehen werden.
Quelle | OLG Frankfurt, Urteil vom 11.5.2023, 22 U 19/22, rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde, BGH, Beschluss vom 15.5.2024, VII ZR 118/23
| Kann das Honorar für Planungsaufträge für Baumaßnahmen und Anlagen, die in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) nicht beschrieben sind, frei vereinbart werden? Gilt die HOAI dann nicht? Antworten hierzu lieferte jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg. |
Das war geschehen
Ein Ententeich sollte von einem stehenden Gewässer zu einer wasserwirtschaftlichen Anlage umgewidmet werden. Der bereits im Verlauf eines Trennsystems genutzte Teich sollte als künftiger Retentionsraum genutzt werden. Die Parteien stritten über die Berücksichtigung eines Umbauzuschlags. Der Auftraggeber meinte, dass ein Objekt i. S. d. HOAI 2013 vorhanden sein müsse, andernfalls sei ein Umbau nicht möglich. Hier läge jedoch kein solches „Objekt“ vor. Daher sei ein Umbauzuschlag ausgeschlossen. Daran ändere auch nichts, dass der Teich durch Menschenhand geschaffen worden sei.
So sah es das Oberlandesgericht
„Objekt“ oder nicht „Objekt“ – das war hier die Frage. Das OLG stützte sich zur Beantwortung auf ein Gerichtsgutachten. Der Sachverständige hatte festgestellt, dass der Ententeich von der Beklagten schon über einen längeren Zeittraum zur Ableitung von Mischwässern genutzt würde und überschüssige Wässer über ein Mönchsbauwerk in ein nahe gelegenes Gewässer abgeleitet werden. Es handele sich deshalb um eine ungenehmigte Anlage des Wasserbaus. Das Gericht bewilligte daher den Umbauzuschlag. Es handele sich um ein Ingenieurbauwerk (Anlage des Wasserbaus). Zwar würde durch die Planung nicht in die Konstruktion des Teichs eingegriffen, wohl aber in den Bestand. Dieser sei wesentlich, weil aus einer Anlage des Wasserbaus eine Anlage der Abwasserentsorgung entstehen sollte (Nutzungsänderung). Denn der Teich sollte bei dem umzustellenden Mischsystem in ein Trennsystem künftig nur noch den kontrollierten Abfluss von Regenwasser sicherstellen.
Das OLG: Durch die geplante Vertiefung des Teichs werde zwar auch in die Konstruktion eingegriffen. Die Wesentlichkeit dieses Eingriffs sei aber nicht vorgetragen worden, sodass sich das Wesentlichkeitskriterium nicht prüfen ließ. Wesentlich sei ein Eingriff, wenn er gegenüber dem Bestand einen Anteil von 10 bis 20 Prozent der Substanz ausmacht.
Quelle | OLG Naumburg, Urteil vom 16.5.2024, 2 U 96/23
| Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat einem Mann den Erlass der Grundsteuer verwehrt, obwohl er herangezogen worden war, ein Baudenkmal zu erhalten. |
Für den Erhalt eines Fachwerkhauses begehrte der Kläger Grundsteuererlass
Der Kläger erwarb im Jahr 2012 ein Grundstück, das mit einem barocken Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert bebaut ist. Für dieses zog ihn die beklagte Ortsgemeinde für das Kalenderjahr 2022 zur Zahlung von Grundsteuer B in Höhe von 110,60 Euro heran. Der Kläger beantragte daraufhin den Erlass der Grundsteuer, weil die Erhaltung des Gebäudes wegen seiner Denkmaleigenschaft im öffentlichen Interesse liege und für ihn unrentabel sei.
Den Antrag des Klägers auf Erlass der Grundsteuer lehnte die Beklagte ab. Insbesondere habe der Kläger die Unrentabilität des Gebäudes nicht hinreichend belegt.
Erfolgloser Widerspruch
Hiergegen wandte sich der Kläger zunächst erfolglos mittels Widerspruch und dann mit seiner Klage. Er habe denkmalschutzbedinge Sanierungsmaßnahmen vorgenommen, unter anderem das Fachwerk freigelegt. Ohne die Denkmaleigenschaft hätte er das Gebäude abgerissen und das Grundstück anderweitig verwertet. Es seien zudem Rückstellungen für weitere Sanierungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Aus Rentabilitätsgründen habe er überwiegend Eigenleistungen erbracht. Er erziele inzwischen Mieteinnahmen in angemessener Höhe, dennoch sei ihm ein Verlust entstanden.
Verwaltungsgericht sah Voraussetzungen für Erlass nicht gegeben
Die Klage hatte keinen Erfolg. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Grundsteuererlass für das Jahr 2022, so das VG. Das Grundsteuergesetz (hier: § 32 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 GrStG) sehe dies nur für Grundbesitz vor, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liege, wenn die erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile (Rohertrag) in der Regel unter den jährlichen Kosten lägen. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Zwar bestehe ein öffentliches Interesse am Erhalt des Fachwerkhauses des Klägers. Der Grundbesitz sei jedoch nicht unrentabel. Der Kläger habe in erster Linie im weitaus überwiegenden Umfang Kosten aufgewendet, um das Gebäude im Sinne seiner eigentlichen Bestimmung – zu Wohnzwecken – zu ertüchtigen. Es sei deshalb prognostisch nicht davon auszugehen, dass der Grundbesitz – was für einen Grundsteuererlass vorausgesetzt wird – dauerhaft unrentabel sei. Eine valide Bewertung der Unrentabilität sei zudem nicht möglich, weil der Kläger nicht alle dazu benötigten Unterlagen vorgelegt habe.
Schließlich fehle es jedenfalls an der erforderlichen Kausalität zwischen (unterstellter) Unrentabilität und öffentlichem Erhaltungsinteresse. Denn der Kläger habe das Gebäude in Kenntnis des Sanierungsbedarfs zum Marktwert erworben. Das Gebäude sei wegen seines mehr oder weniger veralteten und teilweise maroden Zustands sanierungsbedürftig gewesen, nicht aufgrund der Denkmaleigenschaft.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 25.6.2024, 5 K 172/24.KO, PM 16/24
| Gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sind u. a. Beschäftigte im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Ein solches Beschäftigungsverhältnis kann auch bei einem 15-jährigen Spieler einer Juniorenmannschaft eines Fußball-Bundesliga-Vereins mit einem „Fördervertrag“ vorliegen. So entschied es das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg. |
Komplexe Verletzung beim Ligaspiel
Ein damals 15-jähriger Fußballer erlitt in einem Spiel derfrüheren B-Junioren-Bundesliga im Herbst 2020 eine komplexe Läsion des Außenmeniskus und musste sich einer Operation und einer langwierigen Nachbehandlung unterziehen. Der 15-Jährige hatte, vertreten durch seine Eltern, einen „Fördervertrag“ als Vertragsspieler im Sinne der „Spielordnung“ des DFB unterschrieben und war in das Leistungszentrum des Vereins aufgenommen worden. Er unterwarf sich darin umfangreichen Verpflichtungen, insbesondere zur Teilnahme an allen Trainings und allen Spielen, ohne einen Anspruch auf Spieleinsatz zu haben. Auch hatte er etwa am dritten Tag einer Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche AU-Bescheinigung einzureichen. Es waren ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen im Jahr und ein „monatliches Grundgehalt“ von 251 Euro vereinbart.
Berufsgenossenschaft: kein Arbeitsunfall
Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, denn der Spieler sei nicht unfallversichert gewesen. Auch Verträge wie hier könnten jedenfalls vor dem 16. Geburtstag des Spielers kein Beschäftigungsverhältnis begründen. Außerdem sei das vereinbarte Gehalt so niedrig, dass es keine adäquate Gegenleistung, sondern allenfalls eine Aufwandsentschädigung darstelle.
Landessozialgericht gab Spieler Recht
Nachdem in erster Instanz vor dem Sozialgericht (SG) die Berufsgenossenschaft obsiegt hatte, hat nun im Berufungsverfahren das LSG dem Spieler Recht gegeben und ein Beschäftigungsverhältnis und damit einen Arbeitsunfall bejaht. Der „Fördervertrag“ gehe weit über die Pflichten eines bloßen Vereinsmitglieds hinaus und entspreche eher einem Arbeitsvertrag. Ausschlaggebend für diese Einordnung waren die umfassenden Verpflichtungen des jungen Mannes, die Regelungen zu Arbeitsunfähigkeit und Urlaub sowie das vereinbarte „Grundgehalt“, das ausdrücklich als einkommensteuerpflichtig bezeichnet wurde und auch über der steuerfreien „Übungsleiterpauschale“ nach dem Einkommensteuerrecht lag.
Verbotene Kinderarbeit nicht gegeben
Dass der Spieler bei dem Unfall noch keine 16 Jahre alt war, stand der Einstufung als „Beschäftigter“ nicht entgegen. Insbesondere lag keine verbotene Kinderarbeit vor, weil er die Vollzeitschulpflicht nach baden-württembergischem Landesrecht erfüllt hatte. Ebenso schließen die Regelungen des DFB nicht aus, dass bereits ein 15-jähriger Fußballspieler ein Beschäftigter ist. Zwar kann er frühestens ab dem 16. Geburtstag eine Spielerlaubnis für eine Lizenzmannschaft oder erste Herrenmannschaft erhalten. Diese bloße Möglichkeit ändert aber nicht die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere, wenn der Spieler mitten in einer laufenden Saison 16 wird. Sie schließt nicht aus, dass schon zuvor eine Beschäftigung vorlag. Für die Entscheidung war danach nicht die Grenze zu den Lizenzmannschaften maßgeblich, sondern die Grenze zwischen Vereinsamateuren und Vertragsspielern.
Die Entscheidung des LSG, wenn sie rechtskräftig wird, bedeutet, dass die zuständige Berufsgenossenschaft den Unfall entschädigen muss. Denn es handelt sich um einen Unfall infolge einer versicherten Tätigkeit und damit um einen Arbeitsunfall.
Quelle | LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.1.2025, L 9 U 3318/23, PM des LSG
| Das Verschenken von Geschäftsanteilen an leitende Mitarbeiter zur Sicherung der Unternehmensnachfolge führt nicht ohne Weiteres zu steuerpflichtigem Arbeitslohn bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. So lautet eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Beachten Sie | Wird eine Mitarbeiterbeteiligung nicht zum Marktpreis übertragen, liegt der geldwerte Vorteil in der gegenüber dem marktüblichen Preis bestehenden verbilligten Übertragung. Arbeitslohn setzt aber weiter voraus, dass der Vorteil dem Arbeitnehmer „für“ seine Arbeitsleistung gewährt wird.
Das war geschehen
Die Arbeitnehmerin war seit vielen Jahren in der Führungsebene eines kleineren Unternehmens tätig. Da der Sohn der Gründungsgesellschafter als Nachfolger ausschied, beschlossen sie, die Leitung des Unternehmens zur Sicherung der Unternehmensfortführung in die Hände der Arbeitnehmerin und der weiteren Mitglieder der Führungsebene zu legen. Hierzu übertrugen sie jeweils 5,08 % der Anteile schenkweise an die Arbeitnehmerin sowie vier weitere Personen.
Finanzamt und gerichtliche Instanzen unterschiedlicher Auffassung
Das Finanzamt sah den in der Übertragung liegenden geldwerten Vorteil als Arbeitslohn an und unterwarf diesen der Besteuerung. Demgegenüber entschied das Finanzgericht (FG) Sachsen-Anhalt, dass sich der Vorteil aus der Übertragung der Gesellschaftsanteile nicht als Ertrag der nichtselbstständigen Arbeit der Angestellten darstellt. Dies hat der BFH nun bestätigt.
Regelung der Unternehmensnachfolge stand im Vordergrund
Auch, wenn die Anteilsübertragung mit dem Arbeitsverhältnis der Angestellten zusammenhängt, ist sie durch dieses nicht (maßgeblich) veranlasst. Denn entscheidendes Motiv für die Übertragung war für alle Beteiligten erkennbar die Regelung der Unternehmensnachfolge.
Beachten Sie | Der in der schenkweisen Übertragung aus gesellschaftsrechtlichen Gründen liegende Vorteil stellt in dieser Situation keine Entlohnung der leitenden Mitarbeiter für in der Vergangenheit erbrachte oder in Zukunft zu erbringende Dienste dar.
Als maßgebliche Indizien gegen Arbeitslohn sah der BFH auch folgende Aspekte an:
- Die Anteilsübertragung war im Streitfall nicht an den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geknüpft.
- Der vom Finanzamt angenommene Vorteil fiel im Vergleich zu den Bruttoarbeitslöhnen der Beschenkten deutlich aus dem Rahmen.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.11.2024, VI R 21/22, PM 4/25 vom 16.1.2025
| Seit dem 1.1.2025 kann die Kleinunternehmerregelung auch erstmalig im EU-Ausland in Anspruch genommen werden. Die Voraussetzungen hierfür regelt das Umsatzsteuergesetz (hier: § 19 a UstG: „Besonderes Meldeverfahren für die Anwendung der Steuerbefreiung in einem anderen Mitgliedstaat“). Weitere Informationen finden interessierte Unternehmer auch im Onlineportal des für dieses Verfahren zuständigen Bundeszentralamts für Steuern (BZSt). |
Von inländischen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze sind von der Umsatzsteuer befreit. Im Zuge des Jahressteuergesetzes 2024 erfolgten viele Anpassungen am bisherigen System. Zudem kann die Kleinunternehmerregelung nun auch erstmals im EU-Ausland beansprucht werden (sogenannte Europäische-Kleinunternehmerregelung, kurz EU-KU-Regelung).
In Deutschland ansässige Unternehmer, die an der EU-KU-Regelung teilnehmen möchten, müssen ihre Teilnahme beim BZSt elektronisch beantragen. In diesem Antrag kann der Unternehmer sich für die Regelung registrieren und auswählen, in welchen EU-Mitgliedstaaten er die Regelung in Anspruch nehmen möchte.
Beachten Sie | Für die Antragstellung in Deutschland steht ausschließlich das Onlineportal des BZSt zur Verfügung.
Die Teilnahme an der Regelung ist ab dem Tag möglich, an dem der Unternehmer für die EU-KU-Regelung durch das BZSt zugelassen und damit zum Verfahren registriert wird.
Für die EU-KU-Regelung registrierte Unternehmer können nur im Onlineportal des BZSt Anpassungen zu Registrierung und Teilnahme an der EU-KU-Regelung vornehmen, z. B. Registrierungsdaten ändern, Umsatzmeldungen übermitteln und sich vom Verfahren abmelden.
Quelle | BZSt
| Das Verwaltungsgericht (VG) Osnabrück hat den Antrag der Betreiberin eines „Automatenshops“ auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer noch anhängigen Klage abgelehnt. Hintergrund ist eine Anordnung der Stadt Papenburg, nach der die Antragstellerin ihre in dem „Automatenshop“ befindlichen Verkaufsautomaten an Sonn- und Feiertagen höchstens drei Stunden außerhalb der ortsüblichen Gottesdienstzeiten betreiben darf. |
„Automatenshop“ mit elf Automaten
Der streitgegenständliche „Automatenshop“ verfügt über elf Automaten, die Rauchwaren, Hygieneartikel, alkoholfreie und alkoholhaltige Getränke sowie Snacks anbieten. Außerdem befinden sich in dem Raum, der durchgehend zugänglich und videoüberwacht ist, ein Kaffee‑, ein Box- und ein Schlagkraftautomat („Hau den Lukas“) sowie ein Airhockeytisch.
Die Stadt Papenburg meint, dass der „Automatenshop“ hinsichtlich der Öffnungszeiten den Regelungen des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten (NLöffVZG) unterliege. Folglich müsse sich die Antragstellerin an das grundsätzliche Verbot der Sonn- und Feiertagsöffnung halten. Die Behörde ordnete die sofortige Vollziehung ihrer Anordnung an. Der hiergegen gerichtete Eilantrag hatte keinen Erfolg.
Anordnung wohl rechtmäßig
Das VG folgte hier dem Vortrag der Antragsgegnerin. So sei die o. g. Anordnung voraussichtlich rechtmäßig. Zwar falle ein einzelner Warenautomat nicht unter die Regelungen des NLöffVZG. Der streitgegenständliche „Automatenshop“ mit elf Warenautomaten sei allerdings als Verkaufsstelle im Sinne des § 1 Abs. 1 Alt. 1, § 2 Abs. 1 S. 1 NLöffVZG anzusehen. So sei der Shop eine Einrichtung, in der von einer festen Stelle aus ständig Waren verkauft werden. Nach § 2 Abs. 1 S. 2 NLöffVZG gehören zu Verkaufsstellen außer Ladengeschäften aller Art auch Kioske. Einem solchen ähnele der „Automatenshop“.
Sonn- und Feiertagsruhe beeinträchtigt
Es sei hier unerheblich, dass kein persönlicher Verkauf stattfinde. Die grundgesetzlich geschützte Sonn- und Feiertagsruhe sei durch das Angebot dennoch beeinträchtigt. Der Niedersächsische Gesetzgeber habe – bisher – nicht deutlich gemacht, dass automatisierte oder digitale Verkaufsstellen nicht unter diese Regelung fallen sollen.
Weitere Anordnung
Die Stadt Papenburg hatte darüber hinaus mit einer weiteren Anordnung die Antragstellerin aufgefordert, eine Gaststättenanzeige einzureichen, sofern sie über ihre Automaten weiterhin Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle anbiete. Die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme wurde ebenfalls angeordnet. Dem hiergegen eingereichten Eilantrag gab das VG mit weiterem Beschluss statt.
So sei nach der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der streitgegenständliche „Automatenshop“ nicht dem Gaststättengewerbe zuzuordnen. Die Einrichtung vermittele nach Aktenlage vielmehr den Eindruck, dass die weit überwiegende Anzahl der Verkaufsgeschäfte mit dem Ziel der Mitnahme erfolge. Insofern sei der Antragstellerin darin beizupflichten, dass der Raum insbesondere wegen des Fehlens von Sitz- oder Abstellmöglichkeiten im Kern keine Anreize setze, sich längerfristig zum Getränkeverzehr dort aufzuhalten, auch wenn er zudem über Vergnügungsautomaten verfüge.
Quelle | VG Osnabrück, Beschluss vom 14.1.2025, 1 B 61/24 und 1 B 79/24, PM 1/25
| Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden: Wer einen Immobilienkredit nur gegen eine Provision gewährt, muss eindeutig angeben, ob die Provision von der Laufzeit des Kredits abhängig ist oder nicht. Fehlt es an dieser Angabe, ist von der Abhängigkeit von der Laufzeit auszugehen. |
Das kann erhebliche Konsequenzen haben. Die Kreditnehmerin hatte für die Gewährung des Kredits eine Provision zu zahlen. Weit vor dem Ablauf der gewährten Laufzeit zahlte sie den Kredit dann allerdings zurück. Zugleich verlangte sie nun anteilig die Provision zurück – zu Recht, wie der EuGH annahm.
Der EuGH: In der fehlenden Belehrung über den Umstand der Unabhängigkeit der Provision von der Laufzeit liegt eine unangemessene Benachteiligung jedenfalls eines Verbrauchers.
Quelle | EuGH, Urteil vom 17.10.2024, C-76/22
| Gewähren Luftfahrtunternehmen ihren Arbeitnehmern unentgeltlich oder verbilligt Flüge, ist der geldwerte Vorteil daraus zu versteuern. Für die Bewertung gelten besondere Regeln. Ein aktueller koordinierter Ländererlass regelt die Bewertung für 2025. |
Der Wert der Flüge kann grundsätzlich gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 8 Abs. 2 oder Abs. 3 EStG) mit einem Rabattfreibetrag in Höhe von 1.080 Euro im Kalenderjahr ermittelt werden.
Beachten Sie | In den Fällen der Bewertung nach § 8 Abs. 2 EStG können die Flüge mit Durchschnittswerten angesetzt werden. Dabei kommt es u. a. auf die Flugkilometer an und darauf, ob Beschränkungen im Reservierungsstatus bestehen.
Quelle | Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 16.12.2024
| Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung, die der Erblasser bereits zu Lebzeiten an ein Bestattungsunternehmen abgetreten hat, erhöhen als Sachleistungsanspruch der Erben den Nachlass. Im Gegenzug sind jedoch die Bestattungskosten in vollem Umfang als Nachlassverbindlichkeiten steuermindernd zu berücksichtigen. In einem weiteren Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) Folgendes klargestellt: Verzichtet ein Kind gegenüber einem Elternteil auf seinen gesetzlichen Erbteil, hat dieser Verzicht nicht zur Folge, dass beim Versterben des Elternteils die Enkel des Erblassers den Freibetrag i. H. von 400.000 Euro erhalten. Vielmehr erhält der Enkel nur einen Freibetrag i. H. von 200.000 Euro. |
Urteil 1: Bestattungskosten bei Sterbegeldversicherung
Über folgenden Fall musste der BFH jüngst entscheiden: Der Kläger und seine Schwester sind Erben ihrer verstorbenen Tante (Erblasserin). Diese hatte eine Sterbegeldversicherung abgeschlossen und das Bezugsrecht an ein Bestattungsunternehmen zur Deckung ihrer Bestattungskosten abgetreten. Nach dem Tod stellte das Bestattungsinstitut für seine Leistungen einen Betrag i. H. von 11.654 Euro in Rechnung. Davon bezahlte die Sterbegeldversicherung 6.864 Euro.
Das Finanzamt setzte gegen den Kläger Erbschaftsteuer fest und rechnete den Sachleistungsanspruch auf Bestattungsleistungen (6.864 Euro) zum Nachlass. Für die geltend gemachten Nachlassverbindlichkeiten (einschließlich der Kosten für die Bestattung) setzte es nur die Pauschale für Erbfallkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i. H. von 10.300 Euro an. Die nach dem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) Münster als unbegründet zurück.
Der BFH hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Aufgrund der von der Erblasserin abgeschlossenen Sterbegeldversicherung ist ein Sachleistungsanspruch in Bezug auf die Bestattung auf die Erben übergegangen. Dieser fiel (wie das FG zutreffend entschieden hat) in Höhe der Versicherungsleistung von 6.864 Euro in den Nachlass und erhöhte die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer.
Im Unterschied zum FG ist der BFH aber der Meinung, dass die Bestattungskosten nicht nur in Höhe der Pauschale von 10.300 Euro abzugsfähig sind. Sie sind vielmehr in vollem Umfang als Nachlassverbindlichkeiten bei der Bemessung der Erbschaftsteuer steuermindernd zu berücksichtigen. Da die Feststellungen des FG nicht ausreichten, um die Höhe der insgesamt zu berücksichtigenden Nachlassverbindlichkeiten zu bestimmen, wurde das Verfahren zurückverwiesen.
Beachten Sie | Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde der Erbfallkostenpauschbetrag von 10.300 Euro auf 15.000 Euro erhöht. Nach der Gesetzesbegründung soll so ein individueller Kostennachweis in der Mehrzahl der Fälle vermieden werden können. Die Erhöhung gilt für Erwerbe, für die die Steuer ab dem Monat entsteht, der der Gesetzesverkündung folgt.
Urteil 2: Freibeträge
Hintergrund: Je näher das verwandtschaftliche Verhältnis ist, umso höher ist bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer der Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG. So gelten für Kinder 400.000 Euro. Dieser Betrag gilt auch für die Enkelkinder, sofern die Kinder des Erblassers bereits vorher gestorben sind. Bei Enkeln, deren Eltern noch leben, beträgt der Freibetrag 200.000 Euro.
Im Streitfall hatte der Vater des Klägers gegenüber seinem eigenen Vater (dem Großvater des Klägers) vertraglich auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet. Als der Großvater verstarb, wurde sein Enkel gesetzlicher Erbe. Dieser beantragte beim Finanzamt, ihm für die Erbschaft einen Freibetrag i. H. von 400.000 Euro zu gewähren. Das Finanzamt bewilligte aber nur einen Freibetrag i. H. von 200.000 Euro, da sein eigener Vater zwar auf seinen gesetzlichen Erbteil verzichtet hatte, aber beim Tod des Großvaters noch lebte.
Die Klage vor dem FG Niedersachsen war ebenso erfolglos wie die Revision beim BFH.
Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG benennt als Empfänger des höheren Freibetrags „Kinder verstorbener Kinder“. Diese Formulierung ist dahingehend zu verstehen, dass die Kinder des Erblassers tatsächlich verstorben sind. Die Vorversterbensfiktion des § 2346 Abs. 1 S. 2 BGB bewirkt nicht, dass das erbverzichtende Kind als „verstorbenes Kind“ im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG gilt und dessen Abkömmlinge den Freibetrag i. H. von 400.000 Euro erhalten.
Die Freibetragsregelungen sollen die Abkömmlinge der ersten Generation (Kinder) begünstigen. Bei den Enkeln hat der Gesetzgeber die familiäre Verbundenheit nicht als so eng angesehen und gewährt somit einen geringeren Freibetrag (200.000 Euro). Lediglich, wenn die eigene Elterngeneration vorverstorben ist, sieht der Gesetzgeber die Großeltern für das Auskommen der „verwaisten Enkel“ in der Pflicht und gewährt ihnen den höheren Freibetrag von 400.000 Euro.
Beachten Sie | Eine Ausdehnung des höheren Freibetrags auf Kinder, die nur vom Gesetz als verstorben angesehen werden, die aber tatsächlich bei Tod des Großelternteils noch leben, hat der Gesetzgeber nicht gewollt.
Quelle | Nachlassverbindlichkeiten: BFH, Urteil vom 10.7.2024, II R 31/21, PM 43/24 vom 14.11.2024; Freibeträge: BFH, Urteil vom 31.7.2024, II R 13/22, PM 41/24 vom 14.11.2024
| Wird ein zur Finanzierung eines vermieteten Grundstücks aufgenommenes Darlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung getilgt, ist die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften ausVermietung und Verpachtung abziehbar. Das gilt zumindest dann, wenn das Grundstück weiterhin zur Vermietung genutzt wird. |
Das war geschehen
Eheleute erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus insgesamt fünf Vermietungsobjekten. Dazu gehörten die Objekte X1 und X2.
Für die im Jahr 2013 erfolgte Anschaffung der beiden Objekte nahmen die Eheleute zwei Darlehen auf. Ein Darlehen über 200.000 Euro diente der Finanzierung des Objekts X1. Mit dem anderen Darlehen über 195.000 Euro wurde das Objekt X2 finanziert. Eine den Eheleuten ebenfalls gehörende Immobilie Y diente der Bank als Zusatzsicherheit. Die Immobilie Y wurde von den Eheleuten zunächst selbst bewohnt und diente anschließend zur Erzielung von Vermietungseinkünften.
Im Streitjahr 2020 veräußerten die Eheleute die Immobilie Y. Im Zuge dieser Veräußerung lösten sie auch die beiden Darlehen für die Objekte X1 und X2 ab. Denn die Bank war nicht bereit, den Wegfall des „Sicherungsobjekts Y“ hinzunehmen oder durch eine andere Sicherung zu ersetzen. Dafür fielen Vorfälligkeitsentschädigungen an (4.338 Euro und 4.280 Euro).
In der Steuererklärung für 2020 wich das Finanzamt von den Angaben der Eheleute ab, u. a. berücksichtigte es die Vorfälligkeitsentschädigungen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, weil die Vorfälligkeitsentschädigungen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung der Immobilie Y stünden. Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen sah das aber anders.
Finanzgericht: Auch Vorfälligkeitsentschädigungen sind Schuldzinsen
Schuldzinsen sind als Werbungskosten abzugsfähig, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Der Begriff der Schuldzinsen umfasst auch eine zur vorzeitigen Ablösung eines Darlehens gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung. Denn Vorfälligkeitsentschädigungen sind ein Nutzungsentgelt für das auf die verkürzte Laufzeit in Anspruch genommene Fremdkapital. Wird ein zur Finanzierung eines vermieteten Grundstücks aufgenommenes Darlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung getilgt, das Grundstück jedoch weiterhin zur Vermietung genutzt, ist die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.
Im Streitfall standen die beiden Darlehen niemals in einem Veranlassungszusammenhang mit dem Objekt Y. Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Rechtsprechung einen Veranlassungszusammenhang der Vorfälligkeitszinsen mit einer Veräußerung des Grundbesitzes sieht, betrifft dies Fälle, in denen es um die Veräußerung des mit den Darlehen finanzierten Grundbesitzes geht.
Dies trifft für das Objekt Y jedoch nicht zu. Denn für dieses Objekt wurden die Darlehen ursprünglich nicht aufgenommen. Und durch die Veräußerung des nur als Sicherungsobjekt dienenden Grundstücks Y hat sich der Veranlassungszusammenhang nicht geändert.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 30.10.2024, 3 K 145/23; BFH, Urteil vom 11.2.2014, IX R 42/13
| Bei einem (echten) Verkehrsunfall muss die Haftpflichtversicherung für die Schäden aufkommen. Aber was ist, wenn die Versicherung von einer Unfallmanipulation ausgeht? Dann muss sie beweisen, dass der Geschädigte mit dem „Unfall“ einverstanden war. Das Landgericht (LG) Lübeck hat eine solche Manipulation kürzlich verneint und die Versicherung zur Zahlung verurteilt. |
War der Unfall manipuliert?
Ein junger Mann feierte eine Party im Hause der Eltern. Um zwei Uhr nachts fuhr ein Gast rückwärts gegen das Auto des Gastgebervaters. Der Vater forderte die Haftpflichtversicherung zum Schadenersatz auf, doch die weigerte sich. Sie meinte, der Gast sei – in Absprache mit dem Gastgeber – absichtlich gegen das Auto gefahren, um die Versicherungssumme zu kassieren.
Landgericht: Es gab keine Verabredung zum Unfall
Das Gericht hat entschieden, dass die Versicherung die Schäden ersetzen muss. Der Fahrer und weitere Partygäste wurden zu dem Vorfall befragt und ein technischer Sachverständiger hinzugezogen. Daraus habe sich ergeben, dass der Fahrer aus Versehen gegen das Auto des Vaters gefahren sei und es gerade keine Verabredung zu einem manipulierten Unfall gegeben habe.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Lübeck, Urteil vom 26.9.2024, 3 O 193/22, PM vom 11.11.2024
| Bei kleinen unfallbedingten Schäden darf der Geschädigte einen Schadengutachter einschalten. Wenn der statt eines umfassenden Gutachtens ein dem Schadenumfang angepasstes „schmales“ Produkt zu einem Preis von ca. 100 Euro erstellt, ist das in Ordnung. So entschied aktuell das Amtsgericht (AG) Münster. |
Das AG: Weder sei ein Kostenvoranschlag generell kostenlos noch sei es sicher, dass die Werkstatt die Kosten dafür später verrechnet.
Das AG Münster weiter: Bei Schäden am Stoßfänger kann es auch sachgerecht sein, diesen demontieren zu lassen, um darunter liegende Schäden auszuschließen. Die dafür entstehenden Kosten muss ebenfalls der Schädiger erstatten.
Quelle | AG Münster, Urteil vom 12.9.2024, 8 C 477/24
| Jeder Fahrgast ist verpflichtet, sich in einem Linienbus festzuhalten. Diesen Grundsatz hat das Amtsgericht (AG) München jetzt noch einmal bekräftigt. |
Bus machte Vollbremsung
Der zum Unfallzeitpunkt 76-jährige Kläger fuhr als Fahrgast in einem Busanhänger eines Busses . Das Busgespann fuhr auf der Rechtsabbiegespur auf eine rote Ampel zu, als ein PKW kurz vor diesem auf dieselbe Abbiegespur wechselte, weshalb der Busfahrer eine Vollbremsung durchführte.
Der Kläger behauptete, er sei hierdurch gestürzt und habe Prellungen im Bereich der Brustwirbelsäule und des Beckens erlitten, zudem sei sein Daumensattelgelenk überdehnt worden. Er habe vier Wochen unter Schmerzen gelitten und sei bis heute nicht beschwerdefrei. Vor dem AG verklagte er den Fahrer des überholenden PKW sowie dessen Versicherung auf Zahlung von 2.000 Euro Schmerzensgeld sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Vollständiges Mitverschulden des Fahrgasts
Das AG wies die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme ab. Es ging zwar davon aus, dass die Fahrweise des beklagten PKW-Fahrers zum Sturz des Klägers beigetragen habe und dass die StVO ihm für den Spurwechsel ein Höchstmaß an Sorgfaltspflicht auferlege, gegen die er verstoßen habe. Die Haftung des PKW-Fahrers sei jedoch aufgrund des vollständigen Mitverschuldens des Klägers ausgeschlossen. Denn jeder Fahrgast sei verpflichtet, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen. Dies diene dem Schutz der Fahrgäste.
Die klägerseits eingenommene stehende Position war nicht geeignet, um bei einer Bremssituation gesichert zu sein. Vorliegend zeigte nämlich ein Video der Businnenkamera, dass der Kläger sich lediglich mit der linken Hand an dem Handlauf festhielt und seine rechte Hand auf dem mitgeführten Einkaufstrolley ruhte. Die Stabilisierung mit der linken Hand sei zu schwach, um ruckartige Bremsungen auszugleichen. Der Trolley biete keinen Halt, da er selbst bei der Vollbremsung herumgewirbelt wird, wie auf dem Video zu sehen sei. Der Trolley stellte eher eine Behinderung dar, weil der Kläger ihn auch während des Sturzes nicht losließ und sich daher auch mit der rechten Hand keinen festen Halt suchte.
Weitere Fahrgäste kamen nicht zu Fall
Dies zeige sich auch daran, dass keine anderen Passagiere im Rahmen der Vollbremsung stürzten, soweit auf den eingesehenen Videos der Businnenkamera zu sehen ist. Vielmehr hielt sich z. B. eine ältere Dame, die einen der Sitzplätze direkt hinter dem Kläger belegt hatte, an der dortigen Stange fest und rutschte (im Gegensatz zu ihrer Tasche) nicht von ihrem Sitz.
So sei dem Kläger – auch aufgrund seines Alters und des Mitführens des Trolleys – vorzuwerfen, dass er sich nicht hingesetzt hat. Wie auf dem Video zu sehen sei, waren ausreichend Sitzplätze vorhanden, auch wenn der Kläger das Gegenteil behauptete. Direkt hinter dem Kläger sei z. B. ein Sitzplatz frei gewesen, der überdies eine Haltestange zum Festhalten geboten hätte.
Vollbremsung nicht überraschend
Es habe sich hier auch nicht um eine völlig überraschende – wenn auch heftige – Vollbremsung gehandelt, da im Stadtverkehr regelmäßig mit heftigen Bremsungen gerechnet werden müsse. Hinzu komme, dass der Bus unstreitig bereits ca. 50 m vorher leicht gebremst hatte, wodurch der Kläger hätte feststellen können, dass seine Position ihm einen ungenügenden Halt verschaffte.
Quelle | AG München, Urteil vom 18.10.2024, 338 C 15281/24, PM 35/24
| Ob ein Partner trotz Kontaktverbots nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) an einer WhatsApp-Gruppe teilnehmen darf, der auch seine frühere Lebensgefährtin angehört, hängt von der Größe der Gruppe ab. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm. |
Annäherung mittels Fernkommunikationsmitteln untersagt
Gegenüber dem ehemaligen Lebensgefährten einer Frau bestand ein Näherungs-, Abstands- und Kontaktverbot nach dem GewSchG. Er durfte sich mit dieser danach auch nicht mittels Fernkommunikationsmitteln in Verbindung setzen. Die Frau wandte sich gerichtlich u. a. dagegen, dass der Mann eine WhatsApp-Nachricht „Da kann sie wieder lachen“ in eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe einer Laufgruppe abgesetzt hatte. Das AG sah darin einen Verstoß gegen o. g. Verbot. Dieses umfasse jede Kommunikation mit der Frau über soziale Medien.
Das OLG widersprach dem AG. Es sei vielmehr zwischen kleinen und größeren WhatsApp-Gruppen zu differenzieren. Im konkreten Fall verneinte es daher einen Verstoß gegen das Kontaktverbot und stellte fest, dass nicht generell ein Verstoß gegen das Kontaktverbot angenommen werden kann, wenn etwas in einer gemeinsamen WhatsApp-Gruppe gepostet wird. Jenseits persönlich an die verletzte Person gerichteter Nachrichten sei vielmehr danach zu differenzieren, ob es sich um Gruppen von drei bis vier Teilnehmern handelt, oder um eine größere Gruppe.
So sind größere WhatsApp-Gruppen zu beurteilen
Bei größeren Gruppen trete die mit einem Post stets auch verbundene persönliche Ansprache des einzelnen Mitglieds meist so in den Hintergrund, dass ein grundsätzliches Verbot, Nachrichten an die Gruppe zu schicken, zum Schutz vor Nachstellungen und Belästigungen nicht erforderlich ist. Würde man alle Aktivitäten in einer WhatsApp-Gruppe verbieten, würde die Handlungsfreiheit des Betroffenen zu sehr eingeengt. Das OLG hob hervor, dass der Mann hier die Frau auch nicht persönlich angesprochen hatte.
Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 24.9.2024, 13 WF 105/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Revisionen zweier Angeklagter gegen ein Urteil des Landgerichts (LG) Mönchengladbach verworfen, mit dem sie jeweils wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu Geldstrafen von 180 Tagessätzen verurteilt worden sind. |
Nach den vom LG getroffenen Feststellungen nahm die später verstorbene, damals 13-jährige und an Diabetes mellitus Typ I erkrankte Schülerin E. an einer mehrtägigen, klassen- und jahrgangsübergreifenden Studienfahrt ihrer Schule nach London teil. Die beiden Angeklagten, die an der Schule als Lehrkräfte unterrichteten, waren gleichberechtigt für die Organisation und Durchführung der Fahrt zuständig. Ihnen war weder die später Verstorbene noch deren Erkrankung bekannt. Sie nahmen keinen Einblick in die Schulakten, in denen die Erkrankung der Schülerin vermerkt war, informierten sich hierüber nicht bei den damaligen Klassen- und Fachlehrern und fragten chronische Vorerkrankungen nicht schriftlich ab. E. erbrach sich in London mehrfach, klagte über Kopfschmerzen und Übelkeit, war müde und körperlich geschwächt. Obwohl zwei Mitschülerinnen die beiden Angeklagten mehrfach auf den fortdauernd schlechten Gesundheitszustand von E. hinwiesen, hielten diese keine Nachschau. E. verstarb noch in London an einem Herzinfarkt in Folge einer schweren diabetischen Stoffwechselentgleisung.
Die durch die Sachrügen der Angeklagten veranlasste Überprüfung des Urteils durch den BGH hat einen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil nicht erkennen lassen. Das LG hat insbesondere rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Angeklagten gegen die ihnen obliegende Sorgfalt objektiv und subjektiv verstießen. Die erhobenen Verfahrensrügen sind ebenfalls erfolglos geblieben. Das Verfahren ist damit rechtskräftig abgeschlossen.
Quelle | BGH, Beschluss vom 18.12.2024, 3 StR 292/24, PM 6/25
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen hat jetzt die Stadt Gelsenkirchen verpflichtet, einen sogenannten „Behindertenparkplatz“ vor der Wohnung eines schwerbehinderten Mannes einzurichten. |
Kläger hatte außergewöhnliche Gehbehinderung
Der 77-jährige Kläger ist schwerbehindert mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung. Für derart eingeschränkte Personen sieht die Straßenverkehrsordnung (hier: § 45 Abs. 1 b) Nr. 2 StVO) die Möglichkeit vor, einen sogenannten „Behindertenparkplatz“ auszuweisen. In der unmittelbaren Nähe zur Wohnung kann dies auch personenbezogen („Mit Ausweis Nr…“) erfolgen.
Voraussetzung ist allerdings neben dem Umstand, dass in dem Bereich nicht ausreichend freie Parkplätze auf der öffentlichen Straße vorhanden sind und dass die betroffene Person keine anderweitige Möglichkeit zum Abstellen außerhalb des öffentlichen Straßenraums hat – etwa eine Garage oder Stellplatz auf dem Grundstück. Zwar verfügt das Haus des Klägers über eine Garage. Der Kläger hat aufgrund seiner Behinderung jedoch keine Möglichkeit, von der im Keller gelegenen Garage in seine Wohnung zu kommen, da er weder die Zufahrtsrampe noch eine im Gebäude befindliche schmale und steile Treppe bewältigen kann. Er kann deshalb die Garage nicht nutzen. Auch die Zufahrt zur Garage ist nicht dazu geeignet, das Fahrzeug abzustellen, da sie zu steil und zu schmal ist.
So sah es die beklagte Stadt
Die beklagte Stadt Gelsenkirchen verwies den Kläger darauf, sein Fahrzeug parallel zur Fahrbahn auf der Straße vor der Garageneinfahrt abzustellen. Aufgrund des vor der Einfahrt nach den allgemeinen Vorschriften der StVO geltenden Parkverbots dürfe außer ihm niemand dort parken.
So sah es das Verwaltungsgericht
Dieser Auffassung konnte sich das VG nicht anschließen. Unabhängig davon, ob der vom Parkverbot erfasste Platz für das Abstellen eines Pkw ausreichen würde (die eigentliche Einfahrt ist nur 3 m breit), darf im konkreten Fall auch der Kläger nicht vor seiner Einfahrt parken. Denn für die Zufahrt ist der Bordstein abgesenkt, sodass dort ein generelles Parkverbot gilt, das auch den Inhaber der Garage erfasst. Dieses Parkverbot dient nämlich nicht nur der Sicherung der Zufahrtsmöglichkeit zur Garage, sondern auch dem Interesse gehbehinderter Menschen daran, den Gehweg – etwa zum Überqueren der Straße – verlassen zu können. Der Kläger muss sich daher nach Auffassung des VG nicht darauf verweisen lassen, dass die Stadt die durch ihn begangene Ordnungswidrigkeit nicht verfolgt. Ihm steht aufgrund der Umstände des Einzelfalls vielmehr ein Anspruch auf die Ausschilderung eines „rechtssicheren“ Sonderparkplatzes zu.
Quelle | VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5.11.2024, 14 K 1401/24, PM vom 7.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat u. a. entschieden: Als Familienangehörige im Sinne der Eigenbedarfskündigung sind ausschließlich die Personen anzusehen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen nach der Zivilprozessordnung oder der Strafprozessordnung (hier: § 383 ZPO, § 52 StPO) zusteht. Cousins zählen hierzu nicht. |
Das war geschehen
Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, begehrt nach Ausspruch einer Kündigung wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter von den Beklagten die Räumung und Herausgabe einer an diese vermieteten Wohnung. Die Klägerin hatte das Gebäude, in dem sich die Wohnung befindet, nach deren Überlassung an die Beklagten erworben und ist dadurch als Vermieterin in das bestehende Mietverhältnis eingetreten. Zum damaligen Zeitpunkt hatte die Klägerin zwei Gesellschafter, die Cousins waren.
Die Beklagten haben die Kündigung für unwirksam gehalten und sich hierbei auf die Kündigungsbeschränkung des Bürgerlichen Gesetzbuchs berufen (hier: § 577 a Abs. 1 a S. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 der Kündigungsschutzklausel-Verordnung des Landes Berlin vom 13.8.13). Hiernach kann sich eine Personengesellschaft, an die vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter veräußert worden ist, erst nach Ablauf von zehn Jahren seit der Veräußerung für eine Kündigung der Wohnung gegenüber dem Mieter auf berechtigte Interessen berufen. Diese Kündigungsbeschränkung gilt indes nicht, wenn die im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs vorhandenen Gesellschafter derselben Familie angehörten. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass dies (auch) bei Cousins der Fall sei und deshalb die Kündigungsbeschränkung im Streitfall nicht eingreife.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: Den Begriffen „Familie“ und „Familienangehörige“ in den hier maßgeblichen Vorschriften kommt dieselbe Bedeutung zu. Hiervon sind ausschließlich die Personen umfasst, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen zusteht. Ein entfernterer Verwandter, der – wie ein Cousin – nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, gehört somit auch dann nicht zu dem privilegierten Personenkreis, wenn zwischen ihm und dem Vermieter eine enge persönliche Bindung besteht. Ebenso gilt die Privilegierung selbst im Fall einer engen persönlichen Verbundenheit zwischen den Mitgesellschaftern nicht, wenn das Verwandtschaftsverhältnis zwischen ihnen so entfernt ist, dass es sie nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt.
Der vom Gesetzgeber bezweckten Privilegierung von Familienangehörigen in den o. g. Vorschriften liegt eine typisierende Betrachtungsweise dahingehend zugrunde, dass zwischen den hiervon umfassten Personen aufgrund einer familiären Beziehung eine besondere persönliche Nähebeziehung anzunehmen ist. Vor diesem Hintergrund bedarf es für den vom Gesetzgeber privilegierten Personenkreis des (zusätzlichen) Vorliegens eines konkreten, tatsächlichen Näheverhältnisses nicht. Auch scheidet eine Erweiterung dieses geschützten Personenkreises aufgrund einer einzelfallbezogenen Prüfung des Vorliegens einer besonderen sozialen Nähe angesichts der dem Gesetz zugrunde liegenden typisierenden Betrachtungsweise aus.
Entscheidend ist damit letztlich, für welchen Personenkreis der Gesetzgeber durch die Verwendung des Begriffs der „Familie“ eine typischerweise vorliegende besondere soziale Bindung angenommen hat. Er hat eine solche Bewertung im Rahmen der auf der persönlichen Nähebeziehung und Verbundenheit gründenden Gewährung eines Zeugnisverweigerungsrechts aus persönlichen Gründen vorgenommen. Dort hat er objektive Kriterien nach dem Grad der familiären Beziehung aufgestellt und hierdurch den Personenkreis definiert, innerhalb dessen nach seiner Auffassung typischerweise eine persönliche Nähebeziehung besteht. Es ist sachgerecht, diese gesetzgeberischen Wertungen auch für die ebenfalls in der persönlichen Verbundenheit begründeten Privilegierungen von Familienangehörigen in den hier einschlägigen mietrechtlichen Bestimmungen heranzuziehen. Cousins sind (nur) Verwandte in der Seitenlinie im vierten Grad. Ihnen steht ein Zeugnisverweigerungsrecht (nach §383 ZPO, § 52 StPO) nicht zu. Sie gehören somit nicht zu derselben Familie im Sinne des § 577 a Abs. 1 a S. 2 BGB.
Quelle | BGH, Urteil vom 10.7.2024, VIII ZR 276/23, PM 145/24
| Wird einem Wohnungsmieter fristgerecht gekündigt, weil dieser mit der Mietzahlung in Rückstand geraten ist, lässt sich diese Kündigung nicht ohne Weiteres dadurch aus der Welt schaffen, dass der Mietrückstand nachträglich noch ausgeglichen wird. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal in einem aktuellen Urteil entschieden. Das LG hat die Mieterin zum Auszug aus der Wohnung verpflichtet, obwohl sie im laufenden Räumungsverfahren die offenen Mieten noch ausgeglichen hatte. |
Mieterin zahlte zwei Monatsmieten nicht
Im konkreten Fall klagten die Vermieter zunächst vor dem AG gegen ihre Mieterin auf Räumung der Mietwohnung. Vorausgegangen war eine Kündigung, die sie zur Sicherheit zweifach erklärt hatten: zum einen fristlos – aus wichtigem Grund -, zusätzlich aber auch fristgerecht wegen Verletzung der vertraglichen Zahlungspflicht. Beide Kündigungen begründeten die Vermieter u. a. damit, dass zwei Monatsmieten nicht bezahlt wurden.
Die Mieterin bestritt dies nicht und zahlte die beiden offenen Mieten schließlich während des laufenden Gerichtsverfahrens vollständig. Sie berief sich nun darauf, dass die Kündigung infolge der Zahlung unwirksam geworden sei. Das AG folgte dem nicht und verurteilte die Mieterin zur Räumung der Mietwohnung.
Zu Recht gekündigt
Die dagegen gerichtete Berufung zum LG hatte keinen Erfolg. Das LG bestätigte, dass die Kündigung wegen der rückständigen Mieten zu Recht erfolgt sei. Im Zeitpunkt der Kündigung sei die Mieterin mit zwei Monatsmieten im Rückstand gewesen und nur darauf komme es hier an.
Vermieter hatten fristlos und fristgerecht gekündigt
Die gesetzliche Regelung, wonach ein Mietrückstand nachträglich ausgeglichen werden und die Kündigung dadurch möglicherweise beseitigen könne, gelte in dieser Form nur für die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. Hier hatten die Vermieter daneben sicherheitshalber aber auch noch fristgerecht gekündigt. Eine solche „ordentliche“ Kündigung werde durch die nachträgliche Zahlung der Mieten nicht ohne Weiteres unwirksam. Bei einer fristgerechten Kündigung sei lediglich zu prüfen, ob es unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben für die Vermieterseite zumutbar sei, auf die Räumung zu verzichten, nachdem keine Rückstände mehr bestehen. Dafür sah das LG hier aber keine Anhaltspunkte.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 1.3.2024, 2 S 118/23, PM vom 30.9.2024
| Das Bundessozialgericht (BSG) musste sich mit der Frage befassen, wann die mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz neu gestaltete Auskunftspflicht von Angehörigen gegenüber dem Sozialamt greift. |
Vater lebte im Seniorenwohnheim und erhielt Hilfe zur Pflege
Der Vater des Klägers lebt in einem Seniorenwohnheim und erhält vom Sozialhilfeträger Hilfe zur Pflege. Er ist geschieden und hat neben dem Kläger noch einen weiteren Sohn, der im Jahr 2020 Student war.
Der Sozialhilfeträger erlangte im Internet Informationen über die Arbeitgeberin des Klägers, eine Digitalagentur mit über 100 Mitarbeitern und einem Honorarumsatz im hohen siebenstelligen Bereich, und seine dortige Position als Chief Technology Officer (CTO). Er teilte dem Kläger mit, es sei davon auszugehen, dass sein Bruttoeinkommen die Grenze von 100 000 Euro jährlich überschreite und verlangte Auskunft über sein Einkommen und sein Vermögen.
Hiergegen wandte sich der Kläger. Denn mit den genannten Informationen sei die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt. Es bestehe deshalb keine Auskunftspflicht.
So sah es das Landessozialgericht
Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat den Auskunftsbescheid aufgehoben. Zwar sei die o. g. Vermutungsregel mit den öffentlich zugänglichen Informationen aus dem Internet widerlegt. Im sich anschließenden Auskunftsverfahren sei aber ein gestuftes Vorgehen erforderlich: In einem ersten Schritt sei der Sozialhilfeträger lediglich berechtigt, Auskünfte über das Bruttojahreseinkommen des potenziell Unterhaltsverpflichteten einzuholen.
Erst, wenn auf dieser Grundlage die 100 000-Euro-Grenze tatsächlich überschritten sei, bestehe in einem zweiten Schritt ein umfassendes Auskunftsrecht, das sich auch auf Vermögen beziehe.
Mit seiner Revision rügt der beklagte Sozialhilfeträger, dass das vom LSG geforderte gestufte Auskunftsverfahren im Gesetz keine Stütze finde. Wenn zu vermuten sei, dass die Einkommensgrenze überschritten werde, bestehe auch eine Verpflichtung zur Auskunft über das Vermögen, damit der Sozialhilfeträger den Unterhaltsanspruch umfassend prüfen könne.
So sah es das Bundessozialgericht
Das BSG gab dem Kläger ebenfalls recht: Vermögensauskünfte können nach dem Angehörigen-Entlastungsgesetz erst dann verlangt werden, wenn die Einkommensgrenze von 100.000 Euro tatsächlich überschritten wird.
Mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz hat der Gesetzgeber zum 1.1.20 u. a. unterhaltsverpflichtete Kinder entlastet. Ein Unterhaltsrückgriff durch den Sozialhilfeträger auf ein erwachsenes Kind, dessen Eltern vom Sozialamt Leistungen erhalten, ist mit dem neu eingeführten § 94 Abs. 1 a SGB XII gegenüber dem früheren Recht beschränkt worden: Ein möglicher Unterhaltsanspruch der Eltern gegen ihre erwachsenen Kinder geht erst auf den Sozialhilfeträger über, wenn das Einkommen des Kindes einen Jahresbetrag von 100 000 Euro übersteigt. Dabei wird gesetzlich vermutet, dass diese Einkommensgrenze nicht überschritten wird. Erst, wenn die Vermutung widerlegt ist, kann Auskunft vom unterhaltsverpflichteten Kind verlangt und anschließend ein Unterhaltsrückgriff vom Sozialhilfeträger geltend gemacht werden. Dabei ist ggf. auch vorhandenes Vermögen zu berücksichtigen.
Legitim: Informationen aus dem Internet eingeholt
Auch das BSG ging davon aus, dass es hinreichende Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Mann ein Einkommen von mehr als 100.000 Euro habe. Dass der Sozialhilfeträger diese Anhaltspunkte aus dem Internet habe, sei nicht zu beanstanden. Die Auskunftspflicht sei aber zunächst auf das Einholen von Auskünften zu den Einkommensarten beschränkt. So habe es der Gesetzgeber gewollt. Denn er beabsichtigte, in erster Linie erwachsene Kinder pflegebedürftiger Eltern zu entlasten. Dem widerspräche es, die Auskunftspflicht auszuweiten.
Quelle | BSG, Urteil vom 21.11.2024, B 8 SO 5/23 R, PM 32/24
| Die dreijährige Verjährungsfrist des Anspruchs auf Stellen einer Bauhandwerkersicherung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) beginnt taggenau mit dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit. So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH). |
So ist die Verjährung geregelt
Der Anspruch auf Stellen einer Bauhandwerkersicherung, wonach der Unternehmer unter im BGB näher geregelten Voraussetzungen vom Besteller eine Sicherheitsleistung in Höhe der vereinbarten Vergütung verlangen kann, verjährt in der regelmäßigen – dreijährigen – Verjährungsfrist nach § 195 BGB. Nun hat der BGH die bisher offene Frage entschieden, wann die Verjährung beginnt.
So begründet der BGH seine Ansicht
Dass die Verjährungsfrist taggenau mit dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit beginnt, folgt für den BGH aus der entsprechenden Anwendung von § 604 Abs. 5, § 695 S. 2, § 696 S. 3 BGB auf diesen Anspruch. § 199 Abs. 1 BGB, wonach die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, ist daher nicht anzuwenden.
Quelle | BGH, Urteil vom 21.11.2024, VII ZR 245/23
| Die Anordnung einer Verbandsgemeindeverwaltung, mit der die Eigentümer eines Wohngebäudes zur Herstellung und dauerhaften Unterhaltung einer eigenen Löschwasserversorgung verpflichtet worden sind, ist ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz und gab dem hiergegen gerichteten Eilantrag statt. |
Grundstückseigentümer sollten Löschwasserversorgung herstellen und unterhalten
Das Gebäude der Antragsteller befindet sich – gemeinsam mit weiteren Höfen – einige Kilometer außerhalb der nächstgelegenen Ortslage. Die vorhandene Trinkwasserversorgung ist zu klein dimensioniert, um eine hinreichende Löschwasserversorgung sicherzustellen. Ein in der Mitte des Areals existierender Löschteich ist verschlammt und deshalb nicht nutzbar. Weil Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung zwischen den Grundstückseigentümern und der Verbandsgemeindeverwaltung scheiterten, verfügte diese schließlich, dass die Grundstückseigentümer die Löschwasserversorgung mit einer Wassermenge von 96 m³/h für eine Dauer von zwei Stunden herzustellen und zu unterhalten hätten. Gleichzeitig ordnete sie die sofortige Vollziehung des Bescheids an.
Hiergegen erhoben die Antragsteller Widerspruch und stellten den gerichtlichen Eilantrag.
Anordnung war ermessensfehlerhaft
Dieser Antrag hatte Erfolg. Die Anordnung sei ermessensfehlerhaft ergangen, so das VG. Zwar könnten Eigentümer baulicher Anlagen, für die keine ausreichende Löschwasserversorgung sichergestellt sei, nach dem Landesgesetz über Brandschutz, die allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (hier: gemäß § 31 Abs. 5 LBKG) zur Vorhaltung fehlender Löschmittel verpflichtet werden. Der Antragsgegner habe jedoch übersehen, dass unter Umständen eine geringere Löschwassermenge ausreichend sei. Denn das Regelwerk, auf das sich der Antragsgegner maßgeblich bezogen habe, sehe zwar im Grundsatz die geforderten 96 m³/h vor. Für ländliche Ansiedlungen von zwei bis zehn Anwesen sei jedoch nur ein Löschwasserbedarf von 48 m³/h anzusetzen.
Hiermit habe sich die Antragsgegnerin nicht auseinandergesetzt, obwohl sich dies nach der Anzahl der vorhandenen Anwesen aufgedrängt hätte. Der Begründungsmangel führe so zu einem Ermessensdefizit.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 14.11.2024, 3 L 1042/24.KO, PM 20/24
| Objektüberwachung und Bauleitung sind inhaltlich „zwei Paar Schuhe“. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt festgestellt. |
Architekt verlangte Honorar für Bauleitung
Ein Architekt rechnete Honorar für „Bauleitung“ ab. Er bezog sich auf die Leistungsphase 8 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Er konnte aber nicht nachweisen, entsprechende Objektüberwachungsleistungen erbracht zu haben.
So sahen es die Gerichte
Die Gerichte kamen dagegen zu der Auffassung, dass er als Bauleiter nach der Hessischen Bauordnung (hier: § 59 HBO) tätig sein sollte. Diese Person muss u. a. darüber wachen, dass die Baumaßnahme nach den genehmigten Bauvorlagen bzw. – soweit eine bauaufsichtliche Prüfung entfällt – nach den eingereichten Bauvorlagen ausgeführt wird.
Bei der Überwachungstätigkeit muss der Bauleiter auf den sicheren Betrieb der Baustelle achten. Dazu zählt, dass die Arbeiten der Unternehmen ohne gegenseitige Gefährdung und ohne Gefährdung Dritter durchgeführt werden können. Über die HOAI können diese Leistungen – so sie denn erbracht wurden – nicht abgerechnet werden.
Der Bauleiter, so das OLG, sei nach dem allgemeinen Sprachverständnis dafür zuständig, zu überwachen, dass die Baumaßnahme entsprechend den öffentlich-rechtlichen Anforderungen durchgeführt wird. Der Objektüberwacher dagegen schuldet eine Ausführung des Objekts gemäß der vertraglichen zivilrechtlichen Vereinbarung mit dem Bauherrn.
Der Architekt ging also leer aus. Da der Bundesgerichtshof (BGH) aktuell eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen hatte, ist die Entscheidung des OLG nun auch rechtskräftig.
Quelle | OLG Frankfurt, Urteil vom 11.5.2023, 22 U 19/22
| Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer nach der Gewerbeordnung (hier: § 108 Abs. 1 S. 1 GewO) bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform erteilen. Diese Verpflichtung kann er grundsätzlich auch dadurch erfüllen, dass er die Abrechnung als elektronisches Dokument zum Abruf in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach einstellt. So hat es jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Klägerin verlangte Abrechnungen in Papierform
Die Klägerin ist im Einzelhandelsbetrieb der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Für den Konzernverbund, dem die Beklagte angehört, regelt die Konzernbetriebsvereinbarung über die Einführung und Anwendung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs vom 7.4.2021, dass alle Personaldokumente, insbesondere Entgeltabrechnungen, über einen externen Anbieter in einem digitalen Mitarbeiterpostfach bereitgestellt werden und von den Beschäftigten über einen passwortgeschützten Online-Zugriff abrufbar sind. Sofern für Beschäftigte keine Möglichkeit besteht, über ein privates Endgerät auf die im digitalen Mitarbeiterpostfach hinterlegten Dokumente zuzugreifen, muss der Arbeitgeber ermöglichen, die Dokumente im Betrieb einzusehen und auszudrucken.
Auf Grundlage der Konzernbetriebsvereinbarung stellte die Beklagte ab März 2022 Entgeltabrechnungen nur noch elektronisch zur Verfügung. Dem widersprach die Klägerin und verlangte, ihr weiterhin Abrechnungen in Papierform zu übersenden.
Landesarbeitsgericht: Entgeltabrechnung war nicht ordnungsgemäß
Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat der Klage, mit der die Klägerin die Erteilung der Entgeltabrechnungen begehrt, stattgegeben. Es hat angenommen, die Entgeltabrechnungen seien ihr durch Einstellen in das Online-Portal nicht ordnungsgemäß erteilt. Bei Entgeltabrechnungen handele es sich um zugangsbedürftige Erklärungen. Ein digitales Mitarbeiterpostfach sei nur dann als Empfangsvorrichtung geeignet, wenn der Empfänger es – anders als die Klägerin im Streitfall – für den Erklärungsempfang im Rechts- und Geschäftsverkehr bestimmt habe.
Bundesarbeitsgericht: Arbeitgeber wahrt Textform
Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das LAG.
Erteilt der Arbeitgeber Entgeltabrechnungen, indem er diese in ein digitales Mitarbeiterpostfach einstellt, wahrt er damit grundsätzlich die von der Gewerbeordnung (hier: § 108 Abs. 1 S. 1 GewO) vorgeschriebene Textform. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abrechnung seines Entgelts ist eine sog. Holschuld, die der Arbeitgeber erfüllen kann, ohne für den Zugang der Abrechnung beim Arbeitnehmer verantwortlich zu sein. Es genügt, dass er die Abrechnung an einer elektronischen Ausgabestelle bereitstellt. Hierbei hat er den berechtigten Interessen der Beschäftigten, die privat nicht über die Möglichkeit eines Online-Zugriffs verfügen, Rechnung zu tragen.
Grundlage: Konzernbetriebsvereinbarung
Die in der Konzernbetriebsvereinbarung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) geregelte digitale Zurverfügungstellung der Entgeltabrechnungen greift nicht unverhältnismäßig in die Rechte der betroffenen Arbeitnehmer ein.
Das BAG war jedoch an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil bisher keine Feststellungen dazu getroffen worden sind, ob Einführung und Betrieb des digitalen Mitarbeiterpostfachs in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats fallen.
Quelle | BAG, Urteil vom 28.1.2025, 9 AZ R 48/24, PM 3/25
| Das Arbeitsgericht (ArbG) Aachen hat entschieden: Die Besonderheiten der Arbeitsleistung eines Profifußballtrainers können zwar die Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Im konkreten Fall scheiterte dies jedoch an dem Schriftformerfordernis. Die Kündigung des Fußballtrainers wegen der fehlenden erforderlichen Lizenz für die nächsthöhere Liga war hingegen gerechtfertigt. |
Das war geschehen
Die Beklagte ist für den Spielbetrieb der 1. Fußballmannschaft zuständig. Der Kläger war zunächst ab Anfang 2022 bei der Beklagten als Sportdirektor beschäftigt. Er ist Inhaber der Trainer-A-Lizenz (Trainerberechtigung für die Fußball-Regionalliga); über eine „Pro-Lizenz“ (Trainerberechtigung für die 3. Liga) verfügt der Kläger nicht. Seit Ende 2022 trainierte er die 1. Fußballmannschaft, die in der Regionalliga spielte. Ende Januar 2023 schlossen die Parteien einen ab 1.1.2023 geltenden, zunächst bis zum 30.6.2024 befristeten, Arbeitsvertrag ab. Der Vertrag enthielt je nach Platzierung eine Verlängerung und verschiedene Prämien.
Die Beklagte stellte den Kläger im August 2023 von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Grundvergütung frei. Mit Abschluss der Saison 2023/2024 stieg die 1. Fußballmannschaft der Beklagten in die 3. Liga auf und gewann den Mittelrheinpokal. Im Juni und Juli 2024 sprach die Beklagte drei ordentliche fristgerechte Kündigungen aus.
Sachgrundbefristung gerechtfertigt
Das ArbG entschied, dass die Sachgrundbefristung eines Profifußballtrainers wegen der Eigenart der Arbeitsleistung grundsätzlich nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (hier: § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG) gerechtfertigt ist. Es sei Aufgabe des Cheftrainers, dafür zu sorgen, dass die Spieler die von ihnen geforderte Spitzenleistungen abrufen. Hierfür sei er als zentraler, prägender Leiter der Mannschaft zuständig. Das Erfordernis, dass die Spieler als Individuum und im Kollektiv Spitzenleistungen erbringen müssten, gebiete es, kurzfristig reagieren zu können, wenn diese Spitzenleistungen nachlassen oder ausbleiben. Ein kurzfristiger Austausch wesentlicher Teile der Mannschaft sei nicht möglich.
Formelle Mängel der Befristung...
Die Befristung des Arbeitsvertrags im vorliegenden Fall sei aus formellen Gründen gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam, da die Leistung der Unterschriften nach Aufnahme der Tätigkeit durch den Kläger erfolgte.
... aber Kündigung wirksam
Demgegenüber sei die Kündigung des Profifußballtrainers wegen des Fehlens der erforderlichen „Pro-Lizenz“ für die 3. Liga wirksam. Der Erwerb der erforderlichen Lizenz liege im Verantwortungsbereich des Trainers. Bis zum Zeitpunkt des Aufstiegs in die 3. Liga habe der Kläger trotz Freistellung einen Anspruch auf Vergütung und die Zahlung der Prämien. Nach Aufstieg in die 3. Liga habe der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung oder Prämien, da er die Voraussetzung für die Tätigkeit als Cheftrainer nicht erfüllt habe.
Quelle | ArbG Aachen, Urteil vom 19.11.2024, 8 Ca 3230/23, PM 1/25
Steuerrecht
| Säumniszuschläge werden festgesetzt, wenn die Zahlung nicht pünktlich erfolgt. Nach der Abgabenordnung (hier: § 240 AO) ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen Steuerbetrags zu entrichten, umgerechnet auf das Jahr also 12 %. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass wegen des deutlichen und nachhaltigen Anstiegs der Marktzinsen, der seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 zu verzeichnen ist, jedenfalls seit März 2022 keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Zuschläge bestehen. |
Darüber hinaus hat der BFH in diesem Verfahren Folgendes entschieden: Wenn das Finanzamt zwar Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt, deren Wirkung aber von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig macht, bewirkt die spätere Leistung der Sicherheit im Regelfall, dass die AdV mit (Rück-)Wirkung ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung eintritt und zuvor etwaig entstandene Säumniszuschläge entfallen.
Beachten Sie | Das Finanzamt kann allerdings ausdrücklich anordnen, dass die Wirkung der AdV erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung der Sicherheit beginnt.
Quelle | BFH, Beschluss vom 21.3.2025, X B 21/25 (AdV)
| Eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft steht der Anerkennung einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft grundsätzlich nicht entgegen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Eine Organschaft führt bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dazu, dass nicht mehr die Organgesellschaft ihren Gewinn zu versteuern hat, sondern der Organträger.
Beachten Sie | Die gemäß Körperschaftsteuergesetz (hier: §§ 14 ff. KStG) enthaltenen Regelungen für die Organschaft führen im Ergebnis dazu, dass z. B. in Konzernen die Konzernspitze (als Organträger) die Gewinne sämtlicher Tochtergesellschaften (als Organgesellschaften) zu versteuern hat, aber Verluste und Gewinne der verschiedenen Tochtergesellschaften dabei auch unmittelbar miteinander verrechnet werden können. Insbesondere dieser steuerliche Vorteil hat zu einer weiten Verbreitung der Organschaft in Deutschland geführt.
Das war geschehen
Im Streitfall hatte eine Kommanditgesellschaft (KG) mit einer GmbH einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, um eine Organschaft zu begründen. Danach war die „abhängige“ GmbH als Organgesellschaft verpflichtet, den ganzen von ihr erwirtschafteten Gewinn an die KG als Organträger abzuführen.
Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass an der GmbH als Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung bestand.
Bundesfinanzhof widerspricht Vorinstanzen
Da dem atypisch still Beteiligten ein Anteil von 10 % des Gewinns der GmbH zustand, vertraten das Finanzamt und nachfolgend auch das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern die Auffassung, dass lediglich 90 % des Gewinns an die KG als Organträger abgeführt worden sei, das Gesetz aber die Abführung des ganzen Gewinns fordere. Die Organschaft sei daher insgesamt nicht anzuerkennen. Dem ist der BFH aber nun entgegengetreten.
§ 14 Abs. 1 KStG setzt einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 des Aktiengesetzes (AktG) und die strikte Erfüllung der zivilrechtlichen Vertragspflichten voraus. Was als ganzer Gewinn abzuführen ist, bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Gewinnbeteiligungen, die einem stillen Gesellschafter zustehen, sind im Zivilrecht aber als Geschäftsunkosten vom Gewinn der GmbH abzusetzen. Dies betrifft sowohl die typische als auch die atypisch stille Gesellschaft.
Folglich ist der hiernach verbleibende „Rest-Gewinn“ (im Streitfall also die 90 %) der ganze Gewinn, der an den Organträger abgeführt werden muss. Dass eine (typische oder atypische) stille Beteiligung zivilrechtlich als Teilgewinnabführungsvertrag qualifiziert wird, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.12.2024, I R 33/22, PM 21/25 vom 3.4.2025
| Wenn eine per E-Mail versandte Werklohnrechnung gehackt und unbefugt verändert wird und der Kunde deshalb an einen unbekannten Dritten zahlt, muss er nicht noch einmal an den Werkunternehmer zahlen, wenn dieser die Rechnung ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung versandt hat und deshalb gegen ihn ein Schadenersatzanspruch gemäß Datenschutz-Grundverordnung (hier: Art. 82 DS-GVO) besteht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, erneut ihre Werklohnforderung zu zahlen, nachdem der Betrag wegen einer Manipulation der per E-Mail versandten Rechnung durch kriminell handelnde Dritte dem Konto eines Unbekannten gutgeschrieben wurde.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für die Installation von Haustechnik. Sie führte für die Beklagte Installationsarbeiten durch und rechnete die erbrachten Leistungen ihr gegenüber in drei Abschlagsrechnungen ab. Diese wurden jeweils als Anlage zu einer E-Mail im PDF-Format übersandt. Die ersten zwei Abschlagsrechnungen beglich die Beklagte per Überweisung an die auf den Rechnungen angegebenen Bankverbindungen der Klägerin.
Die dritte Abschlagsrechnung über rund 15.000 Euro, die zugleich die Schlussrechnung war, versandte die Klägerin ebenfalls als Anlage im PDF-Format per E-Mail. Diese Rechnung war jedoch auf ungeklärte Weise durch einen Dritten manipuliert worden, so dass die Beklagte den Rechnungsbetrag auf das Konto des unbekannten Dritten überwies. Auf dem Konto der Klägerin ging deshalb auf die Schlussrechnung keine Zahlung ein.
Keine Erfüllung durch Zahlung an unbekannten Dritten
Das Landgericht (LG) hat die Beklagte deshalb zur erneuten Zahlung verurteilt, weil eine Erfüllung durch die Zahlung an den unbekannten Dritten nicht eingetreten ist. Es hat ausgeführt, dass die Klägerin auch keine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat, sodass die Beklagte keinen Schadenersatzanspruch hat, den sie der Klageforderung gemäß § 242 BGB entgegenhalten kann. Die Klägerin hat nach Auffassung des LG keine Pflichtverletzung begangen, weil die von ihr vorgetragenen Schutzvorkehrungen in Form einer Transportverschlüsselung per SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) über TLS (Transport Layer Security) beim E-Mail-Verkehr mit Vertragspartnern ausreichend sind.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG hat in zweiter Instanz das Urteil des LG geändert und die Klage abgewiesen. Es hat entschieden, dass die Zahlung der Beklagten an einen Dritten zwar keine Erfüllung der Forderung bei der Klägerin bewirkt. Im Gegensatz zum Landgericht hat es jedoch einen Schadenersatzanspruch der Beklagten bejaht, den diese der Werklohnforderung der Klägerin nach § 242 BGB entgegenhalten kann, so dass sie die Forderung nicht noch einmal bezahlen muss.
Dieser Schadenersatzanspruch ergibt sich nach der Entscheidung des OLG aus Art. 82 Abs. 2 DS-GVO, weil die Klägerin im Zuge der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Beklagten bei Versand der streitgegenständlichen E-Mail mit Anhang gegen die Grundsätze der Art. 5, 24 und 32 DS-GVO verstoßen hat. Das OLG hält die Transportverschlüsselung, die beim Versand der streitgegenständlichen E-Mail in Form von SMTP über TLS verwendet worden sein soll, nicht für ausreichend und damit auch nicht als zum Schutz der Daten „geeignet“ im Sinne der DS-GVO.
Das OLG hob hervor, dass heute jedem Unternehmen, das personenbezogene Daten seiner Kunden computertechnisch verarbeitet, bewusst sein muss, dass der Schutz dieser Daten hohe Priorität – auch beim Versenden von E-Mails – genießt. Unternehmen müssen diesen Schutz durch entsprechende Maßnahmen so weit wie möglich gewährleisten.
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unabdingbar
Gerade bei sensiblen oder persönlichen Inhalten ist nach der Entscheidung des OLG nur eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Schutz im Sinne der DS-GVO geeignet, wenn ein hohes finanzielles Risiko durch Verfälschung der angehängten Rechnung für den Kunden besteht. Dass Kunden von Unternehmen bei einem Datenhacking Vermögenseinbußen drohen, ist ein Risiko, das dem Versand von Rechnungen per E-Mail immanent ist und deshalb eine entsprechende Voraussicht und ein proaktives Handeln erfordert. Der dafür erforderliche technische und finanzielle Aufwand kann auch von einem mittelständischen Handwerksbetrieb erwartet werden, wenn es seine Rechnungen nicht per Post versendet.
Quelle | OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.12.2024, 12 U 9/24, PM 1/25
| Wer im Zusammenhang mit seiner kommunalpolitischen Tätigkeit Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder erhält (im Streitfall ein ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats), erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Diese sind im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung zu verbeitragen. Dies hat jedenfalls das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen entschieden. |
Das LSG Nordrhein-Westfalen stellte heraus: Für die Zuordnung von Einnahmen zum Arbeitseinkommen ist die steuerliche Abgrenzung der Einkunftsarten maßgebend. Bei Anlegung dieser Maßstäbe handelt es sich auch bei den Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer kommunalpolitischen Tätigkeit in Gestalt von Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern erzielt werden, um Arbeitseinkommen nach dem Sozialgesetzbuch IV (hier: § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV).
Gegen dieses Urteil ist die Revision beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig.
Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.3.2024, L 5 KR 551/21, Rev. BSG: B 6 a/12 KR 12/24 R
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Die Verwendung von geschlechtsspezifischen Sterbetafeln bei der Bewertung lebenslänglicherNutzungen und Leistungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot. |
Hintergrund: Die Heranziehung geschlechterdifferenzierender Sterbetafeln dient dem Ziel, die Kapitalwerte lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen mit zutreffenden Werten zu erfassen und eine Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.
Da die statistische Lebenserwartung von Männern und Frauen unterschiedlich hoch ist, ermöglichen die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Vervielfältiger genauere und realitätsgerechtere Bewertungsergebnisse als geschlechtsneutrale Vervielfältiger.
Beachten Sie | Die Anwendung der geschlechtsspezifischen Sterbetafeln kann sich für den Steuerpflichtigen je nach Fallkonstellation günstiger oder ungünstiger auswirken und führt nicht per se zu einer Benachteiligung aufgrund des eigenen Geschlechts.
Der BFH musste nicht entscheiden, welche Auswirkungen sich aus dem am 1.11.2024 in Kraft getretenen Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) für die Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen ergeben.
Quelle | BFH, Urteile vom 20.11.2024, II R 38/22, II R 41/22, II R 42/22; PM 23/25 vom 10.4.2025
| Aufwendungen des Steuerpflichtigen für einen Umzug in eine andere Wohnung, um dort (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs(BFH) auch, wenn der Steuerpflichtige – wie in Zeiten der Corona-Pandemie – zwangsweise zum Arbeiten im häuslichen Bereich angehalten ist oder durch die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren sucht. |
Das war geschehen
Eheleute lebten mit ihrer Tochter in einer 3-Zimmer-Wohnung und arbeiteten nur in Ausnahmefällen im Homeoffice. Ab März des Streitjahrs 2020 (zunächst bedingt durch die Corona-Pandemie) arbeiteten sie überwiegend im Homeoffice, dort im Wesentlichen im Wohn-/Esszimmer. Ab Mai 2020 zogen sie in eine 5-Zimmer-Wohnung, in der sie zwei Zimmer als häusliches Arbeitszimmer einrichteten und nutzten.
Den Aufwand für die Nutzung der Arbeitszimmer und die Kosten für den Umzug in die neue Wohnung machten die Eheleute als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte zwar die Aufwendungen für die Arbeitszimmer an, mangels beruflicher Veranlassung lehnte es den Abzug der Kosten für den Umzug jedoch ab.
Demgegenüber bejahte das Finanzgericht (FG) Hamburg den Werbungskostenabzug auch für die Umzugskosten. Der Umzug in die größere Wohnung sei beruflich veranlasst gewesen, da er zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen geführt habe.
Dem folgte der BFH aber (aus Steuerzahlersicht „leider“) nicht und bestätigte die ablehnende Entscheidung des Finanzamts.
Wohnung: privater Lebensbereich
Die Wohnung ist grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Daher zählen die Kosten für einen Wohnungswechsel regelmäßig zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung. Etwas anderes gilt nur, wenn die berufliche Tätigkeit den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel dargestellt hat und private Umstände allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben.
Beachten Sie | Dies ist aber nur aufgrund außerhalb der Wohnung liegender Umstände zu bejahen, etwa wenn
- der Umzug Folge eines Arbeitsplatzwechsels gewesen ist oder
- sich die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit durch den Umzug um mindestens eine Stunde täglich vermindert
Die Möglichkeit, in der neuen Wohnung (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, genügt nicht zur Begründung einer beruflichen Veranlassung des Umzugs. Es fehlt insoweit an einem objektiven Kriterium, das nicht auch durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist.
Die Entscheidung, in der neuen, größeren Wohnung (erstmals) ein Zimmer als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer „Arbeitsecke“ auszuüben, beruht auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatz verfügt oder durch die Arbeit im Homeoffice versucht, das Berufs- und Familienleben zu vereinbaren.
Quelle | BFH, Urteil vom 5.2.2025, VI R 3/23, PM 24/25 vom 17.4.2025
| Ein mit einem Preisgeld dotierter Wissenschaftspreis kann nur dann Arbeitslohn darstellen, wenn er dem Arbeitnehmer für Leistungen verliehen wird, die er gegenüber seinem Dienstherrn erbracht hat. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Fall eines Professors entschieden. |
Der Professor hatte die Habilitationsschriften überwiegend vor der Berufung in das Professorendienstverhältnis verfasst. Der preisbewehrten Habilitation lag zwar eine wissenschaftliche Forschungsleistung zugrunde. Diese gründete aber nicht auf der Forschungstätigkeit als Hochschullehrer. Wissenschaftspreis und Preisgeld stellten sich daher nicht als „Frucht“ dieser Tätigkeit dar.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 12/22
| Kann in Deutschland steuerpflichtigen Personen eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen inder Schweiz gewährt werden? Das Finanzgericht (FG) Köln hält das für möglich und hat sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar mit deutscher und schweizerischer Staatsbürgerschaft wohnte in der Schweiz. Der Ehemann war als Arbeitnehmer in Deutschland tätig und unterhielt hierfür eine Wohnung in Deutschland. Für das gemeinsame Haus in der Schweiz beauftragten die Eheleute verschiedene Handwerks- und Gartenbauarbeiten i. S des Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 a EStG) und begehrten eine Ermäßigung ihrer Einkommensteuer.
Das Finanzamt lehnte dies jedoch ab, weil die Dienstleistungen in der Schweiz ausgeführt wurden (vgl. § 35 a Abs. 4 S. 1 EStG). Hiergegen erhoben die Eheleute erfolgreich Klage.
Freizügigkeitsabkommen
Das FG Köln bezweifelt, ob es mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist, dass die Steuerermäßigung nur für Dienstleistungen beansprucht werden kann, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt ausgeübt oder erbracht werden.
Beachten Sie | Bis zur Entscheidung des EuGH ist das Verfahren ausgesetzt.
Quelle | FG Köln, Beschluss vom 20.2.2025, 7 K 1204/22; PM vom 25.3.2025; EuGH: C-223/25
| Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen, z. B. Sachverständigengutachten, sind in der Regel nicht notwendig und werden daher nicht erstattet. Das ist der Grundsatz, von dem die Rechtsprechung ausgeht. Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme – wie eine Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Senftenberg anschaulich zeigt. |
Schwierige technische Fragestellungen
Ausnahmsweise werden nach dieser Entscheidung die Kosten z. B. für das Einholen eines privaten Sachverständigengutachtens unter anderem als notwendige Kosten anerkannt, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind. Gleiches gilt, wenn aus Sicht des Betroffenen aus einer Anfangsbetrachtung ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre.
Amtsgericht hält Kosten ausnahmsweise für erstattungsfähig
Diese Grundsätze hat das AG in seiner Entscheidung bestätigt. Es hat die Kosten für ein Sachverständigengutachten, mit dem die Messdaten einer Geschwindigkeitsmessung überprüft worden sind, daher als erstattungsfähig angesehen.
Quelle | AG Senftenberg, Urteil vom 28.2.2024, 50 OWi 1617 Js 22408/22
| Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h liegenden Tempo fährt, muss seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten. Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des Navigationssystems kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entschieden. |
Konzentrieren und Gerätebedienen ist gefährlich
Geklagt hatte eine Autovermieterin gegen den Fahrer eines vermieteten Pkw. Der Fahrer war auf der Autobahn verunfallt und hatte den Wagen beschädigt. Während er auf der linken Spur fuhr, bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs bei Tempo 200, um dort Informationen abzurufen. Dabei geriet das Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke.
Mietvertrag sah Kürzung der Haftungsfreistellung vor
Das Gericht verwies auf die Vereinbarung im Mietvertrag. Danach könne die Haftungsfreistellung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt werden. Der Fahrer habe hier grob fahrlässig gehandelt. Die Autovermieterin könne daher die Hälfte des Schadens – ca. 12.000 Euro – bei ihm geltend machen.
Für das Gericht war es dabei unerheblich, dass der Pkw einen sog. Spurhalteassistenten hatte. Zumindest bei derart hohen Geschwindigkeiten reduziere dieser den Schuldvorwurf nicht.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 2.5.2019, 13 U 1296/17
| Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie beschäftigt immer noch die Gerichte. Aktuell hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden: Die Mitglieder einer Fahrgemeinschaft waren auch in der Corona-Hochphase für gegenseitige Ansteckungen nicht verantwortlich zu machen. Eine auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage eines Mitfahrers hat das LG deshalb abgewiesen. |
Im Frühjahr 2022 stieg der Mitfahrer ohne Maske zu seinem Kollegen ins Auto, um gemeinsam zur Arbeit zu fahren. Am Abend desselben Tages schrieb er in die WhatsApp-Gruppe der Fahrgemeinschaft, dass er positiv getestet sei und sich in Quarantäne befinde.
Fahrer behauptete Ansteckung und verlangte Schmerzensgeld
Der schon zuvor an Asthma erkrankte Fahrer behauptete im Prozess, er habe sich während der gemeinsamen Fahrt mit dem Coronavirus infiziert und sei nun dauerhaft arbeitsunfähig („Post-Covid-Syndrom“). Der Mitfahrer schulde ihm daher Schmerzensgeld in Höhe von nicht unter 20.000 Euro, weitere 4.000 Euro Schadenersatz und müsse darüber hinaus für zukünftig auftretende Schäden einstehen.
Landgericht: Reine Gefälligkeit – keine Haftung
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Im Rahmen der wechselseitigen Gefälligkeit einer Fahrgemeinschaft sei bereits unter den Gesichtspunkten eines stillschweigenden Haftungsverzichts und des Handelns auf eigene Gefahr eine gegenseitige Haftung ausgeschlossen. Es sei zudem aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie allgemein bekannt gewesen, dass enger persönlicher Kontakt die Hauptinfektionsquelle darstellte. Obwohl der unter Asthma leidende Fahrer bemerkt habe, dass sein Kollege beim Einsteigen keine Maske trug, habe er ihn nicht gebeten, eine solche aufzusetzen. Er habe sich daher erkennbar trotz seiner Vorerkrankung dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Dass er sich keine Gedanken über einen ungünstigen Verlauf einer Infektion mit möglichen Dauer- und Folgeschäden gemacht habe, rechtfertige keine andere Beurteilung.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 16.12.2024, 7 O 110/24, PM vom 31.1.2025
| Mit der Frage, ob ein 13-jähriges Kind für einen Glasschaden an einem Schaufenster verantwortlich ist, hat sich das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. |
Glasbruch nach Nutzung eines Spielgeräts
Das Kind hatte in der Fußgängerzone von Frankenthal ein festmontiertes Spielgerät in Gestalt einer Drehscheibe genutzt und war beim Absteigen gegen ein daneben befindliches Schaufenster getaumelt. Für den dadurch entstandenen Glasbruch muss das Kind nicht haften, entschied das LG und hat die Klage der Ladenbesitzer abgewiesen.
Der Junge gab an, dass er auf dem Schulweg an dem Spielgerät vorbeigekommen sei. Er habe sich auf das Karussell gestellt, das ein Freund gedreht habe, zunächst langsam, dann immer schneller. Nachdem der Freund die Drehung gestoppt habe, sei er rückwärts gegen die keine drei Meter entfernte Fensterscheibe getaumelt, die daraufhin zerbrochen sei.
Schaden schuldhaft verursacht?
Die Ladenbesitzer warfen dem Jungen vor, den Schaden schuldhaft verursacht zu haben. Er sei bereits zu alt gewesen für das Karussell, zudem habe er sich damit zu schnell gedreht. Die Sturzgefahr und der mögliche Glasbruch seien für ihn erkennbar gewesen.
Landgericht: kein Verschulden des Kindes!
Das LG ging zwar davon aus, dass sich der 13-Jährige der grundsätzlichen Stolpergefahr durchaus bewusst und auch hinreichend einsichtsfähig war. Beides ist erforderlich, damit Minderjährige in diesem Alter überhaupt selbstständig haften. Gleichwohl konnte das LG das für einen Schadenersatzanspruch erforderliche Verschulden des Kindes nicht feststellen. Denn der Junge habe die Drehscheibe bestimmungsgemäß genutzt. Es sei gerade Sinn und Zweck des Karussells, trotz der Drehbewegung die Balance zu halten und der Gefahr des Herunterfallens zu trotzen. Das Kind sei weder zu alt noch zu groß für das Spielgerät gewesen.
Das Gericht hat nicht verkannt, dass die Ladenbesitzer nun auf ihrem Glasschaden sitzen bleiben. Dies resultiert gemäß LG jedoch daraus, dass unsere Rechtsordnung – von einigen hier nicht vorliegenden Sonderfällen abgesehen – dem Prinzip der Verschuldenshaftung folgt.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 29.11.2024, 9 O 27/24, PM vom 19.12.2024
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Bürgergeldempfänger gelten nicht als hilfebedürftig, wenn sie ein (zu) großes Einfamilienhaus gebaut haben und dessen Wert zur Sicherung des Lebensunterhalts nutzen können. |
Familie hatte während Bürgergeldbezug größeres Haus gebaut
Dem Verfahren lag ein Eilantrag einer Familie aus dem Emsland zugrunde. Diese hatte ihr selbstbewohntes Hausgrundstück für 514.000 Euro verkauft, nachdem sie während des Bürgergeldbezugs ein neues Haus gebaut hatte. Aufgrund des erzielten Verkaufserlöses hob der Grundsicherungsträger die Leistungsbewilligung auf.
Demgegenüber vertrat die Familie die Auffassung, das neue Haus sei geschütztes Vermögen und dürfe nicht zur Deckung des Lebensunterhalts herangezogen werden. Zudem berief sie sich auf die gesetzliche Karenzzeit von 12 Monaten, während der auch großzügige Wohnverhältnisse voll finanziert werden müssten.
Landessozialgericht: Familie nicht bedürftig
Das LSG bestätigte die Auffassung der Behörde. Die Familie sei nicht bedürftig, da das neue Hausgrundstück mit 254 m² Wohnfläche und sieben Bewohnern kein geschütztes Vermögen darstelle. Eine Verwertung des Vermögens zur Sicherung des Lebensunterhalts sei durch Beleihung möglich. Bei einem Verkehrswert von 590.000 Euro und einer Grundschuld von 150.000 Euro stehe ein unbelasteter Wert von 440.000 Euro zur Verfügung.
Die Berufung auf die gesetzliche Karenzzeit lehnte das Gericht ebenfalls ab. Die Regelung diene dem Zweck, dass Leistungsempfänger nicht sofort ihr angespartes Vermögen, etwa für die Altersvorsorge, aufbrauchen müssen, wenn sie nur vorübergehend auf Bürgergeld angewiesen sind. Die Karenzzeit solle dabei helfen, plötzliche Härten abzufedern.
Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um eine unerwartete Notlage, sondern um langjährige Leistungsbezieher, die ihre Wohnsituation und ihr Immobilienvermögen optimieren wollten. So habe die Familie als Verkaufsgrund des alten Hauses angegeben, die Entfernung zur Innenstadt sei ihnen zu weit gewesen.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.1.2025, L 11 AS 372/24 B ER, PM vom 20.1.2025
| Der gezahlte Reisepreis kann um 30 Prozent gemindert werden, wenn das Gepäck des Pauschalreisenden beim Hinflug zu spät ausgeliefert wird und deshalb während einer Kreuzfahrt in die Arktis nicht zur Verfügung steht. So entschied es das Landgericht (LG) München II zugunsten der Reisenden. |
Es ging um eine Expeditionsreise
Der Kläger und seine Mutter hatten im Jahr 2023 bei der Beklagten eine elftägige Pauschalreise nach Norwegen mit anschließender Kreuzfahrt „Auf den Spuren der Eisbären“ gebucht. Während des Hinflugs kam es zu einer verspäteten Auslieferung aller Gepäckstücke der Reisenden. Der Kläger und seine Mutter meldeten ihr Gepäck als verloren und erstatteten unverzüglich Schadensanzeige. Vor der Abfahrt des Schiffs kauften sie in Outdoor-Läden in Norwegen das Notwendigste ein. An Bord gab es eine Boutique und einen Wäscheservice. Schuhe und Parka für die Expeditionen an Land wurden gestellt. Die Beklagte erstattete den Reisenden außergerichtlich 25 Prozent vom gezahlten Reisepreis und 1.500 Euro (von 2.306,07 Euro) für die Ersatzbeschaffungen. Vor Gericht machte der Kläger den Restbetrag für die Ersatzbeschaffungen, weitere 15 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und einen „Schadenersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreuden“ geltend.
Landgericht sprach Minderung zu
Das LG sprach dem Kläger eine Minderung in Gesamthöhe von 30 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und für die Ersatzbeschaffungen weitere 516,20 Euro zu; einen Anspruch auf Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wies das LG jedoch ab.
Das LG begründete seine Entscheidung damit, dass das Fehlen von Gepäck mit persönlichen Gegenständen des Reisenden einen Reisemangel darstellt. Weil der Veranstalter jedoch keine besondere Kleiderordnung bei den Mahlzeiten und die Ausrüstung für die Expeditionen zur Verfügung gestellt hatte und es einen Wäscheservice an Bord gab, erachtete das Gericht eine Minderung von 30 Prozent des gezahlten Reisepreises als ausreichend und angemessen.
Bei den Ersatzbeschaffungen (Verbrauchsartikel, Grund- und Funktionsbekleidung) hatte der Reiseveranstalter unter anderem einen Abschlag für Vermögensvorteile vorgenommen, weil die Reisenden die Sachen nach der Rückkehr weiterhin nutzen können. Das Gericht folgte dem Argument der Beklagten nicht, soweit es sich um „Funktionskleidung“ handelte, denn der Kläger und seine Mutter hatten das Gericht davon überzeugt, dass sie die eigens für eine Expedition in die Arktis gekaufte Funktionsbekleidung nicht mehr benötigten. Anders sah es das Gericht bei den Verbrauchsartikeln (Waschmittel, Zahnpasta, etc.) – die Reisenden erhielten ihre Koffer bei der Rückkehr von der Reise zurück und konnten die darin enthaltenen Verbrauchsartikel (weiter) nutzen.
Schadenersatzanspruch abgelehnt
Einen Schadenersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit lehnte das Gericht ab, weil der Kläger und seine Mutter aufgrund der Möglichkeit von Ersatzbeschaffungen in Longyearbyen und an Bord sowie wegen der ihnen zur Verfügung gestellten Ausrüstungsgegenstände (Schuhe, Parka) an der Kreuzfahrt und den Expeditionen an Land teilnehmen konnten, was Sinn undZweck der gebuchten Expeditionsreise war.
Quelle | Landgericht München II, Endurteil vom 10.1.2025, 14 O 2061/24, PM 1/25
| Ein Ehemann kann nach der Trennung von seiner Frau verlangen, die Nutzungsverhältnisse an einem gemeinsamen Haus neu zu ordnen. Das stellte das Oberlandesgericht (OLG) Celle fest. |
Ärzteehepaar trennte sich
Nachdem sich ein Ärzteehepaar getrennt hatte, wollte der Mann in ein gemeinsames Haus des Paares ziehen. Doch dort wohnte seine Schwiegermutter. In der ihr allein gehörenden Ehewohnung lebte die Frau mit den gemeinsamen Kindern. Der Mann schlief zunächst in seiner Praxis, dann bei Bekannten. Schließlich wohnte er zur Untermiete.
Den Eheleuten gehörte aber hälftig noch das von der Schwiegermutter bewohnte Einfamilienhaus mit Garten. Dieser wollte der Mann wegen Eigenbedarf kündigen. Dazu war die Mitwirkung seiner Ehefrau erforderlich. Das lehnte sie ab. Sie meinte, der Mann wolle sie nur zwingen, ihrer Mutter zu kündigen. Auch habe er noch ein weiteres Haus. Der Mann klagte.
Amtsgericht: Eigenbedarf nicht genügend dargelegt
Das Amtsgericht (AG) wies seine Klage ab. Der Mann habe den Eigenbedarf nicht hinreichend dargelegt. Da die Schwiegermutter eine nahe Angehörige sei, könne ihre Tochter selbst Eigenbedarf anmelden. So zog der Mann vor das OLG.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG gab dem Mann Recht. Ihm sei seit der Trennung ein Festhalten am Mietverhältnis nicht länger zuzumuten. Auch habe er seinen Eigenbedarf ausreichend dargelegt. Er hatte vorgetragen, dass sein jetziges Mietverhältnis nur befristet war. Ein ständiges Wohnen in der Praxis sei ihm nicht zuzumuten. Ein Umzug in das andere Haus sei ihm ebenfalls nicht zuzumuten, da dieses noch ein Rohbau sei und er auch kein Geld für einen Umzug habe. Nach all dem sah das OLG den geltend gemachten Eigenbedarf nicht als „offensichtlich aussichtslos“ an. Vor allem sei die Frau in der Lage, ihre Mutter in der Ehewohnung und einer nicht genutzten Einliegerwohnung aufzunehmen.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 19.2.2025, 21 UF 237/24
| Wer einen überschuldeten Nachlass erbt, kann innerhalb einer Frist von sechs Wochen das Erbe ausschlagen. Sonst gilt die Erbschaft als angenommen und er haftet für die dem Nachlass zuzuordnenden Schulden. War dem Erben nicht bekannt, dass der Nachlass überschuldet ist, kann noch die Anfechtung wegen Irrtums helfen. Mit den Voraussetzungen dafür hat sich jetzt das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. Es hat entschieden, dass der als Erbe eingesetzte Sohn eines Verstorbenen nicht für die Beerdigungskosten aufkommen muss, weil er die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten hat. |
Witwe verlangte Bestattungskosten von Sohn des Verstorbenen
Der Verstorbene hatte seinen Sohn aus erster Ehe testamentarisch zu seinem Erben bestimmt. Die beiden pflegten zuletzt keinen Kontakt mehr zueinander. Nach dem Tod übernahm zunächst die Witwe die Bestattungskosten von rund 7.500 Euro und wollte diese vom Sohn erstattet haben, da dieser die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte. Daraufhin erklärte der Sohn die Anfechtung der Erbschaftsannahme. Er habe nicht gewusst, dass die Bestattungskosten zu den Nachlassverbindlichkeiten gehörten und der Nachlass damit überschuldet sei.
Irrtum über die Beerdigungskosten
Dieser Argumentation hat sich das LG angeschlossen. Der Sohn habe die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten und müsse daher nicht für die Beerdigungskosten aufkommen. Die Anfechtung wegen unerkannter Überschuldung eines Nachlasses sei ein in der Rechtsprechung anerkannter Anfechtungsgrund. Sie setze voraus, dass der Anfechtende eine wesentliche Forderung gegen den Nachlass irrtümlich übersieht. Hier seien die Bestattungskosten eine wesentliche Forderung, da der Nachlass überschuldet sei, wenn man sie berücksichtige. Es sei auch glaubhaft, dass sich der Sohn über die Beerdigungskosten geirrt habe. Denn die Witwe habe ihm noch zu Lebzeiten des Vaters mitgeteilt, für die Beerdigung könne der Erlös aus dem Verkauf eines Pkw verwendet werden. Daher durfte der Sohn davon ausgehen, als Erbe seines Vaters nicht für die Bestattung aufkommen zu müssen, so die Kammer. Wenn kein Erbe in Anspruch genommen werden kann, muss die Witwe als Ehefrau nach den Vorschriften des Landesrechts selbst für die Beerdigungskosten aufkommen, so das LG.
Quelle | Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 27.2.2025, 8 O 189/24, PM vom 31.3.2025
| Die Kosten eines Vaterschaftsanerkennungsverfahrens können zwischen dem im Verfahren ermittelten biologischen Vater und der Mutter hälftig geteilt werden. Weder der Umstand, dass der Vater nicht bereits auf Basis eines Privatgutachtens zur Anerkennung der Vaterschaft bereit war, noch, dass er nach Angaben der Mutter der einzige Verkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit war, rechtfertigen eine alleinige Kostenlast des Vaters. So entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |
Streit um Kosten
Die Beteiligten streiten über die Kosten eines Abstammungsverfahrens. Die Mutter des Kindes hatte angegeben, mit dem sog. Putativvater (also dem, der als möglicher Vater in Betracht kommt) in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehrs gehabt zu haben. Ein außergerichtlicher Vaterschaftstest hatte diesen als Vater festgestellt. Das Kind begehrte daraufhin, die Vaterschaft des Putativvaters gerichtlich festzustellen. Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens stellte das Amtsgericht (AG) die biologische Vaterschaft des Putativvaters fest und legte die Verfahrenskosten hälftig der Mutter und dem nun festgestellten Vater auf.
So sah es das Oberlandesgericht
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Mutter gegen die Auferlegung der Hälfte der Kosten. Dies hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das AG habe im Ergebnis zutreffend die Kosten nach billigem Ermessen zwischen der Kindesmutter und dem Kindesvater hälftig geteilt, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Bei einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren handele es sich nicht um ein echtes Streitverfahren. Neben dem Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens könnten deshalb weitere Umstände von Bedeutung sein. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten sei allerdings regelmäßig unbillig, da es selbst nicht zur Unsicherheit an der Vaterschaft beigetragen habe.
Hier sei es nicht angemessen, dem Vater die alleinigen Kosten aufzuerlegen. Er habe insbesondere nicht „grob schuldhaft“ das Verfahren veranlasst. Ihm sei es vielmehr nicht zumutbar gewesen, die Vaterschaft bereits außergerichtlich ohne gutachterliche Klärung der biologischen Abstammung durch Sachverständigengutachten anzuerkennen. Allein die Angabe der Mutter, sie habe in der Empfängniszeit nur mit dem Vater verkehrt, genüge zur Begründung eines groben Verschuldens nicht. Vielmehr habe der Vater berechtigte Zweifel ans einer Vaterschaft haben dürfen. Unwidersprochen habe er mit der Kindesmutter in der Empfängniszeit keine Beziehung geführt und auch nicht mit ihr zusammengelebt. Damit hätten ihm konkrete Einblicke in die Lebensverhältnisse der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit gefehlt. Für ihn habe damit auch keine Möglichkeit bestanden, abzuschätzen oder zu beurteilen, ob die Mutter des Kindes zu weiteren Männern eine intime Beziehung unterhalten habe.
Außergerichtlicher Vaterschaftstest schließt gerichtliche Überprüfung nicht aus
Auf den bereits außergerichtlich durchgeführten Vaterschaftstest habe er sich nicht verlassen müssen. Er könne vielmehr geltend machen, dass er angesichts der hohen rechtlichen Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Abstammungsgutachtens eine gerichtliche Überprüfung wünsche. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass „beide Eltern das Verfahren über eine Entscheidung über die Abstammung dadurch gleichermaßen veranlasst haben, dass sie innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben. Damit erscheint es in der Regel auch gerechtfertigt, die Kosten eines solchen Verfahrens gleichmäßig auf beide Eltern zu verteilen“, unterstrich das OLG.
Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 13.1.2025, 6 WF 155/24, PM 4/25
| Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung ist so zu verstehen, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, sofern diese nicht bereits von Dritten erbracht und dem Architekten zur Verfügung gestellt wurden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden. |
Ein Architekt war mündlich damit beauftragt worden, die Baugenehmigung für die Erweiterung eines Gasthofs einzuholen. Damit war klar, dass er die Leistungsphase 4 im Leistungsbild Gebäude und Innenräume sowie Tragwerksplanung erbringen musste. Da er vom Auftraggeber nur Bestandszeichnungen erhalten hatte, die nicht an eine Vor- oder Entwurfsplanung heranreichten, verlangte er auch das Honorar für diese notwendigen Leistungen. Der Auftraggeber weigerte sich. Er meinte, er habe nur die Genehmigungsplanung beauftragt.
Das OLG gab dem Architekten Recht und sprach ihm das Honorar für die Leistungsphasen 1 bis 4 zu. Es komme nicht auf die Regelungen der HOAI, sondern auf den Inhalt des konkreten Auftrags an. Nicht entscheidend sei, ob die Parteien einen schriftlichen oder mündlichen Vertrag geschlossen, sondern was sie tatsächlich vereinbart haben. Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung müsse dann so verstanden werden, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, da diese notwendige Voraussetzung für die Erstellung der Genehmigungsplanung ist. Etwas anderes gelte nur, wenn die vorangehenden Planungsleistungen bereits von Dritten erbracht wurden und dem Architekten zur Verfügung gestellt werden.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2022, 4 U 142/20
| Beauftragt ein Bauträger einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt vom Architekten nur die Überprüfung einzelner Maße, übernimmt der Bauträger das mit der begrenzten Überprüfung verbundene Risiko selbst. Er kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin als Bauträgerin machte gegen den beklagten Architekten im Wege einer Schadenersatzklage i. H. v. 100.000 Euro wegen mangelhafter Architektenleistungen bei der Planung einer Wohnungseigentumsanlage geltend. Die Klägerin ist der Auffassung, die die Pläne des Vermessungsingenieurs überarbeitende Wohnflächenberechnung des Beklagten für bestimmte Bestandsgebäude habe eine zu geringe Wohnfläche ausgewiesen. Der Beklagte habe zugesichert, dass die Abweichungen der Wohnflächen von den Bestandsplänen des Vermessers unter einem Prozent lägen, tatsächlich gebe es Abweichungen bis zu 8%. Zahlreiche Wohnungen seien daher mit zu geringer Flächenangabe verkauft worden und deshalb sei ein Mindererlös entstanden.
Der Beklagte bestreitet eine fehlerhafte Flächenermittlung, die sich ohnehin nur auf die örtliche Überprüfung der Maße aus den Bestandsplänen des Vermessers hinsichtlich der für die Werkplanung entscheidenden Stellen bezogen habe. Ein Auftrag zu einer kompletten Neuvermessung des Bestands sei gerade nicht erteilt worden.
Zudem meint die Klägerin, der Beklagte habe bei der Grundlagenermittlung übersehen, dass die Geschossdecken in einem Bestandsgebäude Betonhohlkörperdecken waren, die einen unerwartet hohen Sanierungsaufwand erforderten, und es versäumt, vor Baubeginn die Fundamente an der Seite zu einem anderen Grundstück zu überprüfen. Infolge dieser Planungsfehler hätten sich die Baukosten für das Bestandsgebäude deutlich erhöht. Die Umbaukosten beliefen sich somit auf mindestens 950.000 Euro. Ein vollständiger Abriss und Neubau hätte dagegen (nur) 752.499 Euro gekostet und wäre im Vergleich zu den tatsächlich entstandenen Kosten günstiger gewesen. Bei erzielbaren Verkaufserlösen abzüglich der Kosten für Abriss/Neubau hätte sich bei einem Neubau ein hoher sechsstelliger Überschuss ergeben. Der tatsächliche Überschuss durch den Umbau habe lediglich 107.000 Euro betragen.
Der Beklagte trägt hierzu vor, ihm sei vom Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt worden, dass es sich bei sämtlichen Bestandsdecken um Stahlbetonrippendecken handele. Eine Pflicht zur Überprüfung dieser Tatsache habe es nicht gegeben. Zudem habe sich die Klägerin in Kenntnis der Mehrkosten für eine Sanierung und gegen einen Abriss entschieden. Hinsichtlich des Fundaments sei die Klägerin bereits vor Beauftragung des Beklagten in Kenntnis gesetzt worden, dass dessen Tragfähigkeit ein Risiko darstelle. Sie habe dennoch entschieden, das Fundament erst im Zuge der Aushubarbeiten zu untersuchen, um Kosten einzusparen.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG stellte klar: Wie bei einem Bauvertrag kann auch zwischen einem Architekten und seinem Auftraggeber eine von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichende Ausführung vereinbart werden, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen.
Beauftragt eine Bauträgerin einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt sie vom Architekten, einzelne Maße zu überprüfen, übernimmt die Bauträgerin sehenden Auges das mit der begrenzten Überprüfung der Maße verbundene Risiko und kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Weist der Architekt seinen Auftraggeber darauf hin, dass die zu planende Wohnung ohne Sonnenschutz nicht funktioniert, muss der Auftraggeber erkennen, dass bei Umsetzung der Planung eine im Hinblick auf den Wärmeschutz nicht ausreichend funktionstüchtige Wohnung errichtet wird, und es bedarf keines weiteren Hinweises, dass dann (auch) die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten sind.
Macht der Auftraggeber eines Architekten geltend, dass er im Fall einer mangelfreien Beratung von der Sanierung eines Gebäudes abgesehen und einen profitableren Neubau errichtet hätte, schafft der Auftraggeber für eine Schadensschätzung bzw. Begutachtung nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn er nachvollziehbar darlegt, welches Gebäude mit welchen Eigenschaften er statt der Sanierung errichtet hätte.
Macht ein Auftraggeber geltend, bei einem mangelfreien Architektenwerk hätte er die zu errichtenden Wohnungen teurer verkaufen können, ist ein Schaden nur schlüssig dargelegt, wenn die Kalkulationsgrundlagen für den erzielten und den geltend gemachten Kaufpreis offengelegt werden und nachvollziehbar vorgetragen wird, dass ein höherer Kaufpreis am Markt hätte durchgesetzt werden können.
Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 17.12.2024, 10 U 38/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Aachen hat die Klage eines Realschullehrers auf Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Festsetzung von Erfahrungsstufen und mithin auf eine höhere Besoldung abgewiesen. |
Eine Tätigkeit als Anbieter von Cocktailkursen ist für die Tätigkeit als verbeamteter Lehrer nicht förderlich im besoldungsrechtlichen Sinne. Eine Tätigkeit ist allgemein förderlich, wenn sie für die Dienstausübung des Beamten nützlich bzw. von konkretem Interesse ist, d. h. wenn diese entweder erst aufgrund der früher gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht oder wenn sie jedenfalls erleichtert und verbessert wird.
Ausgehend hiervon kann die Tätigkeit als Betreiber einer Gesellschaft, die Cocktailkurse und Barcatering anbietet – auch wenn diese Tätigkeit über mehrere Jahre ausgeübt wurde – nicht als förderlich angesehen werden. Das Halten von Cocktailkursen ist weder qualitativ noch quantitativ mit der Tätigkeit eines Realschullehrers vergleichbar. So hat der Kläger im Rahmen seiner Cocktailschule insbesondere nicht mit Minderjährigen gearbeitet, sondern deren Angebot zielte auf die Schulung von Mitarbeitern aus dem Hotel-, Restaurant- und Cateringgewerbe. Auch sind die Anforderungen an die Erstellung eines Cocktailkurses nicht mit der Erstellung eines differenzierten Lehrplans für Schulunterricht in den Schulklassen 5 bis 10 vergleichbar.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 20.1.2025, 1 K 2377/23, PM vom 3.2.2025
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Ein Beschäftigungsverhältnis wird erst ab dem Beginn der Entgeltfortzahlung und nicht schon mit Abschluss des Arbeitsvertrags begründet. |
Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankgemeldet
Geklagt hatte ein 36-jähriger Arbeitsloser, dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld Ende Oktober 2023 auslief. Anfang Oktober unterschrieb der Mann einen Arbeitsvertrag als Lagerist bei einem Reinigungsunternehmen zu einem Monatslohn von 3.000 Euro brutto. Er trat die Arbeit jedoch nie an, da er sich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankmeldete. Zwei Wochen später kündigte die Firma innerhalb der Probezeit.
Krankenkasse zahlte kein Krankengeld
Die Krankenkasse des Mannes lehnte daraufhin die Zahlung von Krankengeld ab. Begründung: Es habe kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, da der Mann kein Einkommen erzielt habe.
Der Mann verklagte das Unternehmen und verlangte die Anmeldung zur Sozialversicherung ab dem Beginn des Arbeitsvertrags. Er vertrat dazu die Auffassung, dass bereits durch einen rechtsgültigen Vertrag, der eine Entgeltzahlung vorsehe, ein Beschäftigungsverhältnis zustande komme. Dies müsse auch gelten, wenn ihm der Arbeitsantritt krankheitsbedingt nicht möglich sei. Andernfalls würde er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit leer ausgehen.
Landessozialgericht gab Krankenkasse Recht
Das LSG vermochte sich der Rechtsauffassung des Klägers nicht anzuschließen. Der Arbeitgeber müsse ihn nicht zur Sozialversicherung anmelden, da ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht schon mit dem Beginn des Arbeitsvertrags entstanden sei. Erforderlich sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe. Dieser Anspruch entstehe jedoch bei neuen Arbeitsverhältnissen generell erst nach einer vierwöchigen Wartezeit.
Wartezeit war ohnehin nicht erfüllt
Diese gesetzliche Regelung solle verhindern, dass Arbeitgeber die Kosten der Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer tragen müssen, die direkt nach der Einstellung erkrankten. Der Gesetzgeber habe eine solche Konsequenz als unbillig angesehen.
Unabhängig davon müsse der Mann sich erst an seine Krankenkasse wenden, bevor er seinen Arbeitgeber verklage.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.1.2025, L16 KR 61/24
| Berufsgeheimnisträger können in ihrem Fahrtenbuch Schwärzungen vornehmen, soweit diese Schwärzungen erforderlich sind, um die Identitäten von Mandanten zu schützen. Diese Berechtigung ändert aber nichts an der grundsätzlichen Beweislastverteilung. Gegebenenfalls muss der Berufsträger substanziiert und nachvollziehbar darlegen, weshalb Schwärzungen in dem Umfang erforderlich waren und die berufliche Veranlassung der Fahrten durch ergänzende Angaben darlegen. So lautet eine Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Hamburg, gegen die die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig ist. |
Der Rechtsanwalt hatte die Eintragungen in der Spalte „Grund der Fahrt/besuchte Personen“– mit drei Ausnahmen – bei allen beruflichen Fahrten geschwärzt. Das war dem FG zu viel. Die Richter fanden es ungewöhnlich, dass ein Anwalt bei nahezu jeder geschäftlichen Fahrt geheimhaltungsbedürftige Daten in sein Fahrtenbuch einträgt. In der vorgelegten Form wurde das Fahrtenbuch deshalb nicht anerkannt.
Quelle | FG Hamburg, Urteil vom 13.11.2024, 3 K 111/21, Rev. BFH, VIII R 35/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Der sonntägliche Verkauf von Dekorationsartikeln und Christbaumschmuck in einem Gartenmarkt verstößt nicht gegen das Ladenöffnungsgesetz Nordrhein-Westfalen. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte betreibt Gartenmärkte in Nordrhein-Westfalen und verkaufte dort an einem Sonntag im November des Jahres 2022 neben Blumen und Pflanzen auch Dekorationsartikel und Christbaumschmuck. Die Klägerin hält dies für unlauter und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
So sahen es die Vorinstanzen
Das Landgericht (LG) hat die Klage mit Blick auf das von der Klägerin begehrte Verbot des Verkaufs von künstlichen Tannenzweigen, Motivanhängern, Zimtstangen und Glaskugeln abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsantrag weiter.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der sonntägliche Verkauf der in Rede stehenden Waren stellt keinen Wettbewerbsverstoß dar, weil sie dem Randsortiment zuzurechnen sind. Ihr Verkauf ist deshalb nach dem Ladenöffnungsgesetz Nordrhein-Westfalen (LÖG NW) an Sonn- und Feiertagen zulässig. Als kleinteilige Accessoires zu den von der Beklagten hauptsächlich angebotenen Blumen und Pflanzen haben Dekorationsartikel und Christbaumschmuck lediglich ergänzenden, in Umfang und Gewichtigkeit deutlich untergeordneten Charakter.
Die Zugehörigkeit von Waren zum Randsortiment richtet sich nach ihrer hauptsächlichen Zweckbestimmung und nicht nach ihrer darüber hinaus möglichen Nutzung. Zudem muss das Randsortiment – anders als das Kernsortiment – nicht zum sofortigen Ge- oder Verbrauch bestimmt sein. Auch ist nicht erforderlich, dass Waren des Randsortiments gleichzeitig oder kombiniert mit Waren des Kernsortiments erworben werden. Es stellt keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß dem Grundgesetz (hier: Art. 3 Abs. 1 GG) dar, dass das Randsortiment nur in den aufgrund ihres Kernsortiments privilegierten Verkaufsstellen sonn- und feiertags verkauft werden darf, in sonstigen Verkaufsstellen aber nicht. Die Differenzierung danach, ob das Kernsortiment den typischerweise an Sonn- und Feiertagen anfallenden Bedarf befriedigt, ist sachlich gerechtfertigt.
Quelle | BGH, Urteil vom 5.12.2024, I ZR 38/24, PM Nr. 230/24
| Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde die nationale Kleinunternehmerregelung mit Wirkung ab dem Jahr 2025 reformiert. Zudem kann die Kleinunternehmerregelung nun auch erstmalig im EU-Ausland in Anspruch genommen werden. Infolge der gesetzlichen Neuregelungen hat das Bundesfinanzministerium (BMF) ein Anwendungsschreiben veröffentlicht und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass entsprechend angepasst und ergänzt. |
„Echte“ Befreiung
Durch die Neuregelung sind von inländischen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze von der Umsatzsteuer nun befreit (zuvor wurde die Umsatzsteuer „nicht erhoben“). Die Folge ist, dass ein dennoch in einer Rechnung ausgewiesener Steuerbetrag unter den Voraussetzungen des Umsatzsteuergesetzes (hier § 14 c Abs. 1 UStG: „unrichtiger Steuerausweis“) geschuldet wird.
Rechnungen an Endverbraucher ausgenommen
Allerdings entsteht keine Umsatzsteuer, wenn der Kleinunternehmer eine Leistung (Lieferung oder sonstige Leistung) ausführt und hierüber eine Rechnung mit einem unrichtigen Steuerausweis an einen Endverbraucher stellt.
Bindend: Fünfjahresfrist
Zudem führt das BMF Folgendes aus: Ein vor 2025 erklärter Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung bindet den Unternehmer auch für die Zeit nach dem 1.1.2025 weiterhin für insgesamt mindestens fünf Kalenderjahre (§ 19 Abs. 3 S. 3 UStG).
Beachten Sie | Die Fünfjahresfrist ist vom Beginn des ersten Kalenderjahres an zu berechnen, für das die abgegebene Erklärung gilt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 18.3.2025, III C 3 - S 7360/00027/044/105
| Ein als Zahnarzt zugelassener Mitunternehmer übt im Rahmen eines Zusammenschlusses von Berufsträgern den freien Beruf selbst aus, wenn er neben einer ggf. äußerst geringfügigen behandelnden Tätigkeit vor allem und weit überwiegend organisatorische und administrative Leistungen für den Praxisbetrieb der Mitunternehmerschaft erbringt. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Ärzte und Zahnärzte erzielen aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 18 EStG). Dies gilt grundsätzlich auch bei einer Gemeinschaftspraxis.
Allerdings kann es Konstellationen geben, in denen die Einkünfte der Gesellschaft als gewerbliche Einkünfte (nach § 15 EStG) einzustufen sind – mit der Konsequenz der Gewerbesteuerpflicht. Und darum ging es in folgendem Fall:
Das war geschehen
Eine Partnerschaftsgesellschaft betreibt eine Zahnarztpraxis. Einem ihrer Seniorpartner oblag die kaufmännische Führung und die Organisation der ärztlichen Tätigkeit des Praxisbetriebs (z. B. Vertretung gegenüber Behörden und Kammern, Personalangelegenheiten, Instandhaltung der zahnärztlichen Gerätschaften).
Zahnarzt hatte im Jahr fünf Patienten
Der Seniorpartner war weder „am Stuhl“ behandelnd tätig noch in die praktische zahnärztliche Arbeit der Mitsozien und der angestellten Zahnärzte eingebunden. Er beriet im Streitjahr fünf Patienten konsiliarisch und generierte hieraus einen geringfügigen Umsatz.
Das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz stuften die Einkünfte der gesamten Gesellschaft als gewerblich ein. Dem folgte der BFH allerdings nicht: Alle Mitunternehmer erzielen Einkünfte aus freiberuflicher und damit selbstständiger Arbeit.
Die freiberufliche Tätigkeit ist durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Berufsträgers geprägt. Daher reicht die bloße Zugehörigkeit eines Gesellschafters zu einem freiberuflichen Katalogberuf nicht aus. Vielmehr muss positiv festgestellt werden können, dass jeder Gesellschafter die Hauptmerkmale des freien Berufs in seiner Person tatsächlich verwirklicht hat, also
- die persönliche Berufsqualifikation sowie
- das untrennbar damit verbundene aktive Entfalten dieser Qualifikation am Markt.
Die persönliche Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit im vorgenannten Sinne setzt allerdings nicht voraus, dass jeder Gesellschafter in allen Unternehmensbereichen leitend und eigenverantwortlich tätig ist und an jedem Auftrag mitarbeitet. Die eigene freiberufliche Betätigung eines Mitunternehmers kann auch in Form der Mit- und Zusammenarbeit stattfinden.
Beachten Sie | Einen Mindestumfang für die nach außen gerichtete qualifizierte Tätigkeit sieht das Gesetz nicht vor.
Eine freiberufliche zahnärztliche Tätigkeit ist demzufolge vorliegend anzunehmen. Auch in diesem Fall entfaltet der Berufsträger Tätigkeiten, die zum Berufsbild des Zahnarztes gehören.
Bundesfinanzhof: Führung und Organisation ist Grundlage für freiberufliche Tätigkeit
Beachten Sie | In diesem Zusammenhang stellte der BFH Folgendes heraus: Die kaufmännische Führung und Organisation der Personengesellschaft ist die Grundlage für die Ausübung der am Markt erbrachten berufstypischen zahnärztlichen Leistungen. Sie ist demzufolge auch Ausdruck seiner freiberuflichen Mit- und Zusammenarbeit sowie seiner persönlichen Teilnahme an der praktischen Arbeit.
Quelle | BFH, Urteil vom 4.2.2025, VIII R 4/22, PM 19/25 vom 27.3.2025
| Ein vermietetes Wohngebäude abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen, wird nicht durch die sogenannte Wohnraumoffensive steuerlich gefördert. Eine Sonderabschreibung gemäß Einkommensteuergesetz (hier: § 7 b Abs.1 EStG) ist nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) Köln nicht möglich. Allerdings haben die Steuerpflichtigen Revision eingelegt. |
Hintergrund: Für die Anschaffung oder Herstellung neuer Wohnungen können im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden drei Jahren Sonderabschreibungen bis zu jährlich 5 % der Bemessungsgrundlage neben der regulären Abschreibung in Anspruch genommen werden. Einige Voraussetzungen für die Sonderabschreibung im Überblick:
Baukostenobergrenze
- Bauantrag/-anzeige nach 31.8.2018 und vor 1.1.2022:
Anschaffungs-/Herstellungskosten max. 3.000 Euro pro qm Wohnfläche
- Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029:
Anschaffungs-/Herstellungkosten max. 5.200 Euro pro qm Wohnfläche
Maximal förderfähig Bemessungsgrundlage
- Bauantrag/-anzeige nach 31.8.2018 und vor 1.1.2022:
2.000 Euro pro qm Wohnfläche
- Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029:
4.000 Euro pro qm Wohnfläche
Energieeffizienz
Bei Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029: Effizienzvorgaben („Effizienzhaus 40“) beachten.
Das war geschehen
Die Steuerpflichtigen waren Eigentümer eines vermieteten Einfamilienhauses und entschieden sich gegen die aus ihrer Sicht unwirtschaftliche Sanierung des Gebäudes auf einen zukunftsfähigen Standard. Stattdessen ließen sie das alte Gebäude abreißen und errichteten auf demselben Grundstück ein neues Einfamilienhaus. Den Ende 2020 fertiggestellten Neubau wollten sie wieder als Wohnraum vermieten. Das Finanzamt versagte die Förderung für Mietwohnungsneubau (Sonderabschreibung) gemäß der Wohnraumoffensive von Bund, Ländern und Gemeinden aus dem Jahr 2019. Hiergegen zogen die Steuerpflichtigen vor das FG Köln – ohne Erfolg.
Das FG hob hervor, dass die Steuerpflichtigen keinen zusätzlichen Wohnraum geschaffen haben. Die Wohnraumoffensive zielt darauf ab, dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum durch die Förderung von Neu- und Umbaumaßnahmen entgegenzuwirken. Voraussetzung für die Förderung ist deshalb, dass nach einer solchen Maßnahme insgesamt mehr Wohnraum zur Verfügung steht als zuvor. Der von den Steuerpflichtigen angeführte bessere Ausbau- und Energiestandard änderte nichts an dieser Beurteilung.
„Wohnraumoffensive“ galt noch nicht
Unerheblich war auch, dass der Gesetzgeber für spätere Zeiträume eine zusätzliche Förderung für energetische Neubauten geschaffen hat. Denn diese Förderung war im Streitjahr 2020 noch nicht anwendbar. Das Vorgehen der Steuerpflichtigen war eher mit einer Sanierung vergleichbar, die nicht vom Förderzweck der Wohnraumoffensive umfasst ist.
Quelle | FG Köln, Urteil vom 12.9.2024, 1 K 2206/21, Rev. BFH, IX R 24/24
| Zahlungen für den vorzeitigen Rückfall eines Erbbaurechts (sogenannter Heimfall) stellen steuerpflichtige Einkünfte dar, wenn sie als Ersatz für entgehende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gewährt werden und damit Entschädigungen i. S. des Einkommensteuergesetzes (hier: § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) darstellen. Das Finanzgericht (FG) Hessen bestätigte damit die Ansicht der Finanzverwaltung, wonach solche Entschädigungszahlungen nicht als sonstige Einkünfte, sondern als Einkünfte aus der Nutzung von unbeweglichem Vermögen zu qualifizieren sind. |
Beachten Sie | Die Klägerseite hatte den Vorgang demgegenüber als Rückkauf des Erbbaurechts und die „Entschädigung“ als Entgelt für die Substanzübertragung eingestuft. Wegen des Ablaufs der 10-Jahresfrist (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG) komme eine Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft nicht mehr in Betracht.
Das FG sah das anders. Dass eine Drucksituation des Steuerpflichtigen bei Vertragsschluss nicht erkennbar war, änderte daran nichts. Da die Revision anhängig ist, wird nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden müssen.
Quelle | FG Hessen, Urteil vom 22.2.2024, 10 K 436/22, Rev. BFH, IX R 9/24
| Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit den Bundesländern Vorgaben zu den ertragsteuerrechtlichen Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten bei Kryptowerten (z. B. Bitcoin) erarbeitet. Die neuen Vorgaben ersetzen das bisherige Schreiben aus dem Jahr 2022. Zu diesem Anlass wurde die bisherige Formulierung „virtuelle Währungen und sonstige Token“ durch die Bezeichnung „Kryptowerte“ ersetzt. |
Beachten Sie | Tätigkeiten im Zusammenhang mit Kryptowerten können zu Einkünften aus allen Einkunftsarten (z. B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen) führen.
Nach Rz. 53 des Schreibens ist Folgendes zu beachten: Gewinne aus dem Verkauf von im Privatvermögen gehaltenen Kryptowerten können Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften darstellen, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Gewinne bleiben indes steuerfrei, wenn die Summe der aus allen privaten Veräußerungsgeschäften im Kalenderjahr erzielten Gewinne weniger als 1.000 Euro beträgt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 6.3.2025, IV C 1 - S 2256/00042/064/043
| Zur Ermittlung der tatsächlichen Kosten für sonstige berufliche Fahrten nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 a S. 1 EStG) ist eine Leasingsonderzahlung den einzelnen Veranlagungszeiträumen während der Laufzeit des Leasingvertrags zuzuordnen. Mit dieser Entscheidung hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine bisherige Rechtsprechung geändert. Denn bis dato war die Leasingsonderzahlung grundsätzlich im Zeitpunkt der Zahlung zu berücksichtigen. Und auch andere (Voraus-)Zahlungen, die sich wirtschaftlich auf die Dauer des Leasingvertrags erstrecken, sind periodengerecht auf die einzelnen Veranlagungszeiträume während der Laufzeit des Leasingvertrags zu verteilen. |
Hintergrund: Arbeitnehmer können die Kosten für beruflich veranlasste Fahrten, die keine Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie keine Familienheimfahrten sind, bei Nutzung eines eigenen Pkw als Werbungskosten ansetzen. Dabei besteht ein Wahlrecht: Ansatz der Fahrtkosten mit einer Pauschale von 0,30 Euro/km oder Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen.
Sollen die tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden, muss ein individueller Kilometersatz ermittelt werden, wobei die gesamten Fahrzeugkosten zu berücksichtigen sind.
Beachten Sie | Zu den Gesamtkosten gehören die Kosten, die unmittelbar dem Halten und dem Betrieb des Kfz dienen und im Zusammenhang mit dessen Nutzung typischerweise entstehen. Dazu rechnen vor allem die Kosten für Betriebsstoffe, Wartung und Reparaturen sowie die regelmäßig wiederkehrenden festen Kosten, etwa für die Haftpflichtversicherung, die Kfz-Steuer, Absetzung für Abnutzung (AfA) oder Leasing- und Leasingsonderzahlungen.
Das war geschehen
Ein Arbeitnehmer nutzte für seine beruflichen Fahrten einen ab dem 20.12.2018 für drei Jahre geleasten Pkw. Für seine vom 20.12. bis 31.12.2018 durchgeführten beruflichen Fahrten setzte er 0,93 Euro/km als Werbungskosten an. Bei der Ermittlung des Kilometersatzes legte er u. a. die Leasingsonderzahlung für den Leistungszeitraum (20.12.2018 bis 19.12.2021) von 15.000 Euro, die Kosten für Zubehör, Zusatzleistungen und Reifen sowie die für zwölf Monate zu zahlenden Leasingraten, Versicherungsprämien und ADAC-Beiträge zugrunde.
Bisher gehörte eine bei Leasingbeginn zu erbringende Sonderzahlung in Höhe des auf die Auswärtstätigkeiten entfallenden Nutzungsanteils zu den sofort abziehbaren Werbungskosten. Etwas anderes galt nur, wenn es sich bei der Leasingsonderzahlung um Anschaffungskosten für den Eigentumserwerb bzw. um Anschaffungskosten eines Nutzungsrechts handelte, die nur in Form von AfA berücksichtigt werden können.
Bundesfinanzhof ändert seine bisherige Rechtsprechung
An dieser Rechtsprechung hält der BFH nicht mehr fest. Bei Leasingsonderzahlungen handelt es sich um ein vorausgezahltes Nutzungsentgelt, das dem Zweck dient, die Leasingraten während der Gesamtlaufzeit des Leasingvertrags zu mindern. Die Sonderzahlung finanziert damit auch die Nutzung des Fahrzeugs in den Folgejahren, weshalb die Leasingsonderzahlung linear auf den Vertragszeitraum zu verteilen ist, sofern die Sonderzahlung nach den Vertragsbedingungen die Höhe der monatlichen Leasingraten mindert.
Diese Grundsätze gelten auch für andere (Voraus-)Zahlungen, die sich wirtschaftlich auf die Dauer des Leasingvertrags erstrecken. Beispielhaft führt der BFH die Kosten „für einen weiteren Satz Reifen“ an, die in Höhe der AfA in die jährlichen Gesamtaufwendungen einzubeziehen sind.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 9/22
| Die Fahrerlaubnis-Verordnung bietet keine rechtliche Grundlage für eine behördliche Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen (u. a. Fahrräder, Mofas, E-Scooter). Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden. Damit sind zwei Antragsteller aus Duisburg und Schwerte vorläufig wieder berechtigt, mit solchen Fahrzeugen am Straßenverkehr teilzunehmen. |
Unter Amphetaminen auf dem E-Scooter bzw. betrunken auf dem Rad
Ein Antragsteller fuhr unter dem Einfluss von Amphetamin einen E-Scooter. Der andere Antragsteller wies bei einer Fahrt mit dem Fahrrad eine Blutalkoholkonzentration von über 2 ‰ auf. Beide besitzen keine Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (z. B. Pkw). In beiden Fällen untersagten die Fahrerlaubnisbehörden ihnen das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen. Die hiergegen gerichteten Eilanträge lehnten die Verwaltungsgerichte (VG) Düsseldorf und Gelsenkirchen ab. Die Beschwerden der Antragsteller hatten beim OVG Erfolg.
Einschlägige Normen nicht verhältnismäßig
Zur Begründung hat das OVG ausgeführt: Die streitigen Anordnungen können nicht auf die Vorschrift der Fahrerlaubnis-Verordnung gestützt werden, wonach die Fahrerlaubnisbehörde jemandem das Führen von Fahrzeugen zu untersagen hat, der sich als hierfür ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet erweist. Denn diese Norm ist nicht hinreichend bestimmt und verhältnismäßig.
Ein solches Verbot schränkt die grundrechtlich geschützte Fortbewegungsmöglichkeit der Betroffenen deutlich ein. Außerdem sind fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im Vergleich zu Kraftfahrzeugen in der Regel weniger gefährlich. Die Vorschrift berücksichtigt diese Aspekte nicht und regelt insbesondere nicht hinreichend klar, in welchen Fällen jemand ungeeignet oder bedingt geeignet zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist und wann Eignungszweifel bestehen.
Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts sind unanfechtbar.
Quelle | OVG Münster, Beschluss vom 5.12.2024, 16 B 175/23, PM vom 6.12.2024
| In einem aktuellen Streitfall hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass der Steuerpflichtige die Aufwendungen für seine Fahrten zwischen der Wohnung und der Fernuniversität in Hagen nach Reisekostengrundsätzen als Werbungskosten geltend machen kann. |
Hintergrund: Beruflich veranlasste Aufwendungen, die im Rahmen einer Zweitausbildung (Berufsausbildung oder Studium) anfallen, sind grundsätzlich als (vorab entstandene) Werbungskosten abziehbar. Hierzu zählen auch die Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte. Diese sind jedoch bei vollzeitigen Bildungsmaßnahmen bzw. bei Vollzeitstudien auf den Ansatz der Entfernungspauschale begrenzt.
Ein Vollzeitstudium liegt vor, wenn das Studium darauf ausgelegt ist, dass sich die Studierenden diesem (vergleichbar einem vollbeschäftigten Arbeitnehmer) zeitlich vollumfänglich widmen müssen. Davon ist auszugehen, wenn das Studium nach den Ausbildungsbestimmungen oder der allgemeinen Erfahrung insgesamt etwa 40 Wochenstunden (Unterricht, Praktika sowie Vor- und Nachbereitung zusammengenommen) erfordert.
Im Streitfall war der Steuerpflichtige nur als Teilzeitstudierender eingeschrieben und studierte nach seinem Hörerstatus in einem Umfang von etwa 20 Stunden wöchentlich. Dass er im Streitjahr keiner Erwerbstätigkeit nachging, war im Hinblick auf den Begriff des Vollzeitstudiums unerheblich.
Somit waren die Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen (Ansatz einer Pauschale i. H. von 0,30 Euro je gefahrenem Kilometer oder Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen) abzugsfähig.
Quelle | BFH, Urteil vom 24.10.2024, VI R 7/22
| Wer auf Betrüger hereinfällt und im Online-Verfahren eine Echtzeit-Überweisung freigibt, kann nicht darauf hoffen, dass die Bank ihm den Schaden ersetzt. Dies gilt selbst dann, wenn er Minuten später den Schwindel bemerkt und über den Kundenservice sein Konto sperren lässt. Denn der einmal angestoßene Zahlungsvorgang kann nicht mehr gestoppt werden, auch wenn das Geld erst Tage später vom Konto abgebucht wird. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden. Das LG hat die Klage zweier Eheleute gegen ihre Hausbank abgewiesen. Diese waren einer bekannten Betrugsmasche („Hallo, ich habe eine neue Handynummer“) aufgesessen. |
Ehepaar fiel auf bekannte Betrugsmasche herein
Das Ehepaar erhielt im Herbsturlaub letzten Jahres eine SMS von einer unbekannten Rufnummer. Der Absender gab sich als deren Tochter aus und bat darum, über den Nachrichtendienst WhatsApp Kontakt aufzunehmen. Bei dem darauffolgenden Chat glaubten die beiden fest daran, mit ihrer Tochter in Kontakt zu sein. Auf Frage teilten sie die Zugangsdaten für das von ihnen genutzte Online-Banking mit und gaben schließlich zwei Echtzeitüberweisungen von insgesamt ca. 6.000 Euro über die auf ihrem Handy installierte Photo-Tan-App frei. Bereits wenige Minuten später kamen ihnen doch Bedenken,s ie erreichten ihre Tochter und die Täuschung flog auf. Weniger als 20 Minuten nach der Freigabe der Zahlungen informierten sie telefonisch den Kundenservice ihrer Bank und ließen das Konto sperren. Trotzdem wurden die Beträge zwei Tage später vom Girokonto abgebucht. Es sei nicht mehr möglich gewesen, die Vorgänge zu stoppen, so die Bank. Eine Rückerstattung lehnte sie ab.
Landgericht: Zahlungsvorgang an sich völlig korrekt
Das LG gab der Bank Recht und lehnte die Rückzahlung ab. Die Eheleute hätten ihre Freigabe nicht mehr widerrufen können. Ein Widerruf sei nämlich bei Echtzeit-Überweisungen nur bis zum Zugang der Freigabe bei der Bank möglich. Über das Internet erfolgt der Zugang in Sekundenbruchteilen. Danach könnten sich Bankkunden nur von der Freigabe lösen, wenn die Bank die Täuschung hätte bemerken müssen. Dafür sei im konkreten Fall nichts ersichtlich, der Zahlungsvorgang sei vielmehr völlig korrekt abgelaufen und die Bank sei mittels der im Online-Banking vorgesehenen Login- und Freigabedaten korrekt autorisiert worden. Dass die Abbuchung erst zwei Tage später erfolgt sei, ändere am Ergebnis nichts. Es sei zu unterscheiden zwischen dem Geldausgang, der schon wenige Sekunden nach der Online-Freigabe erfolgt sei, und dem Zeitpunkt der Belastung des Kontos. Im Übrigen habe sich das Paar durch die leichtfertige Weitergabe der Zugangsdaten grob fahrlässig verhalten.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 24.10.2024, 7 O 154/24, PM vom 27.11.2024
| Teilt der Rundfunkkunde eine Änderung der Anschrift nicht mit und ergreift auch keine Maßnahmen, um den Zugang von Post unter einer veralteten Adresse zu verhindern, muss er offene Rundfunkbeiträge zahlen. So entschied es das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |
Das war geschehen
Die Klägerin wird durch den beklagten Südwestrundfunk für ihre Privatwohnung zu Rundfunkbeiträgen herangezogen. Sie bewohnt ein Haus, das ursprünglich über zwei getrennte Wohneinheiten mit Ausgängen zu verschiedenen Straßen (A.-Straße und C.-Weg) verfügte. Bis zum Jahr 2020 war die Klägerin unter der Anschrift A.-Straße gemeldet. Bereits einige Jahre zuvor verschloss sie jedoch den auf diese Straße führenden Hauseingang und entfernte den zugehörigen Briefkasten. Eine Ummeldung (zum C.-Weg) veranlasste sie zunächst nicht. Die Klägerin entrichtete keine Rundfunkbeiträge.
Schließlich setzte der Beklagte mit mehreren Festsetzungsbescheiden die offenen Rundfunkbeiträge gegen die Klägerin fest. Die Bescheide waren an die Anschrift der Klägerin in der A.-Straße adressiert. Erstmals ab Mitte des Jahres 2020 nahm die Klägerin die Zahlung von Rundfunkbeiträgen auf und zeigte dem Beklagten die Anschrift „C.-Weg“ an.
Mit ihrer nach erfolglosem Widerspruchsverfahren gegen die Festsetzungsbescheide gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, die Bescheide seien ihr nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Eine Mahnung habe sie nur durch Zufall erreicht. Seit Jahren empfange sie ihre Post nur noch im C.-Weg. Die geforderten Beiträge seien deshalb verjährt.
So sah es das Verwaltungsgericht
Hiermit hatte sie keinen Erfolg. Die Klägerin sei zur Zahlung der geforderten Rundfunkbeiträge verpflichtet, so das VG. Dabei könne offen bleiben, ob der Klägerin die Bescheide wirksam bekannt gegeben worden seien. Denn sie habe dem Beklagten die Änderung der Anschrift nicht mitgeteilt und noch dazu aktive Maßnahmen ergriffen, um den Zugang von Post unter der A.-Straße zu verhindern. Sie könne sich daher jedenfalls nicht auf die Verjährung der Beiträge berufen. Außerdem seien die Zahlungen, die die Klägerin ab dem Jahr 2020 geleistet habe, nach der insoweit maßgeblichen Satzung des Beklagten jeweils mit der ältesten Rundfunkbeitragsschuld verrechnet worden.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 12.11.2024, 5 K 594/24.KO, PM 21/24
| Ferien sollen eine schöne und unbeschwerte Zeit sein. Doch auch hier kann es zu schlimmen Vorfällen kommen. So ging es einer Familie aus Norddeutschland auf der Insel Wangerooge. Letztlich musste sich das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg damit befassen. |
Unfall beim Kaffeekochen
Beim ersten Frühstück in der Ferienwohnung setzte die Mutter einer sechsjährigen Tochter Kaffee in der Kaffeemaschine auf. Als sie den Kaffee zum Frühstückstisch brachte, löste sich der Henkel und die Kanne kippte nach vorn. Der heiße Kaffee ergoss sich über den Oberköper und die Arme ihrer Tochter. Das Mädchen erlitt schwere Verbrennungen und kam mit einem Hubschrauber ins Krankenhaus nach Wilhelmshaven. Sie trug – voraussichtlich dauerhafte – Narben im Brustbereich davon.
Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld?
Die Tochter verklagte die Vermieterin auf Schmerzensgeld und Schadensersatz, weil die Kaffeekanne schon bei Übernahme der Ferienwohnung kaputt gewesen sei. Das Landgericht (LG) Oldenburg wies die Klage ab. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen als Teil des Mietvertrags sei eine Haftung für einfache Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Es sei aber nicht feststellbar, dass die Kaffeekanne erkennbar nicht mehr vollständig in Ordnung gewesen sei.
Mangel war nicht zu beweisen
Das OLG hat jetzt diese Entscheidung bestätigt. Zwar sei ein umfassender Haftungsausschluss durch Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam. Ein Vermieter hafte grundsätzlich sogar ohne jedes eigene Verschulden, allerdings nur für Mängel, die bereits bei Vertragsschluss vorlägen. Hier sehe das Gesetz eine viel strengere Haftung vor als bei anderen Vertragsformen, etwa beim Kauf- oder beim Werkvertrag. Die Klägerin habe jedoch einen solchen Mangel zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht beweisen können. Der gerichtlich bestellte Sachverständige habe keine Reparaturspuren an der Kanne feststellen können. Es stehe auch nicht fest, dass die Kanne bereits bei Vertragsschluss einen Schaden durch Verschleiß aufgewiesen habe. Ebenso wenig sei bewiesen, dass die Kaffeekanne einen Produktmangel gehabt habe, der zu vorzeitigem Verschleiß geführt habe. Selbst für einen solchen Mangel hätte die Vermieterin einstehen müssen.
Verschulden nicht ersichtlich
Die Vermieterin treffe auch keine Haftung wegen eines möglichen Verschuldens. Es sei nicht mehr aufzuklären, in wessen Verantwortungsbereich die Schadensursache liege. Die Glaskanne sei zunächst noch funktionstüchtig gewesen, als die Mutter der Klägerin damit das kalte Wasser in die Maschine gefüllt habe. Der Bruch sei also erst danach erfolgt. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Vermieterin etwaige Vorschäden hätten auffallen müssen. Sie hätte die Kanne auch nicht auf versteckte Schäden untersuchen müssen.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 25.11.2024, 9 U 40/23, PM 36/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden hat eine Klage abgewiesen, mit der der Kläger die Ausstellung eines Personalausweises ohne Speicherung der Fingerabdrücke auf dessen elektronischem Speichermedium (sog. „Chip“) begehrte. |
Pflicht aufgrund europäischer Verordnung
Die Pflicht zur Speicherung von Fingerabdrücken bei Ausweisen beruht auf der europäischen Verordnung (hier: (EU) 2019/1157 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019) zur Erhöhung der Sicherheit der Personalausweise von Unionsbürgern und der Aufenthaltsdokumente, die Unionsbürgern und deren Familienangehörigen ausgestellt werden, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben. Der Kläger trug vor, dass hierdurch seine Grundrechte auf Schutz des Privatlebens nach der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Art. 7 GRCh) und auf Schutz personenbezogener Daten (Art. 8GRCh) verletzt würden.
So sah es der Europäische Gerichtshof
Das VG hatte das Verfahren zunächst ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in einem Vorabentscheidungsverfahren die Frage vorgelegt, ob die Pflicht zur Aufnahme von Fingerabdrücken in Personalausweisen mit höherrangigem Unionsrecht vereinbar ist. Der EuGH hatte entschieden, dass die Verordnung wegen der Durchführung eines ungeeigneten Gesetzgebungsverfahrens ungültig sei. Die Wirkungen der Verordnung würden jedoch aufrechterhalten bleiben, bis innerhalb einer angemessenen Frist, die zwei Jahre ab dem 1.1.2025 nicht überschreiten dürfe, eine neue, im korrekten Gesetzgebungsverfahren erlassene Verordnung in Kraft trete, die sie ersetzt. In materieller Hinsicht verstoße die Einschränkung der in Art. 7 und Art. 8 GRCh garantierten Rechte nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sodass die Verordnung nicht aus diesem Grund ungültig sei.
So entschied das Verwaltungsgericht
Die Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken sei rechtmäßig, so das VG, und verletze den Kläger deshalb auch nicht in seinen Rechten. Das VG sei an das Urteil des EuGH gebunden, insbesondere bezüglich der Ausführungen zur materiellen Rechtmäßigkeit. Auch im Hinblick auf die im konkreten Verfahren vorliegende Frage der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken durch die Landeshauptstadt Wiesbaden sei keine andere Beurteilung geboten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei auch im konkreten Fall gewahrt. In der Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken durch die Beklagte liege kein Verstoß gegen Grundrechte.
Auch habe das VG für die Entscheidung über den vorliegenden Fall nicht den Fristablauf der Fortgeltung der o. g. Verordnung oder den Erlass einer neuen Verordnung abwarten müssen. Angesichts der Entscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren sei die Sache entscheidungsreif. Der EuGH habe ausdrücklich entschieden, dass die Wirkungen der Verordnung aufrechterhalten blieben, weshalb im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein Anspruch des Klägers auf Ausstellung eines Personalausweises ohne Speicherung von Fingerabdrücken bestehe. Die Frage, ob sich ein solcher Anspruch möglicherweise in der Zukunft infolge einer Änderung der Rechtslage ergeben könnte, sei im vorliegenden Verfahren nicht von Relevanz.
Quelle | VG Wiesbaden, Urteil vom 18.12.2024, 6 K 1563/21.WI, PM 9/24
| Leistungen eines Wohnungseigentümers in die Erhaltungsrücklage einer Wohnungseigentümergemeinschaft (z. B. im Rahmen der monatlichen Hausgeldzahlungen) sind steuerlich im Zeitpunkt der Einzahlung noch nicht abziehbar. Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung liegen erst vor, wenn aus der Rücklage Mittel zur Zahlung von Erhaltungsaufwendungen entnommen werden. Damit hat der Bundesfinanzhof (BFH) die bisherige Sichtweise bestätigt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar vermietete mehrere Eigentumswohnungen. Das an die jeweilige Wohnungseigentümergemeinschaft gezahlte Hausgeld wurde zum Teil der gesetzlich vorgesehenen Erhaltungsrücklage zugeführt. Insoweit erkannte das Finanzamt keine Werbungskosten an. Der Abzug könne erst in dem Jahr erfolgen, in dem die zurückgelegten Mittel für die tatsächlich angefallenen Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum verbraucht würden. Das Finanzgericht (FG) Nürnberg wies die Klage ab – und auch die Revision beim BFH blieb erfolglos.
Hausgeld war zwar erbracht …
Der Werbungskostenabzug erfordert einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Vermietungstätigkeit und den Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Die Eheleute hatten den der Erhaltungsrücklage zugeführten Teil des Hausgelds zwar erbracht und konnten hierauf nicht mehr zurückgreifen, da das Geld ausschließlich der Wohnungseigentümergemeinschaft gehört.
… aber noch nicht verausgabt
Auslösender Moment für die Zahlung war aber nicht die Vermietung, sondern die rechtliche Pflicht jedes Wohnungseigentümers, am Aufbau und an der Aufrechterhaltung einer angemessenen Rücklage für die Erhaltung des Gemeinschaftseigentums mitzuwirken. Ein Zusammenhang zur Vermietung entsteht erst, wenn die Gemeinschaft die angesammelten Mittel für Erhaltungsmaßnahmen verausgabt. Erst dann kommen sie der Immobilie zugute.
Beachten Sie | Durch die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) im Jahr 2020 wurde der Wohnungseigentümergemeinschaft die volle Rechtsfähigkeit zuerkannt. Der Hoffnung, dass die Zahlung in die Erhaltungsrücklage deshalb sofort im Zahlungsjahr abzugsfähig ist, hat der BFH ausdrücklich eine Absage erteilt.
Quelle | BFH, Urteil vom 14.1.2025, IX R 19/24
| Das Gericht darf einen Zuschlag zum Mietspiegel vornehmen, um eine sachgerechte Einzelvergleichsmiete zu bilden. Voraussetzung: Zwischen dem Erhebungsstichtag des Mietspiegels und dem Zeitpunkt, an dem das Zustimmungsverlangen zugestellt wurde, werden außergewöhnliche Steigerungen der ortsüblichen Vergleichsmiete festgestellt. Eine solche liegt aber nicht vor, wenn der Verbraucherpreisindex ansteigt. So sieht es das Landgericht (LG) München. |
Der Vermieter begehrte die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Er wollte u. a. einen sog. Stichtagszuschlag auf die von ihm ermittelte Vergleichsmiete addieren. Der Verbraucherpreisindex habe sich im Zeitraum zwischen Januar 2022 (als dem maßgeblichen Zeitpunkt der Erhebung der Daten für den qualifizierten Mietspiegel 2023) und Juni 2023 (Zugang des Mieterhöhungsverlangens) aufgrund einer ungewöhnlichen Steigerung der Mieten von rund 3% erhöht.
Das LG: Ein Stichtagszuschlag komme nicht in Betracht. Die Mieterhöhung könne nicht auf den qualifizierten Mietspiegel und ergänzend auf einen Anstieg des Verbraucherpreisindex gestützt werden. Ein Anstieg gemäß Index für Nettokaltmieten von nur wenig mehr als 3 % sei nicht außergewöhnlich hoch. Die Einführung einer „Stichtagspraxis“ würde zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen, die die sog. Befriedungsfunktion des Mietspiegels gefährden könne.
Quelle | LG München I, Urteil vom 17.7.2024, 14 S 3692/24
| Hat der Vermieter Ersatzansprüche wegen des Zustands der Mietsache bei Rückgabe, muss er sich bei unwirksamer Schönheitsreparaturklausel die Kosten anrechnen lassen, die er mangels eigener Renovierungsarbeiten erspart hat. So hat es das Amtsgericht (AG) Hanau entschieden. |
Vermieter verlangte Kostenersatz für Tapezier- und Streicharbeiten
Das Mietverhältnis zwischen den Parteien lief über 13 Jahre, der Vertrag enthielt eine Klausel hinsichtlich der durch den Mieter durchzuführenden Schönheitsreparaturen. Nach Wohnungsrückgabe führte der Vermieter Tapezier- und Streicharbeiten durch. Die Kosten verlangte er von dem Mieter ersetzt. Denn dieser habe sie mit bunten Farben (gelb, grün und rosa) zurückgegeben, was eine Weitervermietung nicht ermögliche. Zudem habe es viele nicht verschlossene Dübellöcher gegeben.
Klage abgewiesen
Das AG hat entschieden: Der Vermieter kann Streich- und Tapezierarbeiten in der Wohnung nicht ersetzt verlangen, weil er selbst zur Durchführung der Schönheitsreparaturen verpflichtet war. Es hat die Klage des Vermieters daher abgewiesen.
Worauf es ankommt und worauf nicht
Darauf, ob der Mieter dem Vermieter die Kosten für die Streich- und Tapezierarbeiten erstatten muss, komme es nicht an. Denn der Vermieter hätte während der gesamten Laufzeit des Mietvertrags die Schönheitsreparaturen in der Wohnung durchführen müssen. Die Klausel, nach der der Mieter hierzu verpflichtet wurde, war unwirksam, weil sie zu kurze Fristen setze. Außerdem sollte der Mieter nach einer anderen Klausel die Wohnung auch bei Einzug streichen, was ebenfalls zur Unwirksamkeit der laufenden Renovierungspflicht führe. Daher musste stattdessen, wie auch an sich vom Gesetz vorgesehen, der Vermieter renovieren. Hätte er das getan, wären ihm aber Kosten entstanden. Diese nicht aufgewendeten Kosten müsse er von seinen Schadenersatzansprüchen abziehen.
Für die Bestimmung der ersparten Kosten hat das Gericht auf die Pauschalbeträge nach der Zweiten Berechnungsverordnung (hier: § 28 Abs. 4 II. BerechnungsVO) in der jeweiligen Höhe zurückgegriffen. Auch wenn diese hier keine unmittelbare Anwendung finden, lägen ihnen offiziell anerkannte Durchschnittswerte zugrunde. Bei über 13 Jahren Mietlaufzeit überstiegen sie die von dem Vermieter geltend gemachten Kosten um mehr als das Dreifache.
Quelle | AG Hanau, Urteil vom 29.11.2024, 32 C 265/23, PM vom 16.12.2024
| Ein rechtlich beachtlicher Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses liegt nur vor, wenn sich der Anfechtende in einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses befunden hat, dagegen nicht, wenn lediglich falsche Vorstellungen von dem Wert der einzelnen Nachlassgegenstände vorgelegen haben. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken. |
Erblasserin verstarb ohne Testament
Die Erblasserin ist im Alter von 106 Jahren ohne Testament verstorben. Zuvor lebte sie seit längeren Jahren in einem Seniorenheim. Die Heim- und Pflegekosten wurden aus Mitteln der Kriegsopferfürsorgestelle bestritten. Diese Leistungen wurden als Darlehen gewährt und durch eine Grundschuld an einem Haus der Erblasserin abgesichert. Der Ehemann der Erblasserin, ihre beiden Kinder und auch ein Enkelkind waren bereits vorverstorben. Gesetzliche Erben waren die Enkel und Urenkel der Erblasserin.
Nach dem Tod der Erblasserin hat u. a. die in gesetzlicher Erbfolge zur Erbin berufene Enkelin das Erbe ausgeschlagen und dabei angegeben, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Zwei Urenkel der Erblasserin haben das Erbe dagegen nicht ausgeschlagen. In der Folge wurde das Haus der Erblasserin unter Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Nachlasspflegerin an Dritte verkauft. Nach dem Verkauf des Hauses hat die Enkelin ihre Erklärung zur Erbausschlagung sodann wegen Irrtums angefochten. Danach hat sie die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der u. a. sie als Erbin zu 1/4 Anteil ausweisen sollte.
Das Nachlassgericht hat entschieden, dass der Erbschein wegen der angefochtenen Erbausschlagungserklärung der Enkelin, wie von ihr beantragt, erteilt werden müsse. Gegen diesen Beschluss wendete sich einer der Urenkel, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte, mit seiner Beschwerde.
Erbscheinsantrag war zurückzuweisen
Auf die Beschwerde hat das OLG entschieden: Der Erbscheinsantrag der Enkelin war zurückzuweisen, da der von ihr beantragte Erbschein die eingetretene Erbfolge falsch wiedergebe. Die Enkelin sei keine Erbin geworden, da sie die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und sie die Ausschlagungserklärung wegen Irrtums auch nicht wirksam anfechten könne. Soweit sie ihren Irrtum damit begründet habe, ihr sei erst im Nachhinein bekannt geworden, dass zum Nachlass ein Bankkonto bei der Kreissparkasse K. mit einem vierstelligen Guthaben gehöre, läge zwar ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses vor.
Irrtum nicht ursächlich für Ausschlagung
Dieser Irrtum hätte aber nicht ihre Ausschlagung der Erbschaft veranlasst. Denn selbst, wenn ihr das Konto bei der Kreissparkasse Köln bekannt gewesen wäre, hätte dies mangels wirtschaftlichem Gewicht des dortigen Guthabenbetrags gegenüber den restlichen Nachlasspositionen nichts an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses geändert. Soweit sich die Enkelin darauf berufe, dass sie darüber geirrt habe, dass der Erlös aus dem Verkauf des Hauses der Erblasserin die Verbindlichkeiten aus dem mit der Grundschuld abgesicherten Darlehen für die Heim- und Pflegekosten der Kriegsopferfürsorgestelle übersteige, liege kein Irrtum vor, der zur Anfechtung berechtige. Dieser Irrtum beruhe lediglich auf der falschen Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht über dessen Zusammensetzung.
Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14.8.2024, 8 W 102/23, PM vom 10.12.2024
| Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat entschieden: Erben können vollen Zugriff auf das Instagram-Konto des Erblassers bekommen. Das beinhaltet dessen aktive Nutzungsmöglichkeit. |
Die Ehefrau und alleinige Erbin eines bekannten Sängers hatte geklagt. Hintergrund: Nachdem der Konzern Meta, zu dem die Social-Media-Plattform Instagram gehört, Kenntnis vom Tod des Sängers erlangte, versetzte das Unternehmen den Instagram-Account in den sog. Gedenkzustand. Bemühungen der Ehefrau, vollen Zugriff auf das Konto wiederzuerlangen, waren ergebnislos. Das OLG: Die Frau ist als Erbin in das Vertragsverhältnis ihres Mannes mit Meta im Wege der sog. Gesamtrechtsnachfolge eingetreten. Das habe schon der Bundesgerichtshof (BGH) so entschieden. Danach ist der Anspruch auf Zugang zu einem Social-Media-Konto grundsätzlich vererbbar. Mit der Erbenstellung sei die Ehefrau in sämtliche Rechte und Pflichten des Erblassers eingetreten, was neben einem passiven Anspruch auf (nur) lesende Nutzung auch einen Anspruch auf aktive Nutzung umfasse.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 30.12.2024, 13 U 116/23
| Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat die Klage eines im Nebenerwerb tätigen Landwirts auf Erteilung einer Baugenehmigung für einen bereits errichten „Portalrahmen“ im Außenbereich abgewiesen. |
Landwirt hatte Bauwerk schon errichtet
Der „Portalrahmen“ besteht aus zwei Sandsteinsäulen (je 3,53 Meter hoch), an denen ein schmiedeeisernes doppelflügeliges Einfahrtstor befestigt ist. Auf den Säulen befindet sich jeweils eine Metallskulptur. Die Säulen sind mit zwei Einzelfundamenten im Boden verankert. Das gesamte Bauwerk ist fünf Meter breit. Den Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung lehnte der Landkreis ab. Bei dem „Portalrahmen“ handele es sich nicht um ein im Außenbereich bevorrechtigt zulässiges Vorhaben.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagte der Landwirt und trug hierzu vor, das Vorhaben sei bereits deshalb genehmigungsfrei, weil es seinem landwirtschaftlichen Betrieb diene. Das Tor gewährleiste den Zugang und die Zufahrt zu dem von ihm bewirtschafteten Grundstück. Es füge sich auch optisch in die Umgebung ein.
Klage ohne Erfolg
Das sah das VG anders: Der „Portalrahmen“ sei im Außenbereich nicht bevorrechtigt zulässig, weil er dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers nicht diene. Er sei optisch auffallend und solle offensichtlich die Kunden des Klägers beeindrucken. Ein vernünftiger Landwirt würde unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs kein solches Bauwerk zur Einfriedung errichten. Der Kläger könne sich überdies nicht mit Erfolg darauf berufen, er führe einen „Adelshof“. Eine Bevorzugung aufgrund der Abstammung widerspreche dem allgemeinen Gleichheitssatz. Der „Portalrahmen“ beeinträchtige zudem die natürliche Eigenart der Landschaft. Das Vorhabengrundstück liege in einem Naturpark, dessen landschaftliche Eigenart zu bewahren sei.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 31.10.2024, 4 K 282/24.KO, PM 22/24
| Die Eigentümerin eines Wohnhauses hat ebenso, wie die Eigentümerin eines Baudenkmals, einen Anspruch auf eine denkmalrechtliche Erlaubnis für die Installation von Solaranlagen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster in zwei Grundsatzurteilen zum nordrhein-westfälischen Denkmalrecht entschieden. Es hat darauf verwiesen, dass bei der Errichtung von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden regelmäßig das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien die Belange des Denkmalschutzes überwiegt. |
Eigentümerin eines Einfamilienhauses
Die Eigentümerin eines Einfamilienhauses in einer Siedlung in Düsseldorf, für die eine Denkmalbereichssatzung gilt, möchte auf einer aus dem Straßenraum teilweise einsehbaren Dachfläche ihres Hauses eine Solaranlage errichten. Die Stadt Düsseldorf lehnte es ab, die dafür nach dem Denkmalschutzgesetz NRW erforderliche Erlaubnis zu erteilen. Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf verpflichtete die Stadt auf die Klage der Eigentümerin, die Genehmigung zu erteilen.
Eigentümerin eines Baudenkmals
Demgegenüber bestätigte das VG Arnsberg in dem zweiten Fall die Entscheidung der Stadt Siegen, die der Klägerin eine denkmalrechtliche Erlaubnis für eine Solaranlage auf der weithin sichtbaren Dachfläche versagt hatte. Hierbei geht es um ein Wohngebäude, das als ehemalige Schule als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt Siegen eingetragen ist.
So sah es das Oberverwaltungsgericht
In beiden Fällen waren Solarmodule in einer denkmalschonenden Ausgestaltung gewählt worden. Nach der Entscheidung des OVG können nun beide Denkmaleigentümer die denkmalrechtliche Erlaubnis beanspruchen.
Offentliches Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien versus Denkmalschutz
Das OVG: Das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien überwiegt in beiden Fällen die Belange des Denkmalschutzes. Nach einer im Juli 2022 in Kraft getretenen Regelung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sollen, bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausneutral ist, die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Diese Vorgabe, für die dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz zukommt, beeinflusst auch das nordrhein-westfälische Denkmalschutzrecht. In die – weiterhin erforderliche – Abwägung zwischen den denkmalschutzrechtlichen Belangen und dem Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien sind letztere als regelmäßig vorrangiger Belang einzustellen. Nur, wenn besondere Umstände des Denkmalschutzes der Errichtung von Solaranlagen entgegenstehen, darf die Erteilung der denkmalrechtlichen Erlaubnis ausnahmsweise versagt werden.
Bei der Prüfung, ob solche besonderen Umstände vorliegen, kommt es auf die Gründe an, aus denen die denkmalrechtliche Unterschutzstellung erfolgt ist.
Wohnhaus: keine wesentlichen optischen Nachteile
In dem Düsseldorfer Fall wird durch die beantragte Solaranlage auf der straßenabgewandten Dachfläche nicht in einem Maß in das denkmalwerte einheitliche äußere Erscheinungsbild der Siedlung eingegriffen, dass ausnahmsweise die Erlaubnis zu versagen wäre. Dass die Solaranlage aus dem öffentlichen Straßenraum sichtbar ist, reicht dafür grundsätzlich nicht aus. Hier sind die in die bestehende Dachstruktur eingefügten und in der Farbe angepassten Solarpaneele zudem nur am Rande, in zweiter Reihe und nur in Teilausschnitten wahrnehmbar. Die betroffene Dachfläche liegt auch nicht in einer der von der Satzung geschützten Sichtachsen und beeinträchtigt die rheinseitige Silhouette der Siedlung nicht.
Ehemalige Schule: Erscheinungsbild des Baukörpers nicht wesentlich geändert
Bei der ehemaligen Schule in Siegen werden die denkmalwertbegründenden Eigenschaften des Gebäudes durch die Solaranlage schon nicht beeinträchtigt. Für die Eintragung als Baudenkmal hat zwar der vorhandene Dachreiter, nicht aber die Dachfläche und ihre Gestaltung eine Rolle gespielt. In das geschützte Erscheinungsbild des Baukörpers als Kapellenschule wird durch die Solaranlage nicht eingegriffen. Ein Ausnahmefall, in dem der Denkmalschutz überwiegt, wäre bei dem konkreten Vorhaben selbst dann nicht gegeben, wenn die Schieferdachfläche als auch denkmalwertbegründend angesehen würde.
Quelle | OVG Münster, Urteile vom 27.11.2024, 10 A 2281/23 und 10 A 1477/23, PM vom 27.11.2024
| Will eine Auftraggeberin nicht von einer weiblichen Mitarbeiterin, sondern von einem Mann betreut werden, können schnell Entschädigungsforderungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Raum stehen – so wie in einem Fall des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg. |
Inhaber des Architekturbüros blieb passiv
Im Fall des LAG hatte der Inhaber des Architekturbüros nicht einmal versucht, die Auftraggeberin umzustimmen. Er unternahm auch keinen Versuch, sie von der hohen Qualität seiner Mitarbeiterin zu überzeugen.
Unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nur wenn diese „geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen“ nicht gefruchtet hätten, hätte eine eigene benachteiligende Handlung des Büros ausgeschlossen werden können.
Der Arbeitgeber musste der Mitarbeiterin schließlich 1.500 Euro Schadenersatz zahlen.
Quelle | LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.2024, 10 Sa 13/24
| Eine tarifvertragliche Regelung, die unabhängig von der individuellen Arbeitszeit für Überstundenzuschläge das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten voraussetzt, behandelt teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wegen der Teilzeit schlechter als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte. Sie verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter, wenn die in ihr liegende Ungleichbehandlung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Fehlen solche sachlichen Gründe, liegt regelmäßig zugleich eine gegen Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (hier: § 7 Abs. 1 AGG) verstoßende mittelbare Benachteiligung wegen des (weiblichen) Geschlechts vor, wenn innerhalb der betroffenen Gruppe der Teilzeitbeschäftigten erheblich mehr Frauen als Männer vertreten sind. |
Das war geschehen
Der Beklagte ist ein ambulanter Dialyseanbieter mit mehr als 5.000 Arbeitnehmern. Die Klägerin ist bei ihm als Pflegekraft in Teilzeit im Umfang von 40 v. H. eines Vollzeitbeschäftigten tätig. Auf das Arbeitsverhältnis ist aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme der zwischen dem Beklagten und der Gewerkschaft Verdi geschlossene Manteltarifvertrag (MTV) anzuwenden. Nach § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV sind mit einem Zuschlag von 30 v. H. Überstunden zuschlagspflichtig, die über die monatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden und im jeweiligen Kalendermonat nicht durch Freizeitgewährung ausgeglichen werden können. Alternativ zu einer Auszahlung des Zuschlags ist eine entsprechende Zeitgutschrift im Arbeitszeitkonto vorgesehen. Das Arbeitszeitkonto der Klägerin wies Ende März 2018 ein Arbeitszeitguthaben von 129 Stunden und 24 Minuten aus. Der Beklagte hat der Klägerin für diese Zeiten in Anwendung von § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV weder Überstundenzuschläge gezahlt, noch im Arbeitszeitkonto eine Zeitgutschrift vorgenommen.
Das verlangte die Klägerin
Mit ihrer Klage hat die Klägerin verlangt, ihrem Arbeitszeitkonto als Überstundenzuschläge weitere 38 Stunden und 39 Minuten gutzuschreiben und eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe eines Vierteljahresverdienstes begehrt. Die Anwendung von § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV benachteilige sie wegen ihrer Teilzeit unzulässig gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten. Zugleich werde sie wegen ihres Geschlechts mittelbar benachteiligt, denn der Beklagte beschäftige überwiegend Frauen in Teilzeit.
So sahen es die Vorinstanzen
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift zuerkannt und hinsichtlich der begehrten Entschädigung die Klageabweisung bestätigt.
So entschied das Bundesarbeitsgericht
Die Revision der Klägerin hatte vor dem BAG teilweise Erfolg. Das BAG hat der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift – in Übereinstimmung mit dem LAG – zugesprochen und ihr darüber hinaus eine Entschädigung in Höhe von. 250 Euro zuerkannt. Das OLG musste (aufgrund europarechtlicher Rechtsprechung) davon ausgehen, dass § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV insoweit wegen Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten unwirksam ist, als er bei Teilzeitbeschäftigung keine der Teilzeitquote entsprechende anteilige Absenkung der Grenze für die Gewährung eines Überstundenzuschlags vorsieht.
Bundesarbeitsgericht: Entschädigung zugesprochen
Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung konnte das BAG nicht erkennen. Die sich aus dem Verstoß gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz (hier: § 4 Abs. 1 TzBfG) ergebende Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Überstundenzuschlagsregelung führt zu einem Anspruch der Klägerin auf die eingeklagte weitere Zeitgutschrift. Daneben war ihr eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zuzuerkennen.
Durch die Anwendung der tarifvertraglichen Regelung hat die Klägerin auch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts erfahren. In der Gruppe der beim Beklagten in Teilzeit Beschäftigten, die dem persönlichen Anwendungsbereich des MTV unterfallen, sind zu mehr als 90 Prozent Frauen vertreten.
Als Entschädigung war ein Betrag in Höhe von 250 Euro festzusetzen. Dieser ist erforderlich, aber auch ausreichend, um einerseits den der Klägerin durch die mittelbare Geschlechtsbenachteiligung entstandenen immateriellen Schaden auszugleichen und andererseits gegenüber dem Beklagten die gebotene abschreckende Wirkung zu entfalten.
Quelle | BAG, Urteil vom 5.12.2024, 8 AZR 370/20, PM 34/24
| Strafrechtlich eingezogene Bestechungsgelder führen umsatzsteuerrechtlich dazu, dass die Bemessungsgrundlage der in strafrechtlicher Hinsicht betroffenen Umsätze auf den um die eingezogenen Bestechungsgelder geminderten Betrag zu reduzieren ist. Das hat der Bundesfinanzhof (BFG) entschieden. |
Das war geschehen
Ein Diplom-Ingenieur hatte nachhaltig und ohne Anweisung seines jeweiligen Vorgesetzten bzw. Arbeitgebers für Auftragserteilungen von beauftragten Unternehmen kostenlose Leistungen, überwiegend für den privaten Hausbau, erhalten.
Dafür wurde er wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zusätzlich wurden die Bestechungsgelder auf gerichtliche Anordnung nach dem Strafgesetzbuch (hier: §§ 73 ff. StGB) eingezogen.
Das Finanzamt behandelte die „Schmiergeldzahlungen“ bzw. die Zuwendungen durch die beauftragten Unternehmen als Entgelte für steuerpflichtige Leistungen und unterwarf sie der Umsatzsteuer. Die vom Diplom-Ingenieur geleisteten Zahlungen an die Landesjustizkasse hinsichtlich der eingezogenen Bestechungsgelder minderten nach Ansicht des Finanzamts nicht die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer. Dies sah der BFH anders.
Eingezogene Bestechungsgelder nicht mehr zu versteuern
Zwar sind die Bestechungsgelder – obgleich es sich um illegale Zahlungen handelt – neben den sonstigen, dem Steuerpflichtigen für seine Dienstleistungen gewährten Entgelten umsatzsteuerrelevant. Jedoch mindern die eingezogenen Beträge die steuerliche Bemessungsgrundlage.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist eine Verminderung in diesen Fällen geboten, da ansonsten der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt wäre. Denn es käme zu einer unzulässigen Doppelbelastung des Täters:
- Zum einen würde der durch die strafbare Handlung erlangte wirtschaftliche Vorteil durch die strafrechtliche Einziehung der Bestechungsgelder abgeschöpft.
- Zum anderen würden die Bestechungsgelder im selben Umfang der Umsatzsteuer unterworfen.
Dabei spielt es keine Rolle, dass der strafrechtlich eingezogene Betrag in der Staatskasse verbleibt und nicht an den leistenden Unternehmer zurückgezahlt wird.
Beachten Sie | Auch eines Verweises auf das Billigkeitsverfahren, dessen Zulässigkeit im Umsatzsteuerrecht ohnehin unionsrechtlich zweifelhaft ist, bedarf es nach Ansicht des BFH nicht.
Quelle | BFH, Urteil vom 25.9.2024, XI R 6/23, PM 8/25 vom 20.2.2025
| In einem Streitfall ging es um die Zulässigkeit des Wechsels der Gewinnermittlungsart. Dabei entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass der Steuerpflichtige im Streitjahr die Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nicht mehr erfüllte, weil er durch die Aufstellung des Jahresabschlusses sein Wahlrecht bereits ausgeübt hatte und daran gebunden war. |
Hintergrund: Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (= Bilanzierung) ist der gesetzessystematische Regelfall. Die Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung kommt nur bei Erfüllung der im Gesetz bestimmten Voraussetzungen in Betracht.
Tatsächlich ausgeübte Gewinnermittlungsart maßgeblich
Maßgeblich für die Ausübung des Wahlrechts der Gewinnermittlungsart ist die tatsächliche Handhabung der Gewinnermittlung. Ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger hat sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich wirksam ausgeübt, wenn er eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine kaufmännische Buchführung einrichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht.
Die Einnahmen-Überschuss-Rechnung bzw. der Betriebsvermögensvergleich ist in dem Zeitpunkt erstellt, in dem der Steuerpflichtige sie bzw. ihn fertiggestellt hat und objektiv erkennbar als endgültig ansieht. Beweisanzeichen dafür kann sein, dass er die Gewinnermittlung durch Übersendung an das Finanzamt in den Rechtsverkehr begibt. Nach der Erstellung des Jahresabschlusses kommt die Wahl der Einnahmen-Überschuss-Rechnung somit grundsätzlich nicht mehr in Betracht.
Einmal getroffene Wahl nur in Ausnahmefällen änderbar
Die einmal getroffene Wahl der Gewinnermittlungsart ist grundsätzlich nachträglich nicht mehr änderbar. In Ausnahmefällen hat die Rechtsprechung jedoch einen solchen Wechsel zugelassen und dabei an die Grundsätze angeknüpft, die für den Wechsel der Gewinnermittlungsart in aufeinanderfolgenden Jahren gelten.
Beachten Sie | Im Streitfall war dem Steuerpflichtigen die Änderung der Wahlrechtsausübung jedoch nicht mehr möglich. Denn er hatte keinen vernünftigen wirtschaftlichen Grund dargelegt, der es rechtfertigen könnte, die gewählte Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich für dasselbe Jahr wieder zu ändern.
Allein der Umstand, dass er durch den Wechsel zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung eine Gewinnerhöhung infolge der Außenprüfung „glätten“ wollte, reicht hierfür nicht aus. Denn damit haben sich nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse geändert. Der Steuerpflichtige war vielmehr einem Irrtum über die steuerlichen Folgen der gewählten Gewinnermittlungsart unterlegen, der die Änderungsmöglichkeit nicht eröffnet.
Quelle | BFH, Urteil vom 27.11.2024, X R 1/23
| Eine gegen die auszahlende Bank gerichtete Schadenersatzklage eines 84-jährigen Mannes, der infolge eines Trickbetrugs 83.000 Euro an Unbekannte gezahlt hatte, blieb erfolglos. Warn- und Hinweispflichten der Geldinstitute bestehen nur bei einem massiven Verdacht auf eine Vermögensgefährdung des Kunden. Eine solche vorwerfbare Pflichtverletzung konnte das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth in einem bemerkenswerten Fall nicht feststellen. |
Hätte Bank Geld nicht auszahlen dürfen?
Der Kläger hatte am Schalter in einer Bankfiliale in Nürnberg innerhalb von 1 ½ Stunden zweimal Bargeld von seinem Konto abgehoben, insgesamt 83.000 Euro. Er begründete seine Schadenersatzklage gegen die Bank damit, dass diese durch Auszahlung des Geldes trotz offenkundiger Anhaltspunkte für einen Enkeltrick-Betrug gegen ihre vertraglichen Schutz- und Warnpflichten verstoßen habe. Die Bank hatte im Zivilprozess vorgebracht, dass ihre Mitarbeiter bezüglich des sog. Enkeltricks geschult seien und den Kläger entsprechend angesprochen hätten, der ruhig gewirkt und plausible Erklärungen abgegeben habe.
Kein massiver Verdacht
Das LG hat die Klage in erster Instanz abgewiesen. Es führte aus: Eine Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank ist nur ausnahmsweise bei Vorliegen objektiver massiver Verdachtsmomente anzunehmen. Einen massiven Verdacht auf einen drohenden Schaden beim Kläger konnte das LG hier aber nicht feststellen.
Es war nach Einvernahme der Bankangestellten als Zeugin davon überzeugt, dass der Kläger sachlich, ruhig und unauffällig in der Bank auftrat. Weder aus dem Alter des Klägers und der Höhe des Bargeldbetrags noch aus dem Umstand, dass erst eine Übertragung von dem Sparkonto auf das Girokonto erfolgte, drängte sich der Verdacht einer Straftat auf. Bei beiden Barabhebungen hatte die Bankangestellte beim Kläger mehrfach nachfragt, ob ihm der sogenannte Enkeltrick bekannt sei, was dieser bejahte und damit entkräftete, dass er direkt mit seiner Enkeltochter gesprochen habe. Eine weitere Nachfragepflicht war von den Mitarbeitern der Bank nicht zu verlangen, so das LG.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Gegen das klageabweisende Urteil des LG hatte der Kläger Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg eingelegt. Auch das OLG verneinte eine Verletzung von Warn- und Hinweispflichten der Beklagten, gerade, nachdem die Möglichkeit eines Enkeltricks von der Bankangestellten angesprochen worden war. Die Bank ist vertraglich zur Auszahlung des Kontoguthabens verpflichtet und der Kunde hat über die Verwendung der ihm zustehenden Beträge keine Rechenschaft abzulegen, führte das OLG ergänzend aus.
Auf den Hinweis des OLG zur Erfolgslosigkeit der Berufung hat der Kläger sein Rechtsmittel zurückgenommen. Das Urteil des LG ist damit rechtskräftig.
Die Strafbarkeit der Trickbetrüger und etwaige zivilrechtliche Ansprüche gegen diese Personen waren nicht Gegenstand des Verfahrens.
Quelle | LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 22.7.2022, 10 O 1384/22; OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 18.11.2024, 14 U 2275/22, PM 5/25
| Aufwendungen für Krankheitskosten sind nur als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn gewisse Nachweiserfordernisse erfüllt sind. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat dargelegt, wie der Nachweis ab dem Veranlagungszeitraum 2024 zu führen ist. |
Hintergrund: Krankheitskosten können als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sein.
Ein besonderes Augenmerk muss dabei auf den Nachweis der Zwangsläufigkeit gelegt werden:
- Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel genügt es, wenn der Steuerpflichtige eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers vorlegt. Dies regelt § 64 Abs. 1 Nr. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV).
- Bei bestimmten Krankheitskosten ist indes ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erforderlich. Ein solcher qualifizierter Nachweis ist z. B. bei Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, z. B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, erforderlich (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV).
Sind Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungeinzustufen, wartet die Hürde der zumutbaren Belastung, deren Höhe von folgendenFaktoren abhängt:
- Gesamtbetrag der Einkünfte
- Familienstand und
- Zahl der Kinder.
Erläuterungen des Bundesfinanzministeriums
Der Nachweis der Zwangsläufigkeit nach der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (hier: § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV) ist bei einem eingelösten E-Rezept durch den Kassenbeleg der Apotheke bzw. durch die Rechnung der Online-Apotheke oder bei Versicherten mit einer privaten Krankenversicherung alternativ durch den Kostenbeleg der Apotheke zu erbringen.
Der Kassenbeleg (alternativ: die Rechnung der Online-Apotheke) muss folgende Angaben enthalten:
- Name der steuerpflichtigen Person,
- Art der Leistung (zum Beispiel Name des Arzneimittels),
- Betrag bzw. Zuzahlungsbetrag,
- Art des Rezeptes.
Beachten Sie | Zumindest für den Veranlagungszeitraum 2024 wird es vom BMF nicht beanstandet, wenn der Name der steuerpflichtigen Person nicht auf dem Kassenbeleg vermerkt ist.
Quelle | BMF-Schreiben vom 26.11.2024, IV C 3 - S2284/20/10002 :005
| Nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 6 Abs. 1 Nr. 1 a desEStG) werden Aufwendungen in Herstellungskosten umqualifiziert, wenn innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung des Gebäudes Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden, deren Nettoaufwendungen 15 % der Gebäude-Anschaffungskosten übersteigen. Die Aufwendungen sind dann nicht sofort, sondern nur über die Gebäude-Abschreibung abzugsfähig. Bei einer Eigentumswohnung sind zwei Besonderheiten zu beachten, worauf das Finanzgericht (FG) Hessen hingewiesen hat. |
Hintergrund: Maßgebend sind die Anschaffungskosten und Anschaffungsnebenkosten der angeschafften Wohnung und nicht der Wert des Gesamtgebäudes. Bei Teil- und Wohnungseigentum ist danach die einzelne Einheit und nicht das Gesamtgebäude relevant.
Abzustellen ist auf die innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung der Wohnung angefallenen Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen des vermietenden Eigentümers einschließlich seiner anteiligen Aufwendungen für Arbeiten an den im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudeteilen.
Beispiel
A erwirbt mit Wirkung zum 1.11.2023 eine Eigentumswohnung. Die Anschaffungskosten betragen insgesamt 300.000 Euro. Der Grund- und Bodenanteil beträgt 10 % = 30.000 Euro. Die Eigentumswohnung wird nach der Sanierung vermietet.
Anfang 2024 lässt A die sanitären Anlagen (Badezimmer, Gästetoilette) für 29.750 Euro erneuern und neue Türen einbauen (11.900 Euro). Zudem beteiligt er sich an der Dachsanierung (14.280 Euro). Die gesamten Aufwendungen (55.930 Euro) macht er in 2024 als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen geltend.
Lösung: Die Nettoaufwendungen ohne Umsatzsteuer (25.000 Euro + 10.000 Euro + 12.000 Euro = 47.000 Euro) überschreiten die 15 %-Grenze von 40.500 Euro (15 % von 270.000 Euro). Somit stellen die Aufwendungen insgesamt anschaffungsnahe Aufwendungen dar. Sie sind also nicht sofort im Jahr der Zahlung als Werbungskosten abzugsfähig, sondern erhöhen die Bemessungsgrundlage für die Gebäudeabschreibung von 270.000 Euro um 55.930 Euro auf 325.930 Euro. Dies gilt auch für die Kostenbeteiligung an der Dachsanierung, die als Aufwendungen für das Gemeinschaftseigentum ebenfalls im Rahmen der Ermittlung des insgesamt entstandenen Sanierungsaufwands mit einzubeziehen sind.
Aufwendungen für Sonder- und Gemeinschaftseigentum nicht aufzuteilen
Nach Ansicht des FG Hessen dürfen die auf das im Gemeinschaftseigentum stehenden Bestandteile des Gesamtgebäudes entfallenden Aufwendungen nicht unberücksichtigt bleiben. Dies würde auch dem (mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG verfolgten) Vereinfachungszweck widersprechen, weil sich Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen regelmäßig zugleich auf das Sondereigentum als auch auf Bereiche des Gemeinschaftseigentums beziehen. Eine Aufteilung von hierfür einheitlich getragenen Aufwendungen wäre oft nur unter größten Schwierigkeiten möglich.
Beachten Sie | Gegen die nicht zugelassene Revision wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Quelle | FG Hessen, Urteil vom 18.6.2024, 4 K 1736/19, NZB BFH, IX B 86/24
| Aufwendungen für die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio sind grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) auch, wenn die Teilnahme an einem dort angebotenen, ärztlich verordneten Funktionstraining die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio voraussetzt. |
Hintergrund: Außergewöhnliche Belastungen wirken sich steuerlich nur aus, soweit die zumutbare Eigenbelastung überschritten wird. Deren Höhe hängt vom Gesamtbetrag der Einkünfte, Familienstand und von der Zahl der Kinder ab.
Das war geschehen
Der Steuerpflichtigen wurde ein Funktionstraining in Form von Wassergymnastik ärztlich verordnet. Sie entschied sich für das Training bei einem Reha-Verein, der die Kurse in einem für sie verkehrsgünstig gelegenen Fitnessstudio abhielt. Voraussetzung für die Kursteilnahme war neben dem Kostenbeitrag für das Funktionstraining und der Mitgliedschaft im Reha-Verein auch die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio. Letztere berechtigte die Steuerpflichtige aber auch zur Nutzung des Schwimmbads und der Sauna sowie zur Teilnahme an weiteren Kursen.
Die Krankenkasse erstattete nur die Kursgebühren für das Funktionstraining. Als Krankheitskosten und damit als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigte das Finanzamt nur die Mitgliedsbeiträge für den Reha-Verein.
Alle Instanzen sind sich einig
Einen Abzug der Mitgliedsbeiträge für das Fitnessstudio als außergewöhnliche Belastung lehnten das Finanzamt, das Finanzgericht (FG) Niedersachsen und auch der BFH ab.
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio: frei gewähltes Konsumverhalten
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio zählen grundsätzlich nicht zu den als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennenden zwangsläufig entstandenen Krankheitskosten. Denn das mit der Mitgliedschaft einhergehende Leistungsangebot wird auch von gesunden Menschen beansprucht, z. B., um die Gesundheit zu erhalten und die Freizeit sinnvoll zu gestalten.
Die Mitgliedsbeiträge sind der Steuerpflichtigen auch nicht deshalb zwangsläufig erwachsen, weil sie dem Fitnessstudio als Mitglied beitreten musste, um an dem ärztlich verordneten Funktionstraining teilnehmenzu können.
Die Entscheidung, das Funktionstraining in dem Fitnessstudio zu absolvieren, ist in erster Linie Folge eines frei gewählten Konsumverhaltens, das nach Ansicht des BFH eine steuererhebliche Zwangsläufigkeit nicht begründen kann.
Zudem steht dem Abzug der Mitgliedsbeiträge entgegen, dass die Steuerpflichtige hierdurch die Möglichkeit erhielt, auch weitere Leistungsangebote (jenseits des medizinisch indizierten Funktionstrainings) zu nutzen. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerpflichtige (wie von ihr vorgetragen) hiervon keinen Gebrauch gemacht hat.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 1/23
| Auch wenn noch unklar ist, ob die Ansprüche wegen der Reparaturkosten dem Leasinggeber oder dem Leasingnehmer zustehen, ergibt sich dessen schützenswertes Interesse an einer Feststellungsklage aus dem zu erwartenden Ausfallschaden während der Reparatur. So entschied es das Landgericht (LG) Halle. Denn das Gutachten weise vier Arbeitstage für die Reparatur aus. |
Haftung dem Grunde nach sollte geklärt werden
Wegen des streitigen Unfallhergangs wollte der Leasingnehmer zunächst die Haftung dem Grunde nach klären. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung reicht es für das Feststellungsinteresse aus, wenn sich in der Zukunft Schäden ergeben können.
Keine Leistungsklage erforderlich
Soweit Nutzungsausfall streitig ist, müsse ein Geschädigter bei einer noch nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung die Klage nicht zu einer Leistungsklage wegen der bereits entstandenen Schäden und einer Feststellungsklage wegen zukünftiger Schäden aufteilen.
Quelle | LG Halle, Urteilvom 10.10.2024, 4 O 224/24
| Aktuell sind betrügerische E-Mails im Umlauf, die vorgeben, vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu stammen. Die Empfänger werden darüber informiert, dass ihnen angeblich ein Bescheid zugesandt wurde und aufgefordert, eine offene Steuerschuld zu begleichen. Hierfür soll ein Link geöffnet werden, um weitere Informationen zu erhalten. |
Sollten Steuerpflichtige eine solche E-Mail erhalten haben, empfiehlt das BZSt in einer Mitteilung vom 26.2.2025, den Link nicht zu öffnen und die verdächtige E-Mail unverzüglich zu löschen. Weitere Informationen – u. a. die maßgeblichen Textbausteine – sind unter www.iww.de/s12547 aufgeführt.
| Wird ein erkranktes Tier von Dritten zum Tierarzt gebracht, haftet der Tierhalter für die Kosten der Notbehandlung. So sieht es das Amtsgericht (AG) München. |
Halterin nicht über Eingriff informiert
Die Beklagte ist Tierhalterin eines Katers mit den Namen Rocky. Rocky war im Mai 2022 für einige Tage abwesend und kam nicht nach Hause. Am 16.5.2022 fand eine unbekannte Person den Kater in einem bewusstlosen Zustand auf und alarmierte eine Münchener Tierrettung, die den Kater als Notfall in eine Münchener Tierklinik einlieferte. Dort wurde Rocky als Notfall tierärztlich behandelt. Da der Kater in ein Haustierzentralregister eingetragen war, konnte die Halterin des Katers verständigt werden. Diese holte Rocky am nächsten Tag ab. Durch die Behandlung waren Kosten in Höhe von 565,31 Euro entstanden, deren Übernahme die Beklagte jedoch ablehnte, da sie nicht zuvor informiert worden sei und sie Rocky zu seinem üblichen Tierarzt hätte bringen wollen.
Klage auf Zahlung der Rechnung
Die Tierklinik trat ihre Forderung an ein Abrechnungsbüro ab, das die Beklagte vor dem AG auf Zahlung der Rechnung verklagte. Das AG gab der Klage statt und verurteilte die Halterin zur Zahlung. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Forderung wirksam an die Klägerin abgetreten war, dass die Behandlung, wie behauptet, stattfand und die Kosten auch angemessen waren.
„Fremdes Geschäft“ besorgt
Zur Kostentragungspflicht der Beklagten führte es aus, dass die Tierklinik durch die Behandlung des Katers der Beklagten ein sogenanntes „fremdes Geschäft“ besorgt hat. Es handele sich bei der tierärztlichen Versorgung um ein fremdes Geschäft, da das Tier zwar auch aus eigener tierärztlicher Verpflichtung behandelt wurde, die Übernahme der Behandlung ihrer äußeren Erscheinung nach aber auch der Beklagten als Tierhalterin zugute kam. Denn die Behandlung ihres kranken Tieres ist bereits der äußeren Erscheinung nach dem Rechts- und Interessenkreis der Beklagten zuzuordnen.
Auch der Vortrag der Beklagten, sie hätte rechtzeitig über die Einlieferung des Katers informiert werden müssen, verfängt laut AG nicht. Soweit hiermit auf eine sog. „Nebenpflichtverletzung“ abgestellt werden soll, stehe dem entgegen, dass die Behandlungen des Katers nach den Zeugenaussagen, in Übereinstimmung mit der Behandlungsdokumentation, als Notfallmaßnahmen erfolgt seien.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 30.8.2024, 161 C 16714/22, PM 36/24
| Wer als Schüler über Monate den Datenbestand seiner Schule ausspioniert und verändert, darf in eine andere Schule überwiesen werden. Diese Schulordnungsmaßnahme hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren gebilligt. |
Schüler drang widerrechtlich in Schul-IT ein
Der Antragsteller besuchte bislang das 3. Kurshalbjahr der gymnasialen Oberstufe eines Berliner Gymnasiums. Zusammen mit zwei Mitschülern hatte er im letzten Schuljahr zunächst einen schulischen Rechner so präpariert, dass das nächste eingegebene Passwort protokolliert wurde. So erlangte das Trio das Administratorpasswort, um im Anschluss einen sog. „Keylogger“ zu installieren, der das Protokollieren aller eingegebenen Passwörter ermöglichte. Hierdurch konnten sie interne Informationen im geschützten Lehrerkanal mitlesen und organisatorische Daten der Schulleitung abrufen. Daraufhin beschloss die Schulaufsicht nach Anhörung der Schulkonferenz, den Antragsteller in eine andere Schule desselben Bildungsgangs zu überweisen.
Schwerste Ordnungsmaßnahme verhängt
Der hiergegen gerichtete Eilantrag hatte keinen Erfolg. Das VG hat die Entscheidung als für einen schulpflichtigen Schüler schwerste Ordnungsmaßnahme des Berliner Schulgesetzes gebilligt. Nach diesem Gesetz könnten Ordnungsmaßnahmen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit getroffen werden, wenn ein Schüler die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit beeinträchtigte oder andere am Schulleben Beteiligte gefährde, soweit Erziehungsmaßnahmen nicht zu einer Konfliktlösung geführt haben oder keine Aussicht auf Erfolg versprächen.
Diesen Vorgaben entspreche die getroffene Ordnungsmaßnahme, die sich im Rahmen des der Schule zustehenden pädagogischen Beurteilungsspielraums halte. Nach diesem Maßstab sei die Entscheidung nicht zu beanstanden. Das Vorgehen des Antragstellers stelle sich als schweres Fehlverhalten dar. Ein über Monate dauerndes Ausspionieren des Datenbestands der Schule beeinträchtige die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit. Der Antragsteller sei mit krimineller Energie vorgegangen, weshalb das schulische Vertrauen in die Integrität des Antragstellers nachhaltig und irreparabel zerstört worden sei. Angesichts der Schwere des Fehlverhaltens des Antragstellers mit einer mehrere Monate währenden Verletzung der Datenschutzbelange und der Privatsphäre von Lehrkräften und der Schülerschaft habe die Schule den Schulwechsel nicht – wie das Gesetz dies im Regelfall vorschreibe – zuvor schriftlich androhen müssen.
Die Maßnahme, so das VG, sei auch unter Würdigung des Umstands verhältnismäßig, dass der Antragsteller sich in seinem letzten Schuljahr vor dem Abitur befinde und die ersten Abiturprüfungen bereits in wenigen Monaten anstehen, weil er sich gegenüber den Vorwürfen völlig uneinsichtig gezeigt habe.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 13.11.2024, VG 3 L 610.24, PM 30/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über die Rückzahlung von Bankentgelten entschieden, die aufgrund einer unwirksamen Zustimmungsfiktionsklausel vereinbart werden sollten. Sein Urteil ist verbraucherfreundlich. |
Das war geschehen
Der Kläger begehrt Rückzahlung von geleisteten Kontoführungsentgelten und Gebühren für eine Girokarte. Nach einer in den AGB der beklagten Sparkasse enthaltenen unwirksamen Regelung gilt die Zustimmung des Kunden zu angebotenen Änderungen von Vertragsbedingungen oder Entgelten für Bankleistungen als erteilt, wenn der Kunde der Beklagten seine Ablehnung nicht innerhalb einer bestimmten Frist anzeigt (Zustimmungsfiktionsklausel).
Die beklagte Sparkasse informierte den Kläger im Oktober 2017 darüber, dass für dessen zwei Girokonten ab dem 1.1.2018 Kontoführungsentgelte und Gebühren für eine Girokarte zu zahlen seien. Daraufhin kündigte der Kläger eines der Girokonten. Die Beklagte erhob ab dem 1.1.2018 eine Grundgebühr für die Führung des anderen Girokontos in Höhe von monatlich 3,50 Euro und eine Gebühr für eine SparkassenCard in Höhe von jährlich 6 Euro. Der Kläger stimmte diesen Änderungen der Bedingungen nicht aktiv zu. Die Beklagte buchte die Entgelte in der Folgezeit vom Konto des Klägers ab. Im Juli 2021 widersprach dieser der Erhebung der Entgelte. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung der in den Jahren 2018 bis 2021 erhobenen Entgelte in Höhe von insgesamt 192 Euro sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger jeden weiteren künftigen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Einziehung nicht vereinbarter Bankentgelte nach dem Jahr 2021 entstehe.
Das Amtsgericht (AG) und das Landgericht (LG) haben die Klage abgewiesen.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 192 Euro zu zahlen. Der Kläger erhält die Kontoführungsentgelte und das Entgelt für die Girokarte zurück.
Der Kläger hat einen Rückzahlungsanspruch, weil die Beklagte die Entgelte ohne Rechtsgrund vereinnahmt hat. Er hat der von der Beklagten beabsichtigten Änderung der Entgeltbedingungen nicht bloß durch die fortgesetzte Nutzung des Girokontos zugestimmt. Die fortlaufende Nutzung eines Girokontos hat keinen objektiven Erklärungswert dahin, dass der Wille des Kontoinhabers neben dem Willen, einen konkreten Kontovorgang auszulösen, auch die Zustimmung zu geänderten Kontobedingungen der Sparkasse oder Bank umfasst. Der Zugang zu einem Girokonto ist in der Regel eine unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme am unbaren Zahlungsverkehr und von essenzieller Bedeutung für die uneingeschränkte Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben. Die Nutzung des Girokontos allein ist deshalb kein Ausdruck des Einverständnisses mit der Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Sparkasse oder Bank, sondern entspricht lediglich den Erfordernissen und Gewohnheiten des modernen Geschäfts- und Wirtschaftsverkehrs im Alltag.
Die von der Beklagten erhobenen Entgelte sind auch nicht durch eine Fiktion der Zustimmung des Klägers zu den geänderten Kontobedingungen entstanden. Eine Klausel in den Geschäftsbedingungen von Banken und Sparkassen, die eine solche Fiktion vorsieht, ist im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam.
Auch der Umstand, dass der Kläger die von der Beklagten erhobenen Entgelte über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren widerspruchslos gezahlt hat, führt nicht dazu, dass die Sparkasse die Entgelte behalten darf, so der BGH.
Quelle | BGH, Urteil vom 19.11.2024, XI ZR 139/23, PM 219/24
| Eine im Wohnraummietvertrag vereinbarte Indexklausel, die ausschließlich eine Erhöhungsmöglichkeit vorsieht, kann nach Ansicht des Landgerichts (LG) Berlin II weder individual- noch formularvertraglich vereinbart werden. |
Nachteilsverbot beachten
Den Mietvertragsparteien sei nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 557 b Abs. 1 BGB) die Vereinbarung einer näher definierten Indexmiete gestattet, allerdings nicht in Gestalt einer „upwards only“-Klausel. Das Verbot einer den Vermieter begünstigenden Einseitigkeitsklausel (sog. Nachteilsverbot) ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut. Der Gesetzgeber habe sich aber von einem entsprechenden Motiv leiten lassen, also bei fallendem Index müsse eine entsprechende Mietabsenkungsmöglichkeit eröffnet sein.
Vermieterseitige Allgemeine Geschäftsbedingung
Im Streitfall ergab sich bereits aus der Erscheinungsform des Textes und seinem Regelungsinhalt, dass es sich um von der Vermieterseite gestellte AGB handelte. In Anwendung der Unklarheitenregelung in § 305 c Abs. 2 BGB war die Vertragsbedingung als eine den Mieter unangemessen benachteiligende Einseitigkeitsklausel zu werten. Aber auch eine „im Einzelnen ausgehandelte “Individualvereinbarung sei angesichts des o. g. Nachteilsverbots unzulässig, so das LG.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 20.6.2024, 67 S 83/24
| Ein Mieter einer Dachgeschosswohnung entsorgte über sein Fenster Essensreste in eine Dachrinne. Das Amtsgericht (AG) Hannover hat entschieden: Der Mieter muss seine Wohnung räumen. |
Dachrinne durch Müll verstopft
Über sein Wohnungsfenster entsorgte der Mieter u. a. Nudeln, Fleisch, Gewürzgurken und Knochen. Die entsorgten Essensreste landeten in der Dachrinne und verstopften diese. Der Säuregehalt der Essenreste beschädigte die Dachrinne.
Vermieter kündigte zweimal
Die Vermieterin mahnte zunächst ab. Danach kündigte sie gegenüber dem rechtlichen Betreuer des Mieters fristlos und ordentlich.
Zudem installierte der Mieter durch einen mit einem Gitter geschützten Schacht im Bordstein eine Stromleitung für sein Mofa. Die Vermieterin kündigte daraufhin erneut.
Mietvertragliche Pflichten erheblich verletzt
Das AG überzeugte sich vor Ort, dass die Essensreste nur vom Mieter stammen können. Das Dachfenster befindet sich nur einen Meter von der Dachrinne entfernt. Andere Fenster oder Zugänge sind nicht in erreichbarer Nähe. Die Dachrinne war nur an der Stelle der gelagerten Essensreste beschädigt. Insoweit hat der Mieter durch die wiederholte Entsorgung von Essensresten über sein Wohnungsfenster die Mietsache beschädigt und damit seine mietvertraglichen Pflichten erheblich schuldhaft verletzt, sodass der Kündigungsausspruch nach gerichtlicher Überzeugung auch von einem Kündigungsgrund getragen war. Das AG gewährte dem Mieter über die noch andauernde Kündigungsfrist zum Auszug von sechs Wochen eine darüber hinausgehende Räumungsfrist von dreieinhalb Monaten.
Ein Antrag auf Räumungsschutz wurde mittlerweile zurückgewiesen.
Quelle | AG Hannover, Urteil vom 11.1.2024, 510 C 5216/23, PM vom 29.10.2024
| Das Oberlandesgericht (OLG) München hat jetzt entschieden: Ein handschriftliches Testament ist formunwirksam, wenn der Bedachte durch einen maschinenschriftlichen Adressaufkleber benannt werden soll. |
Ungewöhnliche Gestaltung einer vermeintlichen letztwilligen Verfügung
Neben den letzten beiden Zeilen in der rechten unteren Ecke eines Briefumschlags, auf dem eine letztwillige Verfügung stehen soll, befindet sich ein Adressaufkleber des Beschwerdeführers, der einen Alleinerbschein beantragt hat. Zwischen den Wörtern „Rest dir“ und dem Adressaufkleber befindet sich ein Pfeil, der auf den Namen des Beschwerdeführers weist. Die (vermeintliche) Unterschrift der Erblasserin befindet sich oberhalb dieses Adressaufklebers neben dem Wort „Schultertuch“.
Oberlandesgericht erkennt das Schriftstück mangels Schriftform nicht an
Das Schriftstück stelle schon keine wirksame Verfügung von Todes wegen dar, weil es nicht durchgängig handschriftlich verfasst wurde. Bei dem auf dem Schriftstück angebrachten Pfeil handele es sich um ein Symbol und damit nicht um Schrift. Hinsichtlich des Pfeils ist eine Überprüfung der Urheberschaft von vornherein ausgeschlossen.
Auch der Adressaufkleber, auf dem sich Name und Anschrift des Beschwerdeführers befinden, wahre nicht die vom Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehene Form (hier: § 2247 Abs. 1 BGB).
Quelle | OLG München, Urteil vom 23.7.2024, 33 Wx 329/23
| Ein Schwiegersohn ist zur Rückzahlung eines sechsstelligen Darlehens an seine Schwiegereltern verpflichtet. So entschied es das Landgericht (LG) Frankfurt am Main. Es hat dabei klargestellt, dass ein im familiären Umfeld überlassener größerer Geldbetrag im konkreten Fall keine reine Gefälligkeit darstellt und ein Rechtsanspruch auf Rückzahlung besteht. |
Schwiegersohn benötigte Geld und bekam es von den Schwiegereltern
Der später beklagte Schwiegersohn benötigte Geld, um ein geerbtes Wohnhaus erhalten zu können. Seine Bank hatte ihm bereits einen Kredit gekündigt. Um ihn zu unterstützen, nahmen seine Schwiegereltern ihrerseits ein Darlehen in Höhe von 250.000 Euro auf und lösten damit die Restschuld des Schwiegersohns aus dessen Kredit ab. Man war sich darüber einig, dass der Schwiegersohn Zinsen und Tilgung tragen sollte. So geschah es auch über mehrere Jahre hinweg.
Ehe wurde geschieden
Zwischenzeitlich wurde die Ehe des Schwiegersohns mit der Tochter der Schwiegereltern jedoch geschieden. Der Schwiegersohn stellte einige Zeit später seine Zahlungen mit der Begründung ein, er könne die finanzielle Belastung wegen der Unterhaltszahlungen an seine Exfrau nicht mehr tragen. Die ehemaligen Schwiegereltern verlangten von ihm jedoch die Zahlung des noch offenen Darlehensbetrags von rund 190.000 Euro.
Landgericht: kein freiwilliges Vermögensopfer der Schwiegereltern
Das LG gab der Klage der Schwiegermutter statt. Es folgte nicht der Argumentation des Schwiegersohns, die finanzielle Unterstützung durch seine ehemaligen Schwiegereltern sei ein freiwilliges Vermögensopfer, denn sie sei im familiären Raum wegen der schwierigen Lage der jungen Eheleute erfolgt.
Das LG stellte in seinem Urteil vielmehr fest, dass die Schwiegereltern und der Schwiegersohn ihrerseits mündlich einen Darlehensvertrag geschlossen hatten. Das Gericht führte aus: „Ob ein Vertrag geschlossen wurde, hängt maßgeblich vom Rechtsbindungswillen der Parteien ab. Bei einem sog. reinen Gefälligkeitsverhältnis fehlt der Rechtsbindungswille.“ Und weiter: „Die Parteien handeln bei einem Gefälligkeitsverhältnis (…) ausschließlich aus gesellschaftlicher Gefälligkeit, also aus Freundschaft, Kollegialität, Nachbarschaft oder sonstigem Altruismus.“
Zwar seien die Abreden hier im engen Familienkreis erfolgt, was für eine reine Gefälligkeit sprechen könne. Allerdings handelte es sich nach Ansicht des LG bei der Gewährung eines derart hohen Betrags keinesfalls um eine Gefälligkeit des täglichen Lebens. Auch die Interessenlage spreche für einen Rechtsbindungswillen. Denn das Risiko der Klägerin und ihres Ehemanns sei ganz erheblich gewesen.
Für den Schwiegersohn habe zudem die Gefahr bestanden, ohne die Gewährung des Geldbetrags sein Haus und damit sein Heim zu verlieren. Hinzu komme, dass der Beklagte selbst eingeräumt habe, dass die Parteien eine Schenkung des Geldes nicht gewollt hätten. Nachdem die Schwiegereltern den mündlich mit ihrem ehemaligen Schwiegersohn geschlossenen rechtsverbindlichen Darlehensvertrag gekündigt hatten, stünde ihnen ein Rückzahlungsanspruch zu.
Quelle | LG Frankfurt, Urteil vom 28.11.2024, 2-23 O 701/23, PM vom 19.12.2024
| Die Kündigung eines nach dem 31.12.2017 geschlossenen Architektenvertrags bedarf der Schriftform. Das regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (hier: §§ 650 q, 650 h BGB). Eine formwidrige Kündigung ist allerdings folgenlos, wenn die andere Partei die Kündigung hinnimmt. Es ist dann in der Regel eine stillschweigende Vertragsaufhebung anzunehmen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt klargestellt. |
Das OLG sagt aber auch: Ruft der Auftraggeber über einen längeren Zeitraum keine weiteren Planungs- und Beratungsleistungen beim Auftragnehmer ab, kann darin keine Kündigung gesehen werden.
Quelle | OLG Frankfurt, Urteil vom 11.5.2023, 22 U 19/22, rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde, BGH, Beschluss vom 15.5.2024, VII ZR 118/23
| Kann das Honorar für Planungsaufträge für Baumaßnahmen und Anlagen, die in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) nicht beschrieben sind, frei vereinbart werden? Gilt die HOAI dann nicht? Antworten hierzu lieferte jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg. |
Das war geschehen
Ein Ententeich sollte von einem stehenden Gewässer zu einer wasserwirtschaftlichen Anlage umgewidmet werden. Der bereits im Verlauf eines Trennsystems genutzte Teich sollte als künftiger Retentionsraum genutzt werden. Die Parteien stritten über die Berücksichtigung eines Umbauzuschlags. Der Auftraggeber meinte, dass ein Objekt i. S. d. HOAI 2013 vorhanden sein müsse, andernfalls sei ein Umbau nicht möglich. Hier läge jedoch kein solches „Objekt“ vor. Daher sei ein Umbauzuschlag ausgeschlossen. Daran ändere auch nichts, dass der Teich durch Menschenhand geschaffen worden sei.
So sah es das Oberlandesgericht
„Objekt“ oder nicht „Objekt“ – das war hier die Frage. Das OLG stützte sich zur Beantwortung auf ein Gerichtsgutachten. Der Sachverständige hatte festgestellt, dass der Ententeich von der Beklagten schon über einen längeren Zeittraum zur Ableitung von Mischwässern genutzt würde und überschüssige Wässer über ein Mönchsbauwerk in ein nahe gelegenes Gewässer abgeleitet werden. Es handele sich deshalb um eine ungenehmigte Anlage des Wasserbaus. Das Gericht bewilligte daher den Umbauzuschlag. Es handele sich um ein Ingenieurbauwerk (Anlage des Wasserbaus). Zwar würde durch die Planung nicht in die Konstruktion des Teichs eingegriffen, wohl aber in den Bestand. Dieser sei wesentlich, weil aus einer Anlage des Wasserbaus eine Anlage der Abwasserentsorgung entstehen sollte (Nutzungsänderung). Denn der Teich sollte bei dem umzustellenden Mischsystem in ein Trennsystem künftig nur noch den kontrollierten Abfluss von Regenwasser sicherstellen.
Das OLG: Durch die geplante Vertiefung des Teichs werde zwar auch in die Konstruktion eingegriffen. Die Wesentlichkeit dieses Eingriffs sei aber nicht vorgetragen worden, sodass sich das Wesentlichkeitskriterium nicht prüfen ließ. Wesentlich sei ein Eingriff, wenn er gegenüber dem Bestand einen Anteil von 10 bis 20 Prozent der Substanz ausmacht.
Quelle | OLG Naumburg, Urteil vom 16.5.2024, 2 U 96/23
| Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat einem Mann den Erlass der Grundsteuer verwehrt, obwohl er herangezogen worden war, ein Baudenkmal zu erhalten. |
Für den Erhalt eines Fachwerkhauses begehrte der Kläger Grundsteuererlass
Der Kläger erwarb im Jahr 2012 ein Grundstück, das mit einem barocken Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert bebaut ist. Für dieses zog ihn die beklagte Ortsgemeinde für das Kalenderjahr 2022 zur Zahlung von Grundsteuer B in Höhe von 110,60 Euro heran. Der Kläger beantragte daraufhin den Erlass der Grundsteuer, weil die Erhaltung des Gebäudes wegen seiner Denkmaleigenschaft im öffentlichen Interesse liege und für ihn unrentabel sei.
Den Antrag des Klägers auf Erlass der Grundsteuer lehnte die Beklagte ab. Insbesondere habe der Kläger die Unrentabilität des Gebäudes nicht hinreichend belegt.
Erfolgloser Widerspruch
Hiergegen wandte sich der Kläger zunächst erfolglos mittels Widerspruch und dann mit seiner Klage. Er habe denkmalschutzbedinge Sanierungsmaßnahmen vorgenommen, unter anderem das Fachwerk freigelegt. Ohne die Denkmaleigenschaft hätte er das Gebäude abgerissen und das Grundstück anderweitig verwertet. Es seien zudem Rückstellungen für weitere Sanierungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Aus Rentabilitätsgründen habe er überwiegend Eigenleistungen erbracht. Er erziele inzwischen Mieteinnahmen in angemessener Höhe, dennoch sei ihm ein Verlust entstanden.
Verwaltungsgericht sah Voraussetzungen für Erlass nicht gegeben
Die Klage hatte keinen Erfolg. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Grundsteuererlass für das Jahr 2022, so das VG. Das Grundsteuergesetz (hier: § 32 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 GrStG) sehe dies nur für Grundbesitz vor, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liege, wenn die erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile (Rohertrag) in der Regel unter den jährlichen Kosten lägen. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Zwar bestehe ein öffentliches Interesse am Erhalt des Fachwerkhauses des Klägers. Der Grundbesitz sei jedoch nicht unrentabel. Der Kläger habe in erster Linie im weitaus überwiegenden Umfang Kosten aufgewendet, um das Gebäude im Sinne seiner eigentlichen Bestimmung – zu Wohnzwecken – zu ertüchtigen. Es sei deshalb prognostisch nicht davon auszugehen, dass der Grundbesitz – was für einen Grundsteuererlass vorausgesetzt wird – dauerhaft unrentabel sei. Eine valide Bewertung der Unrentabilität sei zudem nicht möglich, weil der Kläger nicht alle dazu benötigten Unterlagen vorgelegt habe.
Schließlich fehle es jedenfalls an der erforderlichen Kausalität zwischen (unterstellter) Unrentabilität und öffentlichem Erhaltungsinteresse. Denn der Kläger habe das Gebäude in Kenntnis des Sanierungsbedarfs zum Marktwert erworben. Das Gebäude sei wegen seines mehr oder weniger veralteten und teilweise maroden Zustands sanierungsbedürftig gewesen, nicht aufgrund der Denkmaleigenschaft.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 25.6.2024, 5 K 172/24.KO, PM 16/24
| Gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sind u. a. Beschäftigte im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Ein solches Beschäftigungsverhältnis kann auch bei einem 15-jährigen Spieler einer Juniorenmannschaft eines Fußball-Bundesliga-Vereins mit einem „Fördervertrag“ vorliegen. So entschied es das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg. |
Komplexe Verletzung beim Ligaspiel
Ein damals 15-jähriger Fußballer erlitt in einem Spiel derfrüheren B-Junioren-Bundesliga im Herbst 2020 eine komplexe Läsion des Außenmeniskus und musste sich einer Operation und einer langwierigen Nachbehandlung unterziehen. Der 15-Jährige hatte, vertreten durch seine Eltern, einen „Fördervertrag“ als Vertragsspieler im Sinne der „Spielordnung“ des DFB unterschrieben und war in das Leistungszentrum des Vereins aufgenommen worden. Er unterwarf sich darin umfangreichen Verpflichtungen, insbesondere zur Teilnahme an allen Trainings und allen Spielen, ohne einen Anspruch auf Spieleinsatz zu haben. Auch hatte er etwa am dritten Tag einer Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche AU-Bescheinigung einzureichen. Es waren ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen im Jahr und ein „monatliches Grundgehalt“ von 251 Euro vereinbart.
Berufsgenossenschaft: kein Arbeitsunfall
Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, denn der Spieler sei nicht unfallversichert gewesen. Auch Verträge wie hier könnten jedenfalls vor dem 16. Geburtstag des Spielers kein Beschäftigungsverhältnis begründen. Außerdem sei das vereinbarte Gehalt so niedrig, dass es keine adäquate Gegenleistung, sondern allenfalls eine Aufwandsentschädigung darstelle.
Landessozialgericht gab Spieler Recht
Nachdem in erster Instanz vor dem Sozialgericht (SG) die Berufsgenossenschaft obsiegt hatte, hat nun im Berufungsverfahren das LSG dem Spieler Recht gegeben und ein Beschäftigungsverhältnis und damit einen Arbeitsunfall bejaht. Der „Fördervertrag“ gehe weit über die Pflichten eines bloßen Vereinsmitglieds hinaus und entspreche eher einem Arbeitsvertrag. Ausschlaggebend für diese Einordnung waren die umfassenden Verpflichtungen des jungen Mannes, die Regelungen zu Arbeitsunfähigkeit und Urlaub sowie das vereinbarte „Grundgehalt“, das ausdrücklich als einkommensteuerpflichtig bezeichnet wurde und auch über der steuerfreien „Übungsleiterpauschale“ nach dem Einkommensteuerrecht lag.
Verbotene Kinderarbeit nicht gegeben
Dass der Spieler bei dem Unfall noch keine 16 Jahre alt war, stand der Einstufung als „Beschäftigter“ nicht entgegen. Insbesondere lag keine verbotene Kinderarbeit vor, weil er die Vollzeitschulpflicht nach baden-württembergischem Landesrecht erfüllt hatte. Ebenso schließen die Regelungen des DFB nicht aus, dass bereits ein 15-jähriger Fußballspieler ein Beschäftigter ist. Zwar kann er frühestens ab dem 16. Geburtstag eine Spielerlaubnis für eine Lizenzmannschaft oder erste Herrenmannschaft erhalten. Diese bloße Möglichkeit ändert aber nicht die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere, wenn der Spieler mitten in einer laufenden Saison 16 wird. Sie schließt nicht aus, dass schon zuvor eine Beschäftigung vorlag. Für die Entscheidung war danach nicht die Grenze zu den Lizenzmannschaften maßgeblich, sondern die Grenze zwischen Vereinsamateuren und Vertragsspielern.
Die Entscheidung des LSG, wenn sie rechtskräftig wird, bedeutet, dass die zuständige Berufsgenossenschaft den Unfall entschädigen muss. Denn es handelt sich um einen Unfall infolge einer versicherten Tätigkeit und damit um einen Arbeitsunfall.
Quelle | LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.1.2025, L 9 U 3318/23, PM des LSG
| Das Verschenken von Geschäftsanteilen an leitende Mitarbeiter zur Sicherung der Unternehmensnachfolge führt nicht ohne Weiteres zu steuerpflichtigem Arbeitslohn bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. So lautet eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Beachten Sie | Wird eine Mitarbeiterbeteiligung nicht zum Marktpreis übertragen, liegt der geldwerte Vorteil in der gegenüber dem marktüblichen Preis bestehenden verbilligten Übertragung. Arbeitslohn setzt aber weiter voraus, dass der Vorteil dem Arbeitnehmer „für“ seine Arbeitsleistung gewährt wird.
Das war geschehen
Die Arbeitnehmerin war seit vielen Jahren in der Führungsebene eines kleineren Unternehmens tätig. Da der Sohn der Gründungsgesellschafter als Nachfolger ausschied, beschlossen sie, die Leitung des Unternehmens zur Sicherung der Unternehmensfortführung in die Hände der Arbeitnehmerin und der weiteren Mitglieder der Führungsebene zu legen. Hierzu übertrugen sie jeweils 5,08 % der Anteile schenkweise an die Arbeitnehmerin sowie vier weitere Personen.
Finanzamt und gerichtliche Instanzen unterschiedlicher Auffassung
Das Finanzamt sah den in der Übertragung liegenden geldwerten Vorteil als Arbeitslohn an und unterwarf diesen der Besteuerung. Demgegenüber entschied das Finanzgericht (FG) Sachsen-Anhalt, dass sich der Vorteil aus der Übertragung der Gesellschaftsanteile nicht als Ertrag der nichtselbstständigen Arbeit der Angestellten darstellt. Dies hat der BFH nun bestätigt.
Regelung der Unternehmensnachfolge stand im Vordergrund
Auch, wenn die Anteilsübertragung mit dem Arbeitsverhältnis der Angestellten zusammenhängt, ist sie durch dieses nicht (maßgeblich) veranlasst. Denn entscheidendes Motiv für die Übertragung war für alle Beteiligten erkennbar die Regelung der Unternehmensnachfolge.
Beachten Sie | Der in der schenkweisen Übertragung aus gesellschaftsrechtlichen Gründen liegende Vorteil stellt in dieser Situation keine Entlohnung der leitenden Mitarbeiter für in der Vergangenheit erbrachte oder in Zukunft zu erbringende Dienste dar.
Als maßgebliche Indizien gegen Arbeitslohn sah der BFH auch folgende Aspekte an:
- Die Anteilsübertragung war im Streitfall nicht an den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geknüpft.
- Der vom Finanzamt angenommene Vorteil fiel im Vergleich zu den Bruttoarbeitslöhnen der Beschenkten deutlich aus dem Rahmen.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.11.2024, VI R 21/22, PM 4/25 vom 16.1.2025
| Seit dem 1.1.2025 kann die Kleinunternehmerregelung auch erstmalig im EU-Ausland in Anspruch genommen werden. Die Voraussetzungen hierfür regelt das Umsatzsteuergesetz (hier: § 19 a UstG: „Besonderes Meldeverfahren für die Anwendung der Steuerbefreiung in einem anderen Mitgliedstaat“). Weitere Informationen finden interessierte Unternehmer auch im Onlineportal des für dieses Verfahren zuständigen Bundeszentralamts für Steuern (BZSt). |
Von inländischen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze sind von der Umsatzsteuer befreit. Im Zuge des Jahressteuergesetzes 2024 erfolgten viele Anpassungen am bisherigen System. Zudem kann die Kleinunternehmerregelung nun auch erstmals im EU-Ausland beansprucht werden (sogenannte Europäische-Kleinunternehmerregelung, kurz EU-KU-Regelung).
In Deutschland ansässige Unternehmer, die an der EU-KU-Regelung teilnehmen möchten, müssen ihre Teilnahme beim BZSt elektronisch beantragen. In diesem Antrag kann der Unternehmer sich für die Regelung registrieren und auswählen, in welchen EU-Mitgliedstaaten er die Regelung in Anspruch nehmen möchte.
Beachten Sie | Für die Antragstellung in Deutschland steht ausschließlich das Onlineportal des BZSt zur Verfügung.
Die Teilnahme an der Regelung ist ab dem Tag möglich, an dem der Unternehmer für die EU-KU-Regelung durch das BZSt zugelassen und damit zum Verfahren registriert wird.
Für die EU-KU-Regelung registrierte Unternehmer können nur im Onlineportal des BZSt Anpassungen zu Registrierung und Teilnahme an der EU-KU-Regelung vornehmen, z. B. Registrierungsdaten ändern, Umsatzmeldungen übermitteln und sich vom Verfahren abmelden.
Quelle | BZSt
| Das Verwaltungsgericht (VG) Osnabrück hat den Antrag der Betreiberin eines „Automatenshops“ auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer noch anhängigen Klage abgelehnt. Hintergrund ist eine Anordnung der Stadt Papenburg, nach der die Antragstellerin ihre in dem „Automatenshop“ befindlichen Verkaufsautomaten an Sonn- und Feiertagen höchstens drei Stunden außerhalb der ortsüblichen Gottesdienstzeiten betreiben darf. |
„Automatenshop“ mit elf Automaten
Der streitgegenständliche „Automatenshop“ verfügt über elf Automaten, die Rauchwaren, Hygieneartikel, alkoholfreie und alkoholhaltige Getränke sowie Snacks anbieten. Außerdem befinden sich in dem Raum, der durchgehend zugänglich und videoüberwacht ist, ein Kaffee‑, ein Box- und ein Schlagkraftautomat („Hau den Lukas“) sowie ein Airhockeytisch.
Die Stadt Papenburg meint, dass der „Automatenshop“ hinsichtlich der Öffnungszeiten den Regelungen des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten (NLöffVZG) unterliege. Folglich müsse sich die Antragstellerin an das grundsätzliche Verbot der Sonn- und Feiertagsöffnung halten. Die Behörde ordnete die sofortige Vollziehung ihrer Anordnung an. Der hiergegen gerichtete Eilantrag hatte keinen Erfolg.
Anordnung wohl rechtmäßig
Das VG folgte hier dem Vortrag der Antragsgegnerin. So sei die o. g. Anordnung voraussichtlich rechtmäßig. Zwar falle ein einzelner Warenautomat nicht unter die Regelungen des NLöffVZG. Der streitgegenständliche „Automatenshop“ mit elf Warenautomaten sei allerdings als Verkaufsstelle im Sinne des § 1 Abs. 1 Alt. 1, § 2 Abs. 1 S. 1 NLöffVZG anzusehen. So sei der Shop eine Einrichtung, in der von einer festen Stelle aus ständig Waren verkauft werden. Nach § 2 Abs. 1 S. 2 NLöffVZG gehören zu Verkaufsstellen außer Ladengeschäften aller Art auch Kioske. Einem solchen ähnele der „Automatenshop“.
Sonn- und Feiertagsruhe beeinträchtigt
Es sei hier unerheblich, dass kein persönlicher Verkauf stattfinde. Die grundgesetzlich geschützte Sonn- und Feiertagsruhe sei durch das Angebot dennoch beeinträchtigt. Der Niedersächsische Gesetzgeber habe – bisher – nicht deutlich gemacht, dass automatisierte oder digitale Verkaufsstellen nicht unter diese Regelung fallen sollen.
Weitere Anordnung
Die Stadt Papenburg hatte darüber hinaus mit einer weiteren Anordnung die Antragstellerin aufgefordert, eine Gaststättenanzeige einzureichen, sofern sie über ihre Automaten weiterhin Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle anbiete. Die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme wurde ebenfalls angeordnet. Dem hiergegen eingereichten Eilantrag gab das VG mit weiterem Beschluss statt.
So sei nach der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der streitgegenständliche „Automatenshop“ nicht dem Gaststättengewerbe zuzuordnen. Die Einrichtung vermittele nach Aktenlage vielmehr den Eindruck, dass die weit überwiegende Anzahl der Verkaufsgeschäfte mit dem Ziel der Mitnahme erfolge. Insofern sei der Antragstellerin darin beizupflichten, dass der Raum insbesondere wegen des Fehlens von Sitz- oder Abstellmöglichkeiten im Kern keine Anreize setze, sich längerfristig zum Getränkeverzehr dort aufzuhalten, auch wenn er zudem über Vergnügungsautomaten verfüge.
Quelle | VG Osnabrück, Beschluss vom 14.1.2025, 1 B 61/24 und 1 B 79/24, PM 1/25
| Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden: Wer einen Immobilienkredit nur gegen eine Provision gewährt, muss eindeutig angeben, ob die Provision von der Laufzeit des Kredits abhängig ist oder nicht. Fehlt es an dieser Angabe, ist von der Abhängigkeit von der Laufzeit auszugehen. |
Das kann erhebliche Konsequenzen haben. Die Kreditnehmerin hatte für die Gewährung des Kredits eine Provision zu zahlen. Weit vor dem Ablauf der gewährten Laufzeit zahlte sie den Kredit dann allerdings zurück. Zugleich verlangte sie nun anteilig die Provision zurück – zu Recht, wie der EuGH annahm.
Der EuGH: In der fehlenden Belehrung über den Umstand der Unabhängigkeit der Provision von der Laufzeit liegt eine unangemessene Benachteiligung jedenfalls eines Verbrauchers.
Quelle | EuGH, Urteil vom 17.10.2024, C-76/22
| Gewähren Luftfahrtunternehmen ihren Arbeitnehmern unentgeltlich oder verbilligt Flüge, ist der geldwerte Vorteil daraus zu versteuern. Für die Bewertung gelten besondere Regeln. Ein aktueller koordinierter Ländererlass regelt die Bewertung für 2025. |
Der Wert der Flüge kann grundsätzlich gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 8 Abs. 2 oder Abs. 3 EStG) mit einem Rabattfreibetrag in Höhe von 1.080 Euro im Kalenderjahr ermittelt werden.
Beachten Sie | In den Fällen der Bewertung nach § 8 Abs. 2 EStG können die Flüge mit Durchschnittswerten angesetzt werden. Dabei kommt es u. a. auf die Flugkilometer an und darauf, ob Beschränkungen im Reservierungsstatus bestehen.
Quelle | Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 16.12.2024
| Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung, die der Erblasser bereits zu Lebzeiten an ein Bestattungsunternehmen abgetreten hat, erhöhen als Sachleistungsanspruch der Erben den Nachlass. Im Gegenzug sind jedoch die Bestattungskosten in vollem Umfang als Nachlassverbindlichkeiten steuermindernd zu berücksichtigen. In einem weiteren Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) Folgendes klargestellt: Verzichtet ein Kind gegenüber einem Elternteil auf seinen gesetzlichen Erbteil, hat dieser Verzicht nicht zur Folge, dass beim Versterben des Elternteils die Enkel des Erblassers den Freibetrag i. H. von 400.000 Euro erhalten. Vielmehr erhält der Enkel nur einen Freibetrag i. H. von 200.000 Euro. |
Urteil 1: Bestattungskosten bei Sterbegeldversicherung
Über folgenden Fall musste der BFH jüngst entscheiden: Der Kläger und seine Schwester sind Erben ihrer verstorbenen Tante (Erblasserin). Diese hatte eine Sterbegeldversicherung abgeschlossen und das Bezugsrecht an ein Bestattungsunternehmen zur Deckung ihrer Bestattungskosten abgetreten. Nach dem Tod stellte das Bestattungsinstitut für seine Leistungen einen Betrag i. H. von 11.654 Euro in Rechnung. Davon bezahlte die Sterbegeldversicherung 6.864 Euro.
Das Finanzamt setzte gegen den Kläger Erbschaftsteuer fest und rechnete den Sachleistungsanspruch auf Bestattungsleistungen (6.864 Euro) zum Nachlass. Für die geltend gemachten Nachlassverbindlichkeiten (einschließlich der Kosten für die Bestattung) setzte es nur die Pauschale für Erbfallkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i. H. von 10.300 Euro an. Die nach dem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) Münster als unbegründet zurück.
Der BFH hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Aufgrund der von der Erblasserin abgeschlossenen Sterbegeldversicherung ist ein Sachleistungsanspruch in Bezug auf die Bestattung auf die Erben übergegangen. Dieser fiel (wie das FG zutreffend entschieden hat) in Höhe der Versicherungsleistung von 6.864 Euro in den Nachlass und erhöhte die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer.
Im Unterschied zum FG ist der BFH aber der Meinung, dass die Bestattungskosten nicht nur in Höhe der Pauschale von 10.300 Euro abzugsfähig sind. Sie sind vielmehr in vollem Umfang als Nachlassverbindlichkeiten bei der Bemessung der Erbschaftsteuer steuermindernd zu berücksichtigen. Da die Feststellungen des FG nicht ausreichten, um die Höhe der insgesamt zu berücksichtigenden Nachlassverbindlichkeiten zu bestimmen, wurde das Verfahren zurückverwiesen.
Beachten Sie | Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde der Erbfallkostenpauschbetrag von 10.300 Euro auf 15.000 Euro erhöht. Nach der Gesetzesbegründung soll so ein individueller Kostennachweis in der Mehrzahl der Fälle vermieden werden können. Die Erhöhung gilt für Erwerbe, für die die Steuer ab dem Monat entsteht, der der Gesetzesverkündung folgt.
Urteil 2: Freibeträge
Hintergrund: Je näher das verwandtschaftliche Verhältnis ist, umso höher ist bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer der Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG. So gelten für Kinder 400.000 Euro. Dieser Betrag gilt auch für die Enkelkinder, sofern die Kinder des Erblassers bereits vorher gestorben sind. Bei Enkeln, deren Eltern noch leben, beträgt der Freibetrag 200.000 Euro.
Im Streitfall hatte der Vater des Klägers gegenüber seinem eigenen Vater (dem Großvater des Klägers) vertraglich auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet. Als der Großvater verstarb, wurde sein Enkel gesetzlicher Erbe. Dieser beantragte beim Finanzamt, ihm für die Erbschaft einen Freibetrag i. H. von 400.000 Euro zu gewähren. Das Finanzamt bewilligte aber nur einen Freibetrag i. H. von 200.000 Euro, da sein eigener Vater zwar auf seinen gesetzlichen Erbteil verzichtet hatte, aber beim Tod des Großvaters noch lebte.
Die Klage vor dem FG Niedersachsen war ebenso erfolglos wie die Revision beim BFH.
Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG benennt als Empfänger des höheren Freibetrags „Kinder verstorbener Kinder“. Diese Formulierung ist dahingehend zu verstehen, dass die Kinder des Erblassers tatsächlich verstorben sind. Die Vorversterbensfiktion des § 2346 Abs. 1 S. 2 BGB bewirkt nicht, dass das erbverzichtende Kind als „verstorbenes Kind“ im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG gilt und dessen Abkömmlinge den Freibetrag i. H. von 400.000 Euro erhalten.
Die Freibetragsregelungen sollen die Abkömmlinge der ersten Generation (Kinder) begünstigen. Bei den Enkeln hat der Gesetzgeber die familiäre Verbundenheit nicht als so eng angesehen und gewährt somit einen geringeren Freibetrag (200.000 Euro). Lediglich, wenn die eigene Elterngeneration vorverstorben ist, sieht der Gesetzgeber die Großeltern für das Auskommen der „verwaisten Enkel“ in der Pflicht und gewährt ihnen den höheren Freibetrag von 400.000 Euro.
Beachten Sie | Eine Ausdehnung des höheren Freibetrags auf Kinder, die nur vom Gesetz als verstorben angesehen werden, die aber tatsächlich bei Tod des Großelternteils noch leben, hat der Gesetzgeber nicht gewollt.
Quelle | Nachlassverbindlichkeiten: BFH, Urteil vom 10.7.2024, II R 31/21, PM 43/24 vom 14.11.2024; Freibeträge: BFH, Urteil vom 31.7.2024, II R 13/22, PM 41/24 vom 14.11.2024
| Wird ein zur Finanzierung eines vermieteten Grundstücks aufgenommenes Darlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung getilgt, ist die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften ausVermietung und Verpachtung abziehbar. Das gilt zumindest dann, wenn das Grundstück weiterhin zur Vermietung genutzt wird. |
Das war geschehen
Eheleute erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus insgesamt fünf Vermietungsobjekten. Dazu gehörten die Objekte X1 und X2.
Für die im Jahr 2013 erfolgte Anschaffung der beiden Objekte nahmen die Eheleute zwei Darlehen auf. Ein Darlehen über 200.000 Euro diente der Finanzierung des Objekts X1. Mit dem anderen Darlehen über 195.000 Euro wurde das Objekt X2 finanziert. Eine den Eheleuten ebenfalls gehörende Immobilie Y diente der Bank als Zusatzsicherheit. Die Immobilie Y wurde von den Eheleuten zunächst selbst bewohnt und diente anschließend zur Erzielung von Vermietungseinkünften.
Im Streitjahr 2020 veräußerten die Eheleute die Immobilie Y. Im Zuge dieser Veräußerung lösten sie auch die beiden Darlehen für die Objekte X1 und X2 ab. Denn die Bank war nicht bereit, den Wegfall des „Sicherungsobjekts Y“ hinzunehmen oder durch eine andere Sicherung zu ersetzen. Dafür fielen Vorfälligkeitsentschädigungen an (4.338 Euro und 4.280 Euro).
In der Steuererklärung für 2020 wich das Finanzamt von den Angaben der Eheleute ab, u. a. berücksichtigte es die Vorfälligkeitsentschädigungen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, weil die Vorfälligkeitsentschädigungen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung der Immobilie Y stünden. Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen sah das aber anders.
Finanzgericht: Auch Vorfälligkeitsentschädigungen sind Schuldzinsen
Schuldzinsen sind als Werbungskosten abzugsfähig, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Der Begriff der Schuldzinsen umfasst auch eine zur vorzeitigen Ablösung eines Darlehens gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung. Denn Vorfälligkeitsentschädigungen sind ein Nutzungsentgelt für das auf die verkürzte Laufzeit in Anspruch genommene Fremdkapital. Wird ein zur Finanzierung eines vermieteten Grundstücks aufgenommenes Darlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung getilgt, das Grundstück jedoch weiterhin zur Vermietung genutzt, ist die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.
Im Streitfall standen die beiden Darlehen niemals in einem Veranlassungszusammenhang mit dem Objekt Y. Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Rechtsprechung einen Veranlassungszusammenhang der Vorfälligkeitszinsen mit einer Veräußerung des Grundbesitzes sieht, betrifft dies Fälle, in denen es um die Veräußerung des mit den Darlehen finanzierten Grundbesitzes geht.
Dies trifft für das Objekt Y jedoch nicht zu. Denn für dieses Objekt wurden die Darlehen ursprünglich nicht aufgenommen. Und durch die Veräußerung des nur als Sicherungsobjekt dienenden Grundstücks Y hat sich der Veranlassungszusammenhang nicht geändert.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 30.10.2024, 3 K 145/23; BFH, Urteil vom 11.2.2014, IX R 42/13
| Bei einem (echten) Verkehrsunfall muss die Haftpflichtversicherung für die Schäden aufkommen. Aber was ist, wenn die Versicherung von einer Unfallmanipulation ausgeht? Dann muss sie beweisen, dass der Geschädigte mit dem „Unfall“ einverstanden war. Das Landgericht (LG) Lübeck hat eine solche Manipulation kürzlich verneint und die Versicherung zur Zahlung verurteilt. |
War der Unfall manipuliert?
Ein junger Mann feierte eine Party im Hause der Eltern. Um zwei Uhr nachts fuhr ein Gast rückwärts gegen das Auto des Gastgebervaters. Der Vater forderte die Haftpflichtversicherung zum Schadenersatz auf, doch die weigerte sich. Sie meinte, der Gast sei – in Absprache mit dem Gastgeber – absichtlich gegen das Auto gefahren, um die Versicherungssumme zu kassieren.
Landgericht: Es gab keine Verabredung zum Unfall
Das Gericht hat entschieden, dass die Versicherung die Schäden ersetzen muss. Der Fahrer und weitere Partygäste wurden zu dem Vorfall befragt und ein technischer Sachverständiger hinzugezogen. Daraus habe sich ergeben, dass der Fahrer aus Versehen gegen das Auto des Vaters gefahren sei und es gerade keine Verabredung zu einem manipulierten Unfall gegeben habe.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Lübeck, Urteil vom 26.9.2024, 3 O 193/22, PM vom 11.11.2024
| Bei kleinen unfallbedingten Schäden darf der Geschädigte einen Schadengutachter einschalten. Wenn der statt eines umfassenden Gutachtens ein dem Schadenumfang angepasstes „schmales“ Produkt zu einem Preis von ca. 100 Euro erstellt, ist das in Ordnung. So entschied aktuell das Amtsgericht (AG) Münster. |
Das AG: Weder sei ein Kostenvoranschlag generell kostenlos noch sei es sicher, dass die Werkstatt die Kosten dafür später verrechnet.
Das AG Münster weiter: Bei Schäden am Stoßfänger kann es auch sachgerecht sein, diesen demontieren zu lassen, um darunter liegende Schäden auszuschließen. Die dafür entstehenden Kosten muss ebenfalls der Schädiger erstatten.
Quelle | AG Münster, Urteil vom 12.9.2024, 8 C 477/24
| Jeder Fahrgast ist verpflichtet, sich in einem Linienbus festzuhalten. Diesen Grundsatz hat das Amtsgericht (AG) München jetzt noch einmal bekräftigt. |
Bus machte Vollbremsung
Der zum Unfallzeitpunkt 76-jährige Kläger fuhr als Fahrgast in einem Busanhänger eines Busses . Das Busgespann fuhr auf der Rechtsabbiegespur auf eine rote Ampel zu, als ein PKW kurz vor diesem auf dieselbe Abbiegespur wechselte, weshalb der Busfahrer eine Vollbremsung durchführte.
Der Kläger behauptete, er sei hierdurch gestürzt und habe Prellungen im Bereich der Brustwirbelsäule und des Beckens erlitten, zudem sei sein Daumensattelgelenk überdehnt worden. Er habe vier Wochen unter Schmerzen gelitten und sei bis heute nicht beschwerdefrei. Vor dem AG verklagte er den Fahrer des überholenden PKW sowie dessen Versicherung auf Zahlung von 2.000 Euro Schmerzensgeld sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Vollständiges Mitverschulden des Fahrgasts
Das AG wies die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme ab. Es ging zwar davon aus, dass die Fahrweise des beklagten PKW-Fahrers zum Sturz des Klägers beigetragen habe und dass die StVO ihm für den Spurwechsel ein Höchstmaß an Sorgfaltspflicht auferlege, gegen die er verstoßen habe. Die Haftung des PKW-Fahrers sei jedoch aufgrund des vollständigen Mitverschuldens des Klägers ausgeschlossen. Denn jeder Fahrgast sei verpflichtet, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen. Dies diene dem Schutz der Fahrgäste.
Die klägerseits eingenommene stehende Position war nicht geeignet, um bei einer Bremssituation gesichert zu sein. Vorliegend zeigte nämlich ein Video der Businnenkamera, dass der Kläger sich lediglich mit der linken Hand an dem Handlauf festhielt und seine rechte Hand auf dem mitgeführten Einkaufstrolley ruhte. Die Stabilisierung mit der linken Hand sei zu schwach, um ruckartige Bremsungen auszugleichen. Der Trolley biete keinen Halt, da er selbst bei der Vollbremsung herumgewirbelt wird, wie auf dem Video zu sehen sei. Der Trolley stellte eher eine Behinderung dar, weil der Kläger ihn auch während des Sturzes nicht losließ und sich daher auch mit der rechten Hand keinen festen Halt suchte.
Weitere Fahrgäste kamen nicht zu Fall
Dies zeige sich auch daran, dass keine anderen Passagiere im Rahmen der Vollbremsung stürzten, soweit auf den eingesehenen Videos der Businnenkamera zu sehen ist. Vielmehr hielt sich z. B. eine ältere Dame, die einen der Sitzplätze direkt hinter dem Kläger belegt hatte, an der dortigen Stange fest und rutschte (im Gegensatz zu ihrer Tasche) nicht von ihrem Sitz.
So sei dem Kläger – auch aufgrund seines Alters und des Mitführens des Trolleys – vorzuwerfen, dass er sich nicht hingesetzt hat. Wie auf dem Video zu sehen sei, waren ausreichend Sitzplätze vorhanden, auch wenn der Kläger das Gegenteil behauptete. Direkt hinter dem Kläger sei z. B. ein Sitzplatz frei gewesen, der überdies eine Haltestange zum Festhalten geboten hätte.
Vollbremsung nicht überraschend
Es habe sich hier auch nicht um eine völlig überraschende – wenn auch heftige – Vollbremsung gehandelt, da im Stadtverkehr regelmäßig mit heftigen Bremsungen gerechnet werden müsse. Hinzu komme, dass der Bus unstreitig bereits ca. 50 m vorher leicht gebremst hatte, wodurch der Kläger hätte feststellen können, dass seine Position ihm einen ungenügenden Halt verschaffte.
Quelle | AG München, Urteil vom 18.10.2024, 338 C 15281/24, PM 35/24
| Ob ein Partner trotz Kontaktverbots nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) an einer WhatsApp-Gruppe teilnehmen darf, der auch seine frühere Lebensgefährtin angehört, hängt von der Größe der Gruppe ab. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm. |
Annäherung mittels Fernkommunikationsmitteln untersagt
Gegenüber dem ehemaligen Lebensgefährten einer Frau bestand ein Näherungs-, Abstands- und Kontaktverbot nach dem GewSchG. Er durfte sich mit dieser danach auch nicht mittels Fernkommunikationsmitteln in Verbindung setzen. Die Frau wandte sich gerichtlich u. a. dagegen, dass der Mann eine WhatsApp-Nachricht „Da kann sie wieder lachen“ in eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe einer Laufgruppe abgesetzt hatte. Das AG sah darin einen Verstoß gegen o. g. Verbot. Dieses umfasse jede Kommunikation mit der Frau über soziale Medien.
Das OLG widersprach dem AG. Es sei vielmehr zwischen kleinen und größeren WhatsApp-Gruppen zu differenzieren. Im konkreten Fall verneinte es daher einen Verstoß gegen das Kontaktverbot und stellte fest, dass nicht generell ein Verstoß gegen das Kontaktverbot angenommen werden kann, wenn etwas in einer gemeinsamen WhatsApp-Gruppe gepostet wird. Jenseits persönlich an die verletzte Person gerichteter Nachrichten sei vielmehr danach zu differenzieren, ob es sich um Gruppen von drei bis vier Teilnehmern handelt, oder um eine größere Gruppe.
So sind größere WhatsApp-Gruppen zu beurteilen
Bei größeren Gruppen trete die mit einem Post stets auch verbundene persönliche Ansprache des einzelnen Mitglieds meist so in den Hintergrund, dass ein grundsätzliches Verbot, Nachrichten an die Gruppe zu schicken, zum Schutz vor Nachstellungen und Belästigungen nicht erforderlich ist. Würde man alle Aktivitäten in einer WhatsApp-Gruppe verbieten, würde die Handlungsfreiheit des Betroffenen zu sehr eingeengt. Das OLG hob hervor, dass der Mann hier die Frau auch nicht persönlich angesprochen hatte.
Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 24.9.2024, 13 WF 105/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Revisionen zweier Angeklagter gegen ein Urteil des Landgerichts (LG) Mönchengladbach verworfen, mit dem sie jeweils wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu Geldstrafen von 180 Tagessätzen verurteilt worden sind. |
Nach den vom LG getroffenen Feststellungen nahm die später verstorbene, damals 13-jährige und an Diabetes mellitus Typ I erkrankte Schülerin E. an einer mehrtägigen, klassen- und jahrgangsübergreifenden Studienfahrt ihrer Schule nach London teil. Die beiden Angeklagten, die an der Schule als Lehrkräfte unterrichteten, waren gleichberechtigt für die Organisation und Durchführung der Fahrt zuständig. Ihnen war weder die später Verstorbene noch deren Erkrankung bekannt. Sie nahmen keinen Einblick in die Schulakten, in denen die Erkrankung der Schülerin vermerkt war, informierten sich hierüber nicht bei den damaligen Klassen- und Fachlehrern und fragten chronische Vorerkrankungen nicht schriftlich ab. E. erbrach sich in London mehrfach, klagte über Kopfschmerzen und Übelkeit, war müde und körperlich geschwächt. Obwohl zwei Mitschülerinnen die beiden Angeklagten mehrfach auf den fortdauernd schlechten Gesundheitszustand von E. hinwiesen, hielten diese keine Nachschau. E. verstarb noch in London an einem Herzinfarkt in Folge einer schweren diabetischen Stoffwechselentgleisung.
Die durch die Sachrügen der Angeklagten veranlasste Überprüfung des Urteils durch den BGH hat einen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil nicht erkennen lassen. Das LG hat insbesondere rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Angeklagten gegen die ihnen obliegende Sorgfalt objektiv und subjektiv verstießen. Die erhobenen Verfahrensrügen sind ebenfalls erfolglos geblieben. Das Verfahren ist damit rechtskräftig abgeschlossen.
Quelle | BGH, Beschluss vom 18.12.2024, 3 StR 292/24, PM 6/25
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen hat jetzt die Stadt Gelsenkirchen verpflichtet, einen sogenannten „Behindertenparkplatz“ vor der Wohnung eines schwerbehinderten Mannes einzurichten. |
Kläger hatte außergewöhnliche Gehbehinderung
Der 77-jährige Kläger ist schwerbehindert mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung. Für derart eingeschränkte Personen sieht die Straßenverkehrsordnung (hier: § 45 Abs. 1 b) Nr. 2 StVO) die Möglichkeit vor, einen sogenannten „Behindertenparkplatz“ auszuweisen. In der unmittelbaren Nähe zur Wohnung kann dies auch personenbezogen („Mit Ausweis Nr…“) erfolgen.
Voraussetzung ist allerdings neben dem Umstand, dass in dem Bereich nicht ausreichend freie Parkplätze auf der öffentlichen Straße vorhanden sind und dass die betroffene Person keine anderweitige Möglichkeit zum Abstellen außerhalb des öffentlichen Straßenraums hat – etwa eine Garage oder Stellplatz auf dem Grundstück. Zwar verfügt das Haus des Klägers über eine Garage. Der Kläger hat aufgrund seiner Behinderung jedoch keine Möglichkeit, von der im Keller gelegenen Garage in seine Wohnung zu kommen, da er weder die Zufahrtsrampe noch eine im Gebäude befindliche schmale und steile Treppe bewältigen kann. Er kann deshalb die Garage nicht nutzen. Auch die Zufahrt zur Garage ist nicht dazu geeignet, das Fahrzeug abzustellen, da sie zu steil und zu schmal ist.
So sah es die beklagte Stadt
Die beklagte Stadt Gelsenkirchen verwies den Kläger darauf, sein Fahrzeug parallel zur Fahrbahn auf der Straße vor der Garageneinfahrt abzustellen. Aufgrund des vor der Einfahrt nach den allgemeinen Vorschriften der StVO geltenden Parkverbots dürfe außer ihm niemand dort parken.
So sah es das Verwaltungsgericht
Dieser Auffassung konnte sich das VG nicht anschließen. Unabhängig davon, ob der vom Parkverbot erfasste Platz für das Abstellen eines Pkw ausreichen würde (die eigentliche Einfahrt ist nur 3 m breit), darf im konkreten Fall auch der Kläger nicht vor seiner Einfahrt parken. Denn für die Zufahrt ist der Bordstein abgesenkt, sodass dort ein generelles Parkverbot gilt, das auch den Inhaber der Garage erfasst. Dieses Parkverbot dient nämlich nicht nur der Sicherung der Zufahrtsmöglichkeit zur Garage, sondern auch dem Interesse gehbehinderter Menschen daran, den Gehweg – etwa zum Überqueren der Straße – verlassen zu können. Der Kläger muss sich daher nach Auffassung des VG nicht darauf verweisen lassen, dass die Stadt die durch ihn begangene Ordnungswidrigkeit nicht verfolgt. Ihm steht aufgrund der Umstände des Einzelfalls vielmehr ein Anspruch auf die Ausschilderung eines „rechtssicheren“ Sonderparkplatzes zu.
Quelle | VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5.11.2024, 14 K 1401/24, PM vom 7.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat u. a. entschieden: Als Familienangehörige im Sinne der Eigenbedarfskündigung sind ausschließlich die Personen anzusehen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen nach der Zivilprozessordnung oder der Strafprozessordnung (hier: § 383 ZPO, § 52 StPO) zusteht. Cousins zählen hierzu nicht. |
Das war geschehen
Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, begehrt nach Ausspruch einer Kündigung wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter von den Beklagten die Räumung und Herausgabe einer an diese vermieteten Wohnung. Die Klägerin hatte das Gebäude, in dem sich die Wohnung befindet, nach deren Überlassung an die Beklagten erworben und ist dadurch als Vermieterin in das bestehende Mietverhältnis eingetreten. Zum damaligen Zeitpunkt hatte die Klägerin zwei Gesellschafter, die Cousins waren.
Die Beklagten haben die Kündigung für unwirksam gehalten und sich hierbei auf die Kündigungsbeschränkung des Bürgerlichen Gesetzbuchs berufen (hier: § 577 a Abs. 1 a S. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 der Kündigungsschutzklausel-Verordnung des Landes Berlin vom 13.8.13). Hiernach kann sich eine Personengesellschaft, an die vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter veräußert worden ist, erst nach Ablauf von zehn Jahren seit der Veräußerung für eine Kündigung der Wohnung gegenüber dem Mieter auf berechtigte Interessen berufen. Diese Kündigungsbeschränkung gilt indes nicht, wenn die im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs vorhandenen Gesellschafter derselben Familie angehörten. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass dies (auch) bei Cousins der Fall sei und deshalb die Kündigungsbeschränkung im Streitfall nicht eingreife.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: Den Begriffen „Familie“ und „Familienangehörige“ in den hier maßgeblichen Vorschriften kommt dieselbe Bedeutung zu. Hiervon sind ausschließlich die Personen umfasst, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen zusteht. Ein entfernterer Verwandter, der – wie ein Cousin – nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, gehört somit auch dann nicht zu dem privilegierten Personenkreis, wenn zwischen ihm und dem Vermieter eine enge persönliche Bindung besteht. Ebenso gilt die Privilegierung selbst im Fall einer engen persönlichen Verbundenheit zwischen den Mitgesellschaftern nicht, wenn das Verwandtschaftsverhältnis zwischen ihnen so entfernt ist, dass es sie nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt.
Der vom Gesetzgeber bezweckten Privilegierung von Familienangehörigen in den o. g. Vorschriften liegt eine typisierende Betrachtungsweise dahingehend zugrunde, dass zwischen den hiervon umfassten Personen aufgrund einer familiären Beziehung eine besondere persönliche Nähebeziehung anzunehmen ist. Vor diesem Hintergrund bedarf es für den vom Gesetzgeber privilegierten Personenkreis des (zusätzlichen) Vorliegens eines konkreten, tatsächlichen Näheverhältnisses nicht. Auch scheidet eine Erweiterung dieses geschützten Personenkreises aufgrund einer einzelfallbezogenen Prüfung des Vorliegens einer besonderen sozialen Nähe angesichts der dem Gesetz zugrunde liegenden typisierenden Betrachtungsweise aus.
Entscheidend ist damit letztlich, für welchen Personenkreis der Gesetzgeber durch die Verwendung des Begriffs der „Familie“ eine typischerweise vorliegende besondere soziale Bindung angenommen hat. Er hat eine solche Bewertung im Rahmen der auf der persönlichen Nähebeziehung und Verbundenheit gründenden Gewährung eines Zeugnisverweigerungsrechts aus persönlichen Gründen vorgenommen. Dort hat er objektive Kriterien nach dem Grad der familiären Beziehung aufgestellt und hierdurch den Personenkreis definiert, innerhalb dessen nach seiner Auffassung typischerweise eine persönliche Nähebeziehung besteht. Es ist sachgerecht, diese gesetzgeberischen Wertungen auch für die ebenfalls in der persönlichen Verbundenheit begründeten Privilegierungen von Familienangehörigen in den hier einschlägigen mietrechtlichen Bestimmungen heranzuziehen. Cousins sind (nur) Verwandte in der Seitenlinie im vierten Grad. Ihnen steht ein Zeugnisverweigerungsrecht (nach §383 ZPO, § 52 StPO) nicht zu. Sie gehören somit nicht zu derselben Familie im Sinne des § 577 a Abs. 1 a S. 2 BGB.
Quelle | BGH, Urteil vom 10.7.2024, VIII ZR 276/23, PM 145/24
| Wird einem Wohnungsmieter fristgerecht gekündigt, weil dieser mit der Mietzahlung in Rückstand geraten ist, lässt sich diese Kündigung nicht ohne Weiteres dadurch aus der Welt schaffen, dass der Mietrückstand nachträglich noch ausgeglichen wird. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal in einem aktuellen Urteil entschieden. Das LG hat die Mieterin zum Auszug aus der Wohnung verpflichtet, obwohl sie im laufenden Räumungsverfahren die offenen Mieten noch ausgeglichen hatte. |
Mieterin zahlte zwei Monatsmieten nicht
Im konkreten Fall klagten die Vermieter zunächst vor dem AG gegen ihre Mieterin auf Räumung der Mietwohnung. Vorausgegangen war eine Kündigung, die sie zur Sicherheit zweifach erklärt hatten: zum einen fristlos – aus wichtigem Grund -, zusätzlich aber auch fristgerecht wegen Verletzung der vertraglichen Zahlungspflicht. Beide Kündigungen begründeten die Vermieter u. a. damit, dass zwei Monatsmieten nicht bezahlt wurden.
Die Mieterin bestritt dies nicht und zahlte die beiden offenen Mieten schließlich während des laufenden Gerichtsverfahrens vollständig. Sie berief sich nun darauf, dass die Kündigung infolge der Zahlung unwirksam geworden sei. Das AG folgte dem nicht und verurteilte die Mieterin zur Räumung der Mietwohnung.
Zu Recht gekündigt
Die dagegen gerichtete Berufung zum LG hatte keinen Erfolg. Das LG bestätigte, dass die Kündigung wegen der rückständigen Mieten zu Recht erfolgt sei. Im Zeitpunkt der Kündigung sei die Mieterin mit zwei Monatsmieten im Rückstand gewesen und nur darauf komme es hier an.
Vermieter hatten fristlos und fristgerecht gekündigt
Die gesetzliche Regelung, wonach ein Mietrückstand nachträglich ausgeglichen werden und die Kündigung dadurch möglicherweise beseitigen könne, gelte in dieser Form nur für die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. Hier hatten die Vermieter daneben sicherheitshalber aber auch noch fristgerecht gekündigt. Eine solche „ordentliche“ Kündigung werde durch die nachträgliche Zahlung der Mieten nicht ohne Weiteres unwirksam. Bei einer fristgerechten Kündigung sei lediglich zu prüfen, ob es unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben für die Vermieterseite zumutbar sei, auf die Räumung zu verzichten, nachdem keine Rückstände mehr bestehen. Dafür sah das LG hier aber keine Anhaltspunkte.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 1.3.2024, 2 S 118/23, PM vom 30.9.2024
| Das Bundessozialgericht (BSG) musste sich mit der Frage befassen, wann die mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz neu gestaltete Auskunftspflicht von Angehörigen gegenüber dem Sozialamt greift. |
Vater lebte im Seniorenwohnheim und erhielt Hilfe zur Pflege
Der Vater des Klägers lebt in einem Seniorenwohnheim und erhält vom Sozialhilfeträger Hilfe zur Pflege. Er ist geschieden und hat neben dem Kläger noch einen weiteren Sohn, der im Jahr 2020 Student war.
Der Sozialhilfeträger erlangte im Internet Informationen über die Arbeitgeberin des Klägers, eine Digitalagentur mit über 100 Mitarbeitern und einem Honorarumsatz im hohen siebenstelligen Bereich, und seine dortige Position als Chief Technology Officer (CTO). Er teilte dem Kläger mit, es sei davon auszugehen, dass sein Bruttoeinkommen die Grenze von 100 000 Euro jährlich überschreite und verlangte Auskunft über sein Einkommen und sein Vermögen.
Hiergegen wandte sich der Kläger. Denn mit den genannten Informationen sei die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt. Es bestehe deshalb keine Auskunftspflicht.
So sah es das Landessozialgericht
Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat den Auskunftsbescheid aufgehoben. Zwar sei die o. g. Vermutungsregel mit den öffentlich zugänglichen Informationen aus dem Internet widerlegt. Im sich anschließenden Auskunftsverfahren sei aber ein gestuftes Vorgehen erforderlich: In einem ersten Schritt sei der Sozialhilfeträger lediglich berechtigt, Auskünfte über das Bruttojahreseinkommen des potenziell Unterhaltsverpflichteten einzuholen.
Erst, wenn auf dieser Grundlage die 100 000-Euro-Grenze tatsächlich überschritten sei, bestehe in einem zweiten Schritt ein umfassendes Auskunftsrecht, das sich auch auf Vermögen beziehe.
Mit seiner Revision rügt der beklagte Sozialhilfeträger, dass das vom LSG geforderte gestufte Auskunftsverfahren im Gesetz keine Stütze finde. Wenn zu vermuten sei, dass die Einkommensgrenze überschritten werde, bestehe auch eine Verpflichtung zur Auskunft über das Vermögen, damit der Sozialhilfeträger den Unterhaltsanspruch umfassend prüfen könne.
So sah es das Bundessozialgericht
Das BSG gab dem Kläger ebenfalls recht: Vermögensauskünfte können nach dem Angehörigen-Entlastungsgesetz erst dann verlangt werden, wenn die Einkommensgrenze von 100.000 Euro tatsächlich überschritten wird.
Mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz hat der Gesetzgeber zum 1.1.20 u. a. unterhaltsverpflichtete Kinder entlastet. Ein Unterhaltsrückgriff durch den Sozialhilfeträger auf ein erwachsenes Kind, dessen Eltern vom Sozialamt Leistungen erhalten, ist mit dem neu eingeführten § 94 Abs. 1 a SGB XII gegenüber dem früheren Recht beschränkt worden: Ein möglicher Unterhaltsanspruch der Eltern gegen ihre erwachsenen Kinder geht erst auf den Sozialhilfeträger über, wenn das Einkommen des Kindes einen Jahresbetrag von 100 000 Euro übersteigt. Dabei wird gesetzlich vermutet, dass diese Einkommensgrenze nicht überschritten wird. Erst, wenn die Vermutung widerlegt ist, kann Auskunft vom unterhaltsverpflichteten Kind verlangt und anschließend ein Unterhaltsrückgriff vom Sozialhilfeträger geltend gemacht werden. Dabei ist ggf. auch vorhandenes Vermögen zu berücksichtigen.
Legitim: Informationen aus dem Internet eingeholt
Auch das BSG ging davon aus, dass es hinreichende Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Mann ein Einkommen von mehr als 100.000 Euro habe. Dass der Sozialhilfeträger diese Anhaltspunkte aus dem Internet habe, sei nicht zu beanstanden. Die Auskunftspflicht sei aber zunächst auf das Einholen von Auskünften zu den Einkommensarten beschränkt. So habe es der Gesetzgeber gewollt. Denn er beabsichtigte, in erster Linie erwachsene Kinder pflegebedürftiger Eltern zu entlasten. Dem widerspräche es, die Auskunftspflicht auszuweiten.
Quelle | BSG, Urteil vom 21.11.2024, B 8 SO 5/23 R, PM 32/24
| Die dreijährige Verjährungsfrist des Anspruchs auf Stellen einer Bauhandwerkersicherung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) beginnt taggenau mit dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit. So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH). |
So ist die Verjährung geregelt
Der Anspruch auf Stellen einer Bauhandwerkersicherung, wonach der Unternehmer unter im BGB näher geregelten Voraussetzungen vom Besteller eine Sicherheitsleistung in Höhe der vereinbarten Vergütung verlangen kann, verjährt in der regelmäßigen – dreijährigen – Verjährungsfrist nach § 195 BGB. Nun hat der BGH die bisher offene Frage entschieden, wann die Verjährung beginnt.
So begründet der BGH seine Ansicht
Dass die Verjährungsfrist taggenau mit dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit beginnt, folgt für den BGH aus der entsprechenden Anwendung von § 604 Abs. 5, § 695 S. 2, § 696 S. 3 BGB auf diesen Anspruch. § 199 Abs. 1 BGB, wonach die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, ist daher nicht anzuwenden.
Quelle | BGH, Urteil vom 21.11.2024, VII ZR 245/23
| Die Anordnung einer Verbandsgemeindeverwaltung, mit der die Eigentümer eines Wohngebäudes zur Herstellung und dauerhaften Unterhaltung einer eigenen Löschwasserversorgung verpflichtet worden sind, ist ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz und gab dem hiergegen gerichteten Eilantrag statt. |
Grundstückseigentümer sollten Löschwasserversorgung herstellen und unterhalten
Das Gebäude der Antragsteller befindet sich – gemeinsam mit weiteren Höfen – einige Kilometer außerhalb der nächstgelegenen Ortslage. Die vorhandene Trinkwasserversorgung ist zu klein dimensioniert, um eine hinreichende Löschwasserversorgung sicherzustellen. Ein in der Mitte des Areals existierender Löschteich ist verschlammt und deshalb nicht nutzbar. Weil Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung zwischen den Grundstückseigentümern und der Verbandsgemeindeverwaltung scheiterten, verfügte diese schließlich, dass die Grundstückseigentümer die Löschwasserversorgung mit einer Wassermenge von 96 m³/h für eine Dauer von zwei Stunden herzustellen und zu unterhalten hätten. Gleichzeitig ordnete sie die sofortige Vollziehung des Bescheids an.
Hiergegen erhoben die Antragsteller Widerspruch und stellten den gerichtlichen Eilantrag.
Anordnung war ermessensfehlerhaft
Dieser Antrag hatte Erfolg. Die Anordnung sei ermessensfehlerhaft ergangen, so das VG. Zwar könnten Eigentümer baulicher Anlagen, für die keine ausreichende Löschwasserversorgung sichergestellt sei, nach dem Landesgesetz über Brandschutz, die allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (hier: gemäß § 31 Abs. 5 LBKG) zur Vorhaltung fehlender Löschmittel verpflichtet werden. Der Antragsgegner habe jedoch übersehen, dass unter Umständen eine geringere Löschwassermenge ausreichend sei. Denn das Regelwerk, auf das sich der Antragsgegner maßgeblich bezogen habe, sehe zwar im Grundsatz die geforderten 96 m³/h vor. Für ländliche Ansiedlungen von zwei bis zehn Anwesen sei jedoch nur ein Löschwasserbedarf von 48 m³/h anzusetzen.
Hiermit habe sich die Antragsgegnerin nicht auseinandergesetzt, obwohl sich dies nach der Anzahl der vorhandenen Anwesen aufgedrängt hätte. Der Begründungsmangel führe so zu einem Ermessensdefizit.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 14.11.2024, 3 L 1042/24.KO, PM 20/24
| Objektüberwachung und Bauleitung sind inhaltlich „zwei Paar Schuhe“. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt festgestellt. |
Architekt verlangte Honorar für Bauleitung
Ein Architekt rechnete Honorar für „Bauleitung“ ab. Er bezog sich auf die Leistungsphase 8 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Er konnte aber nicht nachweisen, entsprechende Objektüberwachungsleistungen erbracht zu haben.
So sahen es die Gerichte
Die Gerichte kamen dagegen zu der Auffassung, dass er als Bauleiter nach der Hessischen Bauordnung (hier: § 59 HBO) tätig sein sollte. Diese Person muss u. a. darüber wachen, dass die Baumaßnahme nach den genehmigten Bauvorlagen bzw. – soweit eine bauaufsichtliche Prüfung entfällt – nach den eingereichten Bauvorlagen ausgeführt wird.
Bei der Überwachungstätigkeit muss der Bauleiter auf den sicheren Betrieb der Baustelle achten. Dazu zählt, dass die Arbeiten der Unternehmen ohne gegenseitige Gefährdung und ohne Gefährdung Dritter durchgeführt werden können. Über die HOAI können diese Leistungen – so sie denn erbracht wurden – nicht abgerechnet werden.
Der Bauleiter, so das OLG, sei nach dem allgemeinen Sprachverständnis dafür zuständig, zu überwachen, dass die Baumaßnahme entsprechend den öffentlich-rechtlichen Anforderungen durchgeführt wird. Der Objektüberwacher dagegen schuldet eine Ausführung des Objekts gemäß der vertraglichen zivilrechtlichen Vereinbarung mit dem Bauherrn.
Der Architekt ging also leer aus. Da der Bundesgerichtshof (BGH) aktuell eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen hatte, ist die Entscheidung des OLG nun auch rechtskräftig.
Quelle | OLG Frankfurt, Urteil vom 11.5.2023, 22 U 19/22
| Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer nach der Gewerbeordnung (hier: § 108 Abs. 1 S. 1 GewO) bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform erteilen. Diese Verpflichtung kann er grundsätzlich auch dadurch erfüllen, dass er die Abrechnung als elektronisches Dokument zum Abruf in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach einstellt. So hat es jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Klägerin verlangte Abrechnungen in Papierform
Die Klägerin ist im Einzelhandelsbetrieb der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Für den Konzernverbund, dem die Beklagte angehört, regelt die Konzernbetriebsvereinbarung über die Einführung und Anwendung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs vom 7.4.2021, dass alle Personaldokumente, insbesondere Entgeltabrechnungen, über einen externen Anbieter in einem digitalen Mitarbeiterpostfach bereitgestellt werden und von den Beschäftigten über einen passwortgeschützten Online-Zugriff abrufbar sind. Sofern für Beschäftigte keine Möglichkeit besteht, über ein privates Endgerät auf die im digitalen Mitarbeiterpostfach hinterlegten Dokumente zuzugreifen, muss der Arbeitgeber ermöglichen, die Dokumente im Betrieb einzusehen und auszudrucken.
Auf Grundlage der Konzernbetriebsvereinbarung stellte die Beklagte ab März 2022 Entgeltabrechnungen nur noch elektronisch zur Verfügung. Dem widersprach die Klägerin und verlangte, ihr weiterhin Abrechnungen in Papierform zu übersenden.
Landesarbeitsgericht: Entgeltabrechnung war nicht ordnungsgemäß
Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat der Klage, mit der die Klägerin die Erteilung der Entgeltabrechnungen begehrt, stattgegeben. Es hat angenommen, die Entgeltabrechnungen seien ihr durch Einstellen in das Online-Portal nicht ordnungsgemäß erteilt. Bei Entgeltabrechnungen handele es sich um zugangsbedürftige Erklärungen. Ein digitales Mitarbeiterpostfach sei nur dann als Empfangsvorrichtung geeignet, wenn der Empfänger es – anders als die Klägerin im Streitfall – für den Erklärungsempfang im Rechts- und Geschäftsverkehr bestimmt habe.
Bundesarbeitsgericht: Arbeitgeber wahrt Textform
Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das LAG.
Erteilt der Arbeitgeber Entgeltabrechnungen, indem er diese in ein digitales Mitarbeiterpostfach einstellt, wahrt er damit grundsätzlich die von der Gewerbeordnung (hier: § 108 Abs. 1 S. 1 GewO) vorgeschriebene Textform. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abrechnung seines Entgelts ist eine sog. Holschuld, die der Arbeitgeber erfüllen kann, ohne für den Zugang der Abrechnung beim Arbeitnehmer verantwortlich zu sein. Es genügt, dass er die Abrechnung an einer elektronischen Ausgabestelle bereitstellt. Hierbei hat er den berechtigten Interessen der Beschäftigten, die privat nicht über die Möglichkeit eines Online-Zugriffs verfügen, Rechnung zu tragen.
Grundlage: Konzernbetriebsvereinbarung
Die in der Konzernbetriebsvereinbarung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) geregelte digitale Zurverfügungstellung der Entgeltabrechnungen greift nicht unverhältnismäßig in die Rechte der betroffenen Arbeitnehmer ein.
Das BAG war jedoch an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil bisher keine Feststellungen dazu getroffen worden sind, ob Einführung und Betrieb des digitalen Mitarbeiterpostfachs in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats fallen.
Quelle | BAG, Urteil vom 28.1.2025, 9 AZ R 48/24, PM 3/25
| Das Arbeitsgericht (ArbG) Aachen hat entschieden: Die Besonderheiten der Arbeitsleistung eines Profifußballtrainers können zwar die Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Im konkreten Fall scheiterte dies jedoch an dem Schriftformerfordernis. Die Kündigung des Fußballtrainers wegen der fehlenden erforderlichen Lizenz für die nächsthöhere Liga war hingegen gerechtfertigt. |
Das war geschehen
Die Beklagte ist für den Spielbetrieb der 1. Fußballmannschaft zuständig. Der Kläger war zunächst ab Anfang 2022 bei der Beklagten als Sportdirektor beschäftigt. Er ist Inhaber der Trainer-A-Lizenz (Trainerberechtigung für die Fußball-Regionalliga); über eine „Pro-Lizenz“ (Trainerberechtigung für die 3. Liga) verfügt der Kläger nicht. Seit Ende 2022 trainierte er die 1. Fußballmannschaft, die in der Regionalliga spielte. Ende Januar 2023 schlossen die Parteien einen ab 1.1.2023 geltenden, zunächst bis zum 30.6.2024 befristeten, Arbeitsvertrag ab. Der Vertrag enthielt je nach Platzierung eine Verlängerung und verschiedene Prämien.
Die Beklagte stellte den Kläger im August 2023 von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Grundvergütung frei. Mit Abschluss der Saison 2023/2024 stieg die 1. Fußballmannschaft der Beklagten in die 3. Liga auf und gewann den Mittelrheinpokal. Im Juni und Juli 2024 sprach die Beklagte drei ordentliche fristgerechte Kündigungen aus.
Sachgrundbefristung gerechtfertigt
Das ArbG entschied, dass die Sachgrundbefristung eines Profifußballtrainers wegen der Eigenart der Arbeitsleistung grundsätzlich nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (hier: § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG) gerechtfertigt ist. Es sei Aufgabe des Cheftrainers, dafür zu sorgen, dass die Spieler die von ihnen geforderte Spitzenleistungen abrufen. Hierfür sei er als zentraler, prägender Leiter der Mannschaft zuständig. Das Erfordernis, dass die Spieler als Individuum und im Kollektiv Spitzenleistungen erbringen müssten, gebiete es, kurzfristig reagieren zu können, wenn diese Spitzenleistungen nachlassen oder ausbleiben. Ein kurzfristiger Austausch wesentlicher Teile der Mannschaft sei nicht möglich.
Formelle Mängel der Befristung...
Die Befristung des Arbeitsvertrags im vorliegenden Fall sei aus formellen Gründen gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam, da die Leistung der Unterschriften nach Aufnahme der Tätigkeit durch den Kläger erfolgte.
... aber Kündigung wirksam
Demgegenüber sei die Kündigung des Profifußballtrainers wegen des Fehlens der erforderlichen „Pro-Lizenz“ für die 3. Liga wirksam. Der Erwerb der erforderlichen Lizenz liege im Verantwortungsbereich des Trainers. Bis zum Zeitpunkt des Aufstiegs in die 3. Liga habe der Kläger trotz Freistellung einen Anspruch auf Vergütung und die Zahlung der Prämien. Nach Aufstieg in die 3. Liga habe der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung oder Prämien, da er die Voraussetzung für die Tätigkeit als Cheftrainer nicht erfüllt habe.
Quelle | ArbG Aachen, Urteil vom 19.11.2024, 8 Ca 3230/23, PM 1/25
Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht
| Säumniszuschläge werden festgesetzt, wenn die Zahlung nicht pünktlich erfolgt. Nach der Abgabenordnung (hier: § 240 AO) ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen Steuerbetrags zu entrichten, umgerechnet auf das Jahr also 12 %. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass wegen des deutlichen und nachhaltigen Anstiegs der Marktzinsen, der seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 zu verzeichnen ist, jedenfalls seit März 2022 keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Zuschläge bestehen. |
Darüber hinaus hat der BFH in diesem Verfahren Folgendes entschieden: Wenn das Finanzamt zwar Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt, deren Wirkung aber von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig macht, bewirkt die spätere Leistung der Sicherheit im Regelfall, dass die AdV mit (Rück-)Wirkung ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung eintritt und zuvor etwaig entstandene Säumniszuschläge entfallen.
Beachten Sie | Das Finanzamt kann allerdings ausdrücklich anordnen, dass die Wirkung der AdV erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung der Sicherheit beginnt.
Quelle | BFH, Beschluss vom 21.3.2025, X B 21/25 (AdV)
| Eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft steht der Anerkennung einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft grundsätzlich nicht entgegen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Eine Organschaft führt bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dazu, dass nicht mehr die Organgesellschaft ihren Gewinn zu versteuern hat, sondern der Organträger.
Beachten Sie | Die gemäß Körperschaftsteuergesetz (hier: §§ 14 ff. KStG) enthaltenen Regelungen für die Organschaft führen im Ergebnis dazu, dass z. B. in Konzernen die Konzernspitze (als Organträger) die Gewinne sämtlicher Tochtergesellschaften (als Organgesellschaften) zu versteuern hat, aber Verluste und Gewinne der verschiedenen Tochtergesellschaften dabei auch unmittelbar miteinander verrechnet werden können. Insbesondere dieser steuerliche Vorteil hat zu einer weiten Verbreitung der Organschaft in Deutschland geführt.
Das war geschehen
Im Streitfall hatte eine Kommanditgesellschaft (KG) mit einer GmbH einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, um eine Organschaft zu begründen. Danach war die „abhängige“ GmbH als Organgesellschaft verpflichtet, den ganzen von ihr erwirtschafteten Gewinn an die KG als Organträger abzuführen.
Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass an der GmbH als Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung bestand.
Bundesfinanzhof widerspricht Vorinstanzen
Da dem atypisch still Beteiligten ein Anteil von 10 % des Gewinns der GmbH zustand, vertraten das Finanzamt und nachfolgend auch das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern die Auffassung, dass lediglich 90 % des Gewinns an die KG als Organträger abgeführt worden sei, das Gesetz aber die Abführung des ganzen Gewinns fordere. Die Organschaft sei daher insgesamt nicht anzuerkennen. Dem ist der BFH aber nun entgegengetreten.
§ 14 Abs. 1 KStG setzt einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 des Aktiengesetzes (AktG) und die strikte Erfüllung der zivilrechtlichen Vertragspflichten voraus. Was als ganzer Gewinn abzuführen ist, bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Gewinnbeteiligungen, die einem stillen Gesellschafter zustehen, sind im Zivilrecht aber als Geschäftsunkosten vom Gewinn der GmbH abzusetzen. Dies betrifft sowohl die typische als auch die atypisch stille Gesellschaft.
Folglich ist der hiernach verbleibende „Rest-Gewinn“ (im Streitfall also die 90 %) der ganze Gewinn, der an den Organträger abgeführt werden muss. Dass eine (typische oder atypische) stille Beteiligung zivilrechtlich als Teilgewinnabführungsvertrag qualifiziert wird, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.12.2024, I R 33/22, PM 21/25 vom 3.4.2025
| Wenn eine per E-Mail versandte Werklohnrechnung gehackt und unbefugt verändert wird und der Kunde deshalb an einen unbekannten Dritten zahlt, muss er nicht noch einmal an den Werkunternehmer zahlen, wenn dieser die Rechnung ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung versandt hat und deshalb gegen ihn ein Schadenersatzanspruch gemäß Datenschutz-Grundverordnung (hier: Art. 82 DS-GVO) besteht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, erneut ihre Werklohnforderung zu zahlen, nachdem der Betrag wegen einer Manipulation der per E-Mail versandten Rechnung durch kriminell handelnde Dritte dem Konto eines Unbekannten gutgeschrieben wurde.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für die Installation von Haustechnik. Sie führte für die Beklagte Installationsarbeiten durch und rechnete die erbrachten Leistungen ihr gegenüber in drei Abschlagsrechnungen ab. Diese wurden jeweils als Anlage zu einer E-Mail im PDF-Format übersandt. Die ersten zwei Abschlagsrechnungen beglich die Beklagte per Überweisung an die auf den Rechnungen angegebenen Bankverbindungen der Klägerin.
Die dritte Abschlagsrechnung über rund 15.000 Euro, die zugleich die Schlussrechnung war, versandte die Klägerin ebenfalls als Anlage im PDF-Format per E-Mail. Diese Rechnung war jedoch auf ungeklärte Weise durch einen Dritten manipuliert worden, so dass die Beklagte den Rechnungsbetrag auf das Konto des unbekannten Dritten überwies. Auf dem Konto der Klägerin ging deshalb auf die Schlussrechnung keine Zahlung ein.
Keine Erfüllung durch Zahlung an unbekannten Dritten
Das Landgericht (LG) hat die Beklagte deshalb zur erneuten Zahlung verurteilt, weil eine Erfüllung durch die Zahlung an den unbekannten Dritten nicht eingetreten ist. Es hat ausgeführt, dass die Klägerin auch keine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat, sodass die Beklagte keinen Schadenersatzanspruch hat, den sie der Klageforderung gemäß § 242 BGB entgegenhalten kann. Die Klägerin hat nach Auffassung des LG keine Pflichtverletzung begangen, weil die von ihr vorgetragenen Schutzvorkehrungen in Form einer Transportverschlüsselung per SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) über TLS (Transport Layer Security) beim E-Mail-Verkehr mit Vertragspartnern ausreichend sind.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG hat in zweiter Instanz das Urteil des LG geändert und die Klage abgewiesen. Es hat entschieden, dass die Zahlung der Beklagten an einen Dritten zwar keine Erfüllung der Forderung bei der Klägerin bewirkt. Im Gegensatz zum Landgericht hat es jedoch einen Schadenersatzanspruch der Beklagten bejaht, den diese der Werklohnforderung der Klägerin nach § 242 BGB entgegenhalten kann, so dass sie die Forderung nicht noch einmal bezahlen muss.
Dieser Schadenersatzanspruch ergibt sich nach der Entscheidung des OLG aus Art. 82 Abs. 2 DS-GVO, weil die Klägerin im Zuge der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Beklagten bei Versand der streitgegenständlichen E-Mail mit Anhang gegen die Grundsätze der Art. 5, 24 und 32 DS-GVO verstoßen hat. Das OLG hält die Transportverschlüsselung, die beim Versand der streitgegenständlichen E-Mail in Form von SMTP über TLS verwendet worden sein soll, nicht für ausreichend und damit auch nicht als zum Schutz der Daten „geeignet“ im Sinne der DS-GVO.
Das OLG hob hervor, dass heute jedem Unternehmen, das personenbezogene Daten seiner Kunden computertechnisch verarbeitet, bewusst sein muss, dass der Schutz dieser Daten hohe Priorität – auch beim Versenden von E-Mails – genießt. Unternehmen müssen diesen Schutz durch entsprechende Maßnahmen so weit wie möglich gewährleisten.
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unabdingbar
Gerade bei sensiblen oder persönlichen Inhalten ist nach der Entscheidung des OLG nur eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Schutz im Sinne der DS-GVO geeignet, wenn ein hohes finanzielles Risiko durch Verfälschung der angehängten Rechnung für den Kunden besteht. Dass Kunden von Unternehmen bei einem Datenhacking Vermögenseinbußen drohen, ist ein Risiko, das dem Versand von Rechnungen per E-Mail immanent ist und deshalb eine entsprechende Voraussicht und ein proaktives Handeln erfordert. Der dafür erforderliche technische und finanzielle Aufwand kann auch von einem mittelständischen Handwerksbetrieb erwartet werden, wenn es seine Rechnungen nicht per Post versendet.
Quelle | OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.12.2024, 12 U 9/24, PM 1/25
| Wer im Zusammenhang mit seiner kommunalpolitischen Tätigkeit Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder erhält (im Streitfall ein ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats), erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Diese sind im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung zu verbeitragen. Dies hat jedenfalls das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen entschieden. |
Das LSG Nordrhein-Westfalen stellte heraus: Für die Zuordnung von Einnahmen zum Arbeitseinkommen ist die steuerliche Abgrenzung der Einkunftsarten maßgebend. Bei Anlegung dieser Maßstäbe handelt es sich auch bei den Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer kommunalpolitischen Tätigkeit in Gestalt von Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern erzielt werden, um Arbeitseinkommen nach dem Sozialgesetzbuch IV (hier: § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV).
Gegen dieses Urteil ist die Revision beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig.
Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.3.2024, L 5 KR 551/21, Rev. BSG: B 6 a/12 KR 12/24 R
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Die Verwendung von geschlechtsspezifischen Sterbetafeln bei der Bewertung lebenslänglicherNutzungen und Leistungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot. |
Hintergrund: Die Heranziehung geschlechterdifferenzierender Sterbetafeln dient dem Ziel, die Kapitalwerte lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen mit zutreffenden Werten zu erfassen und eine Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.
Da die statistische Lebenserwartung von Männern und Frauen unterschiedlich hoch ist, ermöglichen die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Vervielfältiger genauere und realitätsgerechtere Bewertungsergebnisse als geschlechtsneutrale Vervielfältiger.
Beachten Sie | Die Anwendung der geschlechtsspezifischen Sterbetafeln kann sich für den Steuerpflichtigen je nach Fallkonstellation günstiger oder ungünstiger auswirken und führt nicht per se zu einer Benachteiligung aufgrund des eigenen Geschlechts.
Der BFH musste nicht entscheiden, welche Auswirkungen sich aus dem am 1.11.2024 in Kraft getretenen Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) für die Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen ergeben.
Quelle | BFH, Urteile vom 20.11.2024, II R 38/22, II R 41/22, II R 42/22; PM 23/25 vom 10.4.2025
| Aufwendungen des Steuerpflichtigen für einen Umzug in eine andere Wohnung, um dort (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs(BFH) auch, wenn der Steuerpflichtige – wie in Zeiten der Corona-Pandemie – zwangsweise zum Arbeiten im häuslichen Bereich angehalten ist oder durch die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren sucht. |
Das war geschehen
Eheleute lebten mit ihrer Tochter in einer 3-Zimmer-Wohnung und arbeiteten nur in Ausnahmefällen im Homeoffice. Ab März des Streitjahrs 2020 (zunächst bedingt durch die Corona-Pandemie) arbeiteten sie überwiegend im Homeoffice, dort im Wesentlichen im Wohn-/Esszimmer. Ab Mai 2020 zogen sie in eine 5-Zimmer-Wohnung, in der sie zwei Zimmer als häusliches Arbeitszimmer einrichteten und nutzten.
Den Aufwand für die Nutzung der Arbeitszimmer und die Kosten für den Umzug in die neue Wohnung machten die Eheleute als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte zwar die Aufwendungen für die Arbeitszimmer an, mangels beruflicher Veranlassung lehnte es den Abzug der Kosten für den Umzug jedoch ab.
Demgegenüber bejahte das Finanzgericht (FG) Hamburg den Werbungskostenabzug auch für die Umzugskosten. Der Umzug in die größere Wohnung sei beruflich veranlasst gewesen, da er zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen geführt habe.
Dem folgte der BFH aber (aus Steuerzahlersicht „leider“) nicht und bestätigte die ablehnende Entscheidung des Finanzamts.
Wohnung: privater Lebensbereich
Die Wohnung ist grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Daher zählen die Kosten für einen Wohnungswechsel regelmäßig zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung. Etwas anderes gilt nur, wenn die berufliche Tätigkeit den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel dargestellt hat und private Umstände allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben.
Beachten Sie | Dies ist aber nur aufgrund außerhalb der Wohnung liegender Umstände zu bejahen, etwa wenn
- der Umzug Folge eines Arbeitsplatzwechsels gewesen ist oder
- sich die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit durch den Umzug um mindestens eine Stunde täglich vermindert
Die Möglichkeit, in der neuen Wohnung (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, genügt nicht zur Begründung einer beruflichen Veranlassung des Umzugs. Es fehlt insoweit an einem objektiven Kriterium, das nicht auch durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist.
Die Entscheidung, in der neuen, größeren Wohnung (erstmals) ein Zimmer als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer „Arbeitsecke“ auszuüben, beruht auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatz verfügt oder durch die Arbeit im Homeoffice versucht, das Berufs- und Familienleben zu vereinbaren.
Quelle | BFH, Urteil vom 5.2.2025, VI R 3/23, PM 24/25 vom 17.4.2025
| Ein mit einem Preisgeld dotierter Wissenschaftspreis kann nur dann Arbeitslohn darstellen, wenn er dem Arbeitnehmer für Leistungen verliehen wird, die er gegenüber seinem Dienstherrn erbracht hat. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Fall eines Professors entschieden. |
Der Professor hatte die Habilitationsschriften überwiegend vor der Berufung in das Professorendienstverhältnis verfasst. Der preisbewehrten Habilitation lag zwar eine wissenschaftliche Forschungsleistung zugrunde. Diese gründete aber nicht auf der Forschungstätigkeit als Hochschullehrer. Wissenschaftspreis und Preisgeld stellten sich daher nicht als „Frucht“ dieser Tätigkeit dar.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 12/22
| Kann in Deutschland steuerpflichtigen Personen eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen inder Schweiz gewährt werden? Das Finanzgericht (FG) Köln hält das für möglich und hat sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar mit deutscher und schweizerischer Staatsbürgerschaft wohnte in der Schweiz. Der Ehemann war als Arbeitnehmer in Deutschland tätig und unterhielt hierfür eine Wohnung in Deutschland. Für das gemeinsame Haus in der Schweiz beauftragten die Eheleute verschiedene Handwerks- und Gartenbauarbeiten i. S des Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 a EStG) und begehrten eine Ermäßigung ihrer Einkommensteuer.
Das Finanzamt lehnte dies jedoch ab, weil die Dienstleistungen in der Schweiz ausgeführt wurden (vgl. § 35 a Abs. 4 S. 1 EStG). Hiergegen erhoben die Eheleute erfolgreich Klage.
Freizügigkeitsabkommen
Das FG Köln bezweifelt, ob es mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist, dass die Steuerermäßigung nur für Dienstleistungen beansprucht werden kann, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt ausgeübt oder erbracht werden.
Beachten Sie | Bis zur Entscheidung des EuGH ist das Verfahren ausgesetzt.
Quelle | FG Köln, Beschluss vom 20.2.2025, 7 K 1204/22; PM vom 25.3.2025; EuGH: C-223/25
| Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen, z. B. Sachverständigengutachten, sind in der Regel nicht notwendig und werden daher nicht erstattet. Das ist der Grundsatz, von dem die Rechtsprechung ausgeht. Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme – wie eine Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Senftenberg anschaulich zeigt. |
Schwierige technische Fragestellungen
Ausnahmsweise werden nach dieser Entscheidung die Kosten z. B. für das Einholen eines privaten Sachverständigengutachtens unter anderem als notwendige Kosten anerkannt, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind. Gleiches gilt, wenn aus Sicht des Betroffenen aus einer Anfangsbetrachtung ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre.
Amtsgericht hält Kosten ausnahmsweise für erstattungsfähig
Diese Grundsätze hat das AG in seiner Entscheidung bestätigt. Es hat die Kosten für ein Sachverständigengutachten, mit dem die Messdaten einer Geschwindigkeitsmessung überprüft worden sind, daher als erstattungsfähig angesehen.
Quelle | AG Senftenberg, Urteil vom 28.2.2024, 50 OWi 1617 Js 22408/22
| Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h liegenden Tempo fährt, muss seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten. Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des Navigationssystems kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entschieden. |
Konzentrieren und Gerätebedienen ist gefährlich
Geklagt hatte eine Autovermieterin gegen den Fahrer eines vermieteten Pkw. Der Fahrer war auf der Autobahn verunfallt und hatte den Wagen beschädigt. Während er auf der linken Spur fuhr, bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs bei Tempo 200, um dort Informationen abzurufen. Dabei geriet das Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke.
Mietvertrag sah Kürzung der Haftungsfreistellung vor
Das Gericht verwies auf die Vereinbarung im Mietvertrag. Danach könne die Haftungsfreistellung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt werden. Der Fahrer habe hier grob fahrlässig gehandelt. Die Autovermieterin könne daher die Hälfte des Schadens – ca. 12.000 Euro – bei ihm geltend machen.
Für das Gericht war es dabei unerheblich, dass der Pkw einen sog. Spurhalteassistenten hatte. Zumindest bei derart hohen Geschwindigkeiten reduziere dieser den Schuldvorwurf nicht.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 2.5.2019, 13 U 1296/17
| Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie beschäftigt immer noch die Gerichte. Aktuell hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden: Die Mitglieder einer Fahrgemeinschaft waren auch in der Corona-Hochphase für gegenseitige Ansteckungen nicht verantwortlich zu machen. Eine auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage eines Mitfahrers hat das LG deshalb abgewiesen. |
Im Frühjahr 2022 stieg der Mitfahrer ohne Maske zu seinem Kollegen ins Auto, um gemeinsam zur Arbeit zu fahren. Am Abend desselben Tages schrieb er in die WhatsApp-Gruppe der Fahrgemeinschaft, dass er positiv getestet sei und sich in Quarantäne befinde.
Fahrer behauptete Ansteckung und verlangte Schmerzensgeld
Der schon zuvor an Asthma erkrankte Fahrer behauptete im Prozess, er habe sich während der gemeinsamen Fahrt mit dem Coronavirus infiziert und sei nun dauerhaft arbeitsunfähig („Post-Covid-Syndrom“). Der Mitfahrer schulde ihm daher Schmerzensgeld in Höhe von nicht unter 20.000 Euro, weitere 4.000 Euro Schadenersatz und müsse darüber hinaus für zukünftig auftretende Schäden einstehen.
Landgericht: Reine Gefälligkeit – keine Haftung
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Im Rahmen der wechselseitigen Gefälligkeit einer Fahrgemeinschaft sei bereits unter den Gesichtspunkten eines stillschweigenden Haftungsverzichts und des Handelns auf eigene Gefahr eine gegenseitige Haftung ausgeschlossen. Es sei zudem aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie allgemein bekannt gewesen, dass enger persönlicher Kontakt die Hauptinfektionsquelle darstellte. Obwohl der unter Asthma leidende Fahrer bemerkt habe, dass sein Kollege beim Einsteigen keine Maske trug, habe er ihn nicht gebeten, eine solche aufzusetzen. Er habe sich daher erkennbar trotz seiner Vorerkrankung dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Dass er sich keine Gedanken über einen ungünstigen Verlauf einer Infektion mit möglichen Dauer- und Folgeschäden gemacht habe, rechtfertige keine andere Beurteilung.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 16.12.2024, 7 O 110/24, PM vom 31.1.2025
| Mit der Frage, ob ein 13-jähriges Kind für einen Glasschaden an einem Schaufenster verantwortlich ist, hat sich das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. |
Glasbruch nach Nutzung eines Spielgeräts
Das Kind hatte in der Fußgängerzone von Frankenthal ein festmontiertes Spielgerät in Gestalt einer Drehscheibe genutzt und war beim Absteigen gegen ein daneben befindliches Schaufenster getaumelt. Für den dadurch entstandenen Glasbruch muss das Kind nicht haften, entschied das LG und hat die Klage der Ladenbesitzer abgewiesen.
Der Junge gab an, dass er auf dem Schulweg an dem Spielgerät vorbeigekommen sei. Er habe sich auf das Karussell gestellt, das ein Freund gedreht habe, zunächst langsam, dann immer schneller. Nachdem der Freund die Drehung gestoppt habe, sei er rückwärts gegen die keine drei Meter entfernte Fensterscheibe getaumelt, die daraufhin zerbrochen sei.
Schaden schuldhaft verursacht?
Die Ladenbesitzer warfen dem Jungen vor, den Schaden schuldhaft verursacht zu haben. Er sei bereits zu alt gewesen für das Karussell, zudem habe er sich damit zu schnell gedreht. Die Sturzgefahr und der mögliche Glasbruch seien für ihn erkennbar gewesen.
Landgericht: kein Verschulden des Kindes!
Das LG ging zwar davon aus, dass sich der 13-Jährige der grundsätzlichen Stolpergefahr durchaus bewusst und auch hinreichend einsichtsfähig war. Beides ist erforderlich, damit Minderjährige in diesem Alter überhaupt selbstständig haften. Gleichwohl konnte das LG das für einen Schadenersatzanspruch erforderliche Verschulden des Kindes nicht feststellen. Denn der Junge habe die Drehscheibe bestimmungsgemäß genutzt. Es sei gerade Sinn und Zweck des Karussells, trotz der Drehbewegung die Balance zu halten und der Gefahr des Herunterfallens zu trotzen. Das Kind sei weder zu alt noch zu groß für das Spielgerät gewesen.
Das Gericht hat nicht verkannt, dass die Ladenbesitzer nun auf ihrem Glasschaden sitzen bleiben. Dies resultiert gemäß LG jedoch daraus, dass unsere Rechtsordnung – von einigen hier nicht vorliegenden Sonderfällen abgesehen – dem Prinzip der Verschuldenshaftung folgt.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 29.11.2024, 9 O 27/24, PM vom 19.12.2024
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Bürgergeldempfänger gelten nicht als hilfebedürftig, wenn sie ein (zu) großes Einfamilienhaus gebaut haben und dessen Wert zur Sicherung des Lebensunterhalts nutzen können. |
Familie hatte während Bürgergeldbezug größeres Haus gebaut
Dem Verfahren lag ein Eilantrag einer Familie aus dem Emsland zugrunde. Diese hatte ihr selbstbewohntes Hausgrundstück für 514.000 Euro verkauft, nachdem sie während des Bürgergeldbezugs ein neues Haus gebaut hatte. Aufgrund des erzielten Verkaufserlöses hob der Grundsicherungsträger die Leistungsbewilligung auf.
Demgegenüber vertrat die Familie die Auffassung, das neue Haus sei geschütztes Vermögen und dürfe nicht zur Deckung des Lebensunterhalts herangezogen werden. Zudem berief sie sich auf die gesetzliche Karenzzeit von 12 Monaten, während der auch großzügige Wohnverhältnisse voll finanziert werden müssten.
Landessozialgericht: Familie nicht bedürftig
Das LSG bestätigte die Auffassung der Behörde. Die Familie sei nicht bedürftig, da das neue Hausgrundstück mit 254 m² Wohnfläche und sieben Bewohnern kein geschütztes Vermögen darstelle. Eine Verwertung des Vermögens zur Sicherung des Lebensunterhalts sei durch Beleihung möglich. Bei einem Verkehrswert von 590.000 Euro und einer Grundschuld von 150.000 Euro stehe ein unbelasteter Wert von 440.000 Euro zur Verfügung.
Die Berufung auf die gesetzliche Karenzzeit lehnte das Gericht ebenfalls ab. Die Regelung diene dem Zweck, dass Leistungsempfänger nicht sofort ihr angespartes Vermögen, etwa für die Altersvorsorge, aufbrauchen müssen, wenn sie nur vorübergehend auf Bürgergeld angewiesen sind. Die Karenzzeit solle dabei helfen, plötzliche Härten abzufedern.
Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um eine unerwartete Notlage, sondern um langjährige Leistungsbezieher, die ihre Wohnsituation und ihr Immobilienvermögen optimieren wollten. So habe die Familie als Verkaufsgrund des alten Hauses angegeben, die Entfernung zur Innenstadt sei ihnen zu weit gewesen.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.1.2025, L 11 AS 372/24 B ER, PM vom 20.1.2025
| Der gezahlte Reisepreis kann um 30 Prozent gemindert werden, wenn das Gepäck des Pauschalreisenden beim Hinflug zu spät ausgeliefert wird und deshalb während einer Kreuzfahrt in die Arktis nicht zur Verfügung steht. So entschied es das Landgericht (LG) München II zugunsten der Reisenden. |
Es ging um eine Expeditionsreise
Der Kläger und seine Mutter hatten im Jahr 2023 bei der Beklagten eine elftägige Pauschalreise nach Norwegen mit anschließender Kreuzfahrt „Auf den Spuren der Eisbären“ gebucht. Während des Hinflugs kam es zu einer verspäteten Auslieferung aller Gepäckstücke der Reisenden. Der Kläger und seine Mutter meldeten ihr Gepäck als verloren und erstatteten unverzüglich Schadensanzeige. Vor der Abfahrt des Schiffs kauften sie in Outdoor-Läden in Norwegen das Notwendigste ein. An Bord gab es eine Boutique und einen Wäscheservice. Schuhe und Parka für die Expeditionen an Land wurden gestellt. Die Beklagte erstattete den Reisenden außergerichtlich 25 Prozent vom gezahlten Reisepreis und 1.500 Euro (von 2.306,07 Euro) für die Ersatzbeschaffungen. Vor Gericht machte der Kläger den Restbetrag für die Ersatzbeschaffungen, weitere 15 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und einen „Schadenersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreuden“ geltend.
Landgericht sprach Minderung zu
Das LG sprach dem Kläger eine Minderung in Gesamthöhe von 30 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und für die Ersatzbeschaffungen weitere 516,20 Euro zu; einen Anspruch auf Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wies das LG jedoch ab.
Das LG begründete seine Entscheidung damit, dass das Fehlen von Gepäck mit persönlichen Gegenständen des Reisenden einen Reisemangel darstellt. Weil der Veranstalter jedoch keine besondere Kleiderordnung bei den Mahlzeiten und die Ausrüstung für die Expeditionen zur Verfügung gestellt hatte und es einen Wäscheservice an Bord gab, erachtete das Gericht eine Minderung von 30 Prozent des gezahlten Reisepreises als ausreichend und angemessen.
Bei den Ersatzbeschaffungen (Verbrauchsartikel, Grund- und Funktionsbekleidung) hatte der Reiseveranstalter unter anderem einen Abschlag für Vermögensvorteile vorgenommen, weil die Reisenden die Sachen nach der Rückkehr weiterhin nutzen können. Das Gericht folgte dem Argument der Beklagten nicht, soweit es sich um „Funktionskleidung“ handelte, denn der Kläger und seine Mutter hatten das Gericht davon überzeugt, dass sie die eigens für eine Expedition in die Arktis gekaufte Funktionsbekleidung nicht mehr benötigten. Anders sah es das Gericht bei den Verbrauchsartikeln (Waschmittel, Zahnpasta, etc.) – die Reisenden erhielten ihre Koffer bei der Rückkehr von der Reise zurück und konnten die darin enthaltenen Verbrauchsartikel (weiter) nutzen.
Schadenersatzanspruch abgelehnt
Einen Schadenersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit lehnte das Gericht ab, weil der Kläger und seine Mutter aufgrund der Möglichkeit von Ersatzbeschaffungen in Longyearbyen und an Bord sowie wegen der ihnen zur Verfügung gestellten Ausrüstungsgegenstände (Schuhe, Parka) an der Kreuzfahrt und den Expeditionen an Land teilnehmen konnten, was Sinn undZweck der gebuchten Expeditionsreise war.
Quelle | Landgericht München II, Endurteil vom 10.1.2025, 14 O 2061/24, PM 1/25
| Ein Ehemann kann nach der Trennung von seiner Frau verlangen, die Nutzungsverhältnisse an einem gemeinsamen Haus neu zu ordnen. Das stellte das Oberlandesgericht (OLG) Celle fest. |
Ärzteehepaar trennte sich
Nachdem sich ein Ärzteehepaar getrennt hatte, wollte der Mann in ein gemeinsames Haus des Paares ziehen. Doch dort wohnte seine Schwiegermutter. In der ihr allein gehörenden Ehewohnung lebte die Frau mit den gemeinsamen Kindern. Der Mann schlief zunächst in seiner Praxis, dann bei Bekannten. Schließlich wohnte er zur Untermiete.
Den Eheleuten gehörte aber hälftig noch das von der Schwiegermutter bewohnte Einfamilienhaus mit Garten. Dieser wollte der Mann wegen Eigenbedarf kündigen. Dazu war die Mitwirkung seiner Ehefrau erforderlich. Das lehnte sie ab. Sie meinte, der Mann wolle sie nur zwingen, ihrer Mutter zu kündigen. Auch habe er noch ein weiteres Haus. Der Mann klagte.
Amtsgericht: Eigenbedarf nicht genügend dargelegt
Das Amtsgericht (AG) wies seine Klage ab. Der Mann habe den Eigenbedarf nicht hinreichend dargelegt. Da die Schwiegermutter eine nahe Angehörige sei, könne ihre Tochter selbst Eigenbedarf anmelden. So zog der Mann vor das OLG.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG gab dem Mann Recht. Ihm sei seit der Trennung ein Festhalten am Mietverhältnis nicht länger zuzumuten. Auch habe er seinen Eigenbedarf ausreichend dargelegt. Er hatte vorgetragen, dass sein jetziges Mietverhältnis nur befristet war. Ein ständiges Wohnen in der Praxis sei ihm nicht zuzumuten. Ein Umzug in das andere Haus sei ihm ebenfalls nicht zuzumuten, da dieses noch ein Rohbau sei und er auch kein Geld für einen Umzug habe. Nach all dem sah das OLG den geltend gemachten Eigenbedarf nicht als „offensichtlich aussichtslos“ an. Vor allem sei die Frau in der Lage, ihre Mutter in der Ehewohnung und einer nicht genutzten Einliegerwohnung aufzunehmen.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 19.2.2025, 21 UF 237/24
| Wer einen überschuldeten Nachlass erbt, kann innerhalb einer Frist von sechs Wochen das Erbe ausschlagen. Sonst gilt die Erbschaft als angenommen und er haftet für die dem Nachlass zuzuordnenden Schulden. War dem Erben nicht bekannt, dass der Nachlass überschuldet ist, kann noch die Anfechtung wegen Irrtums helfen. Mit den Voraussetzungen dafür hat sich jetzt das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. Es hat entschieden, dass der als Erbe eingesetzte Sohn eines Verstorbenen nicht für die Beerdigungskosten aufkommen muss, weil er die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten hat. |
Witwe verlangte Bestattungskosten von Sohn des Verstorbenen
Der Verstorbene hatte seinen Sohn aus erster Ehe testamentarisch zu seinem Erben bestimmt. Die beiden pflegten zuletzt keinen Kontakt mehr zueinander. Nach dem Tod übernahm zunächst die Witwe die Bestattungskosten von rund 7.500 Euro und wollte diese vom Sohn erstattet haben, da dieser die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte. Daraufhin erklärte der Sohn die Anfechtung der Erbschaftsannahme. Er habe nicht gewusst, dass die Bestattungskosten zu den Nachlassverbindlichkeiten gehörten und der Nachlass damit überschuldet sei.
Irrtum über die Beerdigungskosten
Dieser Argumentation hat sich das LG angeschlossen. Der Sohn habe die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten und müsse daher nicht für die Beerdigungskosten aufkommen. Die Anfechtung wegen unerkannter Überschuldung eines Nachlasses sei ein in der Rechtsprechung anerkannter Anfechtungsgrund. Sie setze voraus, dass der Anfechtende eine wesentliche Forderung gegen den Nachlass irrtümlich übersieht. Hier seien die Bestattungskosten eine wesentliche Forderung, da der Nachlass überschuldet sei, wenn man sie berücksichtige. Es sei auch glaubhaft, dass sich der Sohn über die Beerdigungskosten geirrt habe. Denn die Witwe habe ihm noch zu Lebzeiten des Vaters mitgeteilt, für die Beerdigung könne der Erlös aus dem Verkauf eines Pkw verwendet werden. Daher durfte der Sohn davon ausgehen, als Erbe seines Vaters nicht für die Bestattung aufkommen zu müssen, so die Kammer. Wenn kein Erbe in Anspruch genommen werden kann, muss die Witwe als Ehefrau nach den Vorschriften des Landesrechts selbst für die Beerdigungskosten aufkommen, so das LG.
Quelle | Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 27.2.2025, 8 O 189/24, PM vom 31.3.2025
| Die Kosten eines Vaterschaftsanerkennungsverfahrens können zwischen dem im Verfahren ermittelten biologischen Vater und der Mutter hälftig geteilt werden. Weder der Umstand, dass der Vater nicht bereits auf Basis eines Privatgutachtens zur Anerkennung der Vaterschaft bereit war, noch, dass er nach Angaben der Mutter der einzige Verkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit war, rechtfertigen eine alleinige Kostenlast des Vaters. So entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |
Streit um Kosten
Die Beteiligten streiten über die Kosten eines Abstammungsverfahrens. Die Mutter des Kindes hatte angegeben, mit dem sog. Putativvater (also dem, der als möglicher Vater in Betracht kommt) in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehrs gehabt zu haben. Ein außergerichtlicher Vaterschaftstest hatte diesen als Vater festgestellt. Das Kind begehrte daraufhin, die Vaterschaft des Putativvaters gerichtlich festzustellen. Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens stellte das Amtsgericht (AG) die biologische Vaterschaft des Putativvaters fest und legte die Verfahrenskosten hälftig der Mutter und dem nun festgestellten Vater auf.
So sah es das Oberlandesgericht
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Mutter gegen die Auferlegung der Hälfte der Kosten. Dies hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das AG habe im Ergebnis zutreffend die Kosten nach billigem Ermessen zwischen der Kindesmutter und dem Kindesvater hälftig geteilt, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Bei einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren handele es sich nicht um ein echtes Streitverfahren. Neben dem Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens könnten deshalb weitere Umstände von Bedeutung sein. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten sei allerdings regelmäßig unbillig, da es selbst nicht zur Unsicherheit an der Vaterschaft beigetragen habe.
Hier sei es nicht angemessen, dem Vater die alleinigen Kosten aufzuerlegen. Er habe insbesondere nicht „grob schuldhaft“ das Verfahren veranlasst. Ihm sei es vielmehr nicht zumutbar gewesen, die Vaterschaft bereits außergerichtlich ohne gutachterliche Klärung der biologischen Abstammung durch Sachverständigengutachten anzuerkennen. Allein die Angabe der Mutter, sie habe in der Empfängniszeit nur mit dem Vater verkehrt, genüge zur Begründung eines groben Verschuldens nicht. Vielmehr habe der Vater berechtigte Zweifel ans einer Vaterschaft haben dürfen. Unwidersprochen habe er mit der Kindesmutter in der Empfängniszeit keine Beziehung geführt und auch nicht mit ihr zusammengelebt. Damit hätten ihm konkrete Einblicke in die Lebensverhältnisse der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit gefehlt. Für ihn habe damit auch keine Möglichkeit bestanden, abzuschätzen oder zu beurteilen, ob die Mutter des Kindes zu weiteren Männern eine intime Beziehung unterhalten habe.
Außergerichtlicher Vaterschaftstest schließt gerichtliche Überprüfung nicht aus
Auf den bereits außergerichtlich durchgeführten Vaterschaftstest habe er sich nicht verlassen müssen. Er könne vielmehr geltend machen, dass er angesichts der hohen rechtlichen Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Abstammungsgutachtens eine gerichtliche Überprüfung wünsche. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass „beide Eltern das Verfahren über eine Entscheidung über die Abstammung dadurch gleichermaßen veranlasst haben, dass sie innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben. Damit erscheint es in der Regel auch gerechtfertigt, die Kosten eines solchen Verfahrens gleichmäßig auf beide Eltern zu verteilen“, unterstrich das OLG.
Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 13.1.2025, 6 WF 155/24, PM 4/25
| Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung ist so zu verstehen, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, sofern diese nicht bereits von Dritten erbracht und dem Architekten zur Verfügung gestellt wurden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden. |
Ein Architekt war mündlich damit beauftragt worden, die Baugenehmigung für die Erweiterung eines Gasthofs einzuholen. Damit war klar, dass er die Leistungsphase 4 im Leistungsbild Gebäude und Innenräume sowie Tragwerksplanung erbringen musste. Da er vom Auftraggeber nur Bestandszeichnungen erhalten hatte, die nicht an eine Vor- oder Entwurfsplanung heranreichten, verlangte er auch das Honorar für diese notwendigen Leistungen. Der Auftraggeber weigerte sich. Er meinte, er habe nur die Genehmigungsplanung beauftragt.
Das OLG gab dem Architekten Recht und sprach ihm das Honorar für die Leistungsphasen 1 bis 4 zu. Es komme nicht auf die Regelungen der HOAI, sondern auf den Inhalt des konkreten Auftrags an. Nicht entscheidend sei, ob die Parteien einen schriftlichen oder mündlichen Vertrag geschlossen, sondern was sie tatsächlich vereinbart haben. Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung müsse dann so verstanden werden, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, da diese notwendige Voraussetzung für die Erstellung der Genehmigungsplanung ist. Etwas anderes gelte nur, wenn die vorangehenden Planungsleistungen bereits von Dritten erbracht wurden und dem Architekten zur Verfügung gestellt werden.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2022, 4 U 142/20
| Beauftragt ein Bauträger einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt vom Architekten nur die Überprüfung einzelner Maße, übernimmt der Bauträger das mit der begrenzten Überprüfung verbundene Risiko selbst. Er kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin als Bauträgerin machte gegen den beklagten Architekten im Wege einer Schadenersatzklage i. H. v. 100.000 Euro wegen mangelhafter Architektenleistungen bei der Planung einer Wohnungseigentumsanlage geltend. Die Klägerin ist der Auffassung, die die Pläne des Vermessungsingenieurs überarbeitende Wohnflächenberechnung des Beklagten für bestimmte Bestandsgebäude habe eine zu geringe Wohnfläche ausgewiesen. Der Beklagte habe zugesichert, dass die Abweichungen der Wohnflächen von den Bestandsplänen des Vermessers unter einem Prozent lägen, tatsächlich gebe es Abweichungen bis zu 8%. Zahlreiche Wohnungen seien daher mit zu geringer Flächenangabe verkauft worden und deshalb sei ein Mindererlös entstanden.
Der Beklagte bestreitet eine fehlerhafte Flächenermittlung, die sich ohnehin nur auf die örtliche Überprüfung der Maße aus den Bestandsplänen des Vermessers hinsichtlich der für die Werkplanung entscheidenden Stellen bezogen habe. Ein Auftrag zu einer kompletten Neuvermessung des Bestands sei gerade nicht erteilt worden.
Zudem meint die Klägerin, der Beklagte habe bei der Grundlagenermittlung übersehen, dass die Geschossdecken in einem Bestandsgebäude Betonhohlkörperdecken waren, die einen unerwartet hohen Sanierungsaufwand erforderten, und es versäumt, vor Baubeginn die Fundamente an der Seite zu einem anderen Grundstück zu überprüfen. Infolge dieser Planungsfehler hätten sich die Baukosten für das Bestandsgebäude deutlich erhöht. Die Umbaukosten beliefen sich somit auf mindestens 950.000 Euro. Ein vollständiger Abriss und Neubau hätte dagegen (nur) 752.499 Euro gekostet und wäre im Vergleich zu den tatsächlich entstandenen Kosten günstiger gewesen. Bei erzielbaren Verkaufserlösen abzüglich der Kosten für Abriss/Neubau hätte sich bei einem Neubau ein hoher sechsstelliger Überschuss ergeben. Der tatsächliche Überschuss durch den Umbau habe lediglich 107.000 Euro betragen.
Der Beklagte trägt hierzu vor, ihm sei vom Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt worden, dass es sich bei sämtlichen Bestandsdecken um Stahlbetonrippendecken handele. Eine Pflicht zur Überprüfung dieser Tatsache habe es nicht gegeben. Zudem habe sich die Klägerin in Kenntnis der Mehrkosten für eine Sanierung und gegen einen Abriss entschieden. Hinsichtlich des Fundaments sei die Klägerin bereits vor Beauftragung des Beklagten in Kenntnis gesetzt worden, dass dessen Tragfähigkeit ein Risiko darstelle. Sie habe dennoch entschieden, das Fundament erst im Zuge der Aushubarbeiten zu untersuchen, um Kosten einzusparen.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG stellte klar: Wie bei einem Bauvertrag kann auch zwischen einem Architekten und seinem Auftraggeber eine von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichende Ausführung vereinbart werden, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen.
Beauftragt eine Bauträgerin einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt sie vom Architekten, einzelne Maße zu überprüfen, übernimmt die Bauträgerin sehenden Auges das mit der begrenzten Überprüfung der Maße verbundene Risiko und kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Weist der Architekt seinen Auftraggeber darauf hin, dass die zu planende Wohnung ohne Sonnenschutz nicht funktioniert, muss der Auftraggeber erkennen, dass bei Umsetzung der Planung eine im Hinblick auf den Wärmeschutz nicht ausreichend funktionstüchtige Wohnung errichtet wird, und es bedarf keines weiteren Hinweises, dass dann (auch) die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten sind.
Macht der Auftraggeber eines Architekten geltend, dass er im Fall einer mangelfreien Beratung von der Sanierung eines Gebäudes abgesehen und einen profitableren Neubau errichtet hätte, schafft der Auftraggeber für eine Schadensschätzung bzw. Begutachtung nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn er nachvollziehbar darlegt, welches Gebäude mit welchen Eigenschaften er statt der Sanierung errichtet hätte.
Macht ein Auftraggeber geltend, bei einem mangelfreien Architektenwerk hätte er die zu errichtenden Wohnungen teurer verkaufen können, ist ein Schaden nur schlüssig dargelegt, wenn die Kalkulationsgrundlagen für den erzielten und den geltend gemachten Kaufpreis offengelegt werden und nachvollziehbar vorgetragen wird, dass ein höherer Kaufpreis am Markt hätte durchgesetzt werden können.
Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 17.12.2024, 10 U 38/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Aachen hat die Klage eines Realschullehrers auf Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Festsetzung von Erfahrungsstufen und mithin auf eine höhere Besoldung abgewiesen. |
Eine Tätigkeit als Anbieter von Cocktailkursen ist für die Tätigkeit als verbeamteter Lehrer nicht förderlich im besoldungsrechtlichen Sinne. Eine Tätigkeit ist allgemein förderlich, wenn sie für die Dienstausübung des Beamten nützlich bzw. von konkretem Interesse ist, d. h. wenn diese entweder erst aufgrund der früher gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht oder wenn sie jedenfalls erleichtert und verbessert wird.
Ausgehend hiervon kann die Tätigkeit als Betreiber einer Gesellschaft, die Cocktailkurse und Barcatering anbietet – auch wenn diese Tätigkeit über mehrere Jahre ausgeübt wurde – nicht als förderlich angesehen werden. Das Halten von Cocktailkursen ist weder qualitativ noch quantitativ mit der Tätigkeit eines Realschullehrers vergleichbar. So hat der Kläger im Rahmen seiner Cocktailschule insbesondere nicht mit Minderjährigen gearbeitet, sondern deren Angebot zielte auf die Schulung von Mitarbeitern aus dem Hotel-, Restaurant- und Cateringgewerbe. Auch sind die Anforderungen an die Erstellung eines Cocktailkurses nicht mit der Erstellung eines differenzierten Lehrplans für Schulunterricht in den Schulklassen 5 bis 10 vergleichbar.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 20.1.2025, 1 K 2377/23, PM vom 3.2.2025
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Ein Beschäftigungsverhältnis wird erst ab dem Beginn der Entgeltfortzahlung und nicht schon mit Abschluss des Arbeitsvertrags begründet. |
Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankgemeldet
Geklagt hatte ein 36-jähriger Arbeitsloser, dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld Ende Oktober 2023 auslief. Anfang Oktober unterschrieb der Mann einen Arbeitsvertrag als Lagerist bei einem Reinigungsunternehmen zu einem Monatslohn von 3.000 Euro brutto. Er trat die Arbeit jedoch nie an, da er sich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankmeldete. Zwei Wochen später kündigte die Firma innerhalb der Probezeit.
Krankenkasse zahlte kein Krankengeld
Die Krankenkasse des Mannes lehnte daraufhin die Zahlung von Krankengeld ab. Begründung: Es habe kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, da der Mann kein Einkommen erzielt habe.
Der Mann verklagte das Unternehmen und verlangte die Anmeldung zur Sozialversicherung ab dem Beginn des Arbeitsvertrags. Er vertrat dazu die Auffassung, dass bereits durch einen rechtsgültigen Vertrag, der eine Entgeltzahlung vorsehe, ein Beschäftigungsverhältnis zustande komme. Dies müsse auch gelten, wenn ihm der Arbeitsantritt krankheitsbedingt nicht möglich sei. Andernfalls würde er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit leer ausgehen.
Landessozialgericht gab Krankenkasse Recht
Das LSG vermochte sich der Rechtsauffassung des Klägers nicht anzuschließen. Der Arbeitgeber müsse ihn nicht zur Sozialversicherung anmelden, da ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht schon mit dem Beginn des Arbeitsvertrags entstanden sei. Erforderlich sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe. Dieser Anspruch entstehe jedoch bei neuen Arbeitsverhältnissen generell erst nach einer vierwöchigen Wartezeit.
Wartezeit war ohnehin nicht erfüllt
Diese gesetzliche Regelung solle verhindern, dass Arbeitgeber die Kosten der Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer tragen müssen, die direkt nach der Einstellung erkrankten. Der Gesetzgeber habe eine solche Konsequenz als unbillig angesehen.
Unabhängig davon müsse der Mann sich erst an seine Krankenkasse wenden, bevor er seinen Arbeitgeber verklage.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.1.2025, L16 KR 61/24
| Berufsgeheimnisträger können in ihrem Fahrtenbuch Schwärzungen vornehmen, soweit diese Schwärzungen erforderlich sind, um die Identitäten von Mandanten zu schützen. Diese Berechtigung ändert aber nichts an der grundsätzlichen Beweislastverteilung. Gegebenenfalls muss der Berufsträger substanziiert und nachvollziehbar darlegen, weshalb Schwärzungen in dem Umfang erforderlich waren und die berufliche Veranlassung der Fahrten durch ergänzende Angaben darlegen. So lautet eine Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Hamburg, gegen die die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig ist. |
Der Rechtsanwalt hatte die Eintragungen in der Spalte „Grund der Fahrt/besuchte Personen“– mit drei Ausnahmen – bei allen beruflichen Fahrten geschwärzt. Das war dem FG zu viel. Die Richter fanden es ungewöhnlich, dass ein Anwalt bei nahezu jeder geschäftlichen Fahrt geheimhaltungsbedürftige Daten in sein Fahrtenbuch einträgt. In der vorgelegten Form wurde das Fahrtenbuch deshalb nicht anerkannt.
Quelle | FG Hamburg, Urteil vom 13.11.2024, 3 K 111/21, Rev. BFH, VIII R 35/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Der sonntägliche Verkauf von Dekorationsartikeln und Christbaumschmuck in einem Gartenmarkt verstößt nicht gegen das Ladenöffnungsgesetz Nordrhein-Westfalen. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte betreibt Gartenmärkte in Nordrhein-Westfalen und verkaufte dort an einem Sonntag im November des Jahres 2022 neben Blumen und Pflanzen auch Dekorationsartikel und Christbaumschmuck. Die Klägerin hält dies für unlauter und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
So sahen es die Vorinstanzen
Das Landgericht (LG) hat die Klage mit Blick auf das von der Klägerin begehrte Verbot des Verkaufs von künstlichen Tannenzweigen, Motivanhängern, Zimtstangen und Glaskugeln abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsantrag weiter.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der sonntägliche Verkauf der in Rede stehenden Waren stellt keinen Wettbewerbsverstoß dar, weil sie dem Randsortiment zuzurechnen sind. Ihr Verkauf ist deshalb nach dem Ladenöffnungsgesetz Nordrhein-Westfalen (LÖG NW) an Sonn- und Feiertagen zulässig. Als kleinteilige Accessoires zu den von der Beklagten hauptsächlich angebotenen Blumen und Pflanzen haben Dekorationsartikel und Christbaumschmuck lediglich ergänzenden, in Umfang und Gewichtigkeit deutlich untergeordneten Charakter.
Die Zugehörigkeit von Waren zum Randsortiment richtet sich nach ihrer hauptsächlichen Zweckbestimmung und nicht nach ihrer darüber hinaus möglichen Nutzung. Zudem muss das Randsortiment – anders als das Kernsortiment – nicht zum sofortigen Ge- oder Verbrauch bestimmt sein. Auch ist nicht erforderlich, dass Waren des Randsortiments gleichzeitig oder kombiniert mit Waren des Kernsortiments erworben werden. Es stellt keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß dem Grundgesetz (hier: Art. 3 Abs. 1 GG) dar, dass das Randsortiment nur in den aufgrund ihres Kernsortiments privilegierten Verkaufsstellen sonn- und feiertags verkauft werden darf, in sonstigen Verkaufsstellen aber nicht. Die Differenzierung danach, ob das Kernsortiment den typischerweise an Sonn- und Feiertagen anfallenden Bedarf befriedigt, ist sachlich gerechtfertigt.
Quelle | BGH, Urteil vom 5.12.2024, I ZR 38/24, PM Nr. 230/24
| Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde die nationale Kleinunternehmerregelung mit Wirkung ab dem Jahr 2025 reformiert. Zudem kann die Kleinunternehmerregelung nun auch erstmalig im EU-Ausland in Anspruch genommen werden. Infolge der gesetzlichen Neuregelungen hat das Bundesfinanzministerium (BMF) ein Anwendungsschreiben veröffentlicht und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass entsprechend angepasst und ergänzt. |
„Echte“ Befreiung
Durch die Neuregelung sind von inländischen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze von der Umsatzsteuer nun befreit (zuvor wurde die Umsatzsteuer „nicht erhoben“). Die Folge ist, dass ein dennoch in einer Rechnung ausgewiesener Steuerbetrag unter den Voraussetzungen des Umsatzsteuergesetzes (hier § 14 c Abs. 1 UStG: „unrichtiger Steuerausweis“) geschuldet wird.
Rechnungen an Endverbraucher ausgenommen
Allerdings entsteht keine Umsatzsteuer, wenn der Kleinunternehmer eine Leistung (Lieferung oder sonstige Leistung) ausführt und hierüber eine Rechnung mit einem unrichtigen Steuerausweis an einen Endverbraucher stellt.
Bindend: Fünfjahresfrist
Zudem führt das BMF Folgendes aus: Ein vor 2025 erklärter Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung bindet den Unternehmer auch für die Zeit nach dem 1.1.2025 weiterhin für insgesamt mindestens fünf Kalenderjahre (§ 19 Abs. 3 S. 3 UStG).
Beachten Sie | Die Fünfjahresfrist ist vom Beginn des ersten Kalenderjahres an zu berechnen, für das die abgegebene Erklärung gilt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 18.3.2025, III C 3 - S 7360/00027/044/105
| Ein als Zahnarzt zugelassener Mitunternehmer übt im Rahmen eines Zusammenschlusses von Berufsträgern den freien Beruf selbst aus, wenn er neben einer ggf. äußerst geringfügigen behandelnden Tätigkeit vor allem und weit überwiegend organisatorische und administrative Leistungen für den Praxisbetrieb der Mitunternehmerschaft erbringt. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Ärzte und Zahnärzte erzielen aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 18 EStG). Dies gilt grundsätzlich auch bei einer Gemeinschaftspraxis.
Allerdings kann es Konstellationen geben, in denen die Einkünfte der Gesellschaft als gewerbliche Einkünfte (nach § 15 EStG) einzustufen sind – mit der Konsequenz der Gewerbesteuerpflicht. Und darum ging es in folgendem Fall:
Das war geschehen
Eine Partnerschaftsgesellschaft betreibt eine Zahnarztpraxis. Einem ihrer Seniorpartner oblag die kaufmännische Führung und die Organisation der ärztlichen Tätigkeit des Praxisbetriebs (z. B. Vertretung gegenüber Behörden und Kammern, Personalangelegenheiten, Instandhaltung der zahnärztlichen Gerätschaften).
Zahnarzt hatte im Jahr fünf Patienten
Der Seniorpartner war weder „am Stuhl“ behandelnd tätig noch in die praktische zahnärztliche Arbeit der Mitsozien und der angestellten Zahnärzte eingebunden. Er beriet im Streitjahr fünf Patienten konsiliarisch und generierte hieraus einen geringfügigen Umsatz.
Das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz stuften die Einkünfte der gesamten Gesellschaft als gewerblich ein. Dem folgte der BFH allerdings nicht: Alle Mitunternehmer erzielen Einkünfte aus freiberuflicher und damit selbstständiger Arbeit.
Die freiberufliche Tätigkeit ist durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Berufsträgers geprägt. Daher reicht die bloße Zugehörigkeit eines Gesellschafters zu einem freiberuflichen Katalogberuf nicht aus. Vielmehr muss positiv festgestellt werden können, dass jeder Gesellschafter die Hauptmerkmale des freien Berufs in seiner Person tatsächlich verwirklicht hat, also
- die persönliche Berufsqualifikation sowie
- das untrennbar damit verbundene aktive Entfalten dieser Qualifikation am Markt.
Die persönliche Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit im vorgenannten Sinne setzt allerdings nicht voraus, dass jeder Gesellschafter in allen Unternehmensbereichen leitend und eigenverantwortlich tätig ist und an jedem Auftrag mitarbeitet. Die eigene freiberufliche Betätigung eines Mitunternehmers kann auch in Form der Mit- und Zusammenarbeit stattfinden.
Beachten Sie | Einen Mindestumfang für die nach außen gerichtete qualifizierte Tätigkeit sieht das Gesetz nicht vor.
Eine freiberufliche zahnärztliche Tätigkeit ist demzufolge vorliegend anzunehmen. Auch in diesem Fall entfaltet der Berufsträger Tätigkeiten, die zum Berufsbild des Zahnarztes gehören.
Bundesfinanzhof: Führung und Organisation ist Grundlage für freiberufliche Tätigkeit
Beachten Sie | In diesem Zusammenhang stellte der BFH Folgendes heraus: Die kaufmännische Führung und Organisation der Personengesellschaft ist die Grundlage für die Ausübung der am Markt erbrachten berufstypischen zahnärztlichen Leistungen. Sie ist demzufolge auch Ausdruck seiner freiberuflichen Mit- und Zusammenarbeit sowie seiner persönlichen Teilnahme an der praktischen Arbeit.
Quelle | BFH, Urteil vom 4.2.2025, VIII R 4/22, PM 19/25 vom 27.3.2025
| Ein vermietetes Wohngebäude abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen, wird nicht durch die sogenannte Wohnraumoffensive steuerlich gefördert. Eine Sonderabschreibung gemäß Einkommensteuergesetz (hier: § 7 b Abs.1 EStG) ist nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) Köln nicht möglich. Allerdings haben die Steuerpflichtigen Revision eingelegt. |
Hintergrund: Für die Anschaffung oder Herstellung neuer Wohnungen können im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden drei Jahren Sonderabschreibungen bis zu jährlich 5 % der Bemessungsgrundlage neben der regulären Abschreibung in Anspruch genommen werden. Einige Voraussetzungen für die Sonderabschreibung im Überblick:
Baukostenobergrenze
- Bauantrag/-anzeige nach 31.8.2018 und vor 1.1.2022:
Anschaffungs-/Herstellungskosten max. 3.000 Euro pro qm Wohnfläche
- Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029:
Anschaffungs-/Herstellungkosten max. 5.200 Euro pro qm Wohnfläche
Maximal förderfähig Bemessungsgrundlage
- Bauantrag/-anzeige nach 31.8.2018 und vor 1.1.2022:
2.000 Euro pro qm Wohnfläche
- Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029:
4.000 Euro pro qm Wohnfläche
Energieeffizienz
Bei Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029: Effizienzvorgaben („Effizienzhaus 40“) beachten.
Das war geschehen
Die Steuerpflichtigen waren Eigentümer eines vermieteten Einfamilienhauses und entschieden sich gegen die aus ihrer Sicht unwirtschaftliche Sanierung des Gebäudes auf einen zukunftsfähigen Standard. Stattdessen ließen sie das alte Gebäude abreißen und errichteten auf demselben Grundstück ein neues Einfamilienhaus. Den Ende 2020 fertiggestellten Neubau wollten sie wieder als Wohnraum vermieten. Das Finanzamt versagte die Förderung für Mietwohnungsneubau (Sonderabschreibung) gemäß der Wohnraumoffensive von Bund, Ländern und Gemeinden aus dem Jahr 2019. Hiergegen zogen die Steuerpflichtigen vor das FG Köln – ohne Erfolg.
Das FG hob hervor, dass die Steuerpflichtigen keinen zusätzlichen Wohnraum geschaffen haben. Die Wohnraumoffensive zielt darauf ab, dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum durch die Förderung von Neu- und Umbaumaßnahmen entgegenzuwirken. Voraussetzung für die Förderung ist deshalb, dass nach einer solchen Maßnahme insgesamt mehr Wohnraum zur Verfügung steht als zuvor. Der von den Steuerpflichtigen angeführte bessere Ausbau- und Energiestandard änderte nichts an dieser Beurteilung.
„Wohnraumoffensive“ galt noch nicht
Unerheblich war auch, dass der Gesetzgeber für spätere Zeiträume eine zusätzliche Förderung für energetische Neubauten geschaffen hat. Denn diese Förderung war im Streitjahr 2020 noch nicht anwendbar. Das Vorgehen der Steuerpflichtigen war eher mit einer Sanierung vergleichbar, die nicht vom Förderzweck der Wohnraumoffensive umfasst ist.
Quelle | FG Köln, Urteil vom 12.9.2024, 1 K 2206/21, Rev. BFH, IX R 24/24
| Zahlungen für den vorzeitigen Rückfall eines Erbbaurechts (sogenannter Heimfall) stellen steuerpflichtige Einkünfte dar, wenn sie als Ersatz für entgehende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gewährt werden und damit Entschädigungen i. S. des Einkommensteuergesetzes (hier: § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) darstellen. Das Finanzgericht (FG) Hessen bestätigte damit die Ansicht der Finanzverwaltung, wonach solche Entschädigungszahlungen nicht als sonstige Einkünfte, sondern als Einkünfte aus der Nutzung von unbeweglichem Vermögen zu qualifizieren sind. |
Beachten Sie | Die Klägerseite hatte den Vorgang demgegenüber als Rückkauf des Erbbaurechts und die „Entschädigung“ als Entgelt für die Substanzübertragung eingestuft. Wegen des Ablaufs der 10-Jahresfrist (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG) komme eine Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft nicht mehr in Betracht.
Das FG sah das anders. Dass eine Drucksituation des Steuerpflichtigen bei Vertragsschluss nicht erkennbar war, änderte daran nichts. Da die Revision anhängig ist, wird nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden müssen.
Quelle | FG Hessen, Urteil vom 22.2.2024, 10 K 436/22, Rev. BFH, IX R 9/24
| Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit den Bundesländern Vorgaben zu den ertragsteuerrechtlichen Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten bei Kryptowerten (z. B. Bitcoin) erarbeitet. Die neuen Vorgaben ersetzen das bisherige Schreiben aus dem Jahr 2022. Zu diesem Anlass wurde die bisherige Formulierung „virtuelle Währungen und sonstige Token“ durch die Bezeichnung „Kryptowerte“ ersetzt. |
Beachten Sie | Tätigkeiten im Zusammenhang mit Kryptowerten können zu Einkünften aus allen Einkunftsarten (z. B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen) führen.
Nach Rz. 53 des Schreibens ist Folgendes zu beachten: Gewinne aus dem Verkauf von im Privatvermögen gehaltenen Kryptowerten können Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften darstellen, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Gewinne bleiben indes steuerfrei, wenn die Summe der aus allen privaten Veräußerungsgeschäften im Kalenderjahr erzielten Gewinne weniger als 1.000 Euro beträgt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 6.3.2025, IV C 1 - S 2256/00042/064/043
| Zur Ermittlung der tatsächlichen Kosten für sonstige berufliche Fahrten nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 a S. 1 EStG) ist eine Leasingsonderzahlung den einzelnen Veranlagungszeiträumen während der Laufzeit des Leasingvertrags zuzuordnen. Mit dieser Entscheidung hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine bisherige Rechtsprechung geändert. Denn bis dato war die Leasingsonderzahlung grundsätzlich im Zeitpunkt der Zahlung zu berücksichtigen. Und auch andere (Voraus-)Zahlungen, die sich wirtschaftlich auf die Dauer des Leasingvertrags erstrecken, sind periodengerecht auf die einzelnen Veranlagungszeiträume während der Laufzeit des Leasingvertrags zu verteilen. |
Hintergrund: Arbeitnehmer können die Kosten für beruflich veranlasste Fahrten, die keine Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie keine Familienheimfahrten sind, bei Nutzung eines eigenen Pkw als Werbungskosten ansetzen. Dabei besteht ein Wahlrecht: Ansatz der Fahrtkosten mit einer Pauschale von 0,30 Euro/km oder Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen.
Sollen die tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden, muss ein individueller Kilometersatz ermittelt werden, wobei die gesamten Fahrzeugkosten zu berücksichtigen sind.
Beachten Sie | Zu den Gesamtkosten gehören die Kosten, die unmittelbar dem Halten und dem Betrieb des Kfz dienen und im Zusammenhang mit dessen Nutzung typischerweise entstehen. Dazu rechnen vor allem die Kosten für Betriebsstoffe, Wartung und Reparaturen sowie die regelmäßig wiederkehrenden festen Kosten, etwa für die Haftpflichtversicherung, die Kfz-Steuer, Absetzung für Abnutzung (AfA) oder Leasing- und Leasingsonderzahlungen.
Das war geschehen
Ein Arbeitnehmer nutzte für seine beruflichen Fahrten einen ab dem 20.12.2018 für drei Jahre geleasten Pkw. Für seine vom 20.12. bis 31.12.2018 durchgeführten beruflichen Fahrten setzte er 0,93 Euro/km als Werbungskosten an. Bei der Ermittlung des Kilometersatzes legte er u. a. die Leasingsonderzahlung für den Leistungszeitraum (20.12.2018 bis 19.12.2021) von 15.000 Euro, die Kosten für Zubehör, Zusatzleistungen und Reifen sowie die für zwölf Monate zu zahlenden Leasingraten, Versicherungsprämien und ADAC-Beiträge zugrunde.
Bisher gehörte eine bei Leasingbeginn zu erbringende Sonderzahlung in Höhe des auf die Auswärtstätigkeiten entfallenden Nutzungsanteils zu den sofort abziehbaren Werbungskosten. Etwas anderes galt nur, wenn es sich bei der Leasingsonderzahlung um Anschaffungskosten für den Eigentumserwerb bzw. um Anschaffungskosten eines Nutzungsrechts handelte, die nur in Form von AfA berücksichtigt werden können.
Bundesfinanzhof ändert seine bisherige Rechtsprechung
An dieser Rechtsprechung hält der BFH nicht mehr fest. Bei Leasingsonderzahlungen handelt es sich um ein vorausgezahltes Nutzungsentgelt, das dem Zweck dient, die Leasingraten während der Gesamtlaufzeit des Leasingvertrags zu mindern. Die Sonderzahlung finanziert damit auch die Nutzung des Fahrzeugs in den Folgejahren, weshalb die Leasingsonderzahlung linear auf den Vertragszeitraum zu verteilen ist, sofern die Sonderzahlung nach den Vertragsbedingungen die Höhe der monatlichen Leasingraten mindert.
Diese Grundsätze gelten auch für andere (Voraus-)Zahlungen, die sich wirtschaftlich auf die Dauer des Leasingvertrags erstrecken. Beispielhaft führt der BFH die Kosten „für einen weiteren Satz Reifen“ an, die in Höhe der AfA in die jährlichen Gesamtaufwendungen einzubeziehen sind.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 9/22
| Die Fahrerlaubnis-Verordnung bietet keine rechtliche Grundlage für eine behördliche Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen (u. a. Fahrräder, Mofas, E-Scooter). Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden. Damit sind zwei Antragsteller aus Duisburg und Schwerte vorläufig wieder berechtigt, mit solchen Fahrzeugen am Straßenverkehr teilzunehmen. |
Unter Amphetaminen auf dem E-Scooter bzw. betrunken auf dem Rad
Ein Antragsteller fuhr unter dem Einfluss von Amphetamin einen E-Scooter. Der andere Antragsteller wies bei einer Fahrt mit dem Fahrrad eine Blutalkoholkonzentration von über 2 ‰ auf. Beide besitzen keine Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (z. B. Pkw). In beiden Fällen untersagten die Fahrerlaubnisbehörden ihnen das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen. Die hiergegen gerichteten Eilanträge lehnten die Verwaltungsgerichte (VG) Düsseldorf und Gelsenkirchen ab. Die Beschwerden der Antragsteller hatten beim OVG Erfolg.
Einschlägige Normen nicht verhältnismäßig
Zur Begründung hat das OVG ausgeführt: Die streitigen Anordnungen können nicht auf die Vorschrift der Fahrerlaubnis-Verordnung gestützt werden, wonach die Fahrerlaubnisbehörde jemandem das Führen von Fahrzeugen zu untersagen hat, der sich als hierfür ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet erweist. Denn diese Norm ist nicht hinreichend bestimmt und verhältnismäßig.
Ein solches Verbot schränkt die grundrechtlich geschützte Fortbewegungsmöglichkeit der Betroffenen deutlich ein. Außerdem sind fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im Vergleich zu Kraftfahrzeugen in der Regel weniger gefährlich. Die Vorschrift berücksichtigt diese Aspekte nicht und regelt insbesondere nicht hinreichend klar, in welchen Fällen jemand ungeeignet oder bedingt geeignet zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist und wann Eignungszweifel bestehen.
Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts sind unanfechtbar.
Quelle | OVG Münster, Beschluss vom 5.12.2024, 16 B 175/23, PM vom 6.12.2024
| In einem aktuellen Streitfall hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass der Steuerpflichtige die Aufwendungen für seine Fahrten zwischen der Wohnung und der Fernuniversität in Hagen nach Reisekostengrundsätzen als Werbungskosten geltend machen kann. |
Hintergrund: Beruflich veranlasste Aufwendungen, die im Rahmen einer Zweitausbildung (Berufsausbildung oder Studium) anfallen, sind grundsätzlich als (vorab entstandene) Werbungskosten abziehbar. Hierzu zählen auch die Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte. Diese sind jedoch bei vollzeitigen Bildungsmaßnahmen bzw. bei Vollzeitstudien auf den Ansatz der Entfernungspauschale begrenzt.
Ein Vollzeitstudium liegt vor, wenn das Studium darauf ausgelegt ist, dass sich die Studierenden diesem (vergleichbar einem vollbeschäftigten Arbeitnehmer) zeitlich vollumfänglich widmen müssen. Davon ist auszugehen, wenn das Studium nach den Ausbildungsbestimmungen oder der allgemeinen Erfahrung insgesamt etwa 40 Wochenstunden (Unterricht, Praktika sowie Vor- und Nachbereitung zusammengenommen) erfordert.
Im Streitfall war der Steuerpflichtige nur als Teilzeitstudierender eingeschrieben und studierte nach seinem Hörerstatus in einem Umfang von etwa 20 Stunden wöchentlich. Dass er im Streitjahr keiner Erwerbstätigkeit nachging, war im Hinblick auf den Begriff des Vollzeitstudiums unerheblich.
Somit waren die Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen (Ansatz einer Pauschale i. H. von 0,30 Euro je gefahrenem Kilometer oder Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen) abzugsfähig.
Quelle | BFH, Urteil vom 24.10.2024, VI R 7/22
| Wer auf Betrüger hereinfällt und im Online-Verfahren eine Echtzeit-Überweisung freigibt, kann nicht darauf hoffen, dass die Bank ihm den Schaden ersetzt. Dies gilt selbst dann, wenn er Minuten später den Schwindel bemerkt und über den Kundenservice sein Konto sperren lässt. Denn der einmal angestoßene Zahlungsvorgang kann nicht mehr gestoppt werden, auch wenn das Geld erst Tage später vom Konto abgebucht wird. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden. Das LG hat die Klage zweier Eheleute gegen ihre Hausbank abgewiesen. Diese waren einer bekannten Betrugsmasche („Hallo, ich habe eine neue Handynummer“) aufgesessen. |
Ehepaar fiel auf bekannte Betrugsmasche herein
Das Ehepaar erhielt im Herbsturlaub letzten Jahres eine SMS von einer unbekannten Rufnummer. Der Absender gab sich als deren Tochter aus und bat darum, über den Nachrichtendienst WhatsApp Kontakt aufzunehmen. Bei dem darauffolgenden Chat glaubten die beiden fest daran, mit ihrer Tochter in Kontakt zu sein. Auf Frage teilten sie die Zugangsdaten für das von ihnen genutzte Online-Banking mit und gaben schließlich zwei Echtzeitüberweisungen von insgesamt ca. 6.000 Euro über die auf ihrem Handy installierte Photo-Tan-App frei. Bereits wenige Minuten später kamen ihnen doch Bedenken,s ie erreichten ihre Tochter und die Täuschung flog auf. Weniger als 20 Minuten nach der Freigabe der Zahlungen informierten sie telefonisch den Kundenservice ihrer Bank und ließen das Konto sperren. Trotzdem wurden die Beträge zwei Tage später vom Girokonto abgebucht. Es sei nicht mehr möglich gewesen, die Vorgänge zu stoppen, so die Bank. Eine Rückerstattung lehnte sie ab.
Landgericht: Zahlungsvorgang an sich völlig korrekt
Das LG gab der Bank Recht und lehnte die Rückzahlung ab. Die Eheleute hätten ihre Freigabe nicht mehr widerrufen können. Ein Widerruf sei nämlich bei Echtzeit-Überweisungen nur bis zum Zugang der Freigabe bei der Bank möglich. Über das Internet erfolgt der Zugang in Sekundenbruchteilen. Danach könnten sich Bankkunden nur von der Freigabe lösen, wenn die Bank die Täuschung hätte bemerken müssen. Dafür sei im konkreten Fall nichts ersichtlich, der Zahlungsvorgang sei vielmehr völlig korrekt abgelaufen und die Bank sei mittels der im Online-Banking vorgesehenen Login- und Freigabedaten korrekt autorisiert worden. Dass die Abbuchung erst zwei Tage später erfolgt sei, ändere am Ergebnis nichts. Es sei zu unterscheiden zwischen dem Geldausgang, der schon wenige Sekunden nach der Online-Freigabe erfolgt sei, und dem Zeitpunkt der Belastung des Kontos. Im Übrigen habe sich das Paar durch die leichtfertige Weitergabe der Zugangsdaten grob fahrlässig verhalten.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 24.10.2024, 7 O 154/24, PM vom 27.11.2024
| Teilt der Rundfunkkunde eine Änderung der Anschrift nicht mit und ergreift auch keine Maßnahmen, um den Zugang von Post unter einer veralteten Adresse zu verhindern, muss er offene Rundfunkbeiträge zahlen. So entschied es das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |
Das war geschehen
Die Klägerin wird durch den beklagten Südwestrundfunk für ihre Privatwohnung zu Rundfunkbeiträgen herangezogen. Sie bewohnt ein Haus, das ursprünglich über zwei getrennte Wohneinheiten mit Ausgängen zu verschiedenen Straßen (A.-Straße und C.-Weg) verfügte. Bis zum Jahr 2020 war die Klägerin unter der Anschrift A.-Straße gemeldet. Bereits einige Jahre zuvor verschloss sie jedoch den auf diese Straße führenden Hauseingang und entfernte den zugehörigen Briefkasten. Eine Ummeldung (zum C.-Weg) veranlasste sie zunächst nicht. Die Klägerin entrichtete keine Rundfunkbeiträge.
Schließlich setzte der Beklagte mit mehreren Festsetzungsbescheiden die offenen Rundfunkbeiträge gegen die Klägerin fest. Die Bescheide waren an die Anschrift der Klägerin in der A.-Straße adressiert. Erstmals ab Mitte des Jahres 2020 nahm die Klägerin die Zahlung von Rundfunkbeiträgen auf und zeigte dem Beklagten die Anschrift „C.-Weg“ an.
Mit ihrer nach erfolglosem Widerspruchsverfahren gegen die Festsetzungsbescheide gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, die Bescheide seien ihr nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Eine Mahnung habe sie nur durch Zufall erreicht. Seit Jahren empfange sie ihre Post nur noch im C.-Weg. Die geforderten Beiträge seien deshalb verjährt.
So sah es das Verwaltungsgericht
Hiermit hatte sie keinen Erfolg. Die Klägerin sei zur Zahlung der geforderten Rundfunkbeiträge verpflichtet, so das VG. Dabei könne offen bleiben, ob der Klägerin die Bescheide wirksam bekannt gegeben worden seien. Denn sie habe dem Beklagten die Änderung der Anschrift nicht mitgeteilt und noch dazu aktive Maßnahmen ergriffen, um den Zugang von Post unter der A.-Straße zu verhindern. Sie könne sich daher jedenfalls nicht auf die Verjährung der Beiträge berufen. Außerdem seien die Zahlungen, die die Klägerin ab dem Jahr 2020 geleistet habe, nach der insoweit maßgeblichen Satzung des Beklagten jeweils mit der ältesten Rundfunkbeitragsschuld verrechnet worden.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 12.11.2024, 5 K 594/24.KO, PM 21/24
| Ferien sollen eine schöne und unbeschwerte Zeit sein. Doch auch hier kann es zu schlimmen Vorfällen kommen. So ging es einer Familie aus Norddeutschland auf der Insel Wangerooge. Letztlich musste sich das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg damit befassen. |
Unfall beim Kaffeekochen
Beim ersten Frühstück in der Ferienwohnung setzte die Mutter einer sechsjährigen Tochter Kaffee in der Kaffeemaschine auf. Als sie den Kaffee zum Frühstückstisch brachte, löste sich der Henkel und die Kanne kippte nach vorn. Der heiße Kaffee ergoss sich über den Oberköper und die Arme ihrer Tochter. Das Mädchen erlitt schwere Verbrennungen und kam mit einem Hubschrauber ins Krankenhaus nach Wilhelmshaven. Sie trug – voraussichtlich dauerhafte – Narben im Brustbereich davon.
Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld?
Die Tochter verklagte die Vermieterin auf Schmerzensgeld und Schadensersatz, weil die Kaffeekanne schon bei Übernahme der Ferienwohnung kaputt gewesen sei. Das Landgericht (LG) Oldenburg wies die Klage ab. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen als Teil des Mietvertrags sei eine Haftung für einfache Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Es sei aber nicht feststellbar, dass die Kaffeekanne erkennbar nicht mehr vollständig in Ordnung gewesen sei.
Mangel war nicht zu beweisen
Das OLG hat jetzt diese Entscheidung bestätigt. Zwar sei ein umfassender Haftungsausschluss durch Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam. Ein Vermieter hafte grundsätzlich sogar ohne jedes eigene Verschulden, allerdings nur für Mängel, die bereits bei Vertragsschluss vorlägen. Hier sehe das Gesetz eine viel strengere Haftung vor als bei anderen Vertragsformen, etwa beim Kauf- oder beim Werkvertrag. Die Klägerin habe jedoch einen solchen Mangel zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht beweisen können. Der gerichtlich bestellte Sachverständige habe keine Reparaturspuren an der Kanne feststellen können. Es stehe auch nicht fest, dass die Kanne bereits bei Vertragsschluss einen Schaden durch Verschleiß aufgewiesen habe. Ebenso wenig sei bewiesen, dass die Kaffeekanne einen Produktmangel gehabt habe, der zu vorzeitigem Verschleiß geführt habe. Selbst für einen solchen Mangel hätte die Vermieterin einstehen müssen.
Verschulden nicht ersichtlich
Die Vermieterin treffe auch keine Haftung wegen eines möglichen Verschuldens. Es sei nicht mehr aufzuklären, in wessen Verantwortungsbereich die Schadensursache liege. Die Glaskanne sei zunächst noch funktionstüchtig gewesen, als die Mutter der Klägerin damit das kalte Wasser in die Maschine gefüllt habe. Der Bruch sei also erst danach erfolgt. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Vermieterin etwaige Vorschäden hätten auffallen müssen. Sie hätte die Kanne auch nicht auf versteckte Schäden untersuchen müssen.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 25.11.2024, 9 U 40/23, PM 36/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden hat eine Klage abgewiesen, mit der der Kläger die Ausstellung eines Personalausweises ohne Speicherung der Fingerabdrücke auf dessen elektronischem Speichermedium (sog. „Chip“) begehrte. |
Pflicht aufgrund europäischer Verordnung
Die Pflicht zur Speicherung von Fingerabdrücken bei Ausweisen beruht auf der europäischen Verordnung (hier: (EU) 2019/1157 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019) zur Erhöhung der Sicherheit der Personalausweise von Unionsbürgern und der Aufenthaltsdokumente, die Unionsbürgern und deren Familienangehörigen ausgestellt werden, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben. Der Kläger trug vor, dass hierdurch seine Grundrechte auf Schutz des Privatlebens nach der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Art. 7 GRCh) und auf Schutz personenbezogener Daten (Art. 8GRCh) verletzt würden.
So sah es der Europäische Gerichtshof
Das VG hatte das Verfahren zunächst ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in einem Vorabentscheidungsverfahren die Frage vorgelegt, ob die Pflicht zur Aufnahme von Fingerabdrücken in Personalausweisen mit höherrangigem Unionsrecht vereinbar ist. Der EuGH hatte entschieden, dass die Verordnung wegen der Durchführung eines ungeeigneten Gesetzgebungsverfahrens ungültig sei. Die Wirkungen der Verordnung würden jedoch aufrechterhalten bleiben, bis innerhalb einer angemessenen Frist, die zwei Jahre ab dem 1.1.2025 nicht überschreiten dürfe, eine neue, im korrekten Gesetzgebungsverfahren erlassene Verordnung in Kraft trete, die sie ersetzt. In materieller Hinsicht verstoße die Einschränkung der in Art. 7 und Art. 8 GRCh garantierten Rechte nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sodass die Verordnung nicht aus diesem Grund ungültig sei.
So entschied das Verwaltungsgericht
Die Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken sei rechtmäßig, so das VG, und verletze den Kläger deshalb auch nicht in seinen Rechten. Das VG sei an das Urteil des EuGH gebunden, insbesondere bezüglich der Ausführungen zur materiellen Rechtmäßigkeit. Auch im Hinblick auf die im konkreten Verfahren vorliegende Frage der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken durch die Landeshauptstadt Wiesbaden sei keine andere Beurteilung geboten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei auch im konkreten Fall gewahrt. In der Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken durch die Beklagte liege kein Verstoß gegen Grundrechte.
Auch habe das VG für die Entscheidung über den vorliegenden Fall nicht den Fristablauf der Fortgeltung der o. g. Verordnung oder den Erlass einer neuen Verordnung abwarten müssen. Angesichts der Entscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren sei die Sache entscheidungsreif. Der EuGH habe ausdrücklich entschieden, dass die Wirkungen der Verordnung aufrechterhalten blieben, weshalb im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein Anspruch des Klägers auf Ausstellung eines Personalausweises ohne Speicherung von Fingerabdrücken bestehe. Die Frage, ob sich ein solcher Anspruch möglicherweise in der Zukunft infolge einer Änderung der Rechtslage ergeben könnte, sei im vorliegenden Verfahren nicht von Relevanz.
Quelle | VG Wiesbaden, Urteil vom 18.12.2024, 6 K 1563/21.WI, PM 9/24
| Leistungen eines Wohnungseigentümers in die Erhaltungsrücklage einer Wohnungseigentümergemeinschaft (z. B. im Rahmen der monatlichen Hausgeldzahlungen) sind steuerlich im Zeitpunkt der Einzahlung noch nicht abziehbar. Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung liegen erst vor, wenn aus der Rücklage Mittel zur Zahlung von Erhaltungsaufwendungen entnommen werden. Damit hat der Bundesfinanzhof (BFH) die bisherige Sichtweise bestätigt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar vermietete mehrere Eigentumswohnungen. Das an die jeweilige Wohnungseigentümergemeinschaft gezahlte Hausgeld wurde zum Teil der gesetzlich vorgesehenen Erhaltungsrücklage zugeführt. Insoweit erkannte das Finanzamt keine Werbungskosten an. Der Abzug könne erst in dem Jahr erfolgen, in dem die zurückgelegten Mittel für die tatsächlich angefallenen Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum verbraucht würden. Das Finanzgericht (FG) Nürnberg wies die Klage ab – und auch die Revision beim BFH blieb erfolglos.
Hausgeld war zwar erbracht …
Der Werbungskostenabzug erfordert einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Vermietungstätigkeit und den Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Die Eheleute hatten den der Erhaltungsrücklage zugeführten Teil des Hausgelds zwar erbracht und konnten hierauf nicht mehr zurückgreifen, da das Geld ausschließlich der Wohnungseigentümergemeinschaft gehört.
… aber noch nicht verausgabt
Auslösender Moment für die Zahlung war aber nicht die Vermietung, sondern die rechtliche Pflicht jedes Wohnungseigentümers, am Aufbau und an der Aufrechterhaltung einer angemessenen Rücklage für die Erhaltung des Gemeinschaftseigentums mitzuwirken. Ein Zusammenhang zur Vermietung entsteht erst, wenn die Gemeinschaft die angesammelten Mittel für Erhaltungsmaßnahmen verausgabt. Erst dann kommen sie der Immobilie zugute.
Beachten Sie | Durch die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) im Jahr 2020 wurde der Wohnungseigentümergemeinschaft die volle Rechtsfähigkeit zuerkannt. Der Hoffnung, dass die Zahlung in die Erhaltungsrücklage deshalb sofort im Zahlungsjahr abzugsfähig ist, hat der BFH ausdrücklich eine Absage erteilt.
Quelle | BFH, Urteil vom 14.1.2025, IX R 19/24
| Das Gericht darf einen Zuschlag zum Mietspiegel vornehmen, um eine sachgerechte Einzelvergleichsmiete zu bilden. Voraussetzung: Zwischen dem Erhebungsstichtag des Mietspiegels und dem Zeitpunkt, an dem das Zustimmungsverlangen zugestellt wurde, werden außergewöhnliche Steigerungen der ortsüblichen Vergleichsmiete festgestellt. Eine solche liegt aber nicht vor, wenn der Verbraucherpreisindex ansteigt. So sieht es das Landgericht (LG) München. |
Der Vermieter begehrte die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Er wollte u. a. einen sog. Stichtagszuschlag auf die von ihm ermittelte Vergleichsmiete addieren. Der Verbraucherpreisindex habe sich im Zeitraum zwischen Januar 2022 (als dem maßgeblichen Zeitpunkt der Erhebung der Daten für den qualifizierten Mietspiegel 2023) und Juni 2023 (Zugang des Mieterhöhungsverlangens) aufgrund einer ungewöhnlichen Steigerung der Mieten von rund 3% erhöht.
Das LG: Ein Stichtagszuschlag komme nicht in Betracht. Die Mieterhöhung könne nicht auf den qualifizierten Mietspiegel und ergänzend auf einen Anstieg des Verbraucherpreisindex gestützt werden. Ein Anstieg gemäß Index für Nettokaltmieten von nur wenig mehr als 3 % sei nicht außergewöhnlich hoch. Die Einführung einer „Stichtagspraxis“ würde zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen, die die sog. Befriedungsfunktion des Mietspiegels gefährden könne.
Quelle | LG München I, Urteil vom 17.7.2024, 14 S 3692/24
| Hat der Vermieter Ersatzansprüche wegen des Zustands der Mietsache bei Rückgabe, muss er sich bei unwirksamer Schönheitsreparaturklausel die Kosten anrechnen lassen, die er mangels eigener Renovierungsarbeiten erspart hat. So hat es das Amtsgericht (AG) Hanau entschieden. |
Vermieter verlangte Kostenersatz für Tapezier- und Streicharbeiten
Das Mietverhältnis zwischen den Parteien lief über 13 Jahre, der Vertrag enthielt eine Klausel hinsichtlich der durch den Mieter durchzuführenden Schönheitsreparaturen. Nach Wohnungsrückgabe führte der Vermieter Tapezier- und Streicharbeiten durch. Die Kosten verlangte er von dem Mieter ersetzt. Denn dieser habe sie mit bunten Farben (gelb, grün und rosa) zurückgegeben, was eine Weitervermietung nicht ermögliche. Zudem habe es viele nicht verschlossene Dübellöcher gegeben.
Klage abgewiesen
Das AG hat entschieden: Der Vermieter kann Streich- und Tapezierarbeiten in der Wohnung nicht ersetzt verlangen, weil er selbst zur Durchführung der Schönheitsreparaturen verpflichtet war. Es hat die Klage des Vermieters daher abgewiesen.
Worauf es ankommt und worauf nicht
Darauf, ob der Mieter dem Vermieter die Kosten für die Streich- und Tapezierarbeiten erstatten muss, komme es nicht an. Denn der Vermieter hätte während der gesamten Laufzeit des Mietvertrags die Schönheitsreparaturen in der Wohnung durchführen müssen. Die Klausel, nach der der Mieter hierzu verpflichtet wurde, war unwirksam, weil sie zu kurze Fristen setze. Außerdem sollte der Mieter nach einer anderen Klausel die Wohnung auch bei Einzug streichen, was ebenfalls zur Unwirksamkeit der laufenden Renovierungspflicht führe. Daher musste stattdessen, wie auch an sich vom Gesetz vorgesehen, der Vermieter renovieren. Hätte er das getan, wären ihm aber Kosten entstanden. Diese nicht aufgewendeten Kosten müsse er von seinen Schadenersatzansprüchen abziehen.
Für die Bestimmung der ersparten Kosten hat das Gericht auf die Pauschalbeträge nach der Zweiten Berechnungsverordnung (hier: § 28 Abs. 4 II. BerechnungsVO) in der jeweiligen Höhe zurückgegriffen. Auch wenn diese hier keine unmittelbare Anwendung finden, lägen ihnen offiziell anerkannte Durchschnittswerte zugrunde. Bei über 13 Jahren Mietlaufzeit überstiegen sie die von dem Vermieter geltend gemachten Kosten um mehr als das Dreifache.
Quelle | AG Hanau, Urteil vom 29.11.2024, 32 C 265/23, PM vom 16.12.2024
| Ein rechtlich beachtlicher Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses liegt nur vor, wenn sich der Anfechtende in einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses befunden hat, dagegen nicht, wenn lediglich falsche Vorstellungen von dem Wert der einzelnen Nachlassgegenstände vorgelegen haben. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken. |
Erblasserin verstarb ohne Testament
Die Erblasserin ist im Alter von 106 Jahren ohne Testament verstorben. Zuvor lebte sie seit längeren Jahren in einem Seniorenheim. Die Heim- und Pflegekosten wurden aus Mitteln der Kriegsopferfürsorgestelle bestritten. Diese Leistungen wurden als Darlehen gewährt und durch eine Grundschuld an einem Haus der Erblasserin abgesichert. Der Ehemann der Erblasserin, ihre beiden Kinder und auch ein Enkelkind waren bereits vorverstorben. Gesetzliche Erben waren die Enkel und Urenkel der Erblasserin.
Nach dem Tod der Erblasserin hat u. a. die in gesetzlicher Erbfolge zur Erbin berufene Enkelin das Erbe ausgeschlagen und dabei angegeben, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Zwei Urenkel der Erblasserin haben das Erbe dagegen nicht ausgeschlagen. In der Folge wurde das Haus der Erblasserin unter Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Nachlasspflegerin an Dritte verkauft. Nach dem Verkauf des Hauses hat die Enkelin ihre Erklärung zur Erbausschlagung sodann wegen Irrtums angefochten. Danach hat sie die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der u. a. sie als Erbin zu 1/4 Anteil ausweisen sollte.
Das Nachlassgericht hat entschieden, dass der Erbschein wegen der angefochtenen Erbausschlagungserklärung der Enkelin, wie von ihr beantragt, erteilt werden müsse. Gegen diesen Beschluss wendete sich einer der Urenkel, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte, mit seiner Beschwerde.
Erbscheinsantrag war zurückzuweisen
Auf die Beschwerde hat das OLG entschieden: Der Erbscheinsantrag der Enkelin war zurückzuweisen, da der von ihr beantragte Erbschein die eingetretene Erbfolge falsch wiedergebe. Die Enkelin sei keine Erbin geworden, da sie die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und sie die Ausschlagungserklärung wegen Irrtums auch nicht wirksam anfechten könne. Soweit sie ihren Irrtum damit begründet habe, ihr sei erst im Nachhinein bekannt geworden, dass zum Nachlass ein Bankkonto bei der Kreissparkasse K. mit einem vierstelligen Guthaben gehöre, läge zwar ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses vor.
Irrtum nicht ursächlich für Ausschlagung
Dieser Irrtum hätte aber nicht ihre Ausschlagung der Erbschaft veranlasst. Denn selbst, wenn ihr das Konto bei der Kreissparkasse Köln bekannt gewesen wäre, hätte dies mangels wirtschaftlichem Gewicht des dortigen Guthabenbetrags gegenüber den restlichen Nachlasspositionen nichts an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses geändert. Soweit sich die Enkelin darauf berufe, dass sie darüber geirrt habe, dass der Erlös aus dem Verkauf des Hauses der Erblasserin die Verbindlichkeiten aus dem mit der Grundschuld abgesicherten Darlehen für die Heim- und Pflegekosten der Kriegsopferfürsorgestelle übersteige, liege kein Irrtum vor, der zur Anfechtung berechtige. Dieser Irrtum beruhe lediglich auf der falschen Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht über dessen Zusammensetzung.
Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14.8.2024, 8 W 102/23, PM vom 10.12.2024
| Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat entschieden: Erben können vollen Zugriff auf das Instagram-Konto des Erblassers bekommen. Das beinhaltet dessen aktive Nutzungsmöglichkeit. |
Die Ehefrau und alleinige Erbin eines bekannten Sängers hatte geklagt. Hintergrund: Nachdem der Konzern Meta, zu dem die Social-Media-Plattform Instagram gehört, Kenntnis vom Tod des Sängers erlangte, versetzte das Unternehmen den Instagram-Account in den sog. Gedenkzustand. Bemühungen der Ehefrau, vollen Zugriff auf das Konto wiederzuerlangen, waren ergebnislos. Das OLG: Die Frau ist als Erbin in das Vertragsverhältnis ihres Mannes mit Meta im Wege der sog. Gesamtrechtsnachfolge eingetreten. Das habe schon der Bundesgerichtshof (BGH) so entschieden. Danach ist der Anspruch auf Zugang zu einem Social-Media-Konto grundsätzlich vererbbar. Mit der Erbenstellung sei die Ehefrau in sämtliche Rechte und Pflichten des Erblassers eingetreten, was neben einem passiven Anspruch auf (nur) lesende Nutzung auch einen Anspruch auf aktive Nutzung umfasse.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 30.12.2024, 13 U 116/23
| Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat die Klage eines im Nebenerwerb tätigen Landwirts auf Erteilung einer Baugenehmigung für einen bereits errichten „Portalrahmen“ im Außenbereich abgewiesen. |
Landwirt hatte Bauwerk schon errichtet
Der „Portalrahmen“ besteht aus zwei Sandsteinsäulen (je 3,53 Meter hoch), an denen ein schmiedeeisernes doppelflügeliges Einfahrtstor befestigt ist. Auf den Säulen befindet sich jeweils eine Metallskulptur. Die Säulen sind mit zwei Einzelfundamenten im Boden verankert. Das gesamte Bauwerk ist fünf Meter breit. Den Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung lehnte der Landkreis ab. Bei dem „Portalrahmen“ handele es sich nicht um ein im Außenbereich bevorrechtigt zulässiges Vorhaben.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagte der Landwirt und trug hierzu vor, das Vorhaben sei bereits deshalb genehmigungsfrei, weil es seinem landwirtschaftlichen Betrieb diene. Das Tor gewährleiste den Zugang und die Zufahrt zu dem von ihm bewirtschafteten Grundstück. Es füge sich auch optisch in die Umgebung ein.
Klage ohne Erfolg
Das sah das VG anders: Der „Portalrahmen“ sei im Außenbereich nicht bevorrechtigt zulässig, weil er dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers nicht diene. Er sei optisch auffallend und solle offensichtlich die Kunden des Klägers beeindrucken. Ein vernünftiger Landwirt würde unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs kein solches Bauwerk zur Einfriedung errichten. Der Kläger könne sich überdies nicht mit Erfolg darauf berufen, er führe einen „Adelshof“. Eine Bevorzugung aufgrund der Abstammung widerspreche dem allgemeinen Gleichheitssatz. Der „Portalrahmen“ beeinträchtige zudem die natürliche Eigenart der Landschaft. Das Vorhabengrundstück liege in einem Naturpark, dessen landschaftliche Eigenart zu bewahren sei.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 31.10.2024, 4 K 282/24.KO, PM 22/24
| Die Eigentümerin eines Wohnhauses hat ebenso, wie die Eigentümerin eines Baudenkmals, einen Anspruch auf eine denkmalrechtliche Erlaubnis für die Installation von Solaranlagen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster in zwei Grundsatzurteilen zum nordrhein-westfälischen Denkmalrecht entschieden. Es hat darauf verwiesen, dass bei der Errichtung von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden regelmäßig das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien die Belange des Denkmalschutzes überwiegt. |
Eigentümerin eines Einfamilienhauses
Die Eigentümerin eines Einfamilienhauses in einer Siedlung in Düsseldorf, für die eine Denkmalbereichssatzung gilt, möchte auf einer aus dem Straßenraum teilweise einsehbaren Dachfläche ihres Hauses eine Solaranlage errichten. Die Stadt Düsseldorf lehnte es ab, die dafür nach dem Denkmalschutzgesetz NRW erforderliche Erlaubnis zu erteilen. Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf verpflichtete die Stadt auf die Klage der Eigentümerin, die Genehmigung zu erteilen.
Eigentümerin eines Baudenkmals
Demgegenüber bestätigte das VG Arnsberg in dem zweiten Fall die Entscheidung der Stadt Siegen, die der Klägerin eine denkmalrechtliche Erlaubnis für eine Solaranlage auf der weithin sichtbaren Dachfläche versagt hatte. Hierbei geht es um ein Wohngebäude, das als ehemalige Schule als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt Siegen eingetragen ist.
So sah es das Oberverwaltungsgericht
In beiden Fällen waren Solarmodule in einer denkmalschonenden Ausgestaltung gewählt worden. Nach der Entscheidung des OVG können nun beide Denkmaleigentümer die denkmalrechtliche Erlaubnis beanspruchen.
Offentliches Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien versus Denkmalschutz
Das OVG: Das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien überwiegt in beiden Fällen die Belange des Denkmalschutzes. Nach einer im Juli 2022 in Kraft getretenen Regelung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sollen, bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausneutral ist, die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Diese Vorgabe, für die dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz zukommt, beeinflusst auch das nordrhein-westfälische Denkmalschutzrecht. In die – weiterhin erforderliche – Abwägung zwischen den denkmalschutzrechtlichen Belangen und dem Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien sind letztere als regelmäßig vorrangiger Belang einzustellen. Nur, wenn besondere Umstände des Denkmalschutzes der Errichtung von Solaranlagen entgegenstehen, darf die Erteilung der denkmalrechtlichen Erlaubnis ausnahmsweise versagt werden.
Bei der Prüfung, ob solche besonderen Umstände vorliegen, kommt es auf die Gründe an, aus denen die denkmalrechtliche Unterschutzstellung erfolgt ist.
Wohnhaus: keine wesentlichen optischen Nachteile
In dem Düsseldorfer Fall wird durch die beantragte Solaranlage auf der straßenabgewandten Dachfläche nicht in einem Maß in das denkmalwerte einheitliche äußere Erscheinungsbild der Siedlung eingegriffen, dass ausnahmsweise die Erlaubnis zu versagen wäre. Dass die Solaranlage aus dem öffentlichen Straßenraum sichtbar ist, reicht dafür grundsätzlich nicht aus. Hier sind die in die bestehende Dachstruktur eingefügten und in der Farbe angepassten Solarpaneele zudem nur am Rande, in zweiter Reihe und nur in Teilausschnitten wahrnehmbar. Die betroffene Dachfläche liegt auch nicht in einer der von der Satzung geschützten Sichtachsen und beeinträchtigt die rheinseitige Silhouette der Siedlung nicht.
Ehemalige Schule: Erscheinungsbild des Baukörpers nicht wesentlich geändert
Bei der ehemaligen Schule in Siegen werden die denkmalwertbegründenden Eigenschaften des Gebäudes durch die Solaranlage schon nicht beeinträchtigt. Für die Eintragung als Baudenkmal hat zwar der vorhandene Dachreiter, nicht aber die Dachfläche und ihre Gestaltung eine Rolle gespielt. In das geschützte Erscheinungsbild des Baukörpers als Kapellenschule wird durch die Solaranlage nicht eingegriffen. Ein Ausnahmefall, in dem der Denkmalschutz überwiegt, wäre bei dem konkreten Vorhaben selbst dann nicht gegeben, wenn die Schieferdachfläche als auch denkmalwertbegründend angesehen würde.
Quelle | OVG Münster, Urteile vom 27.11.2024, 10 A 2281/23 und 10 A 1477/23, PM vom 27.11.2024
| Will eine Auftraggeberin nicht von einer weiblichen Mitarbeiterin, sondern von einem Mann betreut werden, können schnell Entschädigungsforderungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Raum stehen – so wie in einem Fall des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg. |
Inhaber des Architekturbüros blieb passiv
Im Fall des LAG hatte der Inhaber des Architekturbüros nicht einmal versucht, die Auftraggeberin umzustimmen. Er unternahm auch keinen Versuch, sie von der hohen Qualität seiner Mitarbeiterin zu überzeugen.
Unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nur wenn diese „geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen“ nicht gefruchtet hätten, hätte eine eigene benachteiligende Handlung des Büros ausgeschlossen werden können.
Der Arbeitgeber musste der Mitarbeiterin schließlich 1.500 Euro Schadenersatz zahlen.
Quelle | LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.2024, 10 Sa 13/24
| Eine tarifvertragliche Regelung, die unabhängig von der individuellen Arbeitszeit für Überstundenzuschläge das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten voraussetzt, behandelt teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wegen der Teilzeit schlechter als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte. Sie verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter, wenn die in ihr liegende Ungleichbehandlung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Fehlen solche sachlichen Gründe, liegt regelmäßig zugleich eine gegen Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (hier: § 7 Abs. 1 AGG) verstoßende mittelbare Benachteiligung wegen des (weiblichen) Geschlechts vor, wenn innerhalb der betroffenen Gruppe der Teilzeitbeschäftigten erheblich mehr Frauen als Männer vertreten sind. |
Das war geschehen
Der Beklagte ist ein ambulanter Dialyseanbieter mit mehr als 5.000 Arbeitnehmern. Die Klägerin ist bei ihm als Pflegekraft in Teilzeit im Umfang von 40 v. H. eines Vollzeitbeschäftigten tätig. Auf das Arbeitsverhältnis ist aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme der zwischen dem Beklagten und der Gewerkschaft Verdi geschlossene Manteltarifvertrag (MTV) anzuwenden. Nach § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV sind mit einem Zuschlag von 30 v. H. Überstunden zuschlagspflichtig, die über die monatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden und im jeweiligen Kalendermonat nicht durch Freizeitgewährung ausgeglichen werden können. Alternativ zu einer Auszahlung des Zuschlags ist eine entsprechende Zeitgutschrift im Arbeitszeitkonto vorgesehen. Das Arbeitszeitkonto der Klägerin wies Ende März 2018 ein Arbeitszeitguthaben von 129 Stunden und 24 Minuten aus. Der Beklagte hat der Klägerin für diese Zeiten in Anwendung von § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV weder Überstundenzuschläge gezahlt, noch im Arbeitszeitkonto eine Zeitgutschrift vorgenommen.
Das verlangte die Klägerin
Mit ihrer Klage hat die Klägerin verlangt, ihrem Arbeitszeitkonto als Überstundenzuschläge weitere 38 Stunden und 39 Minuten gutzuschreiben und eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe eines Vierteljahresverdienstes begehrt. Die Anwendung von § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV benachteilige sie wegen ihrer Teilzeit unzulässig gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten. Zugleich werde sie wegen ihres Geschlechts mittelbar benachteiligt, denn der Beklagte beschäftige überwiegend Frauen in Teilzeit.
So sahen es die Vorinstanzen
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift zuerkannt und hinsichtlich der begehrten Entschädigung die Klageabweisung bestätigt.
So entschied das Bundesarbeitsgericht
Die Revision der Klägerin hatte vor dem BAG teilweise Erfolg. Das BAG hat der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift – in Übereinstimmung mit dem LAG – zugesprochen und ihr darüber hinaus eine Entschädigung in Höhe von. 250 Euro zuerkannt. Das OLG musste (aufgrund europarechtlicher Rechtsprechung) davon ausgehen, dass § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV insoweit wegen Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten unwirksam ist, als er bei Teilzeitbeschäftigung keine der Teilzeitquote entsprechende anteilige Absenkung der Grenze für die Gewährung eines Überstundenzuschlags vorsieht.
Bundesarbeitsgericht: Entschädigung zugesprochen
Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung konnte das BAG nicht erkennen. Die sich aus dem Verstoß gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz (hier: § 4 Abs. 1 TzBfG) ergebende Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Überstundenzuschlagsregelung führt zu einem Anspruch der Klägerin auf die eingeklagte weitere Zeitgutschrift. Daneben war ihr eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zuzuerkennen.
Durch die Anwendung der tarifvertraglichen Regelung hat die Klägerin auch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts erfahren. In der Gruppe der beim Beklagten in Teilzeit Beschäftigten, die dem persönlichen Anwendungsbereich des MTV unterfallen, sind zu mehr als 90 Prozent Frauen vertreten.
Als Entschädigung war ein Betrag in Höhe von 250 Euro festzusetzen. Dieser ist erforderlich, aber auch ausreichend, um einerseits den der Klägerin durch die mittelbare Geschlechtsbenachteiligung entstandenen immateriellen Schaden auszugleichen und andererseits gegenüber dem Beklagten die gebotene abschreckende Wirkung zu entfalten.
Quelle | BAG, Urteil vom 5.12.2024, 8 AZR 370/20, PM 34/24
| Strafrechtlich eingezogene Bestechungsgelder führen umsatzsteuerrechtlich dazu, dass die Bemessungsgrundlage der in strafrechtlicher Hinsicht betroffenen Umsätze auf den um die eingezogenen Bestechungsgelder geminderten Betrag zu reduzieren ist. Das hat der Bundesfinanzhof (BFG) entschieden. |
Das war geschehen
Ein Diplom-Ingenieur hatte nachhaltig und ohne Anweisung seines jeweiligen Vorgesetzten bzw. Arbeitgebers für Auftragserteilungen von beauftragten Unternehmen kostenlose Leistungen, überwiegend für den privaten Hausbau, erhalten.
Dafür wurde er wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zusätzlich wurden die Bestechungsgelder auf gerichtliche Anordnung nach dem Strafgesetzbuch (hier: §§ 73 ff. StGB) eingezogen.
Das Finanzamt behandelte die „Schmiergeldzahlungen“ bzw. die Zuwendungen durch die beauftragten Unternehmen als Entgelte für steuerpflichtige Leistungen und unterwarf sie der Umsatzsteuer. Die vom Diplom-Ingenieur geleisteten Zahlungen an die Landesjustizkasse hinsichtlich der eingezogenen Bestechungsgelder minderten nach Ansicht des Finanzamts nicht die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer. Dies sah der BFH anders.
Eingezogene Bestechungsgelder nicht mehr zu versteuern
Zwar sind die Bestechungsgelder – obgleich es sich um illegale Zahlungen handelt – neben den sonstigen, dem Steuerpflichtigen für seine Dienstleistungen gewährten Entgelten umsatzsteuerrelevant. Jedoch mindern die eingezogenen Beträge die steuerliche Bemessungsgrundlage.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist eine Verminderung in diesen Fällen geboten, da ansonsten der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt wäre. Denn es käme zu einer unzulässigen Doppelbelastung des Täters:
- Zum einen würde der durch die strafbare Handlung erlangte wirtschaftliche Vorteil durch die strafrechtliche Einziehung der Bestechungsgelder abgeschöpft.
- Zum anderen würden die Bestechungsgelder im selben Umfang der Umsatzsteuer unterworfen.
Dabei spielt es keine Rolle, dass der strafrechtlich eingezogene Betrag in der Staatskasse verbleibt und nicht an den leistenden Unternehmer zurückgezahlt wird.
Beachten Sie | Auch eines Verweises auf das Billigkeitsverfahren, dessen Zulässigkeit im Umsatzsteuerrecht ohnehin unionsrechtlich zweifelhaft ist, bedarf es nach Ansicht des BFH nicht.
Quelle | BFH, Urteil vom 25.9.2024, XI R 6/23, PM 8/25 vom 20.2.2025
| In einem Streitfall ging es um die Zulässigkeit des Wechsels der Gewinnermittlungsart. Dabei entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass der Steuerpflichtige im Streitjahr die Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nicht mehr erfüllte, weil er durch die Aufstellung des Jahresabschlusses sein Wahlrecht bereits ausgeübt hatte und daran gebunden war. |
Hintergrund: Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (= Bilanzierung) ist der gesetzessystematische Regelfall. Die Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung kommt nur bei Erfüllung der im Gesetz bestimmten Voraussetzungen in Betracht.
Tatsächlich ausgeübte Gewinnermittlungsart maßgeblich
Maßgeblich für die Ausübung des Wahlrechts der Gewinnermittlungsart ist die tatsächliche Handhabung der Gewinnermittlung. Ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger hat sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich wirksam ausgeübt, wenn er eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine kaufmännische Buchführung einrichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht.
Die Einnahmen-Überschuss-Rechnung bzw. der Betriebsvermögensvergleich ist in dem Zeitpunkt erstellt, in dem der Steuerpflichtige sie bzw. ihn fertiggestellt hat und objektiv erkennbar als endgültig ansieht. Beweisanzeichen dafür kann sein, dass er die Gewinnermittlung durch Übersendung an das Finanzamt in den Rechtsverkehr begibt. Nach der Erstellung des Jahresabschlusses kommt die Wahl der Einnahmen-Überschuss-Rechnung somit grundsätzlich nicht mehr in Betracht.
Einmal getroffene Wahl nur in Ausnahmefällen änderbar
Die einmal getroffene Wahl der Gewinnermittlungsart ist grundsätzlich nachträglich nicht mehr änderbar. In Ausnahmefällen hat die Rechtsprechung jedoch einen solchen Wechsel zugelassen und dabei an die Grundsätze angeknüpft, die für den Wechsel der Gewinnermittlungsart in aufeinanderfolgenden Jahren gelten.
Beachten Sie | Im Streitfall war dem Steuerpflichtigen die Änderung der Wahlrechtsausübung jedoch nicht mehr möglich. Denn er hatte keinen vernünftigen wirtschaftlichen Grund dargelegt, der es rechtfertigen könnte, die gewählte Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich für dasselbe Jahr wieder zu ändern.
Allein der Umstand, dass er durch den Wechsel zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung eine Gewinnerhöhung infolge der Außenprüfung „glätten“ wollte, reicht hierfür nicht aus. Denn damit haben sich nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse geändert. Der Steuerpflichtige war vielmehr einem Irrtum über die steuerlichen Folgen der gewählten Gewinnermittlungsart unterlegen, der die Änderungsmöglichkeit nicht eröffnet.
Quelle | BFH, Urteil vom 27.11.2024, X R 1/23
| Eine gegen die auszahlende Bank gerichtete Schadenersatzklage eines 84-jährigen Mannes, der infolge eines Trickbetrugs 83.000 Euro an Unbekannte gezahlt hatte, blieb erfolglos. Warn- und Hinweispflichten der Geldinstitute bestehen nur bei einem massiven Verdacht auf eine Vermögensgefährdung des Kunden. Eine solche vorwerfbare Pflichtverletzung konnte das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth in einem bemerkenswerten Fall nicht feststellen. |
Hätte Bank Geld nicht auszahlen dürfen?
Der Kläger hatte am Schalter in einer Bankfiliale in Nürnberg innerhalb von 1 ½ Stunden zweimal Bargeld von seinem Konto abgehoben, insgesamt 83.000 Euro. Er begründete seine Schadenersatzklage gegen die Bank damit, dass diese durch Auszahlung des Geldes trotz offenkundiger Anhaltspunkte für einen Enkeltrick-Betrug gegen ihre vertraglichen Schutz- und Warnpflichten verstoßen habe. Die Bank hatte im Zivilprozess vorgebracht, dass ihre Mitarbeiter bezüglich des sog. Enkeltricks geschult seien und den Kläger entsprechend angesprochen hätten, der ruhig gewirkt und plausible Erklärungen abgegeben habe.
Kein massiver Verdacht
Das LG hat die Klage in erster Instanz abgewiesen. Es führte aus: Eine Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank ist nur ausnahmsweise bei Vorliegen objektiver massiver Verdachtsmomente anzunehmen. Einen massiven Verdacht auf einen drohenden Schaden beim Kläger konnte das LG hier aber nicht feststellen.
Es war nach Einvernahme der Bankangestellten als Zeugin davon überzeugt, dass der Kläger sachlich, ruhig und unauffällig in der Bank auftrat. Weder aus dem Alter des Klägers und der Höhe des Bargeldbetrags noch aus dem Umstand, dass erst eine Übertragung von dem Sparkonto auf das Girokonto erfolgte, drängte sich der Verdacht einer Straftat auf. Bei beiden Barabhebungen hatte die Bankangestellte beim Kläger mehrfach nachfragt, ob ihm der sogenannte Enkeltrick bekannt sei, was dieser bejahte und damit entkräftete, dass er direkt mit seiner Enkeltochter gesprochen habe. Eine weitere Nachfragepflicht war von den Mitarbeitern der Bank nicht zu verlangen, so das LG.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Gegen das klageabweisende Urteil des LG hatte der Kläger Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg eingelegt. Auch das OLG verneinte eine Verletzung von Warn- und Hinweispflichten der Beklagten, gerade, nachdem die Möglichkeit eines Enkeltricks von der Bankangestellten angesprochen worden war. Die Bank ist vertraglich zur Auszahlung des Kontoguthabens verpflichtet und der Kunde hat über die Verwendung der ihm zustehenden Beträge keine Rechenschaft abzulegen, führte das OLG ergänzend aus.
Auf den Hinweis des OLG zur Erfolgslosigkeit der Berufung hat der Kläger sein Rechtsmittel zurückgenommen. Das Urteil des LG ist damit rechtskräftig.
Die Strafbarkeit der Trickbetrüger und etwaige zivilrechtliche Ansprüche gegen diese Personen waren nicht Gegenstand des Verfahrens.
Quelle | LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 22.7.2022, 10 O 1384/22; OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 18.11.2024, 14 U 2275/22, PM 5/25
| Aufwendungen für Krankheitskosten sind nur als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn gewisse Nachweiserfordernisse erfüllt sind. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat dargelegt, wie der Nachweis ab dem Veranlagungszeitraum 2024 zu führen ist. |
Hintergrund: Krankheitskosten können als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sein.
Ein besonderes Augenmerk muss dabei auf den Nachweis der Zwangsläufigkeit gelegt werden:
- Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel genügt es, wenn der Steuerpflichtige eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers vorlegt. Dies regelt § 64 Abs. 1 Nr. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV).
- Bei bestimmten Krankheitskosten ist indes ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erforderlich. Ein solcher qualifizierter Nachweis ist z. B. bei Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, z. B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, erforderlich (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV).
Sind Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungeinzustufen, wartet die Hürde der zumutbaren Belastung, deren Höhe von folgendenFaktoren abhängt:
- Gesamtbetrag der Einkünfte
- Familienstand und
- Zahl der Kinder.
Erläuterungen des Bundesfinanzministeriums
Der Nachweis der Zwangsläufigkeit nach der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (hier: § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV) ist bei einem eingelösten E-Rezept durch den Kassenbeleg der Apotheke bzw. durch die Rechnung der Online-Apotheke oder bei Versicherten mit einer privaten Krankenversicherung alternativ durch den Kostenbeleg der Apotheke zu erbringen.
Der Kassenbeleg (alternativ: die Rechnung der Online-Apotheke) muss folgende Angaben enthalten:
- Name der steuerpflichtigen Person,
- Art der Leistung (zum Beispiel Name des Arzneimittels),
- Betrag bzw. Zuzahlungsbetrag,
- Art des Rezeptes.
Beachten Sie | Zumindest für den Veranlagungszeitraum 2024 wird es vom BMF nicht beanstandet, wenn der Name der steuerpflichtigen Person nicht auf dem Kassenbeleg vermerkt ist.
Quelle | BMF-Schreiben vom 26.11.2024, IV C 3 - S2284/20/10002 :005
| Nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 6 Abs. 1 Nr. 1 a desEStG) werden Aufwendungen in Herstellungskosten umqualifiziert, wenn innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung des Gebäudes Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden, deren Nettoaufwendungen 15 % der Gebäude-Anschaffungskosten übersteigen. Die Aufwendungen sind dann nicht sofort, sondern nur über die Gebäude-Abschreibung abzugsfähig. Bei einer Eigentumswohnung sind zwei Besonderheiten zu beachten, worauf das Finanzgericht (FG) Hessen hingewiesen hat. |
Hintergrund: Maßgebend sind die Anschaffungskosten und Anschaffungsnebenkosten der angeschafften Wohnung und nicht der Wert des Gesamtgebäudes. Bei Teil- und Wohnungseigentum ist danach die einzelne Einheit und nicht das Gesamtgebäude relevant.
Abzustellen ist auf die innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung der Wohnung angefallenen Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen des vermietenden Eigentümers einschließlich seiner anteiligen Aufwendungen für Arbeiten an den im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudeteilen.
Beispiel
A erwirbt mit Wirkung zum 1.11.2023 eine Eigentumswohnung. Die Anschaffungskosten betragen insgesamt 300.000 Euro. Der Grund- und Bodenanteil beträgt 10 % = 30.000 Euro. Die Eigentumswohnung wird nach der Sanierung vermietet.
Anfang 2024 lässt A die sanitären Anlagen (Badezimmer, Gästetoilette) für 29.750 Euro erneuern und neue Türen einbauen (11.900 Euro). Zudem beteiligt er sich an der Dachsanierung (14.280 Euro). Die gesamten Aufwendungen (55.930 Euro) macht er in 2024 als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen geltend.
Lösung: Die Nettoaufwendungen ohne Umsatzsteuer (25.000 Euro + 10.000 Euro + 12.000 Euro = 47.000 Euro) überschreiten die 15 %-Grenze von 40.500 Euro (15 % von 270.000 Euro). Somit stellen die Aufwendungen insgesamt anschaffungsnahe Aufwendungen dar. Sie sind also nicht sofort im Jahr der Zahlung als Werbungskosten abzugsfähig, sondern erhöhen die Bemessungsgrundlage für die Gebäudeabschreibung von 270.000 Euro um 55.930 Euro auf 325.930 Euro. Dies gilt auch für die Kostenbeteiligung an der Dachsanierung, die als Aufwendungen für das Gemeinschaftseigentum ebenfalls im Rahmen der Ermittlung des insgesamt entstandenen Sanierungsaufwands mit einzubeziehen sind.
Aufwendungen für Sonder- und Gemeinschaftseigentum nicht aufzuteilen
Nach Ansicht des FG Hessen dürfen die auf das im Gemeinschaftseigentum stehenden Bestandteile des Gesamtgebäudes entfallenden Aufwendungen nicht unberücksichtigt bleiben. Dies würde auch dem (mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG verfolgten) Vereinfachungszweck widersprechen, weil sich Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen regelmäßig zugleich auf das Sondereigentum als auch auf Bereiche des Gemeinschaftseigentums beziehen. Eine Aufteilung von hierfür einheitlich getragenen Aufwendungen wäre oft nur unter größten Schwierigkeiten möglich.
Beachten Sie | Gegen die nicht zugelassene Revision wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Quelle | FG Hessen, Urteil vom 18.6.2024, 4 K 1736/19, NZB BFH, IX B 86/24
| Aufwendungen für die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio sind grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) auch, wenn die Teilnahme an einem dort angebotenen, ärztlich verordneten Funktionstraining die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio voraussetzt. |
Hintergrund: Außergewöhnliche Belastungen wirken sich steuerlich nur aus, soweit die zumutbare Eigenbelastung überschritten wird. Deren Höhe hängt vom Gesamtbetrag der Einkünfte, Familienstand und von der Zahl der Kinder ab.
Das war geschehen
Der Steuerpflichtigen wurde ein Funktionstraining in Form von Wassergymnastik ärztlich verordnet. Sie entschied sich für das Training bei einem Reha-Verein, der die Kurse in einem für sie verkehrsgünstig gelegenen Fitnessstudio abhielt. Voraussetzung für die Kursteilnahme war neben dem Kostenbeitrag für das Funktionstraining und der Mitgliedschaft im Reha-Verein auch die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio. Letztere berechtigte die Steuerpflichtige aber auch zur Nutzung des Schwimmbads und der Sauna sowie zur Teilnahme an weiteren Kursen.
Die Krankenkasse erstattete nur die Kursgebühren für das Funktionstraining. Als Krankheitskosten und damit als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigte das Finanzamt nur die Mitgliedsbeiträge für den Reha-Verein.
Alle Instanzen sind sich einig
Einen Abzug der Mitgliedsbeiträge für das Fitnessstudio als außergewöhnliche Belastung lehnten das Finanzamt, das Finanzgericht (FG) Niedersachsen und auch der BFH ab.
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio: frei gewähltes Konsumverhalten
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio zählen grundsätzlich nicht zu den als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennenden zwangsläufig entstandenen Krankheitskosten. Denn das mit der Mitgliedschaft einhergehende Leistungsangebot wird auch von gesunden Menschen beansprucht, z. B., um die Gesundheit zu erhalten und die Freizeit sinnvoll zu gestalten.
Die Mitgliedsbeiträge sind der Steuerpflichtigen auch nicht deshalb zwangsläufig erwachsen, weil sie dem Fitnessstudio als Mitglied beitreten musste, um an dem ärztlich verordneten Funktionstraining teilnehmenzu können.
Die Entscheidung, das Funktionstraining in dem Fitnessstudio zu absolvieren, ist in erster Linie Folge eines frei gewählten Konsumverhaltens, das nach Ansicht des BFH eine steuererhebliche Zwangsläufigkeit nicht begründen kann.
Zudem steht dem Abzug der Mitgliedsbeiträge entgegen, dass die Steuerpflichtige hierdurch die Möglichkeit erhielt, auch weitere Leistungsangebote (jenseits des medizinisch indizierten Funktionstrainings) zu nutzen. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerpflichtige (wie von ihr vorgetragen) hiervon keinen Gebrauch gemacht hat.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 1/23
| Auch wenn noch unklar ist, ob die Ansprüche wegen der Reparaturkosten dem Leasinggeber oder dem Leasingnehmer zustehen, ergibt sich dessen schützenswertes Interesse an einer Feststellungsklage aus dem zu erwartenden Ausfallschaden während der Reparatur. So entschied es das Landgericht (LG) Halle. Denn das Gutachten weise vier Arbeitstage für die Reparatur aus. |
Haftung dem Grunde nach sollte geklärt werden
Wegen des streitigen Unfallhergangs wollte der Leasingnehmer zunächst die Haftung dem Grunde nach klären. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung reicht es für das Feststellungsinteresse aus, wenn sich in der Zukunft Schäden ergeben können.
Keine Leistungsklage erforderlich
Soweit Nutzungsausfall streitig ist, müsse ein Geschädigter bei einer noch nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung die Klage nicht zu einer Leistungsklage wegen der bereits entstandenen Schäden und einer Feststellungsklage wegen zukünftiger Schäden aufteilen.
Quelle | LG Halle, Urteilvom 10.10.2024, 4 O 224/24
| Aktuell sind betrügerische E-Mails im Umlauf, die vorgeben, vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu stammen. Die Empfänger werden darüber informiert, dass ihnen angeblich ein Bescheid zugesandt wurde und aufgefordert, eine offene Steuerschuld zu begleichen. Hierfür soll ein Link geöffnet werden, um weitere Informationen zu erhalten. |
Sollten Steuerpflichtige eine solche E-Mail erhalten haben, empfiehlt das BZSt in einer Mitteilung vom 26.2.2025, den Link nicht zu öffnen und die verdächtige E-Mail unverzüglich zu löschen. Weitere Informationen – u. a. die maßgeblichen Textbausteine – sind unter www.iww.de/s12547 aufgeführt.
| Wird ein erkranktes Tier von Dritten zum Tierarzt gebracht, haftet der Tierhalter für die Kosten der Notbehandlung. So sieht es das Amtsgericht (AG) München. |
Halterin nicht über Eingriff informiert
Die Beklagte ist Tierhalterin eines Katers mit den Namen Rocky. Rocky war im Mai 2022 für einige Tage abwesend und kam nicht nach Hause. Am 16.5.2022 fand eine unbekannte Person den Kater in einem bewusstlosen Zustand auf und alarmierte eine Münchener Tierrettung, die den Kater als Notfall in eine Münchener Tierklinik einlieferte. Dort wurde Rocky als Notfall tierärztlich behandelt. Da der Kater in ein Haustierzentralregister eingetragen war, konnte die Halterin des Katers verständigt werden. Diese holte Rocky am nächsten Tag ab. Durch die Behandlung waren Kosten in Höhe von 565,31 Euro entstanden, deren Übernahme die Beklagte jedoch ablehnte, da sie nicht zuvor informiert worden sei und sie Rocky zu seinem üblichen Tierarzt hätte bringen wollen.
Klage auf Zahlung der Rechnung
Die Tierklinik trat ihre Forderung an ein Abrechnungsbüro ab, das die Beklagte vor dem AG auf Zahlung der Rechnung verklagte. Das AG gab der Klage statt und verurteilte die Halterin zur Zahlung. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Forderung wirksam an die Klägerin abgetreten war, dass die Behandlung, wie behauptet, stattfand und die Kosten auch angemessen waren.
„Fremdes Geschäft“ besorgt
Zur Kostentragungspflicht der Beklagten führte es aus, dass die Tierklinik durch die Behandlung des Katers der Beklagten ein sogenanntes „fremdes Geschäft“ besorgt hat. Es handele sich bei der tierärztlichen Versorgung um ein fremdes Geschäft, da das Tier zwar auch aus eigener tierärztlicher Verpflichtung behandelt wurde, die Übernahme der Behandlung ihrer äußeren Erscheinung nach aber auch der Beklagten als Tierhalterin zugute kam. Denn die Behandlung ihres kranken Tieres ist bereits der äußeren Erscheinung nach dem Rechts- und Interessenkreis der Beklagten zuzuordnen.
Auch der Vortrag der Beklagten, sie hätte rechtzeitig über die Einlieferung des Katers informiert werden müssen, verfängt laut AG nicht. Soweit hiermit auf eine sog. „Nebenpflichtverletzung“ abgestellt werden soll, stehe dem entgegen, dass die Behandlungen des Katers nach den Zeugenaussagen, in Übereinstimmung mit der Behandlungsdokumentation, als Notfallmaßnahmen erfolgt seien.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 30.8.2024, 161 C 16714/22, PM 36/24
| Wer als Schüler über Monate den Datenbestand seiner Schule ausspioniert und verändert, darf in eine andere Schule überwiesen werden. Diese Schulordnungsmaßnahme hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren gebilligt. |
Schüler drang widerrechtlich in Schul-IT ein
Der Antragsteller besuchte bislang das 3. Kurshalbjahr der gymnasialen Oberstufe eines Berliner Gymnasiums. Zusammen mit zwei Mitschülern hatte er im letzten Schuljahr zunächst einen schulischen Rechner so präpariert, dass das nächste eingegebene Passwort protokolliert wurde. So erlangte das Trio das Administratorpasswort, um im Anschluss einen sog. „Keylogger“ zu installieren, der das Protokollieren aller eingegebenen Passwörter ermöglichte. Hierdurch konnten sie interne Informationen im geschützten Lehrerkanal mitlesen und organisatorische Daten der Schulleitung abrufen. Daraufhin beschloss die Schulaufsicht nach Anhörung der Schulkonferenz, den Antragsteller in eine andere Schule desselben Bildungsgangs zu überweisen.
Schwerste Ordnungsmaßnahme verhängt
Der hiergegen gerichtete Eilantrag hatte keinen Erfolg. Das VG hat die Entscheidung als für einen schulpflichtigen Schüler schwerste Ordnungsmaßnahme des Berliner Schulgesetzes gebilligt. Nach diesem Gesetz könnten Ordnungsmaßnahmen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit getroffen werden, wenn ein Schüler die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit beeinträchtigte oder andere am Schulleben Beteiligte gefährde, soweit Erziehungsmaßnahmen nicht zu einer Konfliktlösung geführt haben oder keine Aussicht auf Erfolg versprächen.
Diesen Vorgaben entspreche die getroffene Ordnungsmaßnahme, die sich im Rahmen des der Schule zustehenden pädagogischen Beurteilungsspielraums halte. Nach diesem Maßstab sei die Entscheidung nicht zu beanstanden. Das Vorgehen des Antragstellers stelle sich als schweres Fehlverhalten dar. Ein über Monate dauerndes Ausspionieren des Datenbestands der Schule beeinträchtige die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit. Der Antragsteller sei mit krimineller Energie vorgegangen, weshalb das schulische Vertrauen in die Integrität des Antragstellers nachhaltig und irreparabel zerstört worden sei. Angesichts der Schwere des Fehlverhaltens des Antragstellers mit einer mehrere Monate währenden Verletzung der Datenschutzbelange und der Privatsphäre von Lehrkräften und der Schülerschaft habe die Schule den Schulwechsel nicht – wie das Gesetz dies im Regelfall vorschreibe – zuvor schriftlich androhen müssen.
Die Maßnahme, so das VG, sei auch unter Würdigung des Umstands verhältnismäßig, dass der Antragsteller sich in seinem letzten Schuljahr vor dem Abitur befinde und die ersten Abiturprüfungen bereits in wenigen Monaten anstehen, weil er sich gegenüber den Vorwürfen völlig uneinsichtig gezeigt habe.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 13.11.2024, VG 3 L 610.24, PM 30/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über die Rückzahlung von Bankentgelten entschieden, die aufgrund einer unwirksamen Zustimmungsfiktionsklausel vereinbart werden sollten. Sein Urteil ist verbraucherfreundlich. |
Das war geschehen
Der Kläger begehrt Rückzahlung von geleisteten Kontoführungsentgelten und Gebühren für eine Girokarte. Nach einer in den AGB der beklagten Sparkasse enthaltenen unwirksamen Regelung gilt die Zustimmung des Kunden zu angebotenen Änderungen von Vertragsbedingungen oder Entgelten für Bankleistungen als erteilt, wenn der Kunde der Beklagten seine Ablehnung nicht innerhalb einer bestimmten Frist anzeigt (Zustimmungsfiktionsklausel).
Die beklagte Sparkasse informierte den Kläger im Oktober 2017 darüber, dass für dessen zwei Girokonten ab dem 1.1.2018 Kontoführungsentgelte und Gebühren für eine Girokarte zu zahlen seien. Daraufhin kündigte der Kläger eines der Girokonten. Die Beklagte erhob ab dem 1.1.2018 eine Grundgebühr für die Führung des anderen Girokontos in Höhe von monatlich 3,50 Euro und eine Gebühr für eine SparkassenCard in Höhe von jährlich 6 Euro. Der Kläger stimmte diesen Änderungen der Bedingungen nicht aktiv zu. Die Beklagte buchte die Entgelte in der Folgezeit vom Konto des Klägers ab. Im Juli 2021 widersprach dieser der Erhebung der Entgelte. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung der in den Jahren 2018 bis 2021 erhobenen Entgelte in Höhe von insgesamt 192 Euro sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger jeden weiteren künftigen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Einziehung nicht vereinbarter Bankentgelte nach dem Jahr 2021 entstehe.
Das Amtsgericht (AG) und das Landgericht (LG) haben die Klage abgewiesen.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 192 Euro zu zahlen. Der Kläger erhält die Kontoführungsentgelte und das Entgelt für die Girokarte zurück.
Der Kläger hat einen Rückzahlungsanspruch, weil die Beklagte die Entgelte ohne Rechtsgrund vereinnahmt hat. Er hat der von der Beklagten beabsichtigten Änderung der Entgeltbedingungen nicht bloß durch die fortgesetzte Nutzung des Girokontos zugestimmt. Die fortlaufende Nutzung eines Girokontos hat keinen objektiven Erklärungswert dahin, dass der Wille des Kontoinhabers neben dem Willen, einen konkreten Kontovorgang auszulösen, auch die Zustimmung zu geänderten Kontobedingungen der Sparkasse oder Bank umfasst. Der Zugang zu einem Girokonto ist in der Regel eine unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme am unbaren Zahlungsverkehr und von essenzieller Bedeutung für die uneingeschränkte Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben. Die Nutzung des Girokontos allein ist deshalb kein Ausdruck des Einverständnisses mit der Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Sparkasse oder Bank, sondern entspricht lediglich den Erfordernissen und Gewohnheiten des modernen Geschäfts- und Wirtschaftsverkehrs im Alltag.
Die von der Beklagten erhobenen Entgelte sind auch nicht durch eine Fiktion der Zustimmung des Klägers zu den geänderten Kontobedingungen entstanden. Eine Klausel in den Geschäftsbedingungen von Banken und Sparkassen, die eine solche Fiktion vorsieht, ist im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam.
Auch der Umstand, dass der Kläger die von der Beklagten erhobenen Entgelte über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren widerspruchslos gezahlt hat, führt nicht dazu, dass die Sparkasse die Entgelte behalten darf, so der BGH.
Quelle | BGH, Urteil vom 19.11.2024, XI ZR 139/23, PM 219/24
| Eine im Wohnraummietvertrag vereinbarte Indexklausel, die ausschließlich eine Erhöhungsmöglichkeit vorsieht, kann nach Ansicht des Landgerichts (LG) Berlin II weder individual- noch formularvertraglich vereinbart werden. |
Nachteilsverbot beachten
Den Mietvertragsparteien sei nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 557 b Abs. 1 BGB) die Vereinbarung einer näher definierten Indexmiete gestattet, allerdings nicht in Gestalt einer „upwards only“-Klausel. Das Verbot einer den Vermieter begünstigenden Einseitigkeitsklausel (sog. Nachteilsverbot) ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut. Der Gesetzgeber habe sich aber von einem entsprechenden Motiv leiten lassen, also bei fallendem Index müsse eine entsprechende Mietabsenkungsmöglichkeit eröffnet sein.
Vermieterseitige Allgemeine Geschäftsbedingung
Im Streitfall ergab sich bereits aus der Erscheinungsform des Textes und seinem Regelungsinhalt, dass es sich um von der Vermieterseite gestellte AGB handelte. In Anwendung der Unklarheitenregelung in § 305 c Abs. 2 BGB war die Vertragsbedingung als eine den Mieter unangemessen benachteiligende Einseitigkeitsklausel zu werten. Aber auch eine „im Einzelnen ausgehandelte “Individualvereinbarung sei angesichts des o. g. Nachteilsverbots unzulässig, so das LG.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 20.6.2024, 67 S 83/24
| Ein Mieter einer Dachgeschosswohnung entsorgte über sein Fenster Essensreste in eine Dachrinne. Das Amtsgericht (AG) Hannover hat entschieden: Der Mieter muss seine Wohnung räumen. |
Dachrinne durch Müll verstopft
Über sein Wohnungsfenster entsorgte der Mieter u. a. Nudeln, Fleisch, Gewürzgurken und Knochen. Die entsorgten Essensreste landeten in der Dachrinne und verstopften diese. Der Säuregehalt der Essenreste beschädigte die Dachrinne.
Vermieter kündigte zweimal
Die Vermieterin mahnte zunächst ab. Danach kündigte sie gegenüber dem rechtlichen Betreuer des Mieters fristlos und ordentlich.
Zudem installierte der Mieter durch einen mit einem Gitter geschützten Schacht im Bordstein eine Stromleitung für sein Mofa. Die Vermieterin kündigte daraufhin erneut.
Mietvertragliche Pflichten erheblich verletzt
Das AG überzeugte sich vor Ort, dass die Essensreste nur vom Mieter stammen können. Das Dachfenster befindet sich nur einen Meter von der Dachrinne entfernt. Andere Fenster oder Zugänge sind nicht in erreichbarer Nähe. Die Dachrinne war nur an der Stelle der gelagerten Essensreste beschädigt. Insoweit hat der Mieter durch die wiederholte Entsorgung von Essensresten über sein Wohnungsfenster die Mietsache beschädigt und damit seine mietvertraglichen Pflichten erheblich schuldhaft verletzt, sodass der Kündigungsausspruch nach gerichtlicher Überzeugung auch von einem Kündigungsgrund getragen war. Das AG gewährte dem Mieter über die noch andauernde Kündigungsfrist zum Auszug von sechs Wochen eine darüber hinausgehende Räumungsfrist von dreieinhalb Monaten.
Ein Antrag auf Räumungsschutz wurde mittlerweile zurückgewiesen.
Quelle | AG Hannover, Urteil vom 11.1.2024, 510 C 5216/23, PM vom 29.10.2024
| Das Oberlandesgericht (OLG) München hat jetzt entschieden: Ein handschriftliches Testament ist formunwirksam, wenn der Bedachte durch einen maschinenschriftlichen Adressaufkleber benannt werden soll. |
Ungewöhnliche Gestaltung einer vermeintlichen letztwilligen Verfügung
Neben den letzten beiden Zeilen in der rechten unteren Ecke eines Briefumschlags, auf dem eine letztwillige Verfügung stehen soll, befindet sich ein Adressaufkleber des Beschwerdeführers, der einen Alleinerbschein beantragt hat. Zwischen den Wörtern „Rest dir“ und dem Adressaufkleber befindet sich ein Pfeil, der auf den Namen des Beschwerdeführers weist. Die (vermeintliche) Unterschrift der Erblasserin befindet sich oberhalb dieses Adressaufklebers neben dem Wort „Schultertuch“.
Oberlandesgericht erkennt das Schriftstück mangels Schriftform nicht an
Das Schriftstück stelle schon keine wirksame Verfügung von Todes wegen dar, weil es nicht durchgängig handschriftlich verfasst wurde. Bei dem auf dem Schriftstück angebrachten Pfeil handele es sich um ein Symbol und damit nicht um Schrift. Hinsichtlich des Pfeils ist eine Überprüfung der Urheberschaft von vornherein ausgeschlossen.
Auch der Adressaufkleber, auf dem sich Name und Anschrift des Beschwerdeführers befinden, wahre nicht die vom Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehene Form (hier: § 2247 Abs. 1 BGB).
Quelle | OLG München, Urteil vom 23.7.2024, 33 Wx 329/23
| Ein Schwiegersohn ist zur Rückzahlung eines sechsstelligen Darlehens an seine Schwiegereltern verpflichtet. So entschied es das Landgericht (LG) Frankfurt am Main. Es hat dabei klargestellt, dass ein im familiären Umfeld überlassener größerer Geldbetrag im konkreten Fall keine reine Gefälligkeit darstellt und ein Rechtsanspruch auf Rückzahlung besteht. |
Schwiegersohn benötigte Geld und bekam es von den Schwiegereltern
Der später beklagte Schwiegersohn benötigte Geld, um ein geerbtes Wohnhaus erhalten zu können. Seine Bank hatte ihm bereits einen Kredit gekündigt. Um ihn zu unterstützen, nahmen seine Schwiegereltern ihrerseits ein Darlehen in Höhe von 250.000 Euro auf und lösten damit die Restschuld des Schwiegersohns aus dessen Kredit ab. Man war sich darüber einig, dass der Schwiegersohn Zinsen und Tilgung tragen sollte. So geschah es auch über mehrere Jahre hinweg.
Ehe wurde geschieden
Zwischenzeitlich wurde die Ehe des Schwiegersohns mit der Tochter der Schwiegereltern jedoch geschieden. Der Schwiegersohn stellte einige Zeit später seine Zahlungen mit der Begründung ein, er könne die finanzielle Belastung wegen der Unterhaltszahlungen an seine Exfrau nicht mehr tragen. Die ehemaligen Schwiegereltern verlangten von ihm jedoch die Zahlung des noch offenen Darlehensbetrags von rund 190.000 Euro.
Landgericht: kein freiwilliges Vermögensopfer der Schwiegereltern
Das LG gab der Klage der Schwiegermutter statt. Es folgte nicht der Argumentation des Schwiegersohns, die finanzielle Unterstützung durch seine ehemaligen Schwiegereltern sei ein freiwilliges Vermögensopfer, denn sie sei im familiären Raum wegen der schwierigen Lage der jungen Eheleute erfolgt.
Das LG stellte in seinem Urteil vielmehr fest, dass die Schwiegereltern und der Schwiegersohn ihrerseits mündlich einen Darlehensvertrag geschlossen hatten. Das Gericht führte aus: „Ob ein Vertrag geschlossen wurde, hängt maßgeblich vom Rechtsbindungswillen der Parteien ab. Bei einem sog. reinen Gefälligkeitsverhältnis fehlt der Rechtsbindungswille.“ Und weiter: „Die Parteien handeln bei einem Gefälligkeitsverhältnis (…) ausschließlich aus gesellschaftlicher Gefälligkeit, also aus Freundschaft, Kollegialität, Nachbarschaft oder sonstigem Altruismus.“
Zwar seien die Abreden hier im engen Familienkreis erfolgt, was für eine reine Gefälligkeit sprechen könne. Allerdings handelte es sich nach Ansicht des LG bei der Gewährung eines derart hohen Betrags keinesfalls um eine Gefälligkeit des täglichen Lebens. Auch die Interessenlage spreche für einen Rechtsbindungswillen. Denn das Risiko der Klägerin und ihres Ehemanns sei ganz erheblich gewesen.
Für den Schwiegersohn habe zudem die Gefahr bestanden, ohne die Gewährung des Geldbetrags sein Haus und damit sein Heim zu verlieren. Hinzu komme, dass der Beklagte selbst eingeräumt habe, dass die Parteien eine Schenkung des Geldes nicht gewollt hätten. Nachdem die Schwiegereltern den mündlich mit ihrem ehemaligen Schwiegersohn geschlossenen rechtsverbindlichen Darlehensvertrag gekündigt hatten, stünde ihnen ein Rückzahlungsanspruch zu.
Quelle | LG Frankfurt, Urteil vom 28.11.2024, 2-23 O 701/23, PM vom 19.12.2024
| Die Kündigung eines nach dem 31.12.2017 geschlossenen Architektenvertrags bedarf der Schriftform. Das regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (hier: §§ 650 q, 650 h BGB). Eine formwidrige Kündigung ist allerdings folgenlos, wenn die andere Partei die Kündigung hinnimmt. Es ist dann in der Regel eine stillschweigende Vertragsaufhebung anzunehmen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt klargestellt. |
Das OLG sagt aber auch: Ruft der Auftraggeber über einen längeren Zeitraum keine weiteren Planungs- und Beratungsleistungen beim Auftragnehmer ab, kann darin keine Kündigung gesehen werden.
Quelle | OLG Frankfurt, Urteil vom 11.5.2023, 22 U 19/22, rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde, BGH, Beschluss vom 15.5.2024, VII ZR 118/23
| Kann das Honorar für Planungsaufträge für Baumaßnahmen und Anlagen, die in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) nicht beschrieben sind, frei vereinbart werden? Gilt die HOAI dann nicht? Antworten hierzu lieferte jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg. |
Das war geschehen
Ein Ententeich sollte von einem stehenden Gewässer zu einer wasserwirtschaftlichen Anlage umgewidmet werden. Der bereits im Verlauf eines Trennsystems genutzte Teich sollte als künftiger Retentionsraum genutzt werden. Die Parteien stritten über die Berücksichtigung eines Umbauzuschlags. Der Auftraggeber meinte, dass ein Objekt i. S. d. HOAI 2013 vorhanden sein müsse, andernfalls sei ein Umbau nicht möglich. Hier läge jedoch kein solches „Objekt“ vor. Daher sei ein Umbauzuschlag ausgeschlossen. Daran ändere auch nichts, dass der Teich durch Menschenhand geschaffen worden sei.
So sah es das Oberlandesgericht
„Objekt“ oder nicht „Objekt“ – das war hier die Frage. Das OLG stützte sich zur Beantwortung auf ein Gerichtsgutachten. Der Sachverständige hatte festgestellt, dass der Ententeich von der Beklagten schon über einen längeren Zeittraum zur Ableitung von Mischwässern genutzt würde und überschüssige Wässer über ein Mönchsbauwerk in ein nahe gelegenes Gewässer abgeleitet werden. Es handele sich deshalb um eine ungenehmigte Anlage des Wasserbaus. Das Gericht bewilligte daher den Umbauzuschlag. Es handele sich um ein Ingenieurbauwerk (Anlage des Wasserbaus). Zwar würde durch die Planung nicht in die Konstruktion des Teichs eingegriffen, wohl aber in den Bestand. Dieser sei wesentlich, weil aus einer Anlage des Wasserbaus eine Anlage der Abwasserentsorgung entstehen sollte (Nutzungsänderung). Denn der Teich sollte bei dem umzustellenden Mischsystem in ein Trennsystem künftig nur noch den kontrollierten Abfluss von Regenwasser sicherstellen.
Das OLG: Durch die geplante Vertiefung des Teichs werde zwar auch in die Konstruktion eingegriffen. Die Wesentlichkeit dieses Eingriffs sei aber nicht vorgetragen worden, sodass sich das Wesentlichkeitskriterium nicht prüfen ließ. Wesentlich sei ein Eingriff, wenn er gegenüber dem Bestand einen Anteil von 10 bis 20 Prozent der Substanz ausmacht.
Quelle | OLG Naumburg, Urteil vom 16.5.2024, 2 U 96/23
| Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat einem Mann den Erlass der Grundsteuer verwehrt, obwohl er herangezogen worden war, ein Baudenkmal zu erhalten. |
Für den Erhalt eines Fachwerkhauses begehrte der Kläger Grundsteuererlass
Der Kläger erwarb im Jahr 2012 ein Grundstück, das mit einem barocken Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert bebaut ist. Für dieses zog ihn die beklagte Ortsgemeinde für das Kalenderjahr 2022 zur Zahlung von Grundsteuer B in Höhe von 110,60 Euro heran. Der Kläger beantragte daraufhin den Erlass der Grundsteuer, weil die Erhaltung des Gebäudes wegen seiner Denkmaleigenschaft im öffentlichen Interesse liege und für ihn unrentabel sei.
Den Antrag des Klägers auf Erlass der Grundsteuer lehnte die Beklagte ab. Insbesondere habe der Kläger die Unrentabilität des Gebäudes nicht hinreichend belegt.
Erfolgloser Widerspruch
Hiergegen wandte sich der Kläger zunächst erfolglos mittels Widerspruch und dann mit seiner Klage. Er habe denkmalschutzbedinge Sanierungsmaßnahmen vorgenommen, unter anderem das Fachwerk freigelegt. Ohne die Denkmaleigenschaft hätte er das Gebäude abgerissen und das Grundstück anderweitig verwertet. Es seien zudem Rückstellungen für weitere Sanierungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Aus Rentabilitätsgründen habe er überwiegend Eigenleistungen erbracht. Er erziele inzwischen Mieteinnahmen in angemessener Höhe, dennoch sei ihm ein Verlust entstanden.
Verwaltungsgericht sah Voraussetzungen für Erlass nicht gegeben
Die Klage hatte keinen Erfolg. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Grundsteuererlass für das Jahr 2022, so das VG. Das Grundsteuergesetz (hier: § 32 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 GrStG) sehe dies nur für Grundbesitz vor, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liege, wenn die erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile (Rohertrag) in der Regel unter den jährlichen Kosten lägen. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Zwar bestehe ein öffentliches Interesse am Erhalt des Fachwerkhauses des Klägers. Der Grundbesitz sei jedoch nicht unrentabel. Der Kläger habe in erster Linie im weitaus überwiegenden Umfang Kosten aufgewendet, um das Gebäude im Sinne seiner eigentlichen Bestimmung – zu Wohnzwecken – zu ertüchtigen. Es sei deshalb prognostisch nicht davon auszugehen, dass der Grundbesitz – was für einen Grundsteuererlass vorausgesetzt wird – dauerhaft unrentabel sei. Eine valide Bewertung der Unrentabilität sei zudem nicht möglich, weil der Kläger nicht alle dazu benötigten Unterlagen vorgelegt habe.
Schließlich fehle es jedenfalls an der erforderlichen Kausalität zwischen (unterstellter) Unrentabilität und öffentlichem Erhaltungsinteresse. Denn der Kläger habe das Gebäude in Kenntnis des Sanierungsbedarfs zum Marktwert erworben. Das Gebäude sei wegen seines mehr oder weniger veralteten und teilweise maroden Zustands sanierungsbedürftig gewesen, nicht aufgrund der Denkmaleigenschaft.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 25.6.2024, 5 K 172/24.KO, PM 16/24
| Gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sind u. a. Beschäftigte im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Ein solches Beschäftigungsverhältnis kann auch bei einem 15-jährigen Spieler einer Juniorenmannschaft eines Fußball-Bundesliga-Vereins mit einem „Fördervertrag“ vorliegen. So entschied es das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg. |
Komplexe Verletzung beim Ligaspiel
Ein damals 15-jähriger Fußballer erlitt in einem Spiel derfrüheren B-Junioren-Bundesliga im Herbst 2020 eine komplexe Läsion des Außenmeniskus und musste sich einer Operation und einer langwierigen Nachbehandlung unterziehen. Der 15-Jährige hatte, vertreten durch seine Eltern, einen „Fördervertrag“ als Vertragsspieler im Sinne der „Spielordnung“ des DFB unterschrieben und war in das Leistungszentrum des Vereins aufgenommen worden. Er unterwarf sich darin umfangreichen Verpflichtungen, insbesondere zur Teilnahme an allen Trainings und allen Spielen, ohne einen Anspruch auf Spieleinsatz zu haben. Auch hatte er etwa am dritten Tag einer Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche AU-Bescheinigung einzureichen. Es waren ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen im Jahr und ein „monatliches Grundgehalt“ von 251 Euro vereinbart.
Berufsgenossenschaft: kein Arbeitsunfall
Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, denn der Spieler sei nicht unfallversichert gewesen. Auch Verträge wie hier könnten jedenfalls vor dem 16. Geburtstag des Spielers kein Beschäftigungsverhältnis begründen. Außerdem sei das vereinbarte Gehalt so niedrig, dass es keine adäquate Gegenleistung, sondern allenfalls eine Aufwandsentschädigung darstelle.
Landessozialgericht gab Spieler Recht
Nachdem in erster Instanz vor dem Sozialgericht (SG) die Berufsgenossenschaft obsiegt hatte, hat nun im Berufungsverfahren das LSG dem Spieler Recht gegeben und ein Beschäftigungsverhältnis und damit einen Arbeitsunfall bejaht. Der „Fördervertrag“ gehe weit über die Pflichten eines bloßen Vereinsmitglieds hinaus und entspreche eher einem Arbeitsvertrag. Ausschlaggebend für diese Einordnung waren die umfassenden Verpflichtungen des jungen Mannes, die Regelungen zu Arbeitsunfähigkeit und Urlaub sowie das vereinbarte „Grundgehalt“, das ausdrücklich als einkommensteuerpflichtig bezeichnet wurde und auch über der steuerfreien „Übungsleiterpauschale“ nach dem Einkommensteuerrecht lag.
Verbotene Kinderarbeit nicht gegeben
Dass der Spieler bei dem Unfall noch keine 16 Jahre alt war, stand der Einstufung als „Beschäftigter“ nicht entgegen. Insbesondere lag keine verbotene Kinderarbeit vor, weil er die Vollzeitschulpflicht nach baden-württembergischem Landesrecht erfüllt hatte. Ebenso schließen die Regelungen des DFB nicht aus, dass bereits ein 15-jähriger Fußballspieler ein Beschäftigter ist. Zwar kann er frühestens ab dem 16. Geburtstag eine Spielerlaubnis für eine Lizenzmannschaft oder erste Herrenmannschaft erhalten. Diese bloße Möglichkeit ändert aber nicht die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere, wenn der Spieler mitten in einer laufenden Saison 16 wird. Sie schließt nicht aus, dass schon zuvor eine Beschäftigung vorlag. Für die Entscheidung war danach nicht die Grenze zu den Lizenzmannschaften maßgeblich, sondern die Grenze zwischen Vereinsamateuren und Vertragsspielern.
Die Entscheidung des LSG, wenn sie rechtskräftig wird, bedeutet, dass die zuständige Berufsgenossenschaft den Unfall entschädigen muss. Denn es handelt sich um einen Unfall infolge einer versicherten Tätigkeit und damit um einen Arbeitsunfall.
Quelle | LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.1.2025, L 9 U 3318/23, PM des LSG
| Das Verschenken von Geschäftsanteilen an leitende Mitarbeiter zur Sicherung der Unternehmensnachfolge führt nicht ohne Weiteres zu steuerpflichtigem Arbeitslohn bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. So lautet eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Beachten Sie | Wird eine Mitarbeiterbeteiligung nicht zum Marktpreis übertragen, liegt der geldwerte Vorteil in der gegenüber dem marktüblichen Preis bestehenden verbilligten Übertragung. Arbeitslohn setzt aber weiter voraus, dass der Vorteil dem Arbeitnehmer „für“ seine Arbeitsleistung gewährt wird.
Das war geschehen
Die Arbeitnehmerin war seit vielen Jahren in der Führungsebene eines kleineren Unternehmens tätig. Da der Sohn der Gründungsgesellschafter als Nachfolger ausschied, beschlossen sie, die Leitung des Unternehmens zur Sicherung der Unternehmensfortführung in die Hände der Arbeitnehmerin und der weiteren Mitglieder der Führungsebene zu legen. Hierzu übertrugen sie jeweils 5,08 % der Anteile schenkweise an die Arbeitnehmerin sowie vier weitere Personen.
Finanzamt und gerichtliche Instanzen unterschiedlicher Auffassung
Das Finanzamt sah den in der Übertragung liegenden geldwerten Vorteil als Arbeitslohn an und unterwarf diesen der Besteuerung. Demgegenüber entschied das Finanzgericht (FG) Sachsen-Anhalt, dass sich der Vorteil aus der Übertragung der Gesellschaftsanteile nicht als Ertrag der nichtselbstständigen Arbeit der Angestellten darstellt. Dies hat der BFH nun bestätigt.
Regelung der Unternehmensnachfolge stand im Vordergrund
Auch, wenn die Anteilsübertragung mit dem Arbeitsverhältnis der Angestellten zusammenhängt, ist sie durch dieses nicht (maßgeblich) veranlasst. Denn entscheidendes Motiv für die Übertragung war für alle Beteiligten erkennbar die Regelung der Unternehmensnachfolge.
Beachten Sie | Der in der schenkweisen Übertragung aus gesellschaftsrechtlichen Gründen liegende Vorteil stellt in dieser Situation keine Entlohnung der leitenden Mitarbeiter für in der Vergangenheit erbrachte oder in Zukunft zu erbringende Dienste dar.
Als maßgebliche Indizien gegen Arbeitslohn sah der BFH auch folgende Aspekte an:
- Die Anteilsübertragung war im Streitfall nicht an den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geknüpft.
- Der vom Finanzamt angenommene Vorteil fiel im Vergleich zu den Bruttoarbeitslöhnen der Beschenkten deutlich aus dem Rahmen.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.11.2024, VI R 21/22, PM 4/25 vom 16.1.2025
| Seit dem 1.1.2025 kann die Kleinunternehmerregelung auch erstmalig im EU-Ausland in Anspruch genommen werden. Die Voraussetzungen hierfür regelt das Umsatzsteuergesetz (hier: § 19 a UstG: „Besonderes Meldeverfahren für die Anwendung der Steuerbefreiung in einem anderen Mitgliedstaat“). Weitere Informationen finden interessierte Unternehmer auch im Onlineportal des für dieses Verfahren zuständigen Bundeszentralamts für Steuern (BZSt). |
Von inländischen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze sind von der Umsatzsteuer befreit. Im Zuge des Jahressteuergesetzes 2024 erfolgten viele Anpassungen am bisherigen System. Zudem kann die Kleinunternehmerregelung nun auch erstmals im EU-Ausland beansprucht werden (sogenannte Europäische-Kleinunternehmerregelung, kurz EU-KU-Regelung).
In Deutschland ansässige Unternehmer, die an der EU-KU-Regelung teilnehmen möchten, müssen ihre Teilnahme beim BZSt elektronisch beantragen. In diesem Antrag kann der Unternehmer sich für die Regelung registrieren und auswählen, in welchen EU-Mitgliedstaaten er die Regelung in Anspruch nehmen möchte.
Beachten Sie | Für die Antragstellung in Deutschland steht ausschließlich das Onlineportal des BZSt zur Verfügung.
Die Teilnahme an der Regelung ist ab dem Tag möglich, an dem der Unternehmer für die EU-KU-Regelung durch das BZSt zugelassen und damit zum Verfahren registriert wird.
Für die EU-KU-Regelung registrierte Unternehmer können nur im Onlineportal des BZSt Anpassungen zu Registrierung und Teilnahme an der EU-KU-Regelung vornehmen, z. B. Registrierungsdaten ändern, Umsatzmeldungen übermitteln und sich vom Verfahren abmelden.
Quelle | BZSt
| Das Verwaltungsgericht (VG) Osnabrück hat den Antrag der Betreiberin eines „Automatenshops“ auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer noch anhängigen Klage abgelehnt. Hintergrund ist eine Anordnung der Stadt Papenburg, nach der die Antragstellerin ihre in dem „Automatenshop“ befindlichen Verkaufsautomaten an Sonn- und Feiertagen höchstens drei Stunden außerhalb der ortsüblichen Gottesdienstzeiten betreiben darf. |
„Automatenshop“ mit elf Automaten
Der streitgegenständliche „Automatenshop“ verfügt über elf Automaten, die Rauchwaren, Hygieneartikel, alkoholfreie und alkoholhaltige Getränke sowie Snacks anbieten. Außerdem befinden sich in dem Raum, der durchgehend zugänglich und videoüberwacht ist, ein Kaffee‑, ein Box- und ein Schlagkraftautomat („Hau den Lukas“) sowie ein Airhockeytisch.
Die Stadt Papenburg meint, dass der „Automatenshop“ hinsichtlich der Öffnungszeiten den Regelungen des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten (NLöffVZG) unterliege. Folglich müsse sich die Antragstellerin an das grundsätzliche Verbot der Sonn- und Feiertagsöffnung halten. Die Behörde ordnete die sofortige Vollziehung ihrer Anordnung an. Der hiergegen gerichtete Eilantrag hatte keinen Erfolg.
Anordnung wohl rechtmäßig
Das VG folgte hier dem Vortrag der Antragsgegnerin. So sei die o. g. Anordnung voraussichtlich rechtmäßig. Zwar falle ein einzelner Warenautomat nicht unter die Regelungen des NLöffVZG. Der streitgegenständliche „Automatenshop“ mit elf Warenautomaten sei allerdings als Verkaufsstelle im Sinne des § 1 Abs. 1 Alt. 1, § 2 Abs. 1 S. 1 NLöffVZG anzusehen. So sei der Shop eine Einrichtung, in der von einer festen Stelle aus ständig Waren verkauft werden. Nach § 2 Abs. 1 S. 2 NLöffVZG gehören zu Verkaufsstellen außer Ladengeschäften aller Art auch Kioske. Einem solchen ähnele der „Automatenshop“.
Sonn- und Feiertagsruhe beeinträchtigt
Es sei hier unerheblich, dass kein persönlicher Verkauf stattfinde. Die grundgesetzlich geschützte Sonn- und Feiertagsruhe sei durch das Angebot dennoch beeinträchtigt. Der Niedersächsische Gesetzgeber habe – bisher – nicht deutlich gemacht, dass automatisierte oder digitale Verkaufsstellen nicht unter diese Regelung fallen sollen.
Weitere Anordnung
Die Stadt Papenburg hatte darüber hinaus mit einer weiteren Anordnung die Antragstellerin aufgefordert, eine Gaststättenanzeige einzureichen, sofern sie über ihre Automaten weiterhin Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle anbiete. Die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme wurde ebenfalls angeordnet. Dem hiergegen eingereichten Eilantrag gab das VG mit weiterem Beschluss statt.
So sei nach der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der streitgegenständliche „Automatenshop“ nicht dem Gaststättengewerbe zuzuordnen. Die Einrichtung vermittele nach Aktenlage vielmehr den Eindruck, dass die weit überwiegende Anzahl der Verkaufsgeschäfte mit dem Ziel der Mitnahme erfolge. Insofern sei der Antragstellerin darin beizupflichten, dass der Raum insbesondere wegen des Fehlens von Sitz- oder Abstellmöglichkeiten im Kern keine Anreize setze, sich längerfristig zum Getränkeverzehr dort aufzuhalten, auch wenn er zudem über Vergnügungsautomaten verfüge.
Quelle | VG Osnabrück, Beschluss vom 14.1.2025, 1 B 61/24 und 1 B 79/24, PM 1/25
| Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden: Wer einen Immobilienkredit nur gegen eine Provision gewährt, muss eindeutig angeben, ob die Provision von der Laufzeit des Kredits abhängig ist oder nicht. Fehlt es an dieser Angabe, ist von der Abhängigkeit von der Laufzeit auszugehen. |
Das kann erhebliche Konsequenzen haben. Die Kreditnehmerin hatte für die Gewährung des Kredits eine Provision zu zahlen. Weit vor dem Ablauf der gewährten Laufzeit zahlte sie den Kredit dann allerdings zurück. Zugleich verlangte sie nun anteilig die Provision zurück – zu Recht, wie der EuGH annahm.
Der EuGH: In der fehlenden Belehrung über den Umstand der Unabhängigkeit der Provision von der Laufzeit liegt eine unangemessene Benachteiligung jedenfalls eines Verbrauchers.
Quelle | EuGH, Urteil vom 17.10.2024, C-76/22
| Gewähren Luftfahrtunternehmen ihren Arbeitnehmern unentgeltlich oder verbilligt Flüge, ist der geldwerte Vorteil daraus zu versteuern. Für die Bewertung gelten besondere Regeln. Ein aktueller koordinierter Ländererlass regelt die Bewertung für 2025. |
Der Wert der Flüge kann grundsätzlich gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 8 Abs. 2 oder Abs. 3 EStG) mit einem Rabattfreibetrag in Höhe von 1.080 Euro im Kalenderjahr ermittelt werden.
Beachten Sie | In den Fällen der Bewertung nach § 8 Abs. 2 EStG können die Flüge mit Durchschnittswerten angesetzt werden. Dabei kommt es u. a. auf die Flugkilometer an und darauf, ob Beschränkungen im Reservierungsstatus bestehen.
Quelle | Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 16.12.2024
| Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung, die der Erblasser bereits zu Lebzeiten an ein Bestattungsunternehmen abgetreten hat, erhöhen als Sachleistungsanspruch der Erben den Nachlass. Im Gegenzug sind jedoch die Bestattungskosten in vollem Umfang als Nachlassverbindlichkeiten steuermindernd zu berücksichtigen. In einem weiteren Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) Folgendes klargestellt: Verzichtet ein Kind gegenüber einem Elternteil auf seinen gesetzlichen Erbteil, hat dieser Verzicht nicht zur Folge, dass beim Versterben des Elternteils die Enkel des Erblassers den Freibetrag i. H. von 400.000 Euro erhalten. Vielmehr erhält der Enkel nur einen Freibetrag i. H. von 200.000 Euro. |
Urteil 1: Bestattungskosten bei Sterbegeldversicherung
Über folgenden Fall musste der BFH jüngst entscheiden: Der Kläger und seine Schwester sind Erben ihrer verstorbenen Tante (Erblasserin). Diese hatte eine Sterbegeldversicherung abgeschlossen und das Bezugsrecht an ein Bestattungsunternehmen zur Deckung ihrer Bestattungskosten abgetreten. Nach dem Tod stellte das Bestattungsinstitut für seine Leistungen einen Betrag i. H. von 11.654 Euro in Rechnung. Davon bezahlte die Sterbegeldversicherung 6.864 Euro.
Das Finanzamt setzte gegen den Kläger Erbschaftsteuer fest und rechnete den Sachleistungsanspruch auf Bestattungsleistungen (6.864 Euro) zum Nachlass. Für die geltend gemachten Nachlassverbindlichkeiten (einschließlich der Kosten für die Bestattung) setzte es nur die Pauschale für Erbfallkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i. H. von 10.300 Euro an. Die nach dem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) Münster als unbegründet zurück.
Der BFH hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Aufgrund der von der Erblasserin abgeschlossenen Sterbegeldversicherung ist ein Sachleistungsanspruch in Bezug auf die Bestattung auf die Erben übergegangen. Dieser fiel (wie das FG zutreffend entschieden hat) in Höhe der Versicherungsleistung von 6.864 Euro in den Nachlass und erhöhte die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer.
Im Unterschied zum FG ist der BFH aber der Meinung, dass die Bestattungskosten nicht nur in Höhe der Pauschale von 10.300 Euro abzugsfähig sind. Sie sind vielmehr in vollem Umfang als Nachlassverbindlichkeiten bei der Bemessung der Erbschaftsteuer steuermindernd zu berücksichtigen. Da die Feststellungen des FG nicht ausreichten, um die Höhe der insgesamt zu berücksichtigenden Nachlassverbindlichkeiten zu bestimmen, wurde das Verfahren zurückverwiesen.
Beachten Sie | Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde der Erbfallkostenpauschbetrag von 10.300 Euro auf 15.000 Euro erhöht. Nach der Gesetzesbegründung soll so ein individueller Kostennachweis in der Mehrzahl der Fälle vermieden werden können. Die Erhöhung gilt für Erwerbe, für die die Steuer ab dem Monat entsteht, der der Gesetzesverkündung folgt.
Urteil 2: Freibeträge
Hintergrund: Je näher das verwandtschaftliche Verhältnis ist, umso höher ist bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer der Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG. So gelten für Kinder 400.000 Euro. Dieser Betrag gilt auch für die Enkelkinder, sofern die Kinder des Erblassers bereits vorher gestorben sind. Bei Enkeln, deren Eltern noch leben, beträgt der Freibetrag 200.000 Euro.
Im Streitfall hatte der Vater des Klägers gegenüber seinem eigenen Vater (dem Großvater des Klägers) vertraglich auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet. Als der Großvater verstarb, wurde sein Enkel gesetzlicher Erbe. Dieser beantragte beim Finanzamt, ihm für die Erbschaft einen Freibetrag i. H. von 400.000 Euro zu gewähren. Das Finanzamt bewilligte aber nur einen Freibetrag i. H. von 200.000 Euro, da sein eigener Vater zwar auf seinen gesetzlichen Erbteil verzichtet hatte, aber beim Tod des Großvaters noch lebte.
Die Klage vor dem FG Niedersachsen war ebenso erfolglos wie die Revision beim BFH.
Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG benennt als Empfänger des höheren Freibetrags „Kinder verstorbener Kinder“. Diese Formulierung ist dahingehend zu verstehen, dass die Kinder des Erblassers tatsächlich verstorben sind. Die Vorversterbensfiktion des § 2346 Abs. 1 S. 2 BGB bewirkt nicht, dass das erbverzichtende Kind als „verstorbenes Kind“ im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG gilt und dessen Abkömmlinge den Freibetrag i. H. von 400.000 Euro erhalten.
Die Freibetragsregelungen sollen die Abkömmlinge der ersten Generation (Kinder) begünstigen. Bei den Enkeln hat der Gesetzgeber die familiäre Verbundenheit nicht als so eng angesehen und gewährt somit einen geringeren Freibetrag (200.000 Euro). Lediglich, wenn die eigene Elterngeneration vorverstorben ist, sieht der Gesetzgeber die Großeltern für das Auskommen der „verwaisten Enkel“ in der Pflicht und gewährt ihnen den höheren Freibetrag von 400.000 Euro.
Beachten Sie | Eine Ausdehnung des höheren Freibetrags auf Kinder, die nur vom Gesetz als verstorben angesehen werden, die aber tatsächlich bei Tod des Großelternteils noch leben, hat der Gesetzgeber nicht gewollt.
Quelle | Nachlassverbindlichkeiten: BFH, Urteil vom 10.7.2024, II R 31/21, PM 43/24 vom 14.11.2024; Freibeträge: BFH, Urteil vom 31.7.2024, II R 13/22, PM 41/24 vom 14.11.2024
| Wird ein zur Finanzierung eines vermieteten Grundstücks aufgenommenes Darlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung getilgt, ist die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften ausVermietung und Verpachtung abziehbar. Das gilt zumindest dann, wenn das Grundstück weiterhin zur Vermietung genutzt wird. |
Das war geschehen
Eheleute erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus insgesamt fünf Vermietungsobjekten. Dazu gehörten die Objekte X1 und X2.
Für die im Jahr 2013 erfolgte Anschaffung der beiden Objekte nahmen die Eheleute zwei Darlehen auf. Ein Darlehen über 200.000 Euro diente der Finanzierung des Objekts X1. Mit dem anderen Darlehen über 195.000 Euro wurde das Objekt X2 finanziert. Eine den Eheleuten ebenfalls gehörende Immobilie Y diente der Bank als Zusatzsicherheit. Die Immobilie Y wurde von den Eheleuten zunächst selbst bewohnt und diente anschließend zur Erzielung von Vermietungseinkünften.
Im Streitjahr 2020 veräußerten die Eheleute die Immobilie Y. Im Zuge dieser Veräußerung lösten sie auch die beiden Darlehen für die Objekte X1 und X2 ab. Denn die Bank war nicht bereit, den Wegfall des „Sicherungsobjekts Y“ hinzunehmen oder durch eine andere Sicherung zu ersetzen. Dafür fielen Vorfälligkeitsentschädigungen an (4.338 Euro und 4.280 Euro).
In der Steuererklärung für 2020 wich das Finanzamt von den Angaben der Eheleute ab, u. a. berücksichtigte es die Vorfälligkeitsentschädigungen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, weil die Vorfälligkeitsentschädigungen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung der Immobilie Y stünden. Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen sah das aber anders.
Finanzgericht: Auch Vorfälligkeitsentschädigungen sind Schuldzinsen
Schuldzinsen sind als Werbungskosten abzugsfähig, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Der Begriff der Schuldzinsen umfasst auch eine zur vorzeitigen Ablösung eines Darlehens gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung. Denn Vorfälligkeitsentschädigungen sind ein Nutzungsentgelt für das auf die verkürzte Laufzeit in Anspruch genommene Fremdkapital. Wird ein zur Finanzierung eines vermieteten Grundstücks aufgenommenes Darlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung getilgt, das Grundstück jedoch weiterhin zur Vermietung genutzt, ist die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.
Im Streitfall standen die beiden Darlehen niemals in einem Veranlassungszusammenhang mit dem Objekt Y. Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Rechtsprechung einen Veranlassungszusammenhang der Vorfälligkeitszinsen mit einer Veräußerung des Grundbesitzes sieht, betrifft dies Fälle, in denen es um die Veräußerung des mit den Darlehen finanzierten Grundbesitzes geht.
Dies trifft für das Objekt Y jedoch nicht zu. Denn für dieses Objekt wurden die Darlehen ursprünglich nicht aufgenommen. Und durch die Veräußerung des nur als Sicherungsobjekt dienenden Grundstücks Y hat sich der Veranlassungszusammenhang nicht geändert.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 30.10.2024, 3 K 145/23; BFH, Urteil vom 11.2.2014, IX R 42/13
| Bei einem (echten) Verkehrsunfall muss die Haftpflichtversicherung für die Schäden aufkommen. Aber was ist, wenn die Versicherung von einer Unfallmanipulation ausgeht? Dann muss sie beweisen, dass der Geschädigte mit dem „Unfall“ einverstanden war. Das Landgericht (LG) Lübeck hat eine solche Manipulation kürzlich verneint und die Versicherung zur Zahlung verurteilt. |
War der Unfall manipuliert?
Ein junger Mann feierte eine Party im Hause der Eltern. Um zwei Uhr nachts fuhr ein Gast rückwärts gegen das Auto des Gastgebervaters. Der Vater forderte die Haftpflichtversicherung zum Schadenersatz auf, doch die weigerte sich. Sie meinte, der Gast sei – in Absprache mit dem Gastgeber – absichtlich gegen das Auto gefahren, um die Versicherungssumme zu kassieren.
Landgericht: Es gab keine Verabredung zum Unfall
Das Gericht hat entschieden, dass die Versicherung die Schäden ersetzen muss. Der Fahrer und weitere Partygäste wurden zu dem Vorfall befragt und ein technischer Sachverständiger hinzugezogen. Daraus habe sich ergeben, dass der Fahrer aus Versehen gegen das Auto des Vaters gefahren sei und es gerade keine Verabredung zu einem manipulierten Unfall gegeben habe.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Lübeck, Urteil vom 26.9.2024, 3 O 193/22, PM vom 11.11.2024
| Bei kleinen unfallbedingten Schäden darf der Geschädigte einen Schadengutachter einschalten. Wenn der statt eines umfassenden Gutachtens ein dem Schadenumfang angepasstes „schmales“ Produkt zu einem Preis von ca. 100 Euro erstellt, ist das in Ordnung. So entschied aktuell das Amtsgericht (AG) Münster. |
Das AG: Weder sei ein Kostenvoranschlag generell kostenlos noch sei es sicher, dass die Werkstatt die Kosten dafür später verrechnet.
Das AG Münster weiter: Bei Schäden am Stoßfänger kann es auch sachgerecht sein, diesen demontieren zu lassen, um darunter liegende Schäden auszuschließen. Die dafür entstehenden Kosten muss ebenfalls der Schädiger erstatten.
Quelle | AG Münster, Urteil vom 12.9.2024, 8 C 477/24
| Jeder Fahrgast ist verpflichtet, sich in einem Linienbus festzuhalten. Diesen Grundsatz hat das Amtsgericht (AG) München jetzt noch einmal bekräftigt. |
Bus machte Vollbremsung
Der zum Unfallzeitpunkt 76-jährige Kläger fuhr als Fahrgast in einem Busanhänger eines Busses . Das Busgespann fuhr auf der Rechtsabbiegespur auf eine rote Ampel zu, als ein PKW kurz vor diesem auf dieselbe Abbiegespur wechselte, weshalb der Busfahrer eine Vollbremsung durchführte.
Der Kläger behauptete, er sei hierdurch gestürzt und habe Prellungen im Bereich der Brustwirbelsäule und des Beckens erlitten, zudem sei sein Daumensattelgelenk überdehnt worden. Er habe vier Wochen unter Schmerzen gelitten und sei bis heute nicht beschwerdefrei. Vor dem AG verklagte er den Fahrer des überholenden PKW sowie dessen Versicherung auf Zahlung von 2.000 Euro Schmerzensgeld sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Vollständiges Mitverschulden des Fahrgasts
Das AG wies die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme ab. Es ging zwar davon aus, dass die Fahrweise des beklagten PKW-Fahrers zum Sturz des Klägers beigetragen habe und dass die StVO ihm für den Spurwechsel ein Höchstmaß an Sorgfaltspflicht auferlege, gegen die er verstoßen habe. Die Haftung des PKW-Fahrers sei jedoch aufgrund des vollständigen Mitverschuldens des Klägers ausgeschlossen. Denn jeder Fahrgast sei verpflichtet, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen. Dies diene dem Schutz der Fahrgäste.
Die klägerseits eingenommene stehende Position war nicht geeignet, um bei einer Bremssituation gesichert zu sein. Vorliegend zeigte nämlich ein Video der Businnenkamera, dass der Kläger sich lediglich mit der linken Hand an dem Handlauf festhielt und seine rechte Hand auf dem mitgeführten Einkaufstrolley ruhte. Die Stabilisierung mit der linken Hand sei zu schwach, um ruckartige Bremsungen auszugleichen. Der Trolley biete keinen Halt, da er selbst bei der Vollbremsung herumgewirbelt wird, wie auf dem Video zu sehen sei. Der Trolley stellte eher eine Behinderung dar, weil der Kläger ihn auch während des Sturzes nicht losließ und sich daher auch mit der rechten Hand keinen festen Halt suchte.
Weitere Fahrgäste kamen nicht zu Fall
Dies zeige sich auch daran, dass keine anderen Passagiere im Rahmen der Vollbremsung stürzten, soweit auf den eingesehenen Videos der Businnenkamera zu sehen ist. Vielmehr hielt sich z. B. eine ältere Dame, die einen der Sitzplätze direkt hinter dem Kläger belegt hatte, an der dortigen Stange fest und rutschte (im Gegensatz zu ihrer Tasche) nicht von ihrem Sitz.
So sei dem Kläger – auch aufgrund seines Alters und des Mitführens des Trolleys – vorzuwerfen, dass er sich nicht hingesetzt hat. Wie auf dem Video zu sehen sei, waren ausreichend Sitzplätze vorhanden, auch wenn der Kläger das Gegenteil behauptete. Direkt hinter dem Kläger sei z. B. ein Sitzplatz frei gewesen, der überdies eine Haltestange zum Festhalten geboten hätte.
Vollbremsung nicht überraschend
Es habe sich hier auch nicht um eine völlig überraschende – wenn auch heftige – Vollbremsung gehandelt, da im Stadtverkehr regelmäßig mit heftigen Bremsungen gerechnet werden müsse. Hinzu komme, dass der Bus unstreitig bereits ca. 50 m vorher leicht gebremst hatte, wodurch der Kläger hätte feststellen können, dass seine Position ihm einen ungenügenden Halt verschaffte.
Quelle | AG München, Urteil vom 18.10.2024, 338 C 15281/24, PM 35/24
| Ob ein Partner trotz Kontaktverbots nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) an einer WhatsApp-Gruppe teilnehmen darf, der auch seine frühere Lebensgefährtin angehört, hängt von der Größe der Gruppe ab. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm. |
Annäherung mittels Fernkommunikationsmitteln untersagt
Gegenüber dem ehemaligen Lebensgefährten einer Frau bestand ein Näherungs-, Abstands- und Kontaktverbot nach dem GewSchG. Er durfte sich mit dieser danach auch nicht mittels Fernkommunikationsmitteln in Verbindung setzen. Die Frau wandte sich gerichtlich u. a. dagegen, dass der Mann eine WhatsApp-Nachricht „Da kann sie wieder lachen“ in eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe einer Laufgruppe abgesetzt hatte. Das AG sah darin einen Verstoß gegen o. g. Verbot. Dieses umfasse jede Kommunikation mit der Frau über soziale Medien.
Das OLG widersprach dem AG. Es sei vielmehr zwischen kleinen und größeren WhatsApp-Gruppen zu differenzieren. Im konkreten Fall verneinte es daher einen Verstoß gegen das Kontaktverbot und stellte fest, dass nicht generell ein Verstoß gegen das Kontaktverbot angenommen werden kann, wenn etwas in einer gemeinsamen WhatsApp-Gruppe gepostet wird. Jenseits persönlich an die verletzte Person gerichteter Nachrichten sei vielmehr danach zu differenzieren, ob es sich um Gruppen von drei bis vier Teilnehmern handelt, oder um eine größere Gruppe.
So sind größere WhatsApp-Gruppen zu beurteilen
Bei größeren Gruppen trete die mit einem Post stets auch verbundene persönliche Ansprache des einzelnen Mitglieds meist so in den Hintergrund, dass ein grundsätzliches Verbot, Nachrichten an die Gruppe zu schicken, zum Schutz vor Nachstellungen und Belästigungen nicht erforderlich ist. Würde man alle Aktivitäten in einer WhatsApp-Gruppe verbieten, würde die Handlungsfreiheit des Betroffenen zu sehr eingeengt. Das OLG hob hervor, dass der Mann hier die Frau auch nicht persönlich angesprochen hatte.
Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 24.9.2024, 13 WF 105/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Revisionen zweier Angeklagter gegen ein Urteil des Landgerichts (LG) Mönchengladbach verworfen, mit dem sie jeweils wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu Geldstrafen von 180 Tagessätzen verurteilt worden sind. |
Nach den vom LG getroffenen Feststellungen nahm die später verstorbene, damals 13-jährige und an Diabetes mellitus Typ I erkrankte Schülerin E. an einer mehrtägigen, klassen- und jahrgangsübergreifenden Studienfahrt ihrer Schule nach London teil. Die beiden Angeklagten, die an der Schule als Lehrkräfte unterrichteten, waren gleichberechtigt für die Organisation und Durchführung der Fahrt zuständig. Ihnen war weder die später Verstorbene noch deren Erkrankung bekannt. Sie nahmen keinen Einblick in die Schulakten, in denen die Erkrankung der Schülerin vermerkt war, informierten sich hierüber nicht bei den damaligen Klassen- und Fachlehrern und fragten chronische Vorerkrankungen nicht schriftlich ab. E. erbrach sich in London mehrfach, klagte über Kopfschmerzen und Übelkeit, war müde und körperlich geschwächt. Obwohl zwei Mitschülerinnen die beiden Angeklagten mehrfach auf den fortdauernd schlechten Gesundheitszustand von E. hinwiesen, hielten diese keine Nachschau. E. verstarb noch in London an einem Herzinfarkt in Folge einer schweren diabetischen Stoffwechselentgleisung.
Die durch die Sachrügen der Angeklagten veranlasste Überprüfung des Urteils durch den BGH hat einen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil nicht erkennen lassen. Das LG hat insbesondere rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Angeklagten gegen die ihnen obliegende Sorgfalt objektiv und subjektiv verstießen. Die erhobenen Verfahrensrügen sind ebenfalls erfolglos geblieben. Das Verfahren ist damit rechtskräftig abgeschlossen.
Quelle | BGH, Beschluss vom 18.12.2024, 3 StR 292/24, PM 6/25
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen hat jetzt die Stadt Gelsenkirchen verpflichtet, einen sogenannten „Behindertenparkplatz“ vor der Wohnung eines schwerbehinderten Mannes einzurichten. |
Kläger hatte außergewöhnliche Gehbehinderung
Der 77-jährige Kläger ist schwerbehindert mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung. Für derart eingeschränkte Personen sieht die Straßenverkehrsordnung (hier: § 45 Abs. 1 b) Nr. 2 StVO) die Möglichkeit vor, einen sogenannten „Behindertenparkplatz“ auszuweisen. In der unmittelbaren Nähe zur Wohnung kann dies auch personenbezogen („Mit Ausweis Nr…“) erfolgen.
Voraussetzung ist allerdings neben dem Umstand, dass in dem Bereich nicht ausreichend freie Parkplätze auf der öffentlichen Straße vorhanden sind und dass die betroffene Person keine anderweitige Möglichkeit zum Abstellen außerhalb des öffentlichen Straßenraums hat – etwa eine Garage oder Stellplatz auf dem Grundstück. Zwar verfügt das Haus des Klägers über eine Garage. Der Kläger hat aufgrund seiner Behinderung jedoch keine Möglichkeit, von der im Keller gelegenen Garage in seine Wohnung zu kommen, da er weder die Zufahrtsrampe noch eine im Gebäude befindliche schmale und steile Treppe bewältigen kann. Er kann deshalb die Garage nicht nutzen. Auch die Zufahrt zur Garage ist nicht dazu geeignet, das Fahrzeug abzustellen, da sie zu steil und zu schmal ist.
So sah es die beklagte Stadt
Die beklagte Stadt Gelsenkirchen verwies den Kläger darauf, sein Fahrzeug parallel zur Fahrbahn auf der Straße vor der Garageneinfahrt abzustellen. Aufgrund des vor der Einfahrt nach den allgemeinen Vorschriften der StVO geltenden Parkverbots dürfe außer ihm niemand dort parken.
So sah es das Verwaltungsgericht
Dieser Auffassung konnte sich das VG nicht anschließen. Unabhängig davon, ob der vom Parkverbot erfasste Platz für das Abstellen eines Pkw ausreichen würde (die eigentliche Einfahrt ist nur 3 m breit), darf im konkreten Fall auch der Kläger nicht vor seiner Einfahrt parken. Denn für die Zufahrt ist der Bordstein abgesenkt, sodass dort ein generelles Parkverbot gilt, das auch den Inhaber der Garage erfasst. Dieses Parkverbot dient nämlich nicht nur der Sicherung der Zufahrtsmöglichkeit zur Garage, sondern auch dem Interesse gehbehinderter Menschen daran, den Gehweg – etwa zum Überqueren der Straße – verlassen zu können. Der Kläger muss sich daher nach Auffassung des VG nicht darauf verweisen lassen, dass die Stadt die durch ihn begangene Ordnungswidrigkeit nicht verfolgt. Ihm steht aufgrund der Umstände des Einzelfalls vielmehr ein Anspruch auf die Ausschilderung eines „rechtssicheren“ Sonderparkplatzes zu.
Quelle | VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5.11.2024, 14 K 1401/24, PM vom 7.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat u. a. entschieden: Als Familienangehörige im Sinne der Eigenbedarfskündigung sind ausschließlich die Personen anzusehen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen nach der Zivilprozessordnung oder der Strafprozessordnung (hier: § 383 ZPO, § 52 StPO) zusteht. Cousins zählen hierzu nicht. |
Das war geschehen
Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, begehrt nach Ausspruch einer Kündigung wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter von den Beklagten die Räumung und Herausgabe einer an diese vermieteten Wohnung. Die Klägerin hatte das Gebäude, in dem sich die Wohnung befindet, nach deren Überlassung an die Beklagten erworben und ist dadurch als Vermieterin in das bestehende Mietverhältnis eingetreten. Zum damaligen Zeitpunkt hatte die Klägerin zwei Gesellschafter, die Cousins waren.
Die Beklagten haben die Kündigung für unwirksam gehalten und sich hierbei auf die Kündigungsbeschränkung des Bürgerlichen Gesetzbuchs berufen (hier: § 577 a Abs. 1 a S. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 der Kündigungsschutzklausel-Verordnung des Landes Berlin vom 13.8.13). Hiernach kann sich eine Personengesellschaft, an die vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter veräußert worden ist, erst nach Ablauf von zehn Jahren seit der Veräußerung für eine Kündigung der Wohnung gegenüber dem Mieter auf berechtigte Interessen berufen. Diese Kündigungsbeschränkung gilt indes nicht, wenn die im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs vorhandenen Gesellschafter derselben Familie angehörten. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass dies (auch) bei Cousins der Fall sei und deshalb die Kündigungsbeschränkung im Streitfall nicht eingreife.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: Den Begriffen „Familie“ und „Familienangehörige“ in den hier maßgeblichen Vorschriften kommt dieselbe Bedeutung zu. Hiervon sind ausschließlich die Personen umfasst, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen zusteht. Ein entfernterer Verwandter, der – wie ein Cousin – nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, gehört somit auch dann nicht zu dem privilegierten Personenkreis, wenn zwischen ihm und dem Vermieter eine enge persönliche Bindung besteht. Ebenso gilt die Privilegierung selbst im Fall einer engen persönlichen Verbundenheit zwischen den Mitgesellschaftern nicht, wenn das Verwandtschaftsverhältnis zwischen ihnen so entfernt ist, dass es sie nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt.
Der vom Gesetzgeber bezweckten Privilegierung von Familienangehörigen in den o. g. Vorschriften liegt eine typisierende Betrachtungsweise dahingehend zugrunde, dass zwischen den hiervon umfassten Personen aufgrund einer familiären Beziehung eine besondere persönliche Nähebeziehung anzunehmen ist. Vor diesem Hintergrund bedarf es für den vom Gesetzgeber privilegierten Personenkreis des (zusätzlichen) Vorliegens eines konkreten, tatsächlichen Näheverhältnisses nicht. Auch scheidet eine Erweiterung dieses geschützten Personenkreises aufgrund einer einzelfallbezogenen Prüfung des Vorliegens einer besonderen sozialen Nähe angesichts der dem Gesetz zugrunde liegenden typisierenden Betrachtungsweise aus.
Entscheidend ist damit letztlich, für welchen Personenkreis der Gesetzgeber durch die Verwendung des Begriffs der „Familie“ eine typischerweise vorliegende besondere soziale Bindung angenommen hat. Er hat eine solche Bewertung im Rahmen der auf der persönlichen Nähebeziehung und Verbundenheit gründenden Gewährung eines Zeugnisverweigerungsrechts aus persönlichen Gründen vorgenommen. Dort hat er objektive Kriterien nach dem Grad der familiären Beziehung aufgestellt und hierdurch den Personenkreis definiert, innerhalb dessen nach seiner Auffassung typischerweise eine persönliche Nähebeziehung besteht. Es ist sachgerecht, diese gesetzgeberischen Wertungen auch für die ebenfalls in der persönlichen Verbundenheit begründeten Privilegierungen von Familienangehörigen in den hier einschlägigen mietrechtlichen Bestimmungen heranzuziehen. Cousins sind (nur) Verwandte in der Seitenlinie im vierten Grad. Ihnen steht ein Zeugnisverweigerungsrecht (nach §383 ZPO, § 52 StPO) nicht zu. Sie gehören somit nicht zu derselben Familie im Sinne des § 577 a Abs. 1 a S. 2 BGB.
Quelle | BGH, Urteil vom 10.7.2024, VIII ZR 276/23, PM 145/24
| Wird einem Wohnungsmieter fristgerecht gekündigt, weil dieser mit der Mietzahlung in Rückstand geraten ist, lässt sich diese Kündigung nicht ohne Weiteres dadurch aus der Welt schaffen, dass der Mietrückstand nachträglich noch ausgeglichen wird. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal in einem aktuellen Urteil entschieden. Das LG hat die Mieterin zum Auszug aus der Wohnung verpflichtet, obwohl sie im laufenden Räumungsverfahren die offenen Mieten noch ausgeglichen hatte. |
Mieterin zahlte zwei Monatsmieten nicht
Im konkreten Fall klagten die Vermieter zunächst vor dem AG gegen ihre Mieterin auf Räumung der Mietwohnung. Vorausgegangen war eine Kündigung, die sie zur Sicherheit zweifach erklärt hatten: zum einen fristlos – aus wichtigem Grund -, zusätzlich aber auch fristgerecht wegen Verletzung der vertraglichen Zahlungspflicht. Beide Kündigungen begründeten die Vermieter u. a. damit, dass zwei Monatsmieten nicht bezahlt wurden.
Die Mieterin bestritt dies nicht und zahlte die beiden offenen Mieten schließlich während des laufenden Gerichtsverfahrens vollständig. Sie berief sich nun darauf, dass die Kündigung infolge der Zahlung unwirksam geworden sei. Das AG folgte dem nicht und verurteilte die Mieterin zur Räumung der Mietwohnung.
Zu Recht gekündigt
Die dagegen gerichtete Berufung zum LG hatte keinen Erfolg. Das LG bestätigte, dass die Kündigung wegen der rückständigen Mieten zu Recht erfolgt sei. Im Zeitpunkt der Kündigung sei die Mieterin mit zwei Monatsmieten im Rückstand gewesen und nur darauf komme es hier an.
Vermieter hatten fristlos und fristgerecht gekündigt
Die gesetzliche Regelung, wonach ein Mietrückstand nachträglich ausgeglichen werden und die Kündigung dadurch möglicherweise beseitigen könne, gelte in dieser Form nur für die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. Hier hatten die Vermieter daneben sicherheitshalber aber auch noch fristgerecht gekündigt. Eine solche „ordentliche“ Kündigung werde durch die nachträgliche Zahlung der Mieten nicht ohne Weiteres unwirksam. Bei einer fristgerechten Kündigung sei lediglich zu prüfen, ob es unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben für die Vermieterseite zumutbar sei, auf die Räumung zu verzichten, nachdem keine Rückstände mehr bestehen. Dafür sah das LG hier aber keine Anhaltspunkte.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 1.3.2024, 2 S 118/23, PM vom 30.9.2024
| Das Bundessozialgericht (BSG) musste sich mit der Frage befassen, wann die mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz neu gestaltete Auskunftspflicht von Angehörigen gegenüber dem Sozialamt greift. |
Vater lebte im Seniorenwohnheim und erhielt Hilfe zur Pflege
Der Vater des Klägers lebt in einem Seniorenwohnheim und erhält vom Sozialhilfeträger Hilfe zur Pflege. Er ist geschieden und hat neben dem Kläger noch einen weiteren Sohn, der im Jahr 2020 Student war.
Der Sozialhilfeträger erlangte im Internet Informationen über die Arbeitgeberin des Klägers, eine Digitalagentur mit über 100 Mitarbeitern und einem Honorarumsatz im hohen siebenstelligen Bereich, und seine dortige Position als Chief Technology Officer (CTO). Er teilte dem Kläger mit, es sei davon auszugehen, dass sein Bruttoeinkommen die Grenze von 100 000 Euro jährlich überschreite und verlangte Auskunft über sein Einkommen und sein Vermögen.
Hiergegen wandte sich der Kläger. Denn mit den genannten Informationen sei die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt. Es bestehe deshalb keine Auskunftspflicht.
So sah es das Landessozialgericht
Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat den Auskunftsbescheid aufgehoben. Zwar sei die o. g. Vermutungsregel mit den öffentlich zugänglichen Informationen aus dem Internet widerlegt. Im sich anschließenden Auskunftsverfahren sei aber ein gestuftes Vorgehen erforderlich: In einem ersten Schritt sei der Sozialhilfeträger lediglich berechtigt, Auskünfte über das Bruttojahreseinkommen des potenziell Unterhaltsverpflichteten einzuholen.
Erst, wenn auf dieser Grundlage die 100 000-Euro-Grenze tatsächlich überschritten sei, bestehe in einem zweiten Schritt ein umfassendes Auskunftsrecht, das sich auch auf Vermögen beziehe.
Mit seiner Revision rügt der beklagte Sozialhilfeträger, dass das vom LSG geforderte gestufte Auskunftsverfahren im Gesetz keine Stütze finde. Wenn zu vermuten sei, dass die Einkommensgrenze überschritten werde, bestehe auch eine Verpflichtung zur Auskunft über das Vermögen, damit der Sozialhilfeträger den Unterhaltsanspruch umfassend prüfen könne.
So sah es das Bundessozialgericht
Das BSG gab dem Kläger ebenfalls recht: Vermögensauskünfte können nach dem Angehörigen-Entlastungsgesetz erst dann verlangt werden, wenn die Einkommensgrenze von 100.000 Euro tatsächlich überschritten wird.
Mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz hat der Gesetzgeber zum 1.1.20 u. a. unterhaltsverpflichtete Kinder entlastet. Ein Unterhaltsrückgriff durch den Sozialhilfeträger auf ein erwachsenes Kind, dessen Eltern vom Sozialamt Leistungen erhalten, ist mit dem neu eingeführten § 94 Abs. 1 a SGB XII gegenüber dem früheren Recht beschränkt worden: Ein möglicher Unterhaltsanspruch der Eltern gegen ihre erwachsenen Kinder geht erst auf den Sozialhilfeträger über, wenn das Einkommen des Kindes einen Jahresbetrag von 100 000 Euro übersteigt. Dabei wird gesetzlich vermutet, dass diese Einkommensgrenze nicht überschritten wird. Erst, wenn die Vermutung widerlegt ist, kann Auskunft vom unterhaltsverpflichteten Kind verlangt und anschließend ein Unterhaltsrückgriff vom Sozialhilfeträger geltend gemacht werden. Dabei ist ggf. auch vorhandenes Vermögen zu berücksichtigen.
Legitim: Informationen aus dem Internet eingeholt
Auch das BSG ging davon aus, dass es hinreichende Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Mann ein Einkommen von mehr als 100.000 Euro habe. Dass der Sozialhilfeträger diese Anhaltspunkte aus dem Internet habe, sei nicht zu beanstanden. Die Auskunftspflicht sei aber zunächst auf das Einholen von Auskünften zu den Einkommensarten beschränkt. So habe es der Gesetzgeber gewollt. Denn er beabsichtigte, in erster Linie erwachsene Kinder pflegebedürftiger Eltern zu entlasten. Dem widerspräche es, die Auskunftspflicht auszuweiten.
Quelle | BSG, Urteil vom 21.11.2024, B 8 SO 5/23 R, PM 32/24
| Die dreijährige Verjährungsfrist des Anspruchs auf Stellen einer Bauhandwerkersicherung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) beginnt taggenau mit dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit. So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH). |
So ist die Verjährung geregelt
Der Anspruch auf Stellen einer Bauhandwerkersicherung, wonach der Unternehmer unter im BGB näher geregelten Voraussetzungen vom Besteller eine Sicherheitsleistung in Höhe der vereinbarten Vergütung verlangen kann, verjährt in der regelmäßigen – dreijährigen – Verjährungsfrist nach § 195 BGB. Nun hat der BGH die bisher offene Frage entschieden, wann die Verjährung beginnt.
So begründet der BGH seine Ansicht
Dass die Verjährungsfrist taggenau mit dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit beginnt, folgt für den BGH aus der entsprechenden Anwendung von § 604 Abs. 5, § 695 S. 2, § 696 S. 3 BGB auf diesen Anspruch. § 199 Abs. 1 BGB, wonach die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, ist daher nicht anzuwenden.
Quelle | BGH, Urteil vom 21.11.2024, VII ZR 245/23
| Die Anordnung einer Verbandsgemeindeverwaltung, mit der die Eigentümer eines Wohngebäudes zur Herstellung und dauerhaften Unterhaltung einer eigenen Löschwasserversorgung verpflichtet worden sind, ist ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz und gab dem hiergegen gerichteten Eilantrag statt. |
Grundstückseigentümer sollten Löschwasserversorgung herstellen und unterhalten
Das Gebäude der Antragsteller befindet sich – gemeinsam mit weiteren Höfen – einige Kilometer außerhalb der nächstgelegenen Ortslage. Die vorhandene Trinkwasserversorgung ist zu klein dimensioniert, um eine hinreichende Löschwasserversorgung sicherzustellen. Ein in der Mitte des Areals existierender Löschteich ist verschlammt und deshalb nicht nutzbar. Weil Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung zwischen den Grundstückseigentümern und der Verbandsgemeindeverwaltung scheiterten, verfügte diese schließlich, dass die Grundstückseigentümer die Löschwasserversorgung mit einer Wassermenge von 96 m³/h für eine Dauer von zwei Stunden herzustellen und zu unterhalten hätten. Gleichzeitig ordnete sie die sofortige Vollziehung des Bescheids an.
Hiergegen erhoben die Antragsteller Widerspruch und stellten den gerichtlichen Eilantrag.
Anordnung war ermessensfehlerhaft
Dieser Antrag hatte Erfolg. Die Anordnung sei ermessensfehlerhaft ergangen, so das VG. Zwar könnten Eigentümer baulicher Anlagen, für die keine ausreichende Löschwasserversorgung sichergestellt sei, nach dem Landesgesetz über Brandschutz, die allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (hier: gemäß § 31 Abs. 5 LBKG) zur Vorhaltung fehlender Löschmittel verpflichtet werden. Der Antragsgegner habe jedoch übersehen, dass unter Umständen eine geringere Löschwassermenge ausreichend sei. Denn das Regelwerk, auf das sich der Antragsgegner maßgeblich bezogen habe, sehe zwar im Grundsatz die geforderten 96 m³/h vor. Für ländliche Ansiedlungen von zwei bis zehn Anwesen sei jedoch nur ein Löschwasserbedarf von 48 m³/h anzusetzen.
Hiermit habe sich die Antragsgegnerin nicht auseinandergesetzt, obwohl sich dies nach der Anzahl der vorhandenen Anwesen aufgedrängt hätte. Der Begründungsmangel führe so zu einem Ermessensdefizit.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 14.11.2024, 3 L 1042/24.KO, PM 20/24
| Objektüberwachung und Bauleitung sind inhaltlich „zwei Paar Schuhe“. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt festgestellt. |
Architekt verlangte Honorar für Bauleitung
Ein Architekt rechnete Honorar für „Bauleitung“ ab. Er bezog sich auf die Leistungsphase 8 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Er konnte aber nicht nachweisen, entsprechende Objektüberwachungsleistungen erbracht zu haben.
So sahen es die Gerichte
Die Gerichte kamen dagegen zu der Auffassung, dass er als Bauleiter nach der Hessischen Bauordnung (hier: § 59 HBO) tätig sein sollte. Diese Person muss u. a. darüber wachen, dass die Baumaßnahme nach den genehmigten Bauvorlagen bzw. – soweit eine bauaufsichtliche Prüfung entfällt – nach den eingereichten Bauvorlagen ausgeführt wird.
Bei der Überwachungstätigkeit muss der Bauleiter auf den sicheren Betrieb der Baustelle achten. Dazu zählt, dass die Arbeiten der Unternehmen ohne gegenseitige Gefährdung und ohne Gefährdung Dritter durchgeführt werden können. Über die HOAI können diese Leistungen – so sie denn erbracht wurden – nicht abgerechnet werden.
Der Bauleiter, so das OLG, sei nach dem allgemeinen Sprachverständnis dafür zuständig, zu überwachen, dass die Baumaßnahme entsprechend den öffentlich-rechtlichen Anforderungen durchgeführt wird. Der Objektüberwacher dagegen schuldet eine Ausführung des Objekts gemäß der vertraglichen zivilrechtlichen Vereinbarung mit dem Bauherrn.
Der Architekt ging also leer aus. Da der Bundesgerichtshof (BGH) aktuell eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen hatte, ist die Entscheidung des OLG nun auch rechtskräftig.
Quelle | OLG Frankfurt, Urteil vom 11.5.2023, 22 U 19/22
| Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer nach der Gewerbeordnung (hier: § 108 Abs. 1 S. 1 GewO) bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform erteilen. Diese Verpflichtung kann er grundsätzlich auch dadurch erfüllen, dass er die Abrechnung als elektronisches Dokument zum Abruf in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach einstellt. So hat es jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Klägerin verlangte Abrechnungen in Papierform
Die Klägerin ist im Einzelhandelsbetrieb der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Für den Konzernverbund, dem die Beklagte angehört, regelt die Konzernbetriebsvereinbarung über die Einführung und Anwendung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs vom 7.4.2021, dass alle Personaldokumente, insbesondere Entgeltabrechnungen, über einen externen Anbieter in einem digitalen Mitarbeiterpostfach bereitgestellt werden und von den Beschäftigten über einen passwortgeschützten Online-Zugriff abrufbar sind. Sofern für Beschäftigte keine Möglichkeit besteht, über ein privates Endgerät auf die im digitalen Mitarbeiterpostfach hinterlegten Dokumente zuzugreifen, muss der Arbeitgeber ermöglichen, die Dokumente im Betrieb einzusehen und auszudrucken.
Auf Grundlage der Konzernbetriebsvereinbarung stellte die Beklagte ab März 2022 Entgeltabrechnungen nur noch elektronisch zur Verfügung. Dem widersprach die Klägerin und verlangte, ihr weiterhin Abrechnungen in Papierform zu übersenden.
Landesarbeitsgericht: Entgeltabrechnung war nicht ordnungsgemäß
Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat der Klage, mit der die Klägerin die Erteilung der Entgeltabrechnungen begehrt, stattgegeben. Es hat angenommen, die Entgeltabrechnungen seien ihr durch Einstellen in das Online-Portal nicht ordnungsgemäß erteilt. Bei Entgeltabrechnungen handele es sich um zugangsbedürftige Erklärungen. Ein digitales Mitarbeiterpostfach sei nur dann als Empfangsvorrichtung geeignet, wenn der Empfänger es – anders als die Klägerin im Streitfall – für den Erklärungsempfang im Rechts- und Geschäftsverkehr bestimmt habe.
Bundesarbeitsgericht: Arbeitgeber wahrt Textform
Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das LAG.
Erteilt der Arbeitgeber Entgeltabrechnungen, indem er diese in ein digitales Mitarbeiterpostfach einstellt, wahrt er damit grundsätzlich die von der Gewerbeordnung (hier: § 108 Abs. 1 S. 1 GewO) vorgeschriebene Textform. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abrechnung seines Entgelts ist eine sog. Holschuld, die der Arbeitgeber erfüllen kann, ohne für den Zugang der Abrechnung beim Arbeitnehmer verantwortlich zu sein. Es genügt, dass er die Abrechnung an einer elektronischen Ausgabestelle bereitstellt. Hierbei hat er den berechtigten Interessen der Beschäftigten, die privat nicht über die Möglichkeit eines Online-Zugriffs verfügen, Rechnung zu tragen.
Grundlage: Konzernbetriebsvereinbarung
Die in der Konzernbetriebsvereinbarung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) geregelte digitale Zurverfügungstellung der Entgeltabrechnungen greift nicht unverhältnismäßig in die Rechte der betroffenen Arbeitnehmer ein.
Das BAG war jedoch an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil bisher keine Feststellungen dazu getroffen worden sind, ob Einführung und Betrieb des digitalen Mitarbeiterpostfachs in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats fallen.
Quelle | BAG, Urteil vom 28.1.2025, 9 AZ R 48/24, PM 3/25
| Das Arbeitsgericht (ArbG) Aachen hat entschieden: Die Besonderheiten der Arbeitsleistung eines Profifußballtrainers können zwar die Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Im konkreten Fall scheiterte dies jedoch an dem Schriftformerfordernis. Die Kündigung des Fußballtrainers wegen der fehlenden erforderlichen Lizenz für die nächsthöhere Liga war hingegen gerechtfertigt. |
Das war geschehen
Die Beklagte ist für den Spielbetrieb der 1. Fußballmannschaft zuständig. Der Kläger war zunächst ab Anfang 2022 bei der Beklagten als Sportdirektor beschäftigt. Er ist Inhaber der Trainer-A-Lizenz (Trainerberechtigung für die Fußball-Regionalliga); über eine „Pro-Lizenz“ (Trainerberechtigung für die 3. Liga) verfügt der Kläger nicht. Seit Ende 2022 trainierte er die 1. Fußballmannschaft, die in der Regionalliga spielte. Ende Januar 2023 schlossen die Parteien einen ab 1.1.2023 geltenden, zunächst bis zum 30.6.2024 befristeten, Arbeitsvertrag ab. Der Vertrag enthielt je nach Platzierung eine Verlängerung und verschiedene Prämien.
Die Beklagte stellte den Kläger im August 2023 von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Grundvergütung frei. Mit Abschluss der Saison 2023/2024 stieg die 1. Fußballmannschaft der Beklagten in die 3. Liga auf und gewann den Mittelrheinpokal. Im Juni und Juli 2024 sprach die Beklagte drei ordentliche fristgerechte Kündigungen aus.
Sachgrundbefristung gerechtfertigt
Das ArbG entschied, dass die Sachgrundbefristung eines Profifußballtrainers wegen der Eigenart der Arbeitsleistung grundsätzlich nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (hier: § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG) gerechtfertigt ist. Es sei Aufgabe des Cheftrainers, dafür zu sorgen, dass die Spieler die von ihnen geforderte Spitzenleistungen abrufen. Hierfür sei er als zentraler, prägender Leiter der Mannschaft zuständig. Das Erfordernis, dass die Spieler als Individuum und im Kollektiv Spitzenleistungen erbringen müssten, gebiete es, kurzfristig reagieren zu können, wenn diese Spitzenleistungen nachlassen oder ausbleiben. Ein kurzfristiger Austausch wesentlicher Teile der Mannschaft sei nicht möglich.
Formelle Mängel der Befristung...
Die Befristung des Arbeitsvertrags im vorliegenden Fall sei aus formellen Gründen gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam, da die Leistung der Unterschriften nach Aufnahme der Tätigkeit durch den Kläger erfolgte.
... aber Kündigung wirksam
Demgegenüber sei die Kündigung des Profifußballtrainers wegen des Fehlens der erforderlichen „Pro-Lizenz“ für die 3. Liga wirksam. Der Erwerb der erforderlichen Lizenz liege im Verantwortungsbereich des Trainers. Bis zum Zeitpunkt des Aufstiegs in die 3. Liga habe der Kläger trotz Freistellung einen Anspruch auf Vergütung und die Zahlung der Prämien. Nach Aufstieg in die 3. Liga habe der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung oder Prämien, da er die Voraussetzung für die Tätigkeit als Cheftrainer nicht erfüllt habe.
Quelle | ArbG Aachen, Urteil vom 19.11.2024, 8 Ca 3230/23, PM 1/25
Abschließende Hinweise
| Säumniszuschläge werden festgesetzt, wenn die Zahlung nicht pünktlich erfolgt. Nach der Abgabenordnung (hier: § 240 AO) ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen Steuerbetrags zu entrichten, umgerechnet auf das Jahr also 12 %. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass wegen des deutlichen und nachhaltigen Anstiegs der Marktzinsen, der seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 zu verzeichnen ist, jedenfalls seit März 2022 keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Zuschläge bestehen. |
Darüber hinaus hat der BFH in diesem Verfahren Folgendes entschieden: Wenn das Finanzamt zwar Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt, deren Wirkung aber von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig macht, bewirkt die spätere Leistung der Sicherheit im Regelfall, dass die AdV mit (Rück-)Wirkung ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung eintritt und zuvor etwaig entstandene Säumniszuschläge entfallen.
Beachten Sie | Das Finanzamt kann allerdings ausdrücklich anordnen, dass die Wirkung der AdV erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung der Sicherheit beginnt.
Quelle | BFH, Beschluss vom 21.3.2025, X B 21/25 (AdV)
| Eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft steht der Anerkennung einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft grundsätzlich nicht entgegen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Eine Organschaft führt bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dazu, dass nicht mehr die Organgesellschaft ihren Gewinn zu versteuern hat, sondern der Organträger.
Beachten Sie | Die gemäß Körperschaftsteuergesetz (hier: §§ 14 ff. KStG) enthaltenen Regelungen für die Organschaft führen im Ergebnis dazu, dass z. B. in Konzernen die Konzernspitze (als Organträger) die Gewinne sämtlicher Tochtergesellschaften (als Organgesellschaften) zu versteuern hat, aber Verluste und Gewinne der verschiedenen Tochtergesellschaften dabei auch unmittelbar miteinander verrechnet werden können. Insbesondere dieser steuerliche Vorteil hat zu einer weiten Verbreitung der Organschaft in Deutschland geführt.
Das war geschehen
Im Streitfall hatte eine Kommanditgesellschaft (KG) mit einer GmbH einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, um eine Organschaft zu begründen. Danach war die „abhängige“ GmbH als Organgesellschaft verpflichtet, den ganzen von ihr erwirtschafteten Gewinn an die KG als Organträger abzuführen.
Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass an der GmbH als Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung bestand.
Bundesfinanzhof widerspricht Vorinstanzen
Da dem atypisch still Beteiligten ein Anteil von 10 % des Gewinns der GmbH zustand, vertraten das Finanzamt und nachfolgend auch das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern die Auffassung, dass lediglich 90 % des Gewinns an die KG als Organträger abgeführt worden sei, das Gesetz aber die Abführung des ganzen Gewinns fordere. Die Organschaft sei daher insgesamt nicht anzuerkennen. Dem ist der BFH aber nun entgegengetreten.
§ 14 Abs. 1 KStG setzt einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 des Aktiengesetzes (AktG) und die strikte Erfüllung der zivilrechtlichen Vertragspflichten voraus. Was als ganzer Gewinn abzuführen ist, bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Gewinnbeteiligungen, die einem stillen Gesellschafter zustehen, sind im Zivilrecht aber als Geschäftsunkosten vom Gewinn der GmbH abzusetzen. Dies betrifft sowohl die typische als auch die atypisch stille Gesellschaft.
Folglich ist der hiernach verbleibende „Rest-Gewinn“ (im Streitfall also die 90 %) der ganze Gewinn, der an den Organträger abgeführt werden muss. Dass eine (typische oder atypische) stille Beteiligung zivilrechtlich als Teilgewinnabführungsvertrag qualifiziert wird, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.12.2024, I R 33/22, PM 21/25 vom 3.4.2025
| Wenn eine per E-Mail versandte Werklohnrechnung gehackt und unbefugt verändert wird und der Kunde deshalb an einen unbekannten Dritten zahlt, muss er nicht noch einmal an den Werkunternehmer zahlen, wenn dieser die Rechnung ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung versandt hat und deshalb gegen ihn ein Schadenersatzanspruch gemäß Datenschutz-Grundverordnung (hier: Art. 82 DS-GVO) besteht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, erneut ihre Werklohnforderung zu zahlen, nachdem der Betrag wegen einer Manipulation der per E-Mail versandten Rechnung durch kriminell handelnde Dritte dem Konto eines Unbekannten gutgeschrieben wurde.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für die Installation von Haustechnik. Sie führte für die Beklagte Installationsarbeiten durch und rechnete die erbrachten Leistungen ihr gegenüber in drei Abschlagsrechnungen ab. Diese wurden jeweils als Anlage zu einer E-Mail im PDF-Format übersandt. Die ersten zwei Abschlagsrechnungen beglich die Beklagte per Überweisung an die auf den Rechnungen angegebenen Bankverbindungen der Klägerin.
Die dritte Abschlagsrechnung über rund 15.000 Euro, die zugleich die Schlussrechnung war, versandte die Klägerin ebenfalls als Anlage im PDF-Format per E-Mail. Diese Rechnung war jedoch auf ungeklärte Weise durch einen Dritten manipuliert worden, so dass die Beklagte den Rechnungsbetrag auf das Konto des unbekannten Dritten überwies. Auf dem Konto der Klägerin ging deshalb auf die Schlussrechnung keine Zahlung ein.
Keine Erfüllung durch Zahlung an unbekannten Dritten
Das Landgericht (LG) hat die Beklagte deshalb zur erneuten Zahlung verurteilt, weil eine Erfüllung durch die Zahlung an den unbekannten Dritten nicht eingetreten ist. Es hat ausgeführt, dass die Klägerin auch keine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat, sodass die Beklagte keinen Schadenersatzanspruch hat, den sie der Klageforderung gemäß § 242 BGB entgegenhalten kann. Die Klägerin hat nach Auffassung des LG keine Pflichtverletzung begangen, weil die von ihr vorgetragenen Schutzvorkehrungen in Form einer Transportverschlüsselung per SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) über TLS (Transport Layer Security) beim E-Mail-Verkehr mit Vertragspartnern ausreichend sind.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG hat in zweiter Instanz das Urteil des LG geändert und die Klage abgewiesen. Es hat entschieden, dass die Zahlung der Beklagten an einen Dritten zwar keine Erfüllung der Forderung bei der Klägerin bewirkt. Im Gegensatz zum Landgericht hat es jedoch einen Schadenersatzanspruch der Beklagten bejaht, den diese der Werklohnforderung der Klägerin nach § 242 BGB entgegenhalten kann, so dass sie die Forderung nicht noch einmal bezahlen muss.
Dieser Schadenersatzanspruch ergibt sich nach der Entscheidung des OLG aus Art. 82 Abs. 2 DS-GVO, weil die Klägerin im Zuge der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Beklagten bei Versand der streitgegenständlichen E-Mail mit Anhang gegen die Grundsätze der Art. 5, 24 und 32 DS-GVO verstoßen hat. Das OLG hält die Transportverschlüsselung, die beim Versand der streitgegenständlichen E-Mail in Form von SMTP über TLS verwendet worden sein soll, nicht für ausreichend und damit auch nicht als zum Schutz der Daten „geeignet“ im Sinne der DS-GVO.
Das OLG hob hervor, dass heute jedem Unternehmen, das personenbezogene Daten seiner Kunden computertechnisch verarbeitet, bewusst sein muss, dass der Schutz dieser Daten hohe Priorität – auch beim Versenden von E-Mails – genießt. Unternehmen müssen diesen Schutz durch entsprechende Maßnahmen so weit wie möglich gewährleisten.
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unabdingbar
Gerade bei sensiblen oder persönlichen Inhalten ist nach der Entscheidung des OLG nur eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Schutz im Sinne der DS-GVO geeignet, wenn ein hohes finanzielles Risiko durch Verfälschung der angehängten Rechnung für den Kunden besteht. Dass Kunden von Unternehmen bei einem Datenhacking Vermögenseinbußen drohen, ist ein Risiko, das dem Versand von Rechnungen per E-Mail immanent ist und deshalb eine entsprechende Voraussicht und ein proaktives Handeln erfordert. Der dafür erforderliche technische und finanzielle Aufwand kann auch von einem mittelständischen Handwerksbetrieb erwartet werden, wenn es seine Rechnungen nicht per Post versendet.
Quelle | OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.12.2024, 12 U 9/24, PM 1/25
| Wer im Zusammenhang mit seiner kommunalpolitischen Tätigkeit Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder erhält (im Streitfall ein ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats), erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Diese sind im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung zu verbeitragen. Dies hat jedenfalls das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen entschieden. |
Das LSG Nordrhein-Westfalen stellte heraus: Für die Zuordnung von Einnahmen zum Arbeitseinkommen ist die steuerliche Abgrenzung der Einkunftsarten maßgebend. Bei Anlegung dieser Maßstäbe handelt es sich auch bei den Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer kommunalpolitischen Tätigkeit in Gestalt von Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern erzielt werden, um Arbeitseinkommen nach dem Sozialgesetzbuch IV (hier: § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV).
Gegen dieses Urteil ist die Revision beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig.
Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.3.2024, L 5 KR 551/21, Rev. BSG: B 6 a/12 KR 12/24 R
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Die Verwendung von geschlechtsspezifischen Sterbetafeln bei der Bewertung lebenslänglicherNutzungen und Leistungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot. |
Hintergrund: Die Heranziehung geschlechterdifferenzierender Sterbetafeln dient dem Ziel, die Kapitalwerte lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen mit zutreffenden Werten zu erfassen und eine Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.
Da die statistische Lebenserwartung von Männern und Frauen unterschiedlich hoch ist, ermöglichen die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Vervielfältiger genauere und realitätsgerechtere Bewertungsergebnisse als geschlechtsneutrale Vervielfältiger.
Beachten Sie | Die Anwendung der geschlechtsspezifischen Sterbetafeln kann sich für den Steuerpflichtigen je nach Fallkonstellation günstiger oder ungünstiger auswirken und führt nicht per se zu einer Benachteiligung aufgrund des eigenen Geschlechts.
Der BFH musste nicht entscheiden, welche Auswirkungen sich aus dem am 1.11.2024 in Kraft getretenen Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) für die Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen ergeben.
Quelle | BFH, Urteile vom 20.11.2024, II R 38/22, II R 41/22, II R 42/22; PM 23/25 vom 10.4.2025
| Aufwendungen des Steuerpflichtigen für einen Umzug in eine andere Wohnung, um dort (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs(BFH) auch, wenn der Steuerpflichtige – wie in Zeiten der Corona-Pandemie – zwangsweise zum Arbeiten im häuslichen Bereich angehalten ist oder durch die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren sucht. |
Das war geschehen
Eheleute lebten mit ihrer Tochter in einer 3-Zimmer-Wohnung und arbeiteten nur in Ausnahmefällen im Homeoffice. Ab März des Streitjahrs 2020 (zunächst bedingt durch die Corona-Pandemie) arbeiteten sie überwiegend im Homeoffice, dort im Wesentlichen im Wohn-/Esszimmer. Ab Mai 2020 zogen sie in eine 5-Zimmer-Wohnung, in der sie zwei Zimmer als häusliches Arbeitszimmer einrichteten und nutzten.
Den Aufwand für die Nutzung der Arbeitszimmer und die Kosten für den Umzug in die neue Wohnung machten die Eheleute als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte zwar die Aufwendungen für die Arbeitszimmer an, mangels beruflicher Veranlassung lehnte es den Abzug der Kosten für den Umzug jedoch ab.
Demgegenüber bejahte das Finanzgericht (FG) Hamburg den Werbungskostenabzug auch für die Umzugskosten. Der Umzug in die größere Wohnung sei beruflich veranlasst gewesen, da er zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen geführt habe.
Dem folgte der BFH aber (aus Steuerzahlersicht „leider“) nicht und bestätigte die ablehnende Entscheidung des Finanzamts.
Wohnung: privater Lebensbereich
Die Wohnung ist grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Daher zählen die Kosten für einen Wohnungswechsel regelmäßig zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung. Etwas anderes gilt nur, wenn die berufliche Tätigkeit den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel dargestellt hat und private Umstände allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben.
Beachten Sie | Dies ist aber nur aufgrund außerhalb der Wohnung liegender Umstände zu bejahen, etwa wenn
- der Umzug Folge eines Arbeitsplatzwechsels gewesen ist oder
- sich die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit durch den Umzug um mindestens eine Stunde täglich vermindert
Die Möglichkeit, in der neuen Wohnung (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, genügt nicht zur Begründung einer beruflichen Veranlassung des Umzugs. Es fehlt insoweit an einem objektiven Kriterium, das nicht auch durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist.
Die Entscheidung, in der neuen, größeren Wohnung (erstmals) ein Zimmer als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer „Arbeitsecke“ auszuüben, beruht auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatz verfügt oder durch die Arbeit im Homeoffice versucht, das Berufs- und Familienleben zu vereinbaren.
Quelle | BFH, Urteil vom 5.2.2025, VI R 3/23, PM 24/25 vom 17.4.2025
| Ein mit einem Preisgeld dotierter Wissenschaftspreis kann nur dann Arbeitslohn darstellen, wenn er dem Arbeitnehmer für Leistungen verliehen wird, die er gegenüber seinem Dienstherrn erbracht hat. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Fall eines Professors entschieden. |
Der Professor hatte die Habilitationsschriften überwiegend vor der Berufung in das Professorendienstverhältnis verfasst. Der preisbewehrten Habilitation lag zwar eine wissenschaftliche Forschungsleistung zugrunde. Diese gründete aber nicht auf der Forschungstätigkeit als Hochschullehrer. Wissenschaftspreis und Preisgeld stellten sich daher nicht als „Frucht“ dieser Tätigkeit dar.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 12/22
| Kann in Deutschland steuerpflichtigen Personen eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen inder Schweiz gewährt werden? Das Finanzgericht (FG) Köln hält das für möglich und hat sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar mit deutscher und schweizerischer Staatsbürgerschaft wohnte in der Schweiz. Der Ehemann war als Arbeitnehmer in Deutschland tätig und unterhielt hierfür eine Wohnung in Deutschland. Für das gemeinsame Haus in der Schweiz beauftragten die Eheleute verschiedene Handwerks- und Gartenbauarbeiten i. S des Einkommensteuergesetzes (hier: § 35 a EStG) und begehrten eine Ermäßigung ihrer Einkommensteuer.
Das Finanzamt lehnte dies jedoch ab, weil die Dienstleistungen in der Schweiz ausgeführt wurden (vgl. § 35 a Abs. 4 S. 1 EStG). Hiergegen erhoben die Eheleute erfolgreich Klage.
Freizügigkeitsabkommen
Das FG Köln bezweifelt, ob es mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist, dass die Steuerermäßigung nur für Dienstleistungen beansprucht werden kann, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt ausgeübt oder erbracht werden.
Beachten Sie | Bis zur Entscheidung des EuGH ist das Verfahren ausgesetzt.
Quelle | FG Köln, Beschluss vom 20.2.2025, 7 K 1204/22; PM vom 25.3.2025; EuGH: C-223/25
| Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen, z. B. Sachverständigengutachten, sind in der Regel nicht notwendig und werden daher nicht erstattet. Das ist der Grundsatz, von dem die Rechtsprechung ausgeht. Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme – wie eine Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Senftenberg anschaulich zeigt. |
Schwierige technische Fragestellungen
Ausnahmsweise werden nach dieser Entscheidung die Kosten z. B. für das Einholen eines privaten Sachverständigengutachtens unter anderem als notwendige Kosten anerkannt, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind. Gleiches gilt, wenn aus Sicht des Betroffenen aus einer Anfangsbetrachtung ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre.
Amtsgericht hält Kosten ausnahmsweise für erstattungsfähig
Diese Grundsätze hat das AG in seiner Entscheidung bestätigt. Es hat die Kosten für ein Sachverständigengutachten, mit dem die Messdaten einer Geschwindigkeitsmessung überprüft worden sind, daher als erstattungsfähig angesehen.
Quelle | AG Senftenberg, Urteil vom 28.2.2024, 50 OWi 1617 Js 22408/22
| Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h liegenden Tempo fährt, muss seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten. Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des Navigationssystems kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entschieden. |
Konzentrieren und Gerätebedienen ist gefährlich
Geklagt hatte eine Autovermieterin gegen den Fahrer eines vermieteten Pkw. Der Fahrer war auf der Autobahn verunfallt und hatte den Wagen beschädigt. Während er auf der linken Spur fuhr, bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs bei Tempo 200, um dort Informationen abzurufen. Dabei geriet das Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke.
Mietvertrag sah Kürzung der Haftungsfreistellung vor
Das Gericht verwies auf die Vereinbarung im Mietvertrag. Danach könne die Haftungsfreistellung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt werden. Der Fahrer habe hier grob fahrlässig gehandelt. Die Autovermieterin könne daher die Hälfte des Schadens – ca. 12.000 Euro – bei ihm geltend machen.
Für das Gericht war es dabei unerheblich, dass der Pkw einen sog. Spurhalteassistenten hatte. Zumindest bei derart hohen Geschwindigkeiten reduziere dieser den Schuldvorwurf nicht.
Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 2.5.2019, 13 U 1296/17
| Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie beschäftigt immer noch die Gerichte. Aktuell hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden: Die Mitglieder einer Fahrgemeinschaft waren auch in der Corona-Hochphase für gegenseitige Ansteckungen nicht verantwortlich zu machen. Eine auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage eines Mitfahrers hat das LG deshalb abgewiesen. |
Im Frühjahr 2022 stieg der Mitfahrer ohne Maske zu seinem Kollegen ins Auto, um gemeinsam zur Arbeit zu fahren. Am Abend desselben Tages schrieb er in die WhatsApp-Gruppe der Fahrgemeinschaft, dass er positiv getestet sei und sich in Quarantäne befinde.
Fahrer behauptete Ansteckung und verlangte Schmerzensgeld
Der schon zuvor an Asthma erkrankte Fahrer behauptete im Prozess, er habe sich während der gemeinsamen Fahrt mit dem Coronavirus infiziert und sei nun dauerhaft arbeitsunfähig („Post-Covid-Syndrom“). Der Mitfahrer schulde ihm daher Schmerzensgeld in Höhe von nicht unter 20.000 Euro, weitere 4.000 Euro Schadenersatz und müsse darüber hinaus für zukünftig auftretende Schäden einstehen.
Landgericht: Reine Gefälligkeit – keine Haftung
Dieser Argumentation folgte das LG nicht. Im Rahmen der wechselseitigen Gefälligkeit einer Fahrgemeinschaft sei bereits unter den Gesichtspunkten eines stillschweigenden Haftungsverzichts und des Handelns auf eigene Gefahr eine gegenseitige Haftung ausgeschlossen. Es sei zudem aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie allgemein bekannt gewesen, dass enger persönlicher Kontakt die Hauptinfektionsquelle darstellte. Obwohl der unter Asthma leidende Fahrer bemerkt habe, dass sein Kollege beim Einsteigen keine Maske trug, habe er ihn nicht gebeten, eine solche aufzusetzen. Er habe sich daher erkennbar trotz seiner Vorerkrankung dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Dass er sich keine Gedanken über einen ungünstigen Verlauf einer Infektion mit möglichen Dauer- und Folgeschäden gemacht habe, rechtfertige keine andere Beurteilung.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 16.12.2024, 7 O 110/24, PM vom 31.1.2025
| Mit der Frage, ob ein 13-jähriges Kind für einen Glasschaden an einem Schaufenster verantwortlich ist, hat sich das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. |
Glasbruch nach Nutzung eines Spielgeräts
Das Kind hatte in der Fußgängerzone von Frankenthal ein festmontiertes Spielgerät in Gestalt einer Drehscheibe genutzt und war beim Absteigen gegen ein daneben befindliches Schaufenster getaumelt. Für den dadurch entstandenen Glasbruch muss das Kind nicht haften, entschied das LG und hat die Klage der Ladenbesitzer abgewiesen.
Der Junge gab an, dass er auf dem Schulweg an dem Spielgerät vorbeigekommen sei. Er habe sich auf das Karussell gestellt, das ein Freund gedreht habe, zunächst langsam, dann immer schneller. Nachdem der Freund die Drehung gestoppt habe, sei er rückwärts gegen die keine drei Meter entfernte Fensterscheibe getaumelt, die daraufhin zerbrochen sei.
Schaden schuldhaft verursacht?
Die Ladenbesitzer warfen dem Jungen vor, den Schaden schuldhaft verursacht zu haben. Er sei bereits zu alt gewesen für das Karussell, zudem habe er sich damit zu schnell gedreht. Die Sturzgefahr und der mögliche Glasbruch seien für ihn erkennbar gewesen.
Landgericht: kein Verschulden des Kindes!
Das LG ging zwar davon aus, dass sich der 13-Jährige der grundsätzlichen Stolpergefahr durchaus bewusst und auch hinreichend einsichtsfähig war. Beides ist erforderlich, damit Minderjährige in diesem Alter überhaupt selbstständig haften. Gleichwohl konnte das LG das für einen Schadenersatzanspruch erforderliche Verschulden des Kindes nicht feststellen. Denn der Junge habe die Drehscheibe bestimmungsgemäß genutzt. Es sei gerade Sinn und Zweck des Karussells, trotz der Drehbewegung die Balance zu halten und der Gefahr des Herunterfallens zu trotzen. Das Kind sei weder zu alt noch zu groß für das Spielgerät gewesen.
Das Gericht hat nicht verkannt, dass die Ladenbesitzer nun auf ihrem Glasschaden sitzen bleiben. Dies resultiert gemäß LG jedoch daraus, dass unsere Rechtsordnung – von einigen hier nicht vorliegenden Sonderfällen abgesehen – dem Prinzip der Verschuldenshaftung folgt.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 29.11.2024, 9 O 27/24, PM vom 19.12.2024
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Bürgergeldempfänger gelten nicht als hilfebedürftig, wenn sie ein (zu) großes Einfamilienhaus gebaut haben und dessen Wert zur Sicherung des Lebensunterhalts nutzen können. |
Familie hatte während Bürgergeldbezug größeres Haus gebaut
Dem Verfahren lag ein Eilantrag einer Familie aus dem Emsland zugrunde. Diese hatte ihr selbstbewohntes Hausgrundstück für 514.000 Euro verkauft, nachdem sie während des Bürgergeldbezugs ein neues Haus gebaut hatte. Aufgrund des erzielten Verkaufserlöses hob der Grundsicherungsträger die Leistungsbewilligung auf.
Demgegenüber vertrat die Familie die Auffassung, das neue Haus sei geschütztes Vermögen und dürfe nicht zur Deckung des Lebensunterhalts herangezogen werden. Zudem berief sie sich auf die gesetzliche Karenzzeit von 12 Monaten, während der auch großzügige Wohnverhältnisse voll finanziert werden müssten.
Landessozialgericht: Familie nicht bedürftig
Das LSG bestätigte die Auffassung der Behörde. Die Familie sei nicht bedürftig, da das neue Hausgrundstück mit 254 m² Wohnfläche und sieben Bewohnern kein geschütztes Vermögen darstelle. Eine Verwertung des Vermögens zur Sicherung des Lebensunterhalts sei durch Beleihung möglich. Bei einem Verkehrswert von 590.000 Euro und einer Grundschuld von 150.000 Euro stehe ein unbelasteter Wert von 440.000 Euro zur Verfügung.
Die Berufung auf die gesetzliche Karenzzeit lehnte das Gericht ebenfalls ab. Die Regelung diene dem Zweck, dass Leistungsempfänger nicht sofort ihr angespartes Vermögen, etwa für die Altersvorsorge, aufbrauchen müssen, wenn sie nur vorübergehend auf Bürgergeld angewiesen sind. Die Karenzzeit solle dabei helfen, plötzliche Härten abzufedern.
Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um eine unerwartete Notlage, sondern um langjährige Leistungsbezieher, die ihre Wohnsituation und ihr Immobilienvermögen optimieren wollten. So habe die Familie als Verkaufsgrund des alten Hauses angegeben, die Entfernung zur Innenstadt sei ihnen zu weit gewesen.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.1.2025, L 11 AS 372/24 B ER, PM vom 20.1.2025
| Der gezahlte Reisepreis kann um 30 Prozent gemindert werden, wenn das Gepäck des Pauschalreisenden beim Hinflug zu spät ausgeliefert wird und deshalb während einer Kreuzfahrt in die Arktis nicht zur Verfügung steht. So entschied es das Landgericht (LG) München II zugunsten der Reisenden. |
Es ging um eine Expeditionsreise
Der Kläger und seine Mutter hatten im Jahr 2023 bei der Beklagten eine elftägige Pauschalreise nach Norwegen mit anschließender Kreuzfahrt „Auf den Spuren der Eisbären“ gebucht. Während des Hinflugs kam es zu einer verspäteten Auslieferung aller Gepäckstücke der Reisenden. Der Kläger und seine Mutter meldeten ihr Gepäck als verloren und erstatteten unverzüglich Schadensanzeige. Vor der Abfahrt des Schiffs kauften sie in Outdoor-Läden in Norwegen das Notwendigste ein. An Bord gab es eine Boutique und einen Wäscheservice. Schuhe und Parka für die Expeditionen an Land wurden gestellt. Die Beklagte erstattete den Reisenden außergerichtlich 25 Prozent vom gezahlten Reisepreis und 1.500 Euro (von 2.306,07 Euro) für die Ersatzbeschaffungen. Vor Gericht machte der Kläger den Restbetrag für die Ersatzbeschaffungen, weitere 15 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und einen „Schadenersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreuden“ geltend.
Landgericht sprach Minderung zu
Das LG sprach dem Kläger eine Minderung in Gesamthöhe von 30 Prozent vom gezahlten Pauschalreisepreis und für die Ersatzbeschaffungen weitere 516,20 Euro zu; einen Anspruch auf Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wies das LG jedoch ab.
Das LG begründete seine Entscheidung damit, dass das Fehlen von Gepäck mit persönlichen Gegenständen des Reisenden einen Reisemangel darstellt. Weil der Veranstalter jedoch keine besondere Kleiderordnung bei den Mahlzeiten und die Ausrüstung für die Expeditionen zur Verfügung gestellt hatte und es einen Wäscheservice an Bord gab, erachtete das Gericht eine Minderung von 30 Prozent des gezahlten Reisepreises als ausreichend und angemessen.
Bei den Ersatzbeschaffungen (Verbrauchsartikel, Grund- und Funktionsbekleidung) hatte der Reiseveranstalter unter anderem einen Abschlag für Vermögensvorteile vorgenommen, weil die Reisenden die Sachen nach der Rückkehr weiterhin nutzen können. Das Gericht folgte dem Argument der Beklagten nicht, soweit es sich um „Funktionskleidung“ handelte, denn der Kläger und seine Mutter hatten das Gericht davon überzeugt, dass sie die eigens für eine Expedition in die Arktis gekaufte Funktionsbekleidung nicht mehr benötigten. Anders sah es das Gericht bei den Verbrauchsartikeln (Waschmittel, Zahnpasta, etc.) – die Reisenden erhielten ihre Koffer bei der Rückkehr von der Reise zurück und konnten die darin enthaltenen Verbrauchsartikel (weiter) nutzen.
Schadenersatzanspruch abgelehnt
Einen Schadenersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit lehnte das Gericht ab, weil der Kläger und seine Mutter aufgrund der Möglichkeit von Ersatzbeschaffungen in Longyearbyen und an Bord sowie wegen der ihnen zur Verfügung gestellten Ausrüstungsgegenstände (Schuhe, Parka) an der Kreuzfahrt und den Expeditionen an Land teilnehmen konnten, was Sinn undZweck der gebuchten Expeditionsreise war.
Quelle | Landgericht München II, Endurteil vom 10.1.2025, 14 O 2061/24, PM 1/25
| Ein Ehemann kann nach der Trennung von seiner Frau verlangen, die Nutzungsverhältnisse an einem gemeinsamen Haus neu zu ordnen. Das stellte das Oberlandesgericht (OLG) Celle fest. |
Ärzteehepaar trennte sich
Nachdem sich ein Ärzteehepaar getrennt hatte, wollte der Mann in ein gemeinsames Haus des Paares ziehen. Doch dort wohnte seine Schwiegermutter. In der ihr allein gehörenden Ehewohnung lebte die Frau mit den gemeinsamen Kindern. Der Mann schlief zunächst in seiner Praxis, dann bei Bekannten. Schließlich wohnte er zur Untermiete.
Den Eheleuten gehörte aber hälftig noch das von der Schwiegermutter bewohnte Einfamilienhaus mit Garten. Dieser wollte der Mann wegen Eigenbedarf kündigen. Dazu war die Mitwirkung seiner Ehefrau erforderlich. Das lehnte sie ab. Sie meinte, der Mann wolle sie nur zwingen, ihrer Mutter zu kündigen. Auch habe er noch ein weiteres Haus. Der Mann klagte.
Amtsgericht: Eigenbedarf nicht genügend dargelegt
Das Amtsgericht (AG) wies seine Klage ab. Der Mann habe den Eigenbedarf nicht hinreichend dargelegt. Da die Schwiegermutter eine nahe Angehörige sei, könne ihre Tochter selbst Eigenbedarf anmelden. So zog der Mann vor das OLG.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG gab dem Mann Recht. Ihm sei seit der Trennung ein Festhalten am Mietverhältnis nicht länger zuzumuten. Auch habe er seinen Eigenbedarf ausreichend dargelegt. Er hatte vorgetragen, dass sein jetziges Mietverhältnis nur befristet war. Ein ständiges Wohnen in der Praxis sei ihm nicht zuzumuten. Ein Umzug in das andere Haus sei ihm ebenfalls nicht zuzumuten, da dieses noch ein Rohbau sei und er auch kein Geld für einen Umzug habe. Nach all dem sah das OLG den geltend gemachten Eigenbedarf nicht als „offensichtlich aussichtslos“ an. Vor allem sei die Frau in der Lage, ihre Mutter in der Ehewohnung und einer nicht genutzten Einliegerwohnung aufzunehmen.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 19.2.2025, 21 UF 237/24
| Wer einen überschuldeten Nachlass erbt, kann innerhalb einer Frist von sechs Wochen das Erbe ausschlagen. Sonst gilt die Erbschaft als angenommen und er haftet für die dem Nachlass zuzuordnenden Schulden. War dem Erben nicht bekannt, dass der Nachlass überschuldet ist, kann noch die Anfechtung wegen Irrtums helfen. Mit den Voraussetzungen dafür hat sich jetzt das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. Es hat entschieden, dass der als Erbe eingesetzte Sohn eines Verstorbenen nicht für die Beerdigungskosten aufkommen muss, weil er die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten hat. |
Witwe verlangte Bestattungskosten von Sohn des Verstorbenen
Der Verstorbene hatte seinen Sohn aus erster Ehe testamentarisch zu seinem Erben bestimmt. Die beiden pflegten zuletzt keinen Kontakt mehr zueinander. Nach dem Tod übernahm zunächst die Witwe die Bestattungskosten von rund 7.500 Euro und wollte diese vom Sohn erstattet haben, da dieser die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte. Daraufhin erklärte der Sohn die Anfechtung der Erbschaftsannahme. Er habe nicht gewusst, dass die Bestattungskosten zu den Nachlassverbindlichkeiten gehörten und der Nachlass damit überschuldet sei.
Irrtum über die Beerdigungskosten
Dieser Argumentation hat sich das LG angeschlossen. Der Sohn habe die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten und müsse daher nicht für die Beerdigungskosten aufkommen. Die Anfechtung wegen unerkannter Überschuldung eines Nachlasses sei ein in der Rechtsprechung anerkannter Anfechtungsgrund. Sie setze voraus, dass der Anfechtende eine wesentliche Forderung gegen den Nachlass irrtümlich übersieht. Hier seien die Bestattungskosten eine wesentliche Forderung, da der Nachlass überschuldet sei, wenn man sie berücksichtige. Es sei auch glaubhaft, dass sich der Sohn über die Beerdigungskosten geirrt habe. Denn die Witwe habe ihm noch zu Lebzeiten des Vaters mitgeteilt, für die Beerdigung könne der Erlös aus dem Verkauf eines Pkw verwendet werden. Daher durfte der Sohn davon ausgehen, als Erbe seines Vaters nicht für die Bestattung aufkommen zu müssen, so die Kammer. Wenn kein Erbe in Anspruch genommen werden kann, muss die Witwe als Ehefrau nach den Vorschriften des Landesrechts selbst für die Beerdigungskosten aufkommen, so das LG.
Quelle | Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 27.2.2025, 8 O 189/24, PM vom 31.3.2025
| Die Kosten eines Vaterschaftsanerkennungsverfahrens können zwischen dem im Verfahren ermittelten biologischen Vater und der Mutter hälftig geteilt werden. Weder der Umstand, dass der Vater nicht bereits auf Basis eines Privatgutachtens zur Anerkennung der Vaterschaft bereit war, noch, dass er nach Angaben der Mutter der einzige Verkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit war, rechtfertigen eine alleinige Kostenlast des Vaters. So entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |
Streit um Kosten
Die Beteiligten streiten über die Kosten eines Abstammungsverfahrens. Die Mutter des Kindes hatte angegeben, mit dem sog. Putativvater (also dem, der als möglicher Vater in Betracht kommt) in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehrs gehabt zu haben. Ein außergerichtlicher Vaterschaftstest hatte diesen als Vater festgestellt. Das Kind begehrte daraufhin, die Vaterschaft des Putativvaters gerichtlich festzustellen. Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens stellte das Amtsgericht (AG) die biologische Vaterschaft des Putativvaters fest und legte die Verfahrenskosten hälftig der Mutter und dem nun festgestellten Vater auf.
So sah es das Oberlandesgericht
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Mutter gegen die Auferlegung der Hälfte der Kosten. Dies hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das AG habe im Ergebnis zutreffend die Kosten nach billigem Ermessen zwischen der Kindesmutter und dem Kindesvater hälftig geteilt, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Bei einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren handele es sich nicht um ein echtes Streitverfahren. Neben dem Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens könnten deshalb weitere Umstände von Bedeutung sein. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten sei allerdings regelmäßig unbillig, da es selbst nicht zur Unsicherheit an der Vaterschaft beigetragen habe.
Hier sei es nicht angemessen, dem Vater die alleinigen Kosten aufzuerlegen. Er habe insbesondere nicht „grob schuldhaft“ das Verfahren veranlasst. Ihm sei es vielmehr nicht zumutbar gewesen, die Vaterschaft bereits außergerichtlich ohne gutachterliche Klärung der biologischen Abstammung durch Sachverständigengutachten anzuerkennen. Allein die Angabe der Mutter, sie habe in der Empfängniszeit nur mit dem Vater verkehrt, genüge zur Begründung eines groben Verschuldens nicht. Vielmehr habe der Vater berechtigte Zweifel ans einer Vaterschaft haben dürfen. Unwidersprochen habe er mit der Kindesmutter in der Empfängniszeit keine Beziehung geführt und auch nicht mit ihr zusammengelebt. Damit hätten ihm konkrete Einblicke in die Lebensverhältnisse der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit gefehlt. Für ihn habe damit auch keine Möglichkeit bestanden, abzuschätzen oder zu beurteilen, ob die Mutter des Kindes zu weiteren Männern eine intime Beziehung unterhalten habe.
Außergerichtlicher Vaterschaftstest schließt gerichtliche Überprüfung nicht aus
Auf den bereits außergerichtlich durchgeführten Vaterschaftstest habe er sich nicht verlassen müssen. Er könne vielmehr geltend machen, dass er angesichts der hohen rechtlichen Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Abstammungsgutachtens eine gerichtliche Überprüfung wünsche. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass „beide Eltern das Verfahren über eine Entscheidung über die Abstammung dadurch gleichermaßen veranlasst haben, dass sie innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben. Damit erscheint es in der Regel auch gerechtfertigt, die Kosten eines solchen Verfahrens gleichmäßig auf beide Eltern zu verteilen“, unterstrich das OLG.
Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 13.1.2025, 6 WF 155/24, PM 4/25
| Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung ist so zu verstehen, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, sofern diese nicht bereits von Dritten erbracht und dem Architekten zur Verfügung gestellt wurden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden. |
Ein Architekt war mündlich damit beauftragt worden, die Baugenehmigung für die Erweiterung eines Gasthofs einzuholen. Damit war klar, dass er die Leistungsphase 4 im Leistungsbild Gebäude und Innenräume sowie Tragwerksplanung erbringen musste. Da er vom Auftraggeber nur Bestandszeichnungen erhalten hatte, die nicht an eine Vor- oder Entwurfsplanung heranreichten, verlangte er auch das Honorar für diese notwendigen Leistungen. Der Auftraggeber weigerte sich. Er meinte, er habe nur die Genehmigungsplanung beauftragt.
Das OLG gab dem Architekten Recht und sprach ihm das Honorar für die Leistungsphasen 1 bis 4 zu. Es komme nicht auf die Regelungen der HOAI, sondern auf den Inhalt des konkreten Auftrags an. Nicht entscheidend sei, ob die Parteien einen schriftlichen oder mündlichen Vertrag geschlossen, sondern was sie tatsächlich vereinbart haben. Ein Auftrag zur Genehmigungsplanung müsse dann so verstanden werden, dass auch die Beauftragung mit vorangehenden Leistungsphasen erfasst ist, da diese notwendige Voraussetzung für die Erstellung der Genehmigungsplanung ist. Etwas anderes gelte nur, wenn die vorangehenden Planungsleistungen bereits von Dritten erbracht wurden und dem Architekten zur Verfügung gestellt werden.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2022, 4 U 142/20
| Beauftragt ein Bauträger einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt vom Architekten nur die Überprüfung einzelner Maße, übernimmt der Bauträger das mit der begrenzten Überprüfung verbundene Risiko selbst. Er kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart klargestellt. |
Das war geschehen
Die Klägerin als Bauträgerin machte gegen den beklagten Architekten im Wege einer Schadenersatzklage i. H. v. 100.000 Euro wegen mangelhafter Architektenleistungen bei der Planung einer Wohnungseigentumsanlage geltend. Die Klägerin ist der Auffassung, die die Pläne des Vermessungsingenieurs überarbeitende Wohnflächenberechnung des Beklagten für bestimmte Bestandsgebäude habe eine zu geringe Wohnfläche ausgewiesen. Der Beklagte habe zugesichert, dass die Abweichungen der Wohnflächen von den Bestandsplänen des Vermessers unter einem Prozent lägen, tatsächlich gebe es Abweichungen bis zu 8%. Zahlreiche Wohnungen seien daher mit zu geringer Flächenangabe verkauft worden und deshalb sei ein Mindererlös entstanden.
Der Beklagte bestreitet eine fehlerhafte Flächenermittlung, die sich ohnehin nur auf die örtliche Überprüfung der Maße aus den Bestandsplänen des Vermessers hinsichtlich der für die Werkplanung entscheidenden Stellen bezogen habe. Ein Auftrag zu einer kompletten Neuvermessung des Bestands sei gerade nicht erteilt worden.
Zudem meint die Klägerin, der Beklagte habe bei der Grundlagenermittlung übersehen, dass die Geschossdecken in einem Bestandsgebäude Betonhohlkörperdecken waren, die einen unerwartet hohen Sanierungsaufwand erforderten, und es versäumt, vor Baubeginn die Fundamente an der Seite zu einem anderen Grundstück zu überprüfen. Infolge dieser Planungsfehler hätten sich die Baukosten für das Bestandsgebäude deutlich erhöht. Die Umbaukosten beliefen sich somit auf mindestens 950.000 Euro. Ein vollständiger Abriss und Neubau hätte dagegen (nur) 752.499 Euro gekostet und wäre im Vergleich zu den tatsächlich entstandenen Kosten günstiger gewesen. Bei erzielbaren Verkaufserlösen abzüglich der Kosten für Abriss/Neubau hätte sich bei einem Neubau ein hoher sechsstelliger Überschuss ergeben. Der tatsächliche Überschuss durch den Umbau habe lediglich 107.000 Euro betragen.
Der Beklagte trägt hierzu vor, ihm sei vom Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt worden, dass es sich bei sämtlichen Bestandsdecken um Stahlbetonrippendecken handele. Eine Pflicht zur Überprüfung dieser Tatsache habe es nicht gegeben. Zudem habe sich die Klägerin in Kenntnis der Mehrkosten für eine Sanierung und gegen einen Abriss entschieden. Hinsichtlich des Fundaments sei die Klägerin bereits vor Beauftragung des Beklagten in Kenntnis gesetzt worden, dass dessen Tragfähigkeit ein Risiko darstelle. Sie habe dennoch entschieden, das Fundament erst im Zuge der Aushubarbeiten zu untersuchen, um Kosten einzusparen.
So sah es das Oberlandesgericht
Das OLG stellte klar: Wie bei einem Bauvertrag kann auch zwischen einem Architekten und seinem Auftraggeber eine von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichende Ausführung vereinbart werden, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen.
Beauftragt eine Bauträgerin einen Architekten, eine Wohnflächenberechnung auf der Grundlage einer als fehlerhaft erkannten Vermessung zu erstellen und verlangt sie vom Architekten, einzelne Maße zu überprüfen, übernimmt die Bauträgerin sehenden Auges das mit der begrenzten Überprüfung der Maße verbundene Risiko und kann den Architekten bei Verwirklichung dieses Risikos nicht haftbar machen. Weist der Architekt seinen Auftraggeber darauf hin, dass die zu planende Wohnung ohne Sonnenschutz nicht funktioniert, muss der Auftraggeber erkennen, dass bei Umsetzung der Planung eine im Hinblick auf den Wärmeschutz nicht ausreichend funktionstüchtige Wohnung errichtet wird, und es bedarf keines weiteren Hinweises, dass dann (auch) die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten sind.
Macht der Auftraggeber eines Architekten geltend, dass er im Fall einer mangelfreien Beratung von der Sanierung eines Gebäudes abgesehen und einen profitableren Neubau errichtet hätte, schafft der Auftraggeber für eine Schadensschätzung bzw. Begutachtung nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn er nachvollziehbar darlegt, welches Gebäude mit welchen Eigenschaften er statt der Sanierung errichtet hätte.
Macht ein Auftraggeber geltend, bei einem mangelfreien Architektenwerk hätte er die zu errichtenden Wohnungen teurer verkaufen können, ist ein Schaden nur schlüssig dargelegt, wenn die Kalkulationsgrundlagen für den erzielten und den geltend gemachten Kaufpreis offengelegt werden und nachvollziehbar vorgetragen wird, dass ein höherer Kaufpreis am Markt hätte durchgesetzt werden können.
Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 17.12.2024, 10 U 38/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Aachen hat die Klage eines Realschullehrers auf Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Festsetzung von Erfahrungsstufen und mithin auf eine höhere Besoldung abgewiesen. |
Eine Tätigkeit als Anbieter von Cocktailkursen ist für die Tätigkeit als verbeamteter Lehrer nicht förderlich im besoldungsrechtlichen Sinne. Eine Tätigkeit ist allgemein förderlich, wenn sie für die Dienstausübung des Beamten nützlich bzw. von konkretem Interesse ist, d. h. wenn diese entweder erst aufgrund der früher gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht oder wenn sie jedenfalls erleichtert und verbessert wird.
Ausgehend hiervon kann die Tätigkeit als Betreiber einer Gesellschaft, die Cocktailkurse und Barcatering anbietet – auch wenn diese Tätigkeit über mehrere Jahre ausgeübt wurde – nicht als förderlich angesehen werden. Das Halten von Cocktailkursen ist weder qualitativ noch quantitativ mit der Tätigkeit eines Realschullehrers vergleichbar. So hat der Kläger im Rahmen seiner Cocktailschule insbesondere nicht mit Minderjährigen gearbeitet, sondern deren Angebot zielte auf die Schulung von Mitarbeitern aus dem Hotel-, Restaurant- und Cateringgewerbe. Auch sind die Anforderungen an die Erstellung eines Cocktailkurses nicht mit der Erstellung eines differenzierten Lehrplans für Schulunterricht in den Schulklassen 5 bis 10 vergleichbar.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 20.1.2025, 1 K 2377/23, PM vom 3.2.2025
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Ein Beschäftigungsverhältnis wird erst ab dem Beginn der Entgeltfortzahlung und nicht schon mit Abschluss des Arbeitsvertrags begründet. |
Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankgemeldet
Geklagt hatte ein 36-jähriger Arbeitsloser, dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld Ende Oktober 2023 auslief. Anfang Oktober unterschrieb der Mann einen Arbeitsvertrag als Lagerist bei einem Reinigungsunternehmen zu einem Monatslohn von 3.000 Euro brutto. Er trat die Arbeit jedoch nie an, da er sich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses krankmeldete. Zwei Wochen später kündigte die Firma innerhalb der Probezeit.
Krankenkasse zahlte kein Krankengeld
Die Krankenkasse des Mannes lehnte daraufhin die Zahlung von Krankengeld ab. Begründung: Es habe kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, da der Mann kein Einkommen erzielt habe.
Der Mann verklagte das Unternehmen und verlangte die Anmeldung zur Sozialversicherung ab dem Beginn des Arbeitsvertrags. Er vertrat dazu die Auffassung, dass bereits durch einen rechtsgültigen Vertrag, der eine Entgeltzahlung vorsehe, ein Beschäftigungsverhältnis zustande komme. Dies müsse auch gelten, wenn ihm der Arbeitsantritt krankheitsbedingt nicht möglich sei. Andernfalls würde er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit leer ausgehen.
Landessozialgericht gab Krankenkasse Recht
Das LSG vermochte sich der Rechtsauffassung des Klägers nicht anzuschließen. Der Arbeitgeber müsse ihn nicht zur Sozialversicherung anmelden, da ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht schon mit dem Beginn des Arbeitsvertrags entstanden sei. Erforderlich sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe. Dieser Anspruch entstehe jedoch bei neuen Arbeitsverhältnissen generell erst nach einer vierwöchigen Wartezeit.
Wartezeit war ohnehin nicht erfüllt
Diese gesetzliche Regelung solle verhindern, dass Arbeitgeber die Kosten der Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer tragen müssen, die direkt nach der Einstellung erkrankten. Der Gesetzgeber habe eine solche Konsequenz als unbillig angesehen.
Unabhängig davon müsse der Mann sich erst an seine Krankenkasse wenden, bevor er seinen Arbeitgeber verklage.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.1.2025, L16 KR 61/24
| Berufsgeheimnisträger können in ihrem Fahrtenbuch Schwärzungen vornehmen, soweit diese Schwärzungen erforderlich sind, um die Identitäten von Mandanten zu schützen. Diese Berechtigung ändert aber nichts an der grundsätzlichen Beweislastverteilung. Gegebenenfalls muss der Berufsträger substanziiert und nachvollziehbar darlegen, weshalb Schwärzungen in dem Umfang erforderlich waren und die berufliche Veranlassung der Fahrten durch ergänzende Angaben darlegen. So lautet eine Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Hamburg, gegen die die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig ist. |
Der Rechtsanwalt hatte die Eintragungen in der Spalte „Grund der Fahrt/besuchte Personen“– mit drei Ausnahmen – bei allen beruflichen Fahrten geschwärzt. Das war dem FG zu viel. Die Richter fanden es ungewöhnlich, dass ein Anwalt bei nahezu jeder geschäftlichen Fahrt geheimhaltungsbedürftige Daten in sein Fahrtenbuch einträgt. In der vorgelegten Form wurde das Fahrtenbuch deshalb nicht anerkannt.
Quelle | FG Hamburg, Urteil vom 13.11.2024, 3 K 111/21, Rev. BFH, VIII R 35/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Der sonntägliche Verkauf von Dekorationsartikeln und Christbaumschmuck in einem Gartenmarkt verstößt nicht gegen das Ladenöffnungsgesetz Nordrhein-Westfalen. |
Das war geschehen
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte betreibt Gartenmärkte in Nordrhein-Westfalen und verkaufte dort an einem Sonntag im November des Jahres 2022 neben Blumen und Pflanzen auch Dekorationsartikel und Christbaumschmuck. Die Klägerin hält dies für unlauter und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
So sahen es die Vorinstanzen
Das Landgericht (LG) hat die Klage mit Blick auf das von der Klägerin begehrte Verbot des Verkaufs von künstlichen Tannenzweigen, Motivanhängern, Zimtstangen und Glaskugeln abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsantrag weiter.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der sonntägliche Verkauf der in Rede stehenden Waren stellt keinen Wettbewerbsverstoß dar, weil sie dem Randsortiment zuzurechnen sind. Ihr Verkauf ist deshalb nach dem Ladenöffnungsgesetz Nordrhein-Westfalen (LÖG NW) an Sonn- und Feiertagen zulässig. Als kleinteilige Accessoires zu den von der Beklagten hauptsächlich angebotenen Blumen und Pflanzen haben Dekorationsartikel und Christbaumschmuck lediglich ergänzenden, in Umfang und Gewichtigkeit deutlich untergeordneten Charakter.
Die Zugehörigkeit von Waren zum Randsortiment richtet sich nach ihrer hauptsächlichen Zweckbestimmung und nicht nach ihrer darüber hinaus möglichen Nutzung. Zudem muss das Randsortiment – anders als das Kernsortiment – nicht zum sofortigen Ge- oder Verbrauch bestimmt sein. Auch ist nicht erforderlich, dass Waren des Randsortiments gleichzeitig oder kombiniert mit Waren des Kernsortiments erworben werden. Es stellt keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß dem Grundgesetz (hier: Art. 3 Abs. 1 GG) dar, dass das Randsortiment nur in den aufgrund ihres Kernsortiments privilegierten Verkaufsstellen sonn- und feiertags verkauft werden darf, in sonstigen Verkaufsstellen aber nicht. Die Differenzierung danach, ob das Kernsortiment den typischerweise an Sonn- und Feiertagen anfallenden Bedarf befriedigt, ist sachlich gerechtfertigt.
Quelle | BGH, Urteil vom 5.12.2024, I ZR 38/24, PM Nr. 230/24
| Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde die nationale Kleinunternehmerregelung mit Wirkung ab dem Jahr 2025 reformiert. Zudem kann die Kleinunternehmerregelung nun auch erstmalig im EU-Ausland in Anspruch genommen werden. Infolge der gesetzlichen Neuregelungen hat das Bundesfinanzministerium (BMF) ein Anwendungsschreiben veröffentlicht und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass entsprechend angepasst und ergänzt. |
„Echte“ Befreiung
Durch die Neuregelung sind von inländischen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze von der Umsatzsteuer nun befreit (zuvor wurde die Umsatzsteuer „nicht erhoben“). Die Folge ist, dass ein dennoch in einer Rechnung ausgewiesener Steuerbetrag unter den Voraussetzungen des Umsatzsteuergesetzes (hier § 14 c Abs. 1 UStG: „unrichtiger Steuerausweis“) geschuldet wird.
Rechnungen an Endverbraucher ausgenommen
Allerdings entsteht keine Umsatzsteuer, wenn der Kleinunternehmer eine Leistung (Lieferung oder sonstige Leistung) ausführt und hierüber eine Rechnung mit einem unrichtigen Steuerausweis an einen Endverbraucher stellt.
Bindend: Fünfjahresfrist
Zudem führt das BMF Folgendes aus: Ein vor 2025 erklärter Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung bindet den Unternehmer auch für die Zeit nach dem 1.1.2025 weiterhin für insgesamt mindestens fünf Kalenderjahre (§ 19 Abs. 3 S. 3 UStG).
Beachten Sie | Die Fünfjahresfrist ist vom Beginn des ersten Kalenderjahres an zu berechnen, für das die abgegebene Erklärung gilt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 18.3.2025, III C 3 - S 7360/00027/044/105
| Ein als Zahnarzt zugelassener Mitunternehmer übt im Rahmen eines Zusammenschlusses von Berufsträgern den freien Beruf selbst aus, wenn er neben einer ggf. äußerst geringfügigen behandelnden Tätigkeit vor allem und weit überwiegend organisatorische und administrative Leistungen für den Praxisbetrieb der Mitunternehmerschaft erbringt. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |
Hintergrund: Ärzte und Zahnärzte erzielen aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 18 EStG). Dies gilt grundsätzlich auch bei einer Gemeinschaftspraxis.
Allerdings kann es Konstellationen geben, in denen die Einkünfte der Gesellschaft als gewerbliche Einkünfte (nach § 15 EStG) einzustufen sind – mit der Konsequenz der Gewerbesteuerpflicht. Und darum ging es in folgendem Fall:
Das war geschehen
Eine Partnerschaftsgesellschaft betreibt eine Zahnarztpraxis. Einem ihrer Seniorpartner oblag die kaufmännische Führung und die Organisation der ärztlichen Tätigkeit des Praxisbetriebs (z. B. Vertretung gegenüber Behörden und Kammern, Personalangelegenheiten, Instandhaltung der zahnärztlichen Gerätschaften).
Zahnarzt hatte im Jahr fünf Patienten
Der Seniorpartner war weder „am Stuhl“ behandelnd tätig noch in die praktische zahnärztliche Arbeit der Mitsozien und der angestellten Zahnärzte eingebunden. Er beriet im Streitjahr fünf Patienten konsiliarisch und generierte hieraus einen geringfügigen Umsatz.
Das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz stuften die Einkünfte der gesamten Gesellschaft als gewerblich ein. Dem folgte der BFH allerdings nicht: Alle Mitunternehmer erzielen Einkünfte aus freiberuflicher und damit selbstständiger Arbeit.
Die freiberufliche Tätigkeit ist durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Berufsträgers geprägt. Daher reicht die bloße Zugehörigkeit eines Gesellschafters zu einem freiberuflichen Katalogberuf nicht aus. Vielmehr muss positiv festgestellt werden können, dass jeder Gesellschafter die Hauptmerkmale des freien Berufs in seiner Person tatsächlich verwirklicht hat, also
- die persönliche Berufsqualifikation sowie
- das untrennbar damit verbundene aktive Entfalten dieser Qualifikation am Markt.
Die persönliche Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit im vorgenannten Sinne setzt allerdings nicht voraus, dass jeder Gesellschafter in allen Unternehmensbereichen leitend und eigenverantwortlich tätig ist und an jedem Auftrag mitarbeitet. Die eigene freiberufliche Betätigung eines Mitunternehmers kann auch in Form der Mit- und Zusammenarbeit stattfinden.
Beachten Sie | Einen Mindestumfang für die nach außen gerichtete qualifizierte Tätigkeit sieht das Gesetz nicht vor.
Eine freiberufliche zahnärztliche Tätigkeit ist demzufolge vorliegend anzunehmen. Auch in diesem Fall entfaltet der Berufsträger Tätigkeiten, die zum Berufsbild des Zahnarztes gehören.
Bundesfinanzhof: Führung und Organisation ist Grundlage für freiberufliche Tätigkeit
Beachten Sie | In diesem Zusammenhang stellte der BFH Folgendes heraus: Die kaufmännische Führung und Organisation der Personengesellschaft ist die Grundlage für die Ausübung der am Markt erbrachten berufstypischen zahnärztlichen Leistungen. Sie ist demzufolge auch Ausdruck seiner freiberuflichen Mit- und Zusammenarbeit sowie seiner persönlichen Teilnahme an der praktischen Arbeit.
Quelle | BFH, Urteil vom 4.2.2025, VIII R 4/22, PM 19/25 vom 27.3.2025
| Ein vermietetes Wohngebäude abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen, wird nicht durch die sogenannte Wohnraumoffensive steuerlich gefördert. Eine Sonderabschreibung gemäß Einkommensteuergesetz (hier: § 7 b Abs.1 EStG) ist nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) Köln nicht möglich. Allerdings haben die Steuerpflichtigen Revision eingelegt. |
Hintergrund: Für die Anschaffung oder Herstellung neuer Wohnungen können im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden drei Jahren Sonderabschreibungen bis zu jährlich 5 % der Bemessungsgrundlage neben der regulären Abschreibung in Anspruch genommen werden. Einige Voraussetzungen für die Sonderabschreibung im Überblick:
Baukostenobergrenze
- Bauantrag/-anzeige nach 31.8.2018 und vor 1.1.2022:
Anschaffungs-/Herstellungskosten max. 3.000 Euro pro qm Wohnfläche
- Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029:
Anschaffungs-/Herstellungkosten max. 5.200 Euro pro qm Wohnfläche
Maximal förderfähig Bemessungsgrundlage
- Bauantrag/-anzeige nach 31.8.2018 und vor 1.1.2022:
2.000 Euro pro qm Wohnfläche
- Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029:
4.000 Euro pro qm Wohnfläche
Energieeffizienz
Bei Bauantrag/-anzeige nach 31.12.2022 und vor 1.10.2029: Effizienzvorgaben („Effizienzhaus 40“) beachten.
Das war geschehen
Die Steuerpflichtigen waren Eigentümer eines vermieteten Einfamilienhauses und entschieden sich gegen die aus ihrer Sicht unwirtschaftliche Sanierung des Gebäudes auf einen zukunftsfähigen Standard. Stattdessen ließen sie das alte Gebäude abreißen und errichteten auf demselben Grundstück ein neues Einfamilienhaus. Den Ende 2020 fertiggestellten Neubau wollten sie wieder als Wohnraum vermieten. Das Finanzamt versagte die Förderung für Mietwohnungsneubau (Sonderabschreibung) gemäß der Wohnraumoffensive von Bund, Ländern und Gemeinden aus dem Jahr 2019. Hiergegen zogen die Steuerpflichtigen vor das FG Köln – ohne Erfolg.
Das FG hob hervor, dass die Steuerpflichtigen keinen zusätzlichen Wohnraum geschaffen haben. Die Wohnraumoffensive zielt darauf ab, dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum durch die Förderung von Neu- und Umbaumaßnahmen entgegenzuwirken. Voraussetzung für die Förderung ist deshalb, dass nach einer solchen Maßnahme insgesamt mehr Wohnraum zur Verfügung steht als zuvor. Der von den Steuerpflichtigen angeführte bessere Ausbau- und Energiestandard änderte nichts an dieser Beurteilung.
„Wohnraumoffensive“ galt noch nicht
Unerheblich war auch, dass der Gesetzgeber für spätere Zeiträume eine zusätzliche Förderung für energetische Neubauten geschaffen hat. Denn diese Förderung war im Streitjahr 2020 noch nicht anwendbar. Das Vorgehen der Steuerpflichtigen war eher mit einer Sanierung vergleichbar, die nicht vom Förderzweck der Wohnraumoffensive umfasst ist.
Quelle | FG Köln, Urteil vom 12.9.2024, 1 K 2206/21, Rev. BFH, IX R 24/24
| Zahlungen für den vorzeitigen Rückfall eines Erbbaurechts (sogenannter Heimfall) stellen steuerpflichtige Einkünfte dar, wenn sie als Ersatz für entgehende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gewährt werden und damit Entschädigungen i. S. des Einkommensteuergesetzes (hier: § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) darstellen. Das Finanzgericht (FG) Hessen bestätigte damit die Ansicht der Finanzverwaltung, wonach solche Entschädigungszahlungen nicht als sonstige Einkünfte, sondern als Einkünfte aus der Nutzung von unbeweglichem Vermögen zu qualifizieren sind. |
Beachten Sie | Die Klägerseite hatte den Vorgang demgegenüber als Rückkauf des Erbbaurechts und die „Entschädigung“ als Entgelt für die Substanzübertragung eingestuft. Wegen des Ablaufs der 10-Jahresfrist (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG) komme eine Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft nicht mehr in Betracht.
Das FG sah das anders. Dass eine Drucksituation des Steuerpflichtigen bei Vertragsschluss nicht erkennbar war, änderte daran nichts. Da die Revision anhängig ist, wird nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden müssen.
Quelle | FG Hessen, Urteil vom 22.2.2024, 10 K 436/22, Rev. BFH, IX R 9/24
| Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit den Bundesländern Vorgaben zu den ertragsteuerrechtlichen Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten bei Kryptowerten (z. B. Bitcoin) erarbeitet. Die neuen Vorgaben ersetzen das bisherige Schreiben aus dem Jahr 2022. Zu diesem Anlass wurde die bisherige Formulierung „virtuelle Währungen und sonstige Token“ durch die Bezeichnung „Kryptowerte“ ersetzt. |
Beachten Sie | Tätigkeiten im Zusammenhang mit Kryptowerten können zu Einkünften aus allen Einkunftsarten (z. B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen) führen.
Nach Rz. 53 des Schreibens ist Folgendes zu beachten: Gewinne aus dem Verkauf von im Privatvermögen gehaltenen Kryptowerten können Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften darstellen, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Gewinne bleiben indes steuerfrei, wenn die Summe der aus allen privaten Veräußerungsgeschäften im Kalenderjahr erzielten Gewinne weniger als 1.000 Euro beträgt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 6.3.2025, IV C 1 - S 2256/00042/064/043
| Zur Ermittlung der tatsächlichen Kosten für sonstige berufliche Fahrten nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 a S. 1 EStG) ist eine Leasingsonderzahlung den einzelnen Veranlagungszeiträumen während der Laufzeit des Leasingvertrags zuzuordnen. Mit dieser Entscheidung hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine bisherige Rechtsprechung geändert. Denn bis dato war die Leasingsonderzahlung grundsätzlich im Zeitpunkt der Zahlung zu berücksichtigen. Und auch andere (Voraus-)Zahlungen, die sich wirtschaftlich auf die Dauer des Leasingvertrags erstrecken, sind periodengerecht auf die einzelnen Veranlagungszeiträume während der Laufzeit des Leasingvertrags zu verteilen. |
Hintergrund: Arbeitnehmer können die Kosten für beruflich veranlasste Fahrten, die keine Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie keine Familienheimfahrten sind, bei Nutzung eines eigenen Pkw als Werbungskosten ansetzen. Dabei besteht ein Wahlrecht: Ansatz der Fahrtkosten mit einer Pauschale von 0,30 Euro/km oder Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen.
Sollen die tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden, muss ein individueller Kilometersatz ermittelt werden, wobei die gesamten Fahrzeugkosten zu berücksichtigen sind.
Beachten Sie | Zu den Gesamtkosten gehören die Kosten, die unmittelbar dem Halten und dem Betrieb des Kfz dienen und im Zusammenhang mit dessen Nutzung typischerweise entstehen. Dazu rechnen vor allem die Kosten für Betriebsstoffe, Wartung und Reparaturen sowie die regelmäßig wiederkehrenden festen Kosten, etwa für die Haftpflichtversicherung, die Kfz-Steuer, Absetzung für Abnutzung (AfA) oder Leasing- und Leasingsonderzahlungen.
Das war geschehen
Ein Arbeitnehmer nutzte für seine beruflichen Fahrten einen ab dem 20.12.2018 für drei Jahre geleasten Pkw. Für seine vom 20.12. bis 31.12.2018 durchgeführten beruflichen Fahrten setzte er 0,93 Euro/km als Werbungskosten an. Bei der Ermittlung des Kilometersatzes legte er u. a. die Leasingsonderzahlung für den Leistungszeitraum (20.12.2018 bis 19.12.2021) von 15.000 Euro, die Kosten für Zubehör, Zusatzleistungen und Reifen sowie die für zwölf Monate zu zahlenden Leasingraten, Versicherungsprämien und ADAC-Beiträge zugrunde.
Bisher gehörte eine bei Leasingbeginn zu erbringende Sonderzahlung in Höhe des auf die Auswärtstätigkeiten entfallenden Nutzungsanteils zu den sofort abziehbaren Werbungskosten. Etwas anderes galt nur, wenn es sich bei der Leasingsonderzahlung um Anschaffungskosten für den Eigentumserwerb bzw. um Anschaffungskosten eines Nutzungsrechts handelte, die nur in Form von AfA berücksichtigt werden können.
Bundesfinanzhof ändert seine bisherige Rechtsprechung
An dieser Rechtsprechung hält der BFH nicht mehr fest. Bei Leasingsonderzahlungen handelt es sich um ein vorausgezahltes Nutzungsentgelt, das dem Zweck dient, die Leasingraten während der Gesamtlaufzeit des Leasingvertrags zu mindern. Die Sonderzahlung finanziert damit auch die Nutzung des Fahrzeugs in den Folgejahren, weshalb die Leasingsonderzahlung linear auf den Vertragszeitraum zu verteilen ist, sofern die Sonderzahlung nach den Vertragsbedingungen die Höhe der monatlichen Leasingraten mindert.
Diese Grundsätze gelten auch für andere (Voraus-)Zahlungen, die sich wirtschaftlich auf die Dauer des Leasingvertrags erstrecken. Beispielhaft führt der BFH die Kosten „für einen weiteren Satz Reifen“ an, die in Höhe der AfA in die jährlichen Gesamtaufwendungen einzubeziehen sind.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 9/22
| Die Fahrerlaubnis-Verordnung bietet keine rechtliche Grundlage für eine behördliche Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen (u. a. Fahrräder, Mofas, E-Scooter). Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden. Damit sind zwei Antragsteller aus Duisburg und Schwerte vorläufig wieder berechtigt, mit solchen Fahrzeugen am Straßenverkehr teilzunehmen. |
Unter Amphetaminen auf dem E-Scooter bzw. betrunken auf dem Rad
Ein Antragsteller fuhr unter dem Einfluss von Amphetamin einen E-Scooter. Der andere Antragsteller wies bei einer Fahrt mit dem Fahrrad eine Blutalkoholkonzentration von über 2 ‰ auf. Beide besitzen keine Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (z. B. Pkw). In beiden Fällen untersagten die Fahrerlaubnisbehörden ihnen das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen. Die hiergegen gerichteten Eilanträge lehnten die Verwaltungsgerichte (VG) Düsseldorf und Gelsenkirchen ab. Die Beschwerden der Antragsteller hatten beim OVG Erfolg.
Einschlägige Normen nicht verhältnismäßig
Zur Begründung hat das OVG ausgeführt: Die streitigen Anordnungen können nicht auf die Vorschrift der Fahrerlaubnis-Verordnung gestützt werden, wonach die Fahrerlaubnisbehörde jemandem das Führen von Fahrzeugen zu untersagen hat, der sich als hierfür ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet erweist. Denn diese Norm ist nicht hinreichend bestimmt und verhältnismäßig.
Ein solches Verbot schränkt die grundrechtlich geschützte Fortbewegungsmöglichkeit der Betroffenen deutlich ein. Außerdem sind fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im Vergleich zu Kraftfahrzeugen in der Regel weniger gefährlich. Die Vorschrift berücksichtigt diese Aspekte nicht und regelt insbesondere nicht hinreichend klar, in welchen Fällen jemand ungeeignet oder bedingt geeignet zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist und wann Eignungszweifel bestehen.
Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts sind unanfechtbar.
Quelle | OVG Münster, Beschluss vom 5.12.2024, 16 B 175/23, PM vom 6.12.2024
| In einem aktuellen Streitfall hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass der Steuerpflichtige die Aufwendungen für seine Fahrten zwischen der Wohnung und der Fernuniversität in Hagen nach Reisekostengrundsätzen als Werbungskosten geltend machen kann. |
Hintergrund: Beruflich veranlasste Aufwendungen, die im Rahmen einer Zweitausbildung (Berufsausbildung oder Studium) anfallen, sind grundsätzlich als (vorab entstandene) Werbungskosten abziehbar. Hierzu zählen auch die Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte. Diese sind jedoch bei vollzeitigen Bildungsmaßnahmen bzw. bei Vollzeitstudien auf den Ansatz der Entfernungspauschale begrenzt.
Ein Vollzeitstudium liegt vor, wenn das Studium darauf ausgelegt ist, dass sich die Studierenden diesem (vergleichbar einem vollbeschäftigten Arbeitnehmer) zeitlich vollumfänglich widmen müssen. Davon ist auszugehen, wenn das Studium nach den Ausbildungsbestimmungen oder der allgemeinen Erfahrung insgesamt etwa 40 Wochenstunden (Unterricht, Praktika sowie Vor- und Nachbereitung zusammengenommen) erfordert.
Im Streitfall war der Steuerpflichtige nur als Teilzeitstudierender eingeschrieben und studierte nach seinem Hörerstatus in einem Umfang von etwa 20 Stunden wöchentlich. Dass er im Streitjahr keiner Erwerbstätigkeit nachging, war im Hinblick auf den Begriff des Vollzeitstudiums unerheblich.
Somit waren die Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen (Ansatz einer Pauschale i. H. von 0,30 Euro je gefahrenem Kilometer oder Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen) abzugsfähig.
Quelle | BFH, Urteil vom 24.10.2024, VI R 7/22
| Wer auf Betrüger hereinfällt und im Online-Verfahren eine Echtzeit-Überweisung freigibt, kann nicht darauf hoffen, dass die Bank ihm den Schaden ersetzt. Dies gilt selbst dann, wenn er Minuten später den Schwindel bemerkt und über den Kundenservice sein Konto sperren lässt. Denn der einmal angestoßene Zahlungsvorgang kann nicht mehr gestoppt werden, auch wenn das Geld erst Tage später vom Konto abgebucht wird. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden. Das LG hat die Klage zweier Eheleute gegen ihre Hausbank abgewiesen. Diese waren einer bekannten Betrugsmasche („Hallo, ich habe eine neue Handynummer“) aufgesessen. |
Ehepaar fiel auf bekannte Betrugsmasche herein
Das Ehepaar erhielt im Herbsturlaub letzten Jahres eine SMS von einer unbekannten Rufnummer. Der Absender gab sich als deren Tochter aus und bat darum, über den Nachrichtendienst WhatsApp Kontakt aufzunehmen. Bei dem darauffolgenden Chat glaubten die beiden fest daran, mit ihrer Tochter in Kontakt zu sein. Auf Frage teilten sie die Zugangsdaten für das von ihnen genutzte Online-Banking mit und gaben schließlich zwei Echtzeitüberweisungen von insgesamt ca. 6.000 Euro über die auf ihrem Handy installierte Photo-Tan-App frei. Bereits wenige Minuten später kamen ihnen doch Bedenken,s ie erreichten ihre Tochter und die Täuschung flog auf. Weniger als 20 Minuten nach der Freigabe der Zahlungen informierten sie telefonisch den Kundenservice ihrer Bank und ließen das Konto sperren. Trotzdem wurden die Beträge zwei Tage später vom Girokonto abgebucht. Es sei nicht mehr möglich gewesen, die Vorgänge zu stoppen, so die Bank. Eine Rückerstattung lehnte sie ab.
Landgericht: Zahlungsvorgang an sich völlig korrekt
Das LG gab der Bank Recht und lehnte die Rückzahlung ab. Die Eheleute hätten ihre Freigabe nicht mehr widerrufen können. Ein Widerruf sei nämlich bei Echtzeit-Überweisungen nur bis zum Zugang der Freigabe bei der Bank möglich. Über das Internet erfolgt der Zugang in Sekundenbruchteilen. Danach könnten sich Bankkunden nur von der Freigabe lösen, wenn die Bank die Täuschung hätte bemerken müssen. Dafür sei im konkreten Fall nichts ersichtlich, der Zahlungsvorgang sei vielmehr völlig korrekt abgelaufen und die Bank sei mittels der im Online-Banking vorgesehenen Login- und Freigabedaten korrekt autorisiert worden. Dass die Abbuchung erst zwei Tage später erfolgt sei, ändere am Ergebnis nichts. Es sei zu unterscheiden zwischen dem Geldausgang, der schon wenige Sekunden nach der Online-Freigabe erfolgt sei, und dem Zeitpunkt der Belastung des Kontos. Im Übrigen habe sich das Paar durch die leichtfertige Weitergabe der Zugangsdaten grob fahrlässig verhalten.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 24.10.2024, 7 O 154/24, PM vom 27.11.2024
| Teilt der Rundfunkkunde eine Änderung der Anschrift nicht mit und ergreift auch keine Maßnahmen, um den Zugang von Post unter einer veralteten Adresse zu verhindern, muss er offene Rundfunkbeiträge zahlen. So entschied es das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |
Das war geschehen
Die Klägerin wird durch den beklagten Südwestrundfunk für ihre Privatwohnung zu Rundfunkbeiträgen herangezogen. Sie bewohnt ein Haus, das ursprünglich über zwei getrennte Wohneinheiten mit Ausgängen zu verschiedenen Straßen (A.-Straße und C.-Weg) verfügte. Bis zum Jahr 2020 war die Klägerin unter der Anschrift A.-Straße gemeldet. Bereits einige Jahre zuvor verschloss sie jedoch den auf diese Straße führenden Hauseingang und entfernte den zugehörigen Briefkasten. Eine Ummeldung (zum C.-Weg) veranlasste sie zunächst nicht. Die Klägerin entrichtete keine Rundfunkbeiträge.
Schließlich setzte der Beklagte mit mehreren Festsetzungsbescheiden die offenen Rundfunkbeiträge gegen die Klägerin fest. Die Bescheide waren an die Anschrift der Klägerin in der A.-Straße adressiert. Erstmals ab Mitte des Jahres 2020 nahm die Klägerin die Zahlung von Rundfunkbeiträgen auf und zeigte dem Beklagten die Anschrift „C.-Weg“ an.
Mit ihrer nach erfolglosem Widerspruchsverfahren gegen die Festsetzungsbescheide gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, die Bescheide seien ihr nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Eine Mahnung habe sie nur durch Zufall erreicht. Seit Jahren empfange sie ihre Post nur noch im C.-Weg. Die geforderten Beiträge seien deshalb verjährt.
So sah es das Verwaltungsgericht
Hiermit hatte sie keinen Erfolg. Die Klägerin sei zur Zahlung der geforderten Rundfunkbeiträge verpflichtet, so das VG. Dabei könne offen bleiben, ob der Klägerin die Bescheide wirksam bekannt gegeben worden seien. Denn sie habe dem Beklagten die Änderung der Anschrift nicht mitgeteilt und noch dazu aktive Maßnahmen ergriffen, um den Zugang von Post unter der A.-Straße zu verhindern. Sie könne sich daher jedenfalls nicht auf die Verjährung der Beiträge berufen. Außerdem seien die Zahlungen, die die Klägerin ab dem Jahr 2020 geleistet habe, nach der insoweit maßgeblichen Satzung des Beklagten jeweils mit der ältesten Rundfunkbeitragsschuld verrechnet worden.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 12.11.2024, 5 K 594/24.KO, PM 21/24
| Ferien sollen eine schöne und unbeschwerte Zeit sein. Doch auch hier kann es zu schlimmen Vorfällen kommen. So ging es einer Familie aus Norddeutschland auf der Insel Wangerooge. Letztlich musste sich das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg damit befassen. |
Unfall beim Kaffeekochen
Beim ersten Frühstück in der Ferienwohnung setzte die Mutter einer sechsjährigen Tochter Kaffee in der Kaffeemaschine auf. Als sie den Kaffee zum Frühstückstisch brachte, löste sich der Henkel und die Kanne kippte nach vorn. Der heiße Kaffee ergoss sich über den Oberköper und die Arme ihrer Tochter. Das Mädchen erlitt schwere Verbrennungen und kam mit einem Hubschrauber ins Krankenhaus nach Wilhelmshaven. Sie trug – voraussichtlich dauerhafte – Narben im Brustbereich davon.
Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld?
Die Tochter verklagte die Vermieterin auf Schmerzensgeld und Schadensersatz, weil die Kaffeekanne schon bei Übernahme der Ferienwohnung kaputt gewesen sei. Das Landgericht (LG) Oldenburg wies die Klage ab. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen als Teil des Mietvertrags sei eine Haftung für einfache Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Es sei aber nicht feststellbar, dass die Kaffeekanne erkennbar nicht mehr vollständig in Ordnung gewesen sei.
Mangel war nicht zu beweisen
Das OLG hat jetzt diese Entscheidung bestätigt. Zwar sei ein umfassender Haftungsausschluss durch Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam. Ein Vermieter hafte grundsätzlich sogar ohne jedes eigene Verschulden, allerdings nur für Mängel, die bereits bei Vertragsschluss vorlägen. Hier sehe das Gesetz eine viel strengere Haftung vor als bei anderen Vertragsformen, etwa beim Kauf- oder beim Werkvertrag. Die Klägerin habe jedoch einen solchen Mangel zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht beweisen können. Der gerichtlich bestellte Sachverständige habe keine Reparaturspuren an der Kanne feststellen können. Es stehe auch nicht fest, dass die Kanne bereits bei Vertragsschluss einen Schaden durch Verschleiß aufgewiesen habe. Ebenso wenig sei bewiesen, dass die Kaffeekanne einen Produktmangel gehabt habe, der zu vorzeitigem Verschleiß geführt habe. Selbst für einen solchen Mangel hätte die Vermieterin einstehen müssen.
Verschulden nicht ersichtlich
Die Vermieterin treffe auch keine Haftung wegen eines möglichen Verschuldens. Es sei nicht mehr aufzuklären, in wessen Verantwortungsbereich die Schadensursache liege. Die Glaskanne sei zunächst noch funktionstüchtig gewesen, als die Mutter der Klägerin damit das kalte Wasser in die Maschine gefüllt habe. Der Bruch sei also erst danach erfolgt. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Vermieterin etwaige Vorschäden hätten auffallen müssen. Sie hätte die Kanne auch nicht auf versteckte Schäden untersuchen müssen.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 25.11.2024, 9 U 40/23, PM 36/24
| Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden hat eine Klage abgewiesen, mit der der Kläger die Ausstellung eines Personalausweises ohne Speicherung der Fingerabdrücke auf dessen elektronischem Speichermedium (sog. „Chip“) begehrte. |
Pflicht aufgrund europäischer Verordnung
Die Pflicht zur Speicherung von Fingerabdrücken bei Ausweisen beruht auf der europäischen Verordnung (hier: (EU) 2019/1157 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019) zur Erhöhung der Sicherheit der Personalausweise von Unionsbürgern und der Aufenthaltsdokumente, die Unionsbürgern und deren Familienangehörigen ausgestellt werden, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben. Der Kläger trug vor, dass hierdurch seine Grundrechte auf Schutz des Privatlebens nach der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Art. 7 GRCh) und auf Schutz personenbezogener Daten (Art. 8GRCh) verletzt würden.
So sah es der Europäische Gerichtshof
Das VG hatte das Verfahren zunächst ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in einem Vorabentscheidungsverfahren die Frage vorgelegt, ob die Pflicht zur Aufnahme von Fingerabdrücken in Personalausweisen mit höherrangigem Unionsrecht vereinbar ist. Der EuGH hatte entschieden, dass die Verordnung wegen der Durchführung eines ungeeigneten Gesetzgebungsverfahrens ungültig sei. Die Wirkungen der Verordnung würden jedoch aufrechterhalten bleiben, bis innerhalb einer angemessenen Frist, die zwei Jahre ab dem 1.1.2025 nicht überschreiten dürfe, eine neue, im korrekten Gesetzgebungsverfahren erlassene Verordnung in Kraft trete, die sie ersetzt. In materieller Hinsicht verstoße die Einschränkung der in Art. 7 und Art. 8 GRCh garantierten Rechte nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sodass die Verordnung nicht aus diesem Grund ungültig sei.
So entschied das Verwaltungsgericht
Die Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken sei rechtmäßig, so das VG, und verletze den Kläger deshalb auch nicht in seinen Rechten. Das VG sei an das Urteil des EuGH gebunden, insbesondere bezüglich der Ausführungen zur materiellen Rechtmäßigkeit. Auch im Hinblick auf die im konkreten Verfahren vorliegende Frage der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken durch die Landeshauptstadt Wiesbaden sei keine andere Beurteilung geboten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei auch im konkreten Fall gewahrt. In der Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken durch die Beklagte liege kein Verstoß gegen Grundrechte.
Auch habe das VG für die Entscheidung über den vorliegenden Fall nicht den Fristablauf der Fortgeltung der o. g. Verordnung oder den Erlass einer neuen Verordnung abwarten müssen. Angesichts der Entscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren sei die Sache entscheidungsreif. Der EuGH habe ausdrücklich entschieden, dass die Wirkungen der Verordnung aufrechterhalten blieben, weshalb im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein Anspruch des Klägers auf Ausstellung eines Personalausweises ohne Speicherung von Fingerabdrücken bestehe. Die Frage, ob sich ein solcher Anspruch möglicherweise in der Zukunft infolge einer Änderung der Rechtslage ergeben könnte, sei im vorliegenden Verfahren nicht von Relevanz.
Quelle | VG Wiesbaden, Urteil vom 18.12.2024, 6 K 1563/21.WI, PM 9/24
| Leistungen eines Wohnungseigentümers in die Erhaltungsrücklage einer Wohnungseigentümergemeinschaft (z. B. im Rahmen der monatlichen Hausgeldzahlungen) sind steuerlich im Zeitpunkt der Einzahlung noch nicht abziehbar. Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung liegen erst vor, wenn aus der Rücklage Mittel zur Zahlung von Erhaltungsaufwendungen entnommen werden. Damit hat der Bundesfinanzhof (BFH) die bisherige Sichtweise bestätigt. |
Das war geschehen
Ein Ehepaar vermietete mehrere Eigentumswohnungen. Das an die jeweilige Wohnungseigentümergemeinschaft gezahlte Hausgeld wurde zum Teil der gesetzlich vorgesehenen Erhaltungsrücklage zugeführt. Insoweit erkannte das Finanzamt keine Werbungskosten an. Der Abzug könne erst in dem Jahr erfolgen, in dem die zurückgelegten Mittel für die tatsächlich angefallenen Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum verbraucht würden. Das Finanzgericht (FG) Nürnberg wies die Klage ab – und auch die Revision beim BFH blieb erfolglos.
Hausgeld war zwar erbracht …
Der Werbungskostenabzug erfordert einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Vermietungstätigkeit und den Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Die Eheleute hatten den der Erhaltungsrücklage zugeführten Teil des Hausgelds zwar erbracht und konnten hierauf nicht mehr zurückgreifen, da das Geld ausschließlich der Wohnungseigentümergemeinschaft gehört.
… aber noch nicht verausgabt
Auslösender Moment für die Zahlung war aber nicht die Vermietung, sondern die rechtliche Pflicht jedes Wohnungseigentümers, am Aufbau und an der Aufrechterhaltung einer angemessenen Rücklage für die Erhaltung des Gemeinschaftseigentums mitzuwirken. Ein Zusammenhang zur Vermietung entsteht erst, wenn die Gemeinschaft die angesammelten Mittel für Erhaltungsmaßnahmen verausgabt. Erst dann kommen sie der Immobilie zugute.
Beachten Sie | Durch die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) im Jahr 2020 wurde der Wohnungseigentümergemeinschaft die volle Rechtsfähigkeit zuerkannt. Der Hoffnung, dass die Zahlung in die Erhaltungsrücklage deshalb sofort im Zahlungsjahr abzugsfähig ist, hat der BFH ausdrücklich eine Absage erteilt.
Quelle | BFH, Urteil vom 14.1.2025, IX R 19/24
| Das Gericht darf einen Zuschlag zum Mietspiegel vornehmen, um eine sachgerechte Einzelvergleichsmiete zu bilden. Voraussetzung: Zwischen dem Erhebungsstichtag des Mietspiegels und dem Zeitpunkt, an dem das Zustimmungsverlangen zugestellt wurde, werden außergewöhnliche Steigerungen der ortsüblichen Vergleichsmiete festgestellt. Eine solche liegt aber nicht vor, wenn der Verbraucherpreisindex ansteigt. So sieht es das Landgericht (LG) München. |
Der Vermieter begehrte die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Er wollte u. a. einen sog. Stichtagszuschlag auf die von ihm ermittelte Vergleichsmiete addieren. Der Verbraucherpreisindex habe sich im Zeitraum zwischen Januar 2022 (als dem maßgeblichen Zeitpunkt der Erhebung der Daten für den qualifizierten Mietspiegel 2023) und Juni 2023 (Zugang des Mieterhöhungsverlangens) aufgrund einer ungewöhnlichen Steigerung der Mieten von rund 3% erhöht.
Das LG: Ein Stichtagszuschlag komme nicht in Betracht. Die Mieterhöhung könne nicht auf den qualifizierten Mietspiegel und ergänzend auf einen Anstieg des Verbraucherpreisindex gestützt werden. Ein Anstieg gemäß Index für Nettokaltmieten von nur wenig mehr als 3 % sei nicht außergewöhnlich hoch. Die Einführung einer „Stichtagspraxis“ würde zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen, die die sog. Befriedungsfunktion des Mietspiegels gefährden könne.
Quelle | LG München I, Urteil vom 17.7.2024, 14 S 3692/24
| Hat der Vermieter Ersatzansprüche wegen des Zustands der Mietsache bei Rückgabe, muss er sich bei unwirksamer Schönheitsreparaturklausel die Kosten anrechnen lassen, die er mangels eigener Renovierungsarbeiten erspart hat. So hat es das Amtsgericht (AG) Hanau entschieden. |
Vermieter verlangte Kostenersatz für Tapezier- und Streicharbeiten
Das Mietverhältnis zwischen den Parteien lief über 13 Jahre, der Vertrag enthielt eine Klausel hinsichtlich der durch den Mieter durchzuführenden Schönheitsreparaturen. Nach Wohnungsrückgabe führte der Vermieter Tapezier- und Streicharbeiten durch. Die Kosten verlangte er von dem Mieter ersetzt. Denn dieser habe sie mit bunten Farben (gelb, grün und rosa) zurückgegeben, was eine Weitervermietung nicht ermögliche. Zudem habe es viele nicht verschlossene Dübellöcher gegeben.
Klage abgewiesen
Das AG hat entschieden: Der Vermieter kann Streich- und Tapezierarbeiten in der Wohnung nicht ersetzt verlangen, weil er selbst zur Durchführung der Schönheitsreparaturen verpflichtet war. Es hat die Klage des Vermieters daher abgewiesen.
Worauf es ankommt und worauf nicht
Darauf, ob der Mieter dem Vermieter die Kosten für die Streich- und Tapezierarbeiten erstatten muss, komme es nicht an. Denn der Vermieter hätte während der gesamten Laufzeit des Mietvertrags die Schönheitsreparaturen in der Wohnung durchführen müssen. Die Klausel, nach der der Mieter hierzu verpflichtet wurde, war unwirksam, weil sie zu kurze Fristen setze. Außerdem sollte der Mieter nach einer anderen Klausel die Wohnung auch bei Einzug streichen, was ebenfalls zur Unwirksamkeit der laufenden Renovierungspflicht führe. Daher musste stattdessen, wie auch an sich vom Gesetz vorgesehen, der Vermieter renovieren. Hätte er das getan, wären ihm aber Kosten entstanden. Diese nicht aufgewendeten Kosten müsse er von seinen Schadenersatzansprüchen abziehen.
Für die Bestimmung der ersparten Kosten hat das Gericht auf die Pauschalbeträge nach der Zweiten Berechnungsverordnung (hier: § 28 Abs. 4 II. BerechnungsVO) in der jeweiligen Höhe zurückgegriffen. Auch wenn diese hier keine unmittelbare Anwendung finden, lägen ihnen offiziell anerkannte Durchschnittswerte zugrunde. Bei über 13 Jahren Mietlaufzeit überstiegen sie die von dem Vermieter geltend gemachten Kosten um mehr als das Dreifache.
Quelle | AG Hanau, Urteil vom 29.11.2024, 32 C 265/23, PM vom 16.12.2024
| Ein rechtlich beachtlicher Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses liegt nur vor, wenn sich der Anfechtende in einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses befunden hat, dagegen nicht, wenn lediglich falsche Vorstellungen von dem Wert der einzelnen Nachlassgegenstände vorgelegen haben. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken. |
Erblasserin verstarb ohne Testament
Die Erblasserin ist im Alter von 106 Jahren ohne Testament verstorben. Zuvor lebte sie seit längeren Jahren in einem Seniorenheim. Die Heim- und Pflegekosten wurden aus Mitteln der Kriegsopferfürsorgestelle bestritten. Diese Leistungen wurden als Darlehen gewährt und durch eine Grundschuld an einem Haus der Erblasserin abgesichert. Der Ehemann der Erblasserin, ihre beiden Kinder und auch ein Enkelkind waren bereits vorverstorben. Gesetzliche Erben waren die Enkel und Urenkel der Erblasserin.
Nach dem Tod der Erblasserin hat u. a. die in gesetzlicher Erbfolge zur Erbin berufene Enkelin das Erbe ausgeschlagen und dabei angegeben, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Zwei Urenkel der Erblasserin haben das Erbe dagegen nicht ausgeschlagen. In der Folge wurde das Haus der Erblasserin unter Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Nachlasspflegerin an Dritte verkauft. Nach dem Verkauf des Hauses hat die Enkelin ihre Erklärung zur Erbausschlagung sodann wegen Irrtums angefochten. Danach hat sie die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der u. a. sie als Erbin zu 1/4 Anteil ausweisen sollte.
Das Nachlassgericht hat entschieden, dass der Erbschein wegen der angefochtenen Erbausschlagungserklärung der Enkelin, wie von ihr beantragt, erteilt werden müsse. Gegen diesen Beschluss wendete sich einer der Urenkel, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte, mit seiner Beschwerde.
Erbscheinsantrag war zurückzuweisen
Auf die Beschwerde hat das OLG entschieden: Der Erbscheinsantrag der Enkelin war zurückzuweisen, da der von ihr beantragte Erbschein die eingetretene Erbfolge falsch wiedergebe. Die Enkelin sei keine Erbin geworden, da sie die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und sie die Ausschlagungserklärung wegen Irrtums auch nicht wirksam anfechten könne. Soweit sie ihren Irrtum damit begründet habe, ihr sei erst im Nachhinein bekannt geworden, dass zum Nachlass ein Bankkonto bei der Kreissparkasse K. mit einem vierstelligen Guthaben gehöre, läge zwar ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses vor.
Irrtum nicht ursächlich für Ausschlagung
Dieser Irrtum hätte aber nicht ihre Ausschlagung der Erbschaft veranlasst. Denn selbst, wenn ihr das Konto bei der Kreissparkasse Köln bekannt gewesen wäre, hätte dies mangels wirtschaftlichem Gewicht des dortigen Guthabenbetrags gegenüber den restlichen Nachlasspositionen nichts an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses geändert. Soweit sich die Enkelin darauf berufe, dass sie darüber geirrt habe, dass der Erlös aus dem Verkauf des Hauses der Erblasserin die Verbindlichkeiten aus dem mit der Grundschuld abgesicherten Darlehen für die Heim- und Pflegekosten der Kriegsopferfürsorgestelle übersteige, liege kein Irrtum vor, der zur Anfechtung berechtige. Dieser Irrtum beruhe lediglich auf der falschen Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht über dessen Zusammensetzung.
Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14.8.2024, 8 W 102/23, PM vom 10.12.2024
| Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat entschieden: Erben können vollen Zugriff auf das Instagram-Konto des Erblassers bekommen. Das beinhaltet dessen aktive Nutzungsmöglichkeit. |
Die Ehefrau und alleinige Erbin eines bekannten Sängers hatte geklagt. Hintergrund: Nachdem der Konzern Meta, zu dem die Social-Media-Plattform Instagram gehört, Kenntnis vom Tod des Sängers erlangte, versetzte das Unternehmen den Instagram-Account in den sog. Gedenkzustand. Bemühungen der Ehefrau, vollen Zugriff auf das Konto wiederzuerlangen, waren ergebnislos. Das OLG: Die Frau ist als Erbin in das Vertragsverhältnis ihres Mannes mit Meta im Wege der sog. Gesamtrechtsnachfolge eingetreten. Das habe schon der Bundesgerichtshof (BGH) so entschieden. Danach ist der Anspruch auf Zugang zu einem Social-Media-Konto grundsätzlich vererbbar. Mit der Erbenstellung sei die Ehefrau in sämtliche Rechte und Pflichten des Erblassers eingetreten, was neben einem passiven Anspruch auf (nur) lesende Nutzung auch einen Anspruch auf aktive Nutzung umfasse.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 30.12.2024, 13 U 116/23
| Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat die Klage eines im Nebenerwerb tätigen Landwirts auf Erteilung einer Baugenehmigung für einen bereits errichten „Portalrahmen“ im Außenbereich abgewiesen. |
Landwirt hatte Bauwerk schon errichtet
Der „Portalrahmen“ besteht aus zwei Sandsteinsäulen (je 3,53 Meter hoch), an denen ein schmiedeeisernes doppelflügeliges Einfahrtstor befestigt ist. Auf den Säulen befindet sich jeweils eine Metallskulptur. Die Säulen sind mit zwei Einzelfundamenten im Boden verankert. Das gesamte Bauwerk ist fünf Meter breit. Den Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung lehnte der Landkreis ab. Bei dem „Portalrahmen“ handele es sich nicht um ein im Außenbereich bevorrechtigt zulässiges Vorhaben.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagte der Landwirt und trug hierzu vor, das Vorhaben sei bereits deshalb genehmigungsfrei, weil es seinem landwirtschaftlichen Betrieb diene. Das Tor gewährleiste den Zugang und die Zufahrt zu dem von ihm bewirtschafteten Grundstück. Es füge sich auch optisch in die Umgebung ein.
Klage ohne Erfolg
Das sah das VG anders: Der „Portalrahmen“ sei im Außenbereich nicht bevorrechtigt zulässig, weil er dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers nicht diene. Er sei optisch auffallend und solle offensichtlich die Kunden des Klägers beeindrucken. Ein vernünftiger Landwirt würde unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs kein solches Bauwerk zur Einfriedung errichten. Der Kläger könne sich überdies nicht mit Erfolg darauf berufen, er führe einen „Adelshof“. Eine Bevorzugung aufgrund der Abstammung widerspreche dem allgemeinen Gleichheitssatz. Der „Portalrahmen“ beeinträchtige zudem die natürliche Eigenart der Landschaft. Das Vorhabengrundstück liege in einem Naturpark, dessen landschaftliche Eigenart zu bewahren sei.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 31.10.2024, 4 K 282/24.KO, PM 22/24
| Die Eigentümerin eines Wohnhauses hat ebenso, wie die Eigentümerin eines Baudenkmals, einen Anspruch auf eine denkmalrechtliche Erlaubnis für die Installation von Solaranlagen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster in zwei Grundsatzurteilen zum nordrhein-westfälischen Denkmalrecht entschieden. Es hat darauf verwiesen, dass bei der Errichtung von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden regelmäßig das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien die Belange des Denkmalschutzes überwiegt. |
Eigentümerin eines Einfamilienhauses
Die Eigentümerin eines Einfamilienhauses in einer Siedlung in Düsseldorf, für die eine Denkmalbereichssatzung gilt, möchte auf einer aus dem Straßenraum teilweise einsehbaren Dachfläche ihres Hauses eine Solaranlage errichten. Die Stadt Düsseldorf lehnte es ab, die dafür nach dem Denkmalschutzgesetz NRW erforderliche Erlaubnis zu erteilen. Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf verpflichtete die Stadt auf die Klage der Eigentümerin, die Genehmigung zu erteilen.
Eigentümerin eines Baudenkmals
Demgegenüber bestätigte das VG Arnsberg in dem zweiten Fall die Entscheidung der Stadt Siegen, die der Klägerin eine denkmalrechtliche Erlaubnis für eine Solaranlage auf der weithin sichtbaren Dachfläche versagt hatte. Hierbei geht es um ein Wohngebäude, das als ehemalige Schule als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt Siegen eingetragen ist.
So sah es das Oberverwaltungsgericht
In beiden Fällen waren Solarmodule in einer denkmalschonenden Ausgestaltung gewählt worden. Nach der Entscheidung des OVG können nun beide Denkmaleigentümer die denkmalrechtliche Erlaubnis beanspruchen.
Offentliches Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien versus Denkmalschutz
Das OVG: Das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien überwiegt in beiden Fällen die Belange des Denkmalschutzes. Nach einer im Juli 2022 in Kraft getretenen Regelung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sollen, bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausneutral ist, die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Diese Vorgabe, für die dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz zukommt, beeinflusst auch das nordrhein-westfälische Denkmalschutzrecht. In die – weiterhin erforderliche – Abwägung zwischen den denkmalschutzrechtlichen Belangen und dem Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien sind letztere als regelmäßig vorrangiger Belang einzustellen. Nur, wenn besondere Umstände des Denkmalschutzes der Errichtung von Solaranlagen entgegenstehen, darf die Erteilung der denkmalrechtlichen Erlaubnis ausnahmsweise versagt werden.
Bei der Prüfung, ob solche besonderen Umstände vorliegen, kommt es auf die Gründe an, aus denen die denkmalrechtliche Unterschutzstellung erfolgt ist.
Wohnhaus: keine wesentlichen optischen Nachteile
In dem Düsseldorfer Fall wird durch die beantragte Solaranlage auf der straßenabgewandten Dachfläche nicht in einem Maß in das denkmalwerte einheitliche äußere Erscheinungsbild der Siedlung eingegriffen, dass ausnahmsweise die Erlaubnis zu versagen wäre. Dass die Solaranlage aus dem öffentlichen Straßenraum sichtbar ist, reicht dafür grundsätzlich nicht aus. Hier sind die in die bestehende Dachstruktur eingefügten und in der Farbe angepassten Solarpaneele zudem nur am Rande, in zweiter Reihe und nur in Teilausschnitten wahrnehmbar. Die betroffene Dachfläche liegt auch nicht in einer der von der Satzung geschützten Sichtachsen und beeinträchtigt die rheinseitige Silhouette der Siedlung nicht.
Ehemalige Schule: Erscheinungsbild des Baukörpers nicht wesentlich geändert
Bei der ehemaligen Schule in Siegen werden die denkmalwertbegründenden Eigenschaften des Gebäudes durch die Solaranlage schon nicht beeinträchtigt. Für die Eintragung als Baudenkmal hat zwar der vorhandene Dachreiter, nicht aber die Dachfläche und ihre Gestaltung eine Rolle gespielt. In das geschützte Erscheinungsbild des Baukörpers als Kapellenschule wird durch die Solaranlage nicht eingegriffen. Ein Ausnahmefall, in dem der Denkmalschutz überwiegt, wäre bei dem konkreten Vorhaben selbst dann nicht gegeben, wenn die Schieferdachfläche als auch denkmalwertbegründend angesehen würde.
Quelle | OVG Münster, Urteile vom 27.11.2024, 10 A 2281/23 und 10 A 1477/23, PM vom 27.11.2024
| Will eine Auftraggeberin nicht von einer weiblichen Mitarbeiterin, sondern von einem Mann betreut werden, können schnell Entschädigungsforderungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Raum stehen – so wie in einem Fall des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg. |
Inhaber des Architekturbüros blieb passiv
Im Fall des LAG hatte der Inhaber des Architekturbüros nicht einmal versucht, die Auftraggeberin umzustimmen. Er unternahm auch keinen Versuch, sie von der hohen Qualität seiner Mitarbeiterin zu überzeugen.
Unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nur wenn diese „geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen“ nicht gefruchtet hätten, hätte eine eigene benachteiligende Handlung des Büros ausgeschlossen werden können.
Der Arbeitgeber musste der Mitarbeiterin schließlich 1.500 Euro Schadenersatz zahlen.
Quelle | LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.2024, 10 Sa 13/24
| Eine tarifvertragliche Regelung, die unabhängig von der individuellen Arbeitszeit für Überstundenzuschläge das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten voraussetzt, behandelt teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wegen der Teilzeit schlechter als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte. Sie verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter, wenn die in ihr liegende Ungleichbehandlung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Fehlen solche sachlichen Gründe, liegt regelmäßig zugleich eine gegen Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (hier: § 7 Abs. 1 AGG) verstoßende mittelbare Benachteiligung wegen des (weiblichen) Geschlechts vor, wenn innerhalb der betroffenen Gruppe der Teilzeitbeschäftigten erheblich mehr Frauen als Männer vertreten sind. |
Das war geschehen
Der Beklagte ist ein ambulanter Dialyseanbieter mit mehr als 5.000 Arbeitnehmern. Die Klägerin ist bei ihm als Pflegekraft in Teilzeit im Umfang von 40 v. H. eines Vollzeitbeschäftigten tätig. Auf das Arbeitsverhältnis ist aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme der zwischen dem Beklagten und der Gewerkschaft Verdi geschlossene Manteltarifvertrag (MTV) anzuwenden. Nach § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV sind mit einem Zuschlag von 30 v. H. Überstunden zuschlagspflichtig, die über die monatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden und im jeweiligen Kalendermonat nicht durch Freizeitgewährung ausgeglichen werden können. Alternativ zu einer Auszahlung des Zuschlags ist eine entsprechende Zeitgutschrift im Arbeitszeitkonto vorgesehen. Das Arbeitszeitkonto der Klägerin wies Ende März 2018 ein Arbeitszeitguthaben von 129 Stunden und 24 Minuten aus. Der Beklagte hat der Klägerin für diese Zeiten in Anwendung von § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV weder Überstundenzuschläge gezahlt, noch im Arbeitszeitkonto eine Zeitgutschrift vorgenommen.
Das verlangte die Klägerin
Mit ihrer Klage hat die Klägerin verlangt, ihrem Arbeitszeitkonto als Überstundenzuschläge weitere 38 Stunden und 39 Minuten gutzuschreiben und eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe eines Vierteljahresverdienstes begehrt. Die Anwendung von § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV benachteilige sie wegen ihrer Teilzeit unzulässig gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten. Zugleich werde sie wegen ihres Geschlechts mittelbar benachteiligt, denn der Beklagte beschäftige überwiegend Frauen in Teilzeit.
So sahen es die Vorinstanzen
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift zuerkannt und hinsichtlich der begehrten Entschädigung die Klageabweisung bestätigt.
So entschied das Bundesarbeitsgericht
Die Revision der Klägerin hatte vor dem BAG teilweise Erfolg. Das BAG hat der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift – in Übereinstimmung mit dem LAG – zugesprochen und ihr darüber hinaus eine Entschädigung in Höhe von. 250 Euro zuerkannt. Das OLG musste (aufgrund europarechtlicher Rechtsprechung) davon ausgehen, dass § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV insoweit wegen Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten unwirksam ist, als er bei Teilzeitbeschäftigung keine der Teilzeitquote entsprechende anteilige Absenkung der Grenze für die Gewährung eines Überstundenzuschlags vorsieht.
Bundesarbeitsgericht: Entschädigung zugesprochen
Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung konnte das BAG nicht erkennen. Die sich aus dem Verstoß gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz (hier: § 4 Abs. 1 TzBfG) ergebende Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Überstundenzuschlagsregelung führt zu einem Anspruch der Klägerin auf die eingeklagte weitere Zeitgutschrift. Daneben war ihr eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zuzuerkennen.
Durch die Anwendung der tarifvertraglichen Regelung hat die Klägerin auch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts erfahren. In der Gruppe der beim Beklagten in Teilzeit Beschäftigten, die dem persönlichen Anwendungsbereich des MTV unterfallen, sind zu mehr als 90 Prozent Frauen vertreten.
Als Entschädigung war ein Betrag in Höhe von 250 Euro festzusetzen. Dieser ist erforderlich, aber auch ausreichend, um einerseits den der Klägerin durch die mittelbare Geschlechtsbenachteiligung entstandenen immateriellen Schaden auszugleichen und andererseits gegenüber dem Beklagten die gebotene abschreckende Wirkung zu entfalten.
Quelle | BAG, Urteil vom 5.12.2024, 8 AZR 370/20, PM 34/24
| Strafrechtlich eingezogene Bestechungsgelder führen umsatzsteuerrechtlich dazu, dass die Bemessungsgrundlage der in strafrechtlicher Hinsicht betroffenen Umsätze auf den um die eingezogenen Bestechungsgelder geminderten Betrag zu reduzieren ist. Das hat der Bundesfinanzhof (BFG) entschieden. |
Das war geschehen
Ein Diplom-Ingenieur hatte nachhaltig und ohne Anweisung seines jeweiligen Vorgesetzten bzw. Arbeitgebers für Auftragserteilungen von beauftragten Unternehmen kostenlose Leistungen, überwiegend für den privaten Hausbau, erhalten.
Dafür wurde er wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zusätzlich wurden die Bestechungsgelder auf gerichtliche Anordnung nach dem Strafgesetzbuch (hier: §§ 73 ff. StGB) eingezogen.
Das Finanzamt behandelte die „Schmiergeldzahlungen“ bzw. die Zuwendungen durch die beauftragten Unternehmen als Entgelte für steuerpflichtige Leistungen und unterwarf sie der Umsatzsteuer. Die vom Diplom-Ingenieur geleisteten Zahlungen an die Landesjustizkasse hinsichtlich der eingezogenen Bestechungsgelder minderten nach Ansicht des Finanzamts nicht die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer. Dies sah der BFH anders.
Eingezogene Bestechungsgelder nicht mehr zu versteuern
Zwar sind die Bestechungsgelder – obgleich es sich um illegale Zahlungen handelt – neben den sonstigen, dem Steuerpflichtigen für seine Dienstleistungen gewährten Entgelten umsatzsteuerrelevant. Jedoch mindern die eingezogenen Beträge die steuerliche Bemessungsgrundlage.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist eine Verminderung in diesen Fällen geboten, da ansonsten der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt wäre. Denn es käme zu einer unzulässigen Doppelbelastung des Täters:
- Zum einen würde der durch die strafbare Handlung erlangte wirtschaftliche Vorteil durch die strafrechtliche Einziehung der Bestechungsgelder abgeschöpft.
- Zum anderen würden die Bestechungsgelder im selben Umfang der Umsatzsteuer unterworfen.
Dabei spielt es keine Rolle, dass der strafrechtlich eingezogene Betrag in der Staatskasse verbleibt und nicht an den leistenden Unternehmer zurückgezahlt wird.
Beachten Sie | Auch eines Verweises auf das Billigkeitsverfahren, dessen Zulässigkeit im Umsatzsteuerrecht ohnehin unionsrechtlich zweifelhaft ist, bedarf es nach Ansicht des BFH nicht.
Quelle | BFH, Urteil vom 25.9.2024, XI R 6/23, PM 8/25 vom 20.2.2025
| In einem Streitfall ging es um die Zulässigkeit des Wechsels der Gewinnermittlungsart. Dabei entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass der Steuerpflichtige im Streitjahr die Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nicht mehr erfüllte, weil er durch die Aufstellung des Jahresabschlusses sein Wahlrecht bereits ausgeübt hatte und daran gebunden war. |
Hintergrund: Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (= Bilanzierung) ist der gesetzessystematische Regelfall. Die Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung kommt nur bei Erfüllung der im Gesetz bestimmten Voraussetzungen in Betracht.
Tatsächlich ausgeübte Gewinnermittlungsart maßgeblich
Maßgeblich für die Ausübung des Wahlrechts der Gewinnermittlungsart ist die tatsächliche Handhabung der Gewinnermittlung. Ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger hat sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich wirksam ausgeübt, wenn er eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine kaufmännische Buchführung einrichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht.
Die Einnahmen-Überschuss-Rechnung bzw. der Betriebsvermögensvergleich ist in dem Zeitpunkt erstellt, in dem der Steuerpflichtige sie bzw. ihn fertiggestellt hat und objektiv erkennbar als endgültig ansieht. Beweisanzeichen dafür kann sein, dass er die Gewinnermittlung durch Übersendung an das Finanzamt in den Rechtsverkehr begibt. Nach der Erstellung des Jahresabschlusses kommt die Wahl der Einnahmen-Überschuss-Rechnung somit grundsätzlich nicht mehr in Betracht.
Einmal getroffene Wahl nur in Ausnahmefällen änderbar
Die einmal getroffene Wahl der Gewinnermittlungsart ist grundsätzlich nachträglich nicht mehr änderbar. In Ausnahmefällen hat die Rechtsprechung jedoch einen solchen Wechsel zugelassen und dabei an die Grundsätze angeknüpft, die für den Wechsel der Gewinnermittlungsart in aufeinanderfolgenden Jahren gelten.
Beachten Sie | Im Streitfall war dem Steuerpflichtigen die Änderung der Wahlrechtsausübung jedoch nicht mehr möglich. Denn er hatte keinen vernünftigen wirtschaftlichen Grund dargelegt, der es rechtfertigen könnte, die gewählte Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich für dasselbe Jahr wieder zu ändern.
Allein der Umstand, dass er durch den Wechsel zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung eine Gewinnerhöhung infolge der Außenprüfung „glätten“ wollte, reicht hierfür nicht aus. Denn damit haben sich nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse geändert. Der Steuerpflichtige war vielmehr einem Irrtum über die steuerlichen Folgen der gewählten Gewinnermittlungsart unterlegen, der die Änderungsmöglichkeit nicht eröffnet.
Quelle | BFH, Urteil vom 27.11.2024, X R 1/23
| Eine gegen die auszahlende Bank gerichtete Schadenersatzklage eines 84-jährigen Mannes, der infolge eines Trickbetrugs 83.000 Euro an Unbekannte gezahlt hatte, blieb erfolglos. Warn- und Hinweispflichten der Geldinstitute bestehen nur bei einem massiven Verdacht auf eine Vermögensgefährdung des Kunden. Eine solche vorwerfbare Pflichtverletzung konnte das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth in einem bemerkenswerten Fall nicht feststellen. |
Hätte Bank Geld nicht auszahlen dürfen?
Der Kläger hatte am Schalter in einer Bankfiliale in Nürnberg innerhalb von 1 ½ Stunden zweimal Bargeld von seinem Konto abgehoben, insgesamt 83.000 Euro. Er begründete seine Schadenersatzklage gegen die Bank damit, dass diese durch Auszahlung des Geldes trotz offenkundiger Anhaltspunkte für einen Enkeltrick-Betrug gegen ihre vertraglichen Schutz- und Warnpflichten verstoßen habe. Die Bank hatte im Zivilprozess vorgebracht, dass ihre Mitarbeiter bezüglich des sog. Enkeltricks geschult seien und den Kläger entsprechend angesprochen hätten, der ruhig gewirkt und plausible Erklärungen abgegeben habe.
Kein massiver Verdacht
Das LG hat die Klage in erster Instanz abgewiesen. Es führte aus: Eine Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank ist nur ausnahmsweise bei Vorliegen objektiver massiver Verdachtsmomente anzunehmen. Einen massiven Verdacht auf einen drohenden Schaden beim Kläger konnte das LG hier aber nicht feststellen.
Es war nach Einvernahme der Bankangestellten als Zeugin davon überzeugt, dass der Kläger sachlich, ruhig und unauffällig in der Bank auftrat. Weder aus dem Alter des Klägers und der Höhe des Bargeldbetrags noch aus dem Umstand, dass erst eine Übertragung von dem Sparkonto auf das Girokonto erfolgte, drängte sich der Verdacht einer Straftat auf. Bei beiden Barabhebungen hatte die Bankangestellte beim Kläger mehrfach nachfragt, ob ihm der sogenannte Enkeltrick bekannt sei, was dieser bejahte und damit entkräftete, dass er direkt mit seiner Enkeltochter gesprochen habe. Eine weitere Nachfragepflicht war von den Mitarbeitern der Bank nicht zu verlangen, so das LG.
Oberlandesgericht bestätigt Landgericht
Gegen das klageabweisende Urteil des LG hatte der Kläger Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg eingelegt. Auch das OLG verneinte eine Verletzung von Warn- und Hinweispflichten der Beklagten, gerade, nachdem die Möglichkeit eines Enkeltricks von der Bankangestellten angesprochen worden war. Die Bank ist vertraglich zur Auszahlung des Kontoguthabens verpflichtet und der Kunde hat über die Verwendung der ihm zustehenden Beträge keine Rechenschaft abzulegen, führte das OLG ergänzend aus.
Auf den Hinweis des OLG zur Erfolgslosigkeit der Berufung hat der Kläger sein Rechtsmittel zurückgenommen. Das Urteil des LG ist damit rechtskräftig.
Die Strafbarkeit der Trickbetrüger und etwaige zivilrechtliche Ansprüche gegen diese Personen waren nicht Gegenstand des Verfahrens.
Quelle | LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 22.7.2022, 10 O 1384/22; OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 18.11.2024, 14 U 2275/22, PM 5/25
| Aufwendungen für Krankheitskosten sind nur als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn gewisse Nachweiserfordernisse erfüllt sind. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat dargelegt, wie der Nachweis ab dem Veranlagungszeitraum 2024 zu führen ist. |
Hintergrund: Krankheitskosten können als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sein.
Ein besonderes Augenmerk muss dabei auf den Nachweis der Zwangsläufigkeit gelegt werden:
- Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel genügt es, wenn der Steuerpflichtige eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers vorlegt. Dies regelt § 64 Abs. 1 Nr. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV).
- Bei bestimmten Krankheitskosten ist indes ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erforderlich. Ein solcher qualifizierter Nachweis ist z. B. bei Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, z. B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, erforderlich (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV).
Sind Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungeinzustufen, wartet die Hürde der zumutbaren Belastung, deren Höhe von folgendenFaktoren abhängt:
- Gesamtbetrag der Einkünfte
- Familienstand und
- Zahl der Kinder.
Erläuterungen des Bundesfinanzministeriums
Der Nachweis der Zwangsläufigkeit nach der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (hier: § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV) ist bei einem eingelösten E-Rezept durch den Kassenbeleg der Apotheke bzw. durch die Rechnung der Online-Apotheke oder bei Versicherten mit einer privaten Krankenversicherung alternativ durch den Kostenbeleg der Apotheke zu erbringen.
Der Kassenbeleg (alternativ: die Rechnung der Online-Apotheke) muss folgende Angaben enthalten:
- Name der steuerpflichtigen Person,
- Art der Leistung (zum Beispiel Name des Arzneimittels),
- Betrag bzw. Zuzahlungsbetrag,
- Art des Rezeptes.
Beachten Sie | Zumindest für den Veranlagungszeitraum 2024 wird es vom BMF nicht beanstandet, wenn der Name der steuerpflichtigen Person nicht auf dem Kassenbeleg vermerkt ist.
Quelle | BMF-Schreiben vom 26.11.2024, IV C 3 - S2284/20/10002 :005
| Nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 6 Abs. 1 Nr. 1 a desEStG) werden Aufwendungen in Herstellungskosten umqualifiziert, wenn innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung des Gebäudes Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden, deren Nettoaufwendungen 15 % der Gebäude-Anschaffungskosten übersteigen. Die Aufwendungen sind dann nicht sofort, sondern nur über die Gebäude-Abschreibung abzugsfähig. Bei einer Eigentumswohnung sind zwei Besonderheiten zu beachten, worauf das Finanzgericht (FG) Hessen hingewiesen hat. |
Hintergrund: Maßgebend sind die Anschaffungskosten und Anschaffungsnebenkosten der angeschafften Wohnung und nicht der Wert des Gesamtgebäudes. Bei Teil- und Wohnungseigentum ist danach die einzelne Einheit und nicht das Gesamtgebäude relevant.
Abzustellen ist auf die innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung der Wohnung angefallenen Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen des vermietenden Eigentümers einschließlich seiner anteiligen Aufwendungen für Arbeiten an den im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudeteilen.
Beispiel
A erwirbt mit Wirkung zum 1.11.2023 eine Eigentumswohnung. Die Anschaffungskosten betragen insgesamt 300.000 Euro. Der Grund- und Bodenanteil beträgt 10 % = 30.000 Euro. Die Eigentumswohnung wird nach der Sanierung vermietet.
Anfang 2024 lässt A die sanitären Anlagen (Badezimmer, Gästetoilette) für 29.750 Euro erneuern und neue Türen einbauen (11.900 Euro). Zudem beteiligt er sich an der Dachsanierung (14.280 Euro). Die gesamten Aufwendungen (55.930 Euro) macht er in 2024 als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen geltend.
Lösung: Die Nettoaufwendungen ohne Umsatzsteuer (25.000 Euro + 10.000 Euro + 12.000 Euro = 47.000 Euro) überschreiten die 15 %-Grenze von 40.500 Euro (15 % von 270.000 Euro). Somit stellen die Aufwendungen insgesamt anschaffungsnahe Aufwendungen dar. Sie sind also nicht sofort im Jahr der Zahlung als Werbungskosten abzugsfähig, sondern erhöhen die Bemessungsgrundlage für die Gebäudeabschreibung von 270.000 Euro um 55.930 Euro auf 325.930 Euro. Dies gilt auch für die Kostenbeteiligung an der Dachsanierung, die als Aufwendungen für das Gemeinschaftseigentum ebenfalls im Rahmen der Ermittlung des insgesamt entstandenen Sanierungsaufwands mit einzubeziehen sind.
Aufwendungen für Sonder- und Gemeinschaftseigentum nicht aufzuteilen
Nach Ansicht des FG Hessen dürfen die auf das im Gemeinschaftseigentum stehenden Bestandteile des Gesamtgebäudes entfallenden Aufwendungen nicht unberücksichtigt bleiben. Dies würde auch dem (mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG verfolgten) Vereinfachungszweck widersprechen, weil sich Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen regelmäßig zugleich auf das Sondereigentum als auch auf Bereiche des Gemeinschaftseigentums beziehen. Eine Aufteilung von hierfür einheitlich getragenen Aufwendungen wäre oft nur unter größten Schwierigkeiten möglich.
Beachten Sie | Gegen die nicht zugelassene Revision wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Quelle | FG Hessen, Urteil vom 18.6.2024, 4 K 1736/19, NZB BFH, IX B 86/24
| Aufwendungen für die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio sind grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) auch, wenn die Teilnahme an einem dort angebotenen, ärztlich verordneten Funktionstraining die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio voraussetzt. |
Hintergrund: Außergewöhnliche Belastungen wirken sich steuerlich nur aus, soweit die zumutbare Eigenbelastung überschritten wird. Deren Höhe hängt vom Gesamtbetrag der Einkünfte, Familienstand und von der Zahl der Kinder ab.
Das war geschehen
Der Steuerpflichtigen wurde ein Funktionstraining in Form von Wassergymnastik ärztlich verordnet. Sie entschied sich für das Training bei einem Reha-Verein, der die Kurse in einem für sie verkehrsgünstig gelegenen Fitnessstudio abhielt. Voraussetzung für die Kursteilnahme war neben dem Kostenbeitrag für das Funktionstraining und der Mitgliedschaft im Reha-Verein auch die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio. Letztere berechtigte die Steuerpflichtige aber auch zur Nutzung des Schwimmbads und der Sauna sowie zur Teilnahme an weiteren Kursen.
Die Krankenkasse erstattete nur die Kursgebühren für das Funktionstraining. Als Krankheitskosten und damit als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigte das Finanzamt nur die Mitgliedsbeiträge für den Reha-Verein.
Alle Instanzen sind sich einig
Einen Abzug der Mitgliedsbeiträge für das Fitnessstudio als außergewöhnliche Belastung lehnten das Finanzamt, das Finanzgericht (FG) Niedersachsen und auch der BFH ab.
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio: frei gewähltes Konsumverhalten
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio zählen grundsätzlich nicht zu den als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennenden zwangsläufig entstandenen Krankheitskosten. Denn das mit der Mitgliedschaft einhergehende Leistungsangebot wird auch von gesunden Menschen beansprucht, z. B., um die Gesundheit zu erhalten und die Freizeit sinnvoll zu gestalten.
Die Mitgliedsbeiträge sind der Steuerpflichtigen auch nicht deshalb zwangsläufig erwachsen, weil sie dem Fitnessstudio als Mitglied beitreten musste, um an dem ärztlich verordneten Funktionstraining teilnehmenzu können.
Die Entscheidung, das Funktionstraining in dem Fitnessstudio zu absolvieren, ist in erster Linie Folge eines frei gewählten Konsumverhaltens, das nach Ansicht des BFH eine steuererhebliche Zwangsläufigkeit nicht begründen kann.
Zudem steht dem Abzug der Mitgliedsbeiträge entgegen, dass die Steuerpflichtige hierdurch die Möglichkeit erhielt, auch weitere Leistungsangebote (jenseits des medizinisch indizierten Funktionstrainings) zu nutzen. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerpflichtige (wie von ihr vorgetragen) hiervon keinen Gebrauch gemacht hat.
Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 1/23
| Auch wenn noch unklar ist, ob die Ansprüche wegen der Reparaturkosten dem Leasinggeber oder dem Leasingnehmer zustehen, ergibt sich dessen schützenswertes Interesse an einer Feststellungsklage aus dem zu erwartenden Ausfallschaden während der Reparatur. So entschied es das Landgericht (LG) Halle. Denn das Gutachten weise vier Arbeitstage für die Reparatur aus. |
Haftung dem Grunde nach sollte geklärt werden
Wegen des streitigen Unfallhergangs wollte der Leasingnehmer zunächst die Haftung dem Grunde nach klären. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung reicht es für das Feststellungsinteresse aus, wenn sich in der Zukunft Schäden ergeben können.
Keine Leistungsklage erforderlich
Soweit Nutzungsausfall streitig ist, müsse ein Geschädigter bei einer noch nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung die Klage nicht zu einer Leistungsklage wegen der bereits entstandenen Schäden und einer Feststellungsklage wegen zukünftiger Schäden aufteilen.
Quelle | LG Halle, Urteilvom 10.10.2024, 4 O 224/24
| Aktuell sind betrügerische E-Mails im Umlauf, die vorgeben, vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu stammen. Die Empfänger werden darüber informiert, dass ihnen angeblich ein Bescheid zugesandt wurde und aufgefordert, eine offene Steuerschuld zu begleichen. Hierfür soll ein Link geöffnet werden, um weitere Informationen zu erhalten. |
Sollten Steuerpflichtige eine solche E-Mail erhalten haben, empfiehlt das BZSt in einer Mitteilung vom 26.2.2025, den Link nicht zu öffnen und die verdächtige E-Mail unverzüglich zu löschen. Weitere Informationen – u. a. die maßgeblichen Textbausteine – sind unter www.iww.de/s12547 aufgeführt.
| Wird ein erkranktes Tier von Dritten zum Tierarzt gebracht, haftet der Tierhalter für die Kosten der Notbehandlung. So sieht es das Amtsgericht (AG) München. |
Halterin nicht über Eingriff informiert
Die Beklagte ist Tierhalterin eines Katers mit den Namen Rocky. Rocky war im Mai 2022 für einige Tage abwesend und kam nicht nach Hause. Am 16.5.2022 fand eine unbekannte Person den Kater in einem bewusstlosen Zustand auf und alarmierte eine Münchener Tierrettung, die den Kater als Notfall in eine Münchener Tierklinik einlieferte. Dort wurde Rocky als Notfall tierärztlich behandelt. Da der Kater in ein Haustierzentralregister eingetragen war, konnte die Halterin des Katers verständigt werden. Diese holte Rocky am nächsten Tag ab. Durch die Behandlung waren Kosten in Höhe von 565,31 Euro entstanden, deren Übernahme die Beklagte jedoch ablehnte, da sie nicht zuvor informiert worden sei und sie Rocky zu seinem üblichen Tierarzt hätte bringen wollen.
Klage auf Zahlung der Rechnung
Die Tierklinik trat ihre Forderung an ein Abrechnungsbüro ab, das die Beklagte vor dem AG auf Zahlung der Rechnung verklagte. Das AG gab der Klage statt und verurteilte die Halterin zur Zahlung. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Forderung wirksam an die Klägerin abgetreten war, dass die Behandlung, wie behauptet, stattfand und die Kosten auch angemessen waren.
„Fremdes Geschäft“ besorgt
Zur Kostentragungspflicht der Beklagten führte es aus, dass die Tierklinik durch die Behandlung des Katers der Beklagten ein sogenanntes „fremdes Geschäft“ besorgt hat. Es handele sich bei der tierärztlichen Versorgung um ein fremdes Geschäft, da das Tier zwar auch aus eigener tierärztlicher Verpflichtung behandelt wurde, die Übernahme der Behandlung ihrer äußeren Erscheinung nach aber auch der Beklagten als Tierhalterin zugute kam. Denn die Behandlung ihres kranken Tieres ist bereits der äußeren Erscheinung nach dem Rechts- und Interessenkreis der Beklagten zuzuordnen.
Auch der Vortrag der Beklagten, sie hätte rechtzeitig über die Einlieferung des Katers informiert werden müssen, verfängt laut AG nicht. Soweit hiermit auf eine sog. „Nebenpflichtverletzung“ abgestellt werden soll, stehe dem entgegen, dass die Behandlungen des Katers nach den Zeugenaussagen, in Übereinstimmung mit der Behandlungsdokumentation, als Notfallmaßnahmen erfolgt seien.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | AG München, Urteil vom 30.8.2024, 161 C 16714/22, PM 36/24
| Wer als Schüler über Monate den Datenbestand seiner Schule ausspioniert und verändert, darf in eine andere Schule überwiesen werden. Diese Schulordnungsmaßnahme hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren gebilligt. |
Schüler drang widerrechtlich in Schul-IT ein
Der Antragsteller besuchte bislang das 3. Kurshalbjahr der gymnasialen Oberstufe eines Berliner Gymnasiums. Zusammen mit zwei Mitschülern hatte er im letzten Schuljahr zunächst einen schulischen Rechner so präpariert, dass das nächste eingegebene Passwort protokolliert wurde. So erlangte das Trio das Administratorpasswort, um im Anschluss einen sog. „Keylogger“ zu installieren, der das Protokollieren aller eingegebenen Passwörter ermöglichte. Hierdurch konnten sie interne Informationen im geschützten Lehrerkanal mitlesen und organisatorische Daten der Schulleitung abrufen. Daraufhin beschloss die Schulaufsicht nach Anhörung der Schulkonferenz, den Antragsteller in eine andere Schule desselben Bildungsgangs zu überweisen.
Schwerste Ordnungsmaßnahme verhängt
Der hiergegen gerichtete Eilantrag hatte keinen Erfolg. Das VG hat die Entscheidung als für einen schulpflichtigen Schüler schwerste Ordnungsmaßnahme des Berliner Schulgesetzes gebilligt. Nach diesem Gesetz könnten Ordnungsmaßnahmen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit getroffen werden, wenn ein Schüler die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit beeinträchtigte oder andere am Schulleben Beteiligte gefährde, soweit Erziehungsmaßnahmen nicht zu einer Konfliktlösung geführt haben oder keine Aussicht auf Erfolg versprächen.
Diesen Vorgaben entspreche die getroffene Ordnungsmaßnahme, die sich im Rahmen des der Schule zustehenden pädagogischen Beurteilungsspielraums halte. Nach diesem Maßstab sei die Entscheidung nicht zu beanstanden. Das Vorgehen des Antragstellers stelle sich als schweres Fehlverhalten dar. Ein über Monate dauerndes Ausspionieren des Datenbestands der Schule beeinträchtige die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit. Der Antragsteller sei mit krimineller Energie vorgegangen, weshalb das schulische Vertrauen in die Integrität des Antragstellers nachhaltig und irreparabel zerstört worden sei. Angesichts der Schwere des Fehlverhaltens des Antragstellers mit einer mehrere Monate währenden Verletzung der Datenschutzbelange und der Privatsphäre von Lehrkräften und der Schülerschaft habe die Schule den Schulwechsel nicht – wie das Gesetz dies im Regelfall vorschreibe – zuvor schriftlich androhen müssen.
Die Maßnahme, so das VG, sei auch unter Würdigung des Umstands verhältnismäßig, dass der Antragsteller sich in seinem letzten Schuljahr vor dem Abitur befinde und die ersten Abiturprüfungen bereits in wenigen Monaten anstehen, weil er sich gegenüber den Vorwürfen völlig uneinsichtig gezeigt habe.
Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 13.11.2024, VG 3 L 610.24, PM 30/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über die Rückzahlung von Bankentgelten entschieden, die aufgrund einer unwirksamen Zustimmungsfiktionsklausel vereinbart werden sollten. Sein Urteil ist verbraucherfreundlich. |
Das war geschehen
Der Kläger begehrt Rückzahlung von geleisteten Kontoführungsentgelten und Gebühren für eine Girokarte. Nach einer in den AGB der beklagten Sparkasse enthaltenen unwirksamen Regelung gilt die Zustimmung des Kunden zu angebotenen Änderungen von Vertragsbedingungen oder Entgelten für Bankleistungen als erteilt, wenn der Kunde der Beklagten seine Ablehnung nicht innerhalb einer bestimmten Frist anzeigt (Zustimmungsfiktionsklausel).
Die beklagte Sparkasse informierte den Kläger im Oktober 2017 darüber, dass für dessen zwei Girokonten ab dem 1.1.2018 Kontoführungsentgelte und Gebühren für eine Girokarte zu zahlen seien. Daraufhin kündigte der Kläger eines der Girokonten. Die Beklagte erhob ab dem 1.1.2018 eine Grundgebühr für die Führung des anderen Girokontos in Höhe von monatlich 3,50 Euro und eine Gebühr für eine SparkassenCard in Höhe von jährlich 6 Euro. Der Kläger stimmte diesen Änderungen der Bedingungen nicht aktiv zu. Die Beklagte buchte die Entgelte in der Folgezeit vom Konto des Klägers ab. Im Juli 2021 widersprach dieser der Erhebung der Entgelte. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung der in den Jahren 2018 bis 2021 erhobenen Entgelte in Höhe von insgesamt 192 Euro sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger jeden weiteren künftigen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Einziehung nicht vereinbarter Bankentgelte nach dem Jahr 2021 entstehe.
Das Amtsgericht (AG) und das Landgericht (LG) haben die Klage abgewiesen.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 192 Euro zu zahlen. Der Kläger erhält die Kontoführungsentgelte und das Entgelt für die Girokarte zurück.
Der Kläger hat einen Rückzahlungsanspruch, weil die Beklagte die Entgelte ohne Rechtsgrund vereinnahmt hat. Er hat der von der Beklagten beabsichtigten Änderung der Entgeltbedingungen nicht bloß durch die fortgesetzte Nutzung des Girokontos zugestimmt. Die fortlaufende Nutzung eines Girokontos hat keinen objektiven Erklärungswert dahin, dass der Wille des Kontoinhabers neben dem Willen, einen konkreten Kontovorgang auszulösen, auch die Zustimmung zu geänderten Kontobedingungen der Sparkasse oder Bank umfasst. Der Zugang zu einem Girokonto ist in der Regel eine unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme am unbaren Zahlungsverkehr und von essenzieller Bedeutung für die uneingeschränkte Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben. Die Nutzung des Girokontos allein ist deshalb kein Ausdruck des Einverständnisses mit der Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Sparkasse oder Bank, sondern entspricht lediglich den Erfordernissen und Gewohnheiten des modernen Geschäfts- und Wirtschaftsverkehrs im Alltag.
Die von der Beklagten erhobenen Entgelte sind auch nicht durch eine Fiktion der Zustimmung des Klägers zu den geänderten Kontobedingungen entstanden. Eine Klausel in den Geschäftsbedingungen von Banken und Sparkassen, die eine solche Fiktion vorsieht, ist im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam.
Auch der Umstand, dass der Kläger die von der Beklagten erhobenen Entgelte über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren widerspruchslos gezahlt hat, führt nicht dazu, dass die Sparkasse die Entgelte behalten darf, so der BGH.
Quelle | BGH, Urteil vom 19.11.2024, XI ZR 139/23, PM 219/24
| Eine im Wohnraummietvertrag vereinbarte Indexklausel, die ausschließlich eine Erhöhungsmöglichkeit vorsieht, kann nach Ansicht des Landgerichts (LG) Berlin II weder individual- noch formularvertraglich vereinbart werden. |
Nachteilsverbot beachten
Den Mietvertragsparteien sei nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 557 b Abs. 1 BGB) die Vereinbarung einer näher definierten Indexmiete gestattet, allerdings nicht in Gestalt einer „upwards only“-Klausel. Das Verbot einer den Vermieter begünstigenden Einseitigkeitsklausel (sog. Nachteilsverbot) ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut. Der Gesetzgeber habe sich aber von einem entsprechenden Motiv leiten lassen, also bei fallendem Index müsse eine entsprechende Mietabsenkungsmöglichkeit eröffnet sein.
Vermieterseitige Allgemeine Geschäftsbedingung
Im Streitfall ergab sich bereits aus der Erscheinungsform des Textes und seinem Regelungsinhalt, dass es sich um von der Vermieterseite gestellte AGB handelte. In Anwendung der Unklarheitenregelung in § 305 c Abs. 2 BGB war die Vertragsbedingung als eine den Mieter unangemessen benachteiligende Einseitigkeitsklausel zu werten. Aber auch eine „im Einzelnen ausgehandelte “Individualvereinbarung sei angesichts des o. g. Nachteilsverbots unzulässig, so das LG.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 20.6.2024, 67 S 83/24
| Ein Mieter einer Dachgeschosswohnung entsorgte über sein Fenster Essensreste in eine Dachrinne. Das Amtsgericht (AG) Hannover hat entschieden: Der Mieter muss seine Wohnung räumen. |
Dachrinne durch Müll verstopft
Über sein Wohnungsfenster entsorgte der Mieter u. a. Nudeln, Fleisch, Gewürzgurken und Knochen. Die entsorgten Essensreste landeten in der Dachrinne und verstopften diese. Der Säuregehalt der Essenreste beschädigte die Dachrinne.
Vermieter kündigte zweimal
Die Vermieterin mahnte zunächst ab. Danach kündigte sie gegenüber dem rechtlichen Betreuer des Mieters fristlos und ordentlich.
Zudem installierte der Mieter durch einen mit einem Gitter geschützten Schacht im Bordstein eine Stromleitung für sein Mofa. Die Vermieterin kündigte daraufhin erneut.
Mietvertragliche Pflichten erheblich verletzt
Das AG überzeugte sich vor Ort, dass die Essensreste nur vom Mieter stammen können. Das Dachfenster befindet sich nur einen Meter von der Dachrinne entfernt. Andere Fenster oder Zugänge sind nicht in erreichbarer Nähe. Die Dachrinne war nur an der Stelle der gelagerten Essensreste beschädigt. Insoweit hat der Mieter durch die wiederholte Entsorgung von Essensresten über sein Wohnungsfenster die Mietsache beschädigt und damit seine mietvertraglichen Pflichten erheblich schuldhaft verletzt, sodass der Kündigungsausspruch nach gerichtlicher Überzeugung auch von einem Kündigungsgrund getragen war. Das AG gewährte dem Mieter über die noch andauernde Kündigungsfrist zum Auszug von sechs Wochen eine darüber hinausgehende Räumungsfrist von dreieinhalb Monaten.
Ein Antrag auf Räumungsschutz wurde mittlerweile zurückgewiesen.
Quelle | AG Hannover, Urteil vom 11.1.2024, 510 C 5216/23, PM vom 29.10.2024
| Das Oberlandesgericht (OLG) München hat jetzt entschieden: Ein handschriftliches Testament ist formunwirksam, wenn der Bedachte durch einen maschinenschriftlichen Adressaufkleber benannt werden soll. |
Ungewöhnliche Gestaltung einer vermeintlichen letztwilligen Verfügung
Neben den letzten beiden Zeilen in der rechten unteren Ecke eines Briefumschlags, auf dem eine letztwillige Verfügung stehen soll, befindet sich ein Adressaufkleber des Beschwerdeführers, der einen Alleinerbschein beantragt hat. Zwischen den Wörtern „Rest dir“ und dem Adressaufkleber befindet sich ein Pfeil, der auf den Namen des Beschwerdeführers weist. Die (vermeintliche) Unterschrift der Erblasserin befindet sich oberhalb dieses Adressaufklebers neben dem Wort „Schultertuch“.
Oberlandesgericht erkennt das Schriftstück mangels Schriftform nicht an
Das Schriftstück stelle schon keine wirksame Verfügung von Todes wegen dar, weil es nicht durchgängig handschriftlich verfasst wurde. Bei dem auf dem Schriftstück angebrachten Pfeil handele es sich um ein Symbol und damit nicht um Schrift. Hinsichtlich des Pfeils ist eine Überprüfung der Urheberschaft von vornherein ausgeschlossen.
Auch der Adressaufkleber, auf dem sich Name und Anschrift des Beschwerdeführers befinden, wahre nicht die vom Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehene Form (hier: § 2247 Abs. 1 BGB).
Quelle | OLG München, Urteil vom 23.7.2024, 33 Wx 329/23
| Ein Schwiegersohn ist zur Rückzahlung eines sechsstelligen Darlehens an seine Schwiegereltern verpflichtet. So entschied es das Landgericht (LG) Frankfurt am Main. Es hat dabei klargestellt, dass ein im familiären Umfeld überlassener größerer Geldbetrag im konkreten Fall keine reine Gefälligkeit darstellt und ein Rechtsanspruch auf Rückzahlung besteht. |
Schwiegersohn benötigte Geld und bekam es von den Schwiegereltern
Der später beklagte Schwiegersohn benötigte Geld, um ein geerbtes Wohnhaus erhalten zu können. Seine Bank hatte ihm bereits einen Kredit gekündigt. Um ihn zu unterstützen, nahmen seine Schwiegereltern ihrerseits ein Darlehen in Höhe von 250.000 Euro auf und lösten damit die Restschuld des Schwiegersohns aus dessen Kredit ab. Man war sich darüber einig, dass der Schwiegersohn Zinsen und Tilgung tragen sollte. So geschah es auch über mehrere Jahre hinweg.
Ehe wurde geschieden
Zwischenzeitlich wurde die Ehe des Schwiegersohns mit der Tochter der Schwiegereltern jedoch geschieden. Der Schwiegersohn stellte einige Zeit später seine Zahlungen mit der Begründung ein, er könne die finanzielle Belastung wegen der Unterhaltszahlungen an seine Exfrau nicht mehr tragen. Die ehemaligen Schwiegereltern verlangten von ihm jedoch die Zahlung des noch offenen Darlehensbetrags von rund 190.000 Euro.
Landgericht: kein freiwilliges Vermögensopfer der Schwiegereltern
Das LG gab der Klage der Schwiegermutter statt. Es folgte nicht der Argumentation des Schwiegersohns, die finanzielle Unterstützung durch seine ehemaligen Schwiegereltern sei ein freiwilliges Vermögensopfer, denn sie sei im familiären Raum wegen der schwierigen Lage der jungen Eheleute erfolgt.
Das LG stellte in seinem Urteil vielmehr fest, dass die Schwiegereltern und der Schwiegersohn ihrerseits mündlich einen Darlehensvertrag geschlossen hatten. Das Gericht führte aus: „Ob ein Vertrag geschlossen wurde, hängt maßgeblich vom Rechtsbindungswillen der Parteien ab. Bei einem sog. reinen Gefälligkeitsverhältnis fehlt der Rechtsbindungswille.“ Und weiter: „Die Parteien handeln bei einem Gefälligkeitsverhältnis (…) ausschließlich aus gesellschaftlicher Gefälligkeit, also aus Freundschaft, Kollegialität, Nachbarschaft oder sonstigem Altruismus.“
Zwar seien die Abreden hier im engen Familienkreis erfolgt, was für eine reine Gefälligkeit sprechen könne. Allerdings handelte es sich nach Ansicht des LG bei der Gewährung eines derart hohen Betrags keinesfalls um eine Gefälligkeit des täglichen Lebens. Auch die Interessenlage spreche für einen Rechtsbindungswillen. Denn das Risiko der Klägerin und ihres Ehemanns sei ganz erheblich gewesen.
Für den Schwiegersohn habe zudem die Gefahr bestanden, ohne die Gewährung des Geldbetrags sein Haus und damit sein Heim zu verlieren. Hinzu komme, dass der Beklagte selbst eingeräumt habe, dass die Parteien eine Schenkung des Geldes nicht gewollt hätten. Nachdem die Schwiegereltern den mündlich mit ihrem ehemaligen Schwiegersohn geschlossenen rechtsverbindlichen Darlehensvertrag gekündigt hatten, stünde ihnen ein Rückzahlungsanspruch zu.
Quelle | LG Frankfurt, Urteil vom 28.11.2024, 2-23 O 701/23, PM vom 19.12.2024
| Die Kündigung eines nach dem 31.12.2017 geschlossenen Architektenvertrags bedarf der Schriftform. Das regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (hier: §§ 650 q, 650 h BGB). Eine formwidrige Kündigung ist allerdings folgenlos, wenn die andere Partei die Kündigung hinnimmt. Es ist dann in der Regel eine stillschweigende Vertragsaufhebung anzunehmen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt klargestellt. |
Das OLG sagt aber auch: Ruft der Auftraggeber über einen längeren Zeitraum keine weiteren Planungs- und Beratungsleistungen beim Auftragnehmer ab, kann darin keine Kündigung gesehen werden.
Quelle | OLG Frankfurt, Urteil vom 11.5.2023, 22 U 19/22, rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde, BGH, Beschluss vom 15.5.2024, VII ZR 118/23
| Kann das Honorar für Planungsaufträge für Baumaßnahmen und Anlagen, die in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) nicht beschrieben sind, frei vereinbart werden? Gilt die HOAI dann nicht? Antworten hierzu lieferte jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg. |
Das war geschehen
Ein Ententeich sollte von einem stehenden Gewässer zu einer wasserwirtschaftlichen Anlage umgewidmet werden. Der bereits im Verlauf eines Trennsystems genutzte Teich sollte als künftiger Retentionsraum genutzt werden. Die Parteien stritten über die Berücksichtigung eines Umbauzuschlags. Der Auftraggeber meinte, dass ein Objekt i. S. d. HOAI 2013 vorhanden sein müsse, andernfalls sei ein Umbau nicht möglich. Hier läge jedoch kein solches „Objekt“ vor. Daher sei ein Umbauzuschlag ausgeschlossen. Daran ändere auch nichts, dass der Teich durch Menschenhand geschaffen worden sei.
So sah es das Oberlandesgericht
„Objekt“ oder nicht „Objekt“ – das war hier die Frage. Das OLG stützte sich zur Beantwortung auf ein Gerichtsgutachten. Der Sachverständige hatte festgestellt, dass der Ententeich von der Beklagten schon über einen längeren Zeittraum zur Ableitung von Mischwässern genutzt würde und überschüssige Wässer über ein Mönchsbauwerk in ein nahe gelegenes Gewässer abgeleitet werden. Es handele sich deshalb um eine ungenehmigte Anlage des Wasserbaus. Das Gericht bewilligte daher den Umbauzuschlag. Es handele sich um ein Ingenieurbauwerk (Anlage des Wasserbaus). Zwar würde durch die Planung nicht in die Konstruktion des Teichs eingegriffen, wohl aber in den Bestand. Dieser sei wesentlich, weil aus einer Anlage des Wasserbaus eine Anlage der Abwasserentsorgung entstehen sollte (Nutzungsänderung). Denn der Teich sollte bei dem umzustellenden Mischsystem in ein Trennsystem künftig nur noch den kontrollierten Abfluss von Regenwasser sicherstellen.
Das OLG: Durch die geplante Vertiefung des Teichs werde zwar auch in die Konstruktion eingegriffen. Die Wesentlichkeit dieses Eingriffs sei aber nicht vorgetragen worden, sodass sich das Wesentlichkeitskriterium nicht prüfen ließ. Wesentlich sei ein Eingriff, wenn er gegenüber dem Bestand einen Anteil von 10 bis 20 Prozent der Substanz ausmacht.
Quelle | OLG Naumburg, Urteil vom 16.5.2024, 2 U 96/23
| Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat einem Mann den Erlass der Grundsteuer verwehrt, obwohl er herangezogen worden war, ein Baudenkmal zu erhalten. |
Für den Erhalt eines Fachwerkhauses begehrte der Kläger Grundsteuererlass
Der Kläger erwarb im Jahr 2012 ein Grundstück, das mit einem barocken Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert bebaut ist. Für dieses zog ihn die beklagte Ortsgemeinde für das Kalenderjahr 2022 zur Zahlung von Grundsteuer B in Höhe von 110,60 Euro heran. Der Kläger beantragte daraufhin den Erlass der Grundsteuer, weil die Erhaltung des Gebäudes wegen seiner Denkmaleigenschaft im öffentlichen Interesse liege und für ihn unrentabel sei.
Den Antrag des Klägers auf Erlass der Grundsteuer lehnte die Beklagte ab. Insbesondere habe der Kläger die Unrentabilität des Gebäudes nicht hinreichend belegt.
Erfolgloser Widerspruch
Hiergegen wandte sich der Kläger zunächst erfolglos mittels Widerspruch und dann mit seiner Klage. Er habe denkmalschutzbedinge Sanierungsmaßnahmen vorgenommen, unter anderem das Fachwerk freigelegt. Ohne die Denkmaleigenschaft hätte er das Gebäude abgerissen und das Grundstück anderweitig verwertet. Es seien zudem Rückstellungen für weitere Sanierungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Aus Rentabilitätsgründen habe er überwiegend Eigenleistungen erbracht. Er erziele inzwischen Mieteinnahmen in angemessener Höhe, dennoch sei ihm ein Verlust entstanden.
Verwaltungsgericht sah Voraussetzungen für Erlass nicht gegeben
Die Klage hatte keinen Erfolg. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Grundsteuererlass für das Jahr 2022, so das VG. Das Grundsteuergesetz (hier: § 32 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 GrStG) sehe dies nur für Grundbesitz vor, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liege, wenn die erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile (Rohertrag) in der Regel unter den jährlichen Kosten lägen. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Zwar bestehe ein öffentliches Interesse am Erhalt des Fachwerkhauses des Klägers. Der Grundbesitz sei jedoch nicht unrentabel. Der Kläger habe in erster Linie im weitaus überwiegenden Umfang Kosten aufgewendet, um das Gebäude im Sinne seiner eigentlichen Bestimmung – zu Wohnzwecken – zu ertüchtigen. Es sei deshalb prognostisch nicht davon auszugehen, dass der Grundbesitz – was für einen Grundsteuererlass vorausgesetzt wird – dauerhaft unrentabel sei. Eine valide Bewertung der Unrentabilität sei zudem nicht möglich, weil der Kläger nicht alle dazu benötigten Unterlagen vorgelegt habe.
Schließlich fehle es jedenfalls an der erforderlichen Kausalität zwischen (unterstellter) Unrentabilität und öffentlichem Erhaltungsinteresse. Denn der Kläger habe das Gebäude in Kenntnis des Sanierungsbedarfs zum Marktwert erworben. Das Gebäude sei wegen seines mehr oder weniger veralteten und teilweise maroden Zustands sanierungsbedürftig gewesen, nicht aufgrund der Denkmaleigenschaft.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 25.6.2024, 5 K 172/24.KO, PM 16/24
| Gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sind u. a. Beschäftigte im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Ein solches Beschäftigungsverhältnis kann auch bei einem 15-jährigen Spieler einer Juniorenmannschaft eines Fußball-Bundesliga-Vereins mit einem „Fördervertrag“ vorliegen. So entschied es das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg. |
Komplexe Verletzung beim Ligaspiel
Ein damals 15-jähriger Fußballer erlitt in einem Spiel derfrüheren B-Junioren-Bundesliga im Herbst 2020 eine komplexe Läsion des Außenmeniskus und musste sich einer Operation und einer langwierigen Nachbehandlung unterziehen. Der 15-Jährige hatte, vertreten durch seine Eltern, einen „Fördervertrag“ als Vertragsspieler im Sinne der „Spielordnung“ des DFB unterschrieben und war in das Leistungszentrum des Vereins aufgenommen worden. Er unterwarf sich darin umfangreichen Verpflichtungen, insbesondere zur Teilnahme an allen Trainings und allen Spielen, ohne einen Anspruch auf Spieleinsatz zu haben. Auch hatte er etwa am dritten Tag einer Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche AU-Bescheinigung einzureichen. Es waren ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen im Jahr und ein „monatliches Grundgehalt“ von 251 Euro vereinbart.
Berufsgenossenschaft: kein Arbeitsunfall
Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, denn der Spieler sei nicht unfallversichert gewesen. Auch Verträge wie hier könnten jedenfalls vor dem 16. Geburtstag des Spielers kein Beschäftigungsverhältnis begründen. Außerdem sei das vereinbarte Gehalt so niedrig, dass es keine adäquate Gegenleistung, sondern allenfalls eine Aufwandsentschädigung darstelle.
Landessozialgericht gab Spieler Recht
Nachdem in erster Instanz vor dem Sozialgericht (SG) die Berufsgenossenschaft obsiegt hatte, hat nun im Berufungsverfahren das LSG dem Spieler Recht gegeben und ein Beschäftigungsverhältnis und damit einen Arbeitsunfall bejaht. Der „Fördervertrag“ gehe weit über die Pflichten eines bloßen Vereinsmitglieds hinaus und entspreche eher einem Arbeitsvertrag. Ausschlaggebend für diese Einordnung waren die umfassenden Verpflichtungen des jungen Mannes, die Regelungen zu Arbeitsunfähigkeit und Urlaub sowie das vereinbarte „Grundgehalt“, das ausdrücklich als einkommensteuerpflichtig bezeichnet wurde und auch über der steuerfreien „Übungsleiterpauschale“ nach dem Einkommensteuerrecht lag.
Verbotene Kinderarbeit nicht gegeben
Dass der Spieler bei dem Unfall noch keine 16 Jahre alt war, stand der Einstufung als „Beschäftigter“ nicht entgegen. Insbesondere lag keine verbotene Kinderarbeit vor, weil er die Vollzeitschulpflicht nach baden-württembergischem Landesrecht erfüllt hatte. Ebenso schließen die Regelungen des DFB nicht aus, dass bereits ein 15-jähriger Fußballspieler ein Beschäftigter ist. Zwar kann er frühestens ab dem 16. Geburtstag eine Spielerlaubnis für eine Lizenzmannschaft oder erste Herrenmannschaft erhalten. Diese bloße Möglichkeit ändert aber nicht die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere, wenn der Spieler mitten in einer laufenden Saison 16 wird. Sie schließt nicht aus, dass schon zuvor eine Beschäftigung vorlag. Für die Entscheidung war danach nicht die Grenze zu den Lizenzmannschaften maßgeblich, sondern die Grenze zwischen Vereinsamateuren und Vertragsspielern.
Die Entscheidung des LSG, wenn sie rechtskräftig wird, bedeutet, dass die zuständige Berufsgenossenschaft den Unfall entschädigen muss. Denn es handelt sich um einen Unfall infolge einer versicherten Tätigkeit und damit um einen Arbeitsunfall.
Quelle | LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.1.2025, L 9 U 3318/23, PM des LSG
| Das Verschenken von Geschäftsanteilen an leitende Mitarbeiter zur Sicherung der Unternehmensnachfolge führt nicht ohne Weiteres zu steuerpflichtigem Arbeitslohn bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. So lautet eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). |
Beachten Sie | Wird eine Mitarbeiterbeteiligung nicht zum Marktpreis übertragen, liegt der geldwerte Vorteil in der gegenüber dem marktüblichen Preis bestehenden verbilligten Übertragung. Arbeitslohn setzt aber weiter voraus, dass der Vorteil dem Arbeitnehmer „für“ seine Arbeitsleistung gewährt wird.
Das war geschehen
Die Arbeitnehmerin war seit vielen Jahren in der Führungsebene eines kleineren Unternehmens tätig. Da der Sohn der Gründungsgesellschafter als Nachfolger ausschied, beschlossen sie, die Leitung des Unternehmens zur Sicherung der Unternehmensfortführung in die Hände der Arbeitnehmerin und der weiteren Mitglieder der Führungsebene zu legen. Hierzu übertrugen sie jeweils 5,08 % der Anteile schenkweise an die Arbeitnehmerin sowie vier weitere Personen.
Finanzamt und gerichtliche Instanzen unterschiedlicher Auffassung
Das Finanzamt sah den in der Übertragung liegenden geldwerten Vorteil als Arbeitslohn an und unterwarf diesen der Besteuerung. Demgegenüber entschied das Finanzgericht (FG) Sachsen-Anhalt, dass sich der Vorteil aus der Übertragung der Gesellschaftsanteile nicht als Ertrag der nichtselbstständigen Arbeit der Angestellten darstellt. Dies hat der BFH nun bestätigt.
Regelung der Unternehmensnachfolge stand im Vordergrund
Auch, wenn die Anteilsübertragung mit dem Arbeitsverhältnis der Angestellten zusammenhängt, ist sie durch dieses nicht (maßgeblich) veranlasst. Denn entscheidendes Motiv für die Übertragung war für alle Beteiligten erkennbar die Regelung der Unternehmensnachfolge.
Beachten Sie | Der in der schenkweisen Übertragung aus gesellschaftsrechtlichen Gründen liegende Vorteil stellt in dieser Situation keine Entlohnung der leitenden Mitarbeiter für in der Vergangenheit erbrachte oder in Zukunft zu erbringende Dienste dar.
Als maßgebliche Indizien gegen Arbeitslohn sah der BFH auch folgende Aspekte an:
- Die Anteilsübertragung war im Streitfall nicht an den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geknüpft.
- Der vom Finanzamt angenommene Vorteil fiel im Vergleich zu den Bruttoarbeitslöhnen der Beschenkten deutlich aus dem Rahmen.
Quelle | BFH, Urteil vom 20.11.2024, VI R 21/22, PM 4/25 vom 16.1.2025
| Seit dem 1.1.2025 kann die Kleinunternehmerregelung auch erstmalig im EU-Ausland in Anspruch genommen werden. Die Voraussetzungen hierfür regelt das Umsatzsteuergesetz (hier: § 19 a UstG: „Besonderes Meldeverfahren für die Anwendung der Steuerbefreiung in einem anderen Mitgliedstaat“). Weitere Informationen finden interessierte Unternehmer auch im Onlineportal des für dieses Verfahren zuständigen Bundeszentralamts für Steuern (BZSt). |
Von inländischen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze sind von der Umsatzsteuer befreit. Im Zuge des Jahressteuergesetzes 2024 erfolgten viele Anpassungen am bisherigen System. Zudem kann die Kleinunternehmerregelung nun auch erstmals im EU-Ausland beansprucht werden (sogenannte Europäische-Kleinunternehmerregelung, kurz EU-KU-Regelung).
In Deutschland ansässige Unternehmer, die an der EU-KU-Regelung teilnehmen möchten, müssen ihre Teilnahme beim BZSt elektronisch beantragen. In diesem Antrag kann der Unternehmer sich für die Regelung registrieren und auswählen, in welchen EU-Mitgliedstaaten er die Regelung in Anspruch nehmen möchte.
Beachten Sie | Für die Antragstellung in Deutschland steht ausschließlich das Onlineportal des BZSt zur Verfügung.
Die Teilnahme an der Regelung ist ab dem Tag möglich, an dem der Unternehmer für die EU-KU-Regelung durch das BZSt zugelassen und damit zum Verfahren registriert wird.
Für die EU-KU-Regelung registrierte Unternehmer können nur im Onlineportal des BZSt Anpassungen zu Registrierung und Teilnahme an der EU-KU-Regelung vornehmen, z. B. Registrierungsdaten ändern, Umsatzmeldungen übermitteln und sich vom Verfahren abmelden.
Quelle | BZSt
| Das Verwaltungsgericht (VG) Osnabrück hat den Antrag der Betreiberin eines „Automatenshops“ auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer noch anhängigen Klage abgelehnt. Hintergrund ist eine Anordnung der Stadt Papenburg, nach der die Antragstellerin ihre in dem „Automatenshop“ befindlichen Verkaufsautomaten an Sonn- und Feiertagen höchstens drei Stunden außerhalb der ortsüblichen Gottesdienstzeiten betreiben darf. |
„Automatenshop“ mit elf Automaten
Der streitgegenständliche „Automatenshop“ verfügt über elf Automaten, die Rauchwaren, Hygieneartikel, alkoholfreie und alkoholhaltige Getränke sowie Snacks anbieten. Außerdem befinden sich in dem Raum, der durchgehend zugänglich und videoüberwacht ist, ein Kaffee‑, ein Box- und ein Schlagkraftautomat („Hau den Lukas“) sowie ein Airhockeytisch.
Die Stadt Papenburg meint, dass der „Automatenshop“ hinsichtlich der Öffnungszeiten den Regelungen des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten (NLöffVZG) unterliege. Folglich müsse sich die Antragstellerin an das grundsätzliche Verbot der Sonn- und Feiertagsöffnung halten. Die Behörde ordnete die sofortige Vollziehung ihrer Anordnung an. Der hiergegen gerichtete Eilantrag hatte keinen Erfolg.
Anordnung wohl rechtmäßig
Das VG folgte hier dem Vortrag der Antragsgegnerin. So sei die o. g. Anordnung voraussichtlich rechtmäßig. Zwar falle ein einzelner Warenautomat nicht unter die Regelungen des NLöffVZG. Der streitgegenständliche „Automatenshop“ mit elf Warenautomaten sei allerdings als Verkaufsstelle im Sinne des § 1 Abs. 1 Alt. 1, § 2 Abs. 1 S. 1 NLöffVZG anzusehen. So sei der Shop eine Einrichtung, in der von einer festen Stelle aus ständig Waren verkauft werden. Nach § 2 Abs. 1 S. 2 NLöffVZG gehören zu Verkaufsstellen außer Ladengeschäften aller Art auch Kioske. Einem solchen ähnele der „Automatenshop“.
Sonn- und Feiertagsruhe beeinträchtigt
Es sei hier unerheblich, dass kein persönlicher Verkauf stattfinde. Die grundgesetzlich geschützte Sonn- und Feiertagsruhe sei durch das Angebot dennoch beeinträchtigt. Der Niedersächsische Gesetzgeber habe – bisher – nicht deutlich gemacht, dass automatisierte oder digitale Verkaufsstellen nicht unter diese Regelung fallen sollen.
Weitere Anordnung
Die Stadt Papenburg hatte darüber hinaus mit einer weiteren Anordnung die Antragstellerin aufgefordert, eine Gaststättenanzeige einzureichen, sofern sie über ihre Automaten weiterhin Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle anbiete. Die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme wurde ebenfalls angeordnet. Dem hiergegen eingereichten Eilantrag gab das VG mit weiterem Beschluss statt.
So sei nach der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der streitgegenständliche „Automatenshop“ nicht dem Gaststättengewerbe zuzuordnen. Die Einrichtung vermittele nach Aktenlage vielmehr den Eindruck, dass die weit überwiegende Anzahl der Verkaufsgeschäfte mit dem Ziel der Mitnahme erfolge. Insofern sei der Antragstellerin darin beizupflichten, dass der Raum insbesondere wegen des Fehlens von Sitz- oder Abstellmöglichkeiten im Kern keine Anreize setze, sich längerfristig zum Getränkeverzehr dort aufzuhalten, auch wenn er zudem über Vergnügungsautomaten verfüge.
Quelle | VG Osnabrück, Beschluss vom 14.1.2025, 1 B 61/24 und 1 B 79/24, PM 1/25
| Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden: Wer einen Immobilienkredit nur gegen eine Provision gewährt, muss eindeutig angeben, ob die Provision von der Laufzeit des Kredits abhängig ist oder nicht. Fehlt es an dieser Angabe, ist von der Abhängigkeit von der Laufzeit auszugehen. |
Das kann erhebliche Konsequenzen haben. Die Kreditnehmerin hatte für die Gewährung des Kredits eine Provision zu zahlen. Weit vor dem Ablauf der gewährten Laufzeit zahlte sie den Kredit dann allerdings zurück. Zugleich verlangte sie nun anteilig die Provision zurück – zu Recht, wie der EuGH annahm.
Der EuGH: In der fehlenden Belehrung über den Umstand der Unabhängigkeit der Provision von der Laufzeit liegt eine unangemessene Benachteiligung jedenfalls eines Verbrauchers.
Quelle | EuGH, Urteil vom 17.10.2024, C-76/22
| Gewähren Luftfahrtunternehmen ihren Arbeitnehmern unentgeltlich oder verbilligt Flüge, ist der geldwerte Vorteil daraus zu versteuern. Für die Bewertung gelten besondere Regeln. Ein aktueller koordinierter Ländererlass regelt die Bewertung für 2025. |
Der Wert der Flüge kann grundsätzlich gemäß Einkommensteuergesetzes (hier: § 8 Abs. 2 oder Abs. 3 EStG) mit einem Rabattfreibetrag in Höhe von 1.080 Euro im Kalenderjahr ermittelt werden.
Beachten Sie | In den Fällen der Bewertung nach § 8 Abs. 2 EStG können die Flüge mit Durchschnittswerten angesetzt werden. Dabei kommt es u. a. auf die Flugkilometer an und darauf, ob Beschränkungen im Reservierungsstatus bestehen.
Quelle | Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 16.12.2024
| Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung, die der Erblasser bereits zu Lebzeiten an ein Bestattungsunternehmen abgetreten hat, erhöhen als Sachleistungsanspruch der Erben den Nachlass. Im Gegenzug sind jedoch die Bestattungskosten in vollem Umfang als Nachlassverbindlichkeiten steuermindernd zu berücksichtigen. In einem weiteren Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) Folgendes klargestellt: Verzichtet ein Kind gegenüber einem Elternteil auf seinen gesetzlichen Erbteil, hat dieser Verzicht nicht zur Folge, dass beim Versterben des Elternteils die Enkel des Erblassers den Freibetrag i. H. von 400.000 Euro erhalten. Vielmehr erhält der Enkel nur einen Freibetrag i. H. von 200.000 Euro. |
Urteil 1: Bestattungskosten bei Sterbegeldversicherung
Über folgenden Fall musste der BFH jüngst entscheiden: Der Kläger und seine Schwester sind Erben ihrer verstorbenen Tante (Erblasserin). Diese hatte eine Sterbegeldversicherung abgeschlossen und das Bezugsrecht an ein Bestattungsunternehmen zur Deckung ihrer Bestattungskosten abgetreten. Nach dem Tod stellte das Bestattungsinstitut für seine Leistungen einen Betrag i. H. von 11.654 Euro in Rechnung. Davon bezahlte die Sterbegeldversicherung 6.864 Euro.
Das Finanzamt setzte gegen den Kläger Erbschaftsteuer fest und rechnete den Sachleistungsanspruch auf Bestattungsleistungen (6.864 Euro) zum Nachlass. Für die geltend gemachten Nachlassverbindlichkeiten (einschließlich der Kosten für die Bestattung) setzte es nur die Pauschale für Erbfallkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i. H. von 10.300 Euro an. Die nach dem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) Münster als unbegründet zurück.
Der BFH hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Aufgrund der von der Erblasserin abgeschlossenen Sterbegeldversicherung ist ein Sachleistungsanspruch in Bezug auf die Bestattung auf die Erben übergegangen. Dieser fiel (wie das FG zutreffend entschieden hat) in Höhe der Versicherungsleistung von 6.864 Euro in den Nachlass und erhöhte die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer.
Im Unterschied zum FG ist der BFH aber der Meinung, dass die Bestattungskosten nicht nur in Höhe der Pauschale von 10.300 Euro abzugsfähig sind. Sie sind vielmehr in vollem Umfang als Nachlassverbindlichkeiten bei der Bemessung der Erbschaftsteuer steuermindernd zu berücksichtigen. Da die Feststellungen des FG nicht ausreichten, um die Höhe der insgesamt zu berücksichtigenden Nachlassverbindlichkeiten zu bestimmen, wurde das Verfahren zurückverwiesen.
Beachten Sie | Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde der Erbfallkostenpauschbetrag von 10.300 Euro auf 15.000 Euro erhöht. Nach der Gesetzesbegründung soll so ein individueller Kostennachweis in der Mehrzahl der Fälle vermieden werden können. Die Erhöhung gilt für Erwerbe, für die die Steuer ab dem Monat entsteht, der der Gesetzesverkündung folgt.
Urteil 2: Freibeträge
Hintergrund: Je näher das verwandtschaftliche Verhältnis ist, umso höher ist bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer der Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG. So gelten für Kinder 400.000 Euro. Dieser Betrag gilt auch für die Enkelkinder, sofern die Kinder des Erblassers bereits vorher gestorben sind. Bei Enkeln, deren Eltern noch leben, beträgt der Freibetrag 200.000 Euro.
Im Streitfall hatte der Vater des Klägers gegenüber seinem eigenen Vater (dem Großvater des Klägers) vertraglich auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet. Als der Großvater verstarb, wurde sein Enkel gesetzlicher Erbe. Dieser beantragte beim Finanzamt, ihm für die Erbschaft einen Freibetrag i. H. von 400.000 Euro zu gewähren. Das Finanzamt bewilligte aber nur einen Freibetrag i. H. von 200.000 Euro, da sein eigener Vater zwar auf seinen gesetzlichen Erbteil verzichtet hatte, aber beim Tod des Großvaters noch lebte.
Die Klage vor dem FG Niedersachsen war ebenso erfolglos wie die Revision beim BFH.
Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG benennt als Empfänger des höheren Freibetrags „Kinder verstorbener Kinder“. Diese Formulierung ist dahingehend zu verstehen, dass die Kinder des Erblassers tatsächlich verstorben sind. Die Vorversterbensfiktion des § 2346 Abs. 1 S. 2 BGB bewirkt nicht, dass das erbverzichtende Kind als „verstorbenes Kind“ im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG gilt und dessen Abkömmlinge den Freibetrag i. H. von 400.000 Euro erhalten.
Die Freibetragsregelungen sollen die Abkömmlinge der ersten Generation (Kinder) begünstigen. Bei den Enkeln hat der Gesetzgeber die familiäre Verbundenheit nicht als so eng angesehen und gewährt somit einen geringeren Freibetrag (200.000 Euro). Lediglich, wenn die eigene Elterngeneration vorverstorben ist, sieht der Gesetzgeber die Großeltern für das Auskommen der „verwaisten Enkel“ in der Pflicht und gewährt ihnen den höheren Freibetrag von 400.000 Euro.
Beachten Sie | Eine Ausdehnung des höheren Freibetrags auf Kinder, die nur vom Gesetz als verstorben angesehen werden, die aber tatsächlich bei Tod des Großelternteils noch leben, hat der Gesetzgeber nicht gewollt.
Quelle | Nachlassverbindlichkeiten: BFH, Urteil vom 10.7.2024, II R 31/21, PM 43/24 vom 14.11.2024; Freibeträge: BFH, Urteil vom 31.7.2024, II R 13/22, PM 41/24 vom 14.11.2024
| Wird ein zur Finanzierung eines vermieteten Grundstücks aufgenommenes Darlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung getilgt, ist die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften ausVermietung und Verpachtung abziehbar. Das gilt zumindest dann, wenn das Grundstück weiterhin zur Vermietung genutzt wird. |
Das war geschehen
Eheleute erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus insgesamt fünf Vermietungsobjekten. Dazu gehörten die Objekte X1 und X2.
Für die im Jahr 2013 erfolgte Anschaffung der beiden Objekte nahmen die Eheleute zwei Darlehen auf. Ein Darlehen über 200.000 Euro diente der Finanzierung des Objekts X1. Mit dem anderen Darlehen über 195.000 Euro wurde das Objekt X2 finanziert. Eine den Eheleuten ebenfalls gehörende Immobilie Y diente der Bank als Zusatzsicherheit. Die Immobilie Y wurde von den Eheleuten zunächst selbst bewohnt und diente anschließend zur Erzielung von Vermietungseinkünften.
Im Streitjahr 2020 veräußerten die Eheleute die Immobilie Y. Im Zuge dieser Veräußerung lösten sie auch die beiden Darlehen für die Objekte X1 und X2 ab. Denn die Bank war nicht bereit, den Wegfall des „Sicherungsobjekts Y“ hinzunehmen oder durch eine andere Sicherung zu ersetzen. Dafür fielen Vorfälligkeitsentschädigungen an (4.338 Euro und 4.280 Euro).
In der Steuererklärung für 2020 wich das Finanzamt von den Angaben der Eheleute ab, u. a. berücksichtigte es die Vorfälligkeitsentschädigungen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, weil die Vorfälligkeitsentschädigungen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung der Immobilie Y stünden. Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen sah das aber anders.
Finanzgericht: Auch Vorfälligkeitsentschädigungen sind Schuldzinsen
Schuldzinsen sind als Werbungskosten abzugsfähig, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Der Begriff der Schuldzinsen umfasst auch eine zur vorzeitigen Ablösung eines Darlehens gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung. Denn Vorfälligkeitsentschädigungen sind ein Nutzungsentgelt für das auf die verkürzte Laufzeit in Anspruch genommene Fremdkapital. Wird ein zur Finanzierung eines vermieteten Grundstücks aufgenommenes Darlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung getilgt, das Grundstück jedoch weiterhin zur Vermietung genutzt, ist die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.
Im Streitfall standen die beiden Darlehen niemals in einem Veranlassungszusammenhang mit dem Objekt Y. Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Rechtsprechung einen Veranlassungszusammenhang der Vorfälligkeitszinsen mit einer Veräußerung des Grundbesitzes sieht, betrifft dies Fälle, in denen es um die Veräußerung des mit den Darlehen finanzierten Grundbesitzes geht.
Dies trifft für das Objekt Y jedoch nicht zu. Denn für dieses Objekt wurden die Darlehen ursprünglich nicht aufgenommen. Und durch die Veräußerung des nur als Sicherungsobjekt dienenden Grundstücks Y hat sich der Veranlassungszusammenhang nicht geändert.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 30.10.2024, 3 K 145/23; BFH, Urteil vom 11.2.2014, IX R 42/13
| Bei einem (echten) Verkehrsunfall muss die Haftpflichtversicherung für die Schäden aufkommen. Aber was ist, wenn die Versicherung von einer Unfallmanipulation ausgeht? Dann muss sie beweisen, dass der Geschädigte mit dem „Unfall“ einverstanden war. Das Landgericht (LG) Lübeck hat eine solche Manipulation kürzlich verneint und die Versicherung zur Zahlung verurteilt. |
War der Unfall manipuliert?
Ein junger Mann feierte eine Party im Hause der Eltern. Um zwei Uhr nachts fuhr ein Gast rückwärts gegen das Auto des Gastgebervaters. Der Vater forderte die Haftpflichtversicherung zum Schadenersatz auf, doch die weigerte sich. Sie meinte, der Gast sei – in Absprache mit dem Gastgeber – absichtlich gegen das Auto gefahren, um die Versicherungssumme zu kassieren.
Landgericht: Es gab keine Verabredung zum Unfall
Das Gericht hat entschieden, dass die Versicherung die Schäden ersetzen muss. Der Fahrer und weitere Partygäste wurden zu dem Vorfall befragt und ein technischer Sachverständiger hinzugezogen. Daraus habe sich ergeben, dass der Fahrer aus Versehen gegen das Auto des Vaters gefahren sei und es gerade keine Verabredung zu einem manipulierten Unfall gegeben habe.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Lübeck, Urteil vom 26.9.2024, 3 O 193/22, PM vom 11.11.2024
| Bei kleinen unfallbedingten Schäden darf der Geschädigte einen Schadengutachter einschalten. Wenn der statt eines umfassenden Gutachtens ein dem Schadenumfang angepasstes „schmales“ Produkt zu einem Preis von ca. 100 Euro erstellt, ist das in Ordnung. So entschied aktuell das Amtsgericht (AG) Münster. |
Das AG: Weder sei ein Kostenvoranschlag generell kostenlos noch sei es sicher, dass die Werkstatt die Kosten dafür später verrechnet.
Das AG Münster weiter: Bei Schäden am Stoßfänger kann es auch sachgerecht sein, diesen demontieren zu lassen, um darunter liegende Schäden auszuschließen. Die dafür entstehenden Kosten muss ebenfalls der Schädiger erstatten.
Quelle | AG Münster, Urteil vom 12.9.2024, 8 C 477/24
| Jeder Fahrgast ist verpflichtet, sich in einem Linienbus festzuhalten. Diesen Grundsatz hat das Amtsgericht (AG) München jetzt noch einmal bekräftigt. |
Bus machte Vollbremsung
Der zum Unfallzeitpunkt 76-jährige Kläger fuhr als Fahrgast in einem Busanhänger eines Busses . Das Busgespann fuhr auf der Rechtsabbiegespur auf eine rote Ampel zu, als ein PKW kurz vor diesem auf dieselbe Abbiegespur wechselte, weshalb der Busfahrer eine Vollbremsung durchführte.
Der Kläger behauptete, er sei hierdurch gestürzt und habe Prellungen im Bereich der Brustwirbelsäule und des Beckens erlitten, zudem sei sein Daumensattelgelenk überdehnt worden. Er habe vier Wochen unter Schmerzen gelitten und sei bis heute nicht beschwerdefrei. Vor dem AG verklagte er den Fahrer des überholenden PKW sowie dessen Versicherung auf Zahlung von 2.000 Euro Schmerzensgeld sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Vollständiges Mitverschulden des Fahrgasts
Das AG wies die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme ab. Es ging zwar davon aus, dass die Fahrweise des beklagten PKW-Fahrers zum Sturz des Klägers beigetragen habe und dass die StVO ihm für den Spurwechsel ein Höchstmaß an Sorgfaltspflicht auferlege, gegen die er verstoßen habe. Die Haftung des PKW-Fahrers sei jedoch aufgrund des vollständigen Mitverschuldens des Klägers ausgeschlossen. Denn jeder Fahrgast sei verpflichtet, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen. Dies diene dem Schutz der Fahrgäste.
Die klägerseits eingenommene stehende Position war nicht geeignet, um bei einer Bremssituation gesichert zu sein. Vorliegend zeigte nämlich ein Video der Businnenkamera, dass der Kläger sich lediglich mit der linken Hand an dem Handlauf festhielt und seine rechte Hand auf dem mitgeführten Einkaufstrolley ruhte. Die Stabilisierung mit der linken Hand sei zu schwach, um ruckartige Bremsungen auszugleichen. Der Trolley biete keinen Halt, da er selbst bei der Vollbremsung herumgewirbelt wird, wie auf dem Video zu sehen sei. Der Trolley stellte eher eine Behinderung dar, weil der Kläger ihn auch während des Sturzes nicht losließ und sich daher auch mit der rechten Hand keinen festen Halt suchte.
Weitere Fahrgäste kamen nicht zu Fall
Dies zeige sich auch daran, dass keine anderen Passagiere im Rahmen der Vollbremsung stürzten, soweit auf den eingesehenen Videos der Businnenkamera zu sehen ist. Vielmehr hielt sich z. B. eine ältere Dame, die einen der Sitzplätze direkt hinter dem Kläger belegt hatte, an der dortigen Stange fest und rutschte (im Gegensatz zu ihrer Tasche) nicht von ihrem Sitz.
So sei dem Kläger – auch aufgrund seines Alters und des Mitführens des Trolleys – vorzuwerfen, dass er sich nicht hingesetzt hat. Wie auf dem Video zu sehen sei, waren ausreichend Sitzplätze vorhanden, auch wenn der Kläger das Gegenteil behauptete. Direkt hinter dem Kläger sei z. B. ein Sitzplatz frei gewesen, der überdies eine Haltestange zum Festhalten geboten hätte.
Vollbremsung nicht überraschend
Es habe sich hier auch nicht um eine völlig überraschende – wenn auch heftige – Vollbremsung gehandelt, da im Stadtverkehr regelmäßig mit heftigen Bremsungen gerechnet werden müsse. Hinzu komme, dass der Bus unstreitig bereits ca. 50 m vorher leicht gebremst hatte, wodurch der Kläger hätte feststellen können, dass seine Position ihm einen ungenügenden Halt verschaffte.
Quelle | AG München, Urteil vom 18.10.2024, 338 C 15281/24, PM 35/24
| Ob ein Partner trotz Kontaktverbots nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) an einer WhatsApp-Gruppe teilnehmen darf, der auch seine frühere Lebensgefährtin angehört, hängt von der Größe der Gruppe ab. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm. |
Annäherung mittels Fernkommunikationsmitteln untersagt
Gegenüber dem ehemaligen Lebensgefährten einer Frau bestand ein Näherungs-, Abstands- und Kontaktverbot nach dem GewSchG. Er durfte sich mit dieser danach auch nicht mittels Fernkommunikationsmitteln in Verbindung setzen. Die Frau wandte sich gerichtlich u. a. dagegen, dass der Mann eine WhatsApp-Nachricht „Da kann sie wieder lachen“ in eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe einer Laufgruppe abgesetzt hatte. Das AG sah darin einen Verstoß gegen o. g. Verbot. Dieses umfasse jede Kommunikation mit der Frau über soziale Medien.
Das OLG widersprach dem AG. Es sei vielmehr zwischen kleinen und größeren WhatsApp-Gruppen zu differenzieren. Im konkreten Fall verneinte es daher einen Verstoß gegen das Kontaktverbot und stellte fest, dass nicht generell ein Verstoß gegen das Kontaktverbot angenommen werden kann, wenn etwas in einer gemeinsamen WhatsApp-Gruppe gepostet wird. Jenseits persönlich an die verletzte Person gerichteter Nachrichten sei vielmehr danach zu differenzieren, ob es sich um Gruppen von drei bis vier Teilnehmern handelt, oder um eine größere Gruppe.
So sind größere WhatsApp-Gruppen zu beurteilen
Bei größeren Gruppen trete die mit einem Post stets auch verbundene persönliche Ansprache des einzelnen Mitglieds meist so in den Hintergrund, dass ein grundsätzliches Verbot, Nachrichten an die Gruppe zu schicken, zum Schutz vor Nachstellungen und Belästigungen nicht erforderlich ist. Würde man alle Aktivitäten in einer WhatsApp-Gruppe verbieten, würde die Handlungsfreiheit des Betroffenen zu sehr eingeengt. Das OLG hob hervor, dass der Mann hier die Frau auch nicht persönlich angesprochen hatte.
Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 24.9.2024, 13 WF 105/24
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Revisionen zweier Angeklagter gegen ein Urteil des Landgerichts (LG) Mönchengladbach verworfen, mit dem sie jeweils wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu Geldstrafen von 180 Tagessätzen verurteilt worden sind. |
Nach den vom LG getroffenen Feststellungen nahm die später verstorbene, damals 13-jährige und an Diabetes mellitus Typ I erkrankte Schülerin E. an einer mehrtägigen, klassen- und jahrgangsübergreifenden Studienfahrt ihrer Schule nach London teil. Die beiden Angeklagten, die an der Schule als Lehrkräfte unterrichteten, waren gleichberechtigt für die Organisation und Durchführung der Fahrt zuständig. Ihnen war weder die später Verstorbene noch deren Erkrankung bekannt. Sie nahmen keinen Einblick in die Schulakten, in denen die Erkrankung der Schülerin vermerkt war, informierten sich hierüber nicht bei den damaligen Klassen- und Fachlehrern und fragten chronische Vorerkrankungen nicht schriftlich ab. E. erbrach sich in London mehrfach, klagte über Kopfschmerzen und Übelkeit, war müde und körperlich geschwächt. Obwohl zwei Mitschülerinnen die beiden Angeklagten mehrfach auf den fortdauernd schlechten Gesundheitszustand von E. hinwiesen, hielten diese keine Nachschau. E. verstarb noch in London an einem Herzinfarkt in Folge einer schweren diabetischen Stoffwechselentgleisung.
Die durch die Sachrügen der Angeklagten veranlasste Überprüfung des Urteils durch den BGH hat einen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil nicht erkennen lassen. Das LG hat insbesondere rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Angeklagten gegen die ihnen obliegende Sorgfalt objektiv und subjektiv verstießen. Die erhobenen Verfahrensrügen sind ebenfalls erfolglos geblieben. Das Verfahren ist damit rechtskräftig abgeschlossen.
Quelle | BGH, Beschluss vom 18.12.2024, 3 StR 292/24, PM 6/25
| Das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen hat jetzt die Stadt Gelsenkirchen verpflichtet, einen sogenannten „Behindertenparkplatz“ vor der Wohnung eines schwerbehinderten Mannes einzurichten. |
Kläger hatte außergewöhnliche Gehbehinderung
Der 77-jährige Kläger ist schwerbehindert mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung. Für derart eingeschränkte Personen sieht die Straßenverkehrsordnung (hier: § 45 Abs. 1 b) Nr. 2 StVO) die Möglichkeit vor, einen sogenannten „Behindertenparkplatz“ auszuweisen. In der unmittelbaren Nähe zur Wohnung kann dies auch personenbezogen („Mit Ausweis Nr…“) erfolgen.
Voraussetzung ist allerdings neben dem Umstand, dass in dem Bereich nicht ausreichend freie Parkplätze auf der öffentlichen Straße vorhanden sind und dass die betroffene Person keine anderweitige Möglichkeit zum Abstellen außerhalb des öffentlichen Straßenraums hat – etwa eine Garage oder Stellplatz auf dem Grundstück. Zwar verfügt das Haus des Klägers über eine Garage. Der Kläger hat aufgrund seiner Behinderung jedoch keine Möglichkeit, von der im Keller gelegenen Garage in seine Wohnung zu kommen, da er weder die Zufahrtsrampe noch eine im Gebäude befindliche schmale und steile Treppe bewältigen kann. Er kann deshalb die Garage nicht nutzen. Auch die Zufahrt zur Garage ist nicht dazu geeignet, das Fahrzeug abzustellen, da sie zu steil und zu schmal ist.
So sah es die beklagte Stadt
Die beklagte Stadt Gelsenkirchen verwies den Kläger darauf, sein Fahrzeug parallel zur Fahrbahn auf der Straße vor der Garageneinfahrt abzustellen. Aufgrund des vor der Einfahrt nach den allgemeinen Vorschriften der StVO geltenden Parkverbots dürfe außer ihm niemand dort parken.
So sah es das Verwaltungsgericht
Dieser Auffassung konnte sich das VG nicht anschließen. Unabhängig davon, ob der vom Parkverbot erfasste Platz für das Abstellen eines Pkw ausreichen würde (die eigentliche Einfahrt ist nur 3 m breit), darf im konkreten Fall auch der Kläger nicht vor seiner Einfahrt parken. Denn für die Zufahrt ist der Bordstein abgesenkt, sodass dort ein generelles Parkverbot gilt, das auch den Inhaber der Garage erfasst. Dieses Parkverbot dient nämlich nicht nur der Sicherung der Zufahrtsmöglichkeit zur Garage, sondern auch dem Interesse gehbehinderter Menschen daran, den Gehweg – etwa zum Überqueren der Straße – verlassen zu können. Der Kläger muss sich daher nach Auffassung des VG nicht darauf verweisen lassen, dass die Stadt die durch ihn begangene Ordnungswidrigkeit nicht verfolgt. Ihm steht aufgrund der Umstände des Einzelfalls vielmehr ein Anspruch auf die Ausschilderung eines „rechtssicheren“ Sonderparkplatzes zu.
Quelle | VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5.11.2024, 14 K 1401/24, PM vom 7.11.2024
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat u. a. entschieden: Als Familienangehörige im Sinne der Eigenbedarfskündigung sind ausschließlich die Personen anzusehen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen nach der Zivilprozessordnung oder der Strafprozessordnung (hier: § 383 ZPO, § 52 StPO) zusteht. Cousins zählen hierzu nicht. |
Das war geschehen
Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, begehrt nach Ausspruch einer Kündigung wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter von den Beklagten die Räumung und Herausgabe einer an diese vermieteten Wohnung. Die Klägerin hatte das Gebäude, in dem sich die Wohnung befindet, nach deren Überlassung an die Beklagten erworben und ist dadurch als Vermieterin in das bestehende Mietverhältnis eingetreten. Zum damaligen Zeitpunkt hatte die Klägerin zwei Gesellschafter, die Cousins waren.
Die Beklagten haben die Kündigung für unwirksam gehalten und sich hierbei auf die Kündigungsbeschränkung des Bürgerlichen Gesetzbuchs berufen (hier: § 577 a Abs. 1 a S. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 der Kündigungsschutzklausel-Verordnung des Landes Berlin vom 13.8.13). Hiernach kann sich eine Personengesellschaft, an die vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter veräußert worden ist, erst nach Ablauf von zehn Jahren seit der Veräußerung für eine Kündigung der Wohnung gegenüber dem Mieter auf berechtigte Interessen berufen. Diese Kündigungsbeschränkung gilt indes nicht, wenn die im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs vorhandenen Gesellschafter derselben Familie angehörten. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass dies (auch) bei Cousins der Fall sei und deshalb die Kündigungsbeschränkung im Streitfall nicht eingreife.
So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH: Den Begriffen „Familie“ und „Familienangehörige“ in den hier maßgeblichen Vorschriften kommt dieselbe Bedeutung zu. Hiervon sind ausschließlich die Personen umfasst, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen zusteht. Ein entfernterer Verwandter, der – wie ein Cousin – nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, gehört somit auch dann nicht zu dem privilegierten Personenkreis, wenn zwischen ihm und dem Vermieter eine enge persönliche Bindung besteht. Ebenso gilt die Privilegierung selbst im Fall einer engen persönlichen Verbundenheit zwischen den Mitgesellschaftern nicht, wenn das Verwandtschaftsverhältnis zwischen ihnen so entfernt ist, dass es sie nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt.
Der vom Gesetzgeber bezweckten Privilegierung von Familienangehörigen in den o. g. Vorschriften liegt eine typisierende Betrachtungsweise dahingehend zugrunde, dass zwischen den hiervon umfassten Personen aufgrund einer familiären Beziehung eine besondere persönliche Nähebeziehung anzunehmen ist. Vor diesem Hintergrund bedarf es für den vom Gesetzgeber privilegierten Personenkreis des (zusätzlichen) Vorliegens eines konkreten, tatsächlichen Näheverhältnisses nicht. Auch scheidet eine Erweiterung dieses geschützten Personenkreises aufgrund einer einzelfallbezogenen Prüfung des Vorliegens einer besonderen sozialen Nähe angesichts der dem Gesetz zugrunde liegenden typisierenden Betrachtungsweise aus.
Entscheidend ist damit letztlich, für welchen Personenkreis der Gesetzgeber durch die Verwendung des Begriffs der „Familie“ eine typischerweise vorliegende besondere soziale Bindung angenommen hat. Er hat eine solche Bewertung im Rahmen der auf der persönlichen Nähebeziehung und Verbundenheit gründenden Gewährung eines Zeugnisverweigerungsrechts aus persönlichen Gründen vorgenommen. Dort hat er objektive Kriterien nach dem Grad der familiären Beziehung aufgestellt und hierdurch den Personenkreis definiert, innerhalb dessen nach seiner Auffassung typischerweise eine persönliche Nähebeziehung besteht. Es ist sachgerecht, diese gesetzgeberischen Wertungen auch für die ebenfalls in der persönlichen Verbundenheit begründeten Privilegierungen von Familienangehörigen in den hier einschlägigen mietrechtlichen Bestimmungen heranzuziehen. Cousins sind (nur) Verwandte in der Seitenlinie im vierten Grad. Ihnen steht ein Zeugnisverweigerungsrecht (nach §383 ZPO, § 52 StPO) nicht zu. Sie gehören somit nicht zu derselben Familie im Sinne des § 577 a Abs. 1 a S. 2 BGB.
Quelle | BGH, Urteil vom 10.7.2024, VIII ZR 276/23, PM 145/24
| Wird einem Wohnungsmieter fristgerecht gekündigt, weil dieser mit der Mietzahlung in Rückstand geraten ist, lässt sich diese Kündigung nicht ohne Weiteres dadurch aus der Welt schaffen, dass der Mietrückstand nachträglich noch ausgeglichen wird. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal in einem aktuellen Urteil entschieden. Das LG hat die Mieterin zum Auszug aus der Wohnung verpflichtet, obwohl sie im laufenden Räumungsverfahren die offenen Mieten noch ausgeglichen hatte. |
Mieterin zahlte zwei Monatsmieten nicht
Im konkreten Fall klagten die Vermieter zunächst vor dem AG gegen ihre Mieterin auf Räumung der Mietwohnung. Vorausgegangen war eine Kündigung, die sie zur Sicherheit zweifach erklärt hatten: zum einen fristlos – aus wichtigem Grund -, zusätzlich aber auch fristgerecht wegen Verletzung der vertraglichen Zahlungspflicht. Beide Kündigungen begründeten die Vermieter u. a. damit, dass zwei Monatsmieten nicht bezahlt wurden.
Die Mieterin bestritt dies nicht und zahlte die beiden offenen Mieten schließlich während des laufenden Gerichtsverfahrens vollständig. Sie berief sich nun darauf, dass die Kündigung infolge der Zahlung unwirksam geworden sei. Das AG folgte dem nicht und verurteilte die Mieterin zur Räumung der Mietwohnung.
Zu Recht gekündigt
Die dagegen gerichtete Berufung zum LG hatte keinen Erfolg. Das LG bestätigte, dass die Kündigung wegen der rückständigen Mieten zu Recht erfolgt sei. Im Zeitpunkt der Kündigung sei die Mieterin mit zwei Monatsmieten im Rückstand gewesen und nur darauf komme es hier an.
Vermieter hatten fristlos und fristgerecht gekündigt
Die gesetzliche Regelung, wonach ein Mietrückstand nachträglich ausgeglichen werden und die Kündigung dadurch möglicherweise beseitigen könne, gelte in dieser Form nur für die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. Hier hatten die Vermieter daneben sicherheitshalber aber auch noch fristgerecht gekündigt. Eine solche „ordentliche“ Kündigung werde durch die nachträgliche Zahlung der Mieten nicht ohne Weiteres unwirksam. Bei einer fristgerechten Kündigung sei lediglich zu prüfen, ob es unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben für die Vermieterseite zumutbar sei, auf die Räumung zu verzichten, nachdem keine Rückstände mehr bestehen. Dafür sah das LG hier aber keine Anhaltspunkte.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 1.3.2024, 2 S 118/23, PM vom 30.9.2024
| Das Bundessozialgericht (BSG) musste sich mit der Frage befassen, wann die mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz neu gestaltete Auskunftspflicht von Angehörigen gegenüber dem Sozialamt greift. |
Vater lebte im Seniorenwohnheim und erhielt Hilfe zur Pflege
Der Vater des Klägers lebt in einem Seniorenwohnheim und erhält vom Sozialhilfeträger Hilfe zur Pflege. Er ist geschieden und hat neben dem Kläger noch einen weiteren Sohn, der im Jahr 2020 Student war.
Der Sozialhilfeträger erlangte im Internet Informationen über die Arbeitgeberin des Klägers, eine Digitalagentur mit über 100 Mitarbeitern und einem Honorarumsatz im hohen siebenstelligen Bereich, und seine dortige Position als Chief Technology Officer (CTO). Er teilte dem Kläger mit, es sei davon auszugehen, dass sein Bruttoeinkommen die Grenze von 100 000 Euro jährlich überschreite und verlangte Auskunft über sein Einkommen und sein Vermögen.
Hiergegen wandte sich der Kläger. Denn mit den genannten Informationen sei die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt. Es bestehe deshalb keine Auskunftspflicht.
So sah es das Landessozialgericht
Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat den Auskunftsbescheid aufgehoben. Zwar sei die o. g. Vermutungsregel mit den öffentlich zugänglichen Informationen aus dem Internet widerlegt. Im sich anschließenden Auskunftsverfahren sei aber ein gestuftes Vorgehen erforderlich: In einem ersten Schritt sei der Sozialhilfeträger lediglich berechtigt, Auskünfte über das Bruttojahreseinkommen des potenziell Unterhaltsverpflichteten einzuholen.
Erst, wenn auf dieser Grundlage die 100 000-Euro-Grenze tatsächlich überschritten sei, bestehe in einem zweiten Schritt ein umfassendes Auskunftsrecht, das sich auch auf Vermögen beziehe.
Mit seiner Revision rügt der beklagte Sozialhilfeträger, dass das vom LSG geforderte gestufte Auskunftsverfahren im Gesetz keine Stütze finde. Wenn zu vermuten sei, dass die Einkommensgrenze überschritten werde, bestehe auch eine Verpflichtung zur Auskunft über das Vermögen, damit der Sozialhilfeträger den Unterhaltsanspruch umfassend prüfen könne.
So sah es das Bundessozialgericht
Das BSG gab dem Kläger ebenfalls recht: Vermögensauskünfte können nach dem Angehörigen-Entlastungsgesetz erst dann verlangt werden, wenn die Einkommensgrenze von 100.000 Euro tatsächlich überschritten wird.
Mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz hat der Gesetzgeber zum 1.1.20 u. a. unterhaltsverpflichtete Kinder entlastet. Ein Unterhaltsrückgriff durch den Sozialhilfeträger auf ein erwachsenes Kind, dessen Eltern vom Sozialamt Leistungen erhalten, ist mit dem neu eingeführten § 94 Abs. 1 a SGB XII gegenüber dem früheren Recht beschränkt worden: Ein möglicher Unterhaltsanspruch der Eltern gegen ihre erwachsenen Kinder geht erst auf den Sozialhilfeträger über, wenn das Einkommen des Kindes einen Jahresbetrag von 100 000 Euro übersteigt. Dabei wird gesetzlich vermutet, dass diese Einkommensgrenze nicht überschritten wird. Erst, wenn die Vermutung widerlegt ist, kann Auskunft vom unterhaltsverpflichteten Kind verlangt und anschließend ein Unterhaltsrückgriff vom Sozialhilfeträger geltend gemacht werden. Dabei ist ggf. auch vorhandenes Vermögen zu berücksichtigen.
Legitim: Informationen aus dem Internet eingeholt
Auch das BSG ging davon aus, dass es hinreichende Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Mann ein Einkommen von mehr als 100.000 Euro habe. Dass der Sozialhilfeträger diese Anhaltspunkte aus dem Internet habe, sei nicht zu beanstanden. Die Auskunftspflicht sei aber zunächst auf das Einholen von Auskünften zu den Einkommensarten beschränkt. So habe es der Gesetzgeber gewollt. Denn er beabsichtigte, in erster Linie erwachsene Kinder pflegebedürftiger Eltern zu entlasten. Dem widerspräche es, die Auskunftspflicht auszuweiten.
Quelle | BSG, Urteil vom 21.11.2024, B 8 SO 5/23 R, PM 32/24
| Die dreijährige Verjährungsfrist des Anspruchs auf Stellen einer Bauhandwerkersicherung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) beginnt taggenau mit dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit. So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH). |
So ist die Verjährung geregelt
Der Anspruch auf Stellen einer Bauhandwerkersicherung, wonach der Unternehmer unter im BGB näher geregelten Voraussetzungen vom Besteller eine Sicherheitsleistung in Höhe der vereinbarten Vergütung verlangen kann, verjährt in der regelmäßigen – dreijährigen – Verjährungsfrist nach § 195 BGB. Nun hat der BGH die bisher offene Frage entschieden, wann die Verjährung beginnt.
So begründet der BGH seine Ansicht
Dass die Verjährungsfrist taggenau mit dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit beginnt, folgt für den BGH aus der entsprechenden Anwendung von § 604 Abs. 5, § 695 S. 2, § 696 S. 3 BGB auf diesen Anspruch. § 199 Abs. 1 BGB, wonach die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, ist daher nicht anzuwenden.
Quelle | BGH, Urteil vom 21.11.2024, VII ZR 245/23
| Die Anordnung einer Verbandsgemeindeverwaltung, mit der die Eigentümer eines Wohngebäudes zur Herstellung und dauerhaften Unterhaltung einer eigenen Löschwasserversorgung verpflichtet worden sind, ist ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz und gab dem hiergegen gerichteten Eilantrag statt. |
Grundstückseigentümer sollten Löschwasserversorgung herstellen und unterhalten
Das Gebäude der Antragsteller befindet sich – gemeinsam mit weiteren Höfen – einige Kilometer außerhalb der nächstgelegenen Ortslage. Die vorhandene Trinkwasserversorgung ist zu klein dimensioniert, um eine hinreichende Löschwasserversorgung sicherzustellen. Ein in der Mitte des Areals existierender Löschteich ist verschlammt und deshalb nicht nutzbar. Weil Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung zwischen den Grundstückseigentümern und der Verbandsgemeindeverwaltung scheiterten, verfügte diese schließlich, dass die Grundstückseigentümer die Löschwasserversorgung mit einer Wassermenge von 96 m³/h für eine Dauer von zwei Stunden herzustellen und zu unterhalten hätten. Gleichzeitig ordnete sie die sofortige Vollziehung des Bescheids an.
Hiergegen erhoben die Antragsteller Widerspruch und stellten den gerichtlichen Eilantrag.
Anordnung war ermessensfehlerhaft
Dieser Antrag hatte Erfolg. Die Anordnung sei ermessensfehlerhaft ergangen, so das VG. Zwar könnten Eigentümer baulicher Anlagen, für die keine ausreichende Löschwasserversorgung sichergestellt sei, nach dem Landesgesetz über Brandschutz, die allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (hier: gemäß § 31 Abs. 5 LBKG) zur Vorhaltung fehlender Löschmittel verpflichtet werden. Der Antragsgegner habe jedoch übersehen, dass unter Umständen eine geringere Löschwassermenge ausreichend sei. Denn das Regelwerk, auf das sich der Antragsgegner maßgeblich bezogen habe, sehe zwar im Grundsatz die geforderten 96 m³/h vor. Für ländliche Ansiedlungen von zwei bis zehn Anwesen sei jedoch nur ein Löschwasserbedarf von 48 m³/h anzusetzen.
Hiermit habe sich die Antragsgegnerin nicht auseinandergesetzt, obwohl sich dies nach der Anzahl der vorhandenen Anwesen aufgedrängt hätte. Der Begründungsmangel führe so zu einem Ermessensdefizit.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 14.11.2024, 3 L 1042/24.KO, PM 20/24
| Objektüberwachung und Bauleitung sind inhaltlich „zwei Paar Schuhe“. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt festgestellt. |
Architekt verlangte Honorar für Bauleitung
Ein Architekt rechnete Honorar für „Bauleitung“ ab. Er bezog sich auf die Leistungsphase 8 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Er konnte aber nicht nachweisen, entsprechende Objektüberwachungsleistungen erbracht zu haben.
So sahen es die Gerichte
Die Gerichte kamen dagegen zu der Auffassung, dass er als Bauleiter nach der Hessischen Bauordnung (hier: § 59 HBO) tätig sein sollte. Diese Person muss u. a. darüber wachen, dass die Baumaßnahme nach den genehmigten Bauvorlagen bzw. – soweit eine bauaufsichtliche Prüfung entfällt – nach den eingereichten Bauvorlagen ausgeführt wird.
Bei der Überwachungstätigkeit muss der Bauleiter auf den sicheren Betrieb der Baustelle achten. Dazu zählt, dass die Arbeiten der Unternehmen ohne gegenseitige Gefährdung und ohne Gefährdung Dritter durchgeführt werden können. Über die HOAI können diese Leistungen – so sie denn erbracht wurden – nicht abgerechnet werden.
Der Bauleiter, so das OLG, sei nach dem allgemeinen Sprachverständnis dafür zuständig, zu überwachen, dass die Baumaßnahme entsprechend den öffentlich-rechtlichen Anforderungen durchgeführt wird. Der Objektüberwacher dagegen schuldet eine Ausführung des Objekts gemäß der vertraglichen zivilrechtlichen Vereinbarung mit dem Bauherrn.
Der Architekt ging also leer aus. Da der Bundesgerichtshof (BGH) aktuell eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen hatte, ist die Entscheidung des OLG nun auch rechtskräftig.
Quelle | OLG Frankfurt, Urteil vom 11.5.2023, 22 U 19/22
| Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer nach der Gewerbeordnung (hier: § 108 Abs. 1 S. 1 GewO) bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform erteilen. Diese Verpflichtung kann er grundsätzlich auch dadurch erfüllen, dass er die Abrechnung als elektronisches Dokument zum Abruf in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach einstellt. So hat es jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Klägerin verlangte Abrechnungen in Papierform
Die Klägerin ist im Einzelhandelsbetrieb der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Für den Konzernverbund, dem die Beklagte angehört, regelt die Konzernbetriebsvereinbarung über die Einführung und Anwendung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs vom 7.4.2021, dass alle Personaldokumente, insbesondere Entgeltabrechnungen, über einen externen Anbieter in einem digitalen Mitarbeiterpostfach bereitgestellt werden und von den Beschäftigten über einen passwortgeschützten Online-Zugriff abrufbar sind. Sofern für Beschäftigte keine Möglichkeit besteht, über ein privates Endgerät auf die im digitalen Mitarbeiterpostfach hinterlegten Dokumente zuzugreifen, muss der Arbeitgeber ermöglichen, die Dokumente im Betrieb einzusehen und auszudrucken.
Auf Grundlage der Konzernbetriebsvereinbarung stellte die Beklagte ab März 2022 Entgeltabrechnungen nur noch elektronisch zur Verfügung. Dem widersprach die Klägerin und verlangte, ihr weiterhin Abrechnungen in Papierform zu übersenden.
Landesarbeitsgericht: Entgeltabrechnung war nicht ordnungsgemäß
Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat der Klage, mit der die Klägerin die Erteilung der Entgeltabrechnungen begehrt, stattgegeben. Es hat angenommen, die Entgeltabrechnungen seien ihr durch Einstellen in das Online-Portal nicht ordnungsgemäß erteilt. Bei Entgeltabrechnungen handele es sich um zugangsbedürftige Erklärungen. Ein digitales Mitarbeiterpostfach sei nur dann als Empfangsvorrichtung geeignet, wenn der Empfänger es – anders als die Klägerin im Streitfall – für den Erklärungsempfang im Rechts- und Geschäftsverkehr bestimmt habe.
Bundesarbeitsgericht: Arbeitgeber wahrt Textform
Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das LAG.
Erteilt der Arbeitgeber Entgeltabrechnungen, indem er diese in ein digitales Mitarbeiterpostfach einstellt, wahrt er damit grundsätzlich die von der Gewerbeordnung (hier: § 108 Abs. 1 S. 1 GewO) vorgeschriebene Textform. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abrechnung seines Entgelts ist eine sog. Holschuld, die der Arbeitgeber erfüllen kann, ohne für den Zugang der Abrechnung beim Arbeitnehmer verantwortlich zu sein. Es genügt, dass er die Abrechnung an einer elektronischen Ausgabestelle bereitstellt. Hierbei hat er den berechtigten Interessen der Beschäftigten, die privat nicht über die Möglichkeit eines Online-Zugriffs verfügen, Rechnung zu tragen.
Grundlage: Konzernbetriebsvereinbarung
Die in der Konzernbetriebsvereinbarung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) geregelte digitale Zurverfügungstellung der Entgeltabrechnungen greift nicht unverhältnismäßig in die Rechte der betroffenen Arbeitnehmer ein.
Das BAG war jedoch an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil bisher keine Feststellungen dazu getroffen worden sind, ob Einführung und Betrieb des digitalen Mitarbeiterpostfachs in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats fallen.
Quelle | BAG, Urteil vom 28.1.2025, 9 AZ R 48/24, PM 3/25
| Das Arbeitsgericht (ArbG) Aachen hat entschieden: Die Besonderheiten der Arbeitsleistung eines Profifußballtrainers können zwar die Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Im konkreten Fall scheiterte dies jedoch an dem Schriftformerfordernis. Die Kündigung des Fußballtrainers wegen der fehlenden erforderlichen Lizenz für die nächsthöhere Liga war hingegen gerechtfertigt. |
Das war geschehen
Die Beklagte ist für den Spielbetrieb der 1. Fußballmannschaft zuständig. Der Kläger war zunächst ab Anfang 2022 bei der Beklagten als Sportdirektor beschäftigt. Er ist Inhaber der Trainer-A-Lizenz (Trainerberechtigung für die Fußball-Regionalliga); über eine „Pro-Lizenz“ (Trainerberechtigung für die 3. Liga) verfügt der Kläger nicht. Seit Ende 2022 trainierte er die 1. Fußballmannschaft, die in der Regionalliga spielte. Ende Januar 2023 schlossen die Parteien einen ab 1.1.2023 geltenden, zunächst bis zum 30.6.2024 befristeten, Arbeitsvertrag ab. Der Vertrag enthielt je nach Platzierung eine Verlängerung und verschiedene Prämien.
Die Beklagte stellte den Kläger im August 2023 von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Grundvergütung frei. Mit Abschluss der Saison 2023/2024 stieg die 1. Fußballmannschaft der Beklagten in die 3. Liga auf und gewann den Mittelrheinpokal. Im Juni und Juli 2024 sprach die Beklagte drei ordentliche fristgerechte Kündigungen aus.
Sachgrundbefristung gerechtfertigt
Das ArbG entschied, dass die Sachgrundbefristung eines Profifußballtrainers wegen der Eigenart der Arbeitsleistung grundsätzlich nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (hier: § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG) gerechtfertigt ist. Es sei Aufgabe des Cheftrainers, dafür zu sorgen, dass die Spieler die von ihnen geforderte Spitzenleistungen abrufen. Hierfür sei er als zentraler, prägender Leiter der Mannschaft zuständig. Das Erfordernis, dass die Spieler als Individuum und im Kollektiv Spitzenleistungen erbringen müssten, gebiete es, kurzfristig reagieren zu können, wenn diese Spitzenleistungen nachlassen oder ausbleiben. Ein kurzfristiger Austausch wesentlicher Teile der Mannschaft sei nicht möglich.
Formelle Mängel der Befristung...
Die Befristung des Arbeitsvertrags im vorliegenden Fall sei aus formellen Gründen gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam, da die Leistung der Unterschriften nach Aufnahme der Tätigkeit durch den Kläger erfolgte.
... aber Kündigung wirksam
Demgegenüber sei die Kündigung des Profifußballtrainers wegen des Fehlens der erforderlichen „Pro-Lizenz“ für die 3. Liga wirksam. Der Erwerb der erforderlichen Lizenz liege im Verantwortungsbereich des Trainers. Bis zum Zeitpunkt des Aufstiegs in die 3. Liga habe der Kläger trotz Freistellung einen Anspruch auf Vergütung und die Zahlung der Prämien. Nach Aufstieg in die 3. Liga habe der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung oder Prämien, da er die Voraussetzung für die Tätigkeit als Cheftrainer nicht erfüllt habe.
Quelle | ArbG Aachen, Urteil vom 19.11.2024, 8 Ca 3230/23, PM 1/25